Franziska Stocker-Schwarz

"Gott in Christus"
(Zum 250. Todesjahr von Johann Albrecht Bengel)

 

Vortrag auf dem 11. Gemeindetag am 30. Mai 2002 in Stuttgart
von Franziska Stocker-Schwarz, Stuttgart

 

 

Liebe Geschwister,

eine heilsame Arznei soll Gottes Gnade für uns sein. Bengel sagt: "Man darf nicht nur die Worte betrachten, sondern das Herz muss auch die Kraft davon erfahren. Wir dürfen mit Gottes Wort wohl umgehen, wie ein Botaniker oder Gärtner mit Blumen und Kräutern , deren Farbe, Gestalt, Geruch u.dgl. mit wunderbarer Mannigfaltigkeit wahrgenommen wird; vielmehr aber sollen wir mit dem Wort Gottes umgehen, wie den Blumen und Kräutern ein Mensch umgeht, der in gesunden und kranken Tagen sich deren Kraft zu Nutzen macht." [S.99 Vom heiligen Heimweh (4.Juli)]

Jedoch muss bei einem Heilmittel die Mischung stimmen. Gerade wenn mit Pflanzenextrakten gearbeitet wird, muss die Mischung stimmen.

Gerade die richtige Mischung macht die Wirkung aus. So sollte ein guter Hustentee eben nicht nur Lindenblüten zum Rausschwitzen des Infekts, Salbeiblätter gegen die Entzündung des Rachens, Pfefferminz für Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit, sondern auch Efeublätterextrakt zum Lösen des Hustens enthalten. Gerade die richtige Mischung macht die heilsame Wirkung aus.

Bengel vergleicht die Gnadenworte Gottes mit solch heilsamer Arznei. Er will keine ätzende Kritik an den Zeitgenossen üben, sondern die Gnade als heilsames Wort ausrichten.

Er hat die heilende Kraft des Wortes selbst oft genug gebraucht in seinen 28 Jahren als Klosterpräzeptor mit den Nöten der Schüler, als Familienvater mit den vielen Todesfällen seiner kleinen Kinder, als Ehemann seiner oft kranken Frau und selbst oft geplagt.

Er sagt einem Schüler, jenem hochbegabten nachmaligen Hochschulprofessor und Kanzler Jeremias Friedrich Reuß: "Vor zehn Tagen starb mir ein Knabe von drei Monaten. Bei einem Verlust dieser Art gewährt es mit Trost, Schüler und Freunde zu haben von Deiner Art. Als ein Hauptlinderungsmittel der Trauer betrachte ich nicht bloß die Stellen der H. Schrift, die dazu geeignet sein, Glauben, Liebe und Hoffnung in unserem Herzen zu erbauen, sondern überhaupt jede Beschäftigung mit derselben bei Tag und Nacht,... (zumal wenn ich hoffen darf, sie werden dereinst anderen Gewinn bringen)" [S.288 Karl Herrmann, Johann Albrecht Bengel, Stuttgart, 1987, 2. Auflage des Reprints von 1937]

Die heilsame Arznei der Gnade Gottes ätzt nicht das Fleisch, brennt nicht sinnlos in den Augen, sondern besteht aus der richtigen Mischung der Heilextrakte. Ja, noch mehr, manchmal kann ein Mittel ohne das andere gar nicht zur Wirkung kommen. So setzt auch der große Lehrer Bengel immer wieder die wichtigen Akzente:

Dass Gott selbst in Christus zu uns Menschen kommt, das entfaltet Bengel immer wieder in seiner Schriftauslegung. dass der heilige Gott selbst in Armseligkeit in Christus zu uns Menschen kommt, das macht die heilsame Arznei aus. Der allmächtige Gott kann nur in Christus erkannt werden. Gott, der Schöpfer, kommt ohne Christus den Menschen nicht zu gut.

Jesus nur als Mensch kann den Menschen keine rettende Gnade schenken, Jesus nur als Bruder unter Menschengeschwistern kann nicht heilen. Es ist wie mit einer heilsamen Arznei: So kann Vitamin A nur dann zur Wirkung kommen, wenn es uns Menschen in ungesättigter Fettsäure verabreicht wird. Gott in Christus - das ist ein heilsames Thema bei Bengel.

So in seiner Auslegung der Offenbarung:
Ich lese Kapitel 1, 4-6:
"Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen."

Bei diesem Gruß des Johannes hebt Bengel folgendes heraus: "Jesus Christus hat uns den Zutritt zu Gott und die Gemeinschaft mit Gott erworben, und seine Offenbarung ist das edle Geschenk, das wir in Händen haben. Deswegen wird hier ein Lobspruch über Ihn angehängt: ...ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dies ist ein wichtiges Exempel, daraus wir ersehen, dass unserm Erlöser göttliche Ehre mit eben den Wort, wie dem himmlischen Vater, zugeschrieben wird."

Gott ist in Christus, das ist wichtig.

Bengel unterstreicht bei der Auslegung zu Vers 17 von Kapitel 1:
"Gott sagt von sich "Ich bin das A und das O, v.8..., und so hier Christus: Ich bin der Erste und der Letzte, das ist der einige Heiland, vor dem kein anderer worden ist, und nach dem keiner sein wird. Wenn auf einer Universität einer allein doctorirt, so ist er der Erste und der Letzte zugleich. Der Herr Jesus ist der einige Seligmacher, an den wir uns zuerst und zuletzt halten sollen, an dem wir ganz genug haben."

Gott ist in Christus, im Namen Jesu liegt das Heil. Dieses kann Bengel nicht genug unterstreichen.

So zeigt er in seiner Auslegung des Römerbriefes, dass Jesus Schöpfermacht hat, und zwar als Erlöser: zu Kapitel 8, 38
"Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes uns scheiden kann von der Liebe Gottes."

Bengel setzt diese Paare parallel zu dem Erlösungswerk Jesu: Er schreibt dazu: "Selige Versicherung! Hier steht Paulus auf der Höhe und übersieht alles."(H.)

Kein Zweifel mehr! Drangsal und dergleichen geringe Stücke tun uns nichts, denn die größten Stücke, Tod, Leben etc. sind zu gering dazu. Die Ordnung, in welcher diese Stücke aufgeführt sind, lässt sich aus V.34 zur Bewunderung des Lesers nachweisen:
Nichts kann uns schaden [er ordnet neu]
weder Tod, noch Leben (14, 9), weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges (Epheser 1, 20),
noch Gewalten weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur; denn Christus ist:
gestorben,
auferstanden,
zur Rechten Gottes, unser Fürsprecher (siehe Römer 8, 34)
(Römerbrief aus Gnomon, in dt. Sprache hrsg. C.F.Werner, Ludwigsburg 1872) S. 75

Nichts kann uns schaden, denn Christus ist! So wird die heilsame Arznei gemischt.

Christus hat als Erlöser die Macht der Neuschöpfung. Welche Gewalt auch immer, Jesus hat mehr. Der Schöpfer unserer Welt hat sich in Jesus klein gemacht.

"Jesus Christus hat sich unter das menschliche Geschlecht begeben , ist zu ihnen mitten in den Schlamm ihres Elends hineingegangen, hat allen Jammer flutenweise über sich ergehen lassen. Er hat sich aber durchgeschlagen, ist mit einem vollkommenen Sieg der Gerechtigkeit wieder zu seinem Vater gegangen, hat uns den Zutritt bereitet, dass wir um seinetwillen uns dürfen vor Gott sehen lassen." (17. Januar, Heimweh)

Der Schöpfer unserer Welt hat sich in Jesus klein gemacht. Gott ist nicht ein namenloser Gott, sondern der Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Von Jesus muss ich reden, wenn ich von der heilsamen Gnade Gottes sprechen will.

Bengel drückt es so aus(22.April, Heimweh) "Die lebendige Hoffnung der Christen, die sie haben zu Gott, ist eine himmelfeste Zuversicht. Denn sie gründet sich auf das Sterben und die Auferstehung Christi. Sie ist eine selige Hoffnung. Wohl dem, der seinen Teil an derselben nicht auf den Sand einer leeren Einbildung, sondern auf Christum, den Felsen selber baut und sein Herz nicht ruhen lässt, bis er dieselbe erreichet."

Auf Christus gründet unser Heil, daher will ich von Jesus sprechen, wenn es um das Heil für diese Welt geht.

"Im Christentum kann man nicht neutral sein!" sagt Bengel (7.April, Heimweh), "man kann es auch nicht mit beiden Teilen halten, auch nicht von einem Teil zum andern abwechslungsweise übergehen."

So wird es ja heute gerne gemacht: Die Rede von Gott ist schon gern gehört, christliche Werte werden eingefordert, aber festlegen will sich selten jemand.

"Im Christentum kann man nicht neutral sein!" sagt Bengel. "Alle, die das Wort hören, sind entweder mit Christo oder wider Christum."

Dabei weiß Bengel, dass die Gefahr groß ist, sich selbst zu täuschen: "Wer berufen ist, folgt entweder oder nicht. Der Unterschied ist groß und wichtig. Man kann sich auch leicht betrügen, darum ist Vorsicht nötig."(ebd.)

Er betet so: "Jesu Christe, Herr der Herrlichkeit, dein Name wird in aller Welt verkündigt; aber es gibt dennoch großen Widerstand nicht nur bei denen, die draußen sind, sondern auch bei denen, die sich nach deinem Namen nennen; denn das Ärgernis des Kreuzes bleibt." (Predigtband, S.81)

Die Arznei tut ihre Wirkung: Gott in Christus, das kann Reinigung, Läuterung, Heilung bewirken: Nochmal Bengel zu Offenbarung 1, 17
"Was hat Johannes gesehen? eben das, was wir von ihm erzählt lesen und hören. Billig sollen wir uns dadurch in eine heilige und tiefe Furcht setzen lassen. Wir sind der heiligen Worte nur zu sehr gewohnt, sonst würden wir von denselben mehr angegriffen. Wenn aber etwas von einer Scheue an seine Seele tritt, der soll es nicht so bald von sich abschütteln. Es schadet nichts, es ist heilsam und gut, und niemand ist darüber erhaben. Ob einer gleich der Gnade versichert ist, und den Herrn Jesum schon lang kennt, so soll man sich doch bei einer neuen Stufe der Erkenntnis von der Herrlichkeit des Herrn allemal gerne demütigen lassen....Wer ohne sonderliche Furcht einher geht, der wird auch nicht viel Stärkung erlangen; wer aber tief darnieder gelegt wird, der wird desto kräftiger aufgerichtet und gestärkt."

Heilsame Arznei will Bengel vermitteln: Gott in Christus - das ist das A und das O.