Charles Haddon Spurgeon

Guter Rat für allerlei Leute

Reden hinterm Pflug

 

Menschen mit zwei Gesichtern

 

Selbst böse Menschen lieben diejenigen, die entschieden und eindeutig handeln. Diebe haben am liebsten mit ehrlichen Leuten zu tun, weil sie diese am besten betrügen können. Wer sich mannhaft verhält, hat wenigstens eine gute Seite. Wer aber mit den Wölfen heult und mit den Schafen blökt, wird von niemand gern gesehen, es sei denn vom Teufel. Zwei Gesichter unter einem Hut haben, ist trotzdem keine ungewöhnliche Erscheinung. Viele sehen so aus, als ob die Butter in ihrem Mund gefrieren müsste, und können doch Feuer speien, wenn es ihrem Zweck entspricht. Ich las neulich in der Zeitung von Röcken, die man auch umgewendet tragen könne; der Schneider, der sie anbietet, wird gewiss sein Glück damit machen. Es mit dem Hasen halten und mit den Hunden laufen ist auch jetzt noch Mode. Entschiedenheit und Festigkeit ist so selten in der Welt anzutreffen wie Wohlgeruch in der Hundehütte.

Man kann einigen Menschen so weit trauen, wie man sie mit den Augen verfolgen kann, aber nicht weiter; denn neue Gesellschaft macht auch neue Menschen aus ihnen. Wie Wasser kochen oder gefrieren sie, je nachdem, wie die Temperatur ist. Einige verhalten sich deshalb so, weil sie gar keine eigene Überzeugung haben. Sie vertreten die Richtung der Wetterfahne und drehen sich mit dem Wind. Ihre Meinung zu ermitteln ist ebenso leicht, wie am wechselnden Mond für einen Anzug Maß zu nehmen. Sie glauben an das, was sich am besten bezahlt macht. Ihre Mühle mahlt jedes Getreide, das man zu ihr bringt, wenn nur das bare Geld nicht ausbleibt. Und es passt ihnen jeder Wind: Nord, Süd, Ost, West, Nordost, Nordwest, Südost, Südwest, Nord-Nord-Ost, Süd-Süd-West und jeder andere, der in der Welt weht. Wie Frösche können sie auf dem Lande oder im Wasser leben, und es macht ihnen sehr wenig aus, ob hier oder da. Wie Katzen fallen sie immer auf ihre Füße, und sie bleiben überall, wo man ihnen Butter aufs Brot streicht. Sie lieben ihre Freunde, aber ihre Liebe wohnt im Brotschrank, und wenn der leer ist, so läuft ihre Liebe wie eine Maus nach einer anderen Schublade fort. Sie sagen: „Dich sollte ich verlassen, mein teures Mädchen? Nein, ich bleibe bei dir, solange du noch einen Pfennig im Kasten hast.“ Aber wie schnell machen sie sich aus dem Staube, wenn es schlimm damit aussieht! Wie die Ratten verlassen sie das Schiff, ehe es sinkt. Ihr Herz ist beim Pudding. Solange der Topf kocht, sitzen sie beim Feuer, wenn aber die Schüssel leer ist, so spielen sie Drehdichherum. Sie halten's immer mit dem Pferd, das in der Rennbahn siegt. Sie ziehen jeden Rock an, den man ihnen zu tragen gibt. Wer aber einen Pfennig für sie gibt, hat sein Geld weggeworfen. Der Profit ist ihr Gott, und Geld ist ihnen immer süß, ob sie es an dir verdienen oder an deinem Feind. Kopf sein oder Schwanz ist ihnen gleich, wenn sie nur dabei gewinnen. Hauptstraße oder Nebenweg, das macht für sie keinen Unterschied, wenn sie nur mit dem Brot im Korbe nach Hause kommen können. Sie sind gute Freunde der Gans, essen aber auch ebenso gern das Gänseklein. Wenn das Wasser nur ihre Mühlenräder treibt, so kann es ruhig schmutzig sein. Andere sind so veränderlich, weil ihnen verzweifelt viel an guter Kameradschaft liegt. Wer ihnen Gesellschaft leisten will, ist ihnen recht, sei er ein Reisender oder ein Wegelagerer. Sie sind von Natur so gutmütig, dass es ihnen eine Notwendigkeit ist, mit jedermann übereinzustimmen. Sie sind Vettern von Herrn Irgendetwas. Ihr Gehirn ist in den Köpfen anderer Leute. Wenn sie in Rom wären, würden sie dem Papst die Pantoffel küssen, wenn sie aber daheim sind, so rufen sie, bis sie heiser werden: Nieder mit der Priesterherrschaft! Sie gehen mit der Zeit in der Hoffnung, dass die Zeit mit ihnen gehen werde. Sie gehören zu der Partei, mit der gelben Farbe, aber nicht im Knopfloch, sondern auf der Innenfläche der Hand. Zieht man sie nur am Strick, so kann man sie auch läuten wie Glocken, wozu man will, zum Begräbnis oder zur Hochzeit. „Komm zur Kirche“ hören sie ebenso gern wie „Geh zum Teufel“. Sie haben kein Rückgrat, man kann sie biegen wie Weidenruten, rückwärts oder vorwärts, wie man will. Sie sind wie Austern: Wer sie aufmacht, kann sie auch wegwerfen. Sie sind dir wohlgesonnen und deinem Feind. Sie sind heiß und kalt. Sie wollen es beiden Seiten recht machen und verdienen auch, von beiden Parteien mit den Füßen getreten zu werden wie ein Fußball.

Einige sind Heuchler von Natur aus – glatt wie ein Aal und scheckig wie des Barons Stute. Wie ein Betrunkener können sie nicht gerade stehen, wenn sie es auch möchten. Sie winden sich rechts und links wie eine Landstraße. Kartenmischen ist ihr Lieblingsgeschäft und Ehrlichkeit ihr größter Abscheu. Honig ist auf ihrer Zunge, aber Galle in ihrem Herzen. Wie Katzenfüße lassen sie eine weiche Pfote sehen und tragen scharfe Krallen darunter. Wenn es gleichen Nutzen brächte, die Wahrheit zu sagen oder zu lügen, so würden sie doch naturgemäß die Lüge vorziehen, denn die ist mehr nach ihrem Geschmack, wie der Schmutz dem Schwein. Sie schmeicheln und schwänzeln und kriechen und kratzfüßeln und sind den Schnecken gleich, die sich mit Hilfe ihres Schleimes fortbewegen; dabei aber hassen sie dich in ihrem Herzen und warten nur auf eine gute Gelegenheit, dir den Dolch ins Herz zu stoßen. Nimm dich vor denen in acht, die aus der Stadt Trugheim kommen. Herr Nachbeidenseiten, Herr Schönrede und Herr Zweizunge sind Nachbarn, die am besten in einiger Entfernung wohnen. Sie sind wie Ruderer, die in die eine Richtung blicken und in die andere fahren. Sie sind falsch wie die Versprechungen des Teufels und grausam wie der Tod und das Grab.

Fromme Betrüger gehören zum Schlimmsten und sind doch, fürchte ich, so zahlreich wie Ratten in einem alten Weizenhaufen. Sie sind wie eine versilberte Nadel – von außen blank, von innen trübe. Sie decken ihre schwarze Haut mit weißen Federn zu. Sonntag und Montag sind bei ihnen sehr verschiedene Tage. Sie haben die Furcht vor dem Prediger bedeutend mehr vor Augen als die Furcht vor Gott. Ihre Frömmigkeit besteht im Nachäffen der Frommen, das Wesen der Sache haben sie nicht in sich. Sie tragen das Gesangbuch in der Tasche und singen dabei Schelmenlieder. Das beste, was sie an sich haben, ist ihr Sonntagsrock; je näher man aber ihrem Herzen kommt, desto mehr Schmutz findet man. Schwatzen können sie wie Papageien, aber ihr Wort und ihr Wandel stimmen nicht überein. Einige meinen dadurch Kunden zu ergattern, und einige fromme Redensarten sind eine billige Reklame fürs Geschäft. Ihr Geschäft aber ist ihnen nicht ein Gottesdienst, sondern sie machen aus ihrem Gottesdienst ein Geschäft. Andere, von der ärmeren Sorte, gehen zur Kirche wegen der Suppe, des Brotes und der Holzmarken. Sie lieben die Kirchengemeinschaft wegen des Armengeldes. Die liebe, alte Frau Wohlbeleibt, kann einen segensreichen Platz im Hospital gebrauchen; daher ist sie auch, wie sie sagt, immer so gesegnet durch die segensreichen Predigten, die sie jeden gesegneten Sonntag aus dem Segensmunde des Pastors vernimmt. Mag es mit dem Glauben solcher Leute sonderbar bestellt sein – Liebeswerke sind ihnen ganz recht. Sie wissen, wie man's anzufangen hat, dass man Butter aufs Brot bekommt.

Andere tragen eine fromme Außenseite zur Schau, um ihr Gewissen dadurch zu beschwichtigen; sie legen sie als Pflaster auf ihre Wunden – und wenn sie damit den Himmel so leicht zufrieden stellen könnten, wie sich selber, so stände es sehr gut um sie. Habe ich doch Leute kennen gelernt, die einen erstaunlichen Eifer fürs Christentum an den Tag legten, und die es doch, soweit ich sehen konnte, nur deswegen taten, damit man recht groß von ihnen denken sollte. Sie sammelten einen kleinen Kreis von Freunden um sich, die mit Bewunderung auf ihre Reden hörten und denen alles reines Evangelium war, was sie auch zu sagen beliebten. Ob der Prediger etwas taugte, darüber stand ihnen die Entscheidung zu. In den schwierigsten Dingen wussten sie Bescheid, und sie hatten ein Fässchen ganz vorzüglichen geistlichen Portweins für solche in ihrem Keller liegen, die etwas Kräftiges liebten. Aber, o weh! wenn sie sich doch dazu hätten herablassen wollten, auch im Leben ein wenig Christentum an den Tag zu legen, ein wie viel volleres Gewicht würden dann ihre Reden gehabt haben! Diese Leute sind wie die Eulen, die wie große Vögel aussehen und es doch nicht sind, weil sie zumeist aus Federn bestehen. Und sie sehen auch erstaunlich weise aus im Zwielicht wenn es, aber Tag wird, so werden sie als richtige Tölpel offenbar.

Wer sich mit Heuchlern dieser oder jener Art einlässt, wird die Folgen zu tragen haben. Wer versucht, den Herrn zu betrügen, wird auch gern bereit sein, seine Mitmenschen zu betrügen. Wo viel Geschrei ist, da ist meistens wenig Wolle. Mancher Schornstein ist so groß, dass man viel Speck und Schinken in ihm zu finden hofft; schaut man aber hinauf, so sieht man oft nichts als leere Haken und schwarzen Ruß. Die Windmühlen einiger Leute sind bloße Nussknacker. – Nicht alle, die in die Kirche oder in die Versammlung gehen, beten auch im Geist und in der Wahrheit an. Die am lautesten singen, sind es nicht immer, die Gott am meisten loben. Und die die längsten Gesichter machen, sind nicht immer die, die vom größten Ernst erfüllt sind.

Besser ein toter Hund als ein lebendiger Heuchler. In der Tat, wenn der Teufel die Heuchler in ihrem Wesen beobachtet, muss er eine wahre Herzensfreude an ihnen haben. Echte Christen versucht er, aber diese Leute lässt er unbehelligt, denn er weiß, sie sind ihm gewiss. Lahme Enten braucht er nicht erst zu schießen, sein Hund kann sie zu jeder Zeit auflesen.

Verlasst euch drauf, meine Freunde, wenn eine gerade Linie nicht zum Ziele führt, so wird es eine krumme erst recht nicht tun. Was durch Schwindeln erstanden wird, ist ein sehr gefährlicher Gewinn. Eine Maske tragen mag einen augenblicklichen Frieden verschaffen, aber Betrügerei wird sich an sich selber rächen und Schmerzen zur Folge haben. Ehrlichkeit ist die beste Politik. Wenn es mit dem Fell des Bären nicht geht, so versucht es ja nicht mit dem des Fuchses. Seid zuverlässig wie Stahl. Lasst euer Gesicht und eure Hände wie Zifferblatt und Zeiger einer Uhr immer angeben, was innerlich vorgeht. Lasst euch lieber wegen Offenherzigkeit auslachen als wegen Schlauheit rühmen. Offenheit mag uns in Verlegenheit bringen, ist aber besser als List. Die Aufrichtigen werden am letzten Tage ihren Lohn empfangen; ein Arglistiger aber kann ebenso wenig in den Himmel kommen, wie einer, der unter jedem Arm einen Mühlstein trägt, über den Atlantischen Ozean schwimmen kann.