ࡱ > # @ B ! " # $ % & ' ( ) * + , - . / 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ? @ B& bjbj{{ A I D B B B
L 8 8 8 L' L' } D D Z Z Z % % % $ R & " 8 " % " X X Z Z 7 ( ( ( z X Z 8 Z ( ( ( r \ T @ 8 Z 8 05 M 0 } $ d L' L' X X X X 8 0 % " G ( _ s % % % " " L' L' { L' L' Howard und Geraldine Taylor
Hudson Taylor
Ein Mann, der Gott vertraute
BRUNNEN VERLAG GIESSENberseeische Missionsgemeinschaft Zrich
ABCteam-Bcher erscheinen in folgenden Verlagen:
Aussaat- und Schriftenmissions-Verlag Neukirchen-Vluyn
R. Brockhaus Verlag Wuppertal
Brunnen Verlag Gieen
Bundes Verlag Witten
Christliches Verlagshaus Stuttgart
Oncken Verlag Wuppertal
Titel der englischen Originalausgabe:
Biography of James Hudson Taylor"
1965 by Overseas Missionary Fellowship
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen BibliothekTaylor, Howard:
Hudson Taylor: ein Mann, der Gott vertraute /
Howard u. Geraldine Taylor. -
6. Aufl. - Gieen: Brunnen-Verlag;
Zrich: Uberseeische Missionsgemeinschaft, 1986.
(ABC-Team; 128)
Einheitssacht.: Biography of James Hudson Taylor
ISBN 3-7655-2128-0
NE: Taylor, Geraldine:; GT
6. Auflage 1986
der deutschen Ausgabe
Brunnen Verlag Gieen
Umschlagfoto: Foto dpa
Herstellung: St.-Johannis-Druckerei, Lahr
INHALT
Vorwort von Generaldirektor J. Oswald Sanders 7
Dem Herrn geweiht 9
Der neue Ausgangspunkt 19
Von Glauben zu Glauben 27
Der Herr wird's versehn 43
Endlich China 53
Bauen in schwerer Zeit 70
Erste Evangelisationsreisen 82
Von einem Gef ins andere geschttet 92
Der zuschliet, und niemand kann ffnen" 105
Ebenezer und Jehova Jireh 120
Verborgene Jahre 136
Die Mission, die entstehen mute 152
Ich will mit dir sein" 167
Mehre mein Gebiet!" 174
Jesus gengt 199
Nicht ungehorsam der himmlischen Erscheinung 211
Die steigende Flut 255
Segenstage 270
Die Hundert 278
Auf Adlers Flgeln getragen 291
Die Tausend 299
Kannst du den Kelch trinken? 309
Ja, Vater!" 319
Gottes Wege sind vollkommen" 330
VORWORT
James Hudson Taylors Name ist noch heute nicht nur in England, sondern weitdarber hinaus bekannt und beliebt. Durch seine Besuche in Europa kam er mit vielenevangelischen Christen in Berhrung, und es entstanden dadurch wertvolle Verbindun-gen vor allem in Deutschland und in der Schweiz. Uberall hinterlie er durch seinklares Zeugnis und seinen glhenden Missionseifer einen tiefen Eindruck. Ein wich-tiges Ergebnis seiner Europareise war es, da sich nicht weniger als vierzehn kontinen-tale Missionsgesellschaften der China-Inland-Mission anschlssen. Diese Verbindungenwurden erst aufgelst, nachdem sich alle Missionare zum Rckzug aus China ge-zwungen sahen.
Die Herausgabe der vorliegenden gekrzten Biographie Hudson Taylors ist einZeugnis dafr, da der Einflu eines Mannes nie erlischt, der Gott als hchste Wirk-lichkeit anerkennt. Nur wenige Biographien berleben eine oder zwei Generationen.Doch die fast tausend Seiten umfassende zweibndige Lebensbeschreibung dieses Gottes-mannes fand in mehr als einem halben Jahrhundert ununterbrochenen Absatz. SiebzehnAuflagen erlebte sie allein in englischer Sprache. In Franzsisch und Deutsch mutedas ganze Werk verschiedentlich neu aufgelegt werden. Bestimmt gibt es einen zwingen-den Grund fr diese andauernde Popularitt, und dieser wird nicht so sehr im Stilund der Vortrefflichkeit der Schreibweise als in dem berlegenen Charakter und derArt des Inhalts zu finden sein.
Menschen, die Hudson Taylor zum erstenmal begegneten, sahen in ihm nichtsBesonderes. Seine erstaunlichen Kenntnisse schienen in keinem Verhltnis zu seinerscheinbaren Durchschnittlichkeit zu stehen. Einer der christlichen Fhrer berichtet berseine Eindrcke beim ersten Zusammentreffen mit Hudson Taylor:
Jede bisherige Idee von menschlicher Gre schwand mit einemmal dahin ..., dochChristi Ideal von Gre wurde damals so fest in mein Herz geprgt, da es all dieJahre bis auf den heutigen Tag berdauert hat. Durch diese unbewute Beeinflussunghat Hudson Taylor vermutlich in strkerem Mae als irgendein anderer Mensch Chri-sten zur Berichtigung ihrer Auffassung von wahrer Gre bewogen. Trotz seinermenschlichen Schwche war er stark in Gott."
Sein einfacher, doch fester Glaube wurzelte in zwei Wahrheiten: der Gre und derTreue Gottes. In unserer Zeit des Humanismus und Materialismus brauchen wir nichtsso sehr wie diese im Wesen Gottes liegenden Elemente, die Hudson Taylor ganz be-sonders betonte.
Es gibt nichts Kleines und nichts Groes. Gort allein ist gro. Wir sollten Ihmunser ganzes Vertrauen entgegenbringen."
Die Not ist gro, unermelich gro. Doch Gorf ist grer, unendlich grer."
Fr Hudson Taylor war Vertrauen auf Gott das Natrlichste und Vernnftigste,obgleich sein Glaube oft schwer geprft wurde.
Noch nie wurde unser Glaube so auf die Probe gestellt, doch noch nie habenwir Seine Treue in solchem Mae erlebt."
Schwierigkeiten bedrcken und entmutigen die meisten Christen. Sie versuchen daheralles, um ihnen auszuweichen. Nicht so Hudson Taylor. Er nhrte sich an ihnen undfreute sich ber jede neue Gelegenheit, durch neue Schwierigkeiten Gottes Macht undTreue aufs neue zu erfahren.
Wenn Gott mich in eine groe Verlegenheit bringt, mu Er mich dann nicht leiten?In schwierigen Lagen mir nicht viel Gnade, in Bedrngnissen und Prfungen mir nichtviel Kraft schenken? Wir brauchen nicht zu befrchten, da Seine Mglichkeiten denErfordernissen nicht gengen knnten."
Hudson Taylor war seiner Generation, was Missionsschau und -mthode betrifft,weit voraus. Seine khnen Ideen stieen nicht selten mit denen vorsichtiger und we-niger weitblickender Zeitgenossen zusammen. Er schaute die Dinge auf weitgespanntem
Hintergrund, und er hatte ein aufgeschlossenes Herz fr andere. Sein groes Ver-stndnis biblischer und missionarischer Grundstze kam ihm zustatten, wo es galt,Strategie und Taktik den Erfordernissen anzupassen, damit Gottes Missionsplan durch-gefhrt wrde.
Worin liegt der bleibende Wert dieses Lebensbildes? Es werden darin die ver-borgenen Grundstze aufgedeckt, nach denen Gott ein gewhnliches Leben formt undes zu einem auergewhnlichen gestaltet, weil es ihm in auergewhnlicher Weise hin-gegeben war. Weiter illustriert es in allen Erlebnissen und Erfahrungen Hudson Taylorsdas Wirken der gottgeschenkten Grundstze in dem Missionswerk, das zu grnden erdas Vorrecht hatte. Weil es zeitlose Grundstze sind, hat die Biographie im Gebietdes christlichen Wandels und missionarischen Dienstes Gegenwartswert.
Wir leben in einem Zeitalter groer Zeitnot. Die vorliegende Kurzfassung hat dasgroe Buch verdrngt. Viele mgen diese Tendenz beklagen, doch bleibt die Tatsachebestehen: Manche, die nie eine tausendseitige Biographie zur Hand nhmen, lesen gernein kleineres Buch.
Es sollte trotz dieser Krzung alles erhalten bleiben, was von zeitgemem Interesseund bleibendem geistlichem Wert ist, und nur das Nebenschliche und Vergngliche aus-gelassen werden. Darin war der Herausgeber erfolgreich. Die geistlichen Geheimnissevon Hudson Taylors auerordentlichem und fruchtbarem Leben wurden so weit wiemglich unverndert beibehalten. Wer die volle Biographie kennt, kann diese ge-krzte Ausgabe lesen, ohne befrchten zu mssen, er verliere dabei etwas. Die ber-setzung ins Deutsche geschah mit liebevollem Verstndnis durch Frau E. Baumann,ein Mitglied der Uberseeischen Missionsgemeinschaft.
Ich bin berzeugt, da, wo immer dieses Buch gelesen wird, die Worte Abels:Durch den Glauben redet er noch, wiewohl er gestorben ist" wahr sind im Blick aufJames Hudson Taylor.
J. Oswald Sanders
DEM HERRN GEWEIHT
Es war wie ein Heimkehren, als Benjamin Hudson, Prediger derMethodistenkirche nach Barnsley versetzt wurde. Nicht weit davon ent-fernt, am Rande der weiten Heide, lag sein Heimatort, in dem Amalie,seine Frau, ihre Jugend verbracht hatte. Dieses Yorkshiretal mit seinenvielen Hgeln und der sich meilenweit hinziehenden Bergkette trug viel-leicht etwas zur knstlerischen Veranlagung und tapferen Gesinnungihrer Kinder bei.
Benjamin Hudson war zwar kein besonders guter Redner, dafr aberein treuer, hingegebener Diener am Evangelium und ein wirklicher Knst-ler. Sein Talent als Portrtmaler bertrug sich auf mindestens drei seinerKinder. Sein auffallendster Charakterzug war ein unwiderstehlicherDrang zum Humor. Dieser bereitete ihm nicht selten Schwierigkeiten. Alser einmal whrend einer Konferenz der Wesleyaner wegen seiner Un-fhigkeit, diesen Hang zu meistern, getadelt wurde, entschuldigte er sichso geistreich, da die ganze Versammlung in Lachen ausbrach. Doch inBarnsley, ja, da fhlte er sich verstanden. Die Yorkshireleute schtztenseine humorvollen Reden und gezielten Ermahnungen. Auch diese Ver-anlagung, sein trockener Humor, bertrug sich auf seine Nachkommen.
Keiner verstand ihn aber in Barnsley besser als der SchilfrohrflechterJohn Taylor, dessen einfaches, doch solides Steinhaus gegenber demPredigerhause stand. Die lteste Tochter des Predigers, Amalie, hatte eineschne Stimme. Deshalb nannte John Taylor sie Nachtigall. Sein Sohn,James Taylor, Apothekerlehrling in einem Nachbardorf, besuchte seineEltern hufiger, seitdem er die hbsche Sngerin kannte. Die beiden jun-gen Leute verliebten sich und heirateten endlich nach einer siebenjhrigenVerlobungszeit im April 1831.
Zu der Zeit besa James Taylor bereits seine eigene Apotheke amMarktplatz. Dort schaltete und waltete nun Amalie. Ihre Gaben undFhigkeiten konnten hier nicht verborgen bleiben. Sie brachte Frohmutund Interesse an der Arbeit ihres Mannes mit in ihre Ehe und unter-richtete in der Sonntagsschule. Die vierzig bis fnfzig Buben und auch dieMdchen fhlten ihre Anteilnahme und Gebete. Eine besondere Freudebrachte eine Erweckung in der Gemeinde. Dabei kamen viele ihrer Sonn-tagsschler zum Glauben an Jesus Christus.
Bei seinen Predigtvorbereitungen fand James Taylor in seiner Fraueine unerwartete Hilfe. War sein Herz voll, die Feder aber unfhig undzu langsam zum Festhalten seiner Gedanken, ging er im Hinterzimmerseines Ladens auf und ab, whrend Amalie kurze Notizen machte undspter zu Predigten ausarbeitete, was er vor ihr ausgebreitet hatte. JamesTaylor legte groen Wert auf eine sorgfltige Vorbereitung seiner bibli-schen Botschaften. Aber er war auch ein gewissenhafter und tchtigerApotheker und als Geschftsmann hoch geachtet. Er nahm die Geld-
angelegenheiten so genau, da er es sich zur Gewohnheit machte, jedeSchuld sofort zu begleichen.
Wenn ich sie eine Woche stehenlasse", pflegte er zu sagen, schdigeich meinen Glubiger, auch wenn es sich nur um einen geringen Betraghandelt."
Uberzeugt von der unbedingten Treue Gottes, glaubte er einfachSeinem Wort. Fr ihn war die Bibel das praktischste Buch derBcher. So sprach er im ersten Winter ihrer Ehe eines Tages mit seinerFrau ber eine Bibelstelle, die ihn besonders beeindruckte. Es handeltesich um einen Teil des dreizehnten Kapitels aus dem 2. Buch Mose undum einige hnliche Verse aus dem 4. Buch Mose. Da stand geschrieben:Heilige mir alle Erstgeburt!" Die Erstgeburt ist mein." AlleErstgeburt sollst du dem Herrn weihen."
Lang und ernst war das Gesprch, das sie im Ausblick auf das bevor-stehende Glck zusammen fhrten. Um so genau wie mglich einemGebot nachzukommen, das sie nicht einfach auf hebrische Eltern einervergangenen Zeit beziehen konnten, knieten sie zusammen nieder, undder Herr antwortete auf dieselbe klare Weise. Er schenkte ihnen die Ge-wiheit, da Er ihre Gabe angenommen habe. Sie wuten, da das ihnenanvertraute Leben hinfort einem hheren Anspruch, einer tieferen Liebeausgeliefert bleiben mte. Diesen Tag konnte die junge Frau nicht wie-der vergessen.
Der Frhling zog ins Land und berhrte mit seinem zarten Hauch dieHgel und Tler des Yorkshirelandes. Am 21. Mai 1832 wurde danndieses Kind vieler Gebete James Hudson Taylor geboren. In seinemNamen sollten die Namen beider Eltern vereinigt sein.
Es blieb nicht bei diesem einen Kind. Eins der groen Vorrechte ihrerKindheit war das Leben unter der stndigen Obhut der Mutter. Dies warein reichlicher Ausgleich fr die bescheidenen Mittel, die ihnen zur Ver-fgung standen. Fr die Mutter gab es viel zu nhen, doch konnte siedaneben ihre Lesebungen abhren und sie Diktate schreiben lassen. VieleStunden wurden auf diese Weise ber Geschichte, Literatur und Reise-beschreibungen zugebracht. Sie vermittelte ihnen schon frh die Freudeam Lesen. Ihrer Genauigkeit und Grndlichkeit wird wohl die unge-whnliche Aufmerksamkeit im Kleinen zu verdanken sein, die ihren Sohnin spteren Jahren kennzeichnete.
Ebenso praktisch brachte sie ihren Kindern Sorgfalt in allem bei, wassie selbst betraf. Auf ihrem Waschtisch lag stets Nhzeug bereit, damitZerrissenes sogleich wieder instandgesetzt werden konnte. Da Sauber-keit und Ordentlichkeit trotz einfacher Kleidung eine Notwendigkeit sei,prgte sich den Kindern durch das Vorbild der Mutter frh ein.
Das kleine, hinter dem Laden liegende Wohnzimmer, in dem gegessen,gelernt, genht und gespielt wurde, war ein Bild der Gemtlichkeit undOrdnungsliebe. Mit dem kleinen Fenster, das vom Marktplatz her inter-
essante Eindrcke vermittelte, dem mit glnzendem Geschirr und Glasgefllten Buffet, seinem langen, altmodischen Ruhebett und dem geru-migen Bcherregal bildete das Familienzimmer einen behaglichen Ort.
Die sanfte Zucht der Mutter trug viel zu Hudsons glcklicher Kind-heit bei. Als einmal Gste zum Mittagessen eingeladen waren, bersahsie die Bedrfnisse ihres kleinen Sohnes. Whrend die andern aen, saer schweigend am Tisch, weil beim Essen nicht gebettelt werden durfte.Endlich bat eine leise Stimme um Salz. Das war auf alle Flle erlaubt.
Warum mchtest du denn Salz haben?" fragte sein Tischnachbar, derHudsons leeren Teller bemerkte.
O ich mchte nur bereit sein, wenn mir meine Mama etwas zu essengibt/'
Ein anderes Mal lenkte er die Aufmerksamkeit fr seine Bedrfnissedurch eine Frage auf sich, als das Gesprch einen Augenblick verstummte.
Mama, denkst du, Apfelkuchen sei etwas Gutes fr kleine Buben?"
Die Kinder lebten mit ihrem Vater beinahe so vertraut wie mit derMutter. Dieser fhlte sich nicht weniger verantwortlich fr ihre Erzie-hung. Obgleich streng und oft aufbrausend, kann der Einflu JamesTaylors im Leben seines Sohnes kaum hoch genug bewertet werden. Erwar bestimmt ein Zuchtmeister. Doch wer knnte sagen, ob Hudson jeder Mann und Leiter eines groen Werkes geworden wre ohne ein sol-ches Element in seiner frhesten Jugend? James Taylor gengte die Tat-sache nicht, da seine Kinder verhltnismig gut geartet waren. Er selbstbesa ein uerst starkes Pflichtbewutsein. Es mute immer das zuerstgetan werden, was zuerst getan sein mute. Freiheit, Vergngen undWeiterbildung durften nur den verbleibenden Raum einnehmen. Er warein Mann des Glaubens, doch ging sein Glaube Hand in Hand mit prak-tischer Arbeit. Von seinen Kindern verlangte er grndliches Erfllen ihrerPflichten, damit sie sich Gewohnheiten aneigneten, durch die sie zu zuver-lssigen Mnnern und Frauen geformt wrden.
Die Bedeutung der Pnktlichkeit zum Beispiel brachte er seinen Kin-dern durch Vorbild und Belehrung bei. Niemand durfte versptet zu denMahlzeiten oder andern Familienzusammenknften erscheinen.
Sind fnf Leute beisammen, und man lt sie eine Minute zu langewarten, dann gehen fnf Minuten verloren, die nie mehr eingeholt wer-den knnen", belehrte er sie.
Saumseligkeit beim An- und Auskleiden, oder wenn eine Arbeit getanwerden sollte, tadelte er ebenfalls als Zeitverlust. Lerne es, dich raschanzukleiden, denn du mut es wenigstens einmal jeden Tag deinesLebens tun. Beginn auch deine Arbeit sogleich, wenn sie dir aufgetragenwird! Zaudern hilft nicht und macht die Pflichten nur mhsamer."
Ein anderer seiner Grundstze lautete: Siehe zu, da du ohne diesesoder jenes auskommst!" Das bezog sich vor allem auf die bescheidenenTischfreuden. Er kannte den lebenslangen Einflu kleiner Gewohnheiten
und fhlte sich verpflichtet, seinen Kindern die Kraft zur Selbstzucht zusichern.
Manchmal werdet ihr zu euch selbst nein sagen mssen, wenn wireinmal nicht mehr bei euch sein und euch helfen knnen. Das wird euchsehr schwer fallen, wenn es euch nach irgend etwas gelstet. Darum latuns die Tugend der Selbstdisziplin heute ben, denn je frher ihr beginnt,desto strker wird die Gewohnheit sein", erklrte er ihnen.
Nach dem Frhstck und der Teezeit hielt er regelmig eine Familien-andacht. Dabei durfte keins der Kinder fehlen. Die gelesene Schriftstellewurde vom Vater in einer solch praktischen Art erklrt, da auch dieKinder die Anwendung erfaten. Er war sehr darauf bedacht, ihnen dasganze Wort Gottes zu geben. Nichts durfte bergangen werden. Das AlteTestament wurde ebenso durchgelesen wie das Neue. Nach der Bibellesetrug er das Datum regelmig in die Familienbibel ein.
Es wurde den Kindern gesagt, da die Pflege ihrer Seele durch Gebetund Bibelstudium ebenso wichtig sei wie Bewegung und Essen fr dasleibliche Leben. Dies zu unterlassen, meinte er, bedeute eine Vernach-lssigung des Allerwichtigsten. Er sprach oft darber als von einer Sache,die nicht bersehen werden drfe, und sorgte dafr, da seine Angehri-gen tglich wenigstens eine halbe Stunde mit Gott allein sein konnten.Bald entdeckten auch die Kleinsten das Geheimnis eines glcklich ver-brachten Tages.
James Taylor war ein geselliger Mann und sprach sich gern unterGleichgesinnten frei aus. Die Vierteljahrssitzungen der kirchlichen Ge-meindevorsteher, zu denen sie sich regelmig aus allen Teilen seinesUmkreises in Barnsley trafen, bereicherte er oft durch eine Einladung analle Teilnehmer zu einer Teepause in seinem Heim. Dabei wurden mei-stens Themen der Missionsarbeit in fernen Lndern berhrt. Die Kinderliebten die Geschichten fremder Vlker. China nahm den ersten Platz inihres Vaters Interesse ein. Er beklagte nicht selten die Gleichgltigkeit derheimatlichen Kirche gegenber der erschreckenden Not jenes Landes. Esbeunruhigte ihn, da die Methodistengemeinden nichts zur Evangelisa-tion Chinas beitrugen.
Warum nur senden wir keine Missionare dorthin?" rief er zuweilenaus. Dies ist das Land, das eingenommen werden sollte China mitseiner dichten Bevlkerung, seinen starken, intelligenten und gebildetenMenschen."
Schon ganz frh entschlo sich Hudson, einmal als Missionar nachChina auszuziehen. Sein Interesse an diesem Land wurde noch durch einekleine Schrift China" vertieft. Er las sie so oft, bis er sie beinahe aus-wendig konnte. Jede Hoffnung jedoch, die seine Eltern gehegt habenmochten, da er je zu einem solchen Dienst berufen sein knnte, httensie wegen seiner zarten Gesundheit begraben mssen.
Erst als Elfjhrigen hatten sie ihn in die Schule schicken knnen, und
bereits nach zwei Jahren mute er sie wieder verlassen. Obgleich er denUnterricht liebte, war es keine glckliche Zeit gewesen. Es verging keineWoche, in der er nicht einen oder zwei Tage daheim zubringen mute.Er machte sich auch zu wenig aus Bubenspielen, um allgemein beliebt zusein. Darum freute er sich ber den Entschlu der Eltern, ihn zu Hauseweiterstudieren zu lassen. Nebenher durfte er seinem Vater im Apothe-kerladen helfen. So vergingen seine Kindheitsjahre, und ganz unbemerktnherte sich Hudson Taylor der Krise seines Lebens.
Mit siebzehn Jahren war er ein hbscher Junge. Nadi auen hin schiener unbeschwert und sorglos zu sein. Doch innerlich war er voll Auflehnungund Zweifel. Er hatte einige Monate in einer Bank in Barnsley gearbeitet,wo die meisten seiner neuen Bekannten ihm selbst unbekannte Ansichtenvertraten. Es war nicht selten zu heftigen Diskussionen gekommen. Reli-gion war eins ihrer Themen. Darber wurde viel geschimpft. Einerzeichnete sich als besonders kritisch aus. Er war ein lterer, gut aussehen-der, allgemein beliebter Bursche, der bei jeder Gelegenheit Hudsonsaltvaterische" Ansichten belchelte und sich sehr bemhte, ihn davonabzubringen. Hudson begann denn auch, sich nach Vergngungen undAbwechslung, nach Geld und einem Pferd zu sehnen, um wie die andernseine Freizeit auszufllen. Er war es mde, stndig die ueren Formenchristlichen Lebens wahren zu mssen, nachdem er sich lange bemhthatte, daran festzuhalten. Als dann berstunden bei trbem Gaslicht eineernste Entzndung seiner Augen verursachten, mute er seine Stelle auf-geben und in den Apothekerladen seines Vaters zurckkehren. Seineinnere Zerrissenheit vertiefte sich nun noch mehr.
Sein Zustand wirkte sich natrlich ungnstig auf den Frieden und dasGlck seiner Familie aus und beschattete sein ursprnglich sonniges Wesen.Die Eltern erkannten seinen Zustand wohl. Der Vater versuchte ihm zuhelfen, fand es jedoch schwer, geduldig zu bleiben und ihn immer zu ver-stehen. Die Mutter verdoppelte ihre Zartheit ihm gegenber. Doch ambesten verstand ihn seine erst dreizehnjhrige Schwester Amalie. Ihrschenkte er sein Vertrauen.
Seine Gleichgltigkeit und innere Zerrissenheit gingen ihr so nahe, dasie sich vornahm, tglich dreimal fr ihren Bruder zu beten, bis er durcheine klare Bekehrung Frieden mit Gott fnde. Einzig ihrem Tagebuchvertraute sie an, sie wolle nicht eher mit Beten aufhren, bis Hudson zumLicht durchgedrungen sei, und sie rechne bestimmt mit der Erhrung ihrerGebete.
Gehalten durch den Glauben und die Gebete seiner Angehrigen, nahteendlich der unvergeliche Tag. Jahre spter schrieb er darber:
Meine Mutter weilte irgendwo in den Ferien. Am Nachmittag eines freien Tagessuchte ich in Vaters Bibliothek nach einem Buch, doch fand ich keins, das midi inter-essierte. Dann durchstberte ich einen mit Traktaten und Broschren gefllten Korb.Ich fand eine Schrift, die interessant aussah, und sagte zu mir selbst: Wahrscheinlich
steht zuerst eine Geschichte darin, und dann folgt eine Evangelisationsbotschaftoder Moralpredigt. Ich werde die Geschichte einmal lesen und den Rest denen ber-lassen, die daran Freude haben.
Ich machte es mir gemtlich und begann beinahe gleichgltig zu lesen. Dabei nahmich mir vor, die Schrift bestimmt beiseite zu legen, wenn etwas ber die Erlsungdarin stehen sollte.
Wie konnte ich wissen, was in jener Stunde im Herzen meiner Mutter vorging,die etwa einhundertundzwanzig Kilometer entfernt ihre Ferien verbrachte! Sie hatteden Mittagstisch mit einem tiefen Verlangen nach der Bekehrung ihres Sohnes ver-lassen, und weil ihr viel freie Zeit blieb, wollte sie diese im Gebet fr mich zubringen.So zog sie sich denn auf ihr Zimmer zurck, schlo die Tr ab und war fest ent-schlossen, den Raum nicht eher zu verlassen, als bis ihre Gebete erhrt worden seien.Stunde um Stunde brachte die gute Mutter im Gebet zu, bis sie sich gedrungen fhlte,Gott fr Seine Erhrung zu danken.
Whrend ich selbst das Traktat las, fielen mir die Worte ,Das vollendete WerkChristi' auf.
Ich fragte mich: Warum gebraucht der Schreiber wohl den Ausdruck .vollendetesWerk Christi'? Warum heit es nicht Wiedergutmachungs- oder Vershnungswerk?Dabei dachte ich an die Worte Jesu: ,Es ist vollbracht!' Was aber bedeutet .voll-bracht'? Die Antwort gab ich mir selbst. Es mute sich um ,eine ganze und vollkom-mene Erlsung und Shne fr die Snde' handeln. Sagt doch die Heilige Schrift:Jesus ist die Vershnung fr unsere Snden, nicht allein fr die unseren, sondern auchfr die der ganzen Welt.'
Dann dachte ich weiter: Wenn das ganze Werk vollbracht ist, was bleibt mirdann noch zu tun brig?
Damit dmmerte in mir durch den Heiligen Geist die frohe Uberzeugung wie einLicht auf, da ich in dieser Welt nichts anderes zu tun htte, als auf die Knie zufallen und diesen Erlser und Seine Erlsung dankbar anzunehmen. Damit wrdeich Ihn auf ewig preisen.
Whrend meine Mutter in der Ferne in ihrem Zimmer Gott lobte, dankte ich Ihmim alten Lagerschuppen, wohin ich mich inzwischen zum Lesen zurckgezogen hatte.
Erst nach einigen Tagen machte ich meine Schwester zur Vertrauten meinerFreude. Dabei nahm ich ihr das Versprechen ab, niemand etwas davon zu verraten.Als meine Mutter nach zwei weiteren Wochen zurckkehrte, begegnete ich ihr alserster und sagte ihr, ich htte eine gute Nachricht fr sie. Noch meine ich, die Armemeiner lieben Mutter um meinen Nacken zu fhlen, als sie antwortete: ,Ich wei,mein Junge.'
,Wie, hat Amalie ihr Versprechen nicht gehalten? Sie sagte doch, sie wolle niemanddavon sagen.'
Da versicherte mir die Mutter, da sie von keiner menschlichen Quelle das Ge-schehene vernommen habe. Sie erzhlte mir dann von ihrem Erleben und sagte: ,Duwrdest es doch sicher auch eigenartig finden, wenn ich nicht an die Macht desGebets glaubte.'
Aber das war nicht alles. Nach einiger Zeit bltterte ich einmal in einem Notiz-buch, weil ich meinte, es sei mein eigenes. Die Zeilen, auf die mein Blick fiel, warenjedoch von meiner Schwester geschrieben. Es war ihr kleines Tagebuch, in dem ichvon ihrem Versprechen las, Gott so lange bitten zu wollen, bis ihr Bruder bekehrt sei.Nur einige Wochen hatte es gedauert, bis es Gott gefiel, mich aus der Finsternis zumLicht hindurchzubringen."
Es war vielleicht natrlich, da Hudson vom Anfang seines Glaubens-lebens an den Verheiungen Gottes vertraute und um die Macht des Ge-
bets wute, nachdem er in einer solchen Familie aufgewachsen und untersolchen Umstnden errettet worden war.
Diese entschiedene Annahme des Erlsungswerkes Christi geschah imJuni 1849. Von jetzt an freute er sich ber die Gewiheit der Annahmebei Gott, und zwar nicht auf Grund eigener Leistungen, sondern alleindurch das Werk und die Person Christi. Nicht ich, sondern Christus."Dieses Wissen brachte Freiheit, Frieden und Ruhe. Das war der Wende-punkt, der Anfang eines neuen Lebensabschnitts, der fr ihn ohne daer sich dessen bewut war China bedeutete.
Nun zeigte sich auch der unschtzbare Wert von Zucht und Gewh-nung in einem christlichen Haus. Er machte rasche Fortschritte, denn dieBibel war ihm kein fremdes Buch, sondern vertrautes Gebiet, ein Landder Verheiung, das nur eingenommen werden mute. Das Gebet bedeu-tete keine ungewohnte Anstrengung. Ihm war es natrlicher Ausdruckeines Herzens, das gewohnt war, sich in allem an Gott zu wenden. Esgab viel zu lernen in diesem neuen Leben, doch erfreulicherweise wenighliche Gewohnheiten oder Erinnerungen auszulschen. Der HeiligeGeist hatte verhltnismig freien Raum in seinem Herzen. Und vor demSiebzehnjhrigen lag ein ganzes Leben, ber das sein Herr verfgen sollte.
Als Ausdruck seiner Dankbarkeit wollte er eine Arbeit fr Gott tun,einen Dienst, der vielleicht sogar mit Leiden verbunden wre. Mit diesemVerlangen im Herzen verbrachte er einen seiner freien Nachmittage aufseinem Zimmer. Er mute mit Gott allein sein. Da begegnete ihm Gottauf besondere Weise.
Lebhaft erinnere ich mich jener Begebenheit", schrieb er lange danach,wie ich in ungeteilter Hingabe mich selbst, mein Leben, meine Freunde,mein alles auf den Altar legte, und wie Gott mir die Zusicherung gab,da mein Opfer angenommen sei. Die Gegenwart des Herrn wurde un-aussprechlich real. Ich wei noch, da ich in tiefer Ehrfurcht und Freudevor Ihm auf dem Boden lag. Es erfllte mich das Bewutsein, nicht mehrmein eigen zu sein. Das habe ich seither nie mehr verloren."
Nun begann er sich als Ergebnis dieser bestimmten bergabe an Gottum das Wohlergehen anderer Menschen zu kmmern. Vermochte er auchnoch nicht zu predigen, so konnte er doch christliche Bltter verteilen undLeute zur Sonntagspredigt einladen. War er an den Werktagen zu sehrbeschftigt, so benutzte er die Sonntage dazu. Statt am Sonntagabend wiebisher zur eigenen Erbauung in der Kirche zu sitzen, suchte er nun mitseiner Schwester die rmsten Stadtteile auf. Sie gingen von Tr zu Trund boten allen, die sie haben wollten, ihre Schriften an. Die elendestenMietshuser suchten sie auf, obgleich es sie nicht wenig kostete, durchdunkle, enge Zugnge zu den berfllten Kchen vorzudringen. Dochwurden sie reichlich in dem Wissen belohnt, da der Meister ihr Tunbillige.
Die Freude an seinem Herrn und dem Dienst fr Ihn war aber nicht
seine einzige Erfahrung jener Sptsommertage. Es gab Zeiten der Gleich-gltigkeit und widerstreitender Gefhle und Gedanken. Es schien irgend-wie eine Kluft zwischen der errettenden Macht Jesu und den Nten destglichen Lebens in Laden und Heim zu bestehen. Das Gute, das er wollte,tat er nicht, und das Bse, das er hate, siegte nur zu oft. Er bejahte dasGesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, doch erkannte er ein an-deres Gesetz, das ihn in die Gefangenschaft der Snde mit all ihren er-ttenden Wirkungen brachte. Er hatte noch nicht gelernt, Gott zu danken,da das Gesetz des Geistes, das da lebendig macht in Christo Jesu, michfrei gemacht hat vom Gesetz der Snde und des Todes".
In solchen Zeiten bleiben der betrbten und erschreckten Seele nurzwei Wege offen. Der eine bedeutet, das hohe Ziel fahrenzulassen undstufenweise zu einer niedrigeren Ebene christlichen Lebens hinunterzu-steigen, wo es weder Freude noch Kraft gibt. Der andere Weg fhrt in dieNachfolge Jesu hinein, in der auf Grund Seiner groen und kostbarenVerheiung vllige Befreiung nicht nur von der Schuld, sondern auch vonder Herrschaft der Snde beansprucht werden darf.
Nichts Geringeres als das konnte Hudson Taylor zufriedenstellen. DieBekehrung hatte er nicht als leichtfertige Verstandesangelegenheit erlebt.Von seinem alten Leben war er fr immer durch das Kreuz Christi ge-schieden worden und damit auch von dem Erflltsein durch irgendeinGlck, das die Welt bietet. Was er nun brauchte, nachdem er durch seineBekehrung die Wiedergeburt erlebt hatte, war die ununterbrochene Ge-meinschaft mit Gott. Von jetzt an beunruhigten ihn Zeiten der geistlichenErschlaffung und Gleichgltigkeit. Er sehnte sich nach vlliger Befreiungvon der Macht der Snde und tglichem Sieg ber sie nach wirklicherHeiligkeit.
Die innere Zerrissenheit dauerte den ganzen Herbst hindurch an.Dazu kamen noch einige erschwerende uere Umstnde. Der Septemberbrachte einen empfindlichen Wechsel im Familienkreis. Amalie zog nachBarton am Humber, um dort ihre Ausbildung zu vervollkommnen. DieSchwester ihrer Mutter, Mrs. Hudson, fhrte dort eine Mdchenschuleund nahm auch einige Mdchen in ihren Familienkreis auf. Ihr ltesterSohn John sollte gleichzeitig bei seinem Onkel in Barnsley eine Apothe-kerlehre machen. Damit beiden Familien groe Auslagen erspart blieben,wurde ausgemacht, da Vetter und Cousine ihre Heimsttten tauschensollten. Weil John nun mit Hudson das Zimmer teilte, fand dieser wenigerZeit zum Gebet und Bibellesen, dafr aber mehr Grund, sich zu rgern.Dazu kamen noch Spannungen im Geschft. Obwohl er die ausgezeich-neten Eigenschaften seines Vaters kannte und schtzte, war die Zusam-menarbeit mit ihm nicht immer leicht. Alle diese Schwierigkeiten fhrtenin den ersten Dezembertagen zu einer Krise.
Nach auen hin blieb alles unverndert, doch innerlich war er derVerzweiflung nahe. Er war sich einer schrecklichen Leere bewut. Das
Gebet wurde zur Anstrengung, und die Bibel besa fr ihn keine An-ziehungskraft mehr. Weihnachten stand vor der Tr, und in der Apothekegab es viel Arbeit. So schien keine Zeit fr ein stilles Warten vor Gottbrig zu sein, selbst wenn der Wunsch dazu vorhanden gewesen wre.Doch dies war nicht der Fall. Bisweilen erfate ihn eine groe Angst, daer aus Gottes Gnade fallen und Gottes Ziel nicht nur in dieser Zeit, son-dern vielleicht sogar nach diesem Leben verfehlen knnte.
In jenen Tagen wurde seine Aufmerksamkeit auf einen Artikel in derNovemberausgabe der Methodisten-Zeitschrift" gelenkt, der in glhen-den Ausdrcken ausgerechnet die Erfahrung schilderte, nach der er suchte.Die Uberschrift lautete: Schnheit der Heiligkeit". Was darber geschrie-ben wurde, weckte in ihm ein tiefes Verlangen nach Sieg ber sich selbst.Dann wurde in der Gemeinde, zu der er gehrte, in jenen Tagen eineEvangelisation durchgefhrt, die so gesegnet war, da innerhalb vonwenigen Tagen mehr als hundert Menschen Jesus als persnlichen Errettererkannten und annahmen. Auch ihn selbst erreichte eine besondere Ver-heiung aus Gottes Wort: Ich will reines Wasser ber euch sprengen,da ihr rein werdet. Von all eurer Unreinigkeit und von all euren Gtzenwill ich euch reinigen. Und ich will euch ein neues Herz und einen neuenGeist in euer Herz geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleischwegnehmen und will euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinenGeist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinenGeboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun." (Hes. 36,2527.)
Am Sonntag, dem 2. Dezember, verbrachte er den Nachmittag wegeneiner Erkltung in seinem Zimmer. Hier war er allein. Obgleich er GottesGegenwart deutlich sprte, war sein innerer Zustand noch nicht in Ord-nung. Wohl hatte er sich Gott ohne Vorbehalt bergeben und wollteimmer und allein Sein Eigentum bleiben. Aber er vermochte nicht in dieserHaltung zu verharren.
Ich wollte, ich htte statt dieser leichten Erkltung irgendeine Krank-heit, die zum Sterben fhrte, und ich knnte in den Himmel eingehen,denn ,ich habe Lust abzuscheiden, um bei Christus zu sein, was viel besserwre'", schrieb er am Schlu eines langen Briefes an seine Schwester. Unddoch zhlte er noch nicht zwanzig Jahre.
An jenem Sonntagabend war er tiefbetrbt. Seine Seele drstete nachGott, und es erfllte ihn das Bewutsein seiner Schwachheit und Unwr-digkeit. Nahe dich zu Gott, so naht er sich zu dir" ist eine Verheiung,die sich an jedem aufrichtigen und demtigen Geist erfllt. Aber wie oftlst diese geschenkte Schau den Schrei aus: Wehe mir, ich vergehe; dennich bin ein Mensch mit unreinen Lippen."
Ganz mit seiner eigenen Not beschftigt, streckte sich der junge Mannnach echter Heiligkeit aus, einem Leben, in dem nicht das Ich, sondernChristus in allem herrschen sollte. Es war der Herr, der ihn damals fr
Seine groen Ziele zubereitete; denn es war jetzt die Zeit gekommen, dadas Evangelium den Enden der Erde" nicht lnger vorenthalten bleibendurfte.
Nach Gottes Plan sollte China sich jetzt ffnen, sollten seine uerstenProvinzen bald die Botschaft der Liebe des Erlsers hren. Noch immerlag dieses Land seit alters her mit seinen Millionen einem Viertel derMenschheit in Finsternis, lebte und starb ohne Gott. Der Herr er-innerte Hudson an diese Tatsache. Doch er selbst war noch nicht bereitzum Hren des Rufes: Wen soll ich senden, und wer will mein Botesein?" Der Geist Gottes mute tiefer dringen, damit es zum vollen Ein-klang mit Gottes Gedanken kam. Deshalb fhrte ihn Gott in ein tieferesBewutsein der Snde und seiner Bedrftigkeit im Ringen nach Befreiung,ohne die Hudson nicht weiterleben wollte, noch zu gehen wagte.
War es blo das, das ihn zurckhielt von einem Leben, nach dem ersich doch ausstreckte? Was war die Ursache seines vielen Versagens undder Lauheit seines Herzens? Gab es etwas in seinem Leben, das nichtvllig dem Herrn ausgeliefert war, einen Ungehorsam vielleicht oder eineUntreue dem geschenkten Licht gegenber? Er bat Gott immer wieder,ihm das Hindernis doch zu zeigen, was immer es sein mochte, und ihmzu helfen, es zu beseitigen. Er war am Ende mit seiner eigenen Kraft undan einem Punkt angelangt, da Gott allein Befreiung schenken konnte. Erbrauchte Seinen Beistand, Seine Erleuchtung, Seine Hilfe. Es ging nun umLeben oder Tod. Wie Jakob in alter Zeit rief er zu Gott: Ich lasse dichnicht, du segnest mich denn!"
Und dann geschah es in der Stille vor Gott , da sich in ihm einEntschlu formte. Wrde ihm Gott helfen, die Macht der Snde brechen,ihn nach Leib, Seele und Geist fr Zeit und Ewigkeit erretten, dann warer bereit, auf alle irdischen Aussichten zu verzichten und Ihm sein Lebenganz zur Verfgung zu stellen. Er wrde dann berallhin gehen, alles aufsich nehmen, was Gottes Sache von ihm verlangte, und ganz Seinem Wil-len leben. Nichts sollte ihn zurckhalten, wenn nur Gott ihn befreien undvor dem Fallen bewahren wollte.
Unwillkrlich treten wir vor einem solch heiligen Reden mit Gottbeiseite, denn es ist heiliger Boden. Was sich weiter ereignete, wissen wirnicht. Einzig einige Zeilen, die er im darauffolgenden Jahr schrieb, sindZeugnis davon. Auch spter erwhnte er dieses Erlebnis selten, obgleicher es ein ganzes Leben lang auslebte.
Nie werde ich das Gefhl vergessen knnen, das damals ber michkam", schreibt er. Worte vermgen es nicht zu beschreiben. Ich wutemich in der Gegenwart Gottes und ging mit dem Allmchtigen einenBund ein. Es war mir, als ob ich mein Versprechen zurcknehmen wollte,aber ich konnte nicht. Etwas schien zu sagen: ,Dein Gebet ist erhrt, deineBedingungen sind angenommen.' Klar, wie von einer menschlichen Stim-me ausgesprochen, lautete der Befehl: ,Dann gehe fr mich nach China!'
Seither hat mich das Bewutsein nie mehr verlassen, da ich nach Chinaberufen und fr China bestimmt sei."
Still wie der Sonnenaufgang ber dem weiten Meer dmmerte dieserneue Tag ber seiner wartenden Seele auf. China? Ja, China. Das war dieBedeutung seines Lebens, seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.Weit auerhalb der kleinen Welt seiner persnlichen Erlebnisse lag dieweite, wartende Welt, um die sich niemand kmmerte, fr die Jesus SeinLeben hingegeben hatte. Dann gehe fr mich nach China! Dein Gebetist erhrt, deine Bedingungen sind angenommen. Alles, was du bittest,und viel mehr dazu soll dir gegeben werden: eine tiefere ErkenntnisChristi, Gemeinschaft Seiner Leiden, Seines Todes, Seiner Auferstehung,ein Leben inneren Sieges und innerer Kraft. Denn dazu bin ich dir er-schienen, da ich dich ordne zum Diener und Zeugen des, das du gesehenhast und das ich dir noch will erscheinen lassen, und will dich errettenvon dem Volk und von den Heiden, unter welche ich dich sende, auf-zutun ihre Augen, da sie sich bekehren von der Finsternis zu dem Lichtund von der Gewalt Satans zu Gott."
Von jener Stunde an", schrieb seine Mutter, war sein Entschlugefat. Sein Streben und seine Studien blieben nur auf jenes Ziel gerichtet.Mochten sich ihm auch mancherlei Schwierigkeiten entgegenstellen, erblieb fest in seinem Entschlu."
Er war erfllt von einer tiefen Ergebenheit in den Willen Gottes undeinem unerschtterlichen Wissen um dessen Bedeutung fr sein Leben.Durch die tiefere Reinigung und neue Kraft vermochte er die Prfungenwhrend seiner Vorbereitungszeit, die sich auf Jahre erstreckte, zu er-tragen.
Getreu ist er, der euch beruft. Er wird's auch tun." So sagt die HeiligeSchrift, und Hudson erlebte die bewahrende Macht. Es war der eigentlicheAnfang seines Wandeins mit Gott als ein dem Herrn Geweihter.
DER NEUE AUSGANGSPUNKT18501851
Der Anbruch des Jahres 1850 bedeutete auch fr Hudson TaylorsLeben einen Neuanfang. Ein Werk, von dem er kaum etwas wute, nahmihn mit all seiner Energie gefangen. Vielleicht verlangte es das Opferseines Lebens. Wie er es beginnen sollte, wute er nicht. Was war er, undwas vermochte er, ein Apothekergehilfe in einer Kleinstadt Englands,schon fr China zu tun? Aber Gottes Ruf hatte ihn erreicht. Es gab frihn kein Zurckblicken mehr. Was immer dieser Ruf in sich schlieenmochte, fr ihn enthielt die Zukunft nur eins: Seines Meisters Willen in
und fr China zu tun. Er begann um klare Leitung zu beten und suchtealles ber sein spteres Wirkungsfeld zu erfahren.
In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wute man nur wenigber China. Wohl waren der Kste entlang fnf Vertragshfen* alsResidenz fr Auslnder geffnet worden. Die London Missionary Societyarbeitete hier bereits seit vierzig Jahren und hatte durch andere MissionenVerstrkung erhalten.""51" Doch stand die Arbeit noch im Anfangsstadium.Jenseits der Vertragshfen war praktisch noch nichts unternommen wor-den. Es gingen phantastische Gerchte um. Der Reichtum und die Gelehr-samkeit der Chinesen und die Wunder ihrer uralten Kultur, wovon einigeLeute, die das Land bereist hatten, berichteten, wurden einzig bertroffenvon Berichten anderer, die von Grausamkeiten und Unwissenheit erzhl-ten. Nur wenige Auslnder waren je in das Landesinnere vorgedrungen.Darum wute Hudson Taylor nicht, wohin er sich wenden sollte, umBeschreibungen ber China zu erhalten. Er kannte nur einen Bekannten,Mr. Whitworth, Grnder und Leiter der Sonntagsschule, der krzlichVerbindung mit der Britischen und Auslndischen Bibelgesellschaft auf-genommen hatte, von dem er vielleicht etwas mehr erfahren konnte. Zu-mindest mute Mr. Whitworth etwas ber die Verbreitung der Bibel inChina wissen. Vielleicht besa er sogar eine Kopie der chinesischen Bibeloder wenigstens Teile davon. So suchte Hudson Mr. Whitworth einesTages auf.
Der Besuch war ermutigend. Sein alter Freund konnte ihm tatschlichein chinesisches Lukasevangelium im Mandarindialekt leihen. Welch einErlebnis!
* Die durch den Nanking-Vertrag geffneten Stdte waren Kanton, Amoy,Fuchow, Ningpo und Shanghai. Dieser Vertrag bildete den Abschlu des Opium-krieges mit England im Jahre 1842.
** Die Reihenfolge der in diesen Stdten begonnenen Ttigkeit britischer Missions-gesellschaften:
1807 Die London Missionary Society. Robert Morrison war ihr erster Vertreter inKanton.
Nach dem Vertrag mit Nanking:
Die Britische und Auslndische Bibelgesellschaft.
Die Church Missionary Society.
Die Baptist Missionary Society.
1847 Die English Presbyterian Mission. Rev. William Burns war ihr erster Vertreter.
Wahrscheinlich erfuhr Hudson Taylor durch Mr. Whitworth von Dr.Medhurst, einem Glied der London Missionary Society. Dieser hatte einBuch ber China geschrieben, und ein Exemplar fand sich sogar in derBibliothek des Pfarrers, zu dessen Gemeinde Hudson gehrte. Er lieh essich aus und erfuhr dadurch, welche Ausbildung er whlen sollte. Indiesem Buch wurde nmlich die Wichtigkeit rztlicher Arbeit auf demMissionsfeld betont. Als kaum Neunzehnjhriger konnte er jedoch mitdem Medizinstudium noch nicht beginnen, aber das Studium der chine-sischen Sprache konnte und wollte er sofort aufnehmen.
Er machte sich denn auch mutig an die Arbeit, obgleich er weder einenLehrer noch Bcher auer dem geliehenen Lukasevangelium zur Ver-fgung hatte. An die Anschaffung einer chinesischen Grammatik odereines Wrterbuches durfte er wegen des hohen Preises nicht denken. Dochvollbrachten harte Arbeit und angeborener Scharfsinn Wunder. Schonnach wenigen Wochen kannten sein Vetter und er bereits die Bedeutungvon mehr als fnfhundert chinesischen Schriftzeichen. In einem Brief anAmalie erklrte er ihr die angewandte Methode.
Wir lesen ein bestimmtes Wort in einem kurzen Vers der englischen bersetzungund suchen vielleicht ein Dutzend oder mehr weitere Verse, in denen dasselbe Wortvorkommt. Dann betrachten wir den ersten Vers in Chinesisch und durchforschen alleanderen nach dem gleichen Schriftzeichen, das fr das bestimmte englische Wort zustehen scheint. Dieses Wort schreiben wir uns in Englisch und Chinesisch auf einenStreifen Papier. Daraufhin durchsuchen wir das ganze Evangelium nach dem glei-chen Schriftzeichen in anderen Verbindungen. Finden wir dann dasselbe Wort auchin der englischen bersetzung, so schreiben wir es mit Tinte in unser Wrterbuch undfgen seine Bedeutung mit Bleistift dazu. Zeigt es sich spter, da wir es richtiggedeutet hatten, berschreiben wir es mit Tinte. Zuerst kamen wir nur langsam voran,doch jetzt knnen wir sehr viel schneller arbeiten, weil wir mit wenigen Ausnahmenalle gewhnlichen Schriftzeichen kennen.
Ich stehe nun jeden Morgen um fnf Uhr auf, gehe aber abends um so frher zuBett. Wenn ich nach China ausreisen will, mu ich jetzt tchtig lernen. Ich bin festentschlossen zu gehen und bereite mich, so gut ich kann, darauf vor. Das Latein-studium werde ich auch wieder aufnehmen, dazu die griechische Sprache lernen und dieAnfangsgrnde des Hebrischen. Daneben werde ich meine Allgemeinbildung vertiefen,so gut ich kann."
Damals gab er auch sein warmes Federbett auf, um sich fr eine rauhereLebensweise abzuhrten. Bei seiner praktischen Denkweise erkannte er,da er bereits in Barnsley etwas fr die Sache unternehmen konnte, derer sein Leben verschrieben hatte. Er konnte beten und geben, auerdemandere zum Beten und Geben anleiten. Weil die Methodisten in Chinakeine eigene Arbeit hatten, sah er keinen Weg zur Verbindung mit diesemLand. Die Arbeit in den Vertragshfen wurde durch andere Missionengetan. Er aber sehnte sich nach der weiten, wartenden Welt des unerreich-ten Inlands, das noch immer nichts vom Evangelium wute.
Mr. Whitworth lieh ihm gelegentlich Zeitschriften, in denen von einerneuen Bewegung in Hongkong durch einen Dr. Gtzlaff berichtet wurde.Als er von der Grndung einer neuen Missionsgesellschaft in Londonhrte, die ausgerechnet das unternehmen wollte, wozu ihn sein eigenesHerz trieb, war seine Freude gro. Interdenominationell in ihrem Cha-rakter plante die Chinesische Gesellschaft", wie sich dieses neue Unter-nehmen nannte, die Anstellung von chinesischen Evangelisten, die sich inZusammenarbeit mit Dr. Gtzlaff in das Problem der Evangelisation desunerreichten Inlands teilen sollten. Eine Anzahl arbeitete bereits unterseiner Aufsicht im Innern des Landes, und der Erfolg, der ihre Anstren-gungen zu begleiten schien, war gro.
Brennend vor Liebe zu Jesus und voll Eifer fr die Sache Seines Rei-ches war Dr. Gtzlaff vor wenigen Monaten von Hongkong zurckge-kehrt und hatte von England aus einen ungewhnlichen Missionskreuzzugunternommen. Von Irland zog er nach Ungarn und erinnerte die christ-lichen Gemeinden in allen Hauptstdten Europas an ihre Pflicht gegen-ber den Millionen Chinas, die noch ohne Evangelium lebten. Und dieHerzen wurden tatschlich von dieser Not gepackt. Gtzlaff forderte vorallem zum Gebet auf, dem Gebet um eine Ausgieung des Heiligen Gei-stes auf China in seiner jahrhundertealten Finsternis. Das aufrichtige Ge-bet brachte wie immer auch hier praktische Frchte. Sowohl in Londonals auch auf dem Kontinent bildeten sich Gruppen, von denen bleibenderSegen ausging.
Gtzlaffs Frmmigkeit war tief und aufrichtig, seine Plne weitge-spannt und sein Optimismus unbegrenzt. Er besa ungewhnliche Gabenund nahm als Dolmetscher bei der britischen Regierung in Hongkong eineeinflureiche Stellung ein. Seine Begeisterung fr die Ausbreitung desEvangeliums war so gro, da er wiederholt sein Leben bei gewagtenVersuchen, in das Innere des Landes vorzudringen, und auf Reisen derKste entlang aufs Spiel setzte. In chinesischer Kleidung unternahm er inder Zeit zwischen 1831 bis 1835 sieben Reisen an der Kste entlang undstie dabei bis Tientsin vor. Als Segler besa er erstaunliche Kenntnisseund arbeitete sogar eine Zeitlang als Steuermann auf einer chinesischenDschunke. Ein anderes Mal lie er sich als Koch anstellen und gelangtedadurch in Gegenden, die kein auslndisches Boot je erreicht hatte. Aufdiese "Weise konnte er die Wahrheit in Christus Jesus bekanntmachen. Erlebte nur fr das eine Ziel: die Ausbreitung des Knigreichs Christi. Da-fr gab er sein ganzes Einkommen, seine bemerkenswerten Verstandes-und Krperkrfte und seine gesamte Zeit her. Er schrieb und verffent-lichte achtzig Werke in nicht weniger als acht verschiedenen Sprachen,sowie eine Ubersetzung des Alten und Neuen Testaments in Chinesisch.Er grndete den Chinesischen Verband", eine einheimische Missions-gesellschaft, deren Mitglieder das Evangelium in jedes Gebiet der acht-zehn Provinzen hinaustragen sollten. Man kann fast behaupten, da erEuropa zur begeisterten Untersttzung dieses Unternehmens gewann undberall Gebetsgruppen und Vereinigungen zur Frderung des Werkes insLeben rief. Die neue Gesellschaft in London war nur eine davon. Sie fandbei Hudson Taylor sogleich wrmsten Anklang.
Nach den Berichten, die Dr. Gtzlaff mitgebracht hatte, hatten dieEvangelisten der Chinesischen Gesellschaft" in China berall erstaun-lichen Eingang gefunden. Einhundertdreiig Mnner durchzogen predi-gend das ganze Inland und verbreiteten Tausende von Neuen Testamen-ten, Bibeln und zahllose Traktate. Sie schrieben lange und ausfhrlicheBriefe aus beinahe allen Provinzen Chinas und berichteten von Reisen,die sie bis an die Grenzen der Mongolei und Tibets gebracht hatten. Und
schlielich hatten sie nach einem Examen mit befriedigendem Bekenntnisihres Glaubens" nicht weniger als 2871 Bekehrte getauft. Solche Erfolgein solch kurzer Zeit muten das tiefste Interesse wecken.
Diese Entwicklung erfreute Hudson Taylor den ganzen Frhling undSommer hindurch. Eine ausgezeichnete Zeitschrift, die im Mrz 1850 zumerstenmal herausgegeben wurde und die neuesten Berichte ber Dr. Gtz-laffs Evangelisten in China und Missionsnachrichten aus andern Welt-teilen vermittelte, wurde von ihm sogleich abonniert. Das jahrelangeStudium dieser Zeitschrift bedeutete fr ihn eine wertvolle Schulung inMissionsgrundstzen und der Missionspraxis. Er entnahm ihr auch, dasich auf dem Kontinent und in Grobritannien viele fr die Evangelisa-tion Chinas tatkrftig einsetzten. Gott benutzte diese Zeitschrift, umTaylor in eine neue Welt christlicher Unternehmungen einzufhren. Siewar in ihrem Charakter frei von Sektiererei und in ihren Beitrgen inter-national ausgerichtet. Sie wurde von Gott dazu gebraucht, den noch nichtZwanzigjhrigen fr die weitreichenden Verbindungen in den kommen-den Jahren vorzubereiten.
The Gleaner" (Die hrenlese) so hie die Zeitschrift wurdevon den Sekretren der neu gegrndeten Chinesischen Gesellschaft inLondon herausgegeben. Am 29. Juli schrieb Hudson an Mr. Georg Pearseund bat ihn um einige Rundbriefe oder Kollektenkarten, sowie alleInformationen und Bestimmungen, die mir helfen, das Werk unter mei-nen Freunden bekanntzumachen". Wie konnte er ahnen, wozu dieserbescheidene Anfang spter fhren wrde!
Inzwischen fanden Berichte ber den zweifelhaften Charakter vonDr. Gtzlaff s Unternehmungen ihren Weg nach England. Die Antwortvon Mr. Pearse lautete darum entmutigend. Es folgten weitere Enthl-lungen, die die Befrchtungen besttigten, da Gtzlaff bei all seinenglnzenden Gaben und seiner seltenen Hingabe viel zu unkritisch war.Mit einem Wort: Dr. Gtzlaff war systematisch betrogen worden, wieder deutsche Missionar Lobscheid entdeckte, der ihn in Hongkong vertrat.Nach dessen Bericht hatten nur wenige seiner sogenannten Evangelistenje auerhalb Kantons gearbeitet, und viele ihrer begeisterten Berichtewaren in einer Opiumhhle verfat worden, die nur wenige Minutenvon seiner Haustr entfernt war. Das war eine schmerzliche und beinaheunfabare Enthllung. Niemand litt mehr darunter als der edelgesinnteLeiter des Werkes selbst. Doch er berlebte diesen Zusammenbruch nichtlange. Dr. Gtzlaff starb zwei Jahre spter am 9. August 1851 in Hong-kong.
War sein Werk aber ganz vergebens gewesen? Wohl waren seineUnternehmungen gescheitert, doch blieben seine Gebete und sein Glaubenicht ohne Wirkung. Die hrenlese" berichtet darber: Sogar inseinen letzten Stunden waren alle seine Gedanken auf die EvangelisationChinas ausgerichtet. Er sprach darber mit groer Zuversicht. Im Fieber-
delirium redete er verschiedentlich ber seine frohe Hoffnung auf kom-mende Segnungen fr sein geliebtes China. Von ihm kann aufrichtig be-zeugt werden, da er im Sterben und Eingehen in die Gegenwart Gottesdie Millionen Chinas auf seinem Herzen trug. Doch die Ziele, die er selbstnie verwirklicht sah, und die Ideale, die er nie erreichte, fielen als guterSame in andere Herzen."
Viele Jahre spter, als die China-Inland-Mission in allen ProvinzenTatsache geworden war, erwhnte ihr Grnder gerne Dr. Gtzlaff als denwirklichen Vater des Werkes im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Versagen der Plne Gtzlaff s war nicht die einzige Enttuschung,die Hudson Taylor als Prfung seiner Berufung nach China auferlegtwar. Er durchlebte eine Not ganz persnlicher Art. Diese dauerte Monate,sogar Jahre an. Doch dadurch erstarkte sein Glaube. Gott hatte ihn dochgerade mit neuer Liebe und Kraft ausgerstet. Er hatte Gottes Willen frseine Zukunft erkennen drfen und sein Leben in ungeteilter HingabeGott geweiht. Ausgerechnet in diesen Tagen begegnete ihm der Feind mitnatrlichen und verlockenden Vorschlgen.
Es begann whrend der Weihnachtsferien, als Amalie mit einer jungenMusiklehrerin ihrer Schule nach Hause kam. Sie hatte sich mit ihr be-freundet. Miss V. war anziehend, hbsch und begabt. Sie besa eine an-genehme Stimme. Bald fhlte sie sich in diesem Familienkreis glcklichund beeindruckte natrlich besonders den Sohn des Hauses. Als seinejngere Schwester Amalie, mit der er sich gern ber seinen Ruf nachChina unterhielt, entdeckte, wie Miss V. den ersten Platz im Herzenihres Bruders einzunehmen begann, freute sie sich von Herzen darber.Nun wrde sein Leben nie einsam sein, wenn er einmal in China lebte.
Hudson erkannte die auf ihn zukommenden Schwierigkeiten. DerGedanke lag ihm jedoch fern, da die eine, die er liebte, sich fr einLeben in China nicht eignen knnte. Obwohl Miss V. seine Gefhle teilte,stimmte doch irgend etwas nicht. Sie htte ihn nmlich gern zurckge-halten. Das aber erkannte er nicht. Wenn er es aber von Anfang an ge-fhlt haben sollte, so gab er es sich jedenfalls nicht selbst zu. Was ihmSorgen bereitete, war seine voraussichtliche Armut. Wie sollte er je eineFrau durchbringen! Er hatte auch keine Ahnung, wie er einmal nachChina gelangen knnte, wute er doch auer der Chinesischen Gesell-schaft von keiner Mission, die nichtordinierte Mnner aussandte. DerZusammenbruch von Dr. Gtzlaffs Unternehmungen wirkte sich lhmendauf das missionarische Interesse fr China aus. Es schien, als msse er alsunabhngiger Missionar, allein im Vertrauen auf Gott, der ihn gerufenhatte, nach China ausziehen. Das aber schlo jeden Gedanken an eineHeirat auf lange Zeit aus. Er konnte ber diese Sache mit keinem Men-schen reden. Bestimmt wrde Miss V. bald von einem anderen geliebtwerden, mute doch jeder sie lieben, der sie kannte und noch nicht ge-bunden war.
Das war sein Konflikt. Es war nicht eigentlich ein Kampf zwischenLiebe und Pflicht, obgleich es spter zu einem solchen kam, sondern einZwiespalt in seinem Glauben mit Fragen und Befrchtungen. Wrde sichdenn in seinem Leben das gttliche Wort Er wird kein Gutes mangelnlassen den Frommen" als wahr erweisen? Konnte er einfach alles Gottberlassen und Ihm vllig vertrauen, wo er doch nichts als Ungewiheitvor sich sah?
Das folgende Jahr war voller Schwierigkeiten und Nte, in denen sichjedoch sein inneres Leben vertiefte. Weil er mit seinem Vetter das Zimmerteilte, war er selten allein. Er schrieb darber: Ich ziehe mich in dasGeschftshaus, den Schuppen oder sonstwohin zurck, um mit Gott alleinzu sein. Da erlebe ich kostbare Augenblicke."
Ein anderes Mal schrieb er: Ich fhle mich strker denn je nach Chinagezogen. Bedenke doch 360 Millionen Seelen ohne Gott und ohneHoffnung in dieser Welt! Denke an die mehr als zwlf Millionen Mit-geschpfe, die Jahr fr Jahr ohne jeglichen Trost des Evangeliums ster-ben! Barnsley zhlt mit seiner Umgebung nur 15 000 Einwohner. StelleDir vor, was es bedeutete, wenn alle diese Leute im Verlauf von zwlfMonaten strben! In China aber sterben Jahr um Jahr Hunderte freinen Mann, eine Frau oder ein Kind in Barnsley. Armes, vernachlssigtesChina! Gibt es doch kaum jemanden, der sich darum kmmert."
Derartige Aussagen eines jungen Menschen an die um einige Jahrejngere Schwester sind besonders eindrucksvoll. Auch der nchste Briefoffenbart deutlich das Anliegen, das ihn so ganz erfllte:
Du schlgst mir in Deinem letzten Brief vor, an die Sekretrin der ChinesischenGesellschaft zu schreiben und sie zu fragen, ob sie mich als Verheirateten aussendenwrden. Ich denke jedoch, sie wrden kaum darauf eingehen, mten sie doch an-nehmen, ich wnschte mich als Mittelloser zu verheiraten und sie fr die Folgen zuverpflichten. Gegenwrtig kann ich ihnen auf kc:.nen Fall etwas darber sagen.
Wie Du weit, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie ich ausreisen soll. Dochich wei, da ich gehen mu, ob verheiratet oder allein. Gott hat mich fr dieseArbeit gerufen. Er wird die Mittel dazu geben. Ich kann Dir den gewnschten Be-scheid noch nicht geben. Es ist unvernnftig, anzunehmen, Miss V. erklre sich zur Aus-reise in ein unbekanntes Land bereit, um dort zu verhungern. Ich liebe sie zu sehr,als da ich das von ihr verlangen wrde. Du weit sehr gut, da ich nichts besitzeund auch nichts zu erwarten habe. Deshalb kann ich mich unter den gegenwrtigenUmstnden nicht verloben. Mein himmlischer Vater aber wei, was das Beste ist.,Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen', sagt Er in Seinem Wort. Ichmu im Glauben leben, in einfltigem Glauben an Ihm hangen, und Er wird alles herr-lich hinausfhren.
Denke nicht von mir, ich sei khl oder gleichgltig! Doch was knnte ich tun? Ichliebe sie. Der Gedanke, einmal ohne sie nach China zu ziehen, ist fr mich unaus-denkbar. Ich kann sie aber auch nicht in Not bringen. Bete doch fr mich!
Du meinst also, ich knnte sie bestimmt fr mich gewinnen? Ausgerechnet dasdarf nicht sein. Woher weit Du, da ich sie haben knnte? Bitte, la es mich dochwissen; denn ich bin sehr besorgt.
Wer aber wird mich einmal aussenden? Die Methodisten haben in China keineArbeit. Weil ich nicht ordiniert bin, kann ich nicht in Verbindung mit der Kirche
arbeiten. Die Baptisten und Unabhngigen haben in China zwar Stationen, aber ichteile ihre Ansichten nicht. Die Chinesische Gesellschaft verfgt nur ber geringe Mittel,darum ist Gott allein meine Hoffnung. Ich brauche auch keine andere.
Ich wnsche mit Dir, die Angelegenheit knnte Weihnachten entschieden werden.Schreibe mir doch, ob sie denkt oder wei, da ich sie liebe! Meinst Du, ich bedeuteihr etwas? Bitte beantworte meine Fragen genau!"
Amalie mu ihm auf diesen Brief geantwortet haben. Ihr Schreibenschien ihn verwirrt, aber doch ermutigt zu haben.
Wie oft habe ich Deine Briefe gelesen", schrieb er zwei Wochen spter,vor allem Deinen letzten. Whrend ich diesen durchlese, bin ich vollwidersprechender Hoffnungen und Befrchtungen. Ich will aber unbe-dingt Gott vertrauen."
Ich habe mich entschlossen, keine Zeit mehr mit Brief schreiben zuverlieren", schrieb er spter, sondern mich in allem fr das Werk meinesMeisters einzusetzen. Mge Er mir helfen! Ich mchte Ihn auf allenmeinen Wegen ehren. Er soll meinen Weg bestimmen. Weil ich mich zumVerlassen meines Heims entschlossen habe, bitte ich Dich, meiner vorGott zu gedenken, da Er mir eine geeignete Arbeit zeigt, wo ich Gutestun und empfangen kann, damit ich fr China zugerstet werde."
Bald darauf schrieb er an Mr. Pearse in London. Es lohnt sich, diesenBrief einzufgen, zeigt er doch die Sorgfalt im Kleinsten und sein Ver-antwortungsbewutsein.
21 Cheap Side, Barnsley23. Mrz 1851
Mr. George PearseLieber Herr!
Sie denken wahrscheinlich, ich htte die Chinesische Gesellschaft vergessen undinteressierte mich nicht mehr dafr, weil ich so lange nichts von mir hren lie. Dochdem ist nicht so, obgleich ich ihr durch die Arbeitslast nicht die gewnschte Aufmerk-samkeit schenken konnte. Ich habe etwas mehr als zwei Pfund Kollekte einnehmenknnen. Bitte schreiben Sie mir, wie ich Ihnen das Geld zustellen kann! Inzwischenwerde ich mein mglichstes tun, um einige weitere Abonnenten zu gewinnen, denndas Wohl Chinas liegt mir sehr am Herzen. Ich mchte fr dieses groe Werk taug-lich werden.
Bitte entschuldigen Sie die Eile, und glauben Sie mir!
Ihr in unserem auferstandenen Herrn J. H. Taylor."
Nachdem er die gewnschte Antwort erhalten hatte, schrieb er:
Ich habe das Geld Ihren Anweisungen gem eingezahlt. Sie werden es amMontag erhalten. Bitte senden Sie mir eine Besttigung, damit ich sie den Abonnentenvorweisen kann und sie sehen, da das Geld eingesandt wurde!
Haben Sie vielleicht einen Bericht ber das Werk Ihrer Gesellschaft, und wie dieMittel verwendet werden? Ich lege dem Brief eine Liste der Geber bei. Die Gabensind klein, doch zweifle ich nicht daran, da ich mehr einnehmen werde, sobald mehrber die Gesellschaft und ihre Ttigkeit bekannt wird. Das Feld ist tatschlich gro,whrend die gegenwrtig angewandten Mittel zu seiner Entwicklung wahrscheinlichunzulnglich sind. Doch kann etwas Rechtes ,nicht durch Macht oder Kraft', sondernnur durch den Einflu des Heiligen Geistes erreicht werden. Dazu gebraucht Gott oftdas Schwache dieser Welt, um die Starken unsicher zu machen. Er und Er allein vermag
geeignete Arbeiter zu berufen und auszursten und jene, die bereits auf dem Feldesind, zu segnen und zu gebrauchen.
Ich selbst habe mich im Glauben auf Seinen Ruf der Missionsarbeit in China ge-weiht und studiere gegenwrtig Medizin, besonders Chirurgie, damit ich dadurchspter einmal Gelegenheit zum Dienst habe. Vielleicht kann ich mich so auch besser inChina durchbringen. Das lasse ich aber in Seiner Hand, weil ich glaube, da nachSeiner Verheiung alle Dinge ,hinzugetan' werden, wenn ich zuerst das Reich Gottesund Seine Gerechtigkeit suche.
Jede Anregung, die Sie mir zur Frderung der Sache vermitteln knnen, werde ichdankbar entgegennehmen, weil ich alles unternehmen will, um einmal brauchbar zu sein.Ihr in unserm auferstandenen Herrn
J. H. Taylor."
Mr. Pearse war offensichtlich tief beeindruckt. Er scheint sich mit sei-nem Komitee besprochen und daraufhin Hudson geantwortet zu haben,da die Gesellschaft sich bereit erklre, seine medizinische Ausbildung zubernehmen, falls sie ihn als geeigneten Kandidaten annehmen wrde.
Inzwischen hatte sich in Hull eine Stelle als Assistent bei einem be-kannten Arzt, Dr. Hardy, gefunden. Dieser war mit einer Tante Hudsonsverwandt. Obgleich nicht London, schien es gerade das zu sein, was ersuchte. Von hier aus konnte er Barton leicht erreichen, wo Amalie unddie junge Musiklehrerin noch immer in Mrs. Hudsons Schule lebten.
VON GLAUBEN ZU GLAUBEN18511852
Dr. Robert Hardy war als tchtiger Mediziner und bewhrter Christstadtbekannt. Gro und krftig gewachsen, besa er ein ungewhnlichsanftes Gemt und viel Humor. Seine stets gute Laune war unwidersteh-lich, und alle, die mit ihm zu tun hatten, muten, ob sie es wollten odernicht, den Dingen die beste Seite abgewinnen. Seine chirurgische Klinikbefand sich am uersten Ende des schmalen Gartenstreifens, auf derHinterseite seines Hauses. Hier fhlte sich Hudson bald heimisch. Erlernte leicht und eifrig. Seine Kenntnisse in der Buchfhrung waren demvielbeschftigten Arzt willkommen, und gern berlie er solche Arbeitenseinem Assistenten^ Dieser wohnte zuerst eine kurze Zeit im Hause Dr.Hardys, siedelte aber, als der Raum von dessen Familie bentigt wurde,zu seiner Tante ber.
Obgleich glcklich in allem, was seine ueren Umstnde betraf, warHudson durchaus nicht frei von innerer Sorge und Unruhe. Er war nachHull gekommen, um sich fr die rztliche Mission vorzubereiten, dochlieen die ausgefllten Tage mit Dr. Hardy zusammen wenig Zeit zumStudium brig. Er dachte bestndig darber nach, wie er sich ausrstenund sein Lebenswerk beginnen sollte, und fand es hart, geduldig auf
Gottes Zeit warten zu mssen. Die stillen Rume der Klinik waren Zeu-gen mancher sorgenvoller Gedanken, die sich zu Gebeten formten. Denganzen Sommer und Herbst hindurch lieen ihn diese Sorgen nicht zurRuhe kommen. Es brannte in seinem Herzen noch jenes andere Feuer, dasnicht wenig von seiner inneren Kraft verzehrte.
Seine Gefhle waren eben nicht in Harmonie mit Gott. Diese innereZitadelle wird so oft als letzte Festung der Kontrolle Gottes ausgeliefert.Hudson hielt das Beste fr sich zurck und erkannte nicht, da jedesLebensgebiet unter den Gehorsam Christi gebracht werden mu. Wahr-scheinlich ihm selbst unbewut, schenkte er jener einen, die als leuchten-der Stern in sein Leben hineingekommen war, zu viel von sich selbst.Seine Liebe zu ihr vertiefte sich durch hoffnungsvolle Zeichen, da aucher ihr nicht gleichgltig sei. Dabei begann er aber instinktiv zu fhlen,da ihr Leben nicht vllig Gott ausgeliefert war. Er erkannte, da siesich gegen eine Zukunft strubte, wie er selbst sie sich vorstellte.
Mssen Sie denn nach China ziehen?" fragte sie ihn verschiedentlich.Wie viel schner wre es doch, wenn Sie in der Heimat blieben und demHerrn hier dienten!"
Er bat Gott, Er mge es dazu kommen lassen, da sie ihn verstndeund sich gefhrt wte wie er. Es stand fr ihn fest, da ihn nichts, selbstnicht der Verlust ihrer Liebe, von seiner Berufung abbringen knnte.Woher aber sollte er die Kraft zum Durchhalten nehmen? Wie knnte erden Verlust jetzt ertragen, da es schien, als liebe sie ihn wirklich? Erkmpfte in jenen Herbsttagen einen harten Kampf, als er es sich nichtlnger verhehlen konnte, da ihre Wege sich trennen muten. Doch umihn kmmerte sich ein Herz, das bis ins Verborgenste zu blicken vermag.Hudson Taylor war nicht allein in seiner Not.
Gott brachte ihn in Hull mit Christen zusammen, die ihm helfenkonnten. Hudson wute sich nicht blo mit den Wesleyanern eins, son-dern fhlte sich mit allen verbunden, die den Herrn Jesus Christus liebten.Bereits in Barnsley hatte er an den Versammlungen der PlymouthbrderGefallen gefunden. Und nun war er froh, in Hull Gleichgesinnte zufinden.
Gottes Wort bedeutete ihm viel. Die Predigt dieser Mnner bestandvor allem in der Auslegung der Heiligen Schrift. Das war es, was erbrauchte: eine neue Schau ewiger Dinge denn vor ihm lag ein schwererWeg. Hier fand er Glubige, die ihm in zeitlichen und ewigen Belangenein Beispiel gaben, das seine Gedanken weit bertraf. Diese Leute standenin enger Verbindung mit Georg Mller in Bristol, dessen Werk sich da-mals in erstaunlicher Weise ausbreitete. Dieser sorgte fr Hunderte vonWaisenkindern und erwartete die Mittel zu deren Unterhalt allein vonGott. Diese eine Aufgabe gengte aber diesem Manne nicht. In seinertiefen Uberzeugung, da jetzt die Tage zur Ausbreitung des Evangeliumsgentzt werden sollten zu einem Zeugnis ber alle Vlker", untersttzte
er Missionare ganz oder teilweise und beteiligte sich an der Verbreitungder Heiligen Schrift in katholischen wie in heidnischen Lndern. Dasganze weitverzweigte Werk, das allein durch den Glauben an Gott nicht durch Aufrufe zur Untersttzung die Garantie eines festen Ein-kommens hatte, war ein Zeugnis der Macht ernsten, anhaltenden Gebets.Als solches beeindruckte es Hudson Taylor tief und ermunterte ihn mehrals alles andere auf dem Wege, den er selbst einschlagen wollte.
Es ist sehr schwer, unsere Neigungen ganz auf gttliche Dinge zu richten", schrieber. Ich versuche, ,ein lebendiger Brief Christi' zu sein. Doch wenn ich in mich hinein-blicke, mu ich mich wundern, da Er mich nicht aufgibt. Ich versuche, meinen Willenunter Gottes Willen zu stellen, meinen mit Seinem in Einklang zu bringen, und bete: ,DeinWille geschehe!' Doch whrend ich mich darin versuche, kann ich mich kaum der Trnenerwehren; denn ich fhle, da ich meine Geliebte verlieren werde. Gott allein wei,wie schwer der Kampf ist, und was es bedeutet, mit berzeugung zu sagen: ,Doch nichtmein Wille geschehe!'
Meinst Du, es sei recht, wenn ich schon bald nach London umsiedle? Ginge ich bloum der Freude willen, so wre ich schnell dazu bereit, doch drfen mich nicht meineFreuden von dem Wege der Pflicht abhalten. Vielleicht knnte Lobscheid mir aber dochwichtige Ausknfte vermitteln. Damit wre die Reise gerechtfertigt. Gern werde ichDeinen Rat hren."
Der deutsche Missionar Lobscheid, den er hier erwhnt, war erst vorkurzem aus China zurckgekehrt. Er war einer der wenigen, die aus Er-fahrung wuten, ob ein Missionswerk auerhalb der Vertragshfen auf-gebaut werden knnte. Seine medizinischen Kenntnisse hatten ihm ver-schiedentlich den Weg ins Innere Chinas gebahnt. Nun weilte er kurzeZeit in England, und Hudson Taylor war begierig, seine Ratschlge zuhren.
Die Eltern stimmten dem Plane bei, und Dr. Hardy beurlaubte ihnfr eine Woche. So entschlo er sich, einen Sonderzug nach London zubenutzen. Seine Schwester Amalie durfte ihn begleiten. Beide hatten dieHauptstadt noch nie besucht.
Amalie freute sich ebensosehr wie er auf die Besprechung mit Mr.Pearse und dem Missionar aus China, aber auch auf den Besuch der ersteninternationalen Ausstellung im Kristallpalast.
Amalies sechzehnten Geburtstag feierten sie mit einem Besuch der Aus-stellung und bewunderten die unter Farnstruchern ausgestellten mr-chenhaften Edelsteine. Sie erlaubten sich auch eine Mahlzeit in einem vor-nehmen Hotel. Spter durchwanderten sie die belebte Stadt bis zur Bankvon England, wo sie Mr. Pearse treffen wollten.
Als vielbeschftigtes Mitglied der Brse und als Sekretr der Chine-sischen Evangelisationsgesellschaft hatte Mr. Pearse whrend der Bro-stunden wenig Zeit fr Besucher. Doch freute er sich, seinen Briefschreiberaus Barnsley kennenzulernen. Whrend er sich mit dem ernsten jungenMann und seiner einfachen, sympathischen Schwester unterhielt, vertieftesich sein Interesse fr Hudson.
Natrlich muten die Geschwister seine glubigen Freunde in Totten-ham kennenlernen! Dort wrden sie bestimmt warmes Interesse frChina finden, meinte Mr. Pearse. Er brachte sie denn auch am darauf-folgenden Sonntag in diesen Kreis.
In einer Umgebung, so vollkommen wie Reichtum und Eleganz sie nurgestalten knnen, versammelten sich an jenem Sonntag einige glubigeFamilien in dieser Vorstadt Londons. Durch schn ausgestattete, gemt-liche Rume ging man auf Rasenpltze mit weit ausladenden Zedern, dieangenehmen Schatten verbreiteten. Hier gab es stille Gesprche ber dietiefsten Fragen des Knigreichs Gottes. Doch das Beste von allem dieLiebe Christi erfllte sie alle. In jenen Tagen begann die Freund-schaft zwischen diesen Glubigen und den Geschwistern, die ein ganzesLeben anhielt.
Ich liebe Tottenham", schrieb Hudson Taylor einige Jahre spter ausChina. Und ich liebe die Menschen, die dort wohnen. Von keinem an-dern Ort knnte ich sagen, da jede Erinnerung freundlich und wertvollund nicht durch schmerzliche Gedanken oder Umstnde getrbt wre.Nur sehe ich sie leider nicht mehr."
Und die Freunde in Tottenham, was dachten sie an jenem Sonntag vonihm? Sie sahen einen einfachen jungen Menschen, still und unaufdringlichim Wesen. Weil er durch Mr. Pearse als angehender Missionar eingefhrtworden war, wurde er vielleicht mehr beachtet, als es sonst der Fall ge-wesen wre. Er entsprach allerdings nicht ihren Vorstellungen ber einenMissionar, war er doch so jung und voll Humor. Sie liebten ihn deswegennicht weniger, denn sie fhlten sein tiefes Interesse fr China. Er gewannihr Vertrauen und seine kleine Schwester ihre Herzen.
Doch der Missionar, den die Geschwister kennenlernen wollten, schiensie wenig ermutigt zu haben.
Niemals wrden Sie nach China passen", rief dieser nach ihrer Unter-redung mit ihm aus. Er wies dabei auf Hudsons blondes Haar und seineblauen Augen. Sie heien mich sogar ,roter Teufel'. Gewi wrden dieChinesen bei ihrem Anblick davonlaufen, und nie vermchten Sie, diesezum Zuhren zu bringen."
Es ist aber Gott, der mich nach China gerufen hat", antworteteHudson Taylor, Er kennt die Farbe meines Haares und meiner Augen."
Kurz nach seiner Rckkehr nach Hull begann es sich um HudsonTaylor zu regen. Er wohnte wieder bei seinen Verwandten, wo fr allesgesorgt war und er sich nichts Besseres wnschen konnte. Aber es warnicht der Ort, den Gott zur Formung dieses jungen Lebens im Blick aufChina geplant hatte. Hudson hatte bereits gelernt, seine Gefhle in Zuchtzu nehmen und sich in den Willen Gottes zu fgen. Es sollten ihn aberauch noch uere Hrten fr sein knftiges Lebenswerk zubereiten. Dazuwar ein kleines Heim, ein einziger Raum in einer abgelegenen Vorstadtausersehen. Hier sollte er lernen, allein zu sein, allein mit seinem Gott.
Die Schritte, die ihn dahin fhrten, waren ganz natrlich. Es begann, wieer selbst berichtet, mit einem Gewissenskonflikt.
Ehe ich Barnsley verlie", schrieb er, beschftigte mich die Frage des Aussondernsder Erstlingsfrucht und eines bestimmten Teils meiner Habe fr den Dienst in China.Es schien mir ntig, das an Hand der Bibel zu studieren. Dadurch wurde ich dann auchzu dem Entschlu gefhrt, mindestens den zehnten Teil allen Geldes, das ich ver-dienen oder bekommen wrde, fr den Herrn auszusondern.
Das Gehalt, das ich als Assistent in Hull erhielt, erlaubte mir dies ohne Schwierig-keiten. Die Ubersiedlung aus dem Hause Dr. Hardys in das Heim meiner Verwandtenbrachte auch hierin eine nderung. Ich erhielt zu meinem bisherigen Gehalt noch denBetrag fr Kost und Unterkunft. Mute dies nicht auch verzehntet werden? DenZehnten vom Ganzen zu geben, wre mir unter den gegebenen Umstnden unmglichgewesen. Ich war ratlos. Nach viel Gebet und Nachdenken wurde ich dazu gefhrt,das gemtliche Heim und den angenehmen Kreis meiner Verwandten aufzugeben, einkleines Zimmer in der Vorstadt zu mieten und selbst fr mein Essen zu sorgen. Nunwar es mir mglich, den Zehnten von meinem ganzen Einkommen zu geben. Wennich den Wechsel auch schmerzlich empfand, so lag doch viel Segen darin. In dieser Ein-samkeit hatte ich mehr Zeit zum Bibellesen und zu Hausbesuchen. Dabei kam ich mitvielen im Elend lebenden Menschen zusammen und erkannte bald, da ich noch mehrsparen und geben knnte."
Dies liest sich so einfach und scheint so selbstverstndlich. Man kommtkaum auf den Gedanken, es habe Hudson ein besonderes Opfer gekostet.Wie sah aber die Wirklichkeit aus, in die er hinberwechselte?
Drainside, wie dieser Stadtteil hie, bestand aus einer doppelten Reihevon Arbeiterhusern, die einander ber den Kanal hinber grten. DerKanal selbst war nichts als ein tiefer Graben, in den die Leute ihre Ab-flle warfen, damit diese gelegentlich bei Hochwasser fortgeschwemmtwrden. Drainside war durch einen einsamen, unbebauten Landstrich vonder Stadt getrennt. Eine schlecht beleuchtete Strae verband Vorort undStadt. Die Huschen unterschieden sich in nichts voneinander. Jedeshatte eine Tr und zwei bereinanderliegende Fenster. Die Tr fhrtedirekt in die Kche hinein, und ber eine schmale Treppe gelangte manin ein Dachzimmer. Nur ganz wenige Huser besaen rechts und linksvon der Tr je ein Fenster und im Dachzimmer zwei.
An der Stadtseite des Kanals stand ein Eckhaus gegenber einem lnd-lichen Gasthof, dessen Lichter in dunklen Nchten als Wegweiser dienten,beleuchteten sie doch den Morast und das Wasser des Draine. Hierwohnte die Familie eines Seemanns, der nur selten in seiner Heimatweilte. Mrs. Finch und ihre Kinder bewohnten die Kche und den oberenStock, whrend das untere Zimmer links zum Preis von drei Frankenwchentlich vermietet wurde. Der Preis war entschieden zu hoch, denndas ganze Haus kostete nicht viel mehr Miete, aber Hudson war nichtbse darber, besonders als er merkte, wieviel sein Beitrag fr die armeFrau bedeutete. Die Untersttzung von dem fernen Ehemann erreichtesie selten zur erwarteten Zeit.
Mrs. Finch, eine aufrichtige Christin, schtzte sich glcklich, den jun-gen Herrn Doktor", wie sie ihn nannte, als Mieter zu haben. Sie tat ohneZweifel ihr Bestes, um den kleinen Raum sauber und gemtlich zu halten.Ein Tisch aus Tannenholz, zwei Sthle und ein Bett bildeten die ganzeAusstattung. Vom Fenster aus konnte man auf einen schmalen StreifenGarten und den Draine sehen, dessen morastige Ufer den Kindern alsSpielplatz dienten. Mag es auch im Sommer anders ausgesehen haben, imHerbst jedenfalls, als Hudson dort sein Heim aufschlug, wirkte Drainsidetrbselig genug. Sein einfaches Essen besorgte er sich auf dem Rckwegvon der Klinik. Es war ein einsamer Weg durch die leere, dunkle Gegendam uersten Stadtrand. Einsam verbrachte er auch seine Abende nebendem sprlichen Kaminfeuer. Auch sonntags war er allein. Nur die Vor-mittagsversammlung besuchte er in seinem Bezirk, oder er war unter derMenge, die die Docks des Humber aufsuchte.
Doch hier wohnte er mitten unter den Armen und Elenden. Hatte erin seiner frheren Umgebung Hausbesuche gemacht und dabei nur wenigeFamilien besuchen knnen, so gehrten diese Armen nun zu ihm und erwenigstens uerlich zu ihnen. Sein Leben hatte damit einen neuen Zweck,und er lernte dabei manch kstliche Lektion. Er schrieb:
Ich verfolgte in jener Zeit zwei Ziele. Einmal wollte ich mich an mancherlei Ent-behrung gewhnen und zum andern die Menschen besser untersttzen, die ich mitdem Evangelium erreichen wollte. Bald erkannte ich, da ich mit viel weniger aus-kommen konnte, als ich frher geglaubt hatte. Alle entbehrlichen Speisen und Ge-trnke schaffte ich ab. Es zeigte sich, da ich nur eine ganz geringe Summe fr meinepersnlichen Bedrfnisse bentigte. Ich machte die Erfahrung, da ich um so grerenGewinn und mehr Freude fr mein Inneres empfing, je weniger ich fr mich ausgab undje mehr ich andern schenkte."
Gott aber bleibt niemandes Schuldner. In seiner Einsamkeit erfuhrHudson Taylor, was Gott einem Menschen schenkt, der alles fr Ihnhingibt. Wohl hie es fr ihn, Opfer zu bringen. Man kann nicht ohneEntsagung und Selbstverleugnung wesenhaft in das Bild Jesu umgestaltetwerden und einen fruchtbaren Dienst tun. Es ist leicht, ein wenig zubeten, ein wenig zu helfen, ein wenig Liebe zu ben. Aber der Heiden-apostel meint mehr, wenn er sagt: Was mir Gewinn war, das habe ichum Christi willen als Schaden geachtet, ja, ich achte es noch alles frSchaden gegen die berschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meinesHerrn, um deswillen ich alles habe fr Schaden gerechnet, und achte esfr Kot, auf da ich Christum gewinne und in Ihm erfunden werde"(Phil. 3, 79).
Auch nach der Enttuschung ber Dr. Gtzlaffs vermeintliche Mit-arbeiter gab es in der Erziehungsschule des Herrn Menschen, auf die ersich verlassen konnte. Doch hatte die groe Mehrzahl der Glubigen inder Heimat das Interesse an Chinas Evangelisation verloren und auf-gehrt, dafr zu beten. Es waren nur wenige und schwache, unbekannte,
unbedeutende, aber willige Menschen, die bereit waren, jeden Weg zugehen, damit Gottes Plan ausgefhrt werde.
Hier in seiner einsamen Stube wohnte ein solcher Mann. Als immerneue Prfungen ber ihn kamen, denen er htte ausweichen knnen,whlte er den Weg der Entuerung und des Kreuzes. Er wollte damitnicht ein Verdienst erwerben, sondern wute sich einfach durch GottesGeist so gefhrt. Deshalb konnte der Segen ungehindert flieen.
Ganz gewi gab es viele Widerstnde, die Hudson Taylors Plne ver-hindern wollten. Fr ihn aber kam eine der fruchtbarsten Zeiten seinesLebens, reich an Segen fr sich und andere. Ist es da zu verwundern, dader Feind auf dem Plane war? Einsam, hungernd nach Liebe und Ver-stndnis, fhrte er ein Leben der Selbstverleugnung. Wahrlich hart freinen jungen Menschen. Ihm sollte es jedoch zum Besten dienen.
Der gefrchtete Schlag fiel, als er bereits einige Wochen in Drainsidegewohnt und seine Lage schmerzlich genug empfunden hatte. Die geliebteFreundin erkannte, da sie Hudson nicht von seinem Missionsplan ab-bringen konnte, und gab ihm ihren Entschlu klar zu erkennen. Sie warnicht bereit zu einem Leben in China. Ihr Vater wollte nichts davonhren, und sie selbst fhlte, da sie dazu nicht geeignet wre. Dies konntefr Hudson nur eins bedeuten: das Erwachen aus einem Traum, der ihnzwei Jahre lang gefangengenommen hatte.
Dieses Erlebnis war nicht nur ein tiefer Kummer, sondern eine unge-heure Glaubensprobe. Der Versucher unternahm alles, um Gottes Liebeund Treue in Frage zu stellen. Wre es ihm jetzt gelungen, Hudsons Ver-trauen auf Gott zu zerstren und ihn zum Aufgeben des Kampfes zubewegen, so wre es nie zur Fruchtbarkeit seines spteren Lebens ge-kommen.
Die Krise stellte sich am Sonntagmorgen, dem 14. Dezember, im kalten,unfreundlichen Zimmer in Drainside ein. Anstatt sich in seinem unsag-baren Jammer an den Herrn zu wenden, behielt er diesen fr sich. Betenwollte er nicht. Das Leid stellte sich zwischen ihn und Gott. Er konnteund wollte nicht wie gewhnlich den Morgengottesdienst besuchen. Allzubittere Fragen und Trauer erfllten sein Herz. Es kam der heimtckischeVorschlag: Lohnt es sich berhaupt? Warum sollst du eigentlich nachChina ziehen? Warum dich mhen und qulen dein Leben lang fr einIdeal, eine Pflicht? Gib es jetzt auf, solange du die Geliebte noch zurck-gewinnen kannst! Verdiene dir deinen Lebensunterhalt wie alle andernMenschen und diene dem Herrn in der Heimat! Noch ist sie fr dicherreichbar." Er schrieb darber an seine Schwester:
Satan schien hereinzubrechen wie eine Flut, bis ich innerlich zu Gott schrie:,Errette mich, Herr, ich verderbe!' Doch Satan flsterte mir weiter zu: ,Du warstfrher nie so sehr angefochten wie in der letzten Zeit. Du bist bestimmt nicht auf demrechten Weg, sonst wrde dir Gott helfen und dich tiefer segnen' und so fort, bis ichnahe daran war, alles aufzugeben. Zum Besuch der Versammlung hatte ich keine Lust.
Doch Gott sei dafr gedankt ich erkannte, da der Weg der Pflicht der sichersteist. Ich besuchte trotzdem die Versammlung, so elend mir auch zumute war, und...kehrte als ein anderer zurck. Ein Lied schnitt mir tief ins Herz. Ich war froh, alsgleich nach dem Singen gebetet wurde, weil ich meine Trnen nicht lnger zurckzuhaltenvermochte. Dadurch wurde die Last schon leichter.
Als ich dann am Nachmittag allein in der Klinik sa, begann ich ber die LiebeGottes, Seine Gte und meine Antwort darauf, sowie ber die vielen Segnungen undwenigen Schwierigkeiten nachzusinnen. Gott machte mein Herz weich und demtig.Seine Liebe schmolz meine erstarrte Seele, und ich betete ernstlich um Vergebung frmein undankbares Verhalten.
Gott hat mich wirklich gedemtigt, mir gezeigt, was ich bin, und sich mir alsgegenwrtige Hilfe zur Zeit der Not erwiesen. Obgleich Er mir das Gefhl meinesElends nicht wegnimmt, hilft Er mir doch einstimmen in das Lied: ,Ich will mich desHerrn und Gottes, meines Erlsers, freuen.' Nun kann ich Ihm fr alles danken,sogar fr die schmerzlichsten Erfahrungen der Vergangenheit, und Ihm ohne Furchtin allem vertrauen, was die Zukunft fr mich bereithlt."
Von diesem Tage an findet sich ein neuer Ton in seinen Briefen. Siesind nicht mehr voller Selbstbetrachtungen, sondern voller Gedankenber Missionsziele. China rckt wieder in den Vordergrund seinesDenkens.
Ich kann es weder in Worte fassen noch umschreiben, wie sehr ichmich nach der Zeit sehne, da ich die Frohe Botschaft armen, verlorenenSndern in China bringen kann", schrieb er an seine Mutter. Dafrknnte ich alles drangeben, jeden Gtzen, so lieb er mir auch sein mag.Es ist mir, als knne ich nicht leben, wenn nicht etwas fr China getanwird."
Die Ursache dazu war nicht Gefhl oder Begeisterung, auch kein ober-flchliches Interesse, das durch Aussicht auf persnliche Vorteile wiederverwischt werden konnte. Ihm bedeutete die Missionsarbeit nicht einenbegehrenswerten Zweig christlicher Ttigkeit. Nein, ihn hatte das Ver-langen Jesu erfat: Dieselben mu ich herzufhren." Er glaubte, dadie Heiden ohne Kenntnis des einzigen und alleinigen Erlsers ewig ver-loren wren. Er glaubte, Gott habe Seinen eingeborenen Sohn dahinge-geben, auf da alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sonderndas ewige Leben haben". Diese Uberzeugung verpflichtete ihn zu einemLeben, das vllig der Verkndigung der groen Erlsung geweiht war,besonders denen gegenber, die nie davon gehrt hatten.
Whrend er gern sofort nach China ausgereist wre, gab es Bedenken,die ihn zurckhielten.
Fr mich war der Gedanke, da ich in China in bezug auf Schutz, Unterhalt undHilfe allein auf Gott angewiesen sein wrde, eine tiefernste Sache", schrieb er injenem Winter. Es war mir klar, da ein solches Unternehmen besonderer Kraftbedurfte. Ich wute, Gott wrde zu Seinen Verheiungen stehen, wenn mein Glaubedurchhielte. Doch was dann, wenn der eigene Glaube sich als unzureichend erweisensollte? Damals hatte ich noch nicht gelernt, da ,Er sich selbst nicht verleugnen kannund treu bleibt', auch wenn wir nicht glauben. Deshalb beschftigte mich die Frage,ob ich selbst gengend Glauben htte, der dem vor mir liegenden Unternehmen ent-
sprche. An Seiner Treue konnte ich nicht zweifeln. Ich berlegte, da ich mich aufkeinen Menschen und nichts Menschliches werde verlassen knnen, wenn ich nach Chinaausziehe. Auer Gott wrde ich niemanden haben. Wie wichtig, da ich vor dem Ver-lassen Englands lerne, Menschen ausschlielich durch Gott ber das Gebet zu bewegen!"
Hudson Taylor wute, da allein der Glaube Berge versetzen, Schwie-rigkeiten berwinden und das Unmgliche vollbringen kann. Hatte eraber einen solchen Glauben? Wrde er es einst in China allein aushaltenknnen?
Er wute auch, da der Glaube, nach dem er sich ausstreckte, eineGabe Gottes" ist und wachsen kann. Zu seinem Wachstum gehrt bung.Und diese bung im Glauben ist ohne Prfungen offenbar unmglich.So mute also alles willkommen sein, was diese kostbare Gabe mehrenund strken konnte, um ihm selbst zu beweisen, da er tatschlich denGlauben habe, der durchhalten und zunehmen wrde.
Hudson Taylor brachte diese Haltung in vollem Ernst und ganzerAufrichtigkeit vor Gott. Er brachte auch in dieser Beziehung den Zehn-ten ganz in das Kornhaus". Welch eine wichtige Blickrichtung, die erstermglichte, den Glauben auszuleben! Darauf kann Gott mit Segen ant-worten. Mit einem Wort: Fr eine Antwort Gottes auf seine Gebete lagkein Hindernis in ihm selbst. So folgten denn auch Erfahrungen, dieTausende in der ganzen Welt ermutigten.
Die folgende Geschichte obgleich bereits bekannt mu trotzdemhier wiederholt werden, illustriert sie doch den einzigen Grundsatz desWachstums in geistlichen Dingen: von Glauben zu Glauben". UnserHerr selbst drckt es auch so aus: Wer hat, dem wird gegeben."
Es war Hudson Taylor wichtig, unbedingt noch vor seiner Abreise ausEngland zu lernen, wie Menschen durch Gott allein ber das Gebet be-wegt werden". Es dauerte auch gar nicht lange, bis sich eine einfache,natrliche Angelegenheit zur Erprobung dieser Lektion ergab. Lassenwir ihn selbst erzhlen:
Da mein freundlicher Prinzipal stets sehr beschftigt war, wnschte er, da ich ihnjedesmal an mein Gehalt erinnern sollte, wenn dieses fllig wurde. Ich beschlo, ihnnicht zu erinnern, sondern Gott zu bitten, es zu tun und mich durch Erhrung meinesGebetes zu strken. Als wieder einmal der Tag der Auszahlung des vierteljhrlichenGehalts nherrckte, befahl ich wie gewhnlich die Sache dem Herrn an. Der Tagkam, doch Dr. Hardy sagte nichts. Ich betete weiter. Die Tage vergingen, und er dachtenicht daran, bis mir zuletzt nur noch eine halbe Krone brigblieb. Bis jetzt hatte ichkeinen Mangel gehabt. Ich betete weiter.
Der folgende Sonntag war ein glcklicher Tag. Mein Herz war voll Freude. Nach-dem ich morgens Gottes Wort gehrt hatte, verbrachte ich den Abend mit Evangeli-sationsarbeit in den Mietshusern des elendesten Stadtteils. In solchen Stunden schienes mir fast, als habe der Himmel auf Erden begonnen, als sei alles, was ich noch er-sehnen knnte, blo die Fhigkeit, ein greres Ma an Freude fassen zu knnen. Nach-dem ich meine letzte Versammlung etwa um zehn Uhr beendet hatte, bat mich einarmer Mann, ihn zu seiner sterbenden Frau zu begleiten, um mit ihr zu beten. Ichwilligte ein und fragte ihn unterwegs, warum er nicht zum Priester geschickt habe,denn seine Aussprache verriet, da er ein Ire war. Er habe es getan, antwortete er,
aber der Priester habe nicht ohne Bezahlung kommen wollen. Bezahlen knne er abernichts, weil seine Familie am Verhungern sei. Sofort fiel mir ein, da ich selbst nurnoch eine halbe Krone besa. Ich berlegte, was ich zum Abendbrot essen knnte diebliche Wassersuppe. Zum Frhstck bliebe auch noch etwas brig. Gbe ich aber diehalbe Krone weg, so htte ich nichts mehr fr den kommenden Mittag. Bei diesenErwgungen fhlte ich ein Nachlassen des Freudenstroms in meinem Herzen. Stattmich selbst zu tadeln, schalt ich den armen Mann. Er htte sich doch an die Behrdenwenden sollen. Das habe er bereits getan, antwortete er, und die Weisung erhalten,am nchsten Morgen wieder zu erscheinen, doch er befrchte, seine Frau werde dieNacht nicht berleben.
Ich berlegte: Htte ich doch blo kleinere Geldstcke statt dieser halben Kronebei mir, wie gern wrde ich den Leuten einen Schilling geben! Mich von dem ganzenGeld zu trennen, kam mir nicht in den Sinn. Ich dachte nicht daran, da Gott micheine andere Wahrheit lehren wollte. Bis jetzt hatte ich Gott mit etwas Geld in derTasche vertraut; nun sollte ich lernen, das auch ohne Geld zu tun.
Mein Fhrer geleitete mich in einen Hof. Ich folgte ihm etwas ngstlich, dennschon frher war ich einmal hier gewesen und grob behandelt worden. Man hattemeine Traktate zerrissen und mich hart bedroht. Aber es war der Weg der Pflicht.So folgte ich dem Mann. ber eine baufllige Treppe gelangten wir in einen elendenRaum. Vier oder fnf Kinder standen umher. Ihre eingesunkenen Wangen und Schlfenredeten eine deutliche Sprache. Sie waren dem Verhungern nahe. Auf einem drftigenLager erblickte ich eine erschpfte Mutter mit einem winzigen Kindlein, das an ihrerSeite mehr wimmerte als weinte.
Ach, htte ich doch jetzt ein Zweischillingstck und einen halben Schilling anstattder halben Krone besessen! Noch immer lie mich ein jmmerlicher Kleinglaube dieinnere Stimme berhren. Ich vermochte nicht die Not zu lindern, weil es mich zuviel kostete.
Es wird niemanden verwundern, da ich diesen Leuten nicht viel Trost gebenkonnte. Ich sagte ihnen, sie sollten nicht mutlos sein, wenn ihre Verhltnisse auch sehrtraurig seien, lebe doch im Himmel ein guter, liebender Vater. Whrend ich das sagte,tnte es in meinem Herzen: ,Du Heuchler! Du sprichst zu diesen unbekehrten Menschenvon einem gtigen, liebenden Vater im Himmel, und du selbst vertraust Ihm nicht,wenn du dich von deiner halben Krone trennen solltest!'
Mir war, als msse ich ersticken. Wie gern htte ich mit meinem Gewissen einenVergleich abgeschlossen! Ich konnte unmglich weiterreden. Merkwrdigerweise meinteich aber, mit Leichtigkeit beten zu knnen. In jenen Tagen war mir das Gebet eineFreude. Niemals schien mir die Zeit zu lang, die ich dabei verbrachte. So war es mirauch jetzt, als brauchten wir nur niederzuknien und zu beten, damit wir gemeinsamgetrstet wrden.
,Sie haben mich gebeten, mit Ihrer Frau zu beten', sagte ich zu dem Mann, ,daswollen wir jetzt tun.' Dabei kniete ich nieder. Doch kaum hatte ich meine Lippen zueinem Vaterunser geffnet, als das Gewissen mahnte: ,Du wagst es, deines Gottes zuspotten? Du wagst es, niederzuknien und Ihn Vater zu nennen mit deiner halbenKrone in der Tasche?' Es tobte ein solch schrecklicher Kampf in mir, wie ich es niezuvor erlebt hatte. Wie ich durch das Vaterunser hindurchkam, wei ich nicht. In einemunaussprechlichen Gemtszustand erhob ich mich von meinen Knien.
Der arme Vater wandte sich daraufhin zu mir und sagte: ,Sie sehen, wie schreck-lich es um uns steht. Wenn Sie uns helfen knnen, dann tun Sie es um Gottes willen!'
Dabei fuhr mir das Wort durch den Sinn: ,Gib dem, der dich bittet!' In desKnigs Wort liegt Gewalt. Ich steckte meine Hand in die Tasche, zog das Geldstcklangsam heraus und gab es dem Mann. Dabei sagte ich ihm: Sie denken wohl, es flltmir leicht, Ihnen zu helfen, weil ich gut gekleidet bin. Dies ist aber mein letztes Geld-stck. Vertrauen Sie Gott wie einem Vater!'
Nun strmte die Freude in mein Herz zurck wie eine Flut. Jetzt konnte ich denLeuten alles sagen und es auch" selbst glauben. Das Hindernis, das den Segen aufhielt,war weg wie ich hoffte, fr immer.
Nicht blo das Leben der Frau wurde gerettet, sondern eine neue Kraft erflltemein Glaubensleben, das armselig geworden wre, htte ich der Weisung Gottes indiesem Augenblick nicht Folge geleistet.
Ich kann mich gut erinnern, in welchem Gemtszustand ich an jenem Abend inmein Zimmer zurckkehrte. Mein Herz war so leicht wie meine Tasche. Die dunklen,einsamen Straen hallten wider von meinem Freudengesang, den ich nicht unterdrckenkonnte. Die Schssel Grtze, die ich vor dem Schlafengehen zu mir nahm, htte ichnicht mit einem frstlichen Mahl vertauschen wollen. Als ich dann an meinem Bettniederkniete, erinnerte ich den Herrn an Sein Wort: ,Wer sich des Armen erbarmt, derleiht dem Herrn.' Ich bat Ihn, nicht zu lange von mir zu leihen. Daraufhin verbrachteich eine glckliche, ruhige Nacht in Seinem Frieden.
Am nchsten Morgen hatte ich zum Frhstck noch einen Teller Grtze. Ehe ichdiesen geleert hatte, hrte ich den Brieftrger an meine Tr klopfen. Gewhnlicherhielt ich montags keine Briefe, da meine Eltern und die meisten meiner Freundenicht gern sonnabends Briefe abschickten. So war ich erstaunt, als Mrs. Finch mit einemBrief hereintrat. Die Handschrift kannte ich nicht, und der Poststempel war verwischt,so da der Name des Absenders unleserlich war. Als ich den Umschlag ffnete, fandsich nichts Geschriebenes darin. Er enthielt ein Paar in weies Papier gewickelte lederneHandschuhe. Als ich sie erstaunt in die Hand nahm, rollte ein Zehnschillingstck ausihnen heraus.
,Dem Herrn sei Dank!', rief ich laut. .Vierhundert Prozent fr zwlf Stunden An-leihe, das nenne ich ein gutes Geschft. Wie froh wren die Kaufleute in Hull, wennsie unter solchen Bedingungen Geld ausleihen knnten!' In dieser Stunde gelobte ichmir, dieser Bank, die solche Zinsen zahlte und nie Bankrott macht, von jetzt ab allemeine Ersparnisse zu geben ein Entschlu, den ich nie zu bereuen hatte.
Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mich spter an dieses Ereignis erinnerte, undwieviel es mir in schwierigen Verhltnissen bedeutete. Wenn wir in kleinen Dingengegen Gott treu sind, gewinnen wir Erfahrung und Kraft zu ernsteren Proben. Diesewunderbare Durchhilfe war fr mich eine groe Freude und eine Glaubensstrkung.Aber natrlich reichen zehn Schilling selbst bei grter Sparsamkeit nicht weit. Ehevierzehn Tage verflossen waren, befand ich mich wieder in derselben Lage wie an jenembedeutungsvollen Sonntagabend. Unterdessen bat ich Gott, doch Mr. Hardy an meinflliges Gehalt zu erinnern.
Am Wochenende fhlte ich mich uerst unwohl, war ich es doch gewohnt,an den Samstagabenden meine Miete zu bezahlen. Ich wute, wie sehr Mrs. Finchdarauf angewiesen war. Mute ich nicht um ihretwillen ber die Gehaltsangelegen-heit mit Dr. Hardy reden? Tte ich es aber, dann wre dies fr mich die Besttigungmeiner Unfhigkeit zur Grndung eines Missionswerks. Den ganzen Donnerstag undFreitag verbrachte ich alle Zeit, die ich erbrigen konnte, in ernstem Ringen mitGott. Aber am Samstagabend befand ich mich in derselben Lage wie zuvor. Flehentlichbat ich Gott, mir zu zeigen, ob ich noch lnger auf Seine Zeit warten sollte. Sovielich beurteilen konnte, gab Er mir innerlich die Gewiheit, da diesmal Wartendas Beste sei und Er mir in irgendeiner Weise aushelfen werde. So wartete ich ruhig,und die Last war weg.
Am Samstag warf sich Dr. Hardy ungefhr um fnf Uhr abends, nachdem er seineRezepte geschrieben und den letzten Rundgang fr den Tag beendigt hatte, in seinenArmstuhl und begann nach seiner Gewohnheit mit mir ber gttliche Dinge zu reden.Er war ein echter Christ, und wir verbrachten zusammen manche Stunde in glcklicherGemeinschaft. Whrend unseres Gesprchs achtete ich auf die Uhr, denn in der Pfannekochte eirie Medizin und erforderte meine grte Aufmerksamkeit. Das war ein Glck
fr mich, denn ohne Zusammenhang sagte er pltzlich: ,Ubrigens, Taylor, ist nicht IhrGehalt fllig?*
Man denke sich meine Erregung. Ich konnte nicht sogleich antworten. Meine Augenauf die Pfanne gerichtet und den Rcken dem Doktor zugewandt, sagte ich so ruhigwie mglich, da es allerdings seit einiger Zeit fllig sei. Wie dankbar war ich injenem Augenblick! Gott hatte mein Gebet vernommen und Dr. Hardy veranlat, in derZeit der grten Not an mein Gehalt zu denken, ohne ein Wort oder eine Andeutungmeinerseits.
Dr. Hardy erwiderte: ,Es tut mir leid, da Sie mich nicht daran erinnerten. Siewissen, wie beschftigt ich bin. Htte ich doch etwas frher daran gedacht! Erst heutenachmittag schickte ich alles Geld zur Bank, so da ich Sie nicht sofort aus-bezahlen kann.'
Es ist unmglich, den Aufruhr in Worte zu fassen, der durch diese Erffnung inmeinem Herzen entstand. Ich wute nicht, was ich tun sollte. Glcklicherweise kochtedie Flssigkeit in meiner Pfanne, und ich fand dadurch einen Anla, das Zimmer zuverlassen. Ich war froh, fortzukommen und auer Sicht zu sein, damit er meineBewegung nicht bemerkte.
Sobald sich Dr. Hardy entfernt hatte, suchte ich mein kleines Heiligtum auf undschttete mein Herz vor Gott aus. Es whrte geraume Zeit, bis wieder Stille ein-kehrte. Nicht nur Stille, sondern Freude und Dankbarkeit kehrten zurck. Ich fhlte,da Gott Seinen eigenen Weg verfolgte und mich nicht verlassen wrde. Am frhenMorgen hatte ich versucht, Seinen Willen zu erkennen, und soviel ich beurteilenkonnte, die Weisung zum Warten von Ihm empfangen. Und jetzt handelte Gottfr mich.
Den weiteren Abend verbrachte ich wie gewhnlich am Samstag mit dem Lesender Heiligen Schrift. Ich bereitete mich fr den Abschnitt vor, den ich am Sonntag inden verschiedenen Mietshusern besprechen wollte. Ungefhr um zehn Uhr holte ichmeinen Mantel und schickte mich an, nach Hause zu gehen. Es gab nun keine Hilfemehr an diesem Abend. Aber vielleicht wrde Gott bis Montag fr mich eintreten,damit ich Mrs. Finch die Miete bezahlen knnte.
Als ich das Gas ausdrehen wollte, hrte ich den Schritt des Doktors im Garten, derzwischen dem Wohnhaus und der Klinik lag. Er lachte herzlich vor sich hin, als ober sich ber eine Sache kniglich freute. In die Klinik eintretend, fragte er nach demHauptbuch und erwhnte nebenbei, sonderbarerweise sei soeben einer der reichstenPatienten gekommen und habe seine Rechnung bezahlt. Ob das nicht eigenartig sei?Es kam mir noch nicht in den Sinn, da dies etwas mit mir zu tun haben knnte, sonstwre ich wohl in groe Verlegenheit geraten. Aber weil ich die Sache nur vom Stand-punkt eines Unbeteiligten ansah, freute ich mich auch mit Verwunderung, da einvermgender Mann abends nach zehn Uhr persnlich erschien, um eine Rechnung zubezahlen, was er jeden Tag bequem durch einen Scheck htte erledigen knnen. An-scheinend war er darber nicht zur Ruhe gekommen und innerlich gezwungen worden,noch zu solch ungewohnter Stunde seine Schuld zu begleichen.
Bald war der Betrag in das Hauptbuch eingetragen, und Dr. Hardy wandte sichzum Gehen. Pltzlich drehte er sich um, gab mir zu meiner berraschung einige dersoeben erhaltenen Geldscheine und sagte: ,Ubrigens, Taylor, Sie knnen ebensogut dieseScheine nehmen. Ich habe kein Kleingeld; den Rest kann ich Ihnen nchste Woche geben.'
Wieder war ich allein. Meine Gefhle waren unbemerkt geblieben. Ich kehrte inmein Kmmerchen zurck und lobte Gott mit frohem Herzen. Nun hatte ich die Be-sttigung, da ich nach China gehen durfte. Fr mich war dieser Vorfall etwas Gewal-tiges. Die Erinnerung daran gab mir spter in besonders schwierigen Lagen in Chinaoder sonstwo viel Trost und Kraft."
In jenen Tagen beschftigte Hudson Taylor etwas viel Wichtigeres inder Arbeit fr den Herrn als die Geldfrage. In denkwrdigen Stunden
begann er die Dinge wie nie zuvor vom gttlichen Standpunkt aus zusehen. Es ging jetzt um Seelen. Er schrieb darber an Amalie:
Wenn ich noch zwei weitere Jahre hier verweile und etwas Geld fr meine Aus-stattung ersparen kann, ntzt mir das mehr, als wenn ich jetzt ausreise und mir dieUberfahrt unterwegs verdiene. Im Verlauf von zwei Jahren aber sterben in jenemLand wenigstens vierundzwanzig Millionen Menschen. Nach sechs oder acht Monatenmte ich so viel Chinesisch gelernt haben, da ich mich verstndlich machen kann.Wenn ich aber nur einen einzigen Snder in den Wahrheiten des Evangeliums unter-richtete, der Heilige Geist das Wort an seiner Seele mit Kraft bewiese und er errettetwrde, wre er in Ewigkeit glcklich und wrde seinen Erlser preisen. Was bedeutetendann im Vergleich dazu die Schwierigkeiten einer vier bis fnf Monate dauerndenReise?"
Seiner Mutter berichtete er ber Erkundigungen ber die Mglich-keiten einer Uberfahrt als Matrose. Der Gatte seiner Zimmervermieterinhatte ihn allerdings vor den Hrten einer langen Meerreise gewarnt undihm versichert, da er weder die schwere Arbeit noch das Zusammenlebenmit der Schiffsmannschaft ertragen wrde. Davon schrieb er jedoch derMutter nichts.
Ich bin tief dankbar", antwortete er ihr auf ihren letzten Brief, da Du dasOpfer bringst, mich ziehen zu lassen, und diesen Entschlu nie zurcknehmen wirst.Vielleicht will der Herr unsere Aufrichtigkeit in diesem Punkt frher auf die Probestellen, als wir meinen. Wenn ich auch die Gre der Mutterliebe nicht kenne, soempfinde ich doch die Macht der Sohnesliebe, Bruderliebe, Freundesliebe und die Liebezu Brdern in Christus. Das Aufgeben von allem, was mir lieb ist, schmerzt wie dasWegreien eines Teils meiner selbst. Doch ich danke Gott dafr, da ich auch etwasvon des Erlsers Liebe wei, wenn auch bis jetzt nur wenig. Er ist mein Friede, undich kann mit dem Dichter sagen:
Allem entsag' ich auf Erden,
der Weisheit, der Macht und Ehr',
um Dich zum Teil zu haben,
mein Schild und auch meine Wehr."
Obgleich Hudson Taylor das Opfer, als Matrose auszureisen, freudigbringen wollte, sollte er diese Mglichkeit doch nicht whlen.
Seine Mutter schrieb spter in dankbarer Erinnerung an diese Fhrungals Antwort auf ihre Gebete: Er mute das doch nicht auf sich nehmen.Ohne Zweifel war es recht, da er innerlich bereit war, alles zu verlassenund seinem Meister zu folgen, wohin Er ihn wies."
Sollte sein Weg aber schon jetzt nach China fhren? Seine Eltern undFreunde waren dazu noch nicht bereit. Er selbst hatte gebetet, er wollenicht lnger in der Heimat verweilen, wenn es nicht Gottes Wille sei undseine Nchsten diesen Weg als den von Gott fr ihn bestimmten erkennenwrden. Zu seinem Erstaunen rieten alle von diesem Plan ab.
Es fiel ihm schwer, alle seine sorgfltig erwogenen Plne aufzugeben.Er mute dabei erkennen, da Eigenwille aussehen kann wie Hingabe.Darber schrieb er an seine Mutter: Im Blick auf meine Ausreise nachChina habe ich vor, in bereinstimmung mit allen, die ich befragte, undmit deiner eigenen Ansicht, ein weiteres Jahr in der Heimat zu verbringen
und dabei auf Gottes Fhrung zu warten. Deine Beurteilung freute mich,weil ich Gott gebeten hatte, uns allen dieselbe berzeugung zu schenken.Will Er von mir, da ich frher gehen soll, dann kann Er mir den Wegunmiverstndlich zeigen."
Im Mai verbrachte er eine glckliche Woche daheim im Familienkreis,wo er sich erholte. Allerdings empfand er nach seiner Rckkehr die Trb-seligkeit seines armseligen Quartiers um so strker. Aber er freute sich anseinem Herrn und, obgleich er sich zuerst, wie er seiner Schwester anver-traute, beinahe nicht mehr in die Verhltnisse hineinfinden konnte, machteer sich wieder eifrig an die Arbeit.
Als die Tage lnger wurden, nahm er sich auch des Streifens ungepfleg-ten Landes vor der Behausung seiner Zimmervermieterin an. Den Sommerverbrachte er mit krperlicher Arbeit, Planen, Beten und fleiigem Stu-dium der Schrift. Die Zeit schien eher zu kurz fr all die vielen Pflichten,die sich stndig huften. Er erfuhr dabei, wieviel mehr an einem Taggeleistet werden kann, wenn wenigstens eine Stunde fr das Gebet ver-wendet wird.
Er selbst bedurfte jetzt der besonderen Weisung und Leitung vonoben. Sein Freund und Vorgesetzter, Dr. Hardy, machte ihm gromtigeVorschlge in bezug auf seine medizinische Ausbildung. Er wre bereitgewesen, mit ihm einen Vertrag fr mehrere Jahre abzuschlieen, der ihmunentgeltlich ein medizinisches Studium ermglicht htte. So gern er diesesabgeschlossen htte, glaubte er doch, da er sich nicht durch einen Vertragbinden drfte, weil er doch nicht wute, wann sich sein Weg nach Chinaffnen wrde. Er war nun zwanzigjhrig und mute zusehen, wie er dieZeit, die ihm noch in England verblieb, am besten fr seine Vorbereitungauskaufte.
Ausgerechnet in diesen Tagen stand er pltzlich vor einer neuen, schwe-ren Glaubensprobe. Sein Vater fhlte sich seit einiger Zeit in seinemApothekerladen eingeengt. Er streckte sich nach einem greren Ttig-keitsfeld aus und meinte, die neue Welt, Kanada oder die VereinigtenStaaten, knnten vielleicht Mglichkeiten zur Erweiterung seines Ge-schfts in einer geistlich bedrftigeren Umgebung bieten. Die Mutter be-kam denn auch den Auftrag, Hudson zu fragen, ob er bereit sei, dasheimatliche Geschft auf die Dauer von zwei Jahren zu bernehmen.
berrascht und bestrzt ber diese unerwartete Zumutung war erwenig geneigt, darauf einzugehen. Wohl htte er gern seines VatersWunsch erfllt. Doch dessen Geschftsreise nach Amerika selbst wennsie mit einer evangelistischen Ttigkeit verbunden wrde nein, daskonnte nicht Gottes Wille sein! Was er in seinem Antwortschreiben an dieEltern berichtete, ist nicht bekannt. Doch gibt ein zweiter Brief, der demersten sogleich gefolgt sein mute, Einblick in sein Denken.
Das Gewissen hat mich seit meiner Antwort auf Deine Frage bezglich meinerBereitschaft, Dich zwei Jahre zu vertreten, oft gedrckt. Ich fhrte zwar die Opfer
auf, die fr mich mit einem Heimkommen verbunden wren, erwhnte jedoch keinWort ber alle jene, die Du so willig fr mich gebracht hast alle die schlaflosenStunden, die Sorgen, die Mittel fr die Ausbildung und fr alles Schne, woran ichmich erfreuen durfte. Und dies ist nun mein Dank fr alle Deine Freundlichkeiten!Ich habe nur meine Opfer aufgezhlt, die ich zu bringen htte, wenn ich das Geschftbernhme, in dem Du zu meinen Gunsten zwanzig Jahre gearbeitet hast. Vater, ichwar ein undankbarer Sohn es tut mir aufrichtig leid. Kannst Du mir vergeben?
Ich will mich ernstlich bemhen, mit Gottes Hilfe in Zukunft anders zu handelnund meinen Pflichten getreuer nachzukommen. Solltest Du meine Heimkehr noch immerwnschen, so bin ich dazu bereit."
Dieses Opfer wurde ihm aber erspart. Sein Vater gab den Gedankenan Amerika auf und war bald wieder wie zuvor mit seinem arbeitsreichenLeben in Barnsley zufrieden. Hudson konnte sich wieder seinen eigenenPlnen hingeben. Vor allem erwog er jetzt die Frage einer Ubersiedlungnach London.
Diese Stadt zog ihn an, denn fr sein Medizinstudium besa sie vieleVorzge. Er hatte das Angebot von Mr. Pearse und der ChinesischenEvangelisationsgesellschaft nicht vergessen. Sie hatten sich zur Bezahlungaller Auslagen in London bereit erklrt, wenn er eine Anstellung fnde,die ihm gengend Zeit zum Lernen liee. Auch auf andere Weise wrensie fr Unterhalt und Unterkunft aufgekommen. Nun fragte er sich, obdieses Angebot auch heute noch Gltigkeit bese, und wie er dann davonGebrauch machen knnte.
Nachdem er viel ber diese Fragen nachgedacht und darber gebetethatte, erkannte er, da er nicht lnger in Hull bleiben sollte. Alles, waser unter den gegenwrtigen Umstnden von Dr. Hardy lernen konnte,hatte er sich angeeignet. Ein lngeres Verweilen, soweit es seine Vor-bereitung fr China betraf, htte er als Zeitverlust erachten mssen. Dochwas sollte er unternehmen, wie sah der erste Schritt aus?
Je klarer er erkannte, was Gott von ihm wollte, um so hher schienensich die Schwierigkeiten zur Ausfhrung des Plans vor ihm aufzutrmen.Vorerst mute er Dr. Hardy in seine Plne einweihen und sich nach einerAnstellung in London umsehen, was sich als uerst schwierig erwies,weil er ohne Mittel war, auf die er sich verlassen konnte. Zwar besa ereine kleine Summe, die er fr seine Ausrstung fr China beiseite gelegthatte. Er htte allen Grund zur Mutlosigkeit gehabt. Es stand ihm dortkein Heim offen, das ihn aufgenommen htte. Doch in jenen Juli- undAugusttagen erfreuten ihn einige Verheiungen aus Gottes Wort ganzbesonders. Sie stehen im 37. Psalm: Hoffe auf den Herrn ... tue Gutes,bleibe im Lande und nhre dich redlich! Habe deine Lust an dem Herrn;der wird dir geben, was dein Herz wnscht. Befiehl dem Herrn deineWege und hoffe auf Ihn; Er wird's wohl machen."
Whrend er ber diese eindeutig klaren Zusicherungen nachsann, be-gann er alles in dem Licht zu sehen, das von dem Ungesehenen ausgeht.Mute er handeln ohne eine klare Zusage? Fand er seinen Meister auch
wirklich auf dem vor ihm liegenden Meer? War es wirklich Seine Stimme,die ihn ber das Wasser erreichte? Wenn Er es war, dann konnte er seinkleines Boot ohne Zgern verlassen und Jesus entgegengehen. Des JngersWorte lauteten: Bist Du es, Herr, dann heie mich zu Dir kommen!"Und die Antwort kam unmiverstndlich. Er konnte sie nicht anzweifeln.In einem Brief an seine Mutter schrieb er am 27. August:
Ich begann mich auf einmal zu wundern, warum mir denn so viel an Londongelegen sei. Ich kann aufrichtig sagen, es geht mir darum, dem Herrn besser zu dienenund Ihm zur Frderung Seines Knigreichs ntzlicher zu sein. Dieser Schritt ist be-stimmt eine wichtige Vorbereitung fr China. Warum gehe ich eigentlich nicht? Ausdem einfachen Grunde, weil ich nicht wei, wie ich es anstellen soll. Htte meinirdischer Vater mir fnf oder zehn Pfund angeboten, dann htte ich ohne Zgerndie Stelle hier aufgegeben. Wie viel williger sollte ich vorwrtsgehen im Vertrauenauf den, der verheit: ,Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wiressen? Was werden wir trinken? Womit sollen wir uns kleiden?... Euer himmlischerVater wei, da ihr dessen alles bedrfet... Vertraue dem Herrn und tue Gutes, sowirst du sicher wohnen im Lande.'
Wenn ich weiterhin mein Vertrauen auf Umstnde setze, schiene mir das ein Zwei-fel an Gott. Deshalb sprach ich am vergangenen Samstag mit Dr. Hardy und er-klrte ihm, da ich allein im Vertrauen auf den Herrn nach London umsiedeln wollte,ob ich nun eine Anstellung htte oder nicht. Heute vernahm ich, da eine Stellefrei geworden ist. Ich werde mich dort melden, obgleich ich kaum annehmen kann, dasie fr mich passend ist. Das Spital scheint mir zu entlegen zu sein. Verdienen kannich dort bestimmt nichts. Wenn ich eine Anstellung finde, die es mir ermglicht, sechsbis acht Stunden Vorlesungen zu besuchen, dann ist das alles, was ich erwarten darf."
Nachdem dieser Entschlu gefat war, frchtete er sich nicht mehrdavor, die Brcken hinter sich abzubrechen. Er schrieb sogleich an seinenVetter in Barnsley und schlug ihm vor, sich um die frei werdende Stellebei Dr. Hardy zu bewerben.
Kurz danach klrte sich sein Weg. Ein Onkel, der in London lebte, botihm ein vorlufiges Heim an. Die Chinesische Evangelisationsgesellschaft(CEG) erneuert ihr Angebot zur Deckung seiner Auslagen im Kranken-haus, und die glubigen Freunde, zu denen er sich in Hull gehalten hatte,rsteten ihn aus mit Empfehlungen an einige Glubige, die er vom Kran-kenhaus aus mit Leichtigkeit erreichen konnte. Er bekam noch weitereHilfsangebote, die ihm bewiesen, da er auf dem rechten Wege war, ob-gleich er sie nicht annahm. Voll Dankbarkeit schrieb er Mitte Septemberan seine Schwester:
Wie ist doch Gottes Liebe, die Gte meines und Deines Vaters, meines und DeinesGottes so gro! Wie freundlich ist Er, mir solch vollkommenen Frieden, solch voll-kommene Freude und vollkommenes Glck zu schenken, obgleich ich mich nach auenhin in der schwierigsten Lage befinde! Htte ich mich in der Frage, ob ich bleibenoder gehen sollte, durch Umstnde leiten lassen, wie unsicher wre ich geblieben! Dochals ich diesen Schritt unter Seiner Fhrung wagte, weil Er dadurch geehrt werden sollte,und alles in Seine Hnde legte, schenkte Er mir Ruhe.
Preise den Herrn fr Seine Gte! Er hat bis jetzt fr das Notwendige gesorgt.Mir wurde ein Heim angeboten, und ich besitze gengend Geld zum Bezahlen desHonorars in der Ohrenklinik und fr die Kurse in London. Ich kenne hier auch
glubige Freunde. Im vergangenen Herbst wute ich von allem noch nichts. Ich habegerechnet und mich gesorgt, und all dies umsonst. Auch wenn uns alles verkehrtzu sein scheint, beseitigt der Herr, wenn Er den Weg auftut, eine Schwierigkeit nach derandern und sagt ganz einfach: ,Sei stille und erkenne, da Ich der Herr bin!' "
DER HERR WIRD'S VERSEHN
Nebelhrner zeigten von allen Seiten an, da sich der Kstendampferzwischen Hull und London langsam die Themse herauf bewegte. Es waram 25. September, einem Sonntagabend, als Hudson Taylor zusammenmit anderen Passagieren an Land gehen wollte. Doch die Nebeldeckeverdichtete sich mehr und mehr ber der groen Stadt, bis nichts anderesbrigblieb, als den Anker auszuwerfen und auf den kommenden Morgenzu warten. Um die Mittagszeit des nchsten Tages konnte endlich derTower erreicht werden. Die meisten Leute gingen hier an Land. Alleandern, die auf dem Schiff verblieben, verlebten einen stillen Sonntag.Hudson Taylor war dafr besonders dankbar, lag doch vor ihm ein neuerLebensabschnitt.
Wie neu und gro sein Bedrfnis nach der Kraft aus dem lebendigenGott war, konnte niemand ahnen. Weder seine Mutter noch seine Schwe-ster, die seine letzten Tage in Drainside mit ihm zusammen verlebt hatten,wuten etwas ber seinen Entschlu, den er vor dem Weggehen gefathatte. Damit beschftigten sich seine Gedanken, whrend er auf demDampfer auf und ab ging. Er berichtete darber:
Mein Vater hatte mir angeboten, alle meine Unkosten des Aufenthalts in Londonzu bezahlen. Ich wute aber, da dies nach seinen krzlichen Verlusten im Geschftfr ihn ein betrchtliches Opfer bedeuten wrde. Vor kurzem wurde ich dem Komiteeder CEG vorgestellt, in deren Verbindung ich spter nach China ausreisen werde.Diese Mnner konnten natrlich nichts vom Vorschlag meines Vaters wissen. Sie er-neuerten ihr Angebot zum Tragen aller meiner Auslagen in London. Als diese Vor-schlge frher gemacht worden waren, wute ich nicht, was ich tun sollte. MeinemVater und den Sekretren der Mission antwortete ich, da ich vor einer Entscheidungzuerst darber beten mchte.
Whrend ich Gott um klare Fhrung bat, erkannte ich, da ich ohne Sorge beideAngebote ablehnen knne. Die Sekretre konnten nicht wissen, da ich mich bezg-lich meines Unterhalts ganz allein auf Gott verlassen wolle. Der Vater dagegen muteannehmen, ich htte ihre Hilfe angenommen. So lehnte ich denn auf beiden Seiten ab.Nun brauchte sich niemand um mich zu kmmern. Ich stand jetzt allein in GottesHand. Innerlich hatte ich die Gewiheit, da Er fr alles sorgen werde, wenn Ermich wirklich in China gebrauchen wollte. Kennt Er doch mein Herz und mein Be-mhen, Ihm schon in der Heimat zu gefallen."
So stellte er sich am Montagmorgen in Mr. Ruffles Pension ein, diesich in der Nhe des Sohoplatzes befand. Hier wohnten sein Onkel Ben-jamin Hudson und ein Vetter aus Barton-on-Humber, der bei Mr. Ruffle,
einem Baumeister und Dekorateur, in der Lehre stand. Der Onkel, einlebhafter, begabter Junggeselle, war nicht nur ein geschickter Portrt-maler, sondern auch ein Poet. Er war sehr beliebt in seinem Bekannten-kreis, denn neben allen andern Gaben war er auch ein gewandter Erzhlermit einem ausgezeichneten Gedchtnis fr gute Geschichten. Zu seinenBekannten gehrten auch einige Mediziner, mit denen er seinen Neffenbekannt machen wollte. Vielleicht liee sich durch ihre Vermittlung eineGehilfenstelle finden.
Auch der Vetter begegnete seinem Verwandten freundlich. Er bot ihman, mit ihm das Zimmer zu teilen, damit die Auslagen geringer wren.Mit Freuden ging Hudson auf diesen Vorschlag ein, war es ihm doch einegroe Hilfe, in der Fremde nicht allein zu sein, denn Tom Hudson er-innerte ihn an seine Lieben daheim.
Inmitten des hektischen Lebens, das ihn hier umflutete, kam er sich inder Pension wie ein Wassertropfen im Ozean vor. Alles war so neu undfremd. Er war in einen durchaus unreligisen Kreis hineingeraten undsah sich von Menschen umgeben, deren Welt ihm beinahe gnzlich unbe-kannt war. Geschft, Politik und die Jagd nach Vergngungen nahmenihr ganzes Denken gefangen. Onkel und Vetter versuchten alles, ihn mitsich fortzureien. Sie waren gern zu jeder Hilfe bereit, doch konnten sieseine Ansichten weder verstehen noch teilen.
Was redest du von Gottvertrauen", sagte zuweilen sein Vetter, manmu sich selbst auch anstrengen."
Die beiden Mnner konnten auch nicht verstehen, da er sich wegenseines Rufs nach China nicht zu einer gewhnlichen Berufsausbildungverpflichten wollte. Schien es ihnen doch, als ob die Missionsgesellschaft,zu der er sich zhlte, in dieser Sache sich mehr als gleichgltig verhielt.Das bedrckte auch Hudson selbst und war ihm uerst schmerzlich.
Als er den Sekretr der Gesellschaft aufsuchte, sagte dieser etwa fol-gendes: Wir haben bis jetzt noch nichts Bestimmtes unternommen, weilwir Ihr Kommen abwarten wollten. Nun aber, da Sie die Arbeit imKrankenhaus aufnehmen wollen, mu die Angelegenheit vor das Komiteegebracht werden. Natrlich erfordert das Zeit. Wenn Sie aber wollen,da die Sache ins Rollen kommt, dann senden Sie sofort Ihre Anmeldung,damit sie in der nchsten Missionsratssitzung besprochen werden kann.Diese findet nur jede zweite Woche statt."
Welch ein Schreck fr Hudson! Am 7. Oktober sollte diese Sitzungstattfinden, und jetzt stand man erst in der zweiten Septemberhlfte.Wenn aber sein Fall nicht bei der nchsten Zusammenkunft erledigt wer-den konnte, mute er weitere zwei Wochen und vielleicht noch lngerwarten. Inzwischen aber konnte er keine Anstellung annehmen. SeineErsparnisse wrden aufgebraucht sein. Und was wrden erst die Leutein der Pension sagen, wo seine scheinbare Unentschlossenheit bereits eineQuelle des Vergngens bildete!
Wenn er das alles in Hull gewut htte! Doch was machte dies allesschon aus? Er war nicht im Vertrauen auf seine eigenen Mittel oder dieAbhngigkeit von andern nach London gekommen. Wenn auch die Windetobten und die Wellen hoch gingen, war doch einer neben ihm, dessenHand stark genug war, ihn zu halten, und dessen Wort Frieden schenkte.Dieser Eine kannte den Ausgang sowohl wie den Anfang.
So reichte er denn seine Bewerbung ein. Die Wartezeit ntzte er zueifrigem Studium aus. Darin wurde er jedoch oft durch seinen Vettergestrt, dessen Beruf es ihm ermglichte, ab und zu daheim zu sein. Seinebestimmt nicht bse gemeinte Kritik war jedoch kein Ansporn zu ruhigemDenken.
Die Unsicherheit dauerte an, auch nachdem das Komitee seine Sitzunggehalten hatte. Sonderbarerweise hielt man es fr ntig, sich erst nherber ihn zu erkundigen. Es war beschlossen, zunchst eine Reihe vonZeugnissen ber ihn anzufordern. Das war Hudsons erste Erfahrung mitdem Geschftsgang einer organisierten Gesellschaft. Obgleich er spter dieNotwendigkeit gewisser Vorschriften einsehen lernte, verga er doch dieseErfahrung nie, wenn er mit angehenden Missionaren zu tun hatte. Erschrieb darber an seine Mutter:
Dies bedeutet einen nicht leicht zu nehmenden Aufschub. Heute werde ichMr. Pearse aufsuchen; denn ich verstehe nicht, was es mit den verlangten Leumunds-zeugnissen auf sich hat. Werden sie jedoch von mir verlangt, dann danke ich demKomitee fr seine Freundlichkeit und belstige es nicht weiter, weil unsere Ansichtensich nicht decken. Wenn ich nach der Aussprache mit Mr. Pearse Zeit finde, werde ichnoch einige Zeilen beifgen, sonst schreibe ich spter.
Bekmmere dich nicht, liebe Mutter! Gott hat bisher fr mich gesorgt, mich be-schtzt und geleitet. Er schenkt mir vlligen Frieden und wird alles herrlich hinaus-fhren. Wie gut ist es, Ihm in allem vertrauen zu drfen!"
Er traf dann diesen vielbeschftigten Sekretr in Hackney, ehe er sichauf die Brse begab, und erklrte ihm seine Schwierigkeiten. Mr. Pearseschien ihn verstanden zu haben. Als Resultat dieser Unterredung wurdendie Zeugnisse fr berflssig erklrt. Man verlangte nur einen oder zweiBriefe von Menschen, die ihn am besten kannten.
Am 24. Oktober schrieb er: Ich freue mich, berichten zu knnen, dadie Dinge festere Gestalt annehmen. Morgen werde ich wohl die Arbeitim Krankenhaus aufnehmen."
Whrend er sich in seiner Stube so gut es ging, seinen Studien widmete,merkte er nicht, wie sein Zimmergenosse trotz seines Widerstrebens zuder einzigen Quelle der Freude und des Friedens hingezogen wurde. Eswar aber wirklich so. Tom Hudson, der die Erlebnisse seines Vettersscharf beobachtete, sah sich vor Tatsachen und Schlufolgerungen gestellt,denen er weder ausweichen noch widersprechen konnte. Nichts andereshtte ihm wahrscheinlich seine eigene Gottesferne und seinen Mangel anwahrer Befriedigung deutlicher machen knnen als das Vorbild seinesVerwandten. Ehe das Jahr zu Ende war, durfte Hudson es erleben, da
sein Vetter Christus im Glauben annahm und sich offen als Sein Eigen-tum bekannte.
Und dann endlich erfllte sich sein Wunsch. Es waren beinahe dreiJahre verflossen seit jenem Dezembertag, an dem Hudson Taylor end-gltig auf den Ruf Jesu in Seinen Dienst eingegangen war. Seitdem hatteer sich stndig mit dem Gedanken seiner zuknftigen Brauchbarkeit be-schftigt und ein Medizinstudium als die beste Vorbereitung erachtet. Mitwenig Hilfe und trotz vieler Hindernisse hatte er durchgehalten und aufpraktischem Gebiet Fortschritte gemacht. Nun lag der breite Hhenwegvor ihm die Vorlesungen, die klinische Ausbildung mit allen Vorzgeneines stdtischen Krankenhauses.
Hier geht es nicht so sehr um seine ueren Erfahrungen whrenddieser Zeit in London, sondern mehr um die Entfaltung seines innerenLebens, das Wachstum des Glaubens.
Durch die schweren Regenflle war diese Jahreszeit trostlos. GroeTeile von Londons Osten waren berschwemmt. Das hatte schlimmeFolgen fr alle, die in der Nhe des Flusses lebten und deren Arbeit siein den feuchten, nebligen Straen festhielt. Zu diesen gehrte HudsonTaylor. Das Sohoviertel, in dem er wohnte, lag vier Meilen vom Kran-kenhaus entfernt. So mute er tglich einen zweistndigen Fuweg vonder Oxfordstrae nach Whitechapel und zurck machen. Als einzigesTransportmittel diente zwar ein altmodischer Omnibus; der junge Medi-zinstudent bte sich aber im Sparen und verzichtete auf alles nur ebenMgliche. Darber schrieb er:
Allmhlich habe ich gelernt, wie ich am besten spare. Ich lebe jetztzur Hauptsache von braunem Brot und Wasser. So komme ich mit denmir zur Verfgung stehenden Mitteln aus. Gewhnlich kaufe ich auf demRckweg vom Krankenhaus einen Laib Brot. Damit komme ich zumAbendessen und Frhstck aus. Zum Mittagessen gibt es eine Zulage voneinigen pfeln."
Ob der Bcker, der ihm die Brote verkaufte, wohl erriet, warum seinKunde die Laibe in zwei Hlften geschnitten haben wollte? Die Erfah-rung hatte Hudson gelehrt, wie schwer es ist, eine Teilung unparteiischvorzunehmen, denn die eine Hlfte mute fr den nchsten Morgen auf-gespart werden. Zuerst hatte er die Brote selbst geteilt, doch waren dabeidie Morgenrationen stndig zu kurz gekommen. Nicht selten hatte erdeshalb seinen Weg ins Krankenhaus hungrig antreten mssen. Doch derBcker teilte gerecht.
Schwarzbrot, pfel, Wasser! Wahrlich eine ungengende Kost freinen jungen Menschen! Hunger nach Brot und Mattheit bedeuteten je-doch in jenen Tagen wenig im Vergleich zu dem Verlangen seines Her-zens. Das vor ihm liegende Ziel erfllte ihn ganz. China in seiner unbe-schreiblichen Not, und was er selbst zu deren Behebung tun knnte, lag
schwer auf seinem Herzen, dazu auch das Suchen nach Gottes Weg, dener nur durch Glauben und Gebet erkennen konnte.
Nein, meiner Gesundheit schadet es nicht", schrieb er seiner Mutterals Antwort auf ihre Fragen nach seinem Ergehen, jeder beteuert, wiegut ich aussehe. Die langen Korridore der Stationen ermden mich nichtmehr so sehr wie am Anfang. Die leichtfertigen Gesprche einiger Stu-denten betrben mich jedoch."
Die Prfungen dieser Zeit wurden noch durch einen unerwartetenAbzug von seinem bereits drftigen Einkommen vermehrt. Noch immerstand er mit Mrs. Finch in Drainside in Verbindung und konnte fr sieregelmig von der Reederei, die in der Nhe von Cheapside lag, denhalben Betrag vom Lohn ihres Mannes abholen und ihr zusenden. Einmalhielten ihn dringende Examensarbeiten vom rechtzeitigen Abholen desGeldes ab. Deshalb sandte er ihr das Geldaus der eigenen Tasche. Als erspter bei der Reederei den Betrag forderte^ wurde ihm bedeutet, dader Offizier von seinem Dampfer in die Goldgruben davongelaufen seiund er das Geld nicht bekommen knne.
Bald darauf, vielleicht schon am gleichen Tag, heftete ich einige Bogen Papierzusammen, auf denen ich whrend der Vorlesungen Anmerkungen machen wollte.Dabei stach ich mich in meinen rechten Daumen, verga es aber bald.
Am darauffolgenden Tag sezierten wir im Krankenhaus. Es handelte sich umjemanden, der am Fieber gestorben war. Ich brauche wohl nicht besonders zu be-tonen, mit welcher Vorsicht wir vorgingen. Die Gefahren waren uns zu gut bekannt.Doch noch ehe der Vormittag um war, fhlte ich mich ungewhnlich mde, und als icham Nachmittag die chirurgischen Sle betrat, befiel midi pltzlich ein Unwohlsein undheftiges Erbrechen. Bei meiner einfachen Lebensweise war dies uerst ungewhnlich.Nach einer kurzen Ohnmacht kehrte ich wieder zu den Studenten zurck. Doch ichfhlte mich immer elender. Whrend der Nachmittagsvorlesungen vermochte ich nichteinmal mehr den Bleistift zu halten. Spter sprte ich Schmerzen in der rechten Seiteund im Arm. Ich fhlte mich richtig krank.
Da ich nicht weiterarbeiten konnte, begab ich mich in den Sezierraum, um meineSachen zu packen. Dabei sagte ich zu meinem Vorgesetzten, einem geschickten Chirurgen:,Ich kann mir nicht erklren, was mit mir los ist', und zhlte die Symptome auf.
,Nun, die Sache ist ganz klar. Sie mssen sich beim Sezieren geschnitten haben,und dies war ein Fall bsartigen Fiebers', lautete sein Bescheid.
Pltzlich fiel mir der gestrige Stich ein. Ich fragte den Arzt, ob es mglich wre,da ein Nadelstich bis dahin nicht geheilt sei. Er glaubte, dies sei die Ursache, und rietmir, eine Droschke zu mieten, in meine Wohnung zurckzukehren und meine An-gelegenheiten zu ordnen. ,Denn', fgte er hinzu, ,Sie sind ein verlorener Mann!'
Im ersten Augenblick war ich bestrzt, weil mir nun der Weg nach China verschlos-sen schien. Dann kam mir der Gedanke: ,Wenn ich mich nicht irre, habe ich in Chinaein Werk zu vollbringen; darum werde ich nicht sterben.' Ich war aber froh, bei dieserGelegenheit ein Gesprch mit dem Arzt, der ein Zweifler war, ber gttliche Dingefhren zu knnen. Ich sprach denn auch mit ihm ber die Freude, bald bei meinemMeister sein zu drfen, sagte ihm aber, da ich nicht glaubte, jetzt schon sterben zumssen, weil ich einen Ruf nach China htte. Ich wrde durchkommen, wenn auch derKampf schwer sei.
,Das ist alles ganz schn', antwortete er, ,aber besorgen Sie sich jetzt sofort eine
Droschke und fahren Sie so schnell wie mglich nach Hause! Sie haben keine Zeit zuverlieren. Bald werden Sie Ihre Sachen nicht mehr ordnen knnen.'
Ich lchelte im stillen, besa ich doch keine Mittel zu einem solchen Luxus. DieserSchwierigkeit enthob mich mein gtiger Onkel, der mir sogleich alles schickte, wasich bentigte.
Die Schmerzen waren beinahe unertrglich, doch ich wollte nicht, da meineEltern etwas ber meinen Zustand erfahren sollten. Ich war gewi, da ich nicht ster-ben mte, sondern in China einen Auftrag zu erledigen hatte. Kmen meine Elternund fnden mich in diesem Zustand, dann hatte ich nicht die Gelegenheit, die Gottmir jetzt schenkte, um Sein Wort zu erproben. Er wrde sich bestimmt meiner Lageannehmen, waren doch meine Mittel beinahe erschpft. So versprachen Onkel undVetter, nachdem ich Gott um Weisung gebeten hatte, meinen Eltern nichts zu berichten,sondern es mir zu berlassen, ihnen Bescheid zu geben. Als ich ihr Versprechen hatte,fhlte ich, da dies die klare Antwort auf meine Gebete war. Meinen Bericht ber dieKrankheit schob ich aber so weit hinaus, bis das Schlimmste vorbei war. Daheimwunderten sie sich nicht ber mein Schweigen, sie wuten ja von meinen Examens-vorbereitungen.
Die Tage und Nchte des Leidens verstrichen langsam, doch konnte ich nach we-nigen Wochen mein Zimmer wieder verlassen. Ich vernahm dann auch, da zweiStudenten, die allerdings nicht zum Londoner Krankenhaus gehrten, sich zur gleichenZeit ebenfalls beim Sezieren verletzt hatten und gestorben waren, whrend ich alsAntwort auf meine Gebete fr Gottes Auftrag in China erhalten blieb."
Nun aber sollte Hudson zur Erholung zu seinen Angehrigen in York-shire zurckkehren. Noch immer war er entschlossen zu erfahren, wieGott auf seine Gebete hin aushelfen wrde. Darum sagte er niemandemvon seiner Geldnot, betete aber um so mehr. Zu seiner berraschungwurden seine Gedanken auf die Reederei gelenkt. Dort sollte er sich nachder Summe erkundigen, die er nicht hatte abheben knnen.
Ich erinnerte den Herrn daran, da ich mir keine Erholung erlaubenknnte, und fragte mich, ob die Heimkehr ein eigener "Wunsch und nichtSein Leiten sei. Nach vielem Beten und Warten auf Gottes Erhrungwurde ich in meinem Glauben gestrkt, da Gott selbst mich zur Reedereischickte."
Diese war etwa drei Kilometer von seiner Wohnung entfernt. Wieaber sollte er dorthin gelangen? Hatte er doch schon zum TreppensteigenHilfe in Anspruch nehmen mssen. Bot ihm aber nicht ausgerechnet seineSchwachheit eine weitere Gelegenheit zum Erproben der Wirksamkeitdes Gebets?
Ich bat Gott im Namen Jesu, Er mge mir sofort die ntige Kraftgeben, und sandte einen Diener nach Hut und Stock in mein Zimmer.Dann begab ich mich auf den Weg. Ich wollte nicht nur einen Versuchmachen, sondern wirklich nach Cheapside gehen."
Nie hatten ihn Schaufenster so angezogen wie auf diesem Weg. Nachein paar Schritten mute er sich immer wieder auf der Brstung einesSchaufensters ausruhen, um Kraft zum Weitergehen zu sammeln. Als erendlich sein Ziel erreicht hatte, ruhte er sich zuerst auf einer Stufe aus,ehe er die Treppe zum Bro im ersten Stock hinaufsteigen konnte.
Ich empfand meine Lage als uerst peinlich, als ich so vllig erschpft auf derTreppe sa, whrend die Herren, die neben mir auf und ab gingen, mich erstaunt be-trachteten. Nach einer kurzen Ruhepause und einem weiteren Stogebet brachte ichdie Treppe hinter mich. Zu meiner groen Erleichterung fand ich den Beamten im Bro,mit dem ich bisher in der Sache verhandelt hatte. Er erkundigte sich eingehend undsehr freundlich nach meinem Ergehen, weil ihm mein elendes Aussehen auffiel. Ichberichtete ihm von meiner schweren Erkrankung und der Anordnung des Arztes, michauf dem Lande zu erholen. Dann erkundigte ich mich, ob es sich nicht vielleicht umein Miverstndnis gehandelt htte und der Offizier doch noch bei der Reedereittig sei.
,Ich bin froh, da Sie gekommen sind', rief der Beamte aus, ,denn es war tat-schlich ein anderer Seemann mit gleichem Namen, der sich aus dem Staube gemachthatte. Mr. Finch befindet sich noch immer auf seinem Schiff, das soeben in Gravesendeinlief. Er wird bald hier sein. Ich bezahle Ihnen inzwischen den halben Lohn aus, denndas Geld wird seine Frau sicherer durch Sie erreichen als durch ihren Mann. Wir allewissen, welche Versuchungen die Mnner erwarten, wenn sie endlich nach einer Reisein die Heimat kommen.'
Ehe er mir jedoch die Summe aushndigte, bestand er darauf, da ich mit ihmzusammen essen sollte. Weil ich fhlte, da dies des Herrn Frsorge sei, nahm ichdas Anerbieten dankbar an. Nach der Erfrischung und dem Ausruhen gab er mir einStck Papier, damit ich Mrs. Finch die Umstnde erklren konnte. Auf meinem Rck-weg zahlte ich den Rest des Geldes ein, den sie noch zu erwarten hatte. Dann lie ichmich im Omnibus nach Hause fahren.
Mein gtiger Freund war beim Abschied sehr bewegt und sagte unter Trnen:,Ich wrde eine Welt geben um einen solchen Glauben.'
Am nchsten Tag war ich daheim im Elternhaus. Meine Freude ber die erfahreneHilfe und Frsorge Gottes war so gro, da ich sie unmglich fr mich behalten konnte.Ehe ich wieder nach London zurckkehrte, kannte meine Mutter das Geheimnis meinerErlebnisse der vergangenen Monate.
Ich brauche wohl nicht lange zu erklren, warum ich nach meiner Rckkehr nachLondon nicht mehr so einfach leben durfte wie vorher. Ich htte es auch nicht er-tragen knnen."
Nach einem weiteren halben Jahr verbesserte sich Hudsons Lage. Ererhielt eine Anstellung als Assistent eines Chirurgen in der Stadt.
In jener Zeit ereigneten sich in China Dinge, die sein Verlangen, dort-hin zu gelangen, vertieften. Fast unglaubliche Nachrichten fanden lang-sam ihren Weg aus den Inlandprovinzen und erfllten die ganze westlicheWelt mit Staunen. Die Taiping-Rebellion, die im Jahre 1850 bekanntwurde, hatte anscheinend eine groe Ausdehnung angenommen. Im sd-lichen China beginnend, hatte sie sich ber die mittleren Provinzen aus-gebreitet und schlielich den grten Teil des Yangtsetales, die Haupt-stadt eingeschlossen, in Besitz genommen. In Nanking, der ehemaligenHauptstadt des Kaiserreiches, hatte der neue Herrscher den Sitz seinerRegierung aufgeschlagen und hier seine Truppen zu einem Ansturm aufPeking zusammengezogen. Doch nicht allein der Erfolg machte diese Be-wegung so bedeutsam und interessant fr die christliche Welt, sondernvielmehr ihre auffallenden Begleiterscheinungen.
Mitten aus einem heidnischen Volk heraus und ganz frei von fremdenEinflssen, schien dieser Aufstand, soweit er beurteilt werden konnte, ein
Kreuzzug auf ausgesprochen christlichen Linien zu sein. Die Zehn Gebotebildeten das Sittengesetz dieses neuen Knigreichs. Gtzendienst in jederForm wurde schonungslos abgeschafft und die Anbetung des wahren undlebendigen Gottes eingefhrt. Der christliche Sonntag wurde als Tag derRuhe und des Gebets anerkannt und alles, was die Verbreitung des Evan-geliums hemmte, aus dem Wege gerumt.
Ich habe der Armee und dem Volk die Zehn Gebote gepredigt",schrieb der Taipingfhrer dem einzigen Missionar, den er kannte, undhabe sie beten gelehrt. Dazu erachte ich es als richtig, Dir, lterer Bruder,einen Boten zu senden, der Dir Frieden wnschen und Dich bitten soll,falls Du mich nicht meinem Schicksal berlassen willst, mit vielen Lehrernzu kommen und mir in der Verbreitung der Wahrheit zu helfen und dieTaufen zu bernehmen.
Hernach, wenn mein Unternehmen geglckt ist, werde ich die Lehreim ganzen Kaiserreich verbreiten lassen, damit alle zu dem einen Herrnzurckkehren und allein den wahren Gott anbeten. Das ist's, was meinHerz ernstlich wnscht."
Kaum weniger berraschend war seine Stellung zu den westlichenNationen. Das Opiumrauchen war streng verboten. Der Taipingfhrermachte kein Geheimnis aus seinem Vorhaben, die Opiumeinfuhr zu ver-hindern. Aber gegen Auslnder, seine christlichen Brder" von jenseitsder Meere, zeigten er und seine Anhnger eine groe Herzlichkeit.
Der groe Gott", sagten sie, ist der Vater aller Menschen, die unterdem Himmel leben. China steht unter Seiner Herrschaft und Obhut. Esgibt viele Menschen unter dem Himmel, doch sind sie alle Brder. Warumsollten wir weiter hier eine Schranke oder dort eine Mauer aufrichten?Warum weiter einander vernichten und aufreiben wollen?"
Kein Wunder, da Hudson Taylor und viele andere Glubige darinGottes Vorsehung sahen! Was Knige und Regierungen nie htten zu-stande bringen knnen, vermochte Er auf Seine eigene wunderbare Weisein krzester Zeit zu vollbringen. Doch wie gro war jetzt die Verantwor-tung der christlichen Gemeinde! Und wie unvorbereitet erwies sie sichfr diese Aufgabe!
Es ist verstndlich, da sich Hudson Taylor angesichts dieser Ereig-nisse fragte, ob es recht sei, wenn er sich durch sein Medizinstudium inder Heimat zurckhalten liee, sollte doch sein rztliches Wissen als Hilfezur Evangelisation in Gebieten dienen, die bisher unerreicht gebliebenwaren. Zu diesem Werk wute er sich gerufen, davon war er fest ber-zeugt. Ob aber die Chinesische Missionsgesellschaft zustimmen wrde,wenn er sein Studium abbrche, war eine andere Frage.
Nach ihren Regeln und Bestimmungen zu urteilen, wrden sie auf alleFlle absolute Kontrolle ber die Unternehmungen ihrer Vertreter aus-ben. Es wurde von diesen genaues Befolgen der Satzungen erwartet.Wenn die berechtigte Autoritt des Komitees bercksichtigt werden
mute, wie knnte er dann aber das Werk ausfhren, zu dem Gott ihngerufen hatte? Wenn nun einzelne Punkte ihrer Satzungen nicht mitseinem Ruf bereinstimmten?
Er schrieb schlielich an die Gesellschaft und teilte ihr seine ber-legungen bezglich seines Chirurgiestudiums mit, das diese ihm ermg-lichen wollte.
Die Regeln der Missionsgesellschaft sind vernnftig und fr die Organisationnotwendig", schrieb er an seine Mutter, doch fr mich, der ich auf ihre Kosten aus-gebildet und ihr darum verpflichtet bin, wrde es bedeuten, da ich ein Angestellterder Gesellschaft wre. Damit aber stnde ich nicht mehr unter der direkten, persn-lichen Fhrung Gottes. Als Mittelloser knnte ich mich nicht vor neun Monaten, derfestgelegten Kndigungsfrist, ehrenhaft von der Gesellschaft lsen und auch nichtsunternehmen. Zu groe Vorteile kosten mglicherweise zu viel. Das aber wre mehr,ab mein Gewissen mir erlaubt."
Doch all diese wichtigen berlegungen durften ihn in seinen tglichenPflichten nicht stren, und er vernachlssigte auch nicht die grte Pflicht,Menschen den Weg zu Christus zu zeigen. Die Ungeretteten in der Hei-mat belasteten ihn ebensosehr wie die in China.
Einer der Patienten seines Vorgesetzten war dem Trunk ergeben ge-wesen und litt nun in seinen mittleren Jahren an Greisenbrand. Sein Zu-stand war ernst und sein Ha gegen alles, was mit Religion zu tun hatte,so gro, da es hoffnungslos schien, Einflu auf ihn zu gewinnen. Darberschrieb Hudson Taylor:
Die Krankheit begann wie gewhnlich harmlos. Der Patient ahnte nicht, da erverloren war und nicht mehr lange leben wrde. Ich behandelte ihn nicht als erster;doch als er mir bergeben wurde, war ich sehr besorgt um seine Seele. Er lebte ineiner christlichen Familie. Von ihr vernahm ich, da er ein verschworener Atheist sei.Man hatte, ohne ihn zu fragen, einen Seelsorger gebeten, er mge ihn einmal be-suchen. Der war aber von dem Patienten aus dem Zimmer gewiesen worden. Auch derGemeindevikar hatte ihn besucht, aber auch ihm begegnete der Kranke abweisend, spieihm ins Gesicht und verbat sich alles Reden. Seine Gemtsart wurde mir als uerstheftig geschildert, und alles zusammengenommen schien der Fall hoffnungslos zu sein.
Als ich dann die Behandlung bernahm, betete ich viel fr den Mann, sagte ihmaber in den ersten Tagen nichts von religisen Dingen. Durch ganz besondere Sorg-falt beim Verbinden konnte ich seine Leiden erheblich lindern, und bald schien ermeine Dienste zu schtzen. Eines Tages nahm ich zitternd seine dankbare Anerkennungwahr und sagte ihm den Beweggrund meines Handelns. Ich machte ihn aufmerksamauf seine ernste Lage und darauf, da er der Gnade Gottes durch Jesus Christus be-drfe. Es kostete ihn sichtlich groe berwindung, seine Lippen geschlossen zu halten.Er drehte sich im Bett gegen die Wand und sagte kein Wort.
Ich mute stndig an den armen Menschen denken und betete tglich mehrmals frihn zu Gott, Er mge ihn durch Seinen Geist erretten, ehe Er ihn von der Welt nehme.Nach jeder Behandlung seiner Wunde sagte ich ihm einige Worte, von denen ich hoffte,der Herr wrde sie segnen. Jedesmal drehte er sich gegen die Wand, sah gelangweiltaus und antwortete nie etwas darauf. Nachdem ich dies einige Zeit erfolglos getan,sank mein Mut. Es schien, als ob ich nicht blo nichts ausrichtete, sondern ihn eher ver-stockte und damit seine Schuld Gott gegenber noch vergrerte. Eines Tages, nach-dem ich ihn verbunden und meine Hnde gewaschen hatte, wandte ich mich nicht wieblich an ihn, sondern ging zgernd auf die Tr zu und wartete dort einen Augenblick.
Es beschftigte mich das Wort: Ephraim hat sich zu den Gtzen gestellt; so la ihnhinfahren!' Ich blickte noch einmal auf meinen Patienten zurck und bemerkte seineberraschung, war es doch das erstemal, da ich ihn verlassen wollte, ohne einigeWorte fr meinen Meister zu ihm gesagt zu haben.
Nun konnte ich es nicht lnger ertragen. In Trnen ausbrechend eilte ich zu ihmzurck und sagte: ,Mein Freund, ob Sie es hren wollen oder nicht, so mu ich dochmeinem Herzen Luft machen.' Dann redete ich ernst mit ihm und sagte, wie sehr ichwnschte, mit ihm beten zu drfen. Zu meiner unaussprechlichen Freude wandte ersich nicht weg, sondern erwiderte: ,Wenn es Ihnen Befreiung bedeutet, dann tun Sie es!'
So kniete ich neben ihm nieder und betete fr ihn. Ich glaube, da Gott in jenenAugenblicken in seinem Herzen eine Umwandlung bewirkte. Von dem Tag an zeigteer sich nie mehr unwillig, wenn ich mit ihm sprach oder betete. Und schon nachwenigen Tagen nahm er Christus bewut als persnlichen Erlser an.
Der glckliche Dulder lebte nach seiner Vernderung noch einige Zeit und wurdees nie mde, von Gottes Gnade zu reden. Obgleich sein Zustand erbarmungswrdigwar, machte die Umwandlung seines Charakters und seines Benehmens die vorher soschwierige- Pflege zu einer wirklichen Freude. Oft wurde ich durch dieses Erlebnis andie Worte der Heiligen Schrift erinnert: ,Sie gehen hin und weinen und tragen edlenSamen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.' Vielleicht wrden wirfter den gewnschten Erfolg sehen, wenn ein tiefes Empfinden fr Seelen uns weinenliee. Whrend wir vielleicht die Hrte der Herzen beklagen, deren Wohl wir suchen,mag die eigene Herzenshrtigkeit und unser schwaches Verstndnis der ernsten Wirk-lichkeit ewiger Dinge der wahre Grund des Versagens sein."
Bald nach diesem Erlebnis klrte sich pltzlich Hudson Taylors Weg.Alles hatte so verworren ausgesehen, vor allem, seitdem er der Missions-gesellschaft seinen Entschlu mitgeteilt hatte, die Studien nicht fortzu-setzen. Er hatte aber ernstlich um Gottes klare Fhrung gebetet und vonganzem Herzen danach verlangt, Seinen Willen zu erkennen und zu tun.Nun kam das Licht ganz unverhofft und auf eine ganz unerwartete Weise.Gottes Zeit war gekommen, und hinter den Ereignissen stand, wie derProphet aus alter Zeit uns sagt, ein Gott, der so wohl tut denen, die aufErden wohnen" (Jes. 64,4).
In China berstrzten sich die Ereignisse. Seit der Eroberung Nan-kings im Mrz hatten die Taipings sich die mittleren und nrdlichenProvinzen unterworfen und selbst Peking besetzt. Dies konnte nur einsbedeuten: Sollte Peking sich unterwerfen, dann stnde China forthindem Evangelium offen. Diese Mglichkeit, so unermelich sie war, erwiessich als kraftvoller Antrieb zur Missionsarbeit. Uberall gab es Herzen,die fr China brannten. Es mute unbedingt etwas unternommen wer-den, und zwar sofort. So flo das Geld eine Zeitlang in die Sammel-bchsen.
Anfang Juni schrieb der Sekretr der Gesellschaft an Hudson Taylor:
17 Red Lion Square4. Juni 1853
Mein lieber Herr!
Da Sie fest entschlossen sind, nach China zu ziehen, und das Studiumabbrechen wollen, mchte ich Ihnen freundlich raten, sich ohne Zgern
auf die Ausreise vorzubereiten. Wir brauchen jetzt Mnner, die demHerrn ganz ergeben sind. Ich glaube, Ihr Herz steht richtig zu Gott, undIhre Motive sind lauter, so da nichts einer Anmeldung im Wege steht.
Ich glaube jedoch, da Sie es schwer finden werden, Ihren Plan derSelbstversorgung auszufhren, denn sogar Mr. Lobscheid konnte sichkeine freie Uberfahrt beschaffen.
Wenn Sie Freudigkeit haben, sich unserer Gesellschaft anzubieten, legeich dem Vorstand gern Ihre Anmeldung vor. Es ist ein wichtiger Schritt,der viel ernstliches Gebet erfordert. Doch wird Ihnen Weisung von obengeschenkt werden. Unternehmen Sie alles, was Sie knnen, und dies bald!
Ich bin, mein lieber Herr,Ihr
Charles Bird."
Nun berstrzten sich die Ereignisse. Schon nach wenigen Wochen er-schien ein Abschnitt in der hrenlese". Es hie darin:
Am Freitag, dem 9. September, wurde in den Rumen der Chine-sischen Evangelisationsgesellschaft eine Versammlung durchgefhrt, wo-bei Mr. James Hudson Taylor, ein nach China ausreisender Missionar,Gottes Schutz anbefohlen wurde. Mr. James Hudson Taylor wird sichauf der Dumfries1 (Kapitn A. Morris) fr Schanghai einschiffen. Die^Dumfries' wird Liverpool am 19. September verlassen."
Damit begann Hudson Taylors Lebenswerk.
ENDLICH CHINA
Die nach China bestimmte Dumfries" lag am Landungsplatz imLiverpooldock vor Anker. Es war ein kleines Segelschiff von 470 Tonnen,und weil nur ein einziger Passagier mitreiste, hatten sich nur wenigeMenschen zur Abfahrt eingefunden. Reparaturen, die bisher die Ausfahrtverhindert hatten, waren in aller Eile zu Ende gefhrt worden, und dieSchiffsmannschaft beeilte sich mit dem Verladen der Waren. Inmitten alldieses geschftigen Treibens verbrachte Hudson Taylor die letzten Augen-blicke allein mit seiner Mutter. Sollte dies wirklich die endgltige Tren-nung sein? Sie konnten es einfach nicht fassen. Seit der Entscheidung desKomitees hatten die Vorbereitungen sie so in Beschlag genommen, da siesich kaum der Tragweite dieses Schrittes bewut geworden waren. Nacheinem kurzen Besuch in Barnsley, wo Hudson sich von seinen Schwesternverabschiedet hatte, war er von den glubigen Freunden in Tottenhamund London in Abschiedsversammlungen Gott anbefohlen worden unddaraufhin nach Liverpool gereist, wo ihn seine Mutter erwartete. SeinVater und Mr. Pearse als Vertreter der Missionsgesellschaft waren eben-falls gekommen; doch weil sich die Abfahrt hinauszgerte, hatten sie nicht
lnger warten knnen. So waren Mutter und Sohn in den letzten Augen-blicken allein. Und nun stand die endgltige Trennung vor ihnen. DerBericht der Mutter lautet:
... dann betete der liebe Hudson. Nur einmal bebte seine Stimme,als er seine Lieben zum letztenmal dem himmlischen Vater anbefahl ein momentaner Kampf, und er war wieder ruhig. Er verga aber nicht,da er vor einem Leben voller Prfungen und Gefahren stand. Doch imGedanken daran betete er: ,Ich achte deren keines, halte mein Leben auchnicht selbst fr teuer, da ich vollende meinen Lauf mit Freuden und dasAmt, das ich empfangen habe vom Herrn Jesus Christus, zu bezeugen dasEvangelium von der Gnade Gottes/ Es war eine unvergeliche Stunde.
Mein schwerster Augenblick war damit gekommen. Noch ein Ab-schiedssegen, eine letzte Umarmung. Vom Ufer her streckte sich mir einegtige Hand entgegen. Ich verlie den Landungssteg, war mir aber kaumbewut, was ich tat. Jemand geleitete mich zu einem Baumstumpf, undich war froh, mich hinsetzen zu knnen; denn ich bebte am ganzenKrper.
Als die jDumfries* sich vom Ufer lste, verlor ich Hudson einenAugenblick aus den Augen. Er war in seine Kabine geeilt und hatte hastigauf die leere Seite einer Taschenbibel geschrieben: ,Die Liebe Gottes, diealle Erkenntnis bertrifft. H. T.'
Dann kehrte er zurck und warf mir das Blatt zu.
Noch ein letztes Lebewohl und die tiefen Wasser des Mersey trenntenuns endgltig. Whrend wir noch mit unsern Taschentchern winktenund der sich entfernenden jDumfries* nachblickten, stellte sich Hudsonin den vordersten Teil, stieg auf das Verdeck und schwenkte seinen Hut.Seine Gestalt wurde kleiner und undeutlicher. In wenigen Minuten ent-schwanden Passagier und Schiff unsern Blicken."
Seine eigenen Aufzeichnungen, die viel spter geschrieben wurden,zeigen, was die Trennung den Sohn gekostet hatte:
Meine geliebte Mutter war von Barnsley nach Liverpool gekommen, um von mirAbschied zu nehmen. Nie werde ich jenen Tag vergessen. Sie kam mit mir in meineKabine, die whrend der nchsten sechs Monate mein Heim bilden sollte. Leise strichsie mit ihrer Hand ber das schmale Bett. Dann setzte sie sich neben mich, und zu-sammen sangen wir unser letztes Lied vor der Trennung. Wir knieten dann nieder,und Mutter betete ihr letztes Gebet vor der Reise. Das Abfahrtszeichen mahnte uns,da wir uns trennen sollten.
Wir taten es in dem Bewutsein, wir wrden uns wohl auf dieser Erde nie mehrwiedersehen.
Um meinetwillen hielt sie ihren Schmerz, so gut sie konnte, zurck. Sie ging anLand, und ich stand auf Deck. Whrend die .Dumfries' sich langsam auf die Schleusenzu bewegte, folgte sie dem Schiff. Als wir hindurch waren und damit die Trennungendgltig vollzogen war, entfuhr der Mutter ein Angstschrei, der mich wie ein Schwert-stich durchfuhr. Niemals bis zu jenem Augenblick hatte ich begriffen, was es bedeutet:Also hat Gott die Welt geliebt.' Ich bin gewi, da meine Mutter in jener Stundemehr von Gottes Liebe zu einer verlorenen Welt verstehen lernte als je zuvor.
Wie sehr mu es Gottes Herz betrben, wenn Er mitansehen mu, wie gleich-gltig Seine Kinder einer weiten Welt gegenberstehen, fr die Sein geliebter, ein-geborener Sohn litt und starb!"
Es wurde eine lange, langweilige Reise fr den einsamen Passagier.Fnfeinhalb Monate lief die Dumfries" keinen einzigen Hafen an, undso vernahm Hudson nichts von der brigen Welt. Doch war es eine ge-sunde, beglckende Meerfahrt, nachdem die ersten schrecklichen Tagehinter ihm lagen.
Wohl selten sind ber ein kleines Segelschiff solche Gefahren herein-gebrochen wie ber die Dumfries", ehe sie die offene See erreichte. Esschien beinahe, als ob der groe Feind der Seelen, der Frst, der in derLuft herrscht und der um die Mglichkeiten wute, die in dem jungenLeben eingeschlossen lagen, sein uerstes unternahm, um es in die Tiefedes Meeres zu versenken. Zwlf Tage kreuzten sie im Kanal. Bald kamIrland und dann wieder die gefhrliche Kste von Wales in Sicht. Wh-rend der ersten Woche waren sie fast bestndig in den Klauen einesWirbelsturms, bis sie in die Bucht von Carnarvon gerieten, wo sie bis aufzwei Schiffslngen gegen die Felsen getrieben wurden und beinahe daranzerschellten. Jener mitternchtliche Kampf mit der tosenden Brandungund die erfahrene Rettung, nachdem bereits alle Hoffnung geschwundenwar, gruben sich so tief in Hudson Taylors Herz ein, da er darberberichtete:
Es waren furchterregende Stunden. Der Wind blies entsetzlich, undwir wurden erbarmungslos hin- und hergeworfen, einen Augenblick hochin die Luft und im nchsten tief hinab in den Abgrund, als mten wirim Meeresgrund versinken. Die Windseite der ,Dumfriesc schnelltefurchterregend in die Hhe, whrend die entgegengesetzte tief hinab-gedrckt wurde, so da die Wellenberge unser Schiff berschwemmten.
Als die Sonne unterging, erfllten mich tiefe Einsamkeit und Trost-losigkeit."
Eine Zeitlang blieb er angefochten und sehr besorgt". Er dachte anden Kummer, der ber seine Angehrigen kme, wenn die Dumfries"unterginge. Er sorgte sich auch um die Missionsgesellschaft, die so vielGeld fr seine Ausstattung und Reise ausgegeben hatte, aber auch umden Zustand der Schiffsmannschaft und dachte auch an die kalten Was-ser und den Todeskampf". An seiner ewigen Errettung zweifelte er keinenAugenblick. Den Tod als solchen frchtete er nicht, doch ein Sterben untersolchen Umstnden. Der Bericht lautet weiter:
Ich stieg in meine Kabine hinunter, las einige Lieder und Psalme sowie Joh. 1315und wurde dadurch so gestrkt, da ich fest einschlief und erst nach einer Stundewieder erwachte. Das Barometer war gestiegen. Ich fragte den Kapitn, ob wir wohlHolyhead umfahren knnten.
,Wenn wir nicht landwrts getrieben werden, kann es gelingen. Gott helfe uns!'
Doch wir trieben landwrts. Unsere Lage war schrecklich. Es war eine klare Nacht,der Mond unverdeckt von Wolken, so da wir die Kste sehen konnten. Ich begab
mich wieder nach unten. Wohl stieg das Barometer, doch blies der Wind noch sehrheftig. Ich schrieb meinen Namen und die Adresse meiner Eltern in Barnsley in meinTaschenbuch fr den Fall, da mein Leichnam gefunden wrde. Dann packte icheinige leichte Sachen in meinen Weidenkorb, denn ich berlegte mir, er wrde miroder einem andern helfen, das Ufer zu erreichen. Ich befahl meine Seele noch einmalmeinem himmlischen Vater an und auch alle meine Angehrigen und Freunde undbetete: ,Vater, es ist Dir alles mglich; nimm diesen Kelch von mir!' Daraufhin gingich an Deck.
Ich fragte den Kapitn, ob die Schiffe einem solchen Sturm gewachsen seien, waser verneinte. ,Knnten wir nicht lose Bretter zusammenbinden und eine Art Flobauen?'
Er meinte, dazu wrden wir keine Zeit haben, und sagte: ,Wir mssen versuchen,das Schiff zu drehen, und dazu alle Segel raffen, oder es ist alles vorbei. Die Seewird wohl alles vom Deck wegfegen, doch wir mssen den Versuch noch wagen.'
Dies war ein Augenblick, der das strkste Herz erbeben lie. Der Kapitn gabBefehl, nach auen zu wenden, doch vergebens strengten wir uns an. Dann versuchteer es nach der andern Richtung, und dies gelang mit Gottes Hilfe. Wir fuhren jedochnur zwei Schiffslngen an den Felsen vorbei. Whrend dieser Zeit schlug der Wind umzwei Punkte zu unsern Gunsten um, und wir kamen aus der Bucht heraus.
Alle unsere Anstrengungen wren umsonst gewesen, wenn der Herr uns nicht ge-holfen htte. Seine Barmherzigkeit hat kein Ende. Da doch die Menschen den Herrnfr Seine Gte preisen und Seine Wundertaten rhmen mchten!"
Als Gerettete sahen sie am Montagmorgen die Sonne mit unaussprech-licher Freude ber dem Horizont aufsteigen. Allmhlich legte sich derSturm.
Nach vielen Jahren beleuchtete Hudson Taylor dieses Erlebnis voneiner andern Seite:
Etwas verursachte mir in jener Nacht viel Kampf. Ich war noch ein junger Christund besa nicht gengend Glauben, um Gott in dieser Lage zu erkennen. Ich hattees als meine Pflicht erachtet, auf ausdrcklichen Wunsch meiner Mutter und um ihret-willen einen Schwimmgrtel mitzunehmen. Doch ich selbst fhlte, da ich Gott nichtvllig vertraute, solange ich den Grtel bei mir trug, und fand innerlich keine Ruhe,bis ich ihn, nachdem alle Hoffnung auf Rettung geschwunden war, verschenkt hatte.Daraufhin war ich ganz ruhig, band aber doch einige Sachen zusammen, die bei un-serer Strandung wahrscheinlich obenauf schwimmen wrden, und erkannte nicht, dadarin ein Widerspruch lag.
Nachdem sich der Sturm gelegt hatte, fand ich durch das Schriftstudium die Ant-wort auf diese Frage. Gott zeigte mir meinen Fehler, wohl um mich fr alle Zeitenvon hnlichen berlegungen zu befreien. Es wird in diesen Tagen, in denen falscheLehre ber Glaubensheilung so viel Unheil anrichtet, sehr hufig der Fehler gemacht,da einige Absichten Gottes miverstanden werden. Dadurch wird der Glaube vielerMenschen erschttert, und sie werden in Verwirrung gebracht. In medizinischen oderchirurgischen Fllen habe ich es nie versumt, um Gottes Fhrung und Segen bei derAnwendung geeigneter Mittel zu beten, habe auch nie das Danken fr erhrte Gebeteund Wiederherstellung der Gesundheit unterlassen. Heute scheint es mir verwegen undfalsch zu sein, den Gebrauch von Mitteln, die Er uns gibt, geringzuachten und abzu-lehnen. Es wre das gleiche, wie wenn jemand das tgliche Brot verweigerte undglaubte, Leben und Gesundheit knnten allein durch das Gebet erhalten bleiben."
In der Bucht von Biskaya entdeckte Hudson Taylor, da sich noch einChrist, ein schwedischer Schreiner, auf dem Schiff befand. Nachdem er
mit ihm verabredet hatte, da sie von nun an regelmige Versammlun-gen fr die Mannschaft durchfhren wollten, bat er den Kapitn um dieErlaubnis dazu.
Es wurden dann whrend der Reise sechzig Versammlungen gehalten.Hudson Taylor bereitete sich jedesmal grndlich darauf vor und beteteauch viel dafr. Dies bedeutete fr ihn selbst eine groe Hilfe und be-wahrte ihn vor der Niedergeschlagenheit, die eine lange Meerreise leichtzur Folge hat. Es bekmmerte ihn sehr, da im Leben dieser Seeleute nurwenig durchgreifende Wirkungen erlebt wurden. Sie zeigten wohl Inter-esse und suchten ihn zuweilen zu einer Aussprache auf, doch, obgleicheinige nicht weit vom Knigreich Gottes entfernt waren, entschied sichkeiner klar fr Jesus Christus. Dies bedeutete fr ihn eine schmerzlicheEnttuschung. Aber diese Erfahrung war notwendig, denn sie lehrte ihn,neben allen Wassern zu sen", auch wenn lange keine Frucht reift.
Zuweilen schien die Heimat in seiner Einsamkeit unendlich fern zusein. Dann wurde die Sehnsucht nach seinen Angehrigen beinahe uner-trglich.
Wie weit sind wir doch voneinander entfernt, die wir uns im vergangenen Jahrso nahe waren! Wie gut ist es, da Gott sich nicht verndert und Seine Gnade keinEnde hat! In einem Buch, das der Kapitn mir lieh, fand ich das Lied ,Die hebrischeMutter'. Nie kann ich vergessen, wie meine geliebte.... es zum letztenmal spielte.Du warst auch dabei, Mutter, als wir die Worte zusammen sangen:
Ich gebe dich meinem Gott,
dem Gott, der dich mir gab...Damals hast Du mich im Gedanken an die Trennung weinend an Dich gedrckt. MgeGott dich trsten!
Jesus ist wunderbar. Der Dienst fr Ihn bedeutet vollkommene Freiheit. SeinJoch ist leicht und Seine Last nicht schwer. Seine Freunde erleben den wahren Friedenund wirkliche Freude. Jesus ist jetzt bei mir, da ich von meinem Heim, meinenFreunden und von der Heimat getrennt bin. Er ist alles in allem und mehr als das.So sehr ich mich nach Euch sehne, ist doch Gottes Liebe strker, zwingender."
Seine Liebe zu Menschen wankte nicht in der Prfung von Schmerzund Verlust. Sie vertiefte sich, als er Auge in Auge mit den Tatsachenstand, die er nur vom Hrensagen kannte. Die Bewohner mancher Inselder Philippinen erweckten sein warmes Mitleid.
Die Reisenden hatten schon bei der Umschiffung des Kaps der GutenHoffnung Land gesichtet, dann aber sahen sie erst wieder Ksten, alssie sich der Inselregion zwischen dem Indischen und Stillen Ozean nher-ten. Es war eine wundervolle, nicht ganz gefahrlose Durchfahrt. Nach-dem sie zuerst freudig die grnen Hgel und Tler der Pelewgruppegesichtet hatten, fuhren sie fast einen Monat lang an schnen, frucht-baren, bewohnten Inseln vorbei, auf denen noch kein Botschafter JesuChristi je das Evangelium gepredigt hatte.
Welch ein Arbeitsfeld fr einen Missionar! Insel um Insel, viele fastunbekannt, manche bevlkert, doch kein Licht, kein Wissen um Jesus,
keine Hoffnung! Mein Herz sehnt sich nach ihnen. Ist es mglich, dachristliche Mnner und Frauen bequem daheim bleiben knnen und dieseSeelen verderben lassen?"
Wenn auch die Reise viel Interessantes bot, wurde sie doch langweilig,vor allem in Zeiten der Windstille in der stlichen Inselwelt. Nur eineneinzigen Monat hindurch hatten sie gnstigen Wind. Mehr als einmalaber wies das Schiffstagebuch nicht mehr als sieben Meilen in vierund-zwanzig Stunden auf. Solche Erfahrungen waren eine Prfung, die auchernste Gefahren in sich barg.
Nirgends ist man hilfloser als auf einem Segelschiff ohne Wind",schrieb Hudson Taylor darber, wenn eine Strmung es erfat undunaufhaltsam einer Kste entgegentreibt. In einem Sturm kann man esbis zu einem gewissen Grad beherrschen, doch bei Windstille mu derHerr alles tun."
In solcher Lage bedeutete ihm folgende Gebetserhrung eine groeErmutigung. Sie hatten eben die Dampierstrae verlassen, doch immernoch waren die Inseln in Sicht. Gewhnlich wehte nach Sonnenuntergangeine Brise, die bis zur Morgendmmerung anhielt und dann auch bis zumuersten ausgenutzt wurde. Tagsber lagen sie mit hngenden Segelnstill und trieben nicht selten zurck. Dabei verloren sie einen guten Teilder in der Nacht gewonnenen Strecke.
Das geschah, als wir uns in gefhrlicher Nhe von Neuguinea befanden. AmSamstagabend lagen wir noch etwa dreiig Meilen vom Land entfernt. "Whrend desSonntagnachmittaggottesdienstes, zu dem wir uns auf Deck zusammenfanden, fiel mirauf, wie besorgt der Kapitn aussah und da er oft an die Reling ging. Spter er-kundigte ich mich nach seinen Beobachtungen und erfuhr, da wir durch eine ziemlichstarke Strmung auf uns verborgene Riffe zugetrieben wrden. Wir befnden unsbereits ganz in ihrer Nhe. Nach dem Essen wurde das groe Boot herabgelassen, unddie ganze Mannschaft versuchte mit allen Krften, den Bug des Schiffes von der Ksteabzudrehen. Doch sie mhten sich umsonst.
Nachdem wir einige Zeit schweigend auf Deck gestanden hatten, sagte der Ka-pitn zu mir: ,Nun haben wir alles in unserer Macht Stehende versucht. Jetzt knnenwir nur noch den Dingen ihren Lauf lassen.'
Da kam mir ein Gedanke. Ich antwortete: ,Nein, etwas haben wir noch nichtgetan.'
,Was meinen Sie damit?'
,An Bord befinden sich vier Christen. Lassen Sie die in ihre Kabinen gehen undvom Herrn eine Brise erbitten! Er kann sie uns ebensogut jetzt und nicht erst nachSonnenuntergang senden.'
Der Kapitn willigte ein. Ich sprach noch mit den beiden andern Mnnern, undnachdem ich mit dem Schreiner zusammen gebetet hatte, suchten wir jeder unsereKabinen auf und breiteten unser Anliegen vor Gott aus. Ich verbrachte nur ganz kurzeZeit im Gebet, denn ich fhlte, da Gott antworten wrde. Deshalb konnte ich nichtweiter bitten, sondern begab mich an Deck. Der erste Offizier, ein gottloser Mann,hatte Dienst. Ich ging zu ihm und bat ihn, das Hauptsegel zu lsen.
,Was soll das ntzen?' fragte er grob.
,Wir haben von Gott einen gnstigen Wind erbeten', antwortete ich, ,er wird so-
gleich kommen, und weil wir uns schon so nahe dem Riff befinden, darf keine Minuteverlorengehen.'
Mit einem Fluch und verchtlichen Blicken meinte er, man knne lange von Windreden, er aber mchte Wind sehen. Doch whrend er noch redete, blickte er zumSegel hinauf. Und wirklich, der uere Zipfel des obersten Segels begann sich imWinde zu kruseln.
Sehen Sie nicht, wie der Wind kommt?' rief ich.
Nein, das ist nur ein leiser Windhauch.'
Windhauch oder nicht', schrie ich, bitte, lassen Sie das Hauptsegel herunter, damitwir den Wind ausnutzen!'
Das tat er dann auch eilig, und die schweren Schritte der Matrosen brachten sogarden Kapitn aus seiner Kabine heraus. Die erbetene Brise war wirklich da. In wenigenMinuten durchfurchten wir die See mit einer Geschwindigkeit von sechs bis siebenKnoten in der Stunde. Obgleich die Windstrke wechselte, wurde es nie ganz wind-still, bis die Pelewinseln hinter uns lagen.
So ermutigte mich Gott, noch ehe ich Chinas Boden betrat, jede Not vor Ihn zubringen und von Ihm zu erwarten, da Er um Jesu willen in jeder Not die erbeteneHilfe senden werde."
Ende Februar lag die Dumfries" an einem nebligen Sonntag vor An-ker und wartete auf den Lotsen, der sie sicher nach Schanghai hineinge-leiten sollte. Durch strmische Wetter in der chinesischen See war sie vomKurs abgetrieben worden. Doch nun zeigte das trbe, gelbe Wasser rings-um, da sie sich bereits in der Mndung eines groen Flusses befanden.In seine wrmsten Kleider gehllt, schritt Hudson Taylor auf Deck aufund ab. Er tat sein Bestes, sich warm zu halten und geduldig zu warten.Es war ein seltsamer Sonntag, dieser letzte auf der Dumfries". Schonseit Tagen standen seine Koffer fertig gepackt zum Verlassen des Schiffesbereit. Weil Klte und Sturm jede Arbeit unmglich machten, blieb ihmZeit zum Beten und Nachdenken.
Er schrieb: Welch eigenartige Gefhle nehmen von einem Besitz beimLanden an einer unbekannten Kste, die nun bald Arbeitsfeld und Hei-mat sein soll! Sein Wort sagt: ,Siehe, ich bin bei euch alle Tage!' ,Ich willdich nicht verlassen noch versumen/ Ich habe also nichts zu frchten,denn Jesus ist mir zur Seite. Herrliche Verheiungen!
Vielleicht sind groe Dinge geschehen, seitdem ich zuletzt von Chinahrte. Und wie werden die Nachrichten aus England lauten? Wohin sollich mich hier wenden? Wo soll ich zuerst wohnen? Diese und viele andereFragen "beschftigten mich, am meisten aber die Frage: Lebe ich Gott sonahe, wie es mglich ist?"
Im Laufe des Nachmittags sahen sie Boote nherkommen. Doch derNebel lie keine klare Sicht zu. Eins kam ganz nahe heran und wurdedann auch von der Dumfries" aus sehr aufmerksam beobachtet. Ja,weder das malerische Segel und der eigentmlich bemalte Schiffsrumpfnoch die Gesichter lieen einen Zweifel zu. Dort waren sie: zwlf odervierzehn blau gekleidete, dunkelhutige, in einer unbekannten Spracheschreiende Menschen die ersten Chinesen, die Hudson Taylor zu sehenbekam. Wie flog sein Herz ihnen entgegen! Hinter dem fremdartigen
ueren sah er den Schatz, den zu suchen er so weit hergereist kam die Seelen, fr die Jesus Sein Leben gab.
Ich sehnte mich, ihnen die Frohe Botschaft zu sagen", schrieb er.
Etwas spter kam der englische Lotse an Bord und wurde herzlichwillkommen geheien. Es bestand allerdings keine Hoffnung, noch andiesem Tag Woosung, noch weniger das fnfzehn Meilen entfernte Schang-hai zu erreichen. Doch konnte der Lotse, whrend sie darauf warteten,da der Nebel sich auflste, manches erzhlen, was sich seit ihrer Abfahrtvon England whrend der Wintermonate zugetragen hatte.
Sie hrten zum Beispiel von den Feindseligkeiten zwischen Rulandund der Trkei, die in wenigen Wochen zum Krieg fhren sollten. Dieverbndeten Flotten von England und Frankreich hatten bereits denKriegsschauplatz erreicht; nun befrchtete man, da ein Kriegsausbruchdurch nichts verhindert werden knnte. Wenn es auch schrecklich war,von Kriegswolken ber Europa zu hren, so erschreckte es sie noch vielmehr, was sie von China und vor allem ber den Hafen, wo sie vorAnker lagen und landen wollten, zu hren bekamen. Nicht nur wurdeProvinz um Provinz von den Taipingrebellen bei ihrem Vormarsch nachPeking durchtobt, sondern auch Schanghai, die Eingeborenenstadt, ebensowie die Fremdenkolonie durchlebten die Schrecken des Krieges. EineBande von Rebellen, als Rote Turbane" bekannt, hatte die Stadt besetzt,die wiederum von einer kaiserlichen Armee belagert wurde. Dies be-deutete fr die europische Siedlung eine noch grere Gefahr als dieRebellen.
Obgleich ihre berfahrt schlimm gewesen war, hatten sie doch ihr Zielvor einer Reihe anderer Schiffe erreicht, die die Februarpost bringensollten. Wahrscheinlich muten sie sich auf erhhte Preise gefat machen,da der Dollar beinahe auf das Doppelte gestiegen war und bald nochweiter steigen wrde. Wahrlich eine entmutigende Nachricht fr einen,der nur mit einem geringen Einkommen in englischer Whrung rechnenkonnte!
Das alles und noch mehr dazu erzhlte ihnen der Lotse. Sie fandengengend Zeit zu berlegungen. Auch am Montag lag noch so dichterNebel, da sie sich nicht von der Stelle wagen konnten. Als sie am Diens-tag frh den Anker lichteten, hatten sie gegen den Wind zu kmpfen underreichten Woosung nur mit Mhe. In der folgenden Nacht aber hob sichder Nebel, und der junge Missionar erblickte vom Deck aus ein flachesUfer, das sich von Norden nach Sden hinzog. Das war nun keine Inselmehr. Wie zog es ihn an Land! Seine Gebete waren erhrt, der jahre-lange Traum Wirklichkeit geworden. Endlich erblickte er unter demAbendhimmel das Land seiner Bestimmung China.
Doch erst um fnf Uhr am nchsten Tag, es war der 1. Mrz, landeteer in Schanghai, und zwar ganz allein. Die Dumfries" wurde noch immerdurch widrige Winde aufgehalten.
Meine Gefhle kann ich nicht beschreiben, die mich beim Betreten desUfers bewegten", berichtete er nach Hause. Ich meinte, das Herz mssebersten, whrend Trnen der Dankbarkeit aus meinen Augen strmten."
Dennoch mu ein Gefhl tiefer Verlassenheit ihn erfllt haben. Nir-gends ein Freund oder Bekannter! Keine einzige Hand streckte sich ihmzum Willkomm entgegen. Niemand kannte auch nur seinen Namen.
Trotz Dankbarkeit und Freude berfiel mich das Bewutsein der ungeheurenEntfernung zwischen mir und meinen Angehrigen. Ich war ein Fremdling im frem-den Land.
Drei Empfehlungsschreiben trug ich bei mir und baute besonders auf eins davon,durch das ich Rat und Hilfe zu finden hoffte. Ich wurde darin dem Empfnger durchFreunde, die auch ihm bekannt waren, empfohlen. Natrlich erkundigte ich mich so-gleich nach ihm, vernahm jedoch, da er vor ungefhr einem Monat begrabenworden war.
Betrbt ber diese Nachricht, erkundigte ich mich nach dem Missionar, dem meinzweiter Empfehlungsbrief galt. Doch ich erlebte eine weitere Enttuschung. Es hie,er sei vor kurzem nach Amerika abgereist. Es blieb nun noch der dritte Brief, dermir allerdings von einem verhltnismig Unbekannten mitgegeben worden war. Vondiesem erwartete ich weniger als von den andern. Doch ausgerechnet er sollte mir durchGottes Gte zur Hilfe werden."
Mit diesem Schreiben verlie Hudson Taylor das britische Konsulatund begab sich auf den Weg zum Gebude der Londoner Missionsgesell-schaft, das innerhalb der Fremdenkolonie lag. Von allen Seiten grtenihn seltsame Bilder, Tne und Gerche, vor allem, als die groen Huserder Reichen hinter ihm lagen und er an kleineren Geschften und Woh-nungen vorbeikam. Hier wurde nur noch Chinesisch gesprochen. Er be-gegnete auch nur noch Chinesen. Die Straen wurden enger und warendichter bevlkert. berhngende Balkone, von denen lange Schilder her-unterhingen, verdunkelten beinahe die Aussicht nach dem Himmel. Wieer seinen Weg zum Missionshaus fand, bleibt ein Rtsel. Endlich kam dieMissionskapelle in Sicht. Mit einem Seufzer der Erleichterung und tieferDankbarkeit trat Hudson Taylor durch das offenstehende Tor. Diesestrug drei chinesische Schriftzeichen, die, wie er spter vernahm, Medhurst-Familien-Anwesen" bedeuteten. Dr. Medhurst war der Verfasser desBuches China", das er als Junge in Barnsley in der Bibliothek seinesPredigers gefunden hatte und das den Wert der rztlichen Missionsarbeitbetonte. Durch dieses Buch war er dazu gefhrt worden, eine medizinischeAusbildung zu suchen.
Es lagen vor ihm verschiedene Gebude. Im ersten fragte er nach Dr.Medhurst, an den sein Schreiben gerichtet war. Schchtern und zurck-haltend von Natur, bedeutete es fr Hudson Taylor keine Kleinigkeit,sich einem so berhmten Mann vorzustellen, dem Pionier und Begrnderder protestantischen Mission in diesem Teil Chinas. Er war beinahe er-leichtert, als er vernahm, Dr. Medhurst wohne nicht mehr hier. Es schien,als sei auch dieser fr ihn unerreichbar.
Mehr konnte Hudson Taylor nicht erfahren, weil die chinesischenDiener die englische Sprache nicht beherrschten und er selbst kein "Wortihres Dialekts verstand. Es war eine sehr ungemtliche Lage. Doch endlichtrat ein Europer hinzu. Er heie Edkins und sei Missionar, erklrte er,whrend er den Ankmmling willkommen hie. Durch ihn vernahmHudson Taylor, da Medhursts nun im britischen Konsulat wohnten, dochlebe Dr. Lockhart hier. Dann entfernte er sich, um diesen zu holen.
Damals war es ein besonderes Ereignis, wenn ein Englnder und vorallem ein Missionar unangemeldet in Schanghai eintraf. Meistens kamensie mit den Postdampfern, deren Ankunft jedesmal eine allgemeine Auf-regung hervorrief. Doch jetzt wurde niemand erwartet, weil auch dieDumfries" den Hafen noch nicht erreicht hatte. So war das Erstaunenbei den brigen Missionaren der Londoner Missionsgesellschaft (LMS)gro, als sie den Fremden sahen. Hudson Taylor mute immer vonneuem erklren, wer und was er sei. Alexander Wylie jedoch machte esdem schchternen jungen Mann bald gemtlich und unterhielt ihn, bisEdkins mit Dr. Lockhart zurckkehrte.
Die Missionare verstanden bald die Lage des Neuangekommenen. Esblieb ihnen nichts anderes brig, als den jungen Mann in eins ihrer eigenenHuser aufzunehmen. Sie konnten ihn nicht ohne Obdach lassen, obwohldamals die Fremdenkolonie so bervlkert war, da weder ein Hausnoch eine Wohnung frei stand. Dr. Lockhart wohnte allein, weil seine Fraunach England hatte zurckkehren mssen. Mit aufrichtiger Freundlichkeitlud er Hudson Taylor ein, als Gast bei ihm Wohnung zu nehmen gegeneinen kleinen Beitrag zur Deckung der Mehrauslagen.
Nachdem dies geordnet war, begleitete ihn Edkins zu Mr. und Mrs.Muirhead, die ebenfalls zur LMS gehrten. Er machte ihn auch bekanntmit Mr. und Mrs. Burdon von der Church Missionary Society, die aufdemselben Grundstck ein Haus bewohnten. Diese luden den Fremdlingzum Abendessen ein. Das Ehepaar lebte erst seit einem Jahr in China undwar jungvermhlt. Beide fhlten sich sofort zu Hudson hingezogen, unddieser erwiderte ihre Freundschaft von Herzen.
Das Kaminfeuer erinnerte mich an zu Hause", schrieb er, und dasZusammensein mit den neuen Freunden war so gemtlich und alles, wassie mir erzhlten, sehr interessant und erfrischend."
So hatte Gott die vielen Gebete erhrt und Antwort auf mancheFragen geschenkt.
Am nchsten Morgen wurde Hudson Taylor durch Vogelgesang ge-weckt eine willkommene Abwechslung nach dem eintnigen Geplt-scher des Wassers an den Planken der Dumfries". Mit groer Freudebetrachtete er die knospenden Pflanzen im Garten und atmete begierigihren Duft ein.
Nach dem Frhstck ging er zum Konsulat. Er war zuerst sehr ent-tuscht, nur einen einzigen Brief vorzufinden, fr den er auch noch zwei
Shilling bezahlen mute. Dann sah er aber, da er von Mutter undSchwester kam.
Nie in meinem Leben habe ich williger zwei Shilling bezahlt als frdiesen Brief", versicherte er ihnen spter.
Endlich wurde auch die Ankunft der Dumfries" gemeldet. Mit Hilfeeiniger chinesischer Trger lie er seine Sachen zu Dr. Lockharts Haustragen. Es war ein eigenartiges Gefhl, an der Spitze einer Schar Kulisdurch die vollen Straen der Stadt zu marschieren, alle seine Habselig-keiten, von Bambusstangen, die ber ihre Schultern gelegt waren, baumelnzu sehen, und das Pu ah" der Trger, das eher nach Sthnen als Singenklang, mitanzuhren. Doch es waren keine Schmerzenslaute, obgleichsie sich so anhrten. Als er spter einige Kupfermnzen, die er fr einenmexikanischen Dollar eingewechselt hatte, unter sie verteilte, war seineerste geschftliche Erfahrung in China gemacht.
Er nahm dann an der Krankenhausandacht teil, die Dr. Medhurst andiesem Tage hielt. So hrte Hudson Taylor das Evangelium zum ersten-mal in der Sprache, mit der er bald vertraut werden sollte. Dr. Medhurstriet ihm, mit dem Studium des Mandarin zu beginnen, und suchte aucheinen Sprachlehrer fr ihn. Abends fanden sich die Missionare zur b-lichen Gebetsgemeinschaft zusammen, bei der er allen brigen Missionarenvorgestellt wurde.. So endete sein erster Tag in China voll Ermutigungund Freude mit gemeinsamem Lobpreis.
Doch noch vor dem Ende der Woche sollte er eine andere Seite desLebens in Schanghai kennenlernen. Sein Tagebuch berichtet von ncht-lichem Gewehrfeuer, von Wachen auf der nahegelegenen Stadtmauer undvon Gefechten, die er von seinem Zimmerfenster aus beobachten konnte,wobei viele Mnner gettet oder verwundet wurden. Es berichtet weitervon der Suche nach einer eigenen Behausung im Chinesenviertel derKolonie, die allerdings erfolglos verlief. Es erwhnt auch etwas berseinen ersten Kontakt mit dem Heidentum den Leidensszenen in derChinesenstadt, die sich ihm als unauslschliche Schreckensbilder einprg-ten.
Von einigen dieser Erlebnisse schrieb er zehn Tage nach seiner Ankunftan seine Schwester:
Am Samstag, dem 4. Mrz, wanderte ich ber den Markt. Nie habe ich solch eineschmutzige Stadt gesehen. Der Boden ist lehmig. Bei trockenem Wetter mag das jaganz angenehm sein, doch eine Stunde Regen verwandelt die Strae in einen derartigenBrei, da man unmglich gehen, sondern nur noch darin waten kann. Eine Woh-nung fand ich nirgends und war ganz niedergeschlagen.
Am Sonntag besuchte ich morgens eine Versammlung der LMS und ging nach-mittags mit Mr. Wylie zu einer zweiten in die Stadt. Sei froh, wenn Du noch nieeine Stadt im Belagerungszustand gesehen hast und auch noch nie auf einem Kriegs-schauplatz gewesen bist! Gott behte Dich davor! Wir gingen ein Stck an derStadtmauer entlang und sahen ganze Reihen zerstrter Huser. Es war ein trau-riger Anblick, ein einziger Schutt- und Trmmerhaufen. Dazu das Elend derer, diein dieser kalten Jahreszeit kein Obdach haben. Man darf kaum daran denken.
Endlich kamen wir an eine Leiter, die von der Mauer herabgelassen war. bersie wurden Vorrte in die Stadt befrdert. Die Soldaten erlaubten uns, die Leiterzu benutzen. Wir durchwanderten viele Straen der Chinesenstadt. Mr. Wylie sprachab und zu mit Leuten und schenkte ihnen Traktate. In den Tempeln verteilten wirsie auch an die Priester. berall schienen wir willkommen zu sein.
Als wir zum Nordtor kamen, sahen wir Hunderte von Soldaten der Rebellen-armee versammelt und stieen im Weitergehen noch auf viele andere. Sie bereiteteneinen Ausfall aus der Stadt vor. Anscheinend erwarten die kaiserlichen Belagerungs-truppen von dieser Seite her keine Gefahr.
Endlich kamen wir zur Kapelle der LMS und fanden bereits viele Menschen ver-sammelt. Dr. Medhurst predigte, und anschlieend wurden sechs Scke Reis unter dieArmen verteilt, die ohne diese Hilfe verhungern mten, denn sie knnen in diesenTagen nichts verdienen. Zertrmmerte Fensterscheiben und zerbrochene Lampen sindZeugen des Zerstrungswerks.
Als wir das Nordtor wieder erreichten, wurde dort auerhalb der Stadtmauer hef-tig gekmpft. Ein toter Mann wurde eben hereingetragen. Ein anderer war durch einenSchu in die Brust getroffen, und ein dritter, den ich untersuchte, litt entsetzlicheSchmerzen, denn eine Kugel hatte ihm verschiedene Knochen zersplittert.
Ein wenig weiter entfernt trafen wir einige Mnner, die eine kleine, soeben er-beutete Kanone mit sich fhrten, und nach ihnen kamen andere, die fnf Gefangenean ihren Zpfen nachschleppten. Die armen Burschen riefen uns klglich um Hilfe an,als sie an uns vorbeigezerrt wurden. Doch wir konnten nichts fr sie tun. Wahrschein-lich standen sie unmittelbar vor ihrer Enthauptung. Der Gedanke daran ist einfachentsetzlich."
All dies mute Hudson Taylor sehr schmerzlich mitempfunden haben,war er doch gar nicht darauf vorbereitet. Prfungen und Leiden, die mitdem Missionarsleben verbunden sind, hatte er erwartet. Hier aber waralles so ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Auer der Klte, dieer als sehr unangenehm empfand, gab es fr ihn persnlich keine beson-deren Leiden. Doch was er an Elend mitansehen mute, wenn er einenBlick durch sein Fenster tat, ging ihm sehr zu Herzen. Die Qualen, dieden Gefangenen von den Soldaten beider Armeen auferlegt wurden, weilsie von ihnen Geld erpressen wollten, und die Plnderungen nach Lebens-mitteln bedrckten ihn sehr.
Weil er fast seine ganze Zeit auf das Sprachstudium verwandte, ver-nachlssigte er das Gebet und das tgliche Schriftstudium, so da seingeistliches Leben verkmmerte. Die Kanle des Segens fr andere warenverstopft, und es dauerte eine Weile, bis er erkannte, wie notwendig esist, da diese geffnet bleiben. Der alte Feind zog daraus seinen Vorteil,wie aus seinen ersten Briefen ersichtlich ist. Er schrieb an Mr. Pearse:
Ich war nicht wenig enttuscht, keinen Brief von Ihnen vorzufinden. Ich hoffeaber sehr, er kommt mit der nchsten Post. Schanghai befindet sich in einem schlimmenZustand. Die Rebellen und Kaiserlichen kmpfen ununterbrochen. Heute wurden wirschon vor Tagesanbruch durch Kanonendonner geweckt. Das Haus erzitterte darunter,und die Fenster klirrten bedenklich.
Es lt sich hier kein einziges Haus und auch keine Wohnung finden. Was nichtvon Europern bewohnt ist, haben Kaufleute bernommen, die die Stadt wegen derUnruhen verlieen. Man sagte mir, sie bezahlten fr drei Rume dreiig Dollar imMonat und mehr. Die in der Stadt wohnenden Missionare muten diese ebenfalls ver-
lassen und sind in die Kolonie umgezogen. Htte sich Dr. Lockhart meiner nicht sofreundlich angenommen, wte ich nicht, was aus mir geworden wre. Ich wei auchjetzt nicht, was ich unternehmen soll. Es ist schwer, vorauszusagen, wie lange diegegenwrtige Lage andauert. Dr. Lockhart meint, wenn ich lngere Zeit in der Koloniebleiben mte, sollte ich ein Stck Land erwerben und ein Haus bauen.
Entschuldigen Sie bitte diesen in Hast geschriebenen Brief mit allen Fehlern! Esist so kalt, da ich kaum Feder und Papier fhle.
Hier ist jetzt alles sehr teuer, vor allem die Feuerung. Noch einmal bitte ich Sie,den Brief entschuldigen zu wollen, und bitte antworten Sie so bald wie mglich,damit ich wei, was ich tun soll!
Mge der Herr Sie segnen und Ihnen beistehen! Beten Sie bitte weiter fr mich!"Wir sollten uns alle, die wir die Liebe Jesu kennen, auch wenn alles um uns herumzerfllt, freudig Ihm hnlicher gestalten lassen. Bald werden wir uns dort sehen, wokein Leid und kein Kummer mehr sein werden. Wren wir doch bis dahin willig, unserKreuz zu tragen und Seinen Willen nicht nur zu tun, sondern ihn auch wirklich gernanzunehmen."
Eine Woche spter schrieb er an seine Eltern:
Die Klte war so gro und anderes so bedrckend, da ich zuerst garnicht wute, was ich tat oder sagte. Man mu es selbst erlebt haben, wassolch eine Entfernung von zu Hause bedeutet. Ebensowenig kann mansich vorstellen, wie es ist, wenn man die Leute nicht versteht noch vonihnen verstanden wird. Ihre ganze Erbrmlichkeit und ihr Elend sowiemeine Unfhigkeit, ihnen zu helfen oder sie auf Jesus hinzuweisen, habenmir auerordentlich zugesetzt."
In einem andern Brief berichtet er:
Ich gbe viel darum, wenn ich mit einem befreundeten Menschen beralles reden knnte. Meine Lage ist so verworren, da ich, wenn ich nichtGottes Verheiungen htte, auf die ich mich verlassen kann, nicht ausnoch ein wte. Ich frchte, mit meinem Gehalt unter den gegenwrtigenUmstnden nicht auszukommen. Knnte ich allein wohnen, wrde mirReis (Brot ist zu teuer) gengen, und dazu knnte ich den Tee ohne Milchund Zucker trinken. Doch hier geht das nicht. Nicht nur die Preise steigen,sondern auch der Dollar. Nun, Er wird sorgen."
Es mag bertrieben scheinen, so lange bei Hudsons ueren Umstn-den stehenzubleiben. Er lebte zwar im Kriegsgebiet, doch umgaben ihnSicherheit und Behaglichkeit. Dennoch schwingt ein Unterton des Leidensin seinen Briefen mit. Das ergibt sich aus einer andern Seite seines Er-lebens. Die willkommene Hilfe, die er durch Dr. Lockhart und andereMissionare der LMS erfuhr, schuf fr ihn eine peinliche Lage. Htte erdieser Mission angehrt und sich fr eine Zusammenarbeit mit ihrenGliedern vorbereitet, htte er sich nichts Besseres wnschen knnen. Dochin seiner Lage kam er sich wie ein Vogel in einem fremden Nest vor. Eskonnte ihm nicht entgehen, da seine Anwesenheit bei jeder Mahlzeit vonseinem gromtigen Gastgeber als Belastung empfunden wurde. Dr. Lock-hart und seine Mitarbeiter erwiesen ihm nichts als Freundlichkeiten, aberer wurde sich immer klarer bewut, da sie besser ausgebildet waren und
er einer unbedeutenderen Mission angehrte als sie. Auerdem unter-schieden sich seine religisen Auffassungen und seine Haltung als Missio-nar von denen der andern. Deshalb war er ihrer Kritik ausgesetzt.
Seine Missionsgesellschaft hatte ihn nach China entsandt, ehe er seinMedizinstudium beendet hatte. Dadurch bestand damals die Hoffnung,er knnte in Nanking mit den Rebellen zusammentreffen. Die allzu opti-mistischen Berichte aus China ber das Taipingunternehmen hatten dieSekretre irregefhrt. Sie hatten eine Stellung eingenommen, die von denPraktikern auf dem Missionsfeld als absurd gewertet werden mute.Hudson Taylor erkannte denn auch bald, da seine Missionsgesellschaftmit ihren Zielen und Methoden Zielscheibe des Spotts unter den Missio-naren in Schanghai war. Es war beraus demtigend, wenn The Gleaner"(Die hrenlese) Monat um Monat kritisiert und belchelt wurde, muteer doch selbst zugeben, wie sehr die Zeitschrift in vielem tatschlich Spottverdiente.
Hudson erkannte die Schwchen der Chinesischen Missionsgesellschaftebenso deutlich wie die andern Missionare, doch er respektierte viele ihrerGlieder in der Heimat, und mit einigen ihre Sekretre eingeschlossen fhlte er sich in dankbarer Liebe verbunden.
Die Gemeinschaft in geistlichen Dingen mit seinen Freunden in Totten-ham und andernorts konnte er nicht vergessen. Wenn er auch ihre Fehlerschmerzlich empfand, sehnte er sich doch sehr nach der Atmosphre desGebets, ihrer Liebe zu Gottes Wort und ihrem ernsten Ringen um Seelenzurck. In Schanghai machte sich der Einflu der Welt sogar in christ-lichen Kreisen stark bemerkbar. Durch den regen Verkehr mit Regie-rungsbeamten und Offizieren der Kanonenboote, die in Schanghai zumSchutz der Auslndersiedlung stationiert waren, stiegen die Ausgaben derMissionare, so da ihre Gehlter erhht werden muten. Hudson Taylorhatte sich das Missionarsleben so ganz anders vorgestellt.
Natrlich pate er selbst auch nicht zu der allgemeinen Ansicht bereinen Missionar. Da er gut und ernst gesinnt war, konnte jeder sehen.Doch gehrte er weder einer besonderen Denomination an, noch war ervon einer besonderen Kirche ausgesandt worden. Obwohl er das Medizin-studium nicht beendet hatte, arbeitete er auf medizinischem Gebiet. Erhatte zwar offensichtlich bung im Predigen und in der Seelsorge, dochwar er nirgends ordiniert worden. Und das Eigenartigste: Er gehrte einerMissionsgesellschaft an, die mit Mitteln wohl versehen war. Er schien aberungengend versorgt zu werden, da seine uere Erscheinung im Ver-gleich zu den andern Missionaren rmlich war.
Da Hudson Taylor dies alles immer tiefer empfand, ist nicht ver-wunderlich. Er selbst sah sich in seinen Erwartungen enttuscht undsehnte sich danach, im Inland unter dem Volke zu leben. Gern htte erseine Ausgaben eingeschrnkt und ein einfacheres Leben gewhlt, wie eres von daheim gewhnt war. Eifrig betrieb er sein Sprachstudium und
machte sich nichts aus weltlicher Anerkennung und Vergngen, sondernhtte gern geistliche Gemeinschaft mit anderen gepflegt. Mit seinem zu-gesagten Gehalt konnte er in Schanghai nicht auskommen, selbst mit demdoppelten Betrag nicht. Er war wirklich arm und kam bald in echte Ver-legenheit. Niemand htte dem Heimatkomitee diese Tatsache so erklrenknnen, da es seine Lage verstanden htte.
Er war viel allein. Die Missionare, mit denen er zusammenlebte, warenalle lter als er mit Ausnahme des jungen Ehepaares, das aber ganz inseiner Arbeit aufging. Er durfte ihre Gte nicht zu sehr in Anspruchnehmen. Deshalb konnte er mit niemandem ber seine Missionsgesell-schaft oder ber zuknftige Plne sprechen, die ihn doch so sehr beschf-tigten. Er lernte bald, darber so wenig wie mglich zu reden. Er littzwar sehr unter diesen Umstnden, aber es war gut, da er nicht ver-suchen konnte, nur von Reis und Tee zu leben oder gar auf und davonzu gehen. Wenn er sein eigener Herr und Meister gewesen wre, htte eres bestimmt getan. Doch whrend der heien Jahreszeit und in einemungewohnten Klima fortzugehen, wre ein gefhrliches Unterfangen ge-wesen. Und mehr als dies Gott verfolgte durch die ihm auferlegteGeldknappheit hhere Absichten. Er selbst sehnte sich nach Unabhngig-keit. Gott aber gefiel es, ihn in diesen Umstnden zu lassen, damit erlernen sollte, was es bedeutet, arm, schwach und von andern Menschenganz abhngig zu sein. Gottes Sohn wurde denselben Weg gefhrt. Esgibt eben Lektionen, die nur auf diesem Wege gelernt werden knnen.
Ohne solche Erfahrungen in seiner ersten Zeit in China htte er spternie mit andern so mitfhlen knnen. Er war von Natur aus sehr unab-hngig und wollte frei sein, damit nichts der Fhrung Gottes in seinemLeben hindernd im Wege stnde. Und nun fand er sich gleich am Anfangseines neuen Lebens in China auf die Groherzigkeit Fremder angewiesen.
Im Lauf des Frhlings lie sein Tagebuch mehr Zeichen von Nieder-geschlagenheit erkennen, als dem Klima zugeschrieben werden konnte.Seine ohnehin schwachen Augen entzndeten sich, und er litt viel anKopfschmerzen. Trotzdem sa er tglich durchschnittlich fnf Stundenhinter seinen chinesischen Bchern und widmete der Korrespondenz vielZeit. An Mr. Pearse schrieb er so ausfhrlich wie mglich und versuchteNachrichten zu bermitteln, die die Leser der hrenlese" interessierenmuten.
Aus diesen Briefen ist ersichtlich, wie sehr er die Eintnigkeit seinesLebens zu fhlen begann. Es gab auch wenig Interessantes zu berichten.Er mute diesen Zustand der Ermdung und Enttuschung durchleben,durch den so leicht die geistliche Brauchbarkeit und Kraft verlorengeht.
Es war Hudson Taylors gesundem Urteilsvermgen und seiner gutenErziehung zu verdanken, da er whrend dieser Monate des Sprache-lernens den erwhnten Gefahren leichter entging als mancher junge Mis-sionar.
Von frhester Kindheit an war er angeleitet worden, sich fr dieNatur zu interessieren. Seine Schmetterlinge und Insekten hatte er trotzdes beschrnkten Raumes in seinem Elternhaus sorgfltig untergebrachtund gepflegt. So fing er auch hier an, sich eine Insektensammlung anzu-legen. Im April schrieb er in sein Tagebuch:
25. April. Bestellte einen Kasten fr die Insekten. Brachte den Tagmit Lernen und Photographieren zu.
April. Wieder sehr warm. Studierte fnf Stunden Chinesisch. Littheftig an Kopfschmerzen. Fing einige Insekten, die ersten meiner Samm-lung.
April. Sechs Stunden Chinesisch. Nach dem Abendessen suchte ichnach Insekten. Hatte Mhe, wieder in die Kolonie hineinzukommen, weildie Tore bereits geschlossen waren."
Im Mai schrieb er an seine Mutter:
Heute fand ich den grten Schmetterling, den ich je gesehen habe,ein schwarzes Exemplar. Zuerst dachte ich, es sei ein Vogel, obgleich dieArt seines Fliegens mir eigentmlich vorkam. Als er sich auf einen Baumsetzte und ich das wundervolle Geschpf nher betrachtete, nahm mirseine Schnheit beinahe den Atem.
Ich beabsichtige, besondere botanische Exemplare zu sammeln. Eswachsen hier eigenartige Bume. Sie stehen voller Blten, ehe ein einzigesBlatt zu sehen ist. Unter den wildwachsenden Pflanzen finde ich viele alteFreunde wie Veilchen, Vergimeinnicht, Butterblumen, Klee, Lwenzahnund andere gewhnliche Kruter. Es gibt auch viele mir unbekannte Sor-ten. Sie sind alle sehr schn."
Auch andere Studien nahm er mit groem Eifer auf, vor allem Medi-zin und Chemie. Er wollte das in der Heimat erworbene Wissen nichtverlieren. An chinesische Klassiker verwandte er viel Zeit. Er scheintberhaupt jederzeit mit Bchern ber Geschichte und andere Wissen-schaften, auch mit Biographien beschftigt gewesen zu sein.
Vor dem Frhstck medizinische Lektre, dann beinahe sieben Stun-den Chinesisch. Nach dem Abendessen je eine Stunde Griechisch undLatein. Es ist gut, zum Abschlu des Tages eine grogedruckte Bibel lesenzu knnen. Deshalb ist mir Tante Hardys Geschenk eine groe Hilfe.Die genannten Studien sind aber notwendig. Einige klassische SprachenEuropas htte ich besser frher richtig gelernt. Wenn ich sie jetzt nichtlerne, werde ich dazu nie mehr Gelegenheit finden. Die schnsten Tages-pflichten sind jedoch die, die zu Jesus fhren Gebet, Lesen und Nach-denken ber Gottes Wort."
Trotz qulender Hitze wurde das Programm durchgefhrt. Nur ein-oder zweimal unterbrach er die Studien und reiste mit seinem FreundBurdon in die Drfer hinaus. Die Besuche lohnten sich, denn die Leuteschienen sich ber das Wiedersehen mit den Missionaren zu freuen.
Ich glaube sagen zu drfen, da ich hier jetzt einen Freund besitze",
fgte er einem Brief bei, in dem er nach einem solchen Ausflug ber einenglcklich verbrachten Abend bei diesem Ehepaar berichtete. Ich werdeihn aber nicht oft besuchen, weil ich nur einer seiner vielen Freunde binund er doch seine Frau als Gefhrtin hat. Ich selbst sehne mich sehr nacheinem Gefhrten. Tagsber bin ich mit meinem Lehrer zusammen, aberdie Abende verbringe ich meistens allein."
Whrend seines ersten Chinajahres schrieb er viele Briefe und wartetedann natrlich sehnschtig auf Antworten von daheim. Wenn kein Briefkam, war seine Enttuschung immer gro.
Er schrieb Mitte Juni an seine Mutter:
Als die letzte Post kam und ich an jenem glhend heien Tag ein-einhalb Meilen nach dem Konsulat gewandert war und beinahe zweiStunden wartete, wodurch ich das Mittagessen verpate, erlebte ich dieFreude, Briefe und Zeitschriften fr alle Missionare vorzufinden, jedochkeinen einzigen fr mich selbst. Als ich sehen mute, da wirklich nichtsfr mich dabei war, fhlte ich mich sehr elend und vermochte kaum nachHause zurckzuwandern. Dabei vernahm ich, da wir vor sechs oderacht Wochen keine weitere Post erwarten knnten."
Besonders tief empfand er eine weitere Prfung whrend dieser Som-mermonate. Seine Finanzlage hatte sich nicht gebessert. Anscheinend hattedie CEG eine falsche Vorstellung davon. Das erste Vierteljahr seit seinerAnkunft ging dem Ende entgegen, und er besa nur noch geringe Mittel.Bald wrde er Geld von der Bank abheben mssen, weil er bereits zu vielausgegeben hatte. Wenn es so weiterging, mute sein Jahresgehalt auf-gebraucht sein, ehe das erste Halbjahr vergangen war. Was aber wrdedas Komitee dazu sagen?
Mit ngstlicher Sorgfalt erklrte er Mr. Pearse jede Einzelheit seinerAusgaben. Es war die erste Abrechnung. Aus ihr war klar zu ersehen, wiesehr er darauf bedacht war, sorgfltig mit dem ihm anvertrauten Geldumzugehen.
Ich bin ganz niedergeschlagen", schrieb er, wenn ich denke, wie vieldie Gesellschaft fr mich ausgibt, und wie wenig Brauchbares ich dafrleiste."
Ausgerechnet in dieser Zeit kam auf Umwegen eine wichtige Nachrichtzu ihm, die seine Verlegenheit auf den Hhepunkt trieb. Die Gesellschafthatte einen weiteren Missionar nach Schanghai abgeordnet, einen Fami-lienvater. Dr. Parker, ein schottischer Arzt, war bereits unterwegs undwrde bald eintreffen. Unter andern Umstnden wre er ber diese Nach-richt beraus glcklich gewesen, in der gegenwrtigen Lage entmutigtesie ihn. Selbst von der Freigebigkeit anderer abhngig, sollte er nun nochfr ein Ehepaar mit drei Kindern eine Unterkunft vorbereiten. Kaumwagte er den Missionaren davon zu sagen. Doch ob er schwieg oder nicht,bald schon mute die,Neuigkeit das Gesprchsthema der Niederlassungsein.
Besorgt wartete er auf Briefe von seiner Mission, die seine Lage klrenwrden. Nachdem er ber seine Verhltnisse so genau nach London be-richtet hatte, konnte er bestimmt mit einer Nachricht rechnen, wie er sichdiesem Zuwachs gegenber verhalten sollte. Eine Post nach der andernkam, ohne da etwas von Dr. Parkers Kommen erwhnt wurde. Auchwiederholte Bitten und Anweisungen blieben unbeantwortet. Weil derSommer aber schon bald zu Ende ging, sah sich Hudson Taylor gezwun-gen, nach eigenem Ermessen zu handeln.
Unterdessen fehlte es nicht an Bemerkungen und Fragen, die die Lagenoch erschwerten.
Stimmt es, da ein Arzt mit Familie nach Schanghai kommt? Wannhaben Sie davon gehrt? Warum haben Sie uns nichts davon gesagt?Haben Sie schon Land gekauft? Warum haben Sie noch nicht zu bauenbegonnen?" Und so weiter. Auf keine dieser Fragen konnte er befriedi-gende Antworten geben.
Je lnger er ber die Lage nachsann, desto deutlicher erkannte er, dafr den Augenblick nichts anderes zu tun brigblieb, als im Chinesen-viertel der Niederlassung ein chinesisches Haus zu suchen, in dem er diebald eintreffenden Missionare unterbringen konnte. Trotz der herrschen-den Hitze begab er sich ohne die bliche Snfte auf die ermdende Suche.Seit seiner Ankunft in China vor vier oder fnf Monaten hatte er sich umeine Unterkunft bemht, ohne einen einzigen Raum zu finden. Er wresicher verzweifelt, htte er nicht aus dieser persnlichen Hilflosigkeitkostbare Lektionen gelernt und die Kraft des Allmchtigen erfahren.
Wie du weit", schrieb er im Juli, wurde ich seit meiner Ankunftber alle Maen bedrngt. Doch Gottes Gte kennt kein Ende. In denletzten Tagen habe ich Seine Liebe so kstlich erlebt. Einige Verheiungenschienen persnlich fr mich geschrieben zu sein und haben auch unmi-verstndlich zu mir geredet. Ich glaube bestimmt, da liebe Freunde mei-ner besonders im Gebet gedacht haben. Dafr bin ich wirklich von Herzendankbar."
BAUEN IN SCHWERER ZEIT1854
Es war beinahe zu schn, um wahr zu sein, als Hudson Taylor nurzwei Tage nach Absendung seines Briefes etwas von zu Hause vernahm.Dazu befand er sich, noch ehe der Monat zu Ende ging, im Besitze einerWohnung, die fr ihn und seine erwarteten Kollegen gro genug schien.Es war zwar nur ein bauflliges, chinesisches Holzhaus, aber es lag sehrgnstig inmitten der Bevlkerung nahe dem Nordtor der Chinesenstadt.
Allerdings war es nicht so leicht mit dem Mieten dieses Gebudes vorsich gegangen, wie aus der Erzhlung zu schlieen wre. Es waren vielemhevolle Verhandlungen notwendig, die zudem noch durch einen Dol-
metscher gefhrt werden muten. Die lange Verzgerung vergrerteseine Schuld gegenber den Freunden der LMS. Als endlich der Mietver-trag abgeschlossen und mit Siegel versehen war, gab es immer noch man-ches zu erledigen. Er schrieb darber:
Mein Haus hat zwlf Rume, viele Tren und Gnge, da und dortnoch einen Vorbau. Alles ist mit Schmutz, Schutt und Staub bedeckt. Wo-zu die angebauten Rume vorhanden sind, ist mir nicht klar. Es gibtderen nicht weniger als sechsunddreiig. Ich werde jedoch keinen einzigenbenutzen und habe bereits einige Tren zunageln lassen. Es mag einemChinesen angenehm sein, so viele Ein- und Ausgnge zu haben; mir aberpat das im Augenblick nicht. Ich will versuchen, das Haus durch zweiTore von all den angebauten Winkeln abzutrennen."
Mit chinesischen Handwerkern hatte er aber noch keine Erfahrungengemacht und sie deshalb unbeaufsichtigt arbeiten lassen. An einem heienAugusttag trieb er einige Mnner zum Aufrumen des Gebudes auf. Inder Frhe des nchsten Tages kam er und bemerkte, wie seine Mnnervergngt einigen Ziegelbrennern bei ihrer Arbeit zuschauten und gar nichtdaran dachten, an ihre Arbeit zu gehen. Nachdem er ihnen diese zuge-wiesen hatte, verlie er sie, um sich nach einer Kiste umzusehen, die eraus Hongkong erwartete. Bei seiner Rckkehr nach einer Stunde fand erzu seiner berraschung den einen Arbeiter schreibend, den zweiten rau-chend und den dritten schlafend. Auch beim dritten Nachsehen schienimmer noch nichts getan zu sein.
So trug ich eben Schreibmappe und Stuhl in den Hof hinunter",schrieb er am gleichen Nachmittag, und blieb in der Nhe. Dennoch ver-fielen sie immer wieder in Trgheit. Sagte ich zum Beispiel: ,Dies mugrndlich sauber gemacht werden*, so hrte ich eine Weile Wassergeplt-scher, und dann blieb wieder alles still. Ging ich nachsehen, dann waren sieganz erstaunt, wenn ich sagte, sie htten ja nur die Auenseite gereinigt.,Ach, du willst die Sache in- und auswendig geputzt haben?' antwortetensie darauf. Zuerst mag es lustig sein; allmhlich wird die Sache aber er-mdend, weil die Arbeit auf diese Weise ungetan bleibt."
Dies war immerhin der leichteste Teil seines neuen Lebens im eigenenHaus. Die unausweichlichen Auslagen bedrckten ihn sehr.
Um das Geld fr eine Snfte zu sparen", schrieb er an seine Mutter,bin ich in der Mittagshitze daheimgeblieben und nur am Abend ausge-gangen. Aber dringende Krankheitsflle lieen mich eine derartige Spar-samkeit aufgeben. Manchmal seufze ich wie einst David: ,Es drstet meineSeele nach dir, mein Fleisch verlangt nach dir in einem trockenen unddrren Lande.' Aber das ist nicht das Letzte. Ich erfahre auch wieder, wie,der Herr meine Macht und mein Heil' ist.
Obgleich oft niedergeschlagen, bin ich doch an dem Ort, wo der Herrmich haben will, und bin das, was Er von mir will wenn mir auch nochmehr Christushnlichkeit und besondere Sprachkenntnisse fehlen."
Noch ernster als die Frage der vermehrten Auslagen war die Gefahr,die der Standort seines Hauses in sich barg. Er verlie ja nicht nur dieKolonie, um ganz unter den Chinesen zu leben, sondern zog auch in dieNhe des kaiserlichen Lagers und in die Reichweite der Kanonen beiderParteien. Er kannte die Gefahr, hatte aber nichts anderes finden knnen,und die Zeit war gekommen, da er etwas unternehmen mute.
Ich bin dankbar, da mein Weg auf allen Seiten von Zunen um-geben ist", schrieb er, da mir keine andere Wahl bleibt. Jetzt muetwas geschehen, und solltet ihr hren, ich sei verletzt oder gettet wor-den, dann trauert nicht, sondern dankt Gott, da Er mir erlaubte, hiereinige Bibeln und Traktate zu verteilen und in gebrochenem Chinesischeinige Worte von Jesus zu sagen, der Sein Leben fr mich gab!"
Am 30. August verabschiedete sich Hudson Taylor von seinem freund-lichen Gastgeber, der ihm fr sechs Monate ein Heim geboten hatte, undsiedelte in die Chinesenstadt ber. In der Einsamkeit begann seine Seelesich wieder zu weiten. Es schien ihm, als ob die lngst vergangenen Tagein Drainside hier ihre Fortsetzung fnden. Wie damals lebte er einfachund versagte sich manches. Ein klareres geistliches Erleben schien die Be-lohnung dafr zu sein.
Es war nun September. Ungefhr vor einem Jahr hatte er Heim undHeimat verlassen. Nun durfte er endlich fr die in seiner Umgebunglebenden Menschen etwas tun. Sein Lehrer war ein ernster Christ, dem erdie Morgen- und Abendandachten bertragen konnte. So blieb ihm selbstmehr Zeit fr Krankenbehandlungen, Besuche und Haushaltarbeiten.Lehrer Shi erwies sich bald als unentbehrliche Hilfe, und durch ihn lerntesein Schler in kurzer Zeit sowohl gewhlte Ausdrcke und hfliche Wen-dungen als auch sorgfltig berlegte Stze zur Erklrung des Evange-liums. Sonntags gingen sie zusammen auf die dichtbevlkerten Straenund predigten dort. Durch die Apotheke gewannen sie viele Freunde, undals sie spter noch eine Buben- und Mdchenschule erffneten, fehlte esihnen wirklich nicht an Arbeit. Bald mute der Lehrer seine ganze Zeitdiesen Aufgaben widmen und ein anderer fr den Sprachunterricht ange-stellt werden. Da nun die Arbeit geteilt war und diese zu seiner Freudebestndig zunahm, begann Hudson endlich etwas von den Freuden desMissionslebens zu kosten.
In dieser Zeit schrieb er einen Brief an seine Eltern, der einen Einblickin sein Leben gibt.
Schanghai, Nordtor, 20. September 1854
Meine Lieben Vater und Mutter!
Ob meine Briefe Euch vielleicht ermden oder nicht, so mu ich sie einfach schrei-ben, und ich hoffe, da der heutige Euch willkommen ist, weil er Euch von dererfolgreichen Haussuche berichtet. Und ich tue jetzt etwas, wenn auch nur wenig! Ichkann Euch versichern, da ich wenig Zeit im Bett verbringe... denn ich suche esgewhnlich erst auf, wenn ich nicht lnger wach bleiben kann.
Neulich machte ich mit Mr. Edkins und dem jungen amerikanischen Missionar
Quaterman einen interessanten Ausflug nach Woosung. Wir mieteten ein Boot undkamen dort mit vielen Schriften beladen um die Mittagszeit an. Diese verteilten wirauf vielen Dschunken, die nach Norden segelten. Kapitne und andere Leute ver-sprachen uns, die Bcher und Traktate lesen und in den Hfen verteilen zu wollen,die sie anliefen.
Als wir abends froh von unserm Ausflug zurckkehrten, war es nicht so leicht, durchdie kaiserliche Flotte hindurchzukommen. Nach Einbruch der Dunkelheit schssen sieohne groe Vorsicht, und wir standen in Gefahr, als Rebellen behandelt zu werden.Mr. Edkins schlug vor, wir sollten im Vorbeifahren singen, dann wrden sie merken,da wir Auslnder seien. Dieser Rat leuchtete uns ein; nur hatten wir uns bereitstagsber heiser gesungen.
Nachdem wir unsere Anordnungen getroffen hatten, nherten wir uns einigenSchiffen, die wir fr die Flotte hielten, und sangen tchtig drauflos. Wir freuten unsbereits unseres Erfolges, als uns der Bootsmann zurief, wir sollten von neuem be-ginnen, denn jetzt erst wrden die Schiffe der wirklichen Flotte vor uns auftauchen.Aus Leibeskrften setzten wir wieder ein und sangen: .Weit du, wieviel Sternleinstehen'. Unglcklicherweise waren wir damit zu Ende, als wir uns eben dem grtenSchiff nherten. .Schnell noch eins', rief Mr. Edkins, denn bereits ertnte die Alarm-glocke auf dem Kriegsschiff, ,singt doch weiter!' Er begann dann etwas mir Un-bekanntes zu singen, Quaterman stimmte ein anderes Lied an, und ich begleitete ihnmit dem, was mir gerade einfiel. Die Mannschaft auf dem fremden Schiff schriefrchterlich und unsere Bootsleute noch mehr. Dies alles ergab eine solch komischeSituation, da ich in lautes Lachen ausbrach, obwohl die Gelegenheit dafr uerstunpassend war.
,Wer da?' wurde uns von dem kaiserlichen Schiff her zugerufen.
,Peh-kuei!' (Weie Teufel) schrien unsere Bootsleute zurck, whrend wir selbst,Ta Ing-kue' (Groe englische Nation) und ,Hua Chu-kuei' (Blumiges Flaggenland)dazwischenriefen.
Nach einigen weiteren Fragen wurde uns die Durchfahrt erlaubt, worauf meineGefhrten die Bootsleute wegen ihres Ausdrucks ,Weie Teufel' tadelten. Die armenLeute, die um ihren Taglohn bangten, erklrten, sie htten in ihrer Angst nicht mehrgewut, was sie sagen sollten, und wollten gewi in Zukunft keine solchen Ausdrckemehr gebrauchen.
Meine Augen, die Lampe und das Papier sagen mir, da ich schlieen sollte. Dochdarf ich nicht vergessen, Euch zu erzhlen, wie krzlich ein Mann aus Sungliang mireinige seltene Grillen in einem Glasbehlter brachte. Ich gebe ihnen tglich zweifrischgekochte Reiskrner. Wegen ihres Zirpens, das ganz anders tnt als englischerGrillengesang, werde ich sie behalten. Es hrt sich schn an.
Und nun gute Nacht oder, genauer gesagt, guten Morgen! Ich bleibe, meine liebenEltern, Euer anhnglicher Sohn
J. Hudson Taylor."
Mitten in die Freude hinein mischten sich neue Mhsale. Es kam zuStreitigkeiten unter den Mitarbeitern und Nachbarn, Sorgen um denKoch, der an Typhus erkrankt war, Enttuschungen ber den neuenLehrer, der entlassen werden mute, groe Entmutigungen im Blick aufFortschritte in der Beherrschung der Sprache und wiederholte Krank-heitsflle, die sich nachteilig auf Hudsons Gemtsleben auswirkten. Dazukamen noch Unruhen in der Nachbarschaft, die schwer zu ertragen waren.
Seit einigen Tagen wird wieder heftiger gekmpft", schrieb er MitteSeptember, und die Rebellen sammeln sich am Straenende. Einige
Kanonenkugeln sind neben meinem Haus vorbeigepfiffen. Man kann dasZischen kaum vergessen, wenn man es einmal gehrt hat."
Zu all diesen Nten kamen noch die Geldsorgen. Er war gezwungen,sein Gehalt zu berschreiten, damit er seinen Lebensunterhalt bestreitenkonnte, und hatte bereits einen Gutschein eingelst, der fr eine Notlagebestimmt war. Das kostete ihn manche schlaflose Nacht.
Im Rckblick auf jenen September schrieb er:
Wenn ich auch nie in meinem Leben einen schwierigeren Monat erlebthabe, so habe ich doch auch nie die Gegenwart Gottes so deutlich gesprtwie in diesen Tagen. Ich beginne, mich der Ruhe im Herrn und SeinerVerheiungen zu freuen, die Er einst in Hull in meinem Leben wahr zumachen begann. Es waren die kstlichsten Erfahrungen, und doch, ver-glichen mit der Gegenwart wie wenig wute ich davon! Spter bin ichinnerlich etwas zurckgegangen, aber Er hat mich wieder zurckgebracht.Weil es jedoch darin keinen Stillstand gibt, hoffe ich, die Tiefe und Hhe,Lnge und Breite der gttlichen Liebe immer besser zu erfassen. MgeGott es mir um Jesu willen schenken!"
Sieht man die Briefe aus jener Zeit durch, ist man vor allem vonHudson Taylors Eifer beeindruckt, der sich in seinen Gebeten zeigt. Eslohnt sich, darber nachzusinnen, ob nicht eher unsere Gebete als dieueren Umstnde unser Leben formen und ob nicht unsere ueren Er-fahrungen dem tiefsten Verlangen entsprechen, das wir im Gebet vorGott bringen. Gewi ist nichts in Hudson Taylors Leben bezeichnenderals das Verlangen nach mehr Fruchtbarkeit und grerer hnlichkeit mitseinem geliebten Herrn. Nicht Ehre oder Erfolge, sondern Fruchtbarkeit,weitreichende Fruchtbarkeit", darum betete er.
Und seine Gebete sollten ber Bitten und Verstehen erhrt werden.Doch mute er noch zielbewuter beten lernen und alle Erziehungswegeseines Meisters durchlaufen. Das Eisen mute zu Stahl gehrtet und seinHerz fester, aber auch weicher gemacht werden durch mehr Liebe undLeiden in der Gemeinschaft mit Christus. Er selbst und niemand anderskonnte ahnen, da er in China einen Weg bahnen wrde fr Hunderte,die ihm spter folgten. Jede Brde mute er tragen, durch jede Erfahrungmute er selbst hindurchgehen. Er, der von Gott gebraucht werden sollte,ungezhlte Trnen anderer zu trocknen, mute zuerst selbst weinen ler-nen. Er, der Tausende zu einem Leben kindlichen Vertrauens ermutigensollte, mute an sich selbst die tiefen Lektionen der Frsorge des liebendenVaters lernen. So durften sich die Schwierigkeiten vor allem in der erstenZeit um ihn herum hufen. Und die Eindrdce dieser Zeit prgten sichihm tief ein.
Wie oft mute er in spteren Jahren jungen Missionaren helfen undraten! Es ist deshalb nicht verwunderlich, da viele seiner Anfangs-schwierigkeiten in der unbeabsichtigten Nachlssigkeit des heimatlichenKomitees auf dem Gebiet der Versorgung lagen. Er mute lernen, wie er
handeln und nicht handeln sollte an denen, die einst in menschlichen Be-langen von ihm abhngig sein wrden. Das war eine Lektion von aller-grter Wichtigkeit und grundlegend fr sein zuknftiges Werk. Daherdie Not mit seinem festgelegten Einkommen und den groen, unbestimm-ten Anforderungen. Daher die Unregelmigkeit im Blick auf Postsen-dungen, wodurch seine Briefe so lange unbeantwortet blieben. Darum diewechselvollen Gelegenheiten zum Dienst auf dem Missionsfeld und dielangatmige Beschlufassung des Heimatkomitees. Er tat sein Bestes, unddie unerfahrenen Heimatsekretre taten es auch. Doch irgend etwas fehlte.Das sollte Hudson Taylor entdecken und spter in seinem Werk berck-sichtigen. Das heie Eisen mute in seine Seele eindringen, doch aus demAusharren und Durchhalten sollten spter viele andere Erleichterungfinden.
Schanghai, Nordtor, den 17. Oktober 1854
Meine lieben Eltern!
Ihr -wollt alles ber meine Geldangelegenheiten und anderes wissen; darum legeich dem Brief eine Abschrift meiner Ausgabenliste bei, und mit gleicher Post geht dasOriginal an Mr. Pearse ab. Wie Ihr seht, bersteigen die Ausgaben die erlaubte Summeweit. Ich werde im Laufe dieses Jahres, vielleicht schon diesen Monat, aber noch mehrvon der Bank abheben mssen, bin jedoch nicht sicher, ob man das in der Heimatannehmen wird. Die Gesellschaft stellt mir vierzig Pfund im Quartal zur Verfgung.Wenn die hiesige Bank wte, da ich vor kurzem einen Beschlu meines Komiteeserhalten habe, worin mir erklrt wird, sie knnten keine hheren Forderungen an-nehmen, wrde mir nichts mehr ausbezahlt.
Ihr drft euch nicht wundern, wenn die Sorgen um die Ausgaben, vereint mitmeiner gegenwrtigen Lage, beinahe zu viel fr mich wurden. Ich fhlte mich wh-rend zwei Wochen sehr elend. Heute geht es besser.
Alles, die chinesischen wie die auslndischen Waren, ist in diesen Tagen teuer inSchanghai. Denkt doch, ich habe in sieben Monaten mehr als hundert Pfund aus-gegeben! Ist diese Summe nicht erschreckend? Hundert Pfund im Jahr werden meineAuslagen kaum decken, wenn nicht der Kurs fllt und anderes dazu. Die CMS gibtihren verheirateten Missionaren siebenhundert Pfund, bezahlt die Miete, Arztrechnun-gen und gewhrt eine ausreichende Summe fr den chinesischen Lehrer und die Bcher.
Samstag, 21. Oktober. Heute ist es sehr kalt. Es geht mir besser als Anfang derWoche, jedoch nicht gut. Glcklicherweise habe ich aus zweiter Hand einen Ofenkaufen knnen, in dem Holz verbrannt werden kann. Ein neuer htte das Doppelteoder mehr gekostet. Nun bleiben mir blo noch zwlf Dollar, nachdem alles be-zahlt ist. Was soll ich nur tun? Bald werde ich wieder Geld abheben mssen. Auchwenn die Bank mir das Gewnschte ausbezahlte, wte ich immer noch nicht, ob dieMission damit einverstanden wre. Und wre sie es nicht, dann wte ich nicht mehrweiter. Ich denke Tag und Nacht darber nach und wei nicht, was ich tun soll.
Letzten Mittwoch weckte mich morgens um drei Uhr ein Brand. Er schien ganznahe zu sein. Ich kleidete mich schnell an und stieg auf das Dach, um nachzusehen, obdas Feuer sich uns nhere. Chinesische Holzhuser wie dieses brennen bei Wind sehrschnell herunter. Es war ein angstvoller Augenblick. In der Dunkelheit schien es, alswrde es nur vier oder fnf Huser weiter brennen. Als ich ernstlich um Bewahrungbetete, begann es zu regnen. Der Wind legte sich, wofr ich uert dankbar war.Langsam erlosch das Feuer.
Niemals in meinem Leben habe ich eine solch schwere Zeit durchgemacht. Aberes war alles ntig, und ich wei, es wurde mir zum Segen. Vielleicht mu ich hier
pltzlich weg. Doch was auch geschehen mag: Ich bedaure es nicht, in dieses Hausgezogen zu sein. Ich wrde es unter hnlichen Umstnden wieder tun. Aber unsereGesellschaft mu fr ihre Missionare besser sorgen. So kann es nicht weitergehen.
Ich mu jetzt schlieen im Vertrauen, da der Herr, der mir in meiner Not sokostbar ist, Euch ebenfalls nahe ist.
Euer Euch liebender Sohn J. Hudson Taylor."
Der Beschlu des Heimatkomitees, wonach Rechnungen, die den Be-trag von vierzig Pfund im Quartal bersteigen sollten, nicht bernommenwrden, schmerzte wie eine Wunde, die noch von einer Seite zugefgtwurde, von der Verstndnis erwartet werden konnte. In einem Brief anMr. Pearse uerte er sich folgendermaen:
Im Blick auf den Beschlu vom 29. Juni 1854 meine ich, das Komiteesollte seine Sekretre nicht derartig binden. Ihre Missionare sind in einLand ausgesandt, das sich im Kriegszustand befindet, wo sie buchstblichnicht wissen, was der nchste Tag oder die nchste Stunde ber sie bringt.Auf alle Flle sollten Rechnungen, die die bestimmte Summe bersteigen,nicht abgelehnt werden, ehe die Grnde bekannt sind. Ich brauche nichtmehr darber zu sagen. Ihr Herz ist so sehr in diesem Werk wie dasmeinige, und ich wei, da Sie diese Bemerkungen entschuldigen, wennSie bedenken, da eine halbe Welt uns trennt."
Scharfe Herbstwinde und Regen zeigten einen bitterkalten Winter an.Durch die unzhligen Ritzen und Spalten pfiff der Wind erbarmungslosdurch das nicht heizbare Haus. Im Sommer hatten seine zwei Decken unddie von daheim mitgebrachten Kleider gengt. Jetzt aber befanden sie sichin einem solch erbrmlichen Zustand, da er sich schmte, neben anderenEuropern gesehen zu werden. Und doch wagte er nicht mehr auszugeben,als er zum Leben dringend bentigte. Seine Verlegenheit wurde dadurchnoch vermehrt, da das so mhsam erworbene Haus fr die erwarteteFamilie Parker vllig ungeeignet war. Er konnte sie nicht einmal eineNacht darin beherbergen.
Drei Wochen spter schrieb er wieder an den Sekretr der Mission:
Es wird jetzt in unserer Nhe so viel geschossen, da ich selten eine halbe Nachtdurchschlafen kann. Was Dr. Parker und seine Familie tun sollen, ist mir vllig unklar.Hier knnen sie nicht einziehen, das steht fest. Die bestndige Angst um sie und mich,dazu die unvermeidlichen Auslagen, ist keine angenehme Zugabe zu den Schwierig-keiten der Sprache und des Klimas.
Wir haben noch nichts gehrt von der ,Swiftsure', doch kann sie bestimmt nochnicht erwartet werden. Ich werde sehr dankbar sein, wenn ich mit Dr. Parker nachseinem Eintreffen ber unsere Zukunft reden kann.
Beten Sie fr mich, denn ich bin ber alle Maen belastet und wte nicht, wasich tun sollte, wenn nicht Gottes Wort und das Bewutsein Seiner Gegenwart immerkostbarer wrden."
Doch der Herr dachte an Hudson. Er hatte Seinen schwergeprftenKnecht nicht vergessen. Als sich die Swiftsure" mit Familie Parker anBord nach ihrer langen, gefahrvollen Fahrt endlich der chinesischen Kstenherte, hatte der Herr eine Wohnung fr sie zubereitet. Gott war nicht
an das Haus an der Nordtorstrae gebunden wie Hudson Taylor. Als Ersah, da Sein Knecht die gestellten Lektionen gelernt hatte, ffnete Erden Weg zu einem besser beschtzten Heim.
Auf dem Grundstck der LMS wurde durch ein groes Leid ein kleinesHaus frei, das im Vergleich zu Hudson Taylors Rumen einem behtetenkleinen Hafen glich. Dort hatte er Mr. und Mrs. Burdon in ihrem erstenglcklichen Ehejahr kennengelernt, sich mit ihnen ber das Geschenk ihresersten Kindchens gefreut und einige Monate spter mitgetrauert, als daskleine Mdchen mutterlos zurckblieb. Er stand Burdon bei, als diesersein kleines Tchterchen einer anderen Familie zur Pflege bergebenmute. So hatte das kleine Haus viel Leid mitangesehen. Nun stand esleer, als die Zustnde in der Chinesenstadt unertrglich wurden. Manbenachrichtigte Hudson Taylor und sagte ihm, er knne das Haus sogleichbeziehen, wenn er es haben wolle. So bezahlte er die Miete aus seinenbescheidenen Mitteln und sicherte damit der erwarteten Familie ein Heim.
Man bat ihn dann aber, die Hlfte des Hauses einem anderen Missio-nar zu berlassen, der sich ebenfalls in einer verzweifelten Lage befandund nicht wute, wo er seine Frau und Kinder unterbringen sollte. Ob-wohl das Haus fr zwei Familien reichlich klein war, bedeutete es frHudson Taylor eine Erleichterung, die Miete mit einem anderen teilenund damit noch jemandem helfen zu knnen. Mit tiefem Bedauern ent-lie er seine Schler und nahm Abschied von den Nachbarn und dem Ortseiner ersten direkten Missionsttigkeit. Am 25. November, einem Sams-tag, kehrte er auf das ihm so wohlbekannte Gelnde der LMS zurck undwohnte dort wieder mit andern Missionsleuten zusammen.
Zwei Tage spter suchte er noch einmal sein Haus am Nordtor aufund packte den Rest seiner Habe zusammen. Da wurde er durch eineNachricht von Dr. Lockhart zurckgerufen. Was das wohl bedeutete? Ereilte zurck und fand den Doktor mit einem freundlich aussehendenFremden am Mittagstisch. Es war sein erwarteter Kollege Dr; Parker.Nun blieb Hudson Taylor keine Zeit mehr zu berlegen, was er alleshatte vorbereiten wollen und wie verwundert die neuen Freunde ber dieEnge ihrer Behausung sein muten. Fr sie alle mit dem kleinen, whrendder Seereise noch geborenen Kindchen erwiesen sich die drei Rume nochenger, als er bereits befrchtet hatte. Krftige, vernnftige Schotten wiedie Parkers nahmen die Sache allerdings nicht tragisch. Sie richteten sichso gut wie mglich ein. Fr Hudson Taylor aber war es schmerzlich, dieUnzulnglichkeit seiner Vorbereitungen erleben zu mssen.
Seine eigene Wohnungsausstattung bestand aus einem chinesischenBett, zwei oder drei viereckigen Tischen und einem halben DutzendSthlen und mute vorerst fr sie alle gengen. Es folgten sehr schwierigeTage. Ob sie diese je vergessen wrden? Zu dem unvermeidlichen Durch-einander, das der Einzug der neuen Freunde mit sich brachte, kamen nochBesuche der Gemeindeglieder, die alle die Neuangekommenen begren
wollten. Hudson Taylors Bekannte sparten dabei nicht mit Bemerkungenber seine scheinbare Nachlssigkeit. Da er sich die chinesische Lebens-weise angewhnt und keine Bequemlichkeit fr sich selbst gesucht hatte,fanden sie richtig, meinten aber, er drfe nicht dasselbe von andern Mis-sionaren erwarten. Warum hatte er die Rume nicht ordentlich ausge-stattet und fr warme Teppiche gesorgt? Warum keine Vorhnge auf-hngen lassen? Wute er denn nicht, da kleine Kinder vor der bitterenKlte geschtzt werden muten? Hatte er wirklich keine fen, keinBrennmaterial besorgt? Hatte denn Dr. Parker ihm nicht geschrieben,da sie bei ihrer Ankunft im November warme Kleider und Bettzeugbrauchen wrden? Und wie sollten sie ohne Schrnke, Schubladen undBchergestelle ihre Sachen unterbringen?
Das alles stimmte und konnte nicht widerlegt werden. Doch wie htteer seinen Missionaren sagen knnen, da ihm nach Bezahlung der erstenMiete nur noch einige Dollar zur Deckung von Auslagen briggebliebenwaren?
Hudson Taylor hatte erwartet, da Dr. Parker vollstndig ausgerstetankommen wrde; nun aber besa auch er nichts auer etwas Geld.Dr. Parker hatte geglaubt, in Schanghai den Wechsel vorzufinden, derschon vor seiner Abreise aus England abgeschickt werden sollte. In derHeimat hatte man Dr. Parker keine Anweisungen ber seine Arbeit undauch keinen Hinweis gegeben, wie er sein Gehalt bekommen wrde.Wahrscheinlich waren alle der Meinung gewesen, Hudson Taylor htteschon alles geregelt. Nun aber stellte sich heraus, da der Wechsel vonden Heimatsekretren vergessen oder bersehen worden war. Glck-licherweise konnten sie in den nchsten Tagen Post erwarten.
Vorerst waren die neu angekommenen Missionare dankbar fr dasWenige, das Hudson Taylor fr sie vorbereitet hatte. Sie legten ihre letz-ten Dollars zusammen und beschafften damit das Notwendigste, vorallem warme Kleider fr die Kinder.
Schlielich kam die Post. Dabei fanden sich Briefe der Sekretre, diemit dem 15. September datiert und demnach drei Monate nach Dr. Par-kers Abreise geschrieben worden waren. Sie enthielten jedoch keine Ein-lagen. War der Wechsel vielleicht direkt an die Bank geschickt worden?Nein, auch davon war nichts erwhnt. Dr. Parker konnte sich das Aus-bleiben des Wechsels nicht erklren. Hudson Taylor hatte darin schonseine Erfahrungen gemacht und wunderte sich nicht. Er stimmte Dr. Par-kers Vorschlag zu, die Bank aufzusuchen und sich dort beraten zu lassen,hatte aber wenig Hoffnung auf Erfolg. Dr. Parker dagegen war ber-zeugt, da damit alle Schwierigkeiten beseitigt werden wrden, undmachte sich in Begleitung Hudson Taylors frohen Mutes auf den Wegzur Bank. Hudson Taylor hatte schon frher mit dem Direktor diesesInstituts verhandelt, und obgleich er ihn verschiedentlich als Freund inder Not kennengelernt hatte, konnte er doch einige seiner ironischen Be-
merkungen nicht vergessen, wie: Die Wirtschaft oder ist es eine Mi-wirtschaft? Ihrer Gesellschaft lt sehr zu wnschen brig." Nurzgernd stellte er darum Dr. Parker vor und erkundigte sich, ob vielleichtGeld fr sie berwiesen worden wre.Nein, es ist nichts da."
Sollte es denn mglich sein", fragte Dr. Parker, da Sie von derMissionsgesellschaft keinerlei Anweisungen erhalten haben, ber wievielGeld ich verfgen darf?"
Das ist nach allen bisherigen Erfahrungen durchaus mglich", ant-wortete der Gefragte. Als er jedoch bemerkte, welchen Eindruck seineWorte hinterlieen, wurde er teilnehmend.
Die Lage war demtigend und schmerzte die Missionare, weil einFremder davon Kenntnis bekam. Htte er ihnen nicht im Vertrauen aufihre Redlichkeit Geld vorgestreckt, wren sie wirklich ratlos gewesen.Doch sein Entgegenkommen damals und auch noch spter war GottesAntwort auf ihre Gebete. Er sorgte fr sie, bis endlich nach Monaten derWechsel eintraf.
Dr. Parker verlor keine Worte ber die Sache, empfand jedoch dieEnttuschung tief, und dies um so mehr, als er bald die verlockende Mg-lichkeit erkannte, die ihm als Arzt in China winkte. Mit Leichtigkeithtte er sich und den Seinen einen Lebensunterhalt schaffen knnen, wenner sich von der Mission losgesagt htte. Doch trotz Armut und vieler Ent-behrungen, die den ganzen Winter bis in den Sommer hinein andauerten,gingen sie ihren Weg in gelassener Selbstverleugnung.
Vom ersten Sonntag nach seiner Ankunft an begleitete er HudsonTaylor regelmig auf seinen Gngen in die Stadt oder die Drfer zurEvangelisationsarbeit und beteiligte sich auch an greren Ausflgen indie Umgebung. Dabei verteilten sie Traktate, behandelten Kranke, wh-rend andere Missionare, die die Sprache besser beherrschten, predigten.Daheim in den berfllten Rumen widmete er sich mit groem Eiferdem Sprachstudium. Einigermaen Ruhe fand er dazu allein in HudsonTaylors Zimmer, das allerdings neben dem Kinderzimmer lag.
Nur wer es selbst erlebt hat, kann verstehen, was das fr Leib und Seele bedeutet",schrieb Hudson Taylor. Solch enges Beisammensein ist derartig aufregend und machtso reizbar, da wir Eure Gebete dringend ntig haben. Wir beten ernstlich um Geduld.
Es ist wirklich Gottes Gnade, die uns in groer Klarheit zeigt, da auch wir dieMerkmale einer gefallenen Natur an uns tragen. Das weckt in uns ein um so tieferesVerlangen nach jenem Tage, an dem wir unseren Meister sehen und in Sein Bildumgestaltet sein werden. Dem Herrn sei Dank, es ist fr uns eine Ruhe vorhanden!Ich bin immer so schnell dabei zu ermden und wnsche in selbstsicherer Weise beiIhm zu sein, anstatt danach Verlangen zu haben, Seinen Willen zu tun, auf SeineZeit zu warten, den Fustapfen Jesu zu folgen und so zu vollenden, was Er mir zutun auftrgt. Das Werk der Gnade scheint tatschlich in meinem Herzen erst be-gonnen zu haben. Ich war eine unfruchtbare Rebe und bedarf deshalb einer grnd-lichen Beschneidung. Mchten doch diese gegenwrtigen Prfungen Segen hervor-bringen und mich dadurch brauchbarer machen in Seinem heiligen Dienst!"
In einem andern Ton wurde der erste Brief an Mr. Pearse nach Dr.Parkers Ankunft geschrieben. Zu den eigenen Schwierigkeiten, ber dieer Bericht erstatten mute, kam der Kummer ber unkluge Bemerkungenin der hrenlese", die von den Missionaren der LMS als Beleidigungenempfunden werden muten. Diese Leute", so drckte er sich aus, derenAuffassungen sich in manchen von unsern unterscheiden, haben sich be-sorgter um Unterkunft und Unterhalt fr uns Missionare erwiesen als Sie,die Sie uns ausgesandt haben." Er schrieb dann weiter:
Bitte erachten Sie es nicht als respektwidrig, wenn ich mich offen ausspreche! ;Denn obgleich ich selbst diese Dinge empfinde, und das sehr tief, wrde ich fr meinePerson darber schweigen. Es handelt sich aber hier um die Sache anderer Menschenund um den Ruf unserer Missionsgesellschaft. Ich darf nicht lnger schweigen, daich sonst unwahrhaftig werde. Wie die Gesellschaft sich Dr. Parker gegenber ver-hielt, ist nicht nur unrecht, sondern auch uerst gedankenlos. Bedenken Sie doch,da rzte in China durch eine eigene Praxis leicht ihren Unterhalt vervierfachenknnen gegenber dem Einkommen, das die Mission ihnen zugebilligt hat. Sie werdennicht weiter im Dienst der Mission bleiben, wenn nicht fr sie gesorgt wird. Ich sagedas allerdings nicht im Auftrag Dr. Parkers, der ein hingebender Missionar zu seinscheint und mich in der Arbeit sehr ermutigt.
Ich mchte noch bemerken, da auch ich in Versuchung geriet, nebenher eine Stelleanzunehmen, die mir ein Einkommen von zweihundert Pfund im Jahr gesichert undnur eine zweistndige Arbeit am Abend erfordert htte. Dieses Angebot fiel in dieZeit, in der ich hundertzwanzig Pfund Miete zahlen mute und in der die Missionanordnete, da ich fr jede berschreitung meines Wechsels die Verantwortung selbstzu tragen htte.
Dr. Parker traf vor einer Woche hier ein und war voller Dank fr die Bewahrun-gen in vielen Gefahren der Reise. Er fand jedoch unsern Hausteil beinahe leer, dennmeine wenigen Habseligkeiten knnen nicht als Wohnungsausstattung gewertet werden.Die Missionare der LMS sparten nicht mit Tadel, als sie die scheinbare Vernach-lssigung der Vorbereitungen zum Einzug der Familie Parker entdeckten. Htte ichihnen denn sagen sollen, da mir nach Bezahlung der Miete fast nichts blieb, als einekleine Summe von einigen Dollar, die in der gegenwrtigen Teuerung nicht einmalden Unterhalt fr eine Woche deckt?
Glcklicherweise besa Dr. Parker noch etwas Geld, von dem allerdings beimWechseln zwanzig bis dreiig Prozent verlorengingen. Er war nicht wenig erstaunt,da Mr. Birds Brief keinen Wechsel und auch kein Wort darber enthielt. Als icherfuhr, er habe auch keinen mitgebracht, war ich nicht weniger erstaunt.
Wir beide empfinden fr viele Mitglieder der Gesellschaft die wrmste Freundschaftund herzlichste Verehrung, vor allem fr die Sekretre, aber wir mssen leider fest-stellen, da die Gesellschaft in diesem Falle nicht korrekt gehandelt hat."
Trotz aller Schwierigkeiten arbeiteten sie tapfer weiter. An den Sonn-tagen verbrachten sie manche Stunde unter dem Volk und verwandtenim brigen viel Zeit auf das Sprachstudium. Es war beinahe unmglich,sich auf das Lernen zu konzentrieren, denn die Verhltnisse in ihrer Um-gebung waren erschtternd. Hunderte starben an Hunger und Klte. Esbestand keine Hoffnung auf Besserung der Lage, solange nicht die eineoder andere Partei einen entscheidenden Sieg erringen konnte.
Die Rebellen gaben nicht nach, obwohl die Franzosen trotz des Ver-sprechens der Neutralitt mehr und mehr Partei gegen sie nahmen. Eine
franzsische Fregatte und ein Dampfer, die vor der Stadt vor Ankerlagen, schnitten die Lebensmittelzufuhr von der Seeseite her ab, whrendnach der Landseite hin die Mauer von Franzosen so bewacht wurde, daauch von dieser Seite nichts in die Stadt hereinkam. Es stellte sich all-mhlich heraus, da das zum Teil auf eine jesuitische Anordnung zurck-zufhren war, die die regierende Dynastie zu sttzen suchte. Denn dieTaipingrebellen und andere Freischrler waren nicht nur jeder Form vonGtzendienst feind, sondern auch der Bilderverehrung der rmischenPriester sowie der zunehmenden Gewohnheit des Opiumrauchens. Sollteihr langer und verzweifelter Kampf von Erfolg gekrnt sein, wrde baldmit diesem und manchem anderen grndlich aufgerumt werden. Dieswute der Vatikan wie auch der Hof von St. James in England. Deshalbuntersttzten zuerst die Franzosen und spter auch die Englnder diekaiserliche Sache. Das Auftreten der Franzosen war der Anfang der euro-pischen Einmischung in Schanghai, die schlielich zur Unterdrckungdes Taipingaufstands fhrte.
Schon zur Zeit vor Dr. Parkers Ankunft erregte das Dazwischentretender Franzosen den Ha der Rebellenpartei, deren Haltung gefhrlichwurde. Die den Rebellen freundlich gesinnten Chinesen innerhalb und inder Umgebung der Fremdenkolonie planten nun, sich an der ganzen euro-pischen Gemeinschaft zu rchen. Das gefhrdete jedes evangelistischeUnternehmen und htte leicht als Entschuldigung fr einen weniger eifri-gen Einsatz dienen knnen. Doch daran dachte keiner der Missionare, dieauf dem Grundstck der LMS wohnten. Dr. Medhurst und seine Kollegenreisten weiter ins Inland und zu Evangelisationen in der Umgebung vonSchanghai, whrend Dr. Parker und Hudson Taylor zusammen manchenBesuch sogar auf Stdte und Drfer ausdehnten, die fnfzehn bis fnf-undzwanzig Kilometer entfernt waren. Sie fuhren den Hwangpu ab-wrts und suchten auf allen Schiffen, die kleine Nebenflsse und Kanlebefuhren, nach ernsten, intelligenten Menschen, die Bibeln und Traktateverteilen konnten. So gaben sie im Dezember viele Hundert Neue Testa-mente und Evangelien sowie eine groe Menge Traktate aus.
Diese wurden vorsichtig verteilt", schrieb Hudson Taylor dem Komi-tee, und zwar meistens an Mnner, die wir kannten und von denen wirwuten, da sie lesen konnten. Eine beachtliche Menge gaben wir Dschun-ken mit, die in den Norden fuhren."
Noch vor Jahresende bekam Hudson Taylor Gelegenheit zu wirk-samerer Arbeit. Mr. Edkins lud ihn zu einer Reise nach Kashing-fu,einem wichtigen, reichen Industriezentrum im Inland, ein. Diese trat eram Samstag, dem 16. Dezember, an. Es war seine erste grere Evange-lisationsreise ins Innere Chinas.
ERSTE EVANGELISATIONSREISEN
18541855
Gab es etwas Interessanteres als eine Nacht auf einem chinesischenHausboot mit einem einzigen Segel? Eine volle Woche sollte die Dschunkeihr Heim sein. Sie war inmitten einer Menge anderer Boote verankert.Endlich befand er sich unter dem Volk, was er sich schon so lange undoft gewnscht hatte. Die Besatzung jedes Bootes bildete die Familie desEigentmers. Darum wohl begleiteten frhliche Stimmen die Vorberei-tungen zum Abendbrot. Das Auslaufen vor Tagesanbruch erforderte einfrhes Zubettgehen. Schon bald hrte der junge Missionar auer demsanften Pltschern der Wellen an der Bordwand nur noch den Gong desNachtwchters vom Ufer herber. Mit dem Wechsel von Ebbe und Flutum Mitternacht begann es auf den Booten lebendig zu werden. Es wurdendie Anker gelichtet, die Segel gehit, und langsam geriet auch ihreDschunke in Fahrt. Aber davon merkten die beiden Missionare nichts.Sie schliefen ruhig weiter, so da sie sich beim Erwachen bereits fnfund-sechzig Kilometer sdlich von Schanghai in der Nhe der Bezirkshaupt-stadt in Sungkiang befanden.
Hier sah Hudson Taylor zum erstenmal eine Buddhisteneinsiedelei.Die beiden Missionare standen in einem Tempelhof, in dem sich einegroe Menschenmenge zusammengefunden hatte, die die Religions-lehrer" in westlichen Kleidern bestaunte und ihrer Predigt lauschte. DieseAuslnder verteilten sogar Bcher! Erst als alle ausgegeben waren, mach-ten sich die beiden Freunde zum Weitergehen bereit. Einige der Buddhi-stenmnche traten zu ihnen und luden sie zum Ausruhen im Kloster undzum Besuch des Heiligen" ein. Umgeben von den kurzgeschorenen Prie-stern lieen sie sich zu der Zelle geleiten, in der ein armer Frommer schonjahrelang eingemauert lebte. Der einzige Zugang zu ihm war eine schmaleMauerlcke, die beim Bauen offengelassen wurde und durch die er kaumseine Hand strecken konnte. Edkins redete ihn in seinem Dialekt an, undbeide Freunde beteten dann, da doch die Botschaft des Evangeliumsseiner Seele Licht und Errettung schenken mchte.
In derselben Stadt sollten sie noch etwas ganz anderes erleben: Voneiner lrmenden Volksmenge begleitet, suchten sie wieder zu ihren Bootenzu gelangen. Sie wandten sich in eine Seitenstrae, die zum Landungs-platz fhrte. Zu ihrer Bestrzung bemerkten sie, da diese zu einer pri-vaten, durch einige Tore verriegelten Werft fhrte, was sie vorher nichtgesehen hatten. Die Rckkehr auf dem gleichen Wege war unmglich,denn eine erregte Menge versperrte ihn. Die Leute schwangen sich auf dieTore und Gelnder und beobachteten jede Bewegung der Fremden. IhreLage war alles andere als angenehm. Doch die Missionare blickten aufihren Herrn und beteten um einen Ausweg.
Es lagen gengend Boote in der Nhe", berichtete Hudson Taylor,keins jedoch wollte uns aufnehmen. Zur Belustigung der Menge riefenwir einige vergeblich an. Zuletzt fate ich mir ein Herz, sprang einfachin ein Boot, das eben vorbeifuhr, und zog dieses heran, damit Mr. Edkinsfolgen konnte. Als sich die Leute auf solche Weise berlistet sahen, lieensie uns gewhren, und wir trieben zum groen Verdru unserer Peinigerruhig fluabwrts. Dann aber rissen sie die Tore auf und strebten mitgroem Geschrei dem Flu zu."
Nachdem die Missionare noch eine Anzahl Schriften verteilt hatten,verlieen sie in der gleichen Nacht die Stadt. Dabei standen sie an einerStraenbiegung pltzlich vor einer riesigen Pagode. Grau und drohendstieg der Kolo vor ihnen in die Hhe, der neunhundert Jahre lang derRuhm Sungkiangs gewesen war. Der wachhabende Priester lie sie ein-treten. Die beiden Missionare empfanden die Stille der Pagode und denAusblick auf die Stadt von einer Galerie dicht unter der Spitze als uerstwohltuend. Lange blickten sie schweigend auf die unzhligen Wohnstt-ten zu ihren Fen. In der Ferne zog sich die uralte Mauer hin, undzeltartige Dcher reihten sich im Glanz der untergehenden Sonne endlosaneinander. Doch dies war nur das Zentrum. Rings um die Stadt reihtensich, soweit sie sehen konnten, auf der Ebene Dorf an Dorf, Weiler anWeiler, und in der Ferne zeigten Pagoden und Tempel weitere Stdte an,die sie ebenfalls erreichen wollten. Hudson Taylor hatte nie zuvor einensolchen Blick auf das Land tun knnen. Das Vorhandensein einer unfa-bar groen Bevlkerung Chinas bekam fr ihn in dieser Stunde eine neueBedeutung.
Bei ihrer Rckkehr nach Schanghai standen Dr. Parker und er vonneuem vor einer uerst schwierigen Geldverlegenheit. Noch immerwute keiner etwas von den angekndigten Kreditscheinen. Nachrichtenber neue Missionare der LMS, die sich fr die Ausreise nach Chinarsteten, erinnerten sie daran, da sie die von ihnen bewohnten Rumebald abgeben muten. In mehreren Briefen an das Heimatkomitee er-whnten sie diese dringende Angelegenheit und gaben ihre Arbeitsplnebekannt.
Sie hielten ein Dauerzentrum als Hauptquartier fr unbedingt not-wendig und wollten es ohne Aufschub beschaffen. Von den fnf Vertrags-hfen, die den Auslndern zur Niederlassung offen standen, pate nachihrer Ansicht keiner so gut wie Schanghai. Von dort aus konnten vielewichtige Stdte erreicht werden. Es hatte im Blick auf Mittelchina diestrategisch beste Lage.
Diese Entscheidung erforderte allerdings eine gewisse Angleichung andie Methoden und Ausstattung anderer Missionen, was nicht einfachbersehen werden konnte. Danach bentigten sie, so bescheiden sie auchalles planten, immerhin ein Haus fr Arzt und Schule neben einem Kran-kenhausgebude und einer Poliklinik. Von diesem Zentrum aus sollten
die umliegenden Drfer mit Zweigschulen und Polikliniken versehen undregelmig von den Missionaren besucht und so Mittelpunkt christlicherTtigkeit werden.
Ohne Zweifel waren diese Plne einleuchtend und der Preis von tau-send Pfund fr den Landkauf und den Bau der Huser nicht zu hochgeschtzt. Der Plan grndete sich jedoch nur auf menschliche ber-legungen, die in diesem Fall irrefhrten. Sie htten ihren eigentlichen, vonGott bestimmten Lebenszweck verfehlt, wenn ihre Plne vom Komiteegutgeheien worden wren.
Hudson Taylor erkannte damals den Anspruch der UnerreichtenChinas noch nicht klar, obgleich er bereits an zwei verschiedenen Dialek-ten arbeitete und auch eine Schule fhrte. Auf seiner ersten Evangelisa-tionsreise hatte er miterlebt und gesehen, wie Evangelisationsarbeit getanwerden mute. Zog und lockte ihn diese so unwiderstehlich, oder war esnoch etwas Tieferes, Bedeutungsvolleres?
Er begab sich wieder im Boot auf die Reise, diesmal ohne Begleitungeines zweiten Missionars. Einige Kilometer sdlich von Schanghai er-reichte er einen Nebenflu, der aus einer Gegend kam, die wohl noch nievon einem Auslnder besucht worden war. Sie lag zwischen dem Huangpuund der Kste und wurde von vielen Schmugglern bewohnt. Bis tief indie Nacht hinein fuhr Hudson Taylor stromauf und fhlte sich in derGegenwart Gottes sicher.
Das Erwachen am andern Morgen mute allerdings recht unangenehmgewesen sein, fand er doch das Boot zwischen hohen, schneebedecktenUfern eingefroren. Das Wasser war mit einer dicken Eisschicht bedeckt,die mhsam aufgebrochen werden mute. Er kam mit seinen chinesischenHelfern nur langsam voran. Schlielich begab sich der Missionar miteinem Diener, der die Bcher trug, an Land und wanderte von Ort zuOrt. Seine Sprache, Kleidung und sein Auftreten weckten berall grtesInteresse. Gro war auch das Verlangen nach seinen schn eingebundenenBchern.
Er besuchte zwei Bezirksstdte und einen Marktflecken. Beim Durch-blttern des Tagebuchs fllt vor allem auf, mit welcher Grndlichkeit erdie Arbeit tat. In Huangsha zum Beispiel besuchte er jede Strae derStadt und der Vororte. Diesmal konnte er sich nicht auf die Sprachkennt-nisse eines Begleiters verlassen. So predigte er in gebrochenem Chinesisch,denn die Leute muten unbedingt das Evangelium hren, war es dochdas erste und einzige Mal, da sie es vernehmen konnten. Er rechnete mitGottes Hilfe und predigte die Botschaft mit den wenigen Worten, die erbeherrschte. Die Abende verbrachte er auf dem Boot und behandelteKranke, wobei diese natrlich auch die Frohe Botschaft zu hren bekamen.
Erst am Freitag kehrte er wieder nach Schanghai zurck und widmetesich dann einer Sache, die ihm schon lange auf dem Herzen lag.
Vor wenigen Wochen waren drei ihm bekannte Mnner um Mitter-
nacht aus ihren Betten gerissen und als Rebellen dem Stadtvorsteher ber-geben worden. Hudson Taylor hatte sofort Schritte zu ihrer Befreiungunternommen. Doch obwohl den Mnnern versichert wurde, sie wrdenbald wieder auf freien Fu gesetzt, da nichts an Beweisen gegen sie vor-lag, hatte man sie doch von einem Gefngnis ins andere geschleppt. Manwollte die durch Hunger und Folter Geschwchten zwingen, Verbrechenzuzugeben, die sie nicht begangen hatten. Immer wieder verwendete ersich fr sie. Alles Bemhen schien aber umsonst zu sein, solange die Hoff-nung bestand, von ihnen Geld erpressen zu knnen. Als nun HudsonTaylor erfrischt von seiner Reise zurckkehrte, unternahm er einen letz-ten Befreiungsversuch, der auch gelang. Die Mnner kehrten dankbar undvoller Freude zu ihren Familien zurck. Verglichen mit all den Schrecken,die viele Tausende durchlebten, war es nur eine kleine Hilfe, wenn auchdie Leiden von drei Mnnern ein Ende gefunden hatten.
Schanghai befand sich in einer schlimmeren Lage denn je, wenn diesberhaupt noch mglich war. Nachdem die kaiserlichen Truppen mehr alsein Jahr vergeblich gekmpft hatten, schien der Sieg sich endlich auf ihreSeite zu neigen. Einem groen Heer war es gelungen, von der Landseiteher jede Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden. Hunger und Krank-heiten rafften viele Menschen dahin.
Inmitten all dieser Unruhe arbeitete Hudson Taylor einen weiterenReiseplan aus. Diesmal reiste er in Begleitung anderer Missionare. NachWesten vorrckend scheint die Gruppe bis zum Soochowsee gekommenzu sein. Von einer Anhhe aus bemerkten sie eine groe Feuersbrunst.Das mute Schanghai sein, wo sie ihre Familien und Freunde zurckge-lassen hatten. Sofort traten sie die Rckreise an.
Ihre Sorge verschrfte sich, als Rebellensoldaten bei ihnen Schutzsuchten. Wie aber sollten sie, die schutzlosen Missionare, ihnen solchengewhren knnen? Es dauerte auch nicht lange, bis die armen Burschengefangengenommen und vor ihren Augen enthauptet wurden. Traurigsetzten die Missionare ihre Reise fort und begegneten bald deutlichenSpuren der angerichteten Katastrophe. Als sie die Chinesenstadt durch-querten, konnten sie nur ihre Augen von den Schreckensszenen auf allenSeiten abwenden.
In Schanghai ist die Ruhe wieder eingekehrt", schrieb Hudson Tayloram 4. Mai, doch es ist ein Grabesfriede. Wenigstens zweitausend Mannsind umgekommen, und die Qualen, die manche der Opfer vor ihremTode erdulden muten, sind nur den schlimmsten Greueln der Inquisitionzu vergleichen. Die Stadt ist ein einziger Trmmerhaufen. Von der Sd-bis zur Nordpforte sind allein auf einer Straenseite SechsundsechzigKpfe und mehrere Leichname von den blutdrstigen Kaiserlichen zurSchau gestellt. Darunter sahen wir solche von weihaarigen Greisen, aberauch von Frauen und Kindern."
So endete die Belagerung, die schon begonnen hatte, bevor Hudson
Taylor China erreichte. Befreit von der Not dieses schrecklichen Winters,rsteten sich die Missionare zu weiterer Arbeit. Bald wrde aus denRuinen ein neues Schanghai erstehen. Jetzt hie es, sofort Land anzu-kaufen. Schulen sollten erweitert, Predigthallen und Krankenhuser er-baut werden. Die Mission sollte als Baumeister einer neuen Zeit in denvordersten Reihen ihren Platz haben.
Drei Monate waren vergangen, seitdem Hudson Taylor und seineKollegen ihre Plne dem Heimatkomitee vorgelegt hatten. Die Antwortlautete nicht gerade ermutigend. Eine letzte Entscheidung war jedoch nochnicht getroffen. Es wurde immer schwieriger, in der Ungewiheit ver-harren zu mssen. Der amerikanische Missionar, der mit ihnen das Hausteilte, hatte bereits mit dem Bau eines eigenen begonnen. Dr. ParkersWechsel stand immer noch aus. Die Missionsgesellschaft schien ihre Geld-schwierigkeiten ganz vergessen zu haben.
Doch auch die treusten Missionare sind schlielich Menschen. Es mach-ten sich damals in Hudson Taylor Gedanken breit, die kaum mit seinemeinfachen Vertrauen auf Gott vereinbar waren, wie aus seinen Briefenzu ersehen ist. Im Mrz schrieb er an seine Eltern:
Fr Euch wird in Barnsley eine schne Kapelle gebaut. Ich wnschte, irgendeinbegterter Freund schickte uns tausend Pfund zum Bau eines Krankenhauses, einerSchule und anderer Gebude, denn wir leben in den drei Zimmern, die uns zur Ver-fgung stehen, in erstickender Enge. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir die heieZeit berstehen sollen.
Wir haben der Mission unsern wohlausgearbeiteten Plan geschickt. Sollte sie ihnablehnen, werden wir gezwungen sein, ihn mit eigenen Hilfsmitteln und auf eigeneVerantwortung auszufhren. Wre sie dafr, was allerdings mit ihrem Grundsatzunvereinbar wre, wonach in den Vertragshfen keine Arbeit aufgebaut werdensollte, dann mte sie diesen Grundsatz streichen. Wenn sie tatschlich nicht einverstan-den ist und wir keine besseren Arbeitsmglichkeiten finden, dann stellt sich uns dieFrage, was wir aufgeben sollen die Gesellschaft oder unsere Plne.
Diese Plne haben wir jedoch mit aller Vorsicht im Bewutsein der Leitung durchunsern gegenwrtigen Herrn geformt. Wir mssen und wollen unter allen Umstndenbrauchbare Diener sein, wozu der Herr uns segnen mge.
Knntet Ihr nicht irgendwo einen Bazar durchfhren, um uns dadurch die Mittelzum Ankauf von Grund und Boden, zum Bau der notwendigen Gebude zu ver-schaffen? Gewi knntet Ihr einige Damen dafr interessieren. Die bentigte Summe isteigentlich recht gering. Durch einige grere Gaben knnte die ganze Sache in dieWege geleitet werden."
Gott erlaubte Hudson Taylor aber nicht, Pflichten auf sich zu nehmen,die sein ganzes Lebenswerk verhindert htten. Es lagen vor ihm zweiWege der eine fhrte zu einem verhltnismig ruhigen Leben inner-halb der Vertragshfen, der andere in die Ferne, in unerreichte Gebiete.Er wollte zunchst nicht mehr lnger auf die Entscheidung warten, son-dern bereitete eine weitere Evangelisationsreise vor. Der Aufstand laghinter ihnen, Dr. Parker brauchte unbedingt eine Unterbrechung in sei-nem Sprachstudium, ihr Boot lag ungentzt in der Bucht sollten sie
nicht jetzt die gnstige Gelegenheit zu einer Predigtreise, verbunden mitrztlicher Arbeit, nutzen?
Sie verlieen Schanghai und reisten nord- und westwrts nach derHauptstadt Kiating. Dort machten sie wieder eine neue Erfahrung. Siewaren bisher an groe, erregte Menschenscharen gewhnt, so da sie nichtverstehen konnten, warum diesmal Erwachsene und Kinder bei ihrembloen Anblick erschreckt flohen. So sahen sie beim Nherkommen kaumeinen Menschen. Niemand schien sich in ihre Nhe zu wagen. Alle rann-ten in die am nchsten gelegenen Gebude, als suchten sie Schutz vorgroer Gefahr.
Diese vernunftwidrige Furcht durch phantastische Gerchte berAuslnder geweckt war so gro, da sie wohl ohne ihren Dienst anKranken keine Aufnahme gefunden htten. Offensichtlich besuchten sieals erste Auslnder diese Stadt. So stellten sie sich als rzte vor zurBehandlung uerer und innerer Beschwerden". Am folgenden Tag soll-ten alle Kranken unentgeltlich behandelt werden. Dies schien die starkeAbneigung zu berwinden. Whrend die Missionare durch die Straenund um die Stadtmauer herumzogen, wurden sie immer wieder alssan-ren" (heilige Leute) oder als hao-ren" (gute Menschen) angeredet.
Lange vor dem Frhstck drngten sich am Ufer Scharen von Kran-ken", schrieb Dr. Parker spter. Man lud uns in Huser ein, die tagszuvor vor unsern Augen verschlossen wurden."
Welch eine Wendung zugunsten der Missionare! Und dies alles einzigdurch das Verordnen von Pillen, Salben und Pulvern, die unter Gebetund echtem Mitgefhl an Kranke abgegeben wurden. Daraufhin erfuhrendie Missionare beim Gang durch die Stadt nur Freundlichkeiten. Sie ver-teilten auch viele Schriften unter die Leute, die lesen konnten.
Auf dieser Reise erkannten sie den besonderen Wert einer Apothekeals Hilfe bei der Evangelisationsarbeit. In einer bedeutenden Stadt ver-teilten die Missionare nach der Krankenbehandlung Evangeliumsteile undTraktate an einen nicht endenden Strom von Bittstellern.
In seinem Bericht ber diese Reise schreibt Hudson Taylor, er habezusammen mit Dr. Parker seit Jahresanfang dreitausend Neue Testa-mente und Bibelteile, dazu mehr als siebentausend andere Schriften undTraktate verkauft.
Die Reise, von der wir soeben zurckkehrten, lie uns die groeBedeutung der medizinischen Arbeit als Hilfe im Missionswerk klar er-kennen. Die schreiende Not nach einem Krankenhaus wurde uns deutlichvor Augen gestellt. Wre die Gelegenheit zur Pflege dagewesen, httenMenschenleben oder Krperteile gerettet und chronische Krankheiten ge-heilt werden knnen. Ich hoffe bestimmt, da jetzt gengend Geldmittelunterwegs sind, damit es spter mglich wird. Die Tr steht weit offen,und ,niemand kann sie zuschlieen'."
Doch obschon diese und andere Berichte in der Heimat mit groem
Interesse gelesen wurden, blieb die Bitte um die tausend Pfund unbeant-wortet. So belastend diese Wartezeit und die Unsicherheit sein muten,waren sie doch erhellt von besonderen Zeichen der Frsorge Gottes. Zwei-mal ermutigte Er Seine Diener durch Geldsendungen.
Eine dieser Gaben wurde Dr. Parker durch einen Einheimischen zurUntersttzung ihres Werkes bergeben. Es waren fnfzig Pfund als Bei-trag zum Erwerb eines Grundstcks zum Krankenhausbau. Die zweiteerhielt Hudson Taylor. Es war die erste Gabe auer dem Geld, das ihmdie Mission fr das Werk zukommen lie, das ihm so sehr auf dem Her-zen lag.
Der Name des Gebers wird hier nur genannt, um damit einen Einblickin Gottes gtige Voraussicht zu gewhren. Mr. Berger, der in Saint Hillin der Nhe Londons lebte, besuchte hufig die Versammlungen in Tot-tenham und hatte dort den jungen Taylor vor seiner Ausreise nach Chinaeinmal getroffen und spter manches ber den jungen Mann aus York-shire" gehrt. Seine Briefe aus China vertieften sein Interesse an ihm. DasResultat war diese Gabe von zehn Pfund. Dadurch wurde den Missio-naren die Mglichkeit zur Adoption eines Kindes gegeben, das sie auf-ziehen wollten. Dies sollte der erste Schritt zur Erffnung einer Internats-schule sein.
Doch der Geber aller Gaben hatte Seine eigenen Plne. Wie konnteHudson Taylor vorausahnen, wieviel Geld ihm einmal von diesem Mannezukommen und wieviel Rat, Bruderliebe und kostbare Arbeitsgemein-schaft ihm durch diesen Freund geschenkt werden wrde! Er wre sichernoch erstaunter und tiefer berwltigt von Dankbarkeit und Freude ge-wesen. Das alles und weit mehr wurde ihm durch den Herrn zuteil, derSeinen eigenen Plan im Leben Seines Dieners verwirklichen wollte.
Auf jener Reise wollten sie soweit wie mglich ins Innere der Inselvorstoen und sich nach neuen Arbeitsgebieten umsehen, ohne jedochlange an einem Ort zu verweilen.
In Tsungming erfuhren sie, da der Yamen Erkundigungen ber sieeingezogen hatte. Deshalb suchten sie dann den Mandarin auf, einen jun-gen Mann, der sie hflich empfing. Er nahm Neue Testamente und andereSchriften entgegen und hrte aufmerksam auf ihre Erklrungen ber denWeg der Errettung durch den Glauben an Jesus Christus. Er gab dannauch die Erlaubnis zum Besuch der Insel. Schon allein diese Begegnungmachte die Reise nach Tsungming wertvoll.
An diesem Tag wurde der Tempel des Stadtgtzen von einer groenMenschenmenge besucht. Den Besuchern schienen die aufgeweichten Stra-en nichts auszumachen. Whrend Hudson Taylor in einem RaumKranke behandelte, predigte Mr. Burdon auf der Strae und verteilteSchriften. Nur wenn Mr. Burdons Stimme den Dienst versagte, wurde dierztliche Arbeit unterbrochen, weil dann die Menge in das Behandlungs-zimmer einbrach und die Weiterarbeit unmglich machte.
Ehe die beiden Tsungming verlieen, besuchten sie einige ffentlicheSchulen und verteilten dort unter Schlern und Lehrern christliche Lek-tre. Im ganzen besuchten sie dreizehn Schulen und eine Mittelschule. DieLehrer gaben ihnen wertvolle Ausknfte ber die wichtigsten Orte unddie Bevlkerung der Insel.
Dann verlieen sie Tsungming, und ein gnstiger Wind trug sie schnellden Yangtse hinauf. Die Sonne stieg ber einem wolkenlosen Himmelin die Hhe, als sie sich den heiligen Bergen" nherten, die die Fluuferumsumten. Es war ein ungewhnlich schner Tag, und weil ihre Stim-men Schonung brauchten, entschlossen sie sich, die nrdliche Hgelkettezu besteigen, um die Umgebung kennenzulernen. Sie wiesen darum denBootsmann an, in den nchsten Nebenflu einzubiegen und auf ihre Rck-kehr im Laufe des Nachmittags zu warten. Und dann zogen die beidenvoller Erwartung den Hgeln entgegen.
Die Landschaft war unbeschreiblich schn. Eine prchtige Pagode krnte den Gipfeldes hchsten Berges, von dessen Fu sich ein Buddhistentempel mit Kloster die ganzeHgelseite hinaufzog, so da es schien, es sei ein Dorf. Es mute ein besonderer Tagsein, denn eine nach Tausenden zhlende Menschenmenge aller Gesellschaftsschichtenbeteiligte sich an den Zeremonien des Festes. Es war offensichtlich, da hier noch keinAnhnger des Kreuzes Jesu Christi den Feind angegriffen hatte. Schwere Weihrauch-dmpfe und das Klingeln von Geldmnzen, die von den Vorbergehenden in die vorden Gtzen stehenden Krbe geworfen wurden, erfllten die Luft. In diese Lautemischten sich Musikklnge, lautes Reden und das Trampeln vieler Fe.
Als wir die Hgelspitze erreicht hatten, durchschritten wir die Hallen, die mitder Pagode verbunden waren. Die scheulichen Gtzenfiguren, die uns durch denRauch und die Flammen verbrennenden Papiergeldes hindurch anstarrten, gaben unsdas Gefhl, an den Ort versetzt zu sein, wo Satans Stuhl steht.
Traurig bestiegen wir die Pagode. Welch ein Gegensatz bildete die sich zu unsernFen ausbreitende Landschaft! Worte vermgen den Eindruck nicht zu beschreiben.Je lnger wir sie betrachteten, desto mehr Schnheit entdeckten wir. Dicht unter unsbreiteten sich Getreidefelder aus. Bche umgrenzten sie auf allen Seiten. Ihre Uferwaren mit Trauerweiden bewachsen. Dazwischen lagen unzhlige, von Fruchtbumenumgebene Bauernhfe. Da und dort sahen wir zypressenbeschattete Grabhgel, zahl-reiche Drfer und Weiler. Dahinter erstreckte sich der breite, majesttische Yangtse,der aussah wie ein groer See. Auf seinem Wasser schaukelten zahllose Boote undDschunken mit ihren leichten, zierlichen, schneeweien oder altersgrauen Segeln. Hinterdiesem breiten Silberstreifen erhoben sich die mit Klstern und Tempeln bedeckten.heiligen Berge' des sdlichen Ufers. Die gegenberliegende Seite der Pagode bot eineganz andere Aussicht. Gegen Nordwesten breitete sich die dichtbevlkerte Ebene mitder Stadt Tungchow aus. Mehrere kleine Seen glnzten wie geschmolzenes Silber. Sietrugen viel zu dem unbeschreiblichen Reiz des ganzen Bildes bei."
Wie einst Mose das verheiene Land berblickt haben mag, standenauch die beiden Missionare mit bewegten Herzen vor diesem unvergleich-lichen Panorama. Das also war China. Endlich sahen sie das offene Landauerhalb der Begrenzungen des Vertragshafens vor ihren Blicken liegen.Unendlich weit dehnte es sich zu ihren Fen aus. Schanghai mit seinerUmgebung verlor bei diesem Anblick an Bedeutung. Dort schien schon soviel Licht, weil sich Missionare um die Menschen kmmerten. Tsungming
und seine Unerreichten waren ohne Licht geblieben, wie sollten sie dieseTatsache je vergessen knnen? Die Sicht dieses Tages befreite HudsonTaylor von Einflssen, die ihn bisher zurckgehalten hatten. Sein Herzwandte sich wieder seinem eigentlichen Ruf der Verkndigung in einemGebiet zu, in dem der Name Jesu noch nie genannt worden war.
Am nchsten Tag besuchten sie Tungchow, die Stadt, von der sie be-reits vor dem Besuch der Pagode nichts Gutes gehrt hatten. Es konnteaber Monate, vielleicht Jahre dauern, ehe andere Evangelisten sie be-suchen wrden. Darum konnten sie es nicht verantworten, an diesenvielen Menschen vorberzugehen, sondern fhlten sich gedrungen, ihnendas Licht jetzt zu bringen. Auf alle Flle sollten ihre letzten Schrifteninnerhalb der Stadtmauer verteilt werden.
Unsere chinesischen Lehrer taten ihr Bestes, uns am nchsten Morgen von demBesuch der Stadt abzuhalten. Doch hatten wir uns dazu entschlossen, und nichts sollteuns an der Ausfhrung dieses Entschlusses hindern. Bestimmt wrde uns Gott beistehen.Wir lieen die Mnner im Boot zurck und wiesen sie an, Erkundigungen ber unseinzuziehen und die Ergebnisse sofort nach Schanghai zu melden, falls wir nicht amselben Tag zurckkehrten. Wir bestimmten, da das zweite Boot auf uns warten sollte,auch wenn wir nicht zur bestimmten Zeit zurckkmen. Dann packten wir unsereBcher in zwei Taschen und machten uns mit dem Diener, der uns auf unsern Reisenbegleitete, auf den Weg nach der ungefhr elf Kilometer entfernten Stadt. Weil dasGehen auf den durchweichten Straen unmglich war, muten wir wieder Rder-karren mieten. Ehe eine grere Strecke hinter uns lag, fragte der Diener, ob er nichtzurckbleiben drfe, denn er habe gehrt, es befnden sich Soldaten auf dem Wege.Natrlich lieen wir ihn gehen, weil wir niemand in Ungelegenheit bringen wollten,und nahmen ihm die Taschen ab. Wir vertrauten Gottes Verheiungen. Er wrde unsausreichende Kraft geben.
Unterwegs begegnete uns ein verstndig aussehender Mann, der uns ebenfalls voreinem Besuch der Stadt warnte. Er meinte, wir wrden unangenehme Bekanntschaftmit den Soldaten machen. Wir dankten ihm fr den gutgemeinten Rat, lieen unsjedoch nicht aufhalten. Ob wir der Gefangenschaft oder dem Tod entgegengingenoder sicher wieder heimkehren wrden, wuten wir allerdings nicht. Eins aber waruns klar: Wir durften Tungchow nicht lnger ohne das Evangelium lassen.
Nun wollte aber der Karrenfhrer nicht weiter. Ich mute einen andern mieten.Die Fahrt war alles andere als angenehm. Wir waren uns deutlich der Gefahr bewut,obwohl wir nicht einen Augenblick davor zurckschreckten. Durch Bibelverse undLieder ermunterten wir uns gegenseitig. Unser Weg fhrte durch eine kleine Stadt vonetwa tausend Einwohnern. Hier predigte ich einer groen Menge in Mandarin. Niehabe ich so froh von der Liebe Gottes und der Erlsung durch Christus gepredigt.
Als wir uns bald darauf der Stadt nherten, wurde ich an das Gebet der ver-folgten Christen der ersten Gemeinde erinnert: ,Und nun, Herr, sieh an ihr Drohen undgib deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden dein Wort!', eine Bitte, in die wirvon ganzem Herzen einstimmten. Ehe wir die Vorstadt betraten, sagten wir demKarrenfhrer, wo er auf uns warten solle, damit ihm selbst nichts Bses geschehe. Wirbefahlen uns unserm himmlischen Vater an, nahmen die Bchertaschen auf und be-gaben uns in die Stadt.
Eine ganze Weile wanderten wir unbelstigt die Hauptstrae entlang, die zumWesttor fhrte. Dann auf einmal packte ein krftiger, betrunkener Mann meinenGefhrten bei der Schulter. Ich wandte mich nach ihm um. Sofort waren wir von einerSchar von Mnnern umgeben, die uns im Laufschritt in die Stadt schleppten.
Die Tasche wurde mir zu schwer, konnte ich sie doch nicht mehr von einer Handin die andere nehmen. Bald war ich auer Atem und vermochte kaum Schritt zuhalten. Wir baten die Mnner, uns doch vor den Mandarin zu fhren. Doch sie be-deuteten uns in vielen Schimpfworten, sie wten wohl, wohin sie uns bringen wrden.Der Mann, der sich zuerst auf Burdon gestrzt hatte, lie ihn nun los und packte mich.Weil ich kleiner und schmchtiger war als mein Freund und mich auch nicht so gut zuwehren wute, war es ihm ein leichtes, mich zu qulen. Er warf mich wiederholt zuBoden, ri mich an den Haaren, packte mich am Rockkragen, so da ich beinaheerstickte, und hielt mich so fest umklammert an Schultern und Armen, da sie sichgrn und blau frbten. Htte er damit nicht aufgehrt, wre ich ohnmchtig zusam-mengesunken. Wie belebend war der Gedanke an einen Liedvers, den meine Muttereinem ihrer letzten Briefe beigefgt hatte:
Wie selig die Ruhe bei Jesus im Licht!
Tod, Snde und Schmerz, die kennt man dort nicht.
Auer dem Leibe, bei Christus, frei von Snde das ist das Ende nach allemSchlimmen, das Menschen uns antun knnen.
Whrend man uns auf diese Weise fortschleppte, versuchte Burdon, einige von denSchriften zu verteilen, wute er doch nicht, ob sich spter dazu noch eine Gelegenheitergeben wrde. Doch die entsetzliche Wut der Soldaten und ihr Befehl, uns Hand-fesseln anzulegen, die jedoch glcklicherweise nirgends aufzutreiben waren, zeigte uns,da sich in der gegenwrtigen Lage nichts tun lie. Wir muten uns einfach ruhigfgen und unsern Hschern folgen.
Hin und wieder stritten sie sich, was sie wohl mit uns tun sollten. Die Milder-gesinnten meinten, man solle uns in den Yamen bringen. Doch gab es andere, die unssofort ohne Rcksicht auf die Regierung umbringen wollten. Wir waren innerlich ganzruhig, und als wir uns einmal nahe waren, erinnerten wir uns gegenseitig an dieApostel, wie sie sich gefreut hatten, um Christi willen leiden zu drfen. Nachdemes mir gelungen war, mit meiner Hand die Rocktasche zu erreichen, entnahm ich ihreine chinesische Visitenkarte (wenn das groe, rote Papier, das meinen Namen trug,so genannt werden kann); daraufhin wurde ich hflicher behandelt. Ich bat, die Kartedem hchsten Beamten zu bergeben und uns vor ihn zu fhren.
Wie zermrbend war es doch, auf diese Weise durch die Straen geschleppt zuwerden! Ich meinte, sie wrden kein Ende nehmen. Als wir den Yamen erreichten,fhrten uns die Mnner durch verschiedene Tore hindurch. Endlich standen wir voreiner groen Tafel, auf der geschrieben stand: ,Min-chi, Fu-mu' (Vater und Mutterdes Volks).
Unsere Karten wurden abgegeben, dann schob man uns nach einer Weile vorden ,Ch'en Ta Lao-ie' (Groer, ehrwrdiger Grovater Ch'en) der, wie sich erwies,frher in Schanghai das Amt des Brgermeisters bekleidet hatte und wute, mit wel-cher Hflichkeit Auslnder behandelt werden muten.
Der Mandarin, der die hchste Gerichtsbarkeit Tungchows verkrperte und deshalbals Zeichen seiner Wrde einen blauen Knopf an seiner Mtze trug, trat uns mitgrter Ehrfurcht entgegen. Er lie uns in ein inneres, mehr privates Gemach fhren.Eine Schar von Schreibern, Lufern und andern Beamten folgte ihm. Ich erklrteden Zweck unseres Besuchs und bat ihn, von uns einige Schriften anzunehmen, wofrer dankte. Ich bergab ihm auch ein Neues Testament und versuchte, ihm unsereLehre zu erklren. Er hrte aufmerksam zu, wie natrlich auch seine Untergebenen.Dann lie er Erfrischungen bringen. Diese waren uns sehr willkommen. Er selbstnahm auch davon.
Endlich baten wir um die Erlaubnis, die Stadt ansehen und unsere Schriften ver-teilen zu drfen. Dies gestattete er sehr freundlich. Wir sagten ihm dann, da wirbeim Eintritt in die Stadt sehr schlecht behandelt worden seien, da wir aber gerndarber hinweggehen wollten, weil die Soldaten vielleicht nicht besser Bescheid
gewut htten. Weil wir aber keine Wiederholung solcher Szenen wnschten, baten wirihn um seinen Schutz. Auch dies gewhrte er uns, begleitete uns ehrerbietig bis zumAusgang des Yamen und gab uns einige seiner Lufer mit. Schnell und ohne weiterenZwischenfall verteilten wir die Schriften, und nach einer kurzen Besichtigung desKonfuziustempels verlieen wir die Stadt. Es war zum Lachen, wie die Lufer ihreZpfe als Peitsche gebrauchten. Wenn die Menge nicht willig Platz machte, schlugen siedamit nach allen Seiten.
Noch vor dem Dunkelwerden kehrten wir voll Dank fr die Bewahrung zu un-sern Booten zurck."
So hatte Hudson Taylor nun einen Blick in das unermeliche, uner-reichte Land getan, und sein Leben war dabei zum erstenmal durch dieHnde derer gefhrdet gewesen, denen er Hilfe bringen wollte. Was htteihm besser den Plan Gottes fr sein Leben vor Augen fhren knnen?Erst Liebe, dann Leiden und noch tiefere Liebe. So baut Gott Sein Reich.
VON EINEM GEFSS INS ANDERE GESCHTTET18551856
Die Freude, Christus dort zu predigen, wo Sein Name unbekannt war,hatte nun von Hudson Taylor Besitz ergriffen. Die Plne und Hoffnun-gen fr Schanghai, die ihn vor Monaten so sehr beschftigt hatten, tratenin den Hintergrund. Aus der Heimat war noch immer keine Nachrichtwegen der eingesandten Plne gekommen. Auch das fhrte dazu, daHudson Taylor sich nach einer andern Richtung entwickelte, als er ge-plant hatte. Es standen ihm Wege zur Evangelisationsttigkeit offen.Seine Gaben fr diese Arbeit traten mehr und mehr in den Vordergrund,so da die Britische und Auslndische Bibelgesellschaft ihm nicht nur soviele Schriften zur Verbreitung anvertraute, wie er wnschte, sondernsich auch zur Deckung seiner Reisekosten bereit erklrte.
Zehn Tage verbrachte Hudson Taylor in seinem Haus in Schanghai.Dann begab er sich allein auf die grte Evangelisationsreise, die er bisherunternommen hatte. Es scheint, als htte er diesmal seinem eigentlichenRuf folgen wollen dem Vorsto nach Nanking, dem Hauptquartierder Rebellen.
Er verlie sein Heim am 8. Mai und kehrte erst am 1. Juni wiederzurck, nachdem er in achtundfnfzig Stdten und Drfern gepredigthatte, von denen einundfnfzig noch nie von einem protestantischen Mis-sionar besucht worden waren. Es kostete Mut, allein so weit ins Innereeinzudringen, weil er die Vertragsrechte berschritt und dadurch aufkeinerlei Schutz, weder von seinem eigenen Konsul noch von den Lokal-behrden, rechnen konnte. Er wute gut genug, da er jederzeit gefangen-genommen, geqult und als Rebell oder auslndischer Spion umgebrachtwerden konnte.
Nach der rohen Behandlung in Tungchow war ich doch etwas ngst-
lieh ein neues Gefhl, das durch das Alleinsein noch zunimmt", schrieber am dritten Tag seines neuen Unternehmens in sein Tagebuch. Ich wartraurig und niedergeschlagen."
Doch dieses Tagebuch zeugt auch von seinem unermdlichen Einsatzwhrend der fnfundzwanzig Tage. Als er Anfang Juni nach Schanghaizurckkehrte, wurde er warm willkommen geheien. Es erwarteten ihnauch einige berraschungen.
Die chinesische Behrde zitierte mich vor den Konsul und warf mirvor, ich htte die Vertragsbestimmungen mit England durch meine In-landreise verletzt. Der Konsul sagte nicht mehr, als er sagen mute. Dochgab er mir zu verstehen, da er mir die gleiche Strafe auferlegen mtewie einem Kaufmann, wenn ich weiter die Vertragsrechte berschritte."
Auf einer weiteren Reise begleiteten ihn Dr. Parker und Mr. Burdon.Sie unterschied sich von den bisherigen durch einen Besuch in Ningpo, wosie sich erholen wollten. Missionare verschiedener Gesellschaften arbeite-ten in dieser wichtigen Stadt. Der Segen Gottes ruhte sichtbar auf ihremWerk. Hudson Taylor und seine Begleiter versprachen sich viel von die-sem Besuch. Die Dmmerung senkte sich bereits ber die Stadt, als sie sichnach einigen Reisetagen ihren Weg zwischen den unzhligen Booten hin-durch bahnten, die die Zugnge zur Stadt umsumten. Sie folgten Burdondurch das Dunkel der Straen. Wie wohltuend empfanden sie den Will-komm in den Missionshusern! Whrend der nchsten Tage lernten sieeine eigenartige Gemeinschaft von gleichgesinnten Menschen kennen, diesie mit groer Freundlichkeit in ihren Kreis aufnahmen.
Elf Auslnder vertraten hier verschiedene britische und amerikanischeMissionsgesellschaften. Dazu kam noch eine Schule, die unter der Leitungeiner Englnderin stand. Miss Aldersey hatte frher auf Java gearbeitet,als sich China vor sechs Jahren fr die Niederlassung von Auslndernffnete. Nach dem im Jahre 1842 geschlossenen Nankingvertrag war sieals eine der ersten Missionarinnen in diese Stadt gekommen und hattehier die erste Mdchenschule Chinas gegrndet.
Als Hilfe standen ihr zwei verwaiste Tchter eines der ersten Missio-nare der LMS zur Verfgung. Unter der Tropensonne der Kolonie ge-boren und in einer Missionsfamilie aufgewachsen, waren Burella undMaria Dyer mit der Ningposprache vertraut. Sie waren sehr beliebt,gaben sie sich doch ganz ihrem Werk hin. Natrlich erhhte ihre Gegen-wart den Reiz der Auslnderkolonie in Ningpo.
Doch eins fehlte in der allgemeinen Entwicklung der Mission in diesemGebiet ein Krankenhaus. Die in Ningpo lebenden Missionare empfan-den diesen Mangel tief, und als sie von Dr. Parker hrten, war die Be-geisterung gro. Doch erst nach seiner Rckkehr nach Schanghai erreichteihn eine Einladung zur Mitarbeit. Das kleine Haus, das er und seineFamilie mit Hudson bewohnte, hatte sich ja von Anfang an als zu kleinerwiesen, doch hatten sie nichts Besseres finden knnen. Sie wuten nun
audi, da die CEG nicht auf ihre Plne eingehen wrde, wonach in einemder Vertragshfen eine Arbeit begonnen werden sollte. Wir erkennenunsere Aufgabe im Innern Chinas, daher sollen unsere Vertreter keinGeld in Schanghai ausgeben", hie es. Kein Geld fr Steine und Mrtel",lautete einer der Grundstze ihrer Mission. Doch muten ihre Missionareauch in Husern wohnen.
Es ist heute leicht zu erkennen, da Hudson Taylors und Dr. ParkersPlan zur Grndung eines Hauptquartiers in Schanghai nicht Gottes Ab-sicht war. Sie befanden sich jedoch in einer uerst schwierigen Lage.Schon bevor der schottische Arzt die Einladung nach Ningpo erhielt, warsich Hudson Taylor trotz seines groen Verlangens nach einem Vorstoin das Inland klar darber, da dazu ein guter Sttzpunkt notwendig war.
Es ist schwer, bestndig unterwegs und nirgends richtig zu Hause zusein", schrieb er an seine Schwester. Ich berlege mir, ob ich mir nichtbald chinesische Kleider anschaffen und probieren soll, wie es sich darinarbeiten lt. Fnde ich doch irgendwo im Inland einen Ort zur Nieder-lassung, von dem aus ich arbeiten knnte! Wie die Dinge jetzt liegen,knnen wir nicht mit viel Frucht rechnen, weil wir weder eine Stationnoch ein Krankenhaus oder eine Kapelle haben, nicht zu reden von einemeigenen Haus. Bete fr mich; denn ich bin schwach und unwrdig. Ichging in letzter Zeit durch tiefe Anfechtungen."
Am 6. August wurde ihm und Dr. Parker mitgeteilt, da sie das Hausbis Ende des Monats verlassen mten, weil bereits zwei neue Missionareunterwegs nach Schanghai wren und nach ihrer Ankunft das Haus be-ziehen sollten. In diesen Tagen trafen auch Briefe ihrer eigenen Missions-gesellschaft ein, die endlich einen Schlustrich unter all ihre Plne frSchanghai zogen. Bauen sollten sie auf keinen Fall. Dr. Parker wurde dieErlaubnis zur Erffnung einer Apotheke erteilt. Wie oder wo sie wohnensollten, wurde ihrem eigenen Ermessen berlassen.
Doch der Herr sorgte fr Seine Diener und Sein Werk. Ein weitererBrief, der sie ebenfalls Anfang August erreichte, brachte den Beweis dafr.Nachdem Missionare in Ningpo Dr. Parker zur Mitarbeit eingeladenhatten, hatte er ihnen in seinem Antwortschreiben erklrt, er knne sichnur dazu entschlieen, wenn in Verbindung mit einer Arztpraxis frEuroper die Erlaubnis zur Fhrung eines Krankenhauses fr Chinesenverbunden sei. Nun tat sich fr Dr. Parker nach acht Monaten China-aufenthalt der Weg zu seinem Lebenswerk vor ihm auf. Er schrieb:
Sie werden sich ber die Nachricht freuen, da sich die Freunde inNingpo fr die ntigen Mittel zum Bau und Unterhalt eines Krankenhau-ses einsetzen wollen. Ningpo ist der einzige Vertragshafen, der nicht berein Krankenhaus verfgt. Ich erkenne es als klare Leitung Gottes, dasAngebot anzunehmen, und habe mich entschlossen, sofort umzusiedeln."
Dieser Entschlu, der Dr. Parker und seine Familie auf den von Gottfr sie geplanten Weg wies, brachte Hudson Taylor in noch tiefere
Abhngigkeit hinein. Nun wrde er bald wieder ohne Kamerad, ohneHeim sein. Weil er meinte, sein eigenes Werk in Schanghai sei noch nichtbeendigt, suchte er sofort nach einem Ort, wo er seine Sachen unterbrin-gen konnte. Doch er fand auch diesmal nichts.
Alle Hauseigentmer verlangen eine hohe Anzahlung, wozu ich dasGeld nicht habe", schrieb er an seine Schwester. Es ist eine schwierigeLage. Wenn ich nicht bald etwas finde, werde ich mich chinesisch kleidenund auf dem Lande wohnen. Das stndige Wechseln ist so schwer. Betedoch fr mich!"
Chinesische Kleidung und ein Heim auf dem Lande langsam ge-whnte er sich an den Gedanken. Hin und wieder begab sich ein Missionarin chinesischer Kleidung auf eine Inlandreise. Dr. Medhurst hatte HudsonTaylor auf diese Mglichkeit aufmerksam gemacht. Doch sobald sie indie Kolonie zurckkehrten, legten sie ihre chinesischen Kleider wiederbeiseite. Niemand htte es gewagt, sie innerhalb der Auslndernieder-lassung zu tragen.
Doch Hudson Taylor berlegte diese Mglichkeit grndlich. Er warnach China gekommen, um dem Volk das Evangelium zu bringen; darumwollte er sich ihm auch uerlich gleichstellen. Die ueren Umstndeschienen ihm keine Wahl zu lassen. Wenn er in Schanghai keine Wohnungfinden konnte, war er gezwungen, ins Innere zu ziehen. Warum abersollte er dann dem Werk dadurch hinderlich sein, da er sich schon durchsein ueres als Auslnder auswies?
Eine weitere Woche suchte er nach einem Heim. Bald wrde Dr. Parkerihn verlassen. Hudson Taylor hatte ihm versprochen, ihn auf dem schwie-rigsten Teil der Reise bis zur Hangchowbucht zu begleiten. Am Freitagwollten sie reisen, aber am Donnerstag hatte er noch keine Wohnunggefunden. Gott mute wohl andere Plne mit ihm haben. Er entschlosich, all seine Habe Dr. Parker mitzugeben und selbst auf Reisen zugehen, bis sich irgendwo im Innern ein Heim fr ihn finden lie.
Donnerstagabend. Es schien so nutzlos, sich noch einmal auf die Suchezu begeben. Hudson Taylor erkundigte sich nach einem Boot, das Dr.Parker und ihn am nchsten Morgen zur Hangchowbucht bringen sollte.Die chinesische Kleidung lag fr sein Wanderleben bereit, das er amnchsten Morgen beginnen wollte.
Zu diesem Entschlu hatte Gott ihn wohl bringen wollen. Whrender seine letzten Reisevorbereitungen traf, kam ein Mann zu ihm undfragte ihn, ob er nicht ein Haus in der Chinesenstadt suche. Ob ein kleines,das fnf Rume zhle, ihm gengen wrde. Nahe dem Sdtor kenneer ein solches Haus, doch sei es noch nicht vllig ausgebaut. Der Eigen-tmer besitze kein Geld zur Fertigstellung. Der fremde Lehrer knne esmieten, wenn er die Halbjahresmiete im voraus bezahlen wrde.
Wie ein Trumender folgte Hudson Taylor seinem Fhrer zum Sd-tor. Hier fand er ein kleines, neues, sauberes Haus mit je zwei Zimmern
zu ebener Erde und im Obergescho und einem fnften ber dem Hoffr die Diener. Es war genau das, wonach er gesucht hatte, und lag ineiner Gegend, die ihm am besten pate. Und das ganze kostete nur eineHalbjahresmiete von zehn Pfund.
Was es fr ihn bedeutete, an diesem Abend noch die Miete bezahlt zuhaben und im Besitz des neuen Heims zu sein, kann nicht mit Wortenbeschrieben werden. Gott hatte tatschlich fr ihn gesorgt. Seine Gebetewaren erhrt. Er hatte Gottes Fhrung nicht miverstanden. Es schien,als habe der Herr Sein langes Schweigen endlich gebrochen, weil Er SeinenKnecht in dieser kritischen Lage ermutigen wollte. Im letzten Augenblicklie Er ihm Seine Hilfe zuteil werden.
An diesem Abend wagte Hudson Taylor den Schritt und verwandeltesein ueres in einen Chinesen. Er beschrieb das Erlebnis einige Tagespter in einem Brief an seine Schwester.
... ich mchte Euch auch nicht vorenthalten, da meine Locken am letzten Don-nerstag unter der Schere eines Haarschneiders fallen muten. Was zurckblieb, frbteer schwarz und flocht am nchsten Morgen neben einer Menge Seidenband einen Zopfhinein, sollte er doch nach Landessitte recht tief herunterhngen. In dieser Aufmachungbegab ich mich zu Dr. Parker. Dann bestiegen wir das Boot. Wir evangelisierten viel,solange wir zusammen reisten. Auf dem Rckweg hoffe ich, noch bessere Gelegenheitenzu finden.
Aber ich habe Euch noch nichts von all den Prfungen erzhlt, in die die uereUmwandlung mich brachte. Zum ersten ist es eine recht unangenehme Erfahrung,wenn der Kopf rasiert wird, besonders wenn die Haut in der Hitze so sehr brennt.Ich kann Euch versichern, da die sptere Anwendung von Farbstoffen meine Haut-nerven auch nicht gerade beruhigte. Fnf oder sechs Stunden dauerte die Prozedur.Wenn das noch briggebliebene Haar ausgekmmt wird, erreichen die Schmerzen ihrenHhepunkt. Doch weil man ohne Mhe nichts gewinnt und uns etwas lieber wird,wenn dafr gelitten wurde, so werde ich meinen Zopf, wenn er einmal ganz echtist, mit nicht geringem Stolz und groer Zrtlichkeit betrachten.
Zum zweiten wundere ich mich nicht mehr, da viele Chinesen, die fr Europerarbeiten, auslndische Schuhe und Strmpfe tragen, sobald sie solche erhalten knnen.Chinesische Socken sind aus Baumwolle genht und natrlich nicht elastisch. Gewhn-liche Zehen lassen sich selbstverstndlich nicht gern aus ihrer Form drcken, auch ge-whnen sich die Fersen ungern an flache Sohlen. Und dann die Hosen! Welch unglaub-licher Schnitt! Die meisten sind einen halben Meter zu weit. Der berflssige Stoffwird vorn in eine breite Falte gelegt und durch einen starken Grtel festgehalten. DieBeine sind kurz und reichen kaum bis unter die Knie. Sie sind zu weit im Vergleichzum oberen Teil, und zwar so weit, da man, wie Dr. Parker meint, darin Vorrtefr vierzehn Tage aufspeichern knnte. Hemden werden nicht getragen, dafr eineweie, waschbare Jacke mit langen rmeln, wie sie vor zwanzig Jahren von den Damengetragen wurden. ber dem Ganzen wird ein Gewand aus schwerer Seide in zartenFarben getragen, dessen weite rmel etwa handbreit ber die Fingerspitzen herab-hngen und beim Gebrauch der Hnde zurckgeschlagen werden.
Whrend ich mich noch in Begleitung Dr. Parkers befand, wurde ich meistens alsEnglnder betrachtet, weil ich mich mit ihm in Englisch unterhielt. Doch heute siehtsich niemand verwundert nach mir um, und keiner vermutet in mir einen Auslnder.Erst als ich Schriften verteilte, wurde ich erkannt. Die rztliche Arbeit wird uns imInland eine groe Hilfe sein. Mir scheint, als ob die Frauen und Kinder bereitwilligerArzneien holen, seitdem ich chinesische Kleidung trage."
Als es Herbst wurde, kehrte Hudson Taylor nach Schanghai zurck,um in der alten Umgebung ein ganz neues Leben zu fhren. Der Wechsel,den er nach so viel Gebet vorgenommen hatte, fiel nicht nur seiner ue-ren Erscheinung nach auf. Die Chinesen fhlten ihn, die Europer be-merkten ihn auch, und er selbst war sich dessen am deutlichsten bewut.Zwischen ihm und allen Auslndern tat sich eine Kluft auf. Wie nie zuvorwar er nun ganz in die Reihen des Volkes seiner Wahl hineinversetzt.
Der versteckte Spott oder die offene Verachtung der Europer in derKolonie war leicht zu ertragen. Schwerer wog die Mibilligung der Mis-sionare. Er stand praktisch allein mit seinen Ansichten, die er auch nochin die Tat umgesetzt hatte. Je mehr er ihretwegen litt, desto enger klam-merte er sich an seinen Herrn. Drei Wochen spter berichtete er seinerMutter von einer groen Freude, die er erlebt hatte.
Heute morgen bat Kuei-hua, der Bruder meines adoptierten Schlers,um die Taufe. Ich kann Dir meine Freude nicht in Worten beschreiben.Wrde meine Arbeit jetzt ein Ende nehmen, so drfte ich doch wie Simeonsagen: Herr, nun lt du deinen Diener in Frieden fahren, ... dennmeine Augen haben deine Erlsung gesehen/ (Engl. bersetzung). Wenneine Seele Welten wert ist, bin ich dann nicht reichlich belohnt? Und bistDu, Mutter, es nicht auch?"
Kuei-hua war der erste Bekehrte, den er in China taufte. Doch dieswar nicht die einzige Ermutigung, von der er im ersten Monat in seinemneuen Heim berichten konnte. Die Oktoberpost brachte ihm einen weite-ren Brief von Mr. Berger. Befriedigt von der Art der Verwendung seinerersten Geldsendung, wiederholte dieser gtige Freund sie in Zukunftregelmig nach einem halben Jahr und sorgte damit fr Han-pans Aus-bildung. Doch nicht genug damit! Er schrieb auch einen sehr freundlichenBrief", worin er den jungen Missionar ermunterte, Groes vom Herrnzu erwarten. Auch jetzt war eine Gabe beigefgt, die so verwendet wer-den sollte, wie es dem Werk am besten diente.
Im Lauf des Herbstes fand Hudson Taylor im Inland ein eigenesHeim. Es mu ihm wie ein Traum vorgekommen sein, nun ungehindertunter dem Volke in Sin K'ai-ho, das eine Tagereise von dem nchsten Ver-tragshafen entfernt lag, leben zu drfen.
Zweifellos war dies eine Gebetserhrung. Sobald er das SdtorhausLehrer Si berlassen konnte, machte er eine weitere Evangelisationsreise.Diesmal besuchte er auf seinem Wege die Insel Tsungming wieder. Voneinem Weiterziehen wollten die Insulaner dann nichts hren. Es findetsich nirgends eine Aufzeichnung, woraus man ersehen knnte, warum sieso sehr auf seinem Bleiben bei ihnen bestanden. Vielleicht war es seineVerkndigung. Auf alle Flle schchterte sie seine uere Erscheinungnicht ein. Diese Erfahrung zeigte ihm den Wert der chinesischen Kleidungaufs neue.
Schon am zweiten Tag fand sich dort ein zweistckiges Haus, dessen
Eigentmer den Missionar aufnehmen wollte. Er war sogar bereit, ihmdas Haus zu einem bescheidenen Mietpreis zu berlassen. Noch am glei-chen Tag wurde der Vertrag abgeschlossen, der ihn zum alleinigen Mieterseines ersten Heims in Chinas Inland machte.
Die darauffolgende Zeit wurde eine der geschftigsten und glcklich-sten seines Lebens. Allerdings mute das Haus zuerst gereinigt und aus-gestattet werden. Daneben wollte ein ganzer Strom von Besuchern mitallen Zeichen chinesischer Hflichkeit empfangen werden. Darunter fan-den sich gebildete Leute aus Stadt und Land, Kranke, die Medizin brauch-ten, Nachbarn, die einfach sehen und hren wollten, was im Hause desFremden vor sich ging. Sein Diener Kuei-hua und ein anderer Helfer, derselbst mehr ber die Erlsung durch Jesus hren wollte, beteiligten sichan den Evangelisationsversammlungen, die regelmig morgens, mittagsund abends durchgefhrt wurden. Doch schon nach wenigen Tagen er-krankte Hudson Taylor, wahrscheinlich wegen bermdung.
Bald aber konnte er die Arbeit wieder aufnehmen. Er behandelteKranke, hielt die tglichen Versammlungen, und nach kurzer Zeit schie-nen sich einige Hrer fr die Botschaft zu interessieren. Einer dieser treuenHrer war ein Schmied, der zweite ein Ladengehilfe in einem Lebens-mittelgeschft. Dieser verstand es besonders gut, mit neuen Hrern zureden und Gste zu empfangen. Er selbst und Chang, der Schmied, wareneifrig dabei, wenn Hudson Taylor sie unterrichtete, nachdem alle Be-sucher sich verabschiedet hatten.
Aber um ihn herum dehnte sich die dichtbesiedelte Insel aus, eineMillion Menschen, die er so gern erreicht htte. Die Stadt selbst zhltezwanzig- bis dreiigtausend Einwohner, und ringsum lagen noch zahl-reiche Drfer, in denen durch den rztlichen Dienst viele Freunde gewon-nen wurden. Wohin sich Hudson Taylor und seine Helfer wandten, wur-den sie freundlich aufgenommen. Darum unterbrachen sie oft die Stadt-arbeit und besuchten die umliegenden Drfer.
Es ist beinahe mehr, als man erwarten kann", schrieb er am Anfang seines Aufent-halts in Sin-k'ai-ho, da man mich so ungehindert arbeiten lt. Deshalb mu ichden guten Samen des Knigreichs Christi ausstreuen, solange ich kann, und ernstlichum den Segen Gottes bitten. Sollte es dem Herrn gefallen, mich an diesem Ort "Wur-zeln fassen zu lassen und sich eine Schar von Glubigen zu erwecken, so wre eingroes Arbeitsfeld erobert.
Betet fr mich! Manchmal lastet die Verantwortung schwer auf mir, bin ich dochunter diesen Menschen der einzige Lichttrger. Doch dieser Ausdruck stimmt nicht.Jesus mu mich mit Seinem Licht erfllen. Ich bin nicht auf mich selbst angewiesen.Die beiden Christen sind mir ein groer Trost. Ich mchte ihnen doch durch mein Lebenund den Unterricht eine Hilfe sein."
Nach drei Wochen waren seine Vorrte an Geld und Arznei erschpft.Er sah sich dadurch zur Rckkehr nach Schanghai gezwungen. Weil ernicht lange wegbleiben wollte, sollten die Versammlungen ohne ihn wei-tergefhrt werden. Er machte dafr Ts'ien, den Ladengehilfen, verant-
wortlich. Am 5. November segelte Hudson Taylor nach dem Festlandhinber.
Nur drei Wochen blieb er der Insel fern. In dieser Zeitspanne kannjedoch manches geschehen, wie er erfahren sollte. In Sin K'ai-ho schien einSturm im Anzug zu sein. Ts'ien kam nach Schanghai geeilt, und weil eram Sdtor niemanden fand, hinterlie er Briefe, die die Lage erklrten,und kehrte sofort wieder auf die Insel zurck. Eins unter den vielen Ge-rchten war jedenfalls Tatsache ein Regierungsbefehl, wonach derFremde, der sich unerlaubterweise in Tsungming niedergelassen hatte,sogleich nach Schanghai kommen sollte, wo er streng bestraft werdenwrde. Alle Personen, die ihm in diesem unerlaubten Unternehmen ge-holfen hatten, wrden ebenfalls auf das schwerste bestraft werden.
Eine Woche spter schrieb er aus Tsungming an seine Eltern:
Es scheint, da die rzte und vier Apotheker in der Stadt in mir einen gefhr-lichen Rivalen vermuten. Schlimme Beinwunden, an denen jahrelang herumgedoktertwurde, heilten schon nach wenigen Tagen, nachdem die Kranken sich meiner Behand-lung anvertraut hatten. Augensalbe, die wirkungsvoller ist als die ihre, knnen wirsehr billig abgeben. Hautkranke und Leute, die bestndig Pflaster aufgelegt habenwollen, haben unsere Behandlung gesucht. Fieberkranke sagen, die hiesigen rzte ver-stnden nichts, und Asthmatiker rhmen unsere Pulver. Darum werden sie sich gefragthaben, wohin dies alles fhren msse. Aus all diesen Grnden werden sich diese Leuteversammelt und bei Tee und Tabak beraten haben, was sie unternehmen knnten,damit der Eindringling des Landes verwiesen werde.
Ich war nicht um mich selbst besorgt, sondern vor allem um diejenigen, die in dieseSache hineingezogen wrden, wenn ernstliche Schwierigkeiten entstnden. Ich be-handelte nach wie vor Kranke, predigte jeden zweiten Tag in einem der umliegendenDrfer, bis dann am Montag, dem 26. November, der Sturm losbrach, der sich erstgestern legte.
Am Montagmorgen kam der Mandarin der Stadt Tsungming, whrend wir frh-stckten hier vorbei. Seine Begleiter sagten uns, er sei gekommen, um einige Seerubergefangenzunehmen und uns zu verhren. Ts'ien und Kuei-hua sowie der Hauseigen-tmer, der uns als Mittelsmann gedient hatte, sollten vor ihn geschleppt werden. Jederhtte dreihundert bis tausend Schlge zu erwarten, wenn seine Antworten nicht be-friedigen wrden.
"Wir hielten noch unsere Morgenandacht und beteten um Bewahrung, behandeltendie Kranken, predigten ihnen Gottes Wort und kmmerten uns um unsere Anliegen.Am Nachmittag erfuhren wir, da der Mandarin zuerst die Seeruber vornehmen undsich auf dem Rckweg mit uns befassen wrde.
Am nchsten Tag hielt ich alle Beteiligten im Hause zurck, damit keiner ohnemein Wissen gefangengenommen wrde. Wieder nahmen wir uns einiger Kranker an,die meilenweit hergekommen waren und sagten auch ihnen von Jesus. Als ich amNachmittag eine Augenoperation vornahm, kehrte der Mandarin tatschlich mit seinerBegleitung zurck. Ich war froh, da der schlimme Teil 7der Operation vorbei war,denn ich zitterte vor Aufregung und htte sie nicht ruhig zu Ende fhren knnen.Erst zwei Stunden spter hrten wir, der Mandarin wre ohne Aufenthalt in die Stadtzurckgekehrt. Da konnten wir nur noch loben und danken. Es mag sein, da er ber-haupt nichts von meiner Gegenwart wute und die ganze Geschichte ein Versuch zurErpressung von Geld war."
Nun, da der Sturm vorbergezogen war, nutzte der junge Missionar
erst recht jede Gelegenheit zum Dienst aus. Es bereitete ihm groe Freude,die Glubigen in der Erkenntnis Christi wachsen zu sehen. Chang, derSchmied, schlo nun sonntags seine Werksttte. Er und der Ladengehilfebekannten sich ffentlich als Christen. Ihr verndertes Wesen und Lebensetzte ihre Landsleute in Erstaunen, und durch ihr Zeugnis besuchtenetliche regelmig die Versammlungen. Darum empfanden sie einenneuen Schlag um so schmerzlicher. Er kam von einer unerwarteten Seiteher.
Am 1. Dezember begab sich Hudson Taylor nach Schanghai. Er mutedort Geld abheben und Briefe aufgeben. Zu seinem Erstaunen erwarteteihn am Sdtor ein amtliches Schreiben:
Britisches Konsulat, Schanghai, den 23. November 1855Britischer Konsul an Mr. J. H. Taylor.
Mein Herr! Der britische Konsul ist durch S. Exzellenz, den Bezirks-vorsteher, in Kenntnis gesetzt worden, da Sie ein Haus von einem Chi-nesen namens Si Sung-an im Dorfe Sin K'ai-ho auf der Insel Tsungminggemietet und dort ein rztliches Unternehmen gegrndet haben, das Sieeinem Ihrer Diener, einem Liu Yang-tsuen, bertrugen und nur gelegent-lich beaufsichtigt haben. S. Exzellenz macht auch die Klage gegen Siegeltend, da Sie Tsungming wieder besuchten, obgleich Sie deswegenschon einmal vor dem Konsul zu erscheinen hatten.
Ihr Konsul fordert Sie darum auf, ohne Verzgerung zu kommen,damit er die Sache untersuchen kann. Ich bin, mein Herr, Ihr gehorsam-ster Diener
Frederick Harvey (Vizekonsul)."
Natrlich suchte Hudson Taylor sogleich den Konsul auf, erklrte dieSache und wurde freundlich angehrt. Seine Bitte, in Sin K'ai-ho bleibenzu drfen, wurde jedoch abgelehnt. Der Konsul erinnerte ihn an den Ver-trag, wonach Englndern nur in den fnf Vertragshfen Niederlassungs-recht eingerumt sei. Bei Nichtbefolgung mte er mit einer Strafe vonfnfhundert Dollar rechnen. Doch Hudson Taylor kannte eine Klausel,wonach alle Freiheiten und Vorrechte, die andern Nationen gewhrt wor-den seien, sich auch auf die britische beziehen wrden. Es lebten Katho-liken franzsischer Nationalitt auf den Inseln, die durch ihre Regierun-gen geschtzt wurden. Warum", so meinte Hudson Taylor, soll mirnicht gleiches Recht zugesprochen werden?"
Das stimmt zwar", antwortete der Konsul. Wenn Sie sich an denVertreter der Knigin von England, Sir John Bowring, wenden wollen,der bald in Schanghai eintreffen wird, ist Ihnen das freigestellt. Was abermeine Entscheidung betrifft, so mu ich darauf bestehenbleiben. Sie habensofort nach Tsungming zurckzukehren, Ihr Haus aufzugeben und Ihre
Ausstattung nach Schanghai zu bringen. Sollten Sie wieder versuchen, sichim Inland niederzulassen, mssen Sie die Strafe von fnfhundert Dollarbezahlen."
Vielleicht werde ich doch gegen das Urteil des Konsuls Berufung ein-legen", schrieb Hudson Taylor an Mr. Pearse. Die Wichtigkeit dieserSache ist mir klar bewut. Es geht mir um die Grundlage der ganzenprotestantischen Mission."
Sir John Bowrings Ankunft verzgerte sich erheblich. Er kam nicht mitdem erwarteten Postdampfer und auch nicht mit dem nchsten. Doch indieser Zwischenzeit brachte Gott Seinen jungen Gesandten mit dem Men-schen zusammen, den Er ihm fr eine kurze Zeitspanne seines Lebenszugedacht hatte.
Der Name William Burns war in Schottland wohlbekannt. In welcherStadt oder welchem Dorf htte es damals eine christliche Familie gegeben,die nichts von der Erweckung des Jahres 1839 gewut htte? Der zu derZeit noch junge Evangelist, der berall von Beweisen der Gegenwart unddes Segens Gottes begleitet war, lebte nun als frh ergrauter Missionar inChina. Durch manche Erfahrung und tiefere Gemeinschaft der LeidenChristi war er milder, aber nicht weniger eifrig geworden.
Nach seinem ersten und einzigen Heimaturlaub war er kurz zuvornach China zurckgekehrt. Er hatte aber nicht, wie erwartet wurde, seinerstes fruchtbares Werk wieder aufgenommen, weil andere die kleineHerde versorgten, die er in der Nhe von Amoy gesammelt hatte. Burnsglaubte sich in das Yangtsetal gefhrt, denn Nanking mit dem ihm unbe-kannten Fhrer der Taipingrebellen, in deren Hnden die Zukunft Chinaszu liegen schien, lag ihm sehr am Herzen. Doch das war nicht der Grund,warum Gott ihn nach Zentralchina gerufen hatte.
Weil es ihm nicht gelungen war, Nanking zu erreichen, war er vonSden her ber den groen Kanal nach Schanghai zurckgekehrt. Er hattesich entschlossen, neben den andern Missionaren, die bereits in Schanghaiarbeiteten und doch der berwltigenden Not nicht allein begegnen konn-ten, einige Monate Evangelisationsarbeit zu tun. Er befuhr im Hausbootdie Wasserwege, die wie ein Netz das Land durchzogen. Als HudsonTaylor von Tsungming zurckkehrte, befand sich William Burns noch indieser Gegend und tat genau die Arbeit, zu der sich der Jngere berufenfhlte.
Wo die beiden zuerst zusammentrafen, ist aus keinem der erhaltenenBriefe ersichtlich. Doch kann man sich die gegenseitige Sympathie vor-stellen. Der ernste, klarblickende Schotte mute in dem jungen Englndersofort einen verwandten Geist erkannt haben. Er sah bestimmt auch, dader Jngere Hilfe brauchte, und dieser fhlte sich sicher zu dem erfah-renen Missionar hingezogen. Beide waren ohne Lebensgefhrtin. Darumbeschlossen sie bald, gemeinsame Sache in dem Werk zu machen, das ihnenam Herzen lag.
In dem kleinen Haus am Sdtor oder an Bord von Mr. Burns' Haus-boot besprachen sie wahrscheinlich die Schwierigkeiten in bezug aufTsungming und deren Bedeutung fr die Zukunft. Der ltere Mann mitseiner geistlichen Reife erkannte bald die ganze Sachlage, und wie sie zundern sei. Nach seiner Ansicht handelte es sich nicht darum, auf Rechtenzu beharren oder etwas zu unternehmen, auch wenn sie es gerechterweisehtten erreichen knnen. Also warum sich mit zweitrangigen Dingenabgeben? Wie leicht htte der Meister, dem alle Macht gegeben ist",Seinem Knecht zu einer dauernden Niederlassung auf der Insel verhelfenknnen, wenn es in Seinem Plan beschlossen gewesen wre! Wenn Gottaber andere Plne mit ihm hatte, was ntzte es dann, die Regierung umHilfe anzugehen? Nein, ein Diener Gottes mu nicht kmpfen und sichfr sein Recht einsetzen, sondern soll sich von seinem Meister fhrenlassen und sich der Leitung des gttlichen Willens anvertrauen. Er sollnicht auf Menschenhilfe zhlen und nach eigener Wahl Plne durchsetzen.Er kann sich unbedingt auf die sichere Fhrung und Hilfe Gottes ver-lassen, meinte Burns.
So sah denn Hudson Taylor dankerfllt ein, wie unbegrndet seineganze Mutlosigkeit war. Nichts, was der Hchste zulie, vermochte SeinWerk zu hindern. Hatte nicht Gott selbst fr Seinen Diener eine so kst-liche Gemeinschaft geplant, wie er sie nie zuvor erlebt hatte?
Mitte Dezember verlie Hudson Taylor Schanghai und trat mit Mr.Burns seine zehnte Missionsreise an. In Tsungming durften sie sich nichtniederlassen; jedoch sah er kein Unrecht darin, seinen Gefhrten, den keinVerbot zum Betreten des Inlands hinderte, zu begleiten. Sie reisten ge-trennt, jeder in seinem Boot, begleitet von ihren Helfern, und fhrteneinen groen Vorrat an Literatur mit sich. Auf diese Weise waren sie von-einander unabhngig und sich doch gegenseitig ein Trost. Praktisch undmethodisch hatte Bums seine eigenen Grundstze fr evangelistischeArbeit. Denen folgte sein junger Begleiter gern.
Sie whlten ein wichtiges Zentrum, in diesem Falle Nanzin in Che-kiang, und hielten sich dort achtzehn Tage auf. Hier verbrachten sie dieWeihnachts- und Neujahrstage. Jeden Morgen brachen sie beizeiten aufund arbeiteten nach einem bestimmten Plan. Manchmal arbeiteten sie zu-sammen oder suchten getrennt verschiedene Stadtteile auf. Bums fand esrichtig, zuerst in den Vorstdten zu beginnen, wo kaum je ein Auslndergesehen wurde, und von da aus langsam in das dichter bevlkerte Stadt-innere vorzudringen. Darum arbeiteten sie zuerst einige Tage in denStraen der Vorstdte und predigten das Wort berall, wo sie eine An-zahl Menschen fanden. Dabei verteilten sie die Schriften. Sie begannen inruhigen Stadtbezirken, um schlielich zum Zentrum zu gelangen, wo siesich dann selbst in den belebtesten Straen aufhalten konnten, ohne denLadenbesitzem lstig zu werden und durch ihre Gegenwart deren Warenzu gefhrden.
Sie besuchten auch Tempel, Schulen und Teehuser und kehrten dannregelmig zu den gnstigsten Predigtpltzen zurck. Nach jeder Ver-sammlung gaben sie das Datum ihres nchsten Besuches bekannt und er-lebten dadurch die Freude, immer wieder die gleichen Menschen zu sehen.
Doch berall, wo sie zusammen arbeiteten, bemerkte Burns, da seinBegleiter eine grere Anzahl aufmerksamer Zuhrer fand als er selbst.Hudson Taylor wurde auch gelegentlich in Privathuser eingeladen, wh-rend er selbst vor der Tr warten mute. Die rmsten unter ihnen schie-nen sich immer um den Prediger in auslndischer Kleidung zu sammeln,whrend solche, die sich fr die Botschaft interessierten, sich um seinenweniger auffallenden Freund scharten. Burns legte seine Beobachtungenin einem Brief an seine Mutter fest:
Fnfundzwanzig Meilen von Schanghai entfernt, 26. Januar 1856.
... Ich benutze diesen Regentag, der mich an das Boot fesselt, einemBrief nach Dundee einige Zeilen fr Dich beizufgen. Einzelheiten braucheich jetzt nicht zu wiederholen.
Es sind nun vierzehn Tage vergangen, seitdem ich Schanghai verlie.Ein ausgezeichneter englischer Missionar, Mr. Taylor, der zur CEG ge-hrt, begleitete mich auf dieser Reise. Wir fuhren getrennt in unsernBooten und haben gemeinsam viel Barmherzigkeit und gelegentlich auchbemerkenswerte Hilfe in unserm Dienst erlebt.
Ich mu Dir die Geschichte erzhlen, wie es vor vier Wochen, am29. Dezember, dazu kam, da ich begann, mich chinesisch zu kleiden unddabei zu bleiben. Mr. Taylor hatte diesen Wechsel schon einige Monatefrher vollzogen, und ich bemerkte, da er auf diese Weise ungestrterpredigen konnte. Darum fhlte ich mich verpflichtet, seinem Beispiel zufolgen."
Dieser Wechsel erwies sich als so vorteilhaft, da Burns dann nie mehreuropische Kleider trug. Zweifellos waren die chinesischen auch be-quemer.
Wir stehen nun tief im Winter", schrieb Hudson Taylor am Neujahrstag, undder Nordwind ist schneidend. Doch fhle ich mich warm und gemtlich in meinenchinesischen Kleidern.
Wir haben berhaupt fr manches zu danken ein gutes Boot, das uns tglichungefhr zwei Shilling kostet und mir eine eigene kleine, mit einem Oberlicht ver-sehene Kabine gewhrt. Es vermittelt mir gengend Licht zur Arbeit und schtzt michvor neugierigen Blicken. Ein kleiner Tisch und eine Pritsche, die mir sowohl als Nacht-lager wie als Sitzplatz fr zwei oder drei Besucher dient, bilden die ganze Ausstattung.
Wie anders stand es um Jesus! Keine Sttte, worauf Er Sein Haupt legen konnte.Ach, da ich Ihm doch mit Geist, Seele und Leib gehren und Ihn dadurch ver-herrlichen knnte!"
So tief auch immer sein Verlangen nach mehr Christushnlichkeit bis-her gewesen war, so wurde ihm doch jetzt im Zusammensein mit Mr.Burns dieser Hunger des Herzens mehr und mehr bewut. Er erkannte,da man mitten in der Finsternis eines heidnischen Landes ein Zeuge
Christi sein kann und doch wenig von Seiner Liebe ausstrahlt. Er wuteauch, wie der oberflchliche Wandel eines Missionars das Wort vom Kreuzwirkungslos macht.
Ich predigte am letzten Sonntag ber Matth. 24, 12", schrieb er ein-mal, wo es heit: ,Die Ungerechtigkeit wird berhandnehmen und dieLiebe in vielen erkalten.' Ich fhlte dabei, wie diese Worte mit meinemeigenen Herzenszustand bereinstimmten. Wenn mich nicht der GeistGottes tglich aufs neue hielte und strkte, wie niederdrckend wirkte sichdas mich umgebende Heidentum auf mich selbst aus! Doch der Herr istgetreu und hat versprochen: ,Ich bin fr euch wie Bche am drren Ortund wie ein Felsen in der Wste.'"
Auf solche Verheiungen verlieen sich die beiden Freunde und wur-den nicht enttuscht. Die Gegenwart Gottes war Burns in China so realwie einst daheim. Der Biograph von Mr. Burns schreibt: Ohne ein klaresBewutsein der gttlichen Gegenwart wagte er keine der heiligen Pflich-ten zu tun. Ohne diese vermochte er nicht einmal zu einer kleinen ScharKinder in der Sonntagsschule zu reden; mit ihr aber stand er unerschrok-ken vor dem Mchtigsten und Weisesten des Landes.
Es ist darum nicht verwunderlich, da dieses Leben andere Menschenbeeindruckte und sie sich dadurch angezogen fhlten. Er brauchte dasGebet so sehr wie das Atmen und das Wort Gottes so dringend wie seinetglichen Mahlzeiten. Immer war er frhlich; darum schrieb er ber dieseWahrheit: ,Ich kann durch Gottes Gnade sagen, da mir jeder Ort rechtist, wenn Gott mit mir ist.'
Er liebte die einfache Lebensweise. Es wurde von ihm gesagt, da erdie Stille schtzte und den Vorzug, wenige Dinge zu besitzen, fr die erhtte sorgen mssen. Die glcklichste Lebensweise fr jeden Christen warseiner Meinung nach, wenig Bedrfnisse zu haben.
,Wenn jemand Christus im Herzen hat', pflegte er zu sagen, ,denHimmel vor Augen und an zeitlichen Gtern nur das Notwendigste be-sitzt, dann knnen ihm Sorgen und Leid nicht leicht etwas anhaben.'
Gebildet, aufrichtig und mit berflieendem Mutterwitz begabt, warer ein angenehmer Gefhrte. Gern gab er von seinen Erlebnissen an an-dere weiter, und sein Schatz an Anekdoten belebte und bereicherte dasZusammensein mit ihm. Oft war sein Leben in Irland und anderswodurch eine erregte Menge in Gefahr gewesen. Seine Geschichten darberwirkten anfeuernd auf Glauben und Eifer, wenn sie auch nicht selten einLcheln hervorriefen.
,Tod dem Teufel!' hatte einst eine Stimme aus einer aufrhrerischenMenge geschrien. Der Rufer war fest entschlossen, seiner Straenpredigtein vorzeitiges Ende zu bereiten. Doch die witzige, mit scharfem Spottgewrzte Antwort hatte gelautet: ,Gut! Dann bist du aber ein armes,vaterloses Kind!' Damit war nicht nur die Situation gerettet gewesen,sondern die Antwort hatte auch einen tiefen Eindruck hinterlassen."
Mr. Burns war ein groer Freund der Kirchenmusik, und sein jungerBegleiter verstand ihn darin sehr gut. Sie sangen zusammen viele geistlicheLieder in Chinesisch und Englisch. Es strte ihr Verhltnis nicht, da sienicht derselben Denomination, nicht einmal demselben Volksstamm an-gehrten. Burns war viel zu weitherzig, um sich durch Glaubensunter-schiede beeinflussen zu lassen.
Seiner eigenen Glaubensberzeugung blieb er treu. Was Snde war,nannte er Snde. Seine Reden ber Snde konnten schrecklich sein. Eserblichen dabei starke Mnner, und viele brachen im Bewutsein der Ge-genwart Gottes zitternd zusammen. Auf dieser Reise zum Beispiel betrater eines Tages die Bhne eines chinesischen Theaters, das von mehrerentausend Menschen besucht war, und unterbrach ein unmoralisches Schau-spiel. Er rief die unter offenem Himmel stehenden Zuschauer zur Bueund zur Umkehr zu dem lebendigen Gott auf.
Doch gegen sich selbst war er am strengsten im Sinne des Schriftwortes:Darum erdulden wir alles, damit wir nicht dem Evangelium ein Hinder-nis sind." In seinem Tagebuch finden sich kurze Eintragungen, wonach erimmer wieder ganze Tage oder Nchte im Gebet zubrachte. Er strecktesich aus nach persnlicher Heiligung als Grundlage aller Missionsfrucht".Er fhlte sich trotz seiner Liebe zu seinem Herrn gnzlich unwrdig alsBotschafter Christi. Bese ich doch das Herz eines Mrtyrers", schrieber, wre es mir doch vergnnt, wie ein Mrtyrer zu leiden, um einst dieKrone eines Mrtyrers zu erlangen!"
Fr Hudson Taylor war die Freundschaft eines solchen Mannes indiesem Lebensabschnitt eine Gabe Gottes. Woche um Woche, Monat umMonat arbeiteten sie zusammen, und die Schwierigkeiten ihrer Arbeiterschlossen Fhigkeiten des Verstandes und Herzens, die vielleicht sonstverborgen geblieben wren. Eine solche Freundschaft ist eine der ganzbesonderen Segnungen des Lebens. Hudson Taylor vermochte nach denlangen Jahren der Einsamkeit die ganze Kostbarkeit dieser Gabe zuschtzen. Unter Burns' Einflu entfaltete er sich. Er lernte dabei nochbesser, sich und die ihm vorbestimmte Aufgabe zu verstehen, die seinganzes spteres Leben prgen sollte. Das Zusammenleben mit WilliamBums war fr ihn mehr als ein Hochschulkurs mit all seinen Vorzgen,weil er die Verwirklichung des Wichtigsten in Wandel und Worten vorsich ausgelebt sah.
DER ZUSCHLIESST, UND NIEMAND KANN FFNEN
Mitte Februar kehrten William Burns und Hudson Taylor wieder nachSchanghai zurck. Froh nahmen sie nach den neunundzwanzig Tagengemeinsamer Arbeit wieder an Dr. Medhursts wchentlicher Gebets-
stunde teil. Alle, die sich fr Gottes Wort interessierten, besuchten siegern. Diesmal beteiligte sich auch ein glubiger Kapitn daran, dessenDampfer soeben von Swatow kommend in Schanghai eingelaufen war.Die Zustnde in jenem Hafengebiet, in das er von Zeit zu Zeit Warenund Passagiere brachte, belasteten sein Herz. Als wichtiger und wachsen-der Handelsort beherbergte er viele Leute, die auf mehr oder wenigerzweifelhafte Art reich werden wollten. Der Opiumhandel und das Ver-schachern von Kulis wurden dort in schamlosester Weise betrieben. DieSeeruberei blhte in einem solchen Mae, da sogar chinesische Kauf-leute ihre Waren auf auslndische Schiffe verluden, damit sie unter bri-tischer oder einer andern Flagge sicher fahren konnten. Deshalb hatteman in Swatow, obwohl es kein offener Hafen war, im Einverstndnismit der einheimischen Behrde eine europische Kolonie gegrndet. Aufder fnf Meilen von Swatow entfernten Insel hatten Kapitne vonOpiumschiffen und andere Auslnder Land gekauft und wie in HongkongHuser gebaut. Ihre Anwesenheit verschlimmerte aber die schrecklichenZustnde dieser berchtigten Gegend. Weder dort noch in Swatow lebteein Botschafter Jesu Christi oder jemand, der einen guten Einflu aufdiese Menschen ausgebt htte. Ein normales Familienleben war ber-haupt ausgeschlossen. Und weil es auerdem auch keine gesetzlichen Be-stimmungen gab, war es hoffnungslos, eine nderung der Zustnde zuerwarten.
Aus einer solchen Gegend kam Kapitn Bowers. In Dr. MedhurstsGebetsstunde betonte er die Dringlichkeit einer Missionsarbeit in Swatow.Wenn schlielich Kaufleute und Handelsreisende sich dort niederlassenkonnten, weshalb nicht auch Prediger des Evangeliums? Zwar meinte er,der Missionar, der willig wre, an diesem finsteren Ort als Bahnbrecherzu arbeiten, drfte vor dem Abschaum der dort ansssigen christlichen"Gesellschaft nicht zurckschrecken.
Still und nachdenklich kehrten die beiden Freunde auf ihre Boote zu-rck. Der Ruf Gottes hatte whrend Kapitn Bowers' Bericht HudsonTaylors Herz erreicht, und nun kmpfte er gegen den Aufruhr in seinemInnern, denn dieses Opfer fiel ihm unsagbar schwer.
Nie habe ich einen geistlichen Vater gehabt, wie er mir in Mr. Burnsbegegnete", schrieb er Jahre spter, niemals solch glckliche, heilige Ge-meinschaft gekannt. Deshalb versuchte ich, mir Trost zuzusprechen, indemich mir einredete, Gott knne unmglich eine Trennung beabsichtigen."
Es vergingen einige Tage in dieser Gemtsverfassung. Aber HudsonTaylor konnte der Uberzeugung, da Swatow der Ort sei, an dem Gottihn haben wollte, nicht lnger ausweichen.
In groer innerer Unruhe besuchte ich eines Abends in Begleitung von Mr. BurnsFreunde der Amerikanischen Presbyterianer-Mission, die in unserer Nhe wohnten.Nach dem Tee sang Mrs. Lowrie uns das Lied ,Der Missionsruf'. Es war mir nicht be-kannt. Ich war zutiefst erschttert, und mir schien, als msse mein Herz brechen, noch
ehe das Lied zu Ende gesungen sei. Mit den soeben gehrten Worten antwortete ichGott auf Seinen Ruf an mich:
Und gehen will ich.
Drangeben mu ich Freund und jedes Band,das fesselt mein Herz.
Von nun an darf nicht kmmern mich mein Los,
ob Sturm, ob Sonnenschein, ob bitter oder s mein Kelch.
Ich bitte Dich, Herr, rste mich fr Deinen Weg,
den Du fr mich bestimmt,
und fr die schwere Stund',
die ich nie selbst gewhlt!Vor meiner Abreise bat ich Mr. Burns zu einem Besuch in mein kleines Haus, dasmir immer noch als Ausgangspunkt diente. Hier sagte ich ihm unter vielen Trnenvom Ruf des Herrn und meiner Auflehnung im Blick auf eine damit verbundeneTrennung. Er schien gespannt meinen Worten zuzuhren. Sein Gesicht trug eher einenAusdruck der Freude als der Trauer. Dann antwortete er, er htte sich in der ver-gangenen Nacht entschlossen, mir zu sagen, da auch er Gottes Ruf nach Swatow ver-nommen und es sehr bedauert habe, unsere glckliche Zusammenarbeit aufgebenzu mssen."
So schenkte Gott Seinem Diener die Gemeinschaft zurck, die so vielfr sein Leben bedeutete. Gemeinsam begaben sie sich am nchsten Mor-gen zu Kapitn Bowers und berichteten ihm von ihrem Entschlu. Dieserfreute sich so sehr darber, da er ihnen freie berfahrt auf seinem Schiffanbot, das bereits nach wenigen Tagen nach Swatow auslaufen sollte.Dieses Angebot wurde natrlich dankbar angenommen. Am 6. Mrz,zwei Jahre nach Hudson Taylors Ankunft in Schanghai, segelten die bei-den ihrem neuen Arbeitsfeld entgegen.
Als der Dampfer an einem nebligen Abend die Anker vor GtzlaffsInsel ins Meer senkte, dachte Hudson Taylor bestimmt an jenen Februar-sonntag, als er diese Stelle zum erstenmal erreichte. Damals hatte er wederLand noch Leute gekannt. "Wie anders war es heute! Jetzt beherrschte erzwei Dialekte. Der eine wurde von vier Fnftel der chinesischen Bevl-kerung gesprochen. Und er war bereits am Erlernen eines dritten Dialekts.In mancherlei Prfungen und schweren Erfahrungen erstarkt, war er zumEinsatz in einem besonders schwierigen Gebiet gerstet. Alles bisherErlebte hatte ihn gelehrt, sich in Geduld zu ben, und ihn in vlligereAbhngigkeit von Gott gebracht. Evangelisationsreisen allein oder inBegleitung anderer Missionare hatten seinen Horizont erweitert. Es istaber nirgends erwhnt, wieviel Mhsal, Gefahren auf Land- und Wasser-wegen, Gefahren in Stdten ..., Gefahren vor Rubern", aber auchwieviel Erfahrungen mit verborgenen Quellen des Glaubens und des Ge-bets er machte. Das Angebot der freien berfahrt war eine neue und will-kommene Erfahrung.
Wie ich hrte, sind die Gaben zur Untersttzung unseres Missions-werkes seit einiger Zeit sprlicher eingegangen", schrieb er im April diesesJahres. Diese Not trifft mich persnlich nicht, weil ich whrend des letz-ten halben Jahres kein Geld abzuheben brauchte und fr die kommenden
Monate ausreichend versorgt bin. Die letzte Post brachte mir von einemsehr geschtzten Freund und treuen Diener Gottes, der mir bereits imVerlauf des letzten halben Jahres hundert Pfund zukommen lie, einenBrief. Darin bat er mich, ihm jede Mglichkeit zu nennen, durch die erdas Werk mit seinen Geldsendungen frdern knnte. Solange wir nachGottes Willen leben, knnen uns Nte und Schwierigkeiten nicht auf-halten. Das ist ja auch Ihre Auffassung. Nichts darf uns schaden oderGottes Plne hindern."
Nur in einem Punkt schienen die Jahre in China keine Vernderunggebracht zu haben. Noch immer besa er kein bleibendes Heim, keinestationre Arbeit und keine bestimmten Zukunftsplne. Wo und wie erendlich eine Arbeit aufbauen sollte, wute er jetzt ebenso wenig wie amAnfang. Doch den Weg des Glaubens kannte er besser. Er hatte gelernt,die Zukunft ruhig in den Hnden Gottes zu lassen, der nicht blo denAnfang, sondern auch das Ende kennt, der Seine Kinder leitet und weiterleiten wird. Tiefe Ruhe erfllte ihn, weil er sich nicht mehr Sorgen machteber das, was zwischen Anfang und Ende liegt. Was diese Zeit in Swatowfr ihn bedeuten sollte, welchen Raum sie in seinem Lebenswerk einneh-men wrde, konnte er nicht wissen. Er wute nur das eine, da der Herrdiese Tr fr ihn aufgetan hatte.
Im Blick auf Swatow", schrieb er vor seiner Abreise dorthin, erwar-ten wir vom Herrn Leitung und Besttigung. Es liegt bei Ihm, ob Er unsfrher oder spter oder nie mehr zurckbringen will. Weil wir keineeigenen Plne verfolgen, knnen wir darber nichts weiter sagen. MgeGott mit uns sein, uns gebrauchen und Seinen eigenen, groen Namenverherrlichen!"
Betend und vertrauend nherten sie sich der groen Provinz Kwang-tung und erreichten am 12. Mrz Double Island. Sie befanden sich nurnoch wenige Meilen von ihrem Bestimmungsort entfernt. Hier htten siein der Europersiedlung bleiben und von ihrer Geborgenheit aus das Fest-land, wohin sie gerufen waren, besuchen knnen. Doch weder WilliamBurns noch Hudson Taylor dachten daran, und nichts htte sie von ihremPlan abbringen knnen. Sie zogen weiter nach Swatow und wollten unterden Leuten wohnen, um deretwillen sie Schanghai verlieen. Die chine-sische Kleidung erwies sich als groe Hilfe. Obgleich es zu Anfang schien,als knnten sie nirgends unterkommen, erhrte Gott doch ihre Gebete undstrkte sie durch eine jener Vorsorgen", die Kinder Gottes oft erleben.
Swatow lag in das Delta des Hanflusses eingebettet und breitete sichan den beiden Fluufern aus. Es hatte wenig Raum zur Ausdehnung.Hunderte von Arbeitern waren bei ihrer Ankunft dabei, in aller EileHuser zu bauen. Die Nachfrage berstieg weit den Bestand an Husern.Deshalb konnten die Missionare vorerst keine Wohnung finden.
Nach zwei Tagen vergeblichen Suchens, in denen sie dankbar KapitnBowers' Gastfreundschaft annahmen, begab es sich", da sie mit einem
Kaufmann aus Kanton zusammentrafen, den Burns in seiner Mutter-sprache anredete. Dieser Fremde interessierte sich fr sie, weil er sichfreute, von einem Auslnder in chinesischer Kleidung ein solch ausgezeich-netes Kantonesisch zu hren. Und wiederum begab es sich", da sie durcheinen seiner Verwandten, den hchsten Stadtbeamten, eine Wohnungbekamen. Sie war allerdings klein und bestand nur aus einem einzigenRaum ber einem Weihrauchladen in einem dichtbesiedelten Viertel. Siewaren aber sehr froh, etwas gefunden zu haben, bevor Kapitn Bowersseine Rckfahrt nach Schanghai antreten mute.
Dieser aber war mit einer solchen Behausung fr seine Freunde nichtzufrieden, was wohl nicht verwundert. Seine Liebe und Bewunderung frBurns war so gro, da er den Gedanken kaum ertragen konnte, ihn ineiner solchen Umgebung zurcklassen zu mssen. Er berichtete einem ge-meinsamen Freund von seinem Besuch im Weihrauchladen:
Als ich seine Wohnung im rmsten und verkommensten Stadtviertelsah, sagte ich zu Burns: ,Aber, Mr. Burns, Sie knnen doch bestimmt nochetwas Besseres finden/ Da antwortete er mir lachend: ,Ich fhle michglcklicher unter dem Volk als daheim inmitten aller Bequemlichkeit.Hier brauche ich monatlich nur zehn Dollar fr meinen Unterhalt/
,Mr. Burns', rief ich entsetzt aus, ,das reicht nicht einmal fr meineZigarren!'"
Zehn Dollar! Ein einziger Raum, in den sie nur durch eine ffnungim Fuboden gelangen konnten! Doch hier lebten sie inmitten des Volkes,und Gott war mit ihnen. Den Raum teilten sie, so gut es ging, in dreiAbteilungen auf.
Mein Schlafabteil liegt sdwrts", schrieb Hudson Taylor zwei Wo-chen spter. Mr. Burns bewohnt den nrdlichen Teil, und das Mittel-stck benutzten wir zum Arbeiten. Bettcher und Bretter ersetzten dieWnde. Wir haben diesen Raum soeben ganz gemietet. Fr die Familiedes Hauseigentmers mu aber vorbergehend ein Durchgang abgetrenntwerden, bis andere notwendige nderungen am Haus vollendet sind.Man versprach uns fr die nchste Woche eine Falltr. Dann hoffen wir,mehr Stille zu haben. Unsere Betten bestehen vorlufig aus Brettern undder Tisch aus einem Kistendeckel, der auf zwei Bcherpaketen liegt.Natrlich besen wir lieber einen besseren, finden aber keinen in derStadt. Dazu gehren noch zwei Bambushocker und ein bequemer Bambus-stuhl. Dafr haben wir unsere Wohnung mit wenig Geld ausgestattet."
Hier also unter den schlimmsten und verkommensten Menschen wurdedas kleine Samenkorn in die Erde gelegt, das eine reiche Ernte bringensollte. Vor Jahren hatte hier ein Missionar der Basler Mission gelebt undunter schwierigsten Umstnden seinen Auftrag ausgefhrt. Von Ort zuOrt getrieben, hatte er die weite Umgebung kennengelernt und etwas vonder Liebe Christi und Seiner Geduld den Menschen vorgelebt. Als er 1852nach Hongkong zurckgetrieben wurde, hatte niemand seinen Platz
eingenommen. Seitdem war Swatow ohne die Botschaft des Evangeliumsgeblieben.
Mr. Burns konnte sich dank seiner Kenntnis des kantonesischen Dia-lekts sofort mit den Leuten verstndigen. Seinem Gefhrten fiel das Ein-laden schwer. Weil er aber den Leuten nahekommen wollte, mute erdiesen Dialekt schnellstens erlernen.
Kurz nach ihrer Ankunft schrieb Hudson Taylor an seine Mutter:
Wir finden hier viel Arbeit. Ich selbst bin zwar ganz untchtig dazu.Ich verstehe kein Wort. Hier mu ich von neuem anfangen. Das fllt mirschwer. Aber wenn wir nur von Gott gebraucht werden! Welch ein Vor-recht ist uns dann eingerumt! Bete fr mich und sorge Dich nicht meinet-wegen! Der Herr sorgt fr uns."
Htten Mutter und Freunde die Lage gekannt, wrden sie sich mitRecht gesorgt haben. Swatow war ein gefhrliches und schwieriges Ar-beitsfeld. Zwei schlimme, bereits erwhnte bel blhten hier unter demSchutz der Auslnder und machten dadurch jedem Chinesen den Anblickder Europer verhat. Hudson Taylor schrieb darber:
Hier werden monatlich ungefhr zweihundert Kisten Opium eingefhrt. JedeKiste enthlt vierzig Ballen von je zwei Pfund Gewicht. Somit gehen monatlich min-destens 16000 Pfund Opium durch diesen Hafen. Kein Wunder, da die Leute soschrecklich arm und unwissend und lasterhaft sind!
Es wird hier auch ein grausamer Sklavenhandel unter dem Namen Kulihandelbetrieben. Die Leute werden auf eine bestimmte Anzahl Jahre verpflichtet, aber nurwenige kehren jemals wieder zurck. Man bezahlt einen Vorschu und verspricht ihnen,sie knnten ein Vermgen verdienen. Auch mit noch schlimmeren Mitteln verleitetman sie. Sobald sie eingeschifft sind, wird dem Agenten fr jeden Burschen eine be-stimmte Summe ausbezahlt, whrend diese sich bald der schrecklichsten Art vonGefangenschaft bewut werden. Einige springen ber Bord. Meistens werden sie wiederaufgefangen und ausgepeitscht. Es gibt Schiffe, die dreihundertvierhundert Mnnerentfhren, andere sogar tausend. Viele sterben unterwegs, ehe sie ihr Ziel Kuba,Havanna, Callao erreicht haben. Der Schiffsarzt eines Schiffes, das mehrere hundertGefangene entfhrte, sagte, da nicht mehr als zwei Drittel die Reise berstehenknnen."
So war es denn auch nicht verwunderlich, da die Missionare nur mitviel Mhe Fu fassen konnten. Es lebten viele Hndler auf dieser Insel,die die Anstrengungen der beiden Fremden haerfllt und mitrauischverfolgten. Der bliche Schimpfname fremder Teufel" fand durchfremder Hund", fremdes Schwein" und noch schlimmere traurige Er-gnzungen. Es war fr die beiden Missionare demtigend und uerstschmerzlich.
In den umliegenden Stdtchen und Drfern verhielten sich die Leutefreundlicher, doch auch hier fanden sie die gleiche Armut und Verwahr-losung. Dazu waren die Leute leicht erregbar, so da jeder, der sich untersie mischte, in bestndiger Gefahr lebte. Auf ihren Landbesuchen httensie leicht gefangengenommen und als Geiseln festgehalten werden knnen.Oft wurde behauptet, das ganze Gebiet wre ohne Kaiser, ohne Regent
und ohne Gesetz". In einer kleinen Stadt, in der sie einmal predigten, warkurz vorher ein vermgender Mann aus einem benachbarten Stamm ge-fangengenommen worden. Weil er sich geweigert hatte, das geforderteLsegeld zu seiner Freilassung zu zahlen, war er grausam gefoltert wor-den. Zuletzt wurden ihm mit einem Knppel die Fuknchel zerschmet-tert. Daraufhin erhielten seine Peiniger, was sie gefordert hatten.
Es war einzig und allein Gott", schrieb Hudson Taylor, der uns voreiner solchen Behandlung bewahrte. Die Stdte sind mit Mauern um-geben. Darin wohnen zehn- bis zwlftausend Menschen, die stndig mitden Nachbarstdten im Krieg leben. Findet man in einer Stadt freund-liche Aufnahme, dann ist die nchste eine Gefahr. Wie deutlich erkanntenwir da Gottes Frsorge!"
Nur im Vertrauen auf Gottes Gegenwart vermochten die Missionareauszuhalten. Sie fanden viele Gelegenheiten, Licht in die Finsternis zubringen. Mr. Burns suchte Double Island wiederholt auf und hielt dortin englischer Sprache gutbesuchte Versammlungen. Taylor begleitete ihn,wenn er sich von seinem Sprachstudium freimachen konnte, und bereistezusammen mit ihm die Umgebung trotz der stndigen Gefahr. Die Hitzehatte bereits im Mai eingesetzt. Taylor litt unter dem sdlichen Klimamehr als Burns, der bereits daran gewhnt war.
Schlimmer als die Hitze, die schlaflosen Nchte und alle Mhsal be-drckte die beiden die sie umgebende Snde, und was diese an Leid mitsich brachte.
Hier herrscht die Snde ganz offensichtlich. Die Frauen sind wie immer die Be-dauernswertesten und Hilflosesten. Sie erfahren eine Behandlung, als besen sie keineSeele. Mdchen werden hier als Nebenfrauen oder Sklavinnen verkauft. Von Aus-bildung ist keine Rede. Verheiratete oder ganze Familien gibt es nur wenige im Ver-gleich zur Bevlkerungszahl. Die Mehrzahl der Frauen ist unglcklich. Ich sage bewutunglcklich, denn sie werden zu einem furchtbaren Leben aufgezogen und verkauft.Sie sind absolutes Eigentum der Mnner, die sie gekauft haben. Viele hassen dieses Los,knnen ihm aber nicht entfliehen. Erst vor einigen Nchten brachten mich herz-zerreiende Schreie zweier Frauen beinahe in Verzweiflung. Als ich am Morgen jeman-den danach fragte, hie die Antwort, es wren wahrscheinlich in ein nahegelegenesHaus neue Frauen hinzugekauft und durch Folterungen zur Unterwerfung gezwungenworden. ,Und das', fgte der Befragte hinzu, ist hier nichts Auergewhnliches.' DasSchreien dauerte zwei Stunden an. Die Armen! Die Armen!
Dies ist allerdings kein passendes Thema fr Dich. Doch wenn Du nie etwas davonhrst, kannst Du auch mit den Frauen kein Mitleid empfinden oder fr sie beten.Europische Frauen sind sich kaum dessen bewut, was sie dem Evangelium verdanken.Wie wenige lieben Jesus so tief, da sie die Heimat verlassen, um hier ,das Ver-lorene zu suchen'! Gewi bedeutet es Opfer. Aber keine Frau mte so tief hinunter-steigen, wie Jesus es fr sie tat."
Die Missionare hielten Monat um Monat aus. Gottes Gegenwartstrkte sie. Hudson Taylor war viel allein, whrend sein Gefhrte uner-mdlich unterwegs war. Die Nachbarn und alle, die in den Weihrauch-laden kamen, beobachteten ihn genau und erkundigten sich nach allenEinzelheiten seines Lebens. Darber berichtete drei Jahre spter auf einem
Jahresfest der CEG in der Heimat ein spterer Mitarbeiter von Burns,Dr. De la Porte:
Ich hatte die Freude und Ehre, einen Ihrer Missionare, Mr. HudsonTaylor, kennenzulernen. ber seinen Eifer und seine Hingabe kann ichnur das beste Zeugnis abgeben. Oft sah ich diesen jungen Mann abendserschpft und mit wunden Fen heimkehren. Sein Gesicht war jedes-mal durch die Sonnenstrahlen von Blasen bedeckt. uerst erschpft warfer sich dann auf sein Lager, um schon nach wenigen Stunden Ruhe wiederdie mhevolle Arbeit eines neuen Tages zu beginnen. Die Chinesen habenihn hoch geachtet, weil er ihnen viel Gutes tat. Er lebte als ,ein Wohl-geruch Christi' unter ihnen."
Sechs Monate Zusammenarbeit lagen bereits hinter ihnen. Keiner derbeiden ahnte, wie bald diese ein Ende finden sollte. Die sie umgebendeNot war so entsetzlich und die Hilfe, die sie in ihrem gemeinsamen Diensterleben durften, so offensichtlich, da sie fr die Zukunft Groes erwar-teten. Swatow war aber nur eins der bedrftigen Felder in dem so un-endlich weiten China. Es mute noch ein greres Werk getan werden.Dazu bereitete der Herr den Weg, um den Gebieten, mit denen Er ihreHerzen besonders belastete, weitreichenden Segen zu schenken. Er hatteWilliam Burns fr Swatow und andere strategisch wichtige Punkte in dengroen, an das Meer grenzenden Provinzen und Hudson Taylor fr dasweite Inland Chinas bestimmt. Das war der Plan dessen, der das Endeso klar wie den Anfang sieht. Bald also sollten die Tage ihrer gemein-samen Arbeit ein Ende finden.
Mitte Juni kehrte Burns von der Nachbarstadt Ampo zurck, wo erzehn Tage verbracht hatte. Es war eine ermutigende Zeit gewesen an die-sem geschftigen, wichtigen Ort. Nicht nur hatte ein stndiger Strom vonBesuchern seine Bcher sehen und solche kaufen oder sich mit ihm unter-halten wollen, sondern es hatten sich zu seiner groen Freude auch einigewirklich fr seine Botschaft interessiert. Tglich hatten sie sich zu denregelmig durchgefhrten Morgen- und Abendandachten bei ihm einge-funden. Die Rckkehr nach Swatow war ihm deshalb nicht leicht gefallen.Nun aber verhinderten stndige Regengsse eine Arbeit auerhalb desHauses. So blieb ihnen jetzt Zeit zum Gebet und zur ausfhrlichen Lage-besprechung.
Am Ende der Woche erkrankte Hudson Taylor. Die Hitze in denengen Rumen zehrte an seinen Krften. Sie bewohnten das Obergeschonicht mehr allein. Ihre chinesischen Helfer teilten es mit ihnen.
Sobald das Wetter sich besserte, kehrte Burns mit seinen Helfern nachAmpo zurck. Er wute, da er sich diesmal fr lngere Zeit von seinemenglischen Freund trennen mute. Noch lag die heieste Sommerzeit vorihnen. Darum durfte Hudson Taylor in seinem geschwchten Zustandnicht in Swatow bleiben. Auch die Arbeit schien einen Besuch in Schanghaintig zu machen.
Noch immer hatten sie keine Predigthalle errichten knnen. Die Ein-heimischen mitrauten den Fremden zu sehr, als da sie ihnen einen Raumzur Evangeliumspredigt berlassen htten. Rume zur Krankenbehand-lung, ja, das wre etwas anderes, meinten sie. Der auslndische Arzt warberall gern gesehen, und wenn er dabei etwas von seiner Religion sagenmute, nun, das nahm man in Kauf, waren doch seine Arzneien gut. Alsokonnte man ruhig ein Auge zudrcken.
Weil man auch in Swatow so dachte, beschlossen die beiden Freunde,hier ein Krankenhaus oder wenigstens eine Poliklinik zu erffnen. Natr-lich beteten sie um klare Weisung vom Herrn. Als dann der Haupt-mandarin schwer erkrankte und die einheimischen rzte ihm nicht helfenkonnten, ergab sich die Frage, ob Hudson Taylor nicht aus Schang-hai seine Instrumente und Medikamente holen sollte. Auf irgendeineWeise hrte der Kranke, da einer der beiden Fremden ein Arzt sei.Darum bat er Taylor zu sich und berlie sich seiner Behandlung. Siewar erfolgreich. Sobald der Mandarin gesund war, riet er den Missiona-ren, in Swatow eine Praxis zu erffnen, damit sie auch andern helfenknnten. Durch die Vermittlung des Mandarins fanden sie auch einebessere Wohnung. Das schien die Besttigung fr ihren Plan zu sein.
Schweren Herzens trennte sich Hudson Taylor von seinem Freund.Hat er wohl geahnt, da es ein Abschied fr immer sein wrde? Aber weilihm in diesen Tagen von einem englischen Kapitn freie berfahrt ange-boten wurde, nahm er dies als Gottes Fhrung an. Es schien wirklich so,als ob ihnen fr eine erfolgreiche Arbeit einzig die rztliche Ausstattungfehlte, die in Schanghai bereitlag.
Anfang Juli trennten sie sich. Voll Dankbarkeit fr die Vergangenheitund Hoffnung fr die Zukunft befahlen sie sich gegenseitig der Frsorgeund Bewahrung Gottes an.
Diese glcklichen Monate bedeuteten mir unaussprechliche Freude und Trost",schrieb Hudson Taylor lange nachher in Erinnerung an die Zeit mit William Burns.Sein bestndiger Umgang mit Gott machte die Gemeinschaft mit ihm beraus kostbar.Seine Berichte ber die erlebten Erweckungen und Verfolgungen in Kanada, Dublinund Sdchina waren sehr lehrreich und interessant, denn mit wahrer gttlicher Weis-heit erkannte er in allem Schweren die Absicht Gottes, und das lie mich das ganzeLeben unter einem neuen Gesichtswinkel sehen und schtzen. So sprach er berEvangelisation als eine wichtige Aufgabe der Gemeinde Jesu Christi, ferner ber Ein-setzung von Laienevangelisten als verlorengegangene Ordnung, die nach der Schriftwieder eingefhrt werden mte. Diese Gedanken erwiesen sich in der spteren Organi-sation der China-Inland-Mission als fruchtbare Saat."
Sie sollten sich nie wiedersehen. Dunkle Wolken zogen sich ber Sd-china zusammen, die schon sehr bald zu einem Krieg fhrten. Auf einemBoot in der Nhe von Swatow wurde Burns gefangengenommen undunter Bewachung ber Flsse und Kanle in einer einunddreiigtgigenFahrt nach Kanton gebracht und dort den britischen Behrden aus-geliefert. Als er nach Monaten wieder nach Swatow zurckkehrte,
begegnete man ihm mit groer Freundlichkeit. Er konnte dort ein blei-bendes Werk aufbauen. Bekannt unter dem Namen Der Mann mit demBuch" konnte er frei aus und ein gehen. Er war der vertraute Freund derEinheimischen in einer Zeit, in der alle andern Europer in ihre Huserverbannt wurden und wegen ihrer Mitschuld am Kulihandel in groerGefahr lebten. Die Swatow-Mission der English Presbyterian Churchblhte dort lange Zeit als eine Frucht jener Vorarbeit.
Nachdem Mr. Burns die Anfangsschwierigkeiten berwunden sah,wandte er sich andern Arbeitsfeldern zu. So kam er nach Peking, wo ersich vier Jahre der evangelistischen und literarischen Arbeit widmete.Dann wandte sich der Missionsveteran, dem Leitgedanken seines Lebensfolgend, noch einmal neuen Aufgaben zu. Nrdlich der Groen Mauerlag eine beinahe unbekannte Welt die weiten, fruchtbaren Ebenen derMandschurei. Mit einem einzigen chinesischen Helfer begab er sich aufdie Reise. Sein Leben und seine Lehre beeindruckten den Kapitn derDschunke, auf der er sich befand, so tief, da er kein Fahrgeld von demManne entgegennehmen wollte, durch dessen Gegenwart er gesegnet wor-den war.
Dann kamen die letzten Tage, da Gott Sein Siegel auf dieses Lebenmit seiner einmaligen Hingabe drckte. Vier Monate lang hatte er hartePionierarbeit getan, sonntags fr eine kleine Schar Auslnder in der Frem-denkolonie Gottesdienste gehalten und an den Wochentagen im Einge-borenenviertel, wo er wohnte, evangelisiert. Dann brachte eine Krank-heit, wohl die Folge einer Erkltung, das stille, unerwartete Ende. Rev.W. C. Burns starb am 4. April 1868, drei Jahre nach Grndung derChina-Inland-Mission.
Bis zuletzt einsam unter den Chinesen, richtete er noch kurz vor seinemSterben in weiter Ferne das Kreuz auf, wohin bisher noch kein Bote desEvangeliums Licht gebracht hatte. Nichts anderes htte besser in seinenLebensplan gepat, und nichts htte seinem Herzenswunsch nher gelegen.
Hudson Taylor dachte nur an eine kurze Zeit der Abwesenheit vonSwatow, als er sich von William Burns trennte. Bei seiner Ankunft inSchanghai mute er jedoch zu seinem Entsetzen vernehmen, da dieHuser der LMS einem Brand zum Opfer gefallen waren. Sollte tatsch-lich seine ganze rztliche Ausstattung mit verbrannt sein? Was dann? Wiekonnte er ohne Medizin nach Swatow zurckkehren, wo doch alles aufeine rztliche Ttigkeit zu warten schien? Woher sollte er eine neue Aus-rstung bekommen? In Schanghai konnte er sich keine verschaffen, dennhier wurden eingefhrte Dinge zu unerhrten Preisen verkauft. Sechs bisacht Monate wrden verstreichen, bis sie ihn aus der Heimat erreichte.Er empfand seine Lage so wie einst Jakob, der von seinem Erleben sagenmute: Alle Dinge sind gegen mich." Doch in frohem Vertrauen er-kannte auch er, da denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienenmssen". Er berichtete spter: Meine Enttuschung war so gro, und die
Prfung erschien mir so hart, weil ich noch nicht gelernt hatte, Gott alsUrquelle alles Guten zu ehren. In Ihm weben und sind wir ja, und allegroen und geringen Dinge werden von Ihm zugelassen."
Er begab sich nach reiflicher berlegung nach Ningpo, um sich von Dr.Parker beraten und helfen zu lassen. Sollte es diesem mglich sein, ihnenetwas von seinem Vorrat an Medikamenten abzugeben, dann wrde demBeginn einer Praxis nichts im Wege stehen. In dieser Hoffnung reisteHudson Taylor in die benachbarte Stadt.
Es begann aber fr ihn eine neue Welle von Schwierigkeiten. Auf demWege nach Ningpo machte sich der Diener mit dem Gepck des Missionarsdavon. Hudson Taylor erfate die Lage nicht sogleich. Er meinte, siehtten sich miverstanden. Deshalb begab er sich auf die Suche nachJo-shi, verbrachte eine ungemtliche Nacht in einem Gasthaus und dienchste auf den Stufen eines Tempels, nachdem er vergeblich eine bessereUnterkunft gesucht hatte. Es war kurz nach Mitternacht, als er mit wund-gelaufenen Fen erschpft auf eine der Stufen sank.
... und nachdem ich mein Geld unter meinem Kopf versteckt hatte und beinaheam Einschlafen war, bemerkte ich jemanden, der sich mir behutsam nherte. Er schlichsich ganz nahe an mich heran und betrachtete mich. Er wollte wohl sehen, ob ich schonschliefe. Es war so dunkel, da er nicht merkte, wie meine Augen jeder seiner Be-wegungen folgten. Dann begann er mich zu betasten. Ich sagte ganz ruhig: .Was willstdu denn?' Er antwortete nichts darauf, sondern entfernte sich.
Wie dankbar war ich, als ich ihn verschwinden sah! Nachdem er auer Sicht war,steckte ich alles Geld, das nicht in meiner Tasche Platz fand, so hoch wie mglich inmeinen rmel hinauf und benutzte einen Steinvorsprung in der Mauer als Kopf-kissen. Bald schlummerte ich ein, wurde aber durch leise Futritte von zwei sich mirnhernden Mnnern geweckt. Ich war sofort hellwach. Meine Nerven muten wohlberreizt gewesen sein, so da das leiseste Gerusch mich erschreckte. Ich wandte michan den Herrn um Bewahrung. Er allein konnte mich jetzt schtzen, und ich lag dannganz still, bis einer der beiden auf mich zukam und unter meinem Kopf nach Geldsuchte. Ich sagte wieder etwas, worauf die beiden sich zu meinen Fen hinsetzten.Ich fragte sie, was sie vorhtten. Sie antworteten, sie wollten wie ich die Nacht aufder Tempeltreppe zubringen. Daraufhin bat ich sie, sich doch auf der anderen Seiteniederzulassen, denn es wre gengend Raum. Aber sie wichen nicht. Ich richtete michdann auf und blieb mit dem Rcken an die Wand gelehnt sitzen.
,Du solltest dich niederlegen und schlafen', sagte einer der Mnner, ,sonst kannst dumorgen nicht arbeiten. Frchte dich nicht; wir werden nicht von dir weichen und auf-passen, da dir keiner etwas zuleide tut.'
,Ich brauche euren Schutz nicht', antwortete ich, ,den habe ich wirklich nicht ntig.Eure Gtzen verehre ich nicht. Ich bete Gott an. Er ist mein Vater, und ich vertraueIhm. Ich wei genau, was ihr im Sinn habt, und werde nicht schlafen, sondern euchbeobachten.'
Daraufhin entfernte sich der eine, um kurz danach mit einem weiteren Gefhrtenzurckzukehren. Da bekam ich doch Angst und schrie innerlich zu Gott um SeinenBeistand. Manchmal kam einer der Mnner dichter an mich heran, um zu sehen, ob ichnicht vielleicht doch eingeschlafen sei.
,Denke ja nicht, da ich schlafe', sagte ich.
Jedesmal, wenn mein Kopf vornber sank, erhob sich einer der drei. Aber immerwieder wurde ich sofort munter und sagte irgend etwas. Nur langsam schlichen die
Stunden dahin. Um mich wach zu halten, sang ich Lieder, wiederholte Bibelstellen undbetete laut zum rger meiner Gefhrten, die sicher viel darum gegeben htten, wenn ichdoch noch eingeschlafen wre. Dann belstigten sie mich nicht mehr. Kurz vor derMorgendmmerung schlichen sie sich fort, und ich konnte noch etwas schlafen.
Pltzlich wurde ich von einem jungen Mann aufgeschreckt, der Geld von mir for-derte. Augenblicklich war ich vllig wach. Ganz auer mir packte ich seinen Arm unddrohte ihm, er sollte es nur nicht wagen, mich mit einem Finger zu berhren. DerMann war ganz bestrzt und lie mich in Ruhe."
Hudson Taylor versuchte noch einmal, etwas von seinem Diener undseinen Sachen zu erfahren, konnte aber keine Spur entdecken und mutesich mit der Tatsache abfinden, da sie endgltig verloren waren. Es bliebihm nichts anderes brig, als nach Schanghai zurckzukehren. So wanderteer denn nach Shi mun-uan, wo er ein Boot zu finden hoffte, das Reisendeaufnehmen konnte. Dort angekommen, erfuhr er, da keins fahren knne,weil das Flubett fast ausgetrocknet war.
Er besa nur noch wenig Geld. Ob ihn wohl am Kanal ein Privatbootmitnehmen wrde? Schlielich sah er in einer Biegung des Kanals einPostboot auftauchen.
Ich nahm an, da dies eins der Ka-shingboote war, und rannte, soschnell ich konnte und meine wundgelaufenen Fe und die groe Mattig-keit es erlaubten, auf das Boot zu.
,Fahrt ihr bis nach Ka-shing-fu?' rief ich, so laut ich konnte.
,Nein!'
,Fahrt ihr wenigstens in dieser Richtung?'Nein!*
,Seid ihr bereit, mich mitreisen zu lassen, so weit ihr fahrt?',Nein!'
Vollstndig entmutigt und erschpft sank ich ins Gras und verlor dasBewutsein."
Als er wieder zu sich kam, hrte er Stimmen. Leute an Bord einerDschunke auf der gegenberliegenden Seite des Kanals unterhielten sichber ihn. Er spricht reinen Schanghai-Dialekt", hrte er jemanden sagen.An ihrer Sprache merkte er, da es Schanghaileute waren. Sie nahmen ihnin ihr Boot auf. Seine Erlebnisse weckten groes Mitgefhl. Spter fandsich ein Boot, das nach Schanghai unterwegs war. Der Eigentmer derDschunke sorgte dafr, da Hudson Taylor mitreisen konnte.
Dieser Herr ist ein Auslnder aus Schanghai, der von seinem Dienerhintergangen wurde und all seine Habe verloren hat", erklrte er. Wennihr ihn bis zu eurem Reiseziel mitfahren lat, so wird er euch in Schanghaialles zurckerstatten. Ich selbst brge fr ihn. Sollte der Herr euch dieReise nicht bezahlen, dann werde ich es bei eurer Rckkehr tun."
So befand er sich drei Wochen nach seiner Abreise von Ningpo wiederan seinem Ausgangspunkt. Sein Bericht ber Samstag, den 9. August,lautet:
Ungefhr um acht Uhr morgens erreichte ich Schanghai und das gast-liche Haus Mr. Wylies von der LMS. Hinter mir lag die Reise vollerBarmherzigkeit Gottes, aber auch mit vielen Schwierigkeiten. Nie zuvorfand ich so viele Gelegenheiten zum Predigen. Obgleich der letzte Teil derReise nicht gerade gemtlich verlief, wurde ich dadurch ganz besondersgesegnet. Ich vertraue dem Herrn, da das gepredigte und ausgestreuteWort zur Ehre Gottes Frucht tragen wird."
Da er inmitten solcher Erfahrungen das Wort dennoch freudig wei-tergab, ist bestimmt auf ein Erlebnis zurckzufhren, wo Gott SeinemDiener in der Verborgenheit des Herzens neu begegnete. Das geschahwohl nach der auf der Tempeltreppe verbrachten Nacht, als er sich aufdem Weg nach Shi mun-uan dahinschleppte.
Ich war auf dem Rckweg nach dem Sdtor, wo ich mich zwei Tage vorher vonmeinem Diener und den Kulis getrennt hatte. Auf meinem Weg sann ich ber dieGte Gottes nach und erinnerte mich, da ich die Bitte an Gott um eine Unterkunftfr die Nacht unterlassen hatte. Ich fhlte mich innerlich auch bestraft, weil ich michso sehr um meine wenigen Habseligkeiten gesorgt hatte, whrend die vielen Seelenum mich herum mich kaum bekmmert hatten. Ich kam zu Jesus als Snder, bat umVergebung und Reinigung durch Sein Blut und war mir bewut, da Er mich erhrthatte. Welche Tiefe der Liebe! Ich empfand sie so ganz neu. Jetzt wute ich etwasmehr davon, was es heit, verachtet und von Menschen verstoen zu sein und nicht zuwissen, wo man sein Haupt hinlegen soll. Ich fhlte deutlicher denn je die Liebe, dieJesus zum Verlassen Seines Vaterhauses in der Herrlichkeit trieb. Er litt fr mich, nein,Er gab sogar Sein eigenes Leben am Kreuz fr mich dahin. Ich erinnerte mich an Ihnals ,den Allerverachtetsten und Unwertesten, voller Schmerzen und Krankheit'. Ich sahIhn mde, hungrig und durstig am Jakobsbrunnen sitzen, jedoch in vlligem Einsseinmit des Vaters Willen, und verglich dies alles mit meiner geringen Liebe. Darummeine Bitte um Vergebung sowie um Gnade und Kraft zum Ausfhren Seines Willenszur Nachfolge in Seinen Fustapfen und zu einer vlligen Hingabe."
Was aber sollte mit dem Diener geschehen? Es handelte sich doch offen-sichtlich um Diebstahl, wie Jo-shis Briefe spter bezeugen. Es wre nunein leichtes gewesen, die Sache vor Gericht zu bringen, damit nach seinemEigentum geforscht wrde. Hudson Taylors Freunde forderten Bestra-fung. Je lnger er selbst ber die Sache nachsann, desto mehr schreckte ervor einem solchen Schritt zurck.
Er hatte viel fr Jo-shis Bekehrung gebetet. Es wre wohl nicht nachGottes Willen gewesen, ihn nun grausamen, geldgierigen Unterbeamtenauszuliefern. Die htten ihn nur zu gern gefangengenommen, um Geldvon ihm zu erpressen. Hudson Taylor schlug den andern Weg ein, er-achtete er doch die Seele wertvoller als die gestohlenen Sachen. Mitte Maischrieb er:
Ich habe Jo-shi einen liebevollen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, da unssein Vergehen bekannt sei und er die Folgen tragen msse. Eigentlich htte ich ihngerichtlich suchen und bestrafen lassen wollen. Weil Jesus aber gebiete, Bses mitGutem zu vergelten, wolle ich nicht, da ihm ein Haar gekrmmt werde.
Ich schrieb weiter: ,Du fgst Dir selbst durch Dein Handeln Schaden zu. Ich binbereit, Dir alles zu vergeben, mchte Dich aber herzlich bitten, doch dem kommenden
gttlichen Gericht zu entfliehen. Ich glaube nicht, da Du Bcher und Papiere in einerfremden Sprache behalten willst, denn sie ntzen Dir nichts und haben fr Dichkeinen Wert. Mir aber bedeuteten sie sehr viel. Sende sie mir bitte zurck!' Wenndoch nur sein Gewissen erwachen und seine Seele gerettet wrde! Das wre tausend-mal wertvoller als alles, was ich verlor. Bitte, betet fr ihn!"
Nachdem diese Sache ins reine gebracht war, mute er sich noch einmalnach Ningpo begeben, um fr Swatow die ntigen medizinischen Hilfs-mittel bei Dr. Parker abzuholen. Diesmal verlief die Reise ohne Zwi-schenflle. Noch ehe er Schanghai verlie, erhielt er einen Brief, der ihnseiner Geldsorgen enthob. Schon der Verkauf seiner Mbel hatte ihmetwas Geld eingebracht, und nun, ausgerechnet vor seiner Abreise, kamdieser unerwartete Brief, der acht oder zehn Wochen unterwegs gewesenwar: Bitte, nehmen Sie den eingeschlossenen Wechsel als ein Zeichen derLiebe von meiner Frau und mir!"
Dies war der erste Brief, den er nach dem Verlust seiner Habe erhielt.
Ningpo, die Stadt der friedlichen Wellen", wurde nun fr siebenWochen sein Arbeitsfeld. Mit Begeisterung nahm er die Zusammenarbeitmit Dr. Parker wieder auf. Die Erfahrungen des vergangenen Jahres inChina hatten ihn die Arbeit anderer Missionare mehr schtzen gelehrt.Es wurde ihm, wie nie zuvor bewut, welche Vorzge ein Unternehmenunter verhltnismig freundlich gesinnten Menschen hatte, die die Mis-sionare nicht haten, weil sie Auslnder waren. Obwohl es auch in Ning-po viel Aberglauben gab, konnte er hier doch ein Suchen und Fragen nachder Wahrheit des Evangeliums feststellen. Und dann die Gemeinschaftmit den Missionaren! Wie kstlich, wieder in eine harmonische und tch-tige Arbeiterschar eingereiht zu sein!
Von diesen Freunden in wahrhaft grozgiger Weise aufgenommen,hatte Dr. Parker unter den Auslndern der Kolonie eine Arztpraxis er-ffnet. Was er dabei verdiente, lie er der rztlichen Mission zuflieen.Trotz aller Arbeit, die ihm wenig Zeit zum Sprachstudium lie, be-herrschte er den Lokaldialekt erstaunlich gut. Wenn er sich auch sorgfltigum ihre krperlichen Nte kmmerte, so ging es ihm doch vor allem umdas geistliche Wohl seiner Patienten. Er wurde darin von den englischenund amerikanischen Missionaren untersttzt, die abwechslungsweise dasPredigtamt in der Apotheke bernahmen. (Es wurden whrend der erstenzwlf Monate im provisorischen Krankenhaus 9000 Patienten behandelt.)Alle, die Jesus im Glauben aufnahmen, konnten sich der Kirche ihrerWahl anschlieen. Dr. Parker beeinflute niemanden, denn er war mitallen Kirchen einverstanden.
Von freiwilligen Gaben hatte er ein Stck Land auf der Stadtseite desFlusses am Ufer der groen Wasserstrae in der Nhe des Salztores er-worben. Eine gnstigere Lage htte er kaum fr sein Krankenhaus findenknnen. Der tchtige Arzt hatte bereits mit dem Bau begonnen.
Trotz aller Vorzge der Zusammenarbeit und der Gemeinschaft mit
den andern Missionaren fhlte sich Hudson Taylor dorthin gezogen, wo-hin das Evangelium noch nicht gekommen war. So rstete er sich denn zuseiner Rckreise nach Swatow zu seinem Freund William Burns, ehe derMonat zu Ende gegangen war. Dr. Parker hatte ihn mit Medikamentenversorgt, die Taylor mit Mr. Bergers Geld bezahlen konnte. Erfrischtdurch den Wechsel in der Arbeit und der Umgebung stand er im Begriff,sich mit Mr. und Mrs. Jones und ihrem Shnchen auf den Rckweg nachSchanghai zu begeben. Sie wurden jedoch daran gehindert, denn befreun-dete Missionare einer andern Mission baten sie, die Reise mit ihnen zu-sammen etwas spter anzutreten.
Hudson Taylor konnte die Bitte nicht abschlagen, obgleich er den Auf-schub bedauerte. Es verging eine ganze Woche, bis sie aufbrechen konnten.Als sie endlich auf ihren Booten waren, wurden sie durch ungnstigeWinde weiter aufgehalten und kamen nur sehr langsam vorwrts. Zuallem andern erkrankte Mr. Jones auf der Reise. Erst im Oktober erreich-ten sie Schanghai. Nachdem Hudson Taylor fr alle Reisenden eine Un-terkunft besorgt hatte, brachte er seine Sachen an Bord des Dampfers, dernach Swatow auslaufen sollte.
Gott hatte es so gefgt, da es das Schiff von Kapitn Bowers war.Dieser begrte den jungen Missionar mit groer Freude als einen derPassagiere seines Schiffes. Die Geelong" lag zur Abfahrt bereit. Da ge-schah noch etwas Unerwartetes. Ein Mitglied der LMS suchte HudsonTaylor in aller Eile auf und berreichte ihm einen Brief. Darin schriebMr. Burns:
Wenn Hudson Taylor nicht bereits unterwegs ist, dann teile ihm denInhalt des Briefes sogleich mit!"
Konnte es wahr sein, da William Burns gefangengenommen und nachKanton berfhrt worden war? Was sollte das bedeuten? Auch die chine-sischen Helfer befnden sich im Gefngnis, hie es weiter, und stndenin Lebensgefahr. Und die britischen Behrden verbten ihm selbst, nachSwatow zurckzukehren.
Hudson Taylor war fassungslos. Erst der Brand, dann der Verlustseiner Habe, darauf der Besuch in Ningpo mit seiner verspteten Abreiseund nun im letzten Augenblick eine verschlossene Tr.
Da wartete aber auch Mr. Jones, sein kranker Bruder, auf die baldigeRckkehr nach Ningpo, woher sie gerade kamen. Ihn htte er allein zu-rcklassen mssen.
So blieb nichts anderes brig, als zurckzukehren. Jetzt schien sich derbisher so klare Weg in vlligem Dunkel zu verlieren.
EBENEZER UND JEHOVA JIREH18561858
Wie eigenartig verengt sich doch zuweilen der Lebensweg! HudsonTaylor schrieb viele Jahre spter ber diese Zeit:
Es ist interessant zu sehen, wie Gott die verschiedenen Ereignisse soanordnete, da sie in die gleiche Zeit fielen und dadurch meine Rckkehrnach Swatow verhindert wurde. Ich konnte damals nicht wissen, da dasZerschlagen all meiner Plne und die Beendigung einer kostbaren Part-nerschaft in der Arbeit ein Hhepunkt meines Lebens auf menschlicherEbene werden sollte. Dadurch wurde ich in eine Verbindung gefhrt, dieam besten zu mir selbst und zu meiner Lebensaufgabe pate." GottesHand lag auf der Trklinke. Die geschlossene Tr gehrte zu SeinemPlan und mute zum Besten Seines Dieners und zur Vollendung Seinereigenen groen Ziele dienen.
Maria Dyer war von tiefer, feinfhliger Art. Einsam von Kindheitan, hatte sie sich schon immer nach einer wirklichen Herzensfreundschaftgesehnt. An ihren Vater konnte sie sich kaum erinnern, und von ihrergeliebten Mutter wute sie wenig. Diese starb, als Maria zehn Jahre altwar. Mit ihrem Bruder und einer Schwester hatte sie nach dem Tod derMutter Penang verlassen. Ein Onkel nahm die drei Waisen auf undsorgte fr ihre Ausbildung. Die meiste Zeit verbrachten sie in Internats-schulen.
Der Ruf nach China erreichte sie durch Miss Aldersey, die fr ihreSchule in Ningpo eine Lehrerin brauchte. Beide Schwestern bewarben sichum diesen Posten. Es ging ihnen dabei nicht um Missionsarbeit, aber siewuten, da ihre Eltern diesen Weg gutgeheien htten. So jung siewaren, hatten sie doch bereits Erfahrungen in ihrem Beruf. Weil siekeine Entschdigung beanspruchten und sich auch nicht voneinander tren-nen wollten, lud Miss Aldersey beide Schwestern zur Mitarbeit ein.
Maria, die Jngere, konnte diese Reise nie wieder vergessen, denn sieerlebte damals, was es heit, in den Frieden Gottes einzugehen. Bisherhatte sie sich ernstlich bemht, aus eigener Kraft Christ zu sein, dabei aberstets empfunden, da ihr das eine, das not tut", noch fehlte, und nacheiner Antwort gesucht. Nun richteten sich ihre Gedanken nur noch aufChristus und Sein Erlsungswerk, die einzige Grundlage der Vergebung,zu der weder unsere Gebete noch unsere Anstrengungen etwas beitragenknnen, die wir aber annehmen mssen. Es ging ihr nur langsam auf, dasie erlst war, da ihr vergeben und sie von ihren Snden gereinigt wor-den war, weil Jesus an ihrer Stelle starb. Gott hatte Jesus als Stellver-treter und Erretter anerkannt, und sie selbst durfte diesen Erlser einfachim Glauben annehmen. Schlicht und vertrauensvoll wie ein Kind wandtesie sich von allem ab, was nicht zu Ihm pate. An Gottes Wort zweifeltesie nicht. Wenn Er sagte: Es ist nichts Verdammliches an denen, die in
Christus Jesus sind", dann mute es doch stimmen. Und sie erlebte es,da Sein Geist unserm Geist Zeugnis gibt, da wir jetzt GottesKinder sind".
Diese echte Umkehr mit allem, was ihr dadurch geschenkt wurde, be-fhigte sie nun zum Missionsdienst. Dieser war alles andere als das phil-anthropische Unternehmen, zu dem sie sich aus Liebe zu den Eltern ent-schlossen hatte. Es war ein natrlicher und notwendiger Ausdruck ihrertiefen, zunehmenden Liebe zu Jesus Christus, ihrem Erlser, Herrn undKnig. Er hatte fr sie alles neu gemacht, und das fr Zeit und Ewigkeit.Das Wenigste, was sie nun fr Ihn tun konnte, war eine vllige Hingabeihres Lebens an Ihn. Darum nahm sie mit einem ihr bisher unbekanntenFrieden ihren reichen, oft schwierigen Dienst in Miss Alderseys Schule auf.
Diese Schule war ein vorbildliches Institut", schrieb Dr. W. Martin,spterer Rektor der Universitt Peking. Drei Jahre diente ich auf MissAlderseys Wunsch ihrer Hausgemeinde als Seelsorger. Ich erinnere michgern an die Energie, die diese seltene Frau trotz ihrer schwachen Kraftund mancherlei Gebrechen auszeichnete. Sie machte auf die glubigen undheidnischen Chinesen einen tiefen Eindruck. Letztere glaubten allerdings,Miss Aldersey sei als Abgesandte Englands nach China gekommen, weilEngland von einer Knigin regiert wurde. Sie stellten sogar die Behaup-tung auf, der britische Konsul gehorche jedem ihrer Befehle.
Erdbeben schrieben die Leute entsetzt einer magischen Kraft zu, dievon Miss Aldersey ausgehen sollte. Bei ihrem tglichen Spaziergang oft vor Sonnenaufgang auf der Stadtmauer sah man sie eine Flascheffnen, in der sie wie die Leute behaupteten bestimmte Geistergefangenhielt. Diese sollten Macht haben, die Erdpfeiler zu erschttern,wenn sie der Flasche entstrmten.
Es ist eigentlich nicht verwunderlich, da so von ihr gedacht wurde.Ihre eigenartigen Gewohnheiten muten etwas Unheimliches vermutenlassen, wanderte sie doch jahraus, jahrein in der Morgenfrhe auf derStadtmauer umher. Sie tat dies mit einer solchen Pnktlichkeit, da wh-rend des Winters jemand sie mit einer Laterne begleiten mute. EineFlasche, die sie stndig bei sich trug, enthielt tatschlich ,starke Geister*.Es handelte sich um Hirschhornwasser, das ihr von ihren KopfschmerzenBefreiung verschaffte, aber sie auch vor blen Gerchen schtzte. Weilsie sich im Sommer nie von ihrer Schule trennen und am Meer Erholungsuchen wollte, pflegte sie tglich die neun Stockwerke der Pagode hinauf-zusteigen, um wahrend der langen, heien Nachmittagsstunden den fri-schen Meereswind einatmen zu knnen. Stndig lie sie sich von einigenSchlerinnen begleiten, damit keine Zeit ungentzt verstrich. Sie ging sosparsam mit der Zeit um, da ihr Schlerinnen sogar whrend ihrerMahlzeiten vorlesen muten.
Ich kann wirklich sagen, da ich unter der groen Zahl hingebungs-voller Frauen, die in und fr China arbeiteten, keine edlere fand."
Fr ein junges Mdchen wie Maria war das kein leichter Posten. Ge-wi, sie lebte mit ihrer Schwester zusammen und fand im Missionarskreisin Ningpo einige Freundinnen. Sie kannte jedoch niemanden, der sie inden wichtigsten Dingen verstanden htte.
Aber dann kam er der junge Missionar. Sie war sofort tief beein-druckt von ihm, denn sie erkannte in ihm einen Menschen mit dem glei-chen Verlangen nach Heiligung und stndiger Gemeinschaft mit Gott.Irgend etwas ging von ihm aus, das beruhigend wirkte. Sie fhlte sich vonihm verstanden. Die Welt, in der er lebte, war wirklich, und er rechneteoffensichtlich mit einem lebendigen, allmchtigen Gott. Obgleich sie ihnselten sah, bedeutete ihr das Wissen um sein Nahesein Trost. Als er nachsieben Wochen Ningpo wieder verlassen hatte, wunderte sie sich sehr, dasie ihn vermite. Deshalb waren ihre Freude und berraschung gro, alser wieder von Schanghai zurckkehrte. Es mag sein, da ihr damals dieAugen aufgingen und sie die Gefhle verstand, die sie fr ihn empfand.Auf jeden Fall blieb ihr der Zustand ihres Herzens nicht lnger verborgen,und sie gab ihn vor sich selbst und vor Gott offen zu. Doch mit keinemMenschen htte sie darber reden mgen, da sie nur zu gut merkte, dasein chinesisches Gewand und seine ganze Art des Umgangs mit Chinesenihren Bekannten mifielen. Sie betete viel in dieser Zeit und lie sichnichts von dem anmerken, was in ihrem Innern vorging.
Im Sden von Ningpo, nicht weit von Miss Alderseys Schule, lebte seiteiniger Zeit die kleine Missionarsfamilie Jones. Durch des Vaters Krank-heit war die Familie lange Zeit in Hongkong aufgehalten worden. DieKrankheit und das Sterben ihres ltesten Kindes war dann noch dazu-gekommen. So war viel Leid ber diese Freunde hereingebrochen, seitdemsie das Land ihrer Berufung betreten hatten. Als sie dann im Juni nachNingpo kamen, bot sich ihnen Maria als gelegentliche Hilfe an. Sooft dieArbeit in der Schule es ihr erlaubte, begleitete sie Mrs. Jones auf ihrenHausbesuchen in der Stadt.
Es war nicht zu vermeiden, da der junge Englnder Maria zuweilenim Hause seiner Freunde traf und er an ihr Gefallen fand. Ihr aufrichtigesund natrliches Wesen zog ihn an. Es dauerte nicht lange, und sie begeg-neten sich wie alte Bekannte. In vielen wichtigen Fragen waren sie glei-chen Sinnes. Bald erfllte sie sein Denken ganz.
Vergeblich wehrte er sich gegen das Verlangen, sie fter zu sehen. Dochihr Bild lie sich nicht aus seinen Gedanken verbannen. Seine Berufungzur Arbeit im Innern des Landes schien von ihm ein eheloses Leben zuverlangen. Schon in wenigen Wochen oder Monaten konnte sich die Trnach Swatow wieder auftun. Wartete er nicht Tag um Tag auf die Fh-rung Seines Herrn, und lasteten nicht die Nte jenes Gebiets bestndigschwer auf ihm? Sollte er nicht mehr in den Sden Chinas gefhrt werden,dann hoffte er doch irgendwo in der Nhe eine Pionierarbeit mit all ihrenGefahren anfangen zu knnen. Nein, er durfte seinen Gedanken an sie
nicht so viel Raum lassen. Wie durfte er, der nirgends ein eigenes Heim,ein Einkommen oder irgendeinen festen Plan fr ein gesichertes Lebenkannte, an eine Heirat denken! Er besa einfach nicht das Recht dazu.Obwohl er Vertreter einer Missionsgesellschaft war, hie das noch nicht,da er bestimmt mit einer finanziellen Versorgung rechnen konnte. Schonseit Monaten hatte er kein Geld von ihr bezogen, er wute ja von ihrenSchulden. Es waren vor allem Mr. Bergers Gaben, durch die der Herrseine Bedrfnisse deckte. Wer konnte voraussagen, da es weiter so blieb?Auf keinen Fall durfte er sich darauf verlassen. Was wrden Maria undjene, denen sie anvertraut war, zu einem Leben aus Glauben in Chinasagen, Glauben sogar fr das tgliche Brot?
Es war nun einmal so: Er durfte nicht an eine Heirat denken. Er mutegegen das Verlangen ankmpfen, das ihn zuweilen ganz erfllte. DieEreignisse im Sden halfen ihm, seine Gedanken auf andere Dinge zurichten.
Wie ein Blitzstrahl schlug die Nachricht im Missionskreis ein, da Eng-land sich mit China wieder im Krieg befinde. Im Augenblick war eineinziger Funke zur lodernden Flamme geworden. Vierzehn Jahre langhatte England versucht, das Recht zur Einfuhr von Opium nach Chinazu erlangen. Trotz der Ablehnung des Kaisers Tao-kwang, der auf keinenFall das flssige Gift" eingefhrt haben wollte, hatte das Schmuggler-geschft ungeachtet des Vertrages weiter geblht. Nun war der zweiteOpiumkrieg aufgebrochen, und vor den Toren Kantons donnerten dieGeschtze.
Mitte November erreichten Berichte die nrdlichen Hfen, wonach dieErregung unter den Chinesen von Ningpo mit seiner groen Zahl dortansssiger Kantonesen aufs hchste gestiegen wre. Anfang Januar wurdeein Plan zur Vernichtung aller Auslnder in der Stadt und ihrer Um-gebung rechtzeitig entdeckt.
Die uns allen drohende Gefahr war so gro", schrieb Dr. Parker,da die in der Kolonie lebenden Kaufleute sich auf die Flucht vorbe-reiteten. Sie brachten ihre Waren auf ein Boot, das jederzeit zum Aus-laufen bereitlag, und lieen ihre Huser von bewaffneten Mnnern be-wachen. Nach viel Gebet entschlossen sich Mr. Jones und ich, die Frauenund Kinder nach Schanghai zu senden."
So kam es, da Hudson Taylor, der den Schanghaidialekt beherrschte,diese auf der Reise begleitete. In Schanghai konnte er ebenso arbeiten wiein Ningpo, und darum ging es doch. Vielleicht wrde sich die Abwesen-heit der Missionsleute auf Monate erstrecken.
Persnlich htte er viel darum gegeben, gerade jetzt in Ningpo bleibenzu drfen, um ber der einen zu wachen, die ihm so viel bedeutete. DochMiss Aldersey wich nicht von ihrem Platz, und ihre Helferinnen wolltensie nicht allein zurcklassen. Marias Schwester Burella hatte sich kurzvorher verlobt. Sie besa also einen Beschtzer. Maria aber wrde allein
bleiben, und er durfte ihr seine Liebe nicht zu erkennen geben, weil ernicht wute, ob sie diese erwiderte. So verlie er das kleine Haus an derBrckenstrae mit bervollem Herzen.
Viereinhalb Monate arbeitete er wieder in der alten Umgebung. Wie-der bewohnte er eins der Huser der LMS, und oft schien er in die alteZeit zurckversetzt zu sein, als er mit Dr. Parker und seiner Familie dortgelebt hatte. Nur seine chinesische Kleidung, die mit William Bums ver-brachten Monate und seine tiefe Liebe zu Maria unterschieden ihn davon.Auerdem hatte er auch noch neue Erfahrungen gesammelt und in dreiJahren Chinaaufenthalt eine gute Kenntnis verschiedener Dialekte ge-wonnen.
In einer Kapelle der LMS wurde ihm der Predigtdienst bertragen.Ferner widmete er den stndig wechselnden Hrem in verschiedenenTempeln der Stadt viel Zeit. Weil er mit Mr. Jones zusammen dort regel-mig predigte, wurden sie jedesmal von bereits bekannten Hrem er-wartet, und es ergaben sich viele persnliche Aussprachen.
Gleich bei der ersten Predigt fand ich das, wonach ich mich gesehnthatte", sagte ein junger Weihrauchverkufer. Krankheit und Not hattenihn beinahe zum Selbstmord getrieben. Nun suchte er als fanatischerVegetarier Trost in der Religion. Darum richtete er viele Gebete anBuddha und verbrannte eine Menge Weihrauch vor manchem Gtzenbild.Dann sagte er weiter: Das alles half mir nicht. Dann hrte ich Sie imTempelgarten von Jesus predigen. Er versteht mich. Wenn ich jetzt mitFeuer statt mit Wasser getauft werden mte, wrde es mich nicht ab-schrecken."
Whrend ihres Schanghaiaufenthalts verteilten die Missionare Hun-derte von Evangelien und andere Schriften. Diese wurden wiederum nuran Leute abgegeben, die davon wirklich Gebrauch machen konnten. Daskostete manche Stunde Unterredung. Sie hielten sich vorwiegend an zweiPredigtpltze und fanden dort ein verstndiges Publikum.
Inzwischen erreichten Hudson Taylor Briefe aus Swatow, die ihm vonder Rckkehr seines verehrten Freundes berichteten und vom Wieder-beginn der dortigen Arbeit. Obgleich er sich freute, da nun wieder inSwatow gearbeitet werden konnte, und Dr. De la Porte die rztlicheBetreuung bernahm, wute er, da sein Weg nicht mehr dorthin fhrte.Ihm war diese Tr verschlossen. Obwohl er immer wieder um Weisungfr eine Rckkehr gebetet hatte, zeigten ihm die vielen Hindemisse, dader Herr ihn nicht dort haben wollte. Das gengte ihm. Er nahm dieSache nicht wieder auf. Es war einer seiner besonderen Charakterzge,da er nie mehr an etwas zweifeln oder rtteln konnte, wenn er es alsgttliche Leitung erkannt hatte.
So verlockend auch Mr. Bums' Briefe lauteten, und so wenig ihm dieArbeit in Schanghai zusagte, war Swatow fr ihn abgetan. Sein Weg inSchanghai war nicht leicht. Die Missionare sahen sich auf allen Seiten von
viel Leid und Not umgeben. In Nanking herrschte Hungersnot. Eskamen Scharen von Flchtlingen aus jener Stadt. Tausende schlssen sichden bereits in Schanghai lebenden Bettlern an. So konnte man nicht aus-gehen, ohne mancherlei traurige Auftritte zu sehen; doch zu helfen ver-mochte keiner.
Als Jones und Taylor eines Abends aus der Stadt zurckkehrten, fan-den sie zu ihrem Schrecken einen toten Bettler vor ihrer Tr liegen. DasWetter war so kalt, da er wahrscheinlich erfroren oder verhungert war.Niemand hatte auf ihn geachtet. Derartige Anblicke boten sich ihnenhufig. Es war schwer, sie zu ertragen. Hudson Taylor schreibt ber jeneTage:
Wir beluden uns mit Lebensmitteln und verteilten sie. Viele dieser armen Leuteleben buchstblich zwischen Grbern. Es sind meist einfache, niedrige Hhlungen vondrei bis vier Meter Lnge. Die Leute brechen ein Ende auf und kriechen hinein. Aufdiese Weise finden sie wenigstens ein Nachtquartier. Wir fanden viele Nackte, Krankeund Halbverhungerte.
Auf unsern Gngen kamen wir auch zu den Trmmern eines Hauses, das von denstrmischen Tagen zeugte, die Schanghai erlebt hatte. Weil es noch etwas Schutz vordem Wetter gewhrte, hatte eine Schar Bettler davon Besitz ergriffen. Manche konntennoch ausgehen und betteln. Andere lagen sterbend umher. Von da an besuchten wirden Ort regelmig und brachten Hilfe, soviel wir konnten. Es ist nicht leicht, frLeib und Seele zugleich zu sorgen. Wir taten aber, was wir konnten. Der Same wurdegewi nicht vergeblich ausgestreut."
Es fehlte aber in dieser Zeit auch nicht an inneren Kmpfen. Einegroe Schuld belastete in der Heimat die Missionsgesellschaft, der sie an-gehrten. Dies lag schwer auf Hudson Taylors Herz und Gewissen. Schonlngere Zeit hatte er mit den Verantwortlichen der Gesellschaft korre-spondiert, weil er erkannte, da er nicht lnger dieser Mission angehrendurfte, wenn in deren Verwaltung keine nderung getroffen wurde. Ob-wohl der Zeitraum, fr den er sich verpflichtet hatte, erfllt war, fiel ihmder Gedanke an eine Trennung sehr schwer. Er hatte gebeten, man mgeihm nur dann Geld zukommen lassen, wenn solches eingegangen wre,weil er sich mit seinen Bedrfnissen lieber an Gott direkt wenden, als vongeborgtem Geld leben wollte. Das Heimatkomitee aber war anderer An-sicht. Deshalb stellte sich ihm die Frage, ob er die Verbindung nicht lsensollte.
Nicht, da er damals oder spter frei von aller Bevormundung seinwollte, sondern er fragte sich oft, zu welcher Gesellschaft er eigentlichpassen wrde, weil er weder ordinierter Pfarrer war noch sein Medizin-studium abgeschlossen hatte.
Wahrscheinlich wre ich in keiner Gesellschaft willkommen", schrieber im Frhling seiner Mutter, doch ich wei, der Herr wird fr michsorgen."
Auch in seiner persnlichen Angelegenheit, seiner wachsenden Liebezu Miss Dyer, die, wie er meinte, nie sein eigen werden konnte, war er
allein auf Gott gestellt. Er hatte gehofft, die Trennung wrde Vergessenbringen. Doch es war umgekehrt. Bisher hatte er mehr in jugendlicher,beinahe knabenhafter Weise geliebt; jetzt schien alles Denken und Fhlendurchdrungen von dem Bewutsein, da ihm ein anderes Leben mehrbedeutete als sein eigenes. Er mute stndig an sie denken, und immerdann, wenn er Gott suchte, empfand er die innere Einheit mit ihr amtiefsten und sehnte sich nach ihrer Gegenwart. Er wute nichts von ihrenGedanken und Gefhlen, wenn sie berhaupt an ihn dachte oder etwasfr ihn empfand. Wohl war sie ihm immer freundlich begegnet, aber dastat sie auch bei andern. Deshalb liebten sie alle. Scheinbar dachte sie ber-haupt nicht ans Heiraten. Es hatten sich, wie er meinte, passendere Mn-ner um ihre Hand beworben. Was knnte sie zu dem Besitzlosen, Unbe-deutenden hinziehen?
Htte er doch damals einen Vertrauten gehabt, mit dem er ber seineHoffnungen und Befrchtungen whrend der ersten Monate in Schanghaihtte reden knnen! Wieviel leichter wre alles gewesen! Erst Ende Mrzbegannen die Freunde, mit denen er zusammenwohnte, durch unerwarteteUmstnde etwas von seinem Herzenszustand zu ahnen. Mr. und Mrs.Jones liebten ihn, seit sie ihn kannten. Sie waren sich durch das gemein-same Erleben in Schanghai sehr nahegekommen. Aber eigentlich erst, alsMrs. Jones durch Ansteckung bei Hausbesuchen unter den Armen anBlattern erkrankt war und sie ihre Kinder dem jungen Missionar ber-lassen mute, wuten sie, wer er war. Sie sahen, wie liebevoll er sich umdie Kleinen kmmerte, und waren ihm von Herzen dankbar dafr. Inden Tagen nach der schweren Krankheit, von der sich die Missionarin nurlangsam wieder erholte, konnte seine Liebe den Freunden nicht lngerverborgen bleiben.
Ihre Freude darber verwunderte Hudson Taylor. Ohne ihn besonderszu ermutigen, priesen sie Gott darber. Sie meinten, nie wren ihnenMenschen begegnet, die so gut zueinander passen wrden. Jetzt erkannteer klar, was er zu unternehmen hatte. Das brige mute er dem Herrnberlassen, dem ihr Leben gehrte.
So fate er Mut und schrieb Maria alles, was ihm seit Monaten imHerzen brannte. Tage, Wochen vergingen kam denn berhaupt keineAntwort? Doch endlich kam sie. Aber welche Enttuschung! Mit solchemTon und Inhalt hatte er nicht gerechnet! Gewi, es war Marias Hand-schrift, die er so gut kannte. Aber war es wirklich sie selbst, die aus denWorten zu ihm sprach? Kurz und ablehnend sagte der Brief, da seinWunsch unerfllbar bleiben mte und da er, falls er ein edeldenkenderMensch wre, die Schreiberin in dieser Angelegenheit nicht weiter be-lstigen mchte.
Htte er in Marias Herz sehen knnen und ihre Angst und Not ge-kannt, unter der der Brief geschrieben worden war, wre sein Kummernicht so tief gewesen. Nun aber durfte er sie nicht besuchen, konnte nicht
mit ihr reden und ihr auch nicht schreiben. Er verstand sie nicht mehr.Allein das unausgesprochene Verstndnis seiner Freunde, Mr. und Mrs.Jones, trstete ihn. Ohne sie htte er den Kummer nicht ertragen knnen.Dabei erinnerte ihn gerade ihre glckliche Ehe bestndig an ein ihm selbstversagtes Paradies.
Und Maria? Als sie sich von ihrer berraschung erholt hatte, in dieder Brief sie versetzt hatte, war sie zu ihrer Schwester geeilt. Sie solltesich als erste mit ihr freuen. Und dann mute Miss Aldersey auch sogleichin ihr Geheimnis eingeweiht werden. Gewi wrde sie die Verlobunggutheien. Auf alle Flle hatte sie seinerzeit nichts dagegen eingewandt,als Burella ihr die eigene Verlobung angezeigt hatte. Doch wie tief warenMiss Alderseys Bestrzung und rger, als sie die Geschichte vernahm!
Mr. Taylor! Dieser junge Habenichts? Wie kann er berhaupt an einesolche Verbindung denken! Was fllt ihm ein! Selbstverstndlich mudieser Antrag sofort und endgltig abgelehnt werden."
Vergeblich versuchte Maria ihr verstndlich zu machen, was er ihrbedeutete. Damit verschlimmerte sie die Sache nur noch mehr. Miss Alder-sey war berzeugt davon, da Maria sofort von dieser Torheit befreitwerden mte. Deshalb nahm die wohlmeinende ltere Freundin dieAngelegenheit in der besten Absicht in ihre Hand. Der Antwortbriefmute nach ihrem Diktat geschrieben werden. Maria hatte zu gehorchen.Sie war zu jung und unerfahren, um sich Miss Alderseys Entschlu zuwidersetzen, die in ihrer berzeugung auch noch von ihren Freundenuntersttzt wurde. Maria blieb nichts anderes brig, als ihren Kummerund die erfahrene Demtigung ihrem himmlischen Vater zu berlassen,der allein den Ausgang kannte. Als sich sogar ihre Schwester von derRichtigkeit der berlegungen ihrer Vorgesetzten hatte berzeugen lassen,folgten bange, einsame Stunden, in denen sie nur der Gedanke strkte,da dem Herrn nichts, aber auch gar nichts unmglich sei.
Hudson Taylor schrieb ber diese Zeit:
Wir mssen es lernen, uns in der Geduld zu ben. Darum lt uns unser treuerGott segensreiche Erfahrungen machen, durch die wir darin erstarken. Obgleich Eruns oft beinahe ber unser Vermgen prft, zeigt Er sich doch immer zur Hilfe, zumDurchtragen bereit. Unsere Kmmernisse wren leichter und weniger zahlreich, wennsich unsere Herzen bereitwilliger Seinem Willen fgten.
Ich ging in der letzten Zeit durch viel Leid. Die Hauptursache meines Jammersliegt in der eigenen Unwilligkeit zur Unterwerfung und zum vlligen Ruhen in Gott.Wenn ich es doch lernte, in allem einzig Seine Verherrlichung zu suchen! Wenn ichIhm doch treuer nachfolgte und bewuter auf Sein Kommen wartete! Warum nurlieben wir Ihn so oberflchlich? Ist Er nicht der Schnste unter den Menschenkindern?Liebt Er selbst uns nicht mit vollkommener Liebe? Ist nicht Sein Opfertod am KreuzBeweis dafr? Bete fr mich!"
Es ist vielleicht nicht erstaunlich, da sich ihm gerade in diesen Tagenein Buch der Bibel, das er bisher nicht verstanden hatte, voller Schnheitauftat. Sein tiefes Verstndnis fr das Hohelied Salomos ist auf diese
Zeit zurckzufhren, in der er die Liebe zu Maria ganz in Gottes Handlegen mute. Nie hatte er so verstanden, was Christus den Seinen seinwill und was Er von den Seinen erwartet. Es war eine herrliche Ent-deckung, die sich in spteren Jahren noch vertiefte und fr die EwigkeitFrucht tragen sollte. Alle, die Hudson Taylor in seinen spteren Jahrennahestanden, kannten seine besondere Liebe zu diesem Buch der Bibelund seine Vorliebe, darin auch sein persnliches Verhltnis zu Christusgeschildert zu sehen.
Briefe an Mutter und Schwester, in denen er ber die Ereignisse imFrhling 1857 berichtete, geben Einblick in sein Denken.
Meine liebe Amalie!
Obwohl es schon spt ist, kann ich nicht einfach schlafen gehen, ohne Dir einigeZeilen geschrieben zu haben. Alles auf dieser Erde ist so vergnglich, und wir wissennicht, was die nchste Stunde bringt. Nur eins wechselt nicht Gottes Liebe. Unserherrlicher Jesus bleibt derselbe und wird es immer bleiben. Bald wird Er kommen unduns zu sich nehmen.
Hast Du Dich schon einmal in das Hohelied vertieft? Es ist ein kstlicher Garten,an dem wir uns erfreuen knnen. So ist es auch mit dem 54. Psalm. Ist nicht der Ge-danke wunderbar, da sogar das innigste Band auf Erden nur schwach die Liebe zuSeinen Erlsten widerspiegelt, zu denen ich mich auch zhle? Wie knnen wir aberunsern herrlichen Jesus gengend lieben, wie genug fr Ihn tun? Bald wird Er uns zuSeinem Hochzeitsfest einladen, dem Hochzeitsmahl des Lammes. Nicht als Gste, son-dern als Braut werden wir in das fleckenlose Kleid Seiner Gerechtigkeit gehllt unsernPlatz freudig einnehmen. Die Zeit ist kurz. Lebten wir doch als solche, die auf ihrenHerrn warten und mit Freuden bereit sind, Ihm zu begegnen!"
Die ersten heien Sommertage brachten fr Hudson Taylor und seineGefhrten eine Vernderung. Die vor der Hungersnot Geflchteten zogenwieder in die Drfer der weiten Ebene zurck, um ihre Felder abzuernten.Im Krieg zwischen China und England war eine Pause eingetreten, die inNingpo und seiner Umgebung eine aggressive missionarische Arbeit er-mglichte. Doch an ein Vordringen in das Inland konnte vorlufig nichtgedacht werden. Darum entschlossen sich die Missionare, irgendwo eineGemeinde mit Predigern und Evangelisten aufzubauen, und rechnetenmit Gottes Beistand. Die so unterrichteten Glubigen sollten spter dasWerk selbstndig weiterfhren. Mit diesem Plan kehrten sie nach Ningpozurck. Vorher hatten sie einen Schritt gewagt, der fr die Zukunft vongroer Wichtigkeit war. Hudson Taylor hatte im Mai, drei Jahre unddrei Monate nach seiner Ankunft in China, seine Beziehungen zur CEGgelst. Veranlassung zu diesem Schritt waren nicht die vielen Schwierig-keiten, die er mit dieser Missionsgesellschaft erlebt hatte, sondern die ver-schiedene Auffassung im Blick auf das Schuldenmachen. Er schrieb dar-ber:
Dieser Schritt war verbunden mit vielen Glaubensproben. Jedoch lernte ich denHerrn dadurch besser kennen. Ich htte diese Prfungen nicht missen wollen. Gottwurde mir dadurch grer, wirklicher und vertrauter. Meine gelegentlichen Geld-schwierigkeiten waren nicht die Folge unzureichender Versorgung fr mich persnlich.
Wir verbrauchten zu viel fr die Armen und die Hungernden um uns her. Prfungennoch anderer Art berlagerten diese Schwierigkeiten und fhrten in Tiefen hinab,damit mehr Frucht gewirkt wurde. Wie glcklich ist man, mit Miss Havergal bekennenzu knnen:
Wer Ihm vllig traut,find't Ihn vllig treu.
Er bleibt der unwandelbar Treue, auch wenn wir selbst Ihm nicht vllig vertrauen.Er ist getreu, ob wir Ihm vertrauen oder nicht. .Glauben wir nicht, so bleibt Er treu;Er kann sich selbst nicht verleugnen.' Wie verunehren wir unsern Herrn, wenn wirIhm nicht vertrauen, und was verlieren wir an Frieden, Segen und Sieg, wenn wiruns auf diese Art gegen den Wahrhaftigen versndigen! Mchten wir es nie wagen,Ihn anzuzweifeln!"
Welche tieferen Fhrungen noch reicheren Segen brachten, ist leicht zuerraten. Zweimal tglich kam Hudson Taylor auf dem Weg zur Brcken-strae an Miss Alderseys Schule vorbei. Maria wohnte noch immer dort.Die Leitung lag jedoch jetzt in Mrs. Bausums Hnden. Taylor hatte Mariaseit seiner Rckkehr nach Ningpo im Juni wiedergesehen, doch standzwischen ihnen eine Scheidewand, die nicht beseitigt werden konnte dieBitte, eine gewisse Sache nicht mehr zu berhren. Sie begegnete ihm aller-dings lieb und freundlich wie frher. Miss Aldersey hatte ihre ablehnendeEinstellung auch den Freunden gegenber geuert, bei denen er jetztwohnte. So war seine Lage doppelt peinlich.
Bald nach ihrer Rckkehr von Schanghai hatte Mrs. Jones Maria ge-beten, sie wieder bei ihren Hausbesuchen zu begleiten. Sie sprach nicht mitMaria ber die Angelegenheit, und diese berhrte nicht, was ihr Herzganz erfllte. Miss Aldersey aber kannte keinerlei Zurckhaltung. Nacheiner Gebetsstunde in einem andern Stadtteil schttete sie gegenber Mrs.Jones ihren ganzen Zorn aus. Sie habe gute Grnde dazu, meinte sie.Hatte Mrs. Jones nicht dazu verholfen, da die jungen Leute sich da oderdort einmal gesehen hatten? Dabei gehre Miss Dyer doch einer andernGesellschaftsklasse an als Mr. Taylor. Sie habe ein eigenes kleines, aus-reichendes Einkommen, sei gebildet, begabt, anziehend und habe passen-dere Bewerber. Es sei unverzeihlich, da diese Person sich der jungen,unerfahrenen Maria genhert habe. Dazu habe er noch die Khnheit be-sessen, wieder nach Ningpo zurckzukehren, obgleich man ihm deutlichgenug gesagt htte, wie unerwnscht er wre.
Hudson Taylors Stellung als unabhngiger Missionar, der sich ganzauf seinen Glauben verlie, wurde im Missionarskreis heftig kritisiert.Man redete von ihm als einem, den niemand berief", der zu nieman-dem gehre" und von niemandem als Prediger des Evangeliums aner-kannt wrde". Doch damit nicht genug! Es wurden noch andere Anspie-lungen gemacht. Er sei fanatisch, unzuverlssig, krank an Leib undSeele", mit einem Wort: vollkommen untchtig".
Das Gesprch brachte allerhand an den Tag. Ehe Miss Aldersey sichverabschiedete, erfate Mrs. Jones die Lage: Es wurde von ihr verlangt,
Mr. Taylor in keiner Weise bei einem weiteren Antrag zu untersttzenund ihn nie mit Maria in ihrem Hause zusammenkommen zu lassen. Dasversprach Mrs. Jones zwar nicht, sagte aber zu, sie werde die jungen Leutenicht mit Absicht zusammenbringen und Mr. Taylor veranlassen, MissDyers Besuche in ihrem Haus nicht als Gelegenheit zu einem Gesprchunter vier Augen benutzen zu wollen.
Nach dieser Unterredung fhlte sich Hudson Taylor gebunden. Erdurfte also Maria weder schreiben noch im Hause seiner Freunde sprechen.Eins aber wute er jetzt: Zwischen Miss Aldersey und der Familie Dyerbestand kein Verwandtschaftsverhltnis. Deshalb bat er um die Erlaubnis,an Marias Onkel in London schreiben zu drfen.
Nun konnte er die Sache ruhig dem Herrn berlassen. Und Gott ent-tuschte ihn nicht. Gott hat Seine eigenen Wege, Seine Plne durchzu-fhren. In diesem Fall bediente Er sich eines Platzregens.
An einem drckend heien Julinachmittag versammelten sich die Mis-sionarinnen in Mrs. Jones' Haus zur Gebetsstunde. Wie gewohnt warenalle Missionen vertreten. Es zeigte sich, da sie leichter hergekommenwaren, als sie zurckkehren konnten. Pltzlich begann es wolkenbruch-artig zu regnen. Das Wetter entlud sich fluaufwrts. Bald ergossen sichber Ningpo mchtige Wasserfluten. Jones und Taylor konnten wegender berschwemmten Strae nicht rechtzeitig heimkehren. Als sie endlichkamen, hatten die meisten Damen sich entfernt. Nur einen einzigenDiener trafen sie an, der ihnen sagte, da Mrs. Bausum und Miss Dyernoch immer auf ihre Snften warteten.
Geh du in mein Arbeitszimmer", sagte Mr. Jones zu seinem Gefhr-ten, ich will einmal sehen, ob sich nicht jetzt eine Unterredung verein-baren lt."
Und die beiden Damen waren bereit zu einem Gesprch. Kaum wis-send, was er tat, eilte Hudson Taylor die Treppe hinauf. Gewi, es be-fanden sich noch andere im Raum, doch er sah nur Maria. Ihr Gesichtverriet ihm mehr, als er sich htte trumen lassen. Eigentlich wollte er sienur fragen, ob er an ihren Vormund schreiben drfe; nun aber brachte eres nicht fertig, lnger zu schweigen. Und Maria? Auch sie verga alleSchchternheit, als sie sah, da sie von Freunden, die sie liebten und ver-standen, umgeben war. Ja, er solle schreiben und sich nicht lnger sorgen.Er bedeute ihr soviel wie sie ihm. Was tat es, da die andern es hrten?Zusammen brachten sie ihr Anliegen vor den Herrn.
Der Brief, von dem so viel fr die beiden abhing, wurde Mitte Juligeschrieben. Frhestens in vier Monaten konnten sie mit einer Antwortrechnen. Aus Rcksicht auf Miss Aldersey vereinbarten sie, sich gegen-seitig keine Briefe zu schreiben, bis sie um die Meinung des Onkels wu-ten. Maria hatte Miss Aldersey natrlich von Hudson Taylors Brief anden Onkel gesagt. Da die Dinge trotz all ihrer Gegenarbeit so weithatten gedeihen knnen, schien der alten Dame unglaublich. So machte
sie sich, von aufrichtiger Sorge um das Glck ihrer jungen Freundin ge-trieben, daran, den fernen Onkel fr ihre Ansicht zu gewinnen. Bestimmtwrde er das Unpassende einer solchen Verbindung einsehen. Nun galtes nur noch zu warten, bis seine Antwort kme.
Die kleine Schar von Glubigen und Wahrheitssuchenden, die sichjeden Sonntagmorgen zu einer Andacht zusammenfand, wunderte sichber die beiden neuen Spruchrollen an einer der Wnde im Wohnzimmeran der Kuen kiao-teo-Strae. Jedes Wort, in schner, chinesischer Hand-schrift geschrieben, war gut leserlich, doch was bedeuteten die WorteI-pien-i-seh-er", Je-ho-hua-i-leh" ?
Der junge Missionar, der seit einigen Wochen durch Krankheit an seinZimmer gefesselt war, htte sie erklren knnen. In stiller Gemeinschaftmit Christus war ihm der Reichtum des Inhalts dieser Worte in einerunvergelichen Weise gezeigt worden: Ebenezer" Bis hierher hatder Herr geholfen", und fr alle zuknftigen Nte: Jehova Jireh" Der Herr wird's versehn". Mit welcher Freude sprach er ber die kost-bare Botschaft dieser Worte, als seine Krfte zurckkehrten!
Dieser kleine, intime Kreis war Hudson Taylors besondere Freude.Nur wenige gehrten dazu. Whrend seiner Krankheit hatte er viel frjedes einzelne Glied gebetet. Herausgenommen aus seinem Predigtamtund der Arbeit an Kranken, fand er Zeit, fr jeden ernsten Wahrheits-suchenden vor Gott einzutreten, und zu diesen gehrte Mr. Nye, einGeschftsmann. Er war wohl der aufmerksamste Suchende.
Als dieser eines Abends am Missionshaus vorbeikam, in das kurz vor-her Hudson Taylor und Mr. und Mrs. Jones eingezogen waren, fiel ihmauf, da hier etwas Besonderes vorging. Er hrte ein Luten von einergroen Glocke und sah, wie sich daraufhin Einheimische nherten und dasHaus betraten. Es msse sich wohl um eine Versammlung handeln, sagteer sich. Auf seine Fragen erfuhr er, da in dieser Jesushalle" von fremdenLehrern ber religise Dinge gesprochen wrde. Daraufhin folgte er denandern. Als frommer Buddhist beschftigte er sich besonders eifrig mitden unweigerlichen Strafen als Folge von Snde und Schuld bei derSeelenwanderung.
Dann hrte er einen jungen Auslnder in chinesischer Kleidung ausseinen heiligen Klassikern" lesen: Gleichwie Mose in der Wste eineSchlange erhht hat, also mu des Menschen Sohn erhht werden, aufda alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewigeLeben haben. Also hat Gott die Welt geliebt, da er Seinen eingeborenenSohn gab, auf da alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, son-dern das ewige Leben haben. Denn Gott hat Seinen Sohn nicht in die Weltgesandt, da Er die Welt richte, sondern da die Welt durch Ihn errettetwerde."
Nye war an dem Abend als einer der unendlich Vielen gekommen,die durch die Furcht des Todes ihr ganzes Leben Knechte sein mssen".
Whrend er mit den andern Hrern dasa und zuhrte, dmmerte Hoff-nung in seinem Herzen auf. Das Alte verging, und am Horizont seinesLebens sah er die Sonne aufgehen, die alles neu macht.
Die Versammlung war zu Ende. Der fremde Prediger hatte aufgehrtzu sprechen. Nun erhob sich Nye, der es gewohnt war, in religisenDingen die Leitung zu haben. Er blickte auf die Versammelten und sagte:
Wie schon mein Vater vor mir, habe auch ich lange nach der Wahrheitgesucht, ohne sie zu finden. Auch auf meinen weiten Reisen bin ich ihrnirgends begegnet. In der Lehre des Konfuzius, im Buddhismus undTaoismus habe ich keine Ruhe gefunden. Doch in dem, was ich heuteabend hrte, finde ich Frieden. Hinfort glaube ich an Jesus."
Die Wirkung dieser Worte war tief, denn jedermann kannte Nye undachtete ihn. Keiner der Anwesenden war so bewegt wie der Missionar.Es folgten viele Gesprche, und Hudson Taylor erlebte die unaussprech-liche Freude, da der Herr ihn gebrauchte, durch ihn wirkte und dieseSeele errettete.
Kurz nach seiner Bekehrung wurde Nye als ehemaliger Leiter einerHandelsgesellschaft von dieser zu einem Gesprch eingeladen. Er hatteseinen Posten bereits niedergelegt und sollte nun die Grnde seines Glau-benswechsels erklren. Taylor, der ihn begleitete, war tief beeindrucktvon der Klarheit und Kraft seines Jesusbekenntnisses. Einige seiner ehe-maligen Freunde mit derselben Religionsauffassung wurden durch ihnzu Christus gefhrt und spter wertvolle Glieder der Kuan Kiao-teo-Gemeinde.
Nye hatte als Baumwollhndler viel freie Zeit, die er nun den be-freundeten Missionaren zur Verfgung stellte. Beinahe tglich begleiteteer Mr. Jones bei seinen Besuchen in die Huser oder zu Straenpredigten.Er wollte aber fr seine Dienste nicht bezahlt sein. berall fand er Ein-gang fr die Botschaft, die ihm selbst so viel bedeutete. Er war es auch,der einmal an Hudson Taylor die unerwartete Frage richtete, die diesernie mehr vergessen konnte:
Wie lange kennt ihr in England die Frohe Botschaft?"
Der junge Missionar schmte sich und antwortete zgernd, sie sei dortschon seit Jahrhunderten bekannt.
Wie", rief Mr. Nye verwundert aus, einige hundert Jahre? Ist esmglich, da ihr so lange Jesus kennt und erst jetzt kommt, um uns vonIhm zu sagen?" Traurig fuhr er fort: Mein Vater hat mehr als zwanzigJahre nach der Wahrheit gesucht und ist gestorben, ohne sie gefunden zuhaben. O warum seid ihr nicht eher gekommen?"
Kaum hatte sich Hudson Taylor von seiner Krankheit erholt und seinePflichten wieder aufgenommen, wurde er in eine andere Arbeit gerufen.Auf dem Anwesen der Presbyterianer-Mission war sein Freund Quater-man an Blattern erkrankt. Dieser war unverheiratet und hatte bei seinerSchwester, Mrs. Way, ein Heim gefunden. Der Kranke mute isoliert
werden, und weil sein Schwager verreist war, konnte Mrs. Way wegenihrer Kinder die Pflege nicht bernehmen. Diese Umstnde waren frHudson Taylor ein klarer Ruf zur Hilfe es waren doch seine Freunde.Tag und Nacht mhte er sich als Arzt und Pfleger um den Schwerkranken,damit nicht auch andere der Ansteckungsgefahr ausgesetzt wurden. EineWoche spter schrieb er:
Mr. Quaterman wurde heimgerufen, um bei Jesus zu sein. Es warmein groes Vorrecht, in ihm Christus dienen zu drfen und dabei dieKraft durchtragender Gnade zu erleben."
In seinem Brief stand aber nichts von allen durchlebten Nten, auchnichts ber seinen erschpften Zustand.
Bald fand er sich in einer neuen, unerwarteten Schwierigkeit. Whrendder Pflege hatte er bestndig seine Kleider wechseln mssen, und nun soll-ten diese alle verbrannt werden. Ein chinesischer Schneider htte zwar inkrzester Zeit fr ihn andere Kleider anfertigen knnen, doch konnte ersich damals keine neue Ausstattung leisten. Nicht, da er mittellos ge-wesen wre! Im Gegenteil! Seit seinem Austritt aus der CEG waren ihmaus andern Quellen mehr Mittel zugeflossen, als er fr seine persnlichenBedrfnisse bentigte. Was er erhielt, teilte er mit seinen Mitarbeitern,Mr. und Mrs. Jones. Zudem hatte er erst vor kurzem einem bedrftigenEhepaar einen Geldbetrag zukommen lassen und so fr sich selbst nichtszurcklegen knnen. Was sollte er nun tun? Seine Lage wre wohl nochschwieriger gewesen, wenn er sie nicht im Gebet vor Gott htte bringenknnen.
Gott erhrte sein Gebet. Ausgerechnet in diesen kritischen Tagen er-reichte ihn eine lngst verloren geglaubte Kiste, die er vor fnfzehn Mo-naten in Swatow zurckgelassen hatte. Sie enthielt auer andern Hab-seligkeiten alle seine Kleider. Wiederum erwies sich Gott als gegenwr-tiger Herr, der die Nte der Seinen wei, ehe diese vor Ihn gebrachtwerden.
Ein unbedeutender Zufall? Nein, Gottes Eingreifen war ein BeweisSeiner Voraussicht. Die beiden Schriftworte Bis hierher hat der Herr ge-holfen" und Der Herr wird's versehn" bekamen eine neue Bedeutungund sollten Motto der Mission werden, die nach Gottes Willen ins Lebengerufen werden mute.
Es ist nicht verwunderlich, da die schwere Krankenpflege HudsonTaylors Krfte aufzehrte. Er lag einige Tage in hohem Fieber. Ausgerech-net jetzt sollte ihm ein Erlebnis geschenkt werden, das ihn von allenseinen Zweifeln befreien mute.
Im Morgengrauen schreckte Lrm auf der Strae den Fieberkrankenaus dem Schlaf. Heftiges Herzklopfen verhinderte das Wiedereinschlafen.Angstgefhle qulten ihn. Die ganze Not der langen Monate seiner Liebezu Maria, die vielleicht nie die Seine werden durfte, schienen wie eineFlut ber ihn hereinzubrechen. Ein Heer von Befrchtungen unvorher-
gesehener Zwischenflle drang auf ihn ein. Er meinte, den Widerstand,der ihrer Liebe entgegengebracht wurde, nicht lnger ertragen zu knnen.Das steigerte seine tiefe Angst. Und auch hier griff der barmherzige Gottein, als die Not am grten war. Darber berichtete er spter seinerSchwester:
Pltzlich hatte ich das Gefhl, da Maria sich im Zimmer befinde. Sie mute wieein leichter Windhauch hereingekommen sein. Da wurde ich ganz ruhig. Ich wute siein meiner Nhe. Einen Augenblick war ich wie gelhmt, dann streckte ich mit ge-schlossenen Augen meine Hand aus. Mit behutsamem Druck fhlte ich sie warm vonder ihren umschlossen. Sie bedeutete mir, nicht zu reden, und legte zugleich die andereHand auf meine Stirn. Unter ihrem sanften Druck fhlte ich Fieber und Kopf-schmerzen schwinden. Sie flsterte mir zu, ich solle mich nicht lnger ngstigen, dennsie gehre zu mir wie ich zu ihr. Ich solle nun ruhig schlafen. Das tat ich dann auch.Ich erwachte erst wieder nach Stunden. Das Fieber war gewichen, nur fhlte ich michsehr schwach.
Ein wunderschner Traum, knnte man sagen, doch war ich nie wacher als injenem Augenblick. Ich sah und fhlte sie so deutlich wie jetzt den Bleistift und dasPapier in meiner Hand. Wahrscheinlich war das Fieber eine Folge meiner Furcht vorder mglichen Ausweglosigkeit unserer Liebe. Du kannst Dir gewi vorstellen, wie be-ruhigend ihr Besuch auf mich wirkte."
Mit der zurckkehrenden Kraft nahm er seine Ttigkeit in der Stadtwieder auf. Bei ihrem regelmigen Predigtamt erlebten die Missionaremanche Ermutigung. Da waren vor allem die rmsten, die regelmigvon den Missionaren zu einem Frhstck eingeladen wurden. An ihnenhatte Hudson Taylor seine besondere Freude.
Diese tglichen Mahlzeiten fr sechzig bis achtzig Menschen stelltengroe Ansprche an die Kasse. Mehr als einmal mute das letzte Geld-stck ausgegeben werden, ehe neue Vorrte gekauft werden konnten. EinBeispiel von Gottes treuer Frsorge wollte er seinen Freunden in derHeimat nicht vorenthalten:
Am Samstagmorgen bezahlten wir alles, was wir an notwendigenLebensmitteln fr den Sonntag brauchten. Damit war meine Kasse leer.Wie uns Gott am Montag weiterhelfen wrde, wuten wir nicht. berunseren Kamin im Wohnzimmer jedoch hingen die beiden Spruchrollen,Ebenezer* und Jehova Jireh\ Sie lieen keinen Zweifel an Gottes Treueaufkommen.
Da brachte die Post eine betrchtliche Gabe fr Mr. Jones. Sie kameine Woche frher als sonst, und wir dankten Gott fr diese weitere Er-mutigung."
Bald darauf sollte Hudson Taylor noch auf andere Weise erfahren,wie Gott fr ihn sorgte. Marias Onkel, Mr. Tarn, hatte nach sorgfl-tigem Umfragen in London nur Gutes ber den jungen Missionar gehrt.Es hie, er sei ein vielversprechender Missionar. Die Sekretre der CEGstellten ihm das beste Zeugnis aus, und auch von andern Seiten vernahmer viel Gutes ber ihn. Deshalb kehrte er sich nicht weiter um die beun-
ruhigenden Gerchte und gab seine Einwilligung zur Verlobung seinerNichte.
Aber wie schwer erwies es sich nun, eine weitere Unterredung zwi-schen den beiden jungen Leuten herbeizufhren! Hudson Taylor httedurch einen Besuch in Mrs. Bausums Institut zu viel Aufsehen erregt.Auch in seinem Haus durfte er Maria nicht empfangen. Gerchte bereine bevorstehende Verlobung jedoch finden berall rasche Verbreitung.So vernahm auch eine amerikanische Missionarin davon, die die beidenLiebenden gern leiden mochte. Sie wohnte in einem ruhigen Ort auer-halb der Stadtmauer in der Nhe des Flusses. Maria erhielt von ihr eineEinladung. Im Brief stand geschrieben, da auer ihr vielleicht zufllig"auch ein anderer Besucher anwesend sei das knne sogar einmal inChina vorkommen.
Whrend der Diener diese Einladung an Maria berbrachte, warteteHudson Taylor in Mrs. Knowltons Wohnzimmer auf ihr Kommen. Esschien, als kehrte dieser berhaupt nicht mehr zurck. Da, endlich! Einleichter Schritt, eine junge Stimme im Vorraum die Tr flog auf, unddie beiden lagen sich in den Armen. Endlich waren sie einmal allein.
Mehr als vierzig Jahre spter schrieb Hudson Taylor ber dieseStunde: Meine Liebe zu Maria erkaltete nie. Ich liebe sie noch heute."
Endlich galten sie ffentlich als Verlobte. Nun durften sie auch zu-weilen jung und frhlich sein. Eine Bekannte der beiden vermittelteeinen guten Einblick, als sie schrieb:
Alle diejenigen, die Hudson Taylor nur in spteren Jahren kannten,mag es berraschen, wenn sie vernehmen, wie leidenschaftlich verliebt erdamals war. Seine Verlobte unterschied sich mit ihrem starken, gefhls-betonten Wesen in dieser Beziehung kaum von ihm. Weil mein Mann mitbeiden befreundet war, durfte er sie hin und wieder mit ihrer Verliebt-heit necken."
Der 20. Januar 1858 war ihr Hochzeitstag. Bei strahlendem Sonnen-schein lie sich Hudson Taylor ans andere Ufer bersetzen und begab sichzur Trauung in den alten Tempel. Rev. F. Gough erwartete ihn mit eini-gen Freunden aus den verschiedenen Missionen. Auch Besatzungsgliederder britischen Kanonenboote und andere Auslnder hatten sich zur Trau-ung eingefunden.
Maria sah in ihrem grauen Seidenkleid und Schleier entzckend aus.Hudson trug sein gewhnliches chinesisches Gewand. Einige der Freundemochten den Unterschied zwischen den beiden als peinlich empfundenhaben, doch andere, die das Zustandekommen dieser Hochzeit kannten,wuten, wie sehr Braut und Brutigam eines Sinnes waren.
Den Empfang nach der Trauung, den Mr. und Mrs. Jones in ihremgastlichen Haus gaben, mit allen Ansprachen, Reden und Glckwnschenerlebten die beiden wie die Trumenden. Erst als sie bei Sonnenuntergangauf einem nahegelegenen Hgel allein waren und die vorangegangenen
Wochen und Monate mit allem Schweren, die glckliche Gegenwart unddie verborgene Zukunft berdachten, kam ihnen die Bedeutung des Tagesklar zum Bewutsein. Aus ihrem Gastzimmer im Nioh-wang-Klosterlie Hudson Taylor seine Angehrigen in das Glck ihrer jungen Ehehineinblicken:
20. Januar. Wie glcklich sind wir jetzt! Gott hat unser Leid inFreude verwandelt und gibt uns das Gewand der Freude anstelle vonTrauerkleidern.
29. Januar. Gott hat alle unsere Gebete erhrt, den Widerstand indenen, die uns trennen wollten, berwunden und das in Ihn gesetzte Ver-trauen gerechtfertigt. Er hat uns glcklich, sehr glcklich gemacht."
Von Ningpo aus schrieb er nach sechs Wochen:
Verheiratetsein mit der Frau, die man liebt, ja tief und hingebendliebt, ist ein Glck, das nicht in Worten Ausdruck finden und das mansich nicht vorstellen kann. Das ist keine Tuschung. Jeder Tag, der mehrvom Denken der Geliebten offenbart, weckt mehr Stolz, mehr Glck unddemtige Dankbarkeit gegen den Geber aller guten Gaben. Sie ist diebeste aller irdischen Gaben."
In einem andern Brief schreibt er von der Liebe, die jede menschlicheLiebe bertrifft", der Liebe zu Christus: ... die das Herz mit einer Liebezu erfllen vermag, mit der keine andere verglichen werden kann. Nunverstehe ich besser, was es bedeutet, wenn geschrieben steht, da meinName in Sein Herz eingegraben ist, und warum Jesus immer fr michbittet. Seine Liebe ist so tief, da Er nicht zu bitten aufhren kann. Welcheine Liebe kann es etwas Greres geben?"
VERBORGENE JAHRE
ber der Kapelle an der Brckenstrae, die am Ufer gegenber derFremdenkolonie lag, begannen die Neuvermhlten ihre Arbeit. Von hieraus sollte sich spter die China-Inland-Mission ber weite Gebiete desLandes ausbreiten.
Im Erdgescho blieb alles beim alten. Das obere Stockwerk wurdedurch billige Wnde in mehrere Rume abgeteilt. Wie berall in der Weltweckt auch in China ein neu gegrndetes Heim vor allem die jungeFrau grtes Interesse. Viele Leute, die Maria whrend der fnf Jahreals Lehrerin im Institut kennen und schtzen gelernt hatten, wollten sienach ihrem Einzug in ihrer neuen Umgebung sehen. Dadurch wurde ihnenauch Hudson Taylor vertraut. Seine Zeit war reichlich ausgefllt mitPredigen, Unterrichten, Krankenbehandlung, Verwaltungsarbeiten undKorrespondenz. Gelegentlich begleitete er auch Mr. Jones auf Evangeli-sationsreisen. Es war nicht einfach, alle diese Pflichten ohne Helfer zubewltigen.
Natrlich htte er in der Schule, in der Maria tglich sechs bis siebenStunden unterrichtete, eine Hilfe finden knnen. Auch aus der Schar derWahrheitssuchenden wren ohne Zweifel einige zur Mitarbeit bereit ge-wesen, die dabei eine Ausbildung zu spterem fruchtbringendem Diensterhalten htten. Die Missionare wuten aber, da beides eher ein Hinder-nis als eine Hilfe bedeutet htte. Sie frchteten, da diejenigen, die sicherst vor kurzer Zeit aus der Finsternis des Heidentums zu Christus be-kehrt und in Ihm Errettung gefunden hatten, durch eine uere Versor-gung in ihrem inneren Wachstum aufgehalten worden wren. Das httesich nachteilig auf ihren Glauben ausgewirkt. In ihrer geistlichen Unmn-digkeit sollten sie in den Umstnden bleiben, in die Gott sie gestellt hatte,und unter den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten innerlich heran-wachsen. Die Missionare sahen sich bei all der vielen Arbeit vor besondereSchwierigkeiten gestellt. Gott aber bediente sich ihrer Unzulnglichkeiten.Er fhrte sie mit Menschen zusammen, die Er zur Annahme des Evange-liums zubereitet hatte, und schenkte ihnen geistliche Kinder, die selbstwieder andern den Weg zu Christus weisen konnten.
Einer der ersten, der nach ihrer Heirat Christus im Glauben annahm,war Fang Neng-kuei, ein Korbflechter. Mr. Nye hatte ihn zur Brcken-strae mitgebracht. Fang fhlte sich sogleich durch etwas Unerklrlicheszu den Christen hingezogen. Schon seit langem hatte er nach wahremHerzensfrieden gesucht. Doch weder in den buddhistischen Zeremoniennoch in der konfuzianischen Philosophie hatte er Hilfe gefunden und des-halb katholische Gottesdienste besucht. Den Frieden des Glaubens anJesus Christus begann er aber erst in dem kleinen Kreis der Glubigenan der Brckenstrae zu erleben. Sobald es ihm die Arbeit erlaubte, fander sich abends zum Bibelunterricht ein und war von ganzem Herzen dabei.Whrend dieser Zeit fiel Hudson Taylor auf, da die Zahl der Hrerlangsam zurckging. Darum legte er sich einen neuen Plan zurecht, umneues Interesse zu wecken. Er gab bekannt, da er whrend der Abend-versammlungen Evangeliumsbilder zeigen wrde. Der Erfolg ermutigteihn. Eines Abends predigte Hudson Taylor mit groer Freude in einemberfllten Raum und auerdem vor vielen neugierigen Gesichtern anTr und Fenstern ber das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Die meistenHrer hatten noch nie von einem solchen Vater gehrt. Als er am Schluder Versammlung alle, die mehr hren wollten, zum Zurckbleiben auf-forderte, blieb beinahe die ganze Schar. Als sich spter alle verabschiedethatten, blieb nur noch Neng-kuei mit zwei Freunden, die zum erstenmalmitgekommen waren, zurck. Sie schienen aufrichtig nach der Wahrheitzu verlangen, als sie erklrten, sie mchten Nachfolger Jesu werden.
Hudson Taylor hatte auch eine Abendschule erffnet, in der er Wahr-heitssuchende das Neue Testament in lateinischer Schrift lesen lehrte.Neng-kuei und seine zwei Freunde beteiligten sich einige Zeit regelmigdaran. Als aber bekannt wurde, da die drei Korbflechter und andere
Christen geworden wren, hatten sie unter Verfolgung zu leiden. Nunsollte es sich zeigen, ob ihr Glaube echt war. Zur Enttuschung der Mis-sionare blieb einer nach dem andern dem Unterricht fern. Wrde Neng-kuei Treue halten? Er erwies sich wirklich als aufrichtiger Christ. Ihmgaben Verfolgung und Spott Gelegenheit, seinen neu gefundenen Glaubenzu verteidigen. Er wurde dadurch zu einem unerschrockenen NachfolgerChristi erzogen.
Doch Neng-kueis Eifer wurde nicht durch uere Umstnde genhrt,denn er war ein von Gott zu einem besonderen Amt Berufener und durchgttlichen Plan in eine besondere Schule gestellt. Wie Petrus, dem Neng-kuei in mancher Hinsicht glich, sollte er spter trotz manchem Versagenviele zu Christus fhren. Er war ein Pionier. Wo er auch arbeitete, ent-standen kleine Gemeinden, die unter der Pflege anderer erhalten bliebenund wuchsen. Er selbst eignete sich weniger zum Dienst an der Gemeinde.Weil er das wute, wandte er sich immer bereitwillig neuen Feldern zu,wenn er an einem Ort seine Aufgabe erfllt sah.
In dieser Zeit betreute Hudson Taylor fast ausschlielich die kleineSchar echter Christen. China wrde nach seiner Auffassung einmal haupt-schlich durch einheimische Arbeiter evangelisiert werden. Diesem Kreisgab er tglich mehrere Stunden Bibelunterricht und kmmerte sich beson-ders an den Sonntagen um sie. Es war fr die Christen ein wirklichesOpfer, sich am siebenten Tag der Woche frei zu machen. Es war dies ihreschwerste Glaubensprobe. Doch sie verstanden und beherzigten das Wort:Gedenke des Sabbattages, da du ihn heiligst!" Neng-kuei verlor durchden Besuch der Sonntagsversammlungen ein Siebentel seiner Wochenein-nahme. Er war ein geschickter Handwerker. Sein Meister war es zufrie-den, wenn die Arbeit in sechs Tagen getan wurde und er den siebentenTag nicht zu bezahlen brauchte.
Neng-kuei wurde ein brauchbarer Diener Gottes. Er durfte einenMenschen fr Christus gewinnen, der spter viele zum Glauben an Jesusfhren sollte.
Wie sollte dieser Wang, ein vielbeschftigter Handwerker, der vonmorgens bis abends Huser anstrich und bemalte und seine freie Zeit inden Teehusern zubrachte, je Gelegenheit zum Hren des Evangeliumsfinden? Obgleich er ein religiser Mann war, blieb ihm keine Zeit zumPredigtbesuch. Frau und Kind blieben meistens allein zu Hause. Soschickte Gott, der ihn fr Seinen Dienst ausersehen hatte, ihm einen Men-schen in den Weg, der in kleinen Dingen Treue bewies und zur Zeit undUnzeit" seine Botschaft ausrichtete.
Eines Tages war Wang in einem vornehmen Haus mit dem Verziereneiner der Festhallen beschftigt. Pltzlich wurde es unter seinem Gerstlebendig. Diener kamen aus den inneren Rumen geeilt, ein Mann miteiner Last von Krben wurde in die Halle geschoben, und verschiedeneDamen rauschten aus ihren Gemchern und erteilten ihre Befehle. Das
alles war dem Maler vertraut, darum nahm er keine weitere Notiz davon.Als aber in dem Gesprch, das von unten her zu ihm herauftnte, einrgerlicher Ton mitzuschwingen begann, spitzte er allerdings die Ohren.
Wie, du hast keine Weidenkrbe mitgebracht? Du lehnst es ab, einenAuftrag fr etwas anzunehmen, das fr den Gtzendienst verwendetwird?"
Zrnen Sie mir nicht", erwiderte der einfache Korbflechter, ich kannIhren Wunsch nicht erfllen, denn ich werde nichts mehr anfertigen oderverkaufen, das der Gtzenverehrung dient."
Und warum nicht?" fragten erstaunte Stimmen.
Ich bin ein Jnger Jesu, ein Anbeter des wahren und lebendigen Got-tes."
Er fuhr dann fort, den Damen, die vielleicht nie mehr etwas davonzu hren bekommen wrden, den Weg der Vergebung von Schuld undSnde und zur Erlangung des Friedens durch einen gekreuzigten und auf-erstandenen Erlser zu erklren.
Des Zuhrens mde, waren die Damen auf ihren winzigen Fchenbald davongetrippelt. Da erblickte Neng-kuei, der sich eben zum Weg-gehen anschickte, neben sich den Maler, der mit groem Ernst sagte: Duhast mich nicht gesehen auf der Leiter. Ich arbeitete dort oben"; dabeiwies er auf sein Gerst. Was sagtest du? Obwohl ich gut zugehrt habe,mchte ich es gern noch einmal hren."
Wir knnen uns das darauffolgende Gesprch denken. Bekannt ist nur,da Wang Lae-djn an jenem Tag den ersten Schritt zu einem Leben hin-gegebenen Dienstes fr seinen Meister tat.
In der Stadt hatten sich die Missionare zum Gebet zusammengefunden,weil Hudson Taylor im Missionshaus an der Brckenstrae um das LebenMarias bangte. Konnte es sein, da sie nach so kurzer Zeit unaussprech-licher Freude von ihm gehen wrde? Jeder Versuch zur Hilfe war bisherwirkungslos geblieben. Das Bewutsein, da andere mit ihm um einEingreifen Gottes beteten, strkte ihn. Er meinte bereits Todesschattenin dem geliebten Gesicht zu sehen.
Pltzlich fhlte er sich von neuer Hoffnung erfllt. Da war ein Heil-mittel, das noch nicht angewendet worden war. Vielleicht wute Dr.Parker mehr davon; ihn mte er sogleich aufsuchen. Wrde aber Mariadurchhalten, bis er zurckkehrte?
Man braucht beinahe eine halbe Stunde zu Dr. Parkers Klinik",schrieb er. Auf dem Weg dahin wurde ich an das Wort erinnert: ,Rufemich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.'Neue Hoffnung und eine tiefe, unaussprechliche Freude durchdrangenmich. Der Weg schien mir kurz. Dr. Parker hie das Mittel, das ich an-wenden wollte, gut. Bei meiner Rckkehr bemerkte ich sogleich, da dieersehnte Krise zum Guten bereits eingetreten war. Der Ausdruck des
Schmerzes war der Ruhe eines sanften Schlummers gewichen, und baldschwanden auch die andern beunruhigenden Symptome."
Der groe Arzt hatte die Kranke besucht. Seine Gegenwart hatte denTod verdrngt und Seine Berhrung Heilung gebracht.
Was Christus hier als Antwort auf glubiges Gebet getan hatte, ge-hrte zu Taylors kostbarsten Erlebnissen. Die Erinnerung daran strkteihn spter in mancher Notlage.
Am 31. Juli wurde ihnen ein Tchterchen geschenkt. Grace (Gnade)sollte es heien. Der Name sollte sie immer daran erinnern, was Gott frsie getan hatte.
Am 26. August traf Dr. Parkers Familie ein tiefes Leid, das HudsonTaylor um so besser mitfhlen konnte, weil er selbst vor dem Verlustderjenigen bewahrt geblieben war, die ihm das Beste bedeutete. Mrs.Parker erkrankte pltzlich schwer und starb um Mitternacht. Sie lie vierunmndige Kinder zurck. Das junge Paar in der Brckenstrae half, sogut es konnte; auch andere boten ihre Hilfe an. Dr. Parker war so nieder-geschlagen, da er weder den Mut noch die Kraft fand, neue Lasten aufsich zu nehmen und das Krankenhaus weiterzufhren. Er entschlo sichdarum, seine Kinder, von denen das lteste ebenfalls erkrankt war, sobald wie mglich nach Schottland in die Obhut von Verwandten zubringen.
Doch was sollte mit seinem Krankenhaus, mit der ganzen rztlichenArbeit und der Poliklinik, die tglich von einer groen Schar Hilfesuchen-der umlagert war, geschehen? Es gab keinen andern Arzt, der seinen Platzhtte einnehmen knnen. Die Arbeit als Ergebnis so vieler Gebete durftenicht einfach aufgegeben werden. Wenn er wenigstens Hudson Taylor,seinen frheren Kollegen, fr die Weiterfhrung der Poliklinik gewinnenknnte! Das Krankenhaus mte wohl geschlossen werden, doch fr dieKlinikarbeit wrde seine Ausbildung gengen, und mit besonderen Geld-schwierigkeiten htte er nicht zu rechnen. Das waren Dr. Parkers ber-legungen.
Der Vorschlag wurde Hudson Taylor unterbreitet. Sollte dies GottesWille fr ihn sein? Dann war er zur bernahme dieser Arbeit bereit. Ermute darber Gewiheit haben; darum beteten sie ernstlich um GottesLeitung. Und Gott leitete allerdings in eine unerwartete und unwill-kommene Richtung.
Ich fhlte mich gedrungen, nicht blo die Klinik, sondern auch dasKrankenhaus zu bernehmen", schrieb Taylor. Ich tue es im Vertrauenauf Gott, der Gebete erhrt und die Mittel zum Unterhalt des Kranken-hauses schenken kann."
Spter berichtete er ber die Arbeit:
Zuweilen lagen fnfzig Patienten im Krankenhaus, und eine groeZahl behandelten wir in der Poliklinik. Natrlich brauchten wir chine-sische Helfer, fr deren Unterhalt wir ebenfalls aufkommen muten. Bis-
her hatte Dr. Parker den Unterhalt von Krankenhaus und Poliklinik vonden Einnahmen fr die Behandlung auslndischer Kranker bestritten. MitDr. Parkers Abreise jedoch versiegte diese Einnahmequelle."
Hudson Taylor und Maria waren wieder ganz neu auf die Hilfe desHerrn angewiesen. Hatte Er aber nicht verheien, da geschehen solle,was in Seinem Namen erbeten wird? Hatte nicht Er selbst Seine Nach-folger aufgerufen, zuerst nach dem Reiche Gottes zu trachten nichtnach Mitteln zu dessen Frderung , damit dies alles" gegeben wrde?Solche Verheiungen haben Gltigkeit!
Wenn er sich auf Menschenhilfe verlassen htte, wrde er bestimmtdiese neue Verantwortung nicht auf sich geladen haben. Es war aberalles so unerwartet und pltzlich ber ihn gekommen, da keiner seinerFreunde nah und fern etwas von seiner vernderten Lage wute oderwomglich besser darauf vorbereitet gewesen wre als er selbst.
Acht Tage vor meiner bernahme des Ningpo-Krankenhauses",schrieb er, hatte ich nicht die geringste Ahnung, da diese berhaupt jein Frage kommen knnte. Noch weniger konnten die Freunde in derHeimat es wissen."
Gott aber hatte es gewut. Seine Hilfe war bereits unterwegs.
Der erste Schritt nach der bernahme des Krankenhauses war eineBesprechung mit seinen Hilfskrften ber die Geldversorgung. Dr. Parkerhatte gerade noch Geld fr einen Monat zurckgelassen. Danach mutensie sich auf die unmittelbare Hilfe Gottes verlassen. Es konnten spterkeine bestimmten Gehlter mehr ausbezahlt werden, und was auch immergeschehen wrde, Schulden konnte er nicht auf sich laden. Darum, so sagteer der versammelten Hausgemeinde, mchten doch alle, die eine andereArbeit bernehmen wollten, es jetzt tun, obgleich er sie alle gern behielte.Diejenigen jedoch, die sich mit ihm auf Gottes Verheiungen verlassenwollten, seien zur Mitarbeit herzlich willkommen.
So kam es denn, da die unentschiedenen Christen sich zurckzogenund andern Mitarbeitern Platz machten. Es kamen solche, die nur einigeStunden, andere, die den ganzen Tag arbeiteten, obgleich sie alle nichtwuten, wie sie fr ihre Arbeit bezahlt wrden. Und sie wurden bezahlt!Alle schlssen das Krankenhaus mit seinen Bedrfnissen in ihre Gebeteein.
Maria erwies sich in dieser neuen Ttigkeit als grte Hilfe. Sie leiteteden vergrerten Helferstab, bernahm die Verwaltungsarbeiten, dieKorrespondenz und alle Hausangelegenheiten, so da Hudson Taylorseine ganze Kraft der medizinischen Arbeit und geistlichen Betreuung dergesamten Hausgemeinde widmen konnte. Sie fand daneben auch Zeit,sich der kranken Frauen im Krankenhaus und der Poliklinik anzuneh-men. Darber schrieb Hudson Taylor:
Sie war es gewohnt, aus ihrem tiefen Glauben an Gottes Frsorge inkleinen und groen Dingen Trost zu schpfen. Auch suchte sie in allem
Gottes Willen zu erkennen. Sie schrieb deshalb keinen Brief, bezahltekeine Rechnung und schaffte nichts an, ohne Ihn zuvor um Seinen Ratgebeten zu haben."
Kein Wunder, da bald ein frischer Wind in den Husern wehte.Dr. Parker hatte schon lange gebetet, da bald alle unglubigen Hilfs-krfte durch Bekehrte ersetzt werden mchten. Die Kranken konntensich die Vernderung nicht erklren, doch sprten sie, da die Arbeit mitviel mehr Freude und Eifer getan wurde. Und jeder Tag brachte ihnenneue berraschungen. Die Pfleger, der Grasschneider Wang, Wang, derMaler, Nye, Neng-kuei und andere, schienen einen groen Glcksschatzzu besitzen und teilten diesen bereitwillig mit ihnen. Sie waren nicht nurfreundlich und rcksichtsvoll, sondern erzhlten ihnen in ihrer Freizeitvon dem, der ihr Leben umgewandelt hatte. Dieser Herr sei bereit, jedenanzunehmen, der zu Ihm komme, und ihm Ruhe zu geben, wenn er mh-selig und beladen sei. Sie besaen dazu noch Bcher und Bilder. Unddann erst ihr Singen!
Diese Arbeit zehrte Hudson Taylors Krfte vllig auf. Sechs JahreChinaaufenthalt hatten ihre Spuren hinterlassen. Nun hatte er auf allenSeiten Mglichkeiten zum Dienst, doch fhlte er sich auerstande, sieauszuntzen. Er htte sich hundert Leben fr die Arbeit in China ge-wnscht und konnte kaum den Pflichten eines einzelnen gerecht werden.
Gott aber verfolgte Seine eigenen Ziele. Er bediente sich besondererMittel, um mit der Ningpo-Mission das zu erreichen, von dem damalsalle, auch wenn sie sich sehr dafr interessierten, nichts wuten. Wiesollte jemand, der ber keine Mittel, keinen Einflu und nichts, wasgewhnlich unter Bildung oder Fhrungstalent verstanden wird, ver-fgte, je Grnder und Direktor einer weltweiten Organisation werden,die junge Missionare aller Denominationen aus vielen Lndern aufnahmund nach China aussandte?
Auf der Linie dieser zuknftigen Entwicklung mute ein Anfang ge-macht werden. Ohne den Zusammenhang zwischen dem Schritt, zu dem ersich gedrungen fhlte, und dem gegenwrtigen Mangel zu ahnen, schrieber zu Beginn des neuen Jahres an seine Freunde in der Heimat:
Kennt Ihr vielleicht ernste, fhige junge Mnner, die Gott dienenmchten und nicht mehr als ihren Unterhalt erwarten, die willig wren,nach China zu kommen und mit uns zusammenzuarbeiten? Ach, httenwir nur vier oder fnf solcher Helfer! Sie knnten wahrscheinlich schonnach wenigen Monaten predigen. Die notwendigen Mittel fr ihrenUnterhalt wrden als Antwort auf unsere Gebete bestimmt geschenktwerden."
Htte nicht Gott Hudson Taylor aus der Arbeit an der Brckenstraeweggenommen, wre wohl viel Zeit vergangen, bis er den Mut zu einemsolchen Schritt gefunden htte. Wie nie zuvor erkannte er dadurch die
ungeheure Not der Unerreichten Chinas, was ihn dann auch zu dem Auf-ruf an die Heimatfreunde trieb.
In seiner Heimatstadt Barnsley wurde dieser Aufruf aufgenommenund das Anliegen immer wieder vor Gott gebracht. Whrend einer deraltmodischen Yorkshire-Gesellschaften begriff ein Bibelklassenleiter einesTages, da geistliche Eigenschaften wichtiger seien als hohe Bildungs-grade. Dies richtete seine Gedanken auf einen jungen Mechaniker, der ihmbei Straenversammlungen, und wo es sonst Seelen fr Christus zu ge-winnen gab, zur Seite stand.
James", sagte er eines Tages zu ihm, ich habe eine Arbeit fr dich,bist du bereit dazu?"
Um was handelt es sich, Sir?"
Geh nach China!" Und dann vernahm James Meadows alles berdie offene Tr. Willst du gehen?"
Meadows antwortete: Ich will, wenn Gott mich ruft. Aber ich muzuerst darber beten."
Gottes Plne verwirklichten sich langsam, aber unaufhaltsam. In denHeimatlndern war eine Erweckung ausgebrochen, und es wurden damalsviele in das Knigreich Jesu Christi hineingeboren. Dadurch rckte auchdas Interesse fr die Heidenmission in den Vordergrund. Mr. Bergerschrieb darber:
Bestimmt ist dies eine Zeit auerordentlicher Mglichkeiten zumDienst. Die Menschen erwachen langsam. Sie bekommen unter Umstn-den die Zeitschrift ,The Revival' (Die Erweckung) zugeschickt und lesendarin, da in London und vielen Teilen Englands besondere Gottesdienstedurchgefhrt werden mit der Bitte um ein mchtiges Wirken des HeiligenGeistes in der Kirche und der ganzen Welt."
Mr. Pearse berichtete ungefhr zur gleichen Zeit:
Gott schenkte uns einen Freund, der Mr. Jones und Ihnen hundertPfund zukommen lie. Es wird Sie freuen zu hren, da die Erweckungauch London erreicht hat und Hunderte eine klare Bekehrung erlebten."
In Ningpo aber verstrich Monat um Monat ohne Aussicht auf Helfer.Hudson Taylors Krfte waren erschpft. In einem Brief an seine Mutterschrieb er am 25. Mrz, er frchte, seine Lungen seien angegriffen, wennnicht bereits an Tuberkulose erkrankt. Im Mai berichtete er:
Ich mchte so gern wissen, wie ich in Zukunft China am besten dienenkann. Das Werk hier kann ich in meinem elenden Zustand nicht lngerweiterfhren. Wrde meine Gesundheit aber durch einen Heimaturlaubwiederhergestellt, dann knnten whrend dieser Zeit junge Menschen frdas Werk gewonnen werden. Ich meine, dieser Versuch sollte gewagtwerden."
Es lag in Gottes Plan, ein Samenkorn in die zubereitete Heimaterdefallen und dort Wurzel schlagen zu lassen. Die Heimatgemeinde hatte Er
dazu erweckt. Hudson Taylor sollte nun das Samenkorn ausstreuen. Des-halb mute er in die Heimat zurckgefhrt werden, und zwar bald. Dortsollte er auch wieder zu Krften kommen.
Widerstrebend schlssen Hudson Taylor und Maria das Krankenhaus.Ende Juni traten sie die Reise nach England an. Der junge Maler WangLae-djn hatte sich ihnen als Begleiter angeboten, weil er sah, da sie ihnbrauchten. Die groe Entfernung zwischen China und England war ihmwohlbekannt. Trotzdem lie er Frau und Kind in seinem Elternhauszurck. Ich will meine Missionare bis ans Ende der Welt begleiten",meinte er, denn ich verdanke ihnen so viel."
Hudson Taylor lie die jungen Glubigen nur ungern allein in Ningpozurck, doch trstete ihn der Gedanke, da er ihnen in England besserdienen knne. Es muten Schriften im Lokaldialekt und vor allem einegenauere Ubersetzung des Neuen Testaments mit Anmerkungen vorbe-reitet und gedruckt werden.
Die Heimreise dauerte vier Monate. Nach der Landung setzte sichTaylor sogleich mit der Bibel- und Traktatgesellschaft in Verbindung,die spter den Druck der Ubersetzung bernehmen sollte. Mancherlei Be-sprechungen und vielseitige Korrespondenz fllten seine Tage so voll-stndig aus, da Wochen dahingingen, bis er seine Eltern in Barnsley be-suchen konnte.
Wo sollten sie sich aber whrend ihres Heimaturlaubs niederlassen?Weil er sein Medizinstudium neben der Bibelbersetzung beenden wollteund ihm die Tr zu einer Universitt offenstand, brachte er seine Familiein einer Seitenstrae Whitechapels inmitten der Arbeiterbevlkerung imOsten Londons unter. Von hier aus erreichte er die Hrsle in krzesterZeit. Vier Jahre vergingen, in denen er fr die neue Sicht zubereitetwurde, die fr ihn zu Anfang noch im dunkeln lag. Es war nur zu gut,da die Missionare nicht sehen konnten, was Gott fr sie geplant hatte.
James Meadows, der junge Missionskandidat von Barnsley, vermitteltuns durch seine Tagebuchnotizen einen flchtigen Einblick in das tglicheLeben der kleinen Familie Taylor an der Beaumontstrae. Er kam imersten Jahr ihres Heimataufenthalts in ihr Londoner Haus. Er berichtete:
Ich suchte, aus dem Norden Englands kommend, den Weg nachWhitechapel. Die armselige Umgebung berraschte mich nicht. Ich hatteja gehrt, da Hudson Taylor im London-Krankenhaus Vorlesungenbesucht und deshalb in der Nhe wohnt. Aber ich wunderte mich sehrber die Armut ihres Heims, und meine berraschung war gro, als ichvon einem Chinesen in chinesischer Kleidung und chinesischer Haartrachtempfangen wurde. Meiner Meinung nach ist mein bescheidenes Huschenin Barnsley bequemer ausgestattet als die Rume im Missionshaus. DieMissionare und ihr chinesischer Helfer scheinen wenig Zeit fr Haus-arbeiten zu verwenden. Sie sind bestndig mit der Neubearbeitung desNeuen Testaments beschftigt."
Bei seiner Ankunft fand James Meadows Hudson Taylor mit einemebenfalls im Heimaturlaub weilenden Chinamissionar, Mr. Gough, imdrftig ausgestatteten Arbeitszimmer an einer schwierigen Stelle derUbersetzung. Es dauerte deshalb einige Zeit, bis Hudson Taylor ihn be-grte. Meadows bemerkte das krgliche Feuer im Kamin, obwohl esbitterkalt war, und das abgetragene Kleid des Mannes, der selbst garnicht in diese Umgebung hineinpate.
Auch bei Tisch fand er dieselbe Armut. Lae-djn war Mdchen fralles. Er besorgte Kche und Wsche. Das Essen war einfach, aber allessauber. Offensichtlich verwendete auch er wenig Zeit fr Hausarbeiten.
Das Gesprch whrend der Mahlzeit lie den Besucher jedoch alleanderen Eindrcke vergessen. Er wunderte sich nach dem Essen ber seineeigene Gleichgltigkeit gegenber Dingen, die ihn daheim gestrt htten.Die freundliche, ernste Frmmigkeit" der Missionare und ihre Hingabean das in China zurckgelassene Werk beeindruckten ihn tief. Stndiggedachten sie derer, die sie in China kannten. Die ergreifende Tatsache,da eine Million Seelen Monat fr Monat ohne Christus verlorengingen,war fr sie Wirklichkeit und prgte ihr tgliches Leben. Ihre Armuthielt ihn nicht davor zurck, sich bereitwillig einer solchen Leitung zuunterstellen und als einfacher Schriftleser" hinauszuziehen. Meadowserkannte bald, da Taylors keine Mittel zu seiner Ausreise zur Verfgungstanden und da sie auch keine in Aussicht hatten. Aber die Mittel kamendennoch. Schon im Januar befand er sich mit seiner jungen Frau als ersterder fnf erbetenen Helfer auf der Reise nach China. Vorerst sollten sieMr. und Mrs. Jones in ihrer Arbeit in Ningpo helfen. Leider erkrankteMr. Jones kurz nach ihrer Ankunft. Er mute seine Arbeit niederlegenund starb auf der Reise in die Heimat.
Hudson Taylor schtzte das Vertrauen des jungen Meadows. Er hattees erlebt, was es bedeutet, in Nten allein zu stehen. So durfte nichtsunterlassen werden, was seinem jungen Mitarbeiter dienen konnte. Erberichtete ein Jahr nach der Ausreise des Ehepaares:
James Meadows schreibt, da er regelmig und ausreichend mitGeld versorgt wird und seine Freunde, denen sein Vertrauen auf denHerrn im Blick auf seine Versorgung bekannt ist, sich nicht um ihn sor-gen sollten. Diese Versorgung scheint ihn zu bekmmern, als sei dies un-vereinbar mit seinem Gottvertrauen. Ich habe ihm geantwortet, da wirunsern Unterhalt allein von Gott erwarten, der uns nach Seinem Gut-dnken versorgt. Wir knnten fr die Regelmigkeit seiner Versorgungnur dankbar sein."
Von diesen verborgenen Jahren der Arbeit und des Wartens auf Got-tes weitere Fhrung wrden wir wenig wissen, wenn nicht eine Anzahlkleiner Tagebcher aufgefunden worden wre, die ber die Zeit nachbeendigtem Medizinstudium berichten. Tgliche Eintragungen in seinerklaren Handschrift fllen die Seiten und strmen den Geist aus, der ihn
in den drei folgenden Jahren erfllte. Danach verging kein Tag, an demnicht Briefe eingingen, Besucher kamen, Versammlungen und Sprach-unterricht gehalten, Kranke besucht oder leidenden Nachbarn geholfen,an Konferenzen der Heimatleitung teilgenommen und private oder all-gemeine Verpflichtungen erfllt werden muten. Und dies alles nebender bersetzungsarbeit! Da letztere seine Hauptbeschftigung war, derer sich mit der ihm eigenen Hingabe widmete, ist aus den Aufzeichnungenklar ersichtlich. Da heit es zum Beispiel:
Sonntag, 26. April. Am Morgen Predigt Rev. T. Kennedy. Thema: ,Fge dir selbstkein Leid zu!' Nachmittags geruht. Kopfschmerzen neuralgischer Art. Abends mitLae-djn* Text durchgesprochen.
April. Sieben Stunden bersetzt und revidiert. Abends in der Exeterhalle.
April. Neuneinhalb Stunden bersetzt und revidiert.
April. Elf Stunden bersetzt und revidiert.
April. Fnfeinhalb Stunden bersetzt und revidiert. BMS-Versammlung.
Mai. Achteinhalb Stunden bersetzt und revidiert. Besucher bis 22 Uhr.
Mai. Dreizehn Stunden bersetzt und revidiert.
10. Mai. Sonntagmorgen mit Lae-djn ber Hebr. 11, erster Teil, glckliche Stun-den verlebt. Brief an James Meadows. Nachmittags Besprechung mit Maria ber Auf-gaben des Hauses. Gebet fr Meadows, Truelove, die Ubersetzung usw. Hrte abendsPredigt Mr. Kennedys ber Matth. 27, 24: ,Er half andern; sich selbst konnte er nichthelfen.' Ach, da ich doch Jesus in Seiner Demut, Seinem Verstehen und Seiner Liebemehr gliche! Herr, mache mich Dir hnlicher!"
Aber nicht nur die Arbeit, sondern eher die Prfungen im Glaubenund in der Geduld lieen dieses Jahr fr die Zukunft so fruchtbar werden.In der Bearbeitung des Neuen Testaments ergaben sich viele Schwierig-keiten, und die persnliche Versorgung mit dem Ntigsten brachte man-che Not. Taylor erhielt keinerlei Hilfe aus den Spenden fr die Ningpo-Mission. Schon damals erkannte er die Wichtigkeit der absoluten Unab-hngigkeit des Werkes von Menschen. Er war es lngst gewohnt, in zeit-lichen wie in geistlichen Dingen nur auf den Herrn zu sehen. Wie ofthatte Er die Verheiung besttigt: Er wird kein Gutes mangeln lassendenen, die aufrichtig vor ihm wandeln." Seine im Osten Londons ver-brachten Jahre waren durch besonders schwere Prfungen in dieser Rich-tung gekennzeichnet. Einige Nte wiederholten sich nie mehr, wie zumBeispiel die vom Herbst 1863. Darber schreibt er:
Montag, 5. Oktober. Unser Geld ist beinahe ausgegeben. Doch ist alles bezahlt,was wir Kaufleuten und Angestellten schuldeten. Fand eine kostbare Verheiung fruns whrend des Ubersetzens. Sie steht in 1. Chron. 28, 20. Sieben Stunden Revisions-arbeit.
* Lae-djn wurde geistlich nicht vernachlssigt. Aus den Tagebuchnotizen ist zuentnehmen, da Taylor sonntags mehrere Stunden mit ihm im Gebet zubrachte unddas Wort studierte. Vielleicht darf Lae-djns sptere Fruchtbarkeit als ersten undwhrend dreiig Jahren treuesten chinesischen Pfarrers im Verband der China-Inland-Mission auf diesen Einsatz von Hudson Taylor zurckgefhrt werden.
9. Oktober. Unser Geld ist aufgebraucht. Unsere Hoffnung, Herr, liegt in Dir.Sechseinhalb Stunden bersetzt. Besuch von Mrs. Jones mit Kindchen und Mrs. Lordaus Bristol.
10. Oktober. Neueinhalb Stunden Revisionsarbeit. Ging zusammen mit Mrs. Joneszum Arzt, Mr. Jonathan Hutchinson, der freundlicherweise kein Honorar nehmenwollte. Trotz grter Sparsamkeit blieb kaum noch Geld brig, doch Alles kann ich haben, und das im Uberflu;denn Gott ist fr mich.Sonntag, 11. Oktober. Morgens mit Lae-djn. Nachmittags Gebet. Hrte abendsMr. Kennedy predigen. Legten im Glauben Kollekte ein, was wir dem Herrn gegen-ber als Schuldigkeit erachteten."
Und Gott belohnte ihr Vertrauen. Er lie ihnen im Lauf der Wochebesondere Beweise Seiner Frsorge zukommen. Er hatte wohl SeineGrnde, ihren Glauben zu prfen, verga aber ihre Geldnte nicht. An-fang der Woche besuchte sie Mrs. Jones, die auf dem Lande wohnte. Sieschenkte ihren Freunden eine Gans, eine Ente, ein Huhn und andere guteDinge. Ein oder zwei Tage spter kam ein Verwandter und bergabihnen dreiig Pfund zum persnlichen Gebrauch.
Sie waren es gewohnt, nach Gottes ausdrcklichem Befehl: Seid nie-mand nichts schuldig!" zu handeln. Nur einmal konnten sie ihre Ver-pflichtungen nicht erfllen. Das geschah im Sommer 1864 whrend derheiesten Zeit, die in Ost-London besonders drckend ist. Schon seit An-fang August war die Versorgung sprlich gewesen. Am 12. August schloeine Eintragung mit den Worten: Ich mute den Steuereinnehmer umAufschub bitten. Herr, hilf uns um Deines Namen willen!" Der nchsteTag war ein Samstag. Sie besaen kaum noch Geld, arbeiteten jedoch wiegewohnt an ihrer bersetzung. Das Kindermdchen wurde ber ihreLage aufgeklrt, denn es sollte ihm freigestellt sein, ob es bleiben odergehen wollte. Hudson Taylor schrieb: Ich versuche zu verstehen, was esheit: ,Meine Kraft ist in den Schwachen mchtig/"
An diesem Samstagabend kehrte ein Freund, der sie besucht hatte, zuspter Stunde noch einmal zurck und legte sieben Pfund in HudsonTaylors Hand. Am Montag brachte die Post fnf Pfund und im Laufeder Woche weitere fnfunddreiig Pfund. Hudson Taylor wurde dadurchin seinem Vertrauen besttigt, da es fr sie immer richtig sei, ihre ganzeKraft und Zeit dem Werk zu widmen und ruhig auf die Erfllung vonGottes Verheiungen zu warten.
Wie aber war es mit der Arbeit bestellt, die die Bibelgesellschaft ihmanvertraut hatte? Eine korrekte bersetzung des Neuen Testaments inlateinischem Druck, der die Laute des Ningpodialekts wiedergab und sichleichter lesen lie als chinesische Schriftzeichen, war eine Aufgabe, diebedeutende Opfer wert war. Mit Mr. Goughs, Wang Lae-djns undMarias Hilfe hoffte er sie in absehbarer Zeit erfllt zu haben. Es warnicht Mangel an Flei, der den Fortschritt der Arbeit gehindert hatte,sondern die Aufgabe an sich erwies sich als wesentlich grer als erwartet,weil der bersetzung Anmerkungen beigefgt werden muten.
Pltzlich begegnete die Bibelgesellschaft heftigem Widerstand voneinigen einflureichen Leuten. Immer wieder schien es, als mte die
bersetzung aufgegeben werden, und das nicht etwa am Anfang, son-dern erst nach Jahren intentivster Arbeit. Zwei oder drei Monate hin-durch war die Lage ganz besonders schwierig.
Menschlich gesprochen bleibt uns wenig Hoffnung auf weitere Hilfeder CMS oder der Bibelgesellschaft", schrieb Hudson Taylor am 7. Ok-tober an seine Mutter. Ich sorge mich dabei nicht um die Mittel zumDruck. Die kann der Herr leicht schenken. Dr. Goughs Hilfe knntenwir fr den verbleibenden Teil der Arbeit wohl nicht entbehren, dochwerden wir unter diesen Umstnden kaum damit rechnen knnen. Des-halb bitte ich um Eure Gebete."
Zwei Wochen spter hrten sie durch Mr. Pearse den Beschlu derBibelgesellschaft:
Die Bibelgesellschaft ist offensichtlich mit Ihrer Arbeit zufrieden. Wirselbst wnschen, da Sie damit fortfahren."
Das war eine klare Gebetserhrung. Hudson Taylor fhlte sich mehrdenn je fr diesen Teil des Werkes verantwortlich. Dabei vergingen dieJahre. Mit der wiederkehrenden Kraft wuchs sein Verlangen zur Rck-kehr nach China. Seit Mr. Jones' Tod hatten die Christen der Brcken-strae kaum mehr betreut werden knnen. Meadows, der Frau und Kinddurch den Tod verloren hatte, bedurfte dringend eines Gefhrten, unddie einheimischen Glubigen brauchten geistliche Hilfe. Menschlich ge-sehen schienen alle Umstnde auf die Rckkehr Taylors hinzuweisen.Auch er selbst sehnte sich nach direkter Missionsarbeit. Banden ihn abernicht die erlebten Gebetserhrungen an die Heimat, an die Weiterarbeitund Vollendung der begonnenen Arbeit?
Was war es aber, das ihn mit eigenartiger Beharrlichkeit nach demInnern Chinas rief? Wie konnte er dem Ruf jener christuslosen Millio-nen ausweichen, um die sich niemand zu kmmern schien? An einer Wandseines Arbeitszimmers hing eine Karte des Riesenreiches, und auf demArbeitstisch lag stndig die geffnete Bibel. Zwischen beiden wartete derGerufene. Immer, wenn er sich selbst an Gottes Wort erfreute undnhrte, mahnte ihn die Karte an das ferne China China mit seinenMillionen. Sie konnte er nicht vergessen. Darber schrieb er:
Whrend meines Chinaaufenthalts waren die Aufgaben in meinernchsten Umgebung so vielseitig, da mich die noch grere Not desInlands nicht beunruhigt hatte. In den Jahren meines Aufenthalts in Eng-land, whrend ich tglich auf der Karte das weite Land vor Augen hatte,fhlte ich mich den ausgedehnten Gebieten des Inlands so nahe wie denkleinen Distrikten, die mir bekannt waren. Nur im Gebet konnte ichErleichterung meiner Last finden."
Oft legten Mr. Gough, der diese Last mittrug, und Hudson Taylorihre Arbeit beiseite und riefen Maria und Lae-djn herbei, um gemein-sam Gott zu bitten, Er mge bald das Evangelium in alle Teile Chinassenden. Einzeln oder gemeinsam suchten sie die Vertreter der greren
Missionsgesellschaften auf und breiteten vor ihnen den Anspruch dernicht evangelisierten Millionen Chinas aus. berall wurden sie freund-lich angehrt. Man kannte die Tatsachen. Doch niemand wollte etwasunternehmen. Zwei Einwnde wurden immer wieder angefhrt: Geld-knappheit und der Mangel an Missionaren. Dazu kam die Frage, wie diefernen Provinzen je erreicht werden sollten, selbst wenn Geld und Mis-sionare vorhanden wren. Der im Jahre 1860 geschlossene Vertragsicherte zwar Reisen und sogar das Niederlassungsrecht im Inland, aberdennoch lautete der Bescheid: Wir mssen warten, bis sich durch GottesVorsehung die Tren ffnen. Augenblicklich knnen wir nichts tun."
Diese Einwnde vermochten die Herzensnot und die Last der Mis-sionare nicht zu erleichtern. In Seinem Befehl Gehet hin in alle Weltund verkndigt das Evangelium aller Welt!" hatte der Meister nichtsber Politik oder Finanzen gesagt. Sein Befehl lautete: in alle Welt"und Seine Verheiung: Ich bin bei euch alle Tage". Mute diesem Befehlnicht mit Vertrauen und vlligem Gehorsam begegnet werden?
Es gab aber auch andere, die dachten wie sie. Es waren die Freunde,die sich jeden Samstag in ihrem Heim an der Beaumontstrae zum Ge-bet zusammenfanden, seitdem Meadows und seine Frau nach China aus-gezogen waren. Doch keiner interessierte sich mehr fr die Ningpochristenals Mr. und Mrs. Berger, die sich regelmig zu den Gebetsstunden ein-fanden. Mr. Berger blieb Hudson Taylors Last nicht verborgen. Er stelltesich mit ihm darunter und wurde ihm ein wertvoller Berater, whrendMaria in Mrs. Berger eine mtterliche Freundin fand. Sie ahnten damalsnoch nicht, welche Entwicklungen durch die Hilfe dieser Freunde mglichgemacht werden sollten. Das wachsende Verantwortungsbewutsein bil-dete das Fundament ihrer tiefen Freundschaft.
Als Mr. Berger eines Tages Hudson Taylor zu der Aussendungsfeiereines jungen Missionars begleitete, fand er zu seiner berraschung einekleine, arme Gemeinde ohne ein einziges einflureiches Mitglied vor, diesich bereit erklrt hatte, fr den Unterhalt des ausziehenden Missionarssorgen zu wollen. Ihre groe Opferfreudigkeit lie Mr. Berger das Vor-recht des Gebens und Leidens um Jesu willen erkennen. Unter HudsonTaylors ernster Botschaft fate er einen Entschlu. Gegen Ende der Ver-sammlung erhob er sich und sagte: Was ich hier erlebt habe, beschmtmich, weil ich bisher verhltnismig wenig fr die Sache Christi getanhabe. Mein soeben gefater Entschlu erfllt mich nun mit tiefer Freude.Knftig will ich das Zehnfache, ja, mit Gottes Hilfe das Hundertfachedes bisherigen Betrages geben."
Nur drei Monate spter sollte Hudson Taylor am Strand von Brigh-ton die entscheidendste Krise in seinem Leben erfahren.
Inzwischen war er in eine neue Aufgabe hineingezogen worden. DerPfarrer der Gemeinde, zu der er gehrte, hatte ihn zu Beginn des Jahresgebeten, fr die von ihm herausgegebene Baptistenzeitschrift eine Artikel-
reihe ber China zu verfassen, um Interesse an der Ningpo-Mission zuwecken. Der erste Bericht war bereits erschienen, und Hudson Taylorbereitete weitere vor, als er das Manuskript des zweiten vom Verlegerzurckgeschickt bekam mit der Bemerkung, die Artikel wren so wichtig,da sie eine weitere Verbreitung finden sollten als in seiner Gemeinde-zeitschrift. In seinem Brief hie es: Schreiben Sie! Schreiben Sie nochmehr! Schreiben Sie ber das ganze Arbeitsfeld! Es mu ein Aufruf frdas Innere Chinas herausgegeben und verbreitet werden."
Noch immer war die bersetzung des Ningpo-Testaments TaylorsHauptaufgabe. Und nun diese neue Verantwortung! Dazu stand er inden Vorbereitungen fr seine Rckkehr nach China. Einige junge Leutesollten ihn begleiten. Ganz unerwartet war ihm freie berfahrt fr zweiMissionare auf einem Dampfer angeboten worden, der schon bald aus-laufen sollte. Zwei Kandidaten nahmen das Angebot an und schifftensich ein. Zwei Wochen spter folgte die Verlobte des einen. Ein anderererbat sich noch etwas Zeit zur Vorbereitung; der fnfte wurde von seinerFamilie zurckgehalten, und der sechste wute noch nicht bestimmt, ober berhaupt gehen wollte. Als Taylors eigene Ausreise dadurch hinaus-geschoben wurde, erkannte er darin die Gelegenheit zum Verfassen wei-terer Berichte. Schon bevor die Gruppe sich auflste, hatte ihn das Stu-dium des Materials, das er verbreiten wollte, in groe innere Not, in diebereits erwhnte Krise gefhrt. Beim Ausarbeiten von Lichtbildern, diedie Weite Chinas, die groe Bevlkerungszahl der einzelnen Provinzenund die Vernachlssigung durch die Missionen aufzeigen sollten, warenihm die Snde und Schande dieser Gleichgltigkeit allzu deutlich bewutgeworden. Es war noch kein Schritt zur Vernderung der Dinge unter-nommen worden. Was konnte denn berhaupt getan werden? Es stimmte:Die Zahl der protestantischen Missionare ging zurck. Obwohl die Hlfteder heidnischen Erdbevlkerung in China lebte, war die Zahl der injenem Land arbeitenden Missionare whrend des vergangenen Wintersvon hundertfnfzehn auf einundneunzig gesunken. Diese Tatsachenschrten das verzehrende Feuer in seinem Innern. Er hatte alles in seinerMacht Stehende getan, und keiner lie sich in dieser Sache bewegen. Ermute sie einfach liegenlassen, bis der Herr ... Das konnte bestimmtnicht das letzte Wort sein!
Das Ganze liegenlassen? Konnte er nicht im Glauben um Arbeiterbeten? Sie wrden ihm geschenkt werden, obgleich er schwach und einNichts war. Es liegenlassen, wo doch Sein Wort klar sagt: Wenn ichdem Gottlosen sage: Du mut des Todes sterben, und du warnst ihnnicht und sagst ihm nicht, da sich der Gottlose von seinem gottlosenWesen hte, auf da er lebendig bliebe, so wird der Gottlose um seinerSnde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern."Er schrieb ber diese kritische Zeit:
Ich wute, da Gott jetzt redete. Auch wute ich, da Er auf das Gebet hin
Evangelisten und die notwendigen Mittel geben wrde, weil der Name Jesu dafrbrgt. In meinem Herzen machte sich nun der heimliche Unglaube breit: ,Angenommen,die Arbeiter wrden geschenkt und zgen nach China, es kmen aber Prfungen,da ihr Glaube ins Wanken geriete, mten sie dich dann nicht anklagen, der du siein eine solche Lage gebracht hast? Knntest du solchen Vorwrfen begegnen?' DieAntwort war natrlich ein entschiedenes Nein.
Inzwischen starben in China Monat um Monat eine Million Menschen ohne Gott.Das brannte in meiner Seele wie Feuer. Zwei oder drei Monate heftigster Kmpfegingen dahin. Nachts vermochte ich kaum noch eine Stunde zu schlafen. Ich frchteteden Verstand zu verlieren. Aber ich gab nicht nach. Ich konnte mich mit niemandaussprechen, nicht einmal mit meiner Frau. Sie sah freilich, da etwas in mir vorging,aber ich fhlte, da ich mglichst lange damit warten mute, ihr eine solch zer-mrbende Last aufzubrden: Diese Seelen! Wo bringen sie die Ewigkeit zu? Wasknnte das Evangelium an allen bewirken, die daran glaubten! Wenn wir es ihnennur brchten!"
Bedeutungsvoll ist das Abbrechen der Tagebucheintragungen an dieserStelle. Zweieinviertel Jahre lang war es treu gefhrt worden und jetzt Schweigen. Sieben Wochen hindurch keine einzige Eintragung! Dieseerste und einzige Lcke in den sonst so inhaltsreichen Seiten wievielsagt sie uns! Nun stand er wirklich Gottes Plan gegenber. Er wagtenicht, ihn anzunehmen; entfliehen konnte er ihm aber auch nicht. Es er-ging ihm wie Jakob in alter Zeit: Da rang ein Mann mit ihm, bis dieMorgenrte anbrach."
bermdet, ja krank war Hudson Taylor zu Freunden nach Brightongekommen. Da geschah es am Sonntag, dem 25. Juni, einem ruhigenSommertag, da er den Anblick der frohen Gemeinde im Gotteshausnicht lnger ertragen konnte und allein auf das Watt hinauswanderte,das die Ebbe freigelegt hatte. Rundherum war Friede; in seinem Herzenjedoch tobte der Kampf. Es mute eine Entscheidung getroffen werden,das wute er; lnger konnte er diesen Konflikt nicht mehr ertragen.
Da kam mir der Gedanke", schrieb er etwas spter, wenn nun Gotteine Schar Arbeiter fr das Innere Chinas gibt und sie hinausziehen undalle Hungers sterben, wrden sie ja alle zu Ihm kommen. Und wenn da-durch nur eine einzige heidnische Seele gerettet worden wre, htte sichdann nicht der Einsatz gelohnt?"
Ein sonderbarer Umweg zum Glauben: Wenn das Schlimmste tatsch-lich eintrifft, hat es sich dennoch gelohnt! Etwas aus dem Gottesdienstschien hier gewirkt zu haben. Der Gedanke an Gott trat an die Stelle desUnglaubens. Ein Neues, das wie die Morgenrte die Nacht verdrngt,tat sich vor ihm auf.
Wenn wir dem Herrn gehorchen, liegt die Verantwortung auf Ihm,nicht auf uns."
Dieser Gedanke, den Gottes Geist ihm eingab, machte alles neu.
Dir, Herr, Dir sei die ganze Last berlassen", rief er im Gefhl einerunaussprechlichen Befreiung aus, auf Deinen Befehl, als Dein Dienergehe ich vorwrts und berlasse Dir alles!"
Seit einiger Zeit hatte ihn die Frage bewegt, ob er nicht Gott fr jededer elf erreichten Provinzen wenigstens um zwei Evangelisten und zweiweitere fr Chinesisch-Turkestan bitten drfte. Das unendliche Meer vorAugen, dessen V/eilen sich unablssig am Ufer zu seinen Fen brachen,ffnete er seine Bibel und schrieb: Betete um vierundzwanzig willige,fhige Arbeiter. Brighton, 25. Juni 1865."
Voll tiefen Friedens verlie ich den Strand", schrieb er in Erinnerungan die erlebte Befreiung, der Kampf ist vorbei, alles in mir ist Freudeund Friede. Es schien mir, als flge ich zu Mr. Pearses Haus hinauf. Undwie schlief ich in jener Nacht! Als ich nach London zurckkehrte, meintemeine Frau, Brighton htte an mir Wunder gewirkt. So war es auch!"
Neues Leben durchstrmte Hudson Taylor nach dieser Entscheidung.In aller Frhe des nchsten Tages machte er sich auf den Weg nach Lon-don. Uber diesen Tag ist nichts weiter geschrieben, als da er mit jeman-dem gebetet hatte, der sich der Ningpo-Mission anschlieen wollte undvor sich nur Schwierigkeiten sah. Doch die Eintragung am nchsten Taglautet:
27. Juni. Ging mit Mr. Pearse zur London und County Bank underffnete ein Konto fr die China-Inland-Mission. Legte zehn Pfundein."
Hier tauchte der Name zum erstenmal auf, der dann weithin bekanntwerden sollte China-Inland-Mission.
DIE MISSION, DIE ENTSTEHEN MUSSTE18651866
Ein Tag von groer Bedeutung lag vor dem jungen Missionar. Erwute es. Den ganzen Tag hindurch hatte er Gott um bleibende Fruchtgebeten. Und nun stand er in der weiten Halle und sah ein Meer vonGesichtern vor sich. Er fhlte seine Schwche und Unzulnglichkeit. Nie-mand erwartete eine Botschaft von ihm. Als Fremder in Perth er hatteSchottland vorher nie gesehen hatte er von den Verantwortlichendieser Konferenz nur widerwillig die Erlaubnis erhalten, einige Minutenber China reden zu drfen China mit seinen vierhundert Millionen,die ihm auf dem Herzen lagen.
Mein lieber Herr", hatte der Vorsitzende ausgerufen, als er das Emp-fehlungsschreiben dieses unbekannten Hudson Taylor durchgesehenhatte, Sie miverstehen den Zweck unserer Konferenz. Sie soll zur geist-lichen Erbauung dienen."
Doch dieser Missionar lie sich nicht abweisen. Er konnte nicht ein-sehen, da Gehorsam gegen das letzte Gebot des Auferstandenen im Ge-gensatz zu geistlicher Erbauung stehen sollte. Vielmehr schien ihm ein
solcher Gehorsam die Wurzel allen Segens und der sicherste Weg zu tiefe-rer Gemeinschaft mit Gott zu sein. Es kostete ihn aber einiges, den Vor-sitzenden davon zu berzeugen, denn damals durfte die uere Missionkeinerlei Ansprche erheben. Seine tiefe Abneigung gegen eine ffentlicheAnsprache machte die Sache nicht leichter. Noch grer waren seine Be-frchtungen, sich aufdrngen zu mssen. Auf der Fahrt von Aberdeennach Perth hatte er an Maria geschrieben:
Durch Gottes Gte erhielt ich einige Empfehlungsschreiben fr Perth.Mge der Herr mir dort helfen, mich leiten und gebrauchen! Ich hoffe aufIhn. Ich will mir nicht selbst gefallen, sondern trete um Chinas willen andie ffentlichkeit. Was ich auer Glauben brauche, das ist Mut. MgeGott ihn mir schenken!"
Und dann stand er vor der Menge und stellte ihr die Fragen:
Glauben Sie, da jeder einzelne dieser Millionen eine unsterblicheSeele hat und da kein anderer Name unter dem Himmel den Menschengegeben ist, darinnen wir sollen selig werden, als allein der Name Jesus?Glauben Sie, da Er, Er allein ,der Weg, die Wahrheit und das Leben* istund da niemand zum Vater kommt ,denn durch Ihn'? Wenn es so ist,dann bedenken Sie doch bitte die Zukunft dieser unerlsten Seelen, undprfen Sie sich vor Gottes Angesicht, ob Sie Ihr uerstes tun, Ihn unterdiesen Menschen bekannt zu machen!
Der Einwand, Sie htten keinen besonderen Ruf nach China, gengtnicht. Angesichts dieser Tatsachen mten Sie sich doch prfen, ob Sieeinen besonderen Auftrag zum Bleiben in der Heimat haben. Wenn Sievor Gott nicht von einem solchen Auftrag, in der Heimat zu bleiben,sagen knnen, warum gehorchen Sie dann nicht dem klaren Befehl Jesu,der heit: ,Gehet hin!'? Warum weigern Sie sich, dem Herrn zu Hilfezu eilen gegen den mchtigen Feind? Wenn aber eine Pflicht nichtNeigung, nicht Bequemlichkeit, nicht der Beruf Ihr Bleiben in derHeimat verlangt, ringen Sie dann auch wirklich im Gebet um diese heils-bedrftigen Seelen, so gut Sie es vermgen? Wenden Sie wirklich Ihrenganzen Einflu zur Frderung der Sache Gottes unter ihnen an? WerdenIhre Mittel in dem Mae, wie es sein sollte, zur Mithilfe im Blick aufihre Errettung verwandt?"
Und dann erzhlte Hudson Taylor, wie Nye in der neu gefundenenFreude seines Glaubens an Jesus Christus die Frage an ihn gerichtet hatte,wie lange die Frohe Botschaft in England schon bekannt sei, und wiebeschmend es fr ihn gewesen wre, darauf wahrheitsgem antwortenzu mssen.
Sollen wir sagen, der Weg sei verschlossen gewesen? Heute jedenfallssteht er offen. Bis zur nchsten Perth-Konferenz werden in China zwlfweitere Millionen gestorben sein, so da wir sie ewig nicht mehr erreichenknnen. Was aber unternehmen wir, damit sie die Botschaft der erretten-den Liebe vernehmen? Wie knnen wir weiter in das Lied einstimmen:
,Tragt, ihr Winde, tragt die Botschaft!'? Niemals werden Winde dieBotschaft verbreiten, doch uns knnen sie nach China tragen. Jesus ge-bietet uns einem jeden einzelnen : Gehet! Er sagt: ,Gehet hin inalle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur!' Wollen wir Ihmdarauf antworten: ,Es pat mir nicht'? Wollen Sie Ihm sagen, Sie seiengerade am ,Fischen', oder Sie htten ein ,Stck Land oder fnf Ochsengekauft' oder ,ein Weib genommen'? Oder knnten Sie Ihm aus anderenGrnden den Gehorsam verweigern? Wird Er aber solche Entschuldigun-gen annehmen? Haben wir vergessen, da wir alle vor dem RichterstuhlGottes offenbar werden mssen und ein jeglicher empfngt nach dem, waser getan hat? Gedenken Sie doch der nicht evangelisierten MillionenChinas, beten, arbeiten Sie fr sie, sonst sndigen Sie wider Ihre eigeneSeele. Bedenken Sie, wer diese Worte sagt: ,Errette die, die man ttenwill, und entzieh dich nicht denen, die man wrgen will! Sprichst du:Siehe, wir verstehend nicht, meinst du nicht, der die Herzen wgt, merktes, und der auf deine Seele achthat, kennt es und vergilt dem Menschennach seinem Werk?'"
Der Eindruck dieser Worte war so tief, da sich die Versammlungschweigend auflste. Viele suchten spter den Redner auf und befragtenihn ber seine Arbeit.
Berichte ber Hudson Taylors baldige Ausreise nach China wurdenberall verbreitet. Es hie, er wolle ohne eine Heimatkirche als Hinter-halt, ohne einen Missionsrat oder Zusagen von Hilfsmitteln mit einerGruppe von Mitarbeitern ausreisen. Mit diesen zusammen plane er in dieInlandprovinzen des Riesenreiches vorzustoen. Man wunderte sich berseine Ruhe und die Gewiheit der Berufung fr diese scheinbar unmg-liche Arbeit. Aber Gott wrde bestimmt den Weg vor ihnen auftun.
Erstaunt darber, glaubten die Leute, es sei in ihrer Mitte ein Prophetaufgestanden. Bald darauf fllte eine aufmerksame Zuhrerschaft eineder grten Kirchen. Alle wollten mehr ber die geplante Mission er-fahren.
Den Sonntag nach dem Erleben in Brighton verbrachte Hudson Tay-lor bei seiner Schwester Amalie und ihrem Mann, Benjamin Broomhall.Er wute nicht, in welche Kirche er gehen sollte, und bat Gott um klareLeitung. Da kam ihm der Gedanke, die kleine Gemeinde der OffenenBrder" aufzusuchen.
Am Schlu der Versammlung, als noch zum Gebet aufgefordert wurdeund man einige Anliegen nannte, wurde anscheinend etwas vergessen.Taylor befrchtete, die Versammlung knnte geschlossen werden, ohneda dieser besonderen Not gedacht worden wre. Es war allerdings nichtsAuergewhnliches: ein Krankheitsfall mit langsamer Heilung. Obgleicher ein Fremder unter den Gottesdienstbesuchern war, konnte er den Auf-ruf zur Frbitte nicht unbeantwortet lassen und brachte deshalb das An-liegen im Gebet vor Gott.
Wer war das?" erkundigte sich, tief beeindruckt von der Schlichtheitseines Gebets, eine Lady Radstock.
Es sei Hudson Taylor, ein Missionar aus China, lautete die Antwort.Sie wnschte ihn kennenzulernen. Eine Einladung zum Frhstck amandern Morgen in ihrem Haus am Portlandplatz war das Ergebnis dieserUnterredung. Das war der Beginn einer Freundschaft mit verschiedenenGliedern der Waidegrave-Familie, die fr das zuknftige Werk in Chinaviel bedeuten sollte.
Whrend des ganzen Sommers und Herbstes erreichten ihn daraufhinEinladungen in einflureiche Kreise. Adlige luden ihn zu einer Mahlzeitoder zum Nachmittagstee ein, wozu die Geladenen in groer Toilette er-schienen. Bei diesen Anlssen wurde er immer zum Sprechen aufgefordert.Er zweifelte nicht an Gottes Fhrung und wute, da derselbe Gott, derihm ein Heim im Osten Londons bereitet hatte, ihm auch die Tr zu denGesellschaftsrumen in West-London ffnete.
Die erste Zeit brachte nicht nur Reden und Versammlungen. Er be-reitete gerade die Ausreise von Mr. Stevenson vor, der bereits einigeMonate mit ihm in London verbracht hatte. Gleichzeitig sollte Mr. Ge-orge Scott, ein Schotte, ausreisen. Die Zweige begannen sich auszubreiten,und die Wurzeln gruben sich in den stillen Stunden des Planens undBetens tiefer ein. Manche Stunde verbrachte er mit Mr. Berger und be-sprach mit ihm praktische Fragen. Bergers Bereitschaft zum Mittragenbedeutete ihm eine sehr groe Hilfe. Hudson Taylor sagte davon:
Nachdem ich mich zur Wiederausreise entschlossen hatte, bernahmMr. Berger die Heimatvertretung. Die Zusammenarbeit wuchs allmh-lich. Wir waren uns sehr nahe gekommen. In seinem Wohnzimmer einig-ten wir uns auf den Namen der neuen Mission. Keiner von uns setzteden andern ein, es kam einfach alles von selbst."
Es wre noch viel zu berichten ber Marias Hilfe, die ja seinem Her-zen am nchsten stand, ber die alles verstehende Liebe, die geistlicheInspiration und praktische Weisheit der Frau, die mit ihm alle Erlebnisseteilte. Die neue Ausreise bedeutete fr Maria mehr als fr alle andern.Sie war so jung und hatte nicht nur fr eine wachsende Familie, sondernauch fr einen groen Missionshaushalt zu sorgen. Vier Kinder solltensie auf der Reise nach dem Fernen Osten begleiten keine leichte Auf-gabe! Dazu kamen die vielen neuen Plne Botschafter Jesu in alleunerreichten Provinzen , kann man ermessen, was das fr sie bedeu-tete? So gro ihr Vertrauen zu ihrem Mann auch war, verlie sie sichnicht einfach auf seinen Glauben. Seit ihrer frhesten Kindheit hatte sieals Vollwaise ihren Glauben an die Treue des himmlischen Vaters zuerproben gelernt. Mochten auch Familiennte, schwere Zeiten und nichtzuletzt die ungeheure Verantwortung fr andere vor ihr liegen, so ver-siegten doch ihre eigenen Quellen nie. Sie lebte Stunde um Stunde ausdem unerschpflichen Reichtum Christi".
Vor der Ausreise aber mute das Manuskript berarbeitet werden, dasder Herausgeber der Baptistenzeitschrift wie schon erwhnt zurck-gesandt hatte. Das war keine leichte Aufgabe. Nur wenig Nachrichtensickerten damals aus dem verschlossenen Riesenreich durch. Hier in derHeimat aber sollten die dringendsten Nte bekanntgemacht werden.Dazu benutzten sie die Sonntage, weil die Wochentage kaum Zeit zuruhiger Arbeit lieen. Natrlich wurde der Gottesdienst nicht vernach-lssigt. Nachmittags beteten und schrieben, schrieben und beteten HudsonTaylor und Maria in ihrem kleinen Wohnzimmer an der Cobornstrae,wohin sie kurz vorher bergesiedelt waren, und besprachen die ihnengestellte Aufgabe. Chinas geistliche Nte und Ansprche" lautete dieberschrift des Artikels, den sie gemeinsam erarbeitet hatten. Darbersagte Hudson Taylor spter:
Jeder Satz ist unter Gebet entstanden. Whrend ich dabei im Zimmerauf und ab ging und berlegte, sa Maria am Tisch und schrieb alles auf."
Beim Durchlesen der Seiten jener Zeit fhlt man noch heute die Kraft,die die Leser lnger als eine Generation hindurch berhrte und bewegte.Jeder Abschnitt ist nicht nur ein Beweis sorgfltigen Forschern, sondernzeugt vielmehr von dem Gebetsgeist, in dem er geschrieben wurde. DieBerichte erfllen genau ihren Zweck. Beim Lesen wird man von derersten bis zur letzten Seite in Gottes Licht gestellt. Sein Wort erreichtden Leser; Sein Plan, vor dem es kein Ausweichen gibt, wird deutlich.Nichts vom eigenen Ich. Der Verfasser ist kaum erwhnt. Mr. BergersName ist verschiedentlich genannt, ebenso werden die Namen der Mis-sionare erwhnt, die damals im Einsatz in China oder auf dem Wegedorthin waren.
Die gewaltige Gre der Missionsaufgabe wird in dieser Schrift klardargestellt, die andern Wirklichkeiten Gottes Quellen, Ziele, Treue,Befehle und Verheiungen. Das mute gengen, das allein konnte ge-ngen Sein Wort: Mir ist gegeben alle Macht... ; darum gehet... !"
Diese Grundstze der neuen Mission lassen sich auf zwei Beweggrndezurckfhren: auf die Not, der begegnet werden soll, und auf Gott. Er,der das Werk ins Leben rief, wrde auch hinter Seinem Werk stehen. Erwrde auf jeden Hilfeschrei antworten, weil es keine Not gibt, der Ernicht gewachsen ist.
Ich fhlte die tiefe Verantwortung als Last, erlebte aber Ermutigungen, denenman berall in Gottes Wort begegnet. Darum bat ich den groen Herrn der Ernteohne Zgern um die Berufung und Sendung von vierundzwanzig europischen undebenso vielen chinesischen Evangelisten, die das Banner des Kreuzes Jesu Christi inden nicht evangelisierten Provinzen Chinas und der Tartei aufrichten sollten. DenMenschen bleibt manches verborgen, die nie die Treue Gottes durch InanspruchnahmeSeiner Verheiungen erprobt haben und alle Dinge auch die tglichen von Ihmerbitten muten. Sie mssen es als ein verantwortungsloses Wagnis ansehen, eine sogroe Zahl von Europern allein mit Gott' in ein heidnisches Land zu entsenden.Anders ist es mit dem, dessen Vorrecht es war, diesen Gott daheim und drauen, ber
Land und Meer, in Krankheit und Gesundheit, in Gefahren und Nten, sogar vor denToren des Todes zu erproben. Er hat solche Bedenken nicht, weil er mit seinemGott rechnet."
In zahlreichen Beispielen werden Hudson Taylors Erfahrungen direk-ter, unmiverstndlicher Gebetserhrungen klar ersichtlich. Daraus kannman lernen, da es weise ist, mit einem solchen Gott auf dem Gehorsams-weg vorwrtszugehen, weil das der einzig kluge und sichere Weg ist.
ber diesen Zeitabschnitt sagt Hudson Taylor:
Wir muten berlegen, ob es nicht fr Mitglieder verschiedener Kirchen mglichsein knnte, einfach nach den Grundstzen des Evangeliums miteinander zu arbeiten,ohne Reibungen durch Gewissensschwierigkeiten und Meinungsunterschiede. UnterGebet bejahten wir dies und beschlossen daraufhin, unsere Mitchristen ohne Rcksichtauf ihre kirchliche Zugehrigkeit zum Werk aufzurufen, falls sie nur an der Inspi-ration des Wortes Gottes festhielten und bereit waren, ihren Glauben dadurch zu be-weisen, da sie mit keiner andern Garantie als derjenigen, die sie mit ihrer Bibel mit-nahmen, nach China auszgen. Darin steht: .Trachtet am ersten nach dem ReicheGottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles (Nahrung und Klei-dung) zufallen.' Wenn jemand nicht glauben sollte, da Gott die Wahrheit spricht, sowrde er nicht nach China ziehen, um den Glauben zu verkndigen. Wenn er es aberglaubt, so wrde sicher die Verheiung gengen. Wiederum steht geschrieben: ,Er wirdkein Gutes mangeln lassen denen, die aufrichtig wandeln.' Wer nicht vorhat, aufrichtigzu wandeln, bleibt besser zu Hause; wer es aber vorhat, besitzt jede Garantie, die ersich wnschen kann. Alles Gold und Silber der Welt und das Vieh auf tausendHgeln gehren Gott.
Wir htten ja auch um die ntigen Geldmittel beten knnen. Aber wir fhlten, dawir sie nicht brauchten und da sie schaden knnten. Wir mssen uns sowohl vorschlecht angelegtem Geld hten als auch vor solchem, das aus falschen Motiven gegebenwird. Wir knnen es uns leisten, so wenig Geld zu haben, wie der Herr uns gebenwill, aber wir knnen es uns nicht leisten, ungeheiligtes Geld zu besitzen oder an fal-scher Stelle anzulegen. Besser berhaupt kein Geld, selbst fr Brot nicht, denn es gibtviele Raben in China, und der Herr kann uns noch heute durch sie Brot und Fleischzukommen lassen...
Unser Vater besitzt Erfahrung. Er wei recht wohl, da Seine Kinder jeden Morgenhungrig aufstehen, und Er sorgt immer fr ihr Frhstck, und abends lt Er sienicht hungrig zu Bett gehen. Dein Brot wird dir gegeben, und dein Wasser hast dugewi' (Jes. 33, 16). Er ernhrte vierzig Jahre lang drei Millionen Israeliten in derWste. Wir erwarten nicht, da Er drei Millionen Missionare nach China sendet. Dochwenn Er es tte, htte Er Mittel genug, sie alle zu erhalten. Lat uns zusehen, dawir Gott vor Augen haben, da wir in Seinen Wegen wandeln, Ihm in allem gefallenund Ihn zu ehren trachten im Groen wie im Kleinen! Verlassen wir uns darauf:Gottes Werke, nach Gottes Willen getan, werden nie Gottes Hilfe entbehren."
So waren es Mnner und Frauen des Glaubens, die die China-Inland-Mission suchte, die bereit waren, sich auf Gott zu verlassen, zufriedenmit der Armut, wenn Er sie fr gut hielt, und voll Zuversicht, da ErSein Wort nicht brechen werde.
Noch vieles tritt uns aus diesen ernsten Seiten entgegen, und manches,das nicht erwhnt ist, ist gerade dadurch bedeutungsvoll. Keine groenNamen und Organisationen brgen fr das Unternehmen. Die Leitungder Mission bleibt in den Hnden ihres Begrnders, der selbst die grte
Erfahrung in der praktischen Arbeit hat und der, wie ein General imKriegsdienst, selbst bei seinen Truppen auf dem Kampfplatz steht. Dasalles scheint so selbstverstndlich, da das vollstndig Neue daran kaumerkannt wird, und doch ffnete Hudson Taylor hier wie in mancher an-deren Richtung wertvolle Wege der Missionspraxis. Er wute aus eigenerschmerzlicher Erfahrung, wie der Missionar und seine Arbeit leiden, wenner der Leitung von Menschen unterstellt ist, die bei aller guten Absichtkeine direkte Kenntnis der Lage haben knnen und sich auerdem aufder anderen Seite der Erdkugel befinden.
Ferner fehlt jeder Aufruf zur Untersttzung durch Geld, wenn aucherwhnt ist, da eine Jahresausgabe von fnftausend Pfund zu erwartensei, wenn die neuen zehn bis zwlf Missionare zu den schon drauenStehenden hinzukmen. Die Adresse Herrn Bergers als Hudson TaylorsVertreter in England wird angegeben, damit jeder, der an der Arbeitteilnehmen mchte, seine Gaben dorthin schicken knnte. Im brigen aberklingt mehr das Bewutsein des Reichtums als das der Not aus denruhigen Worten: Obwohl die Anforderungen gro sind, werden sie dieMittel unseres himmlischen Vaters nicht erschpfen."
Schlielich fehlt jede Bezugnahme auf den Schutz der Regierung oderdie Sicherheiten des Friedensvertrags. Dagegen finden wir viele Beispielegttlicher Bewahrung in den Gefahren, die mit der in Aussicht genom-menen Pionierarbeit verbunden sind. Unbewaffnet, in der Kleidung derEinheimischen, ohne die Hilfe der Konsuln in Anspruch zu nehmen, hatteder Verfasser selbst erfahren, da Zeiten der Gefahr immer neue Beweisedafr brachten, da Gott eine bessere Zuflucht ist als europische Flaggenoder Kanonenboote. Er ist der Groe und nicht der Mensch.
Er kann und will willige und fhige Menschen fr jede Aufgabeunseres Dienstes erwecken", schreibt Taylor zuversichtlich. Wir wollenuns jetzt einfach auf die Treue dessen verlassen, der uns zu diesem Dienstberufen hat. Im Gehorsam auf Seine Berufung und im Vertrauen aufSeine Macht erweitern wir unser Arbeitsfeld zur Verherrlichung SeinesNamens, denn Er allein tut Wunder. Auf das Ebenezer der Vergangen-heit bauen wir unser Jehova Jireh auf. Denn Sein Wort sagt: ,Die deinenNamen kennen, werden auf dich bauen.'"
Das Manuskript Chinas geistliche Not und Forderungen" lag MitteOktober zum Druck bereit. Herr Berger wollte die Kosten der Heraus-gabe bernehmen. Die Broschre sollte unter den Hunderten von Be-suchern verteilt werden, die sich zur Mildmay-Konferenz zusammen-finden wrden.
Hudson Taylor erhielt in den darauffolgenden Wochen viele Briefe,die alle das stille Wirken der Schrift erkennen lieen. In den verschieden-sten Kreisen wurde die China-Inland-Mission dankbar als ein Werk an*erkannt, dessen Grndung notwendig war. Es kamen Anmeldungen zurMitarbeit aus Studentenheimen, Brorumen und Werksttten. Zahl-
reiche Einladungen zu Versammlungen und Vortrgen ergingen an ihn,und die Nachfrage nach geeigneter Missionsliteratur war so gro, dadie Schrift bereits nach drei Wochen eine Neuauflage erlebte.
Inzwischen wurde die Ausreise von zehn oder zwlf Missionaren vor-bereitet. Die Arbeitslast wuchs und wurde beinahe untragbar. Das Hausan der Cobornstrae erwies sich als zu klein fr die stndig zunehmendeHausgemeinde, darum mietete Hudson Taylor das gerade leerstehendeNachbarhaus. Er schrieb im November an seine Mutter:
Die zweite Auflage der Broschre ist gedruckt. Die Kisten der Aus-reisenden sind bereits unterwegs. Ich bereite eine Zeitschrift unserer Mis-sion vor, statte daneben ein Haus aus, erteile Chinesischunterricht, prfeAnmeldungen von Kandidaten und halte oder besuche Versammlungen.Im Laufe des vergangenen Monats hatte ich einen einzigen Abend frei.Auerdem bereite ich eine Neujahrsbotschaft ber China und eine Kartedes ganzen Landes vor. Bete mit uns um die Mittel und um die rechtenMitarbeiter! Bete aber auch um Weisheit, welche von ihnen zurck-gehalten oder abgelehnt werden mssen! Es melden sich zur Zeit viele."
Ob es gerade jetzt notwendig war, daran zu erinnern, da ber allder Arbeit das Gebet nicht vergessen werden durfte? Bei der berwl-tigenden Arbeitsflle wre es nicht verwunderlich gewesen, wenn derkleine Kreis in Versuchung gekommen wre, die stillen Zeiten der Samm-lung vor Gott abzukrzen. Der Schlu des Jahres wurde von einer schwe-ren Sorge berschattet, die sie alle wie nie zuvor auf die Knie zwang. Indem einen Hause, das sehr still geworden war, lag Frau Taylor in groerLebensgefahr. Eine ernste Erkrankung hatte ihre Krfte sehr geschwcht.So bestand die Gefahr, da sie die dringend notwendige Operation nichtberstehen wrde.
Es ist ein sehr ernster Gedanke, da alles Glck unserer Ehe viel-leicht bald zu Ende sein wird", schrieb Hudson Taylor an seine Elternin Barnsley. Sie ruht ganz in Jesus ... Bittet fr mich um die Gnade,da ich wirklich sagen kann: ,Dein Wille geschehe!'"
Sein Liebstes wurde verschont. Drei Wochen spter gab Hudson Tay-lor einen berblick ber die Fortschritte seit dem denkwrdigen Sonntagin Brighton. Auer den acht Mitarbeitern, die schon in China waren,wnschten zwanzig bis dreiig weitere sich der Mission anzuschlieen.
Wie sehr haben wir fr sie wie fr uns Weisung ntig!" schrieb er anden weiteren Kreis der Gebetsgemeinde. Wir haben es unternommen,im Innern von China zu arbeiten und alle Bedrfnisse vom Herrn zuerwarten. Das knnen wir nur in Seiner Kraft. Und wenn Er uns wirklichgebrauchen soll, mssen wir sehr nahe bei Ihm leben."
Darum wurde der letzte Dezembertag in der Cobornstrae als Tagdes Gebets und des Fastens begangen, ein rechter Abschlu fr das Jahr,in dem die Mission in vlliger Abhngigkeit von Gott gegrndet wordenwar.
Um die Fruchtbarkeit dieses Zeitabschnitts richtig zu verstehen, muman bercksichtigen, da Hudson Taylor die Frchte der groen Erwek-kung 1859 mitgeerntet hat. Das wunderbare geistliche Aufwachen hattenicht nur Tausende der Kirche Jesu Christi zugefhrt, sondern auch denWeg bereitet fr eine neue Einsatzbereitschaft und Liebe zu den Seelender Mitmenschen sowie ein Suchen neuer Mittel und Wege zu ihrer Er-rettung. Die Laienttigkeit entwickelte sich in der Gemeinde, und ber-raschend deutlich wurde an vielen Orten die Prophezeiung Joels erfllt:Audi will ich zur selben Zeit ber Knechte und Mgde meinen Geistausgieen."
Einige der evangelistischen Bewegungen, die in dieser Zeit ihren Ur-sprung haben, sind die Heilsarmee, der Christliche Verein Junger Mn-ner und andere mehr. In der ueren Mission wurden jedoch noch keineLaien eingesetzt.
Christian Friedrich Spittler, Grnder des Werkes der PilgermissionSt. Chrischona bei Basel, schrieb nach seinem Besuch in England, Schott-land und Irland im Jahre 1859: Ich frage midi immer wieder, ob es dennnirgends einen Kanal gibt, durch den schlichte Glubige, die whrenddieser Erweckung zu Christus gefhrt wurden und ihrem Herrn auf demMissionsfeld dienen mchten, dieses Ziel erreichen knnen. Ich kenneaber keinen. Alle Ausbildungssttten fr Missionare fordern eine Vor-bildung, ber die die meisten nicht verfgen. Eine Missionsgesellschaft,die eine bescheidenere Ausbildung fordert, scheint heute dem WillenGottes zu entsprechen. Er hat bereits in verschiedenen Lndern unab-hngig voneinander Werkzeuge zur Ausfhrung dieses Planes zubereitet."
In diesen wohlvorbereiteten Boden lie Gott den Samen des Gedan-kens der China-Inland-Mission fallen. Junge, einfache Menschen hrtendavon. Vielleicht war in einer solchen Mission ein Platz fr Glauben undLiebe auch ohne groe wissenschaftliche Ausbildung. So dachte unter an-dern Rudland, der schottische Dorfschmied, an seiner Esse, der Gottes Rufdurch einen gedruckten Bericht ber Hudson Taylors Vortrag in Perthvernommen hatte. Auf der Mildmay-Konferenz hoffte er mehr zu er-fahren oder Hudson Taylor zu treffen. Aber sein Arbeitgeber wollte auchgern dorthin. Beide konnten jedoch die Schmiede nicht verlassen. Rudlandfocht einen schweren Kampf mit sich aus, gab dann aber als der Jngeredem Meister die Eintrittskarte. Beim Abschied versprach dieser, dem Ge-sellen ausfhrlich von der Versammlung zu berichten. Merkwrdiger-weise erzhlte er aber dann nur wenig von der Konferenz, von Chinaoder ber die China-Inland-Mission. Rudland war enttuscht, da ernicht einmal erfuhr, ob Hudson Taylor selbst an der Konferenz teil-genommen hatte. Wie und wo konnte er ihn wohl erreichen? Immerfortmute er an die Menschen in China denken an die Tausende, diestndlich, Tag und Nacht, ohne Gott starben. Von der Wand seinerSchmiede grten ihn tglich zwei Bibelworte: Den Geist dmpfet
nicht!" und Wer da wei Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist'sSnde". Was konnte er vorlufig tun? Er betete viel in dieser Zeit.
Inzwischen versuchte sein Meister, Rudlands Verlangen zu dmpfen.Er befrchtete wohl, seinen tchtigen Gesellen zu verlieren.
Rudland", sagte er eines Tages und zeigte dem Gesellen ein chine-sisches Buch, diese Sprache wird in China gesprochen. Meinst du, duknntest sie jemals lernen?"
Hat sie schon jemand gelernt?" lautete die ruhige Antwort.
Ganz wenige."
Also warum sollte es mir dann nicht gelingen?"
Die gelben Bltter mit ihren fremdartigen Schriftzeichen trieben ihnzu dringenderem Gebet, da der Herr ihm den Weg nach China ffnenmchte.
Bald danach erhielt er ein Buch mit dem Brief einer Bekannten. Siewohnte in Ost-London und hatte die Antwort auf Rudlands Frage indieser Broschre gefunden. Es war: Chinas geistliche Nte und Forde-rungen". Sie forderte ihn auf, am folgenden Sonnabend mit ihr zur Ge-betsversammlung in die Cobornstrae zu kommen. Sprachlos vor Dank-barkeit reichte der junge Mann seinem Meister den Brief.
Ja, du kannst einen oder zwei Tage frei nehmen", sagte der Schmied.Aber so gewi du ber diese Schwelle gehst, bist du auf dem Weg nachChina."
Mit welchem Interesse las Rudland die Broschre auf seiner Fahrtnach London! Wie begierig nahm er die Eindrcke vom Missionskreis inder Cobornstrae in sich auf! Nie konnte er diese Gebetsstunde vergessen.Die groe Zahl der Anwesenden, die Karte an der Wand, die Freiheitdes Geistes, der Strom des Gebets mit Bitte und Dank alles bewegteihn tief. Aber mehr als das: Es war die fhlbare Gegenwart Gottes unddie vllige Hingabe aller Teilnehmer, die an diesem Tage der Missioneinen ihrer erfolgreichsten Mitarbeiter gewann.*
In Hudson Taylor fand Rudland einen Mann, der ganz in seiner Auf-gabe aufging, dem die sterbenden Seelen in China eine persnliche Lastwaren und der nur dafr lebte, das Ziel Gottes zu erreichen ihre Er-lsung. Und berall fand er Entschiedenheit, Einfachheit und Hingabe.
* Von Herrn Rudlands Zentrale, Taichow, aus wurden whrend seines Lebens dreiweitere Stdte aufgeschlossen und siebenunddreiig Auenstationen erffnet. Aus die-sen sind dreitausend Menschen getauft worden. Bei seinem Tod 1912 waren dort mehrals 1900 Abendmahlsgste. Er hat das ganze Neue Testament sowie einen groen Teildes Alten in den Lokaldialekt bersetzt und eine Auflage nach der andern selbst aufder Missionspresse gedruckt, die er verwaltete.
Leicht htte sich Hudson Taylor damals ber den Dienst anderer frChina hinwegsetzen knnen. Das tat er aber nicht, gab es doch gengendMglichkeiten zum Dienst. Auerdem hatte er eine Botschaft auszurich-ten, die die Christen vieler Glaubensgruppen anging. So meldeten sich
denn auch Mitarbeiter aus landeskirchlichen und Gemeinschaftskreisen.Das Arbeitsfeld der China-Inland-Mission konnte alle interessieren.Leute aus Kirchen und Gemeinschaften schlssen sich als Freunde oderMitarbeiter der Mission an. Mit Leichtigkeit htten die Gaben bereitsbestehender Missionen in den neuen Kanal geleitet werden knnen. Wiekonnten aber solche bergriffe vermieden werden? Hudson Taylorschrieb darber, als er vor allem mit der bersetzung des Ningpo-Testamentes beschftigt war:
In meiner Kurzsichtigkeit sah ich nur den Gewinn, den das Buch mit seinen An-merkungen den chinesischen Christen bringen wrde. Mehr und mehr erkannte ich aber,da der intensive Umgang mit dem V/ort Gottes durch die Ubersetzung mich alleinzur Grndung der China-Inland-Mission befhigte und dazu, ihre Grundstze fest-zulegen. In der Beschftigung mit dem gttlichen Wort lernte ich erkennen, da nichtfeurige Aufrufe, sondern vor allem Gebete notwendig sind, damit Er Arbeiter inSeine Ernte sendet' und so durch eine Vertiefung des geistlichen Lebens in SeinerGemeinde Menschen unmglich lnger in der Heimat bleiben knnen. Ich sah, da derPlan der Apostel nicht darin bestanden hatte, Mittel und Wege zu suchen, sondern siegingen einfach hin und arbeiteten im Vertrauen auf Seine Verheiung: .Trachtet amersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solchesalles zufallen.' "
Hauptsache war ihm die glubige Zuversicht, da Gott dieses Wachs-tum geistlichen Lebens und damit den Missionsgeist unter Seinem Volkschenken konnte. Nicht Geld, nicht die Kollekte sollte in den Versamm-lungen das Ziel sein, sondern es sollten Menschen unter die Macht desWortes und in Verbindung mit Gott gebracht werden.
Wenn unsere Herzen in Ordnung sind", sagte er wiederholt, knnenwir mit dem Wirken des Heiligen Geistes rechnen. Wie beim erstenPfingstfest werden dann auch durch uns andere Menschen in eine engereGemeinschaft mit Gott gebracht. Wir brauchen nicht viel ber die China-Inland-Mission zu sagen. Lat die Menschen Gottes Wirken sehen, latGott verherrlicht werden, macht Glubige heiliger, glcklicher, bringt sieIhm nher, dann wird man sie nicht um ihre Hilfe angehen mssen."
So begngten sie sich am Anfang mit einer ganz geringen Organisation.Die wichtigen geistlichen Grundlagen wurden mit den Kandidaten durch-gesprochen, bis sie diese als Fundament der Mission begriffen hatten. Einpaar einfache Vereinbarungen wurden in Herrn Bergers Gegenwart ge-troffen. Das war alles.
Wir zogen als Kinder Gottes auf Gottes Gebot hin aus", schriebHudson Taylor. Wir wollten Gottes Werk tun und erwarteten von Ihmunsern Unterhalt. Wir wollten chinesische Kleidung tragen und uns insInnere des Landes begeben. Ich sollte der Fhrer in China sein, meineAnordnungen sollten unbedingt befolgt werden. Es wurde nicht danachgefragt, wer strittige Punkte entscheiden sollte."
In gleicher Weise war Mr. Berger in der Heimat verantwortlich. Ersollte mit Missionskandidaten korrespondieren, Beitrge entgegennehmen
und austeilen, eine Zeitschrift Gelegentliche Nachrichten" mit Abrech-nungen verffentlichen, tchtige Mitarbeiter aussenden, wenn es dieMittel erlaubten, und dabei keine Schulden machen. Letzteres war einHauptgrundsatz, der fr alle Mitarbeiter galt.
Gott kann die Mittel ebensogut im voraus geben. Das zieht Er sogarvor. Er ist zu weise, als da Er Seine Plne aus Geldmangel vereitelnliee. Doch falsch angelegtes oder auf ungeistliche Weise erworbenesGeld hlt bestimmt den Segen auf. Schulden machen aber heit in Wirk-lichkeit: Gott hat dich angeblich nicht versorgt und dir trotz deines ver-meintlichen Vertrauens kein Geld gegeben, deshalb mut du dich selbstversorgen und Geld borgen. Wenn wir doch bis zum richtigen Augenblickwarten wrden! Gott kann nicht lgen und nicht vergessen. Er hat ver-sprochen, jederzeit fr uns zu sorgen."
Dies und manches andere ergab sich bei den zahlreichen Besprechungenin Saint Hill. Die Zeit ging nur zu schnell dahin. Man hoffte, da sichHudson Taylor mit seinen Begleitern schon im Mai einschiffen knnte.Deshalb gab es noch viel vorzubereiten. Wie viele ausreisen wrden,wuten sie noch nicht genau. So beantwortete der Fhrer der Mission alleFragen mit den Worten:
Wenn der Herr die Mittel fr drei oder vier gibt, reisen drei odervier. Reicht das Geld aber fr sechzehn, werden sechzehn ausreisen unddas als Seinen Befehl annehmen."
Dies war keine innere Unsicherheit. Er zweifelte nicht daran, da frdie grere Zahl gesorgt werden wrde, auch wenn nicht ffentlich zumSpenden aufgefordert wurde. Die Geldfrage war damit nicht dem Zufallberlassen. Hudson Taylor glaubte, da die Zusammenarbeit mit Gottmindestens so wirklich sei wie mit Menschen. Soweit er beurteilen konnte,bentigte er etwa zweitausend Pfund, wenn alle ausreisen sollten. Ererwhnte das in der ersten Ausgabe der Gelegentlichen Nachrichten"Anfang 1866. Am 6. Februar ging das Blatt zur Druckerei, und am selbenTag wurde mittags in der Cobornstrae eine Gebetsversammlung wegender notwendigen Mittel begonnen. Glaube bedeutet nicht Unttigkeit.Von zwlf bis eins versammelten sich tglich alle Hausbewohner zumGebet. Dabei wurde den zuknftigen Missionaren praktisch deutlich, dasie von dem Geber aller guten Gaben das erbitten muten, was sie zurAussendung bentigten.
Mitten in der groen Verantwortung blieb Hudson Taylor frei vonFurcht und war bereit, jede Gelegenheit zur Vertiefung des Interesses anChina auszunutzen. Dabei ahnte er kaum, wie sehr ihm berall die geist-lich Gesinnten ihr Vertrauen schenkten. Er merkte nur, da Gott ihreGebete erhrte. Viele boten ihre Hilfe an, es ffneten sich neue Wege,und Menschen aller kirchlichen Schattierungen wurden bereit, die Ver-antwortung fr das Heil der Millionen in China mitzutragen.
Ein Beispiel: In Liverpool bat ihn ein junger Evangelist, H. Grattan
Guiness, in einem theologischen Lehrgang, den er in seinem Hause inDublin abhielt, einen Vortrag zu halten. Hudson Taylor sagte zu, undGuiness bereitete die Versammlung vor, indem er von der Mission undbesonders von ihrem Leiter erzhlte, der im Glauben versuchen wolle,im Innern Chinas das Evangelium zu verbreiten. So waren die jungenMnner zu Beginn der Versammlung aufs hchste gespannt. JohnMcCarthy, Charles Fishe und dessen Bruder gehrten zu den Anwesen-den. Sie sollten an diesem Abend Gottes Ruf zu ihrer Lebensaufgabehren. Auch Tom Barnardo war da, ein munterer Bursche von zwanzigJahren. Uber das Interesse fr China wurde er. zu seiner eigenen Arbeitan den Niemandskindern in Ost-London gefhrt. Auch Mr. und Mrs.Guiness bekamen den Ansto, der zuerst sie selbst und spter alle ihreKinder in die uere Mission fhrte.
Doch welche Verwunderung, um nicht zu sagen Enttuschung, emp-fanden die Anwesenden, als sich die Tr ffnete und Hudson Taylorerschien! Oder war er es gar nicht? Wie? Dieser junge, schmale, blond-haarige Mann, der klein erschien neben der Gestalt ihres Lehrers, dassollte Hudson Taylor sein? Es mute ein Irrtum sein. Doch Mr. Guinessstellte deutlich vor: Hudson Taylor", und schlagfertig flsterte Bar-nardo, der noch kleiner war als der Fremde, McCarthy zu: Siehst du,dann bin ich auch nicht hoffnungslos!" Er gab sich dann aber ganz demZuhren hin.
Was sollte mit der Nummer der Gelegentlichen Nachrichten" ge-schehen, die durch einen Brand in der Druckerei versptet herauskam,whrend nun die darin als notwendig erwhnte Summe von 1550 bis2000 Pfund schon bereit lag? Es mute eine Ergnzung beigefgt werden.So erhielt die erste Nummer der Zeitschrift ein Beiblatt, das ber dieGebetserhrung berichtete.
Eine letzte Reihe von Versammlungen wurde noch eingeschoben, umdie dringenden Bitten der westlichen Bezirke zu erfllen. Hudson Taylorwar dankbar dafr, da er dadurch Gelegenheit fand, in Bristol einenAbschiedsbesuch zu machen. Dort lebte Georg Mller mit seiner Familievon damals schon ber elfhundert Waisenkindern. Trotz aller Arbeit undFrsorge fr diese fand er noch Zeit, mit groer Anteilnahme die Ent-wicklung der China-Inland-Mission zu verfolgen.
Wieviel dessen Gebete fr sie bedeuten wrden, mute ihnen bei einerFhrung durch die Huser klarwerden. Da waren Hunderte von Kin-dern, fr deren Unterbringung und Versorgung niemand zahlte, fr dienicht um ffentliche Hilfe gebeten, deren Not nicht einmal bekanntge-macht wurde. Schon am Anfang seines Christenlebens hatte HudsonTaylor einen tiefen Eindruck von diesem stillen, dauernden Beweis derTreue Gottes empfangen. Jetzt aber, wo er selbst in gleicher Richtunggefhrt wurde, schtzte er Georg Mllers Mitfhlen und Mitbeten mehrdenn je.
Ende April fand sich Hudson Taylor in London in einen Wirbel vonGeschften und Abschiedsversammlungen hineingezogen. Im Mai solltensie nach China ausreisen. Abgesehen von Mrs. Taylor, die sich eben lang-sam von einer Krankheit erholte, hatte keiner der Ausreisenden Erfah-rung bezglich der Verhltnisse, die sie erwarteten. Alles mute durchHudson Taylors Hnde gehen. Doch er begegnete, wie die Kandidatenaus Dublin beobachteten, den endlosen Bitten und Forderungen, die ihnverfolgten, mit stets gleicher Hilfsbereitschaft.
Seltsamerweise hatten sie noch kein Schiff in Aussicht, das sie nachChina bringen wrde. Hudson Taylor wollte den teuren berlandweg"ber Suez vermeiden und um das Kap herumreisen. Er suchte ein Segel-schiff, dessen Passagierraum sie allein benutzen knnten. Fr die achtzehnErwachsenen und vier Kinder war der Raum eines gewhnlichen Drei-masters nicht zu gro, und es war fr eine solch lange Reise entschiedenvon Vorteil, wenn sie die einzigen Fahrgste blieben. Noch Anfang Maiwar nichts Passendes zu finden. Tglich wurde in der Mittagsversamm-lung dafr gebetet, ebenso fr einen christlich gesinnten Kapitn und frjedes Besatzungsmitglied. Hudson sorgte sich nicht. Er war berzeugt,da der Herr rechtzeitig eingreifen wrde.
Zur selben Zeit, am 2. Mai, wurde Hudson Taylor in Herfortshire zueiner wichtigen Versammlung erwartet, bei der Oberst Puget, der Bruderder verwitweten Lady Radstock, sein Gastgeber und Vorsitzender seinsollte. Diesem neuen Freunde erschien es sonderbar, da bei einer Mis-sionsversammlung keine Kollekte erhoben werden sollte. Hudson Taylorwnschte es so. Da der Redner ungewhnlich interessant sprach, kam demOberst zum Bewutsein, da die Leute reichlich geben wrden, wenn manihnen dazu Gelegenheit gbe. Daher erhob er sich am Schlu und sagte,da die Versammlung wohl mit ihm einverstanden wre, wenn er denBeschlu betreffs der Kollekte nderte. Viele Anwesende seien durch dieAnsprache bewegt und wrden beschwert weggehen, wenn sie ihre Anteil-nahme nicht praktisch beweisen knnten. Darum werde ihnen jetzt Ge-legenheit gegeben. Hier wurde er durch Hudson Taylor unterbrochen:Er wnsche ernstlich, da seine Zuhrer beschwert weggingen. Geld seinicht die Hauptsache in Gottes Werk. Er schtze ihre freundliche Absicht,aber es sei ihm lieber, wenn jeder heimginge und den Herrn fragte.Sollte Er dann etwas von ihrer Habe fordern, so knnten sie einen Bei-trag an ihre eigene oder eine andere Mission schicken. Aber vielleichtsuche Gott angesichts der furchtbaren Not des Heidentums viel kst-lichere Gaben: einen Sohn oder eine Tochter oder den Dienst des eigenenLebens. Kein noch so hoher Geldbetrag knne eine einzige Seele retten.Ntig seien Mnner und Frauen voll Heiligen Geistes, die sich selbst derArbeit in China oder dem Gebetsdienst in der Heimat weihten. Mittelfr den Unterhalt der Missionare, die Gott ausgesandt htte, wrdennie fehlen.
Sie haben einen groen Fehler gemacht, wenn ich das sagen darf",bemerkte sein Gastgeber beim Abendbrot. Die Leute waren wirklichbewegt. Es htte eine gute Kollekte gegeben."
Vergebens erklrte Hudson Taylor die finanziellen Grundstze derMission und seine Absicht, auch den Schein einer Konkurrenz mit anderenGesellschaften zu vermeiden. Oberst Puget hrte freundlich zu, behieltaber seine Zweifel.
Am nchsten Morgen erschien er etwas versptet zum Frhstck underklrte, er habe keine gute Nacht gehabt. Er hndigte Hudson Taylormehrere Beitrge aus, die fr die Mission eingegangen waren, und fgtedann hinzu:
Gestern abend meinte ich, Sie htten mit der Kollekte unrecht, aberjetzt sehe ich die Sache anders. Als ich diese Nacht wach lag, dachte ichan den langen Zug von Seelen in China, die jede Stunde ins Dunkelziehen, und mute schreien: ,Herr, was willst du, da ich tun soll? Ichhabe Seine Antwort gefunden."
Damit reichte er Hudson Taylor einen Scheck ber fnfhundertPfund.
Fr die Kollekte htte ich wohl eine Fnfpfundnote gegeben", fgteer hinzu, dieser Scheck ist das Ergebnis einer zum grten Teil durch-beteten Nacht."
Am selben Morgen erhielt Hudson Taylor einen Brief von seinemSchiffsagenten, der ihm den gesamten Passagierraum der Lammermuir"anbot, die bald nach China segeln sollte. Er verabschiedete sich vonseinem Gastgeber, kehrte nach London zurck und suchte die Docks auf.Da er das Schiff in jeder Hinsicht geeignet fand, bezahlte er mit demScheck, den er empfangen hatte. Erst dann eilte er sehr frohen Her-zens mit der guten Nachricht zur Cobornstrae.
Es war nun die Zeit fr den stillen, unaufflligen Aufbruch gekom-men.
Schwach in uns selbst", schrieb Hudson Taylor vor der Ausfahrt,mte uns der Blick auf die Gre unserer Aufgabe berwltigen,wenn uns nicht gerade unsere Unzulnglichkeit besonderes Anrecht aufdie Erfllung Seiner Verheiung gbe: ,La dir an meiner Gnade ge-ngen!'"
Ein wahnsinniges Unternehmen!" sagten die, welche nur auf dieSchwierigkeiten sahen.
Eine bermenschliche Aufgabe!" seufzten andere, die den Missiona-ren das Beste wnschten. Und selbst unter den Freunden sahen vielesorgenvoll in die Zukunft.
Man wird euch vergessen", war ein Haupteinwand. Wenn euchdaheim kein Komitee vertritt, wird man euch in dem fernen China ausden Augen verlieren. Heutzutage gibt es auch in der Heimat so vieleAufgaben. In kurzer Zeit werdet ihr ohne Mittel sein."
Hudson Taylors Antwort darauf lautete: Ich habe meine Kinder beimir. Es ist fr mich keine Schwierigkeit, daran zu denken, da die Klei-nen morgens ihr Frhstck, mittags ihr Mittagessen und vor dem Zubett-gehen ihr Abendessen haben mssen. Wie knnte ich das vergessen! Ichkann unmglich glauben, da unser himmlischer Vater weniger liebevollund frsorglich ist als ich."
ICH WILL MIT DIR SEIN"1866
Die Mannschaft der Lammermuir" hatte der Reise mit wenig Begei-sterung entgegengesehen. Ein einziger Missionar wre schon schlimmgenug gewesen, doch nun diese ganze Gruppe! Der erste Steuermannschrieb an seine Frau: Wie soll das werden? Ich wollte, wir htten nichtsmit ihnen zu tun." Aber schon nach wenigen Tagen hatte sich seine Mei-nung entschieden gendert. Die Missionare erwiesen sich als wirklicheHilfe. Mute etwas geschmiedet werden, bernahm Nicol, der schottischeSchmied, die Arbeit und verrichtete sie mit grerem Geschick, als sieselbst es vermocht htten. Jackson und Williamson, die Schreiner, halfengern, wo immer es etwas zu schreinern gab. Da ein Schiffsarzt fehlte,waren Hudson Taylors chirurgische Kenntnisse unbezahlbar. Er erteilteder Mannschaft auch Unterricht ber die Blutzirkulation und erste Hilfebei Unfllen. Die Tage flogen nur so dahin.
Es fiel aber noch etwas anderes an diesen Missionaren auf. Sie schienenwirklich glcklich zu sein. Die Leute konnten sich das nicht erklren.Was konnte es sein, das sie so froh machte? Hatten sie nicht ein Lebenin der Fremde gewhlt? Regelmig fanden sie sich morgens, mittagsund abends auf Deck oder in einer Kabine zusammen und sangen Liedermit Harmoniumbegleitung. Allerdings waren es immer Kirchengesngeoder Heilslieder, und gerade diese berhrten die Herzen der Mannschaft.Ein Lied schienen die Missionare besonders zu lieben. Der Anfang lautete:Jesus, Heiland meiner Seele!" Und diese Lieder sangen sie alle mitwirklicher Uberzeugung. Offensichtlich bedeutete Religion diesen Leutenetwas. Allmhlich fhlte sich der eine oder andere der Matrosen zu ihnenhingezogen.
Die Bekehrung des zweiten Offiziers, fnfundzwanzig Tage nach demVerlassen des Hafens von Plymouth, war fr die Missionare eine groeErmutigung. Dann bergaben zwei Matrosen ihr Leben dem Herrn. Daswar der Anfang einer Erweckung unter der Mannschaft. Sie hielt einigeZeit an. Die Mnner interessierten sich pltzlich fr geistliche Fragen.Unter den Missionaren herrschte natrlich groe Freude, als sie dieseEntwicklung sahen. Hudson Taylor schrieb darber an Mr. Berger:
Ich kann Ihnen nur eine schwache Schilderung davon geben, welche herrlichenGebetserhrungen wir erlebt haben und welch segensreiche Vernderung in einigendieser Menschen vor sich gegangen ist. Vier von ihnen waren katholisch. Jetzt setzensie ihre Zuversicht allein auf das Werk Christi und rhmen Sein Wort. Wir hoffen,da bald noch andere hinzugebracht werden... denn wir haben Gott gebeten, uns eineBesatzung zu geben, an der Er Sein Wort segnen wrde. Und sollte Er unser Gebetnicht erhren? Lieber Mr. Berger, ich wollte, Sie htten mit uns zusammen dieseGebetserhrungen erleben knnen! Unsere Freude strmte ber, und wir mchten Siedaran teilnehmen lassen.
Wie es oft geschieht, hat Gott hier einzelne erwhlt, bei denen es zuerst ganz un-wahrscheinlich war, und die dem Evangelium die grte Feindschaft entgegenbrachten.Bei andern schien die Schwierigkeit gro, weil sie als Auslnder kein Englisch ver-standen, doch der Herr tat ihnen das Herz auf...
Wir fingen am Sonntagmorgen mit einem Gottesdienst an, den wir mit Erlaubnisdes Kapitns im Salon hielten. Einige Matrosen nahmen daran teil. Dann hielten unserejungen Mnner wchentlich drei Nachmittagsversammlungen auf dem Vorderdeck.Unsere Schwestern standen nicht zurck. Maria Bell begann mit dem Unterricht inBibelkunde, was zu einer allabendlichen Versammlung mit Schriftlesung und Gebetfhrte. Mrs. Nicol und andere halfen ihr dabei. Einige der Mnner wurden bekehrt,und bald nahmen alle an den Versammlungen teil. ... Miss Degraz, die Schweizerin,las mit den vier schwedischen Matrosen, Miss Faulding mit einem Deutschen, MissBausum mit dem Koch und einem Sdseeinsulaner. Miss Barns erteilte Leseunterrichtfr alle, die ihr Englisch verbessern wollten, und mehrere bekehrten sich daraufhin.Die brigen Missionare halfen durch Einzelgesprche und bei den Versammlungen.
Den Hhepunkt erreichten wir im August, als der Obermaat, ein wilder undroher Geselle, eine wirkliche Herzensnderung erlebte. Tage und Wochen hindurchhatte sein Elend grtes Mitleid geweckt. Seine Snde erschreckte ihn tief, doch ver-mochte er nur nach verzweifeltem Kampf mit seinem alten Leben zu brechen und durchGlauben an Jesus zum Frieden zu kommen."
Hudson Taylors Eintragung fr den 3. August lautete:
Wir beteten heute ganz besonders um die Bekehrung von Mr. Brunton. Ich konntenicht zur Ruhe gehen, ohne ihn noch einmal aufgesucht zu haben. Als er von seinerMitternachtswache zurckkehrte, las ich ihm aus dem 2. Buch Mose das 12. Kapitel vor.Daraufhin folgte ein langes Gesprch. Nachdem ich noch mit ihm gebetet hatte, schenkteder Herr ihm Befreiung. Zuerst erzhlte ich Maria und Miss Blatchley davon, dannsuchte ich Williamson auf. Wir dankten Gott gemeinsam. Spter weckte ich Mr. Seilund sagte auch ihm, was geschehen war. Wie froh waren wir alle!
Die Nachricht verbreitete sich schnell ber das ganze Schiff. Als Mr. Brunton amMorgen seine Wachmannschaft zusammenrief und diese aus seinem eigenen Munde ver-nahm, was Gott fr ihn getan, waren die Mnner tief beeindruckt. Ein junger Matrose,mit dem ich noch weiter darber sprach, bergab daraufhin sein Leben ebenfalls demHerrn. Auch andere wurden zu einer klaren Entscheidung fr Christus gefhrt."
Knnte doch der Reisebericht hier abgeschlossen und nur noch von derwunderbaren Bewahrung vor Schiffbruch im Chinesischen Meer, mit derdie Fahrt endete, berichtet werden! Doch dann wrden Tatsachen ver-schwiegen, die wir leider oft erfahren mssen. Je nher ein Christ beimHerrn lebt und sich von Ihm gebrauchen lassen will, desto schmerzlichersind die Folgen, wenn der Herr durch irgend etwas betrbt wird.
Es waren nur geringe Dinge, die sich trennend zwischen einige Missio-nare schlichen. Groe Versuchungen htten ihren Zweck verfehlt. Doch
kleine Bemerkungen, kleine Unfreundlichkeiten, Eiferschteleien brach-ten Zwistigkeiten, die ernste Folgen nach sich zogen. Das Gebet wargehemmt, und zum Schmerz aller Beteiligten wurde das Werk des Hei-ligen Geistes aufgehalten. Einen ganzen Monat hindurch konnte keineinziger mehr fr Christus gewonnen werden. Dazu blieben einige Mn-ner, die bereits die Last der Snde empfunden hatten, unentschieden undunerlst. Das war eine schreckliche Erfahrung. Obwohl die Missionareber diese Tatsache bekmmert waren und wuten, wo das Hindernislag, fiel es schwer, wieder Ordnung zu schaffen und sie aufrechtzuerhalten.Da die meisten in wirklicher Gottesgemeinschaft lebten, machte denSchmerz des Versagens noch fhlbarer. Vielleicht aber mute der Herrempfindlich strafen, denn es steht geschrieben: Wen der Herr liebhat,den zchtigt Er", und die Rebe, die Frucht bringt, will Er reinigen,damit sie mehr Frucht bringt".
Hudson Taylor wurde durch diese Entwicklung natrlich besonderstief getroffen. Htte er durch treueres Wachen seine Mitarbeiter behtenund Miverstndnisse vermeiden knnen? Konnte er jetzt noch dieEinigkeit des Geistes, die ein Band des Friedens ist", wiederherstellen,nachdem er vor Gott fr sie eingetreten war?
Heute morgen", lautete eine Eintragung im Tagebuch Anfang Juli,hatte ich ein Gesprch mit Mr. Nicol ber die Lage der Dinge. Seil kamdazu und nachher auch Williamson. Wir verabredeten, wir wollten ge-meinsam unsere Snde bekennen und um mehr Liebe und Einigkeit beten.Ich sprach mit den meisten einzeln und wies sie herzlich auf die Notwen-digkeit innerer Einheit hin. Abends kamen wir zusammen, und der Herrwar wirklich gegenwrtig. Ich glaube, da Er allen Anwesenden denaufrichtigen Wunsch gab, in Liebe einig zu sein."
Aber die Mglichkeit weiterer Versuchungen blieb bestehen, und einpaar Monate spter schlich sich wieder der Geist der Zwietracht ein.Diesmal waren es andere Grnde und andere Missionare, aber das Resul-tat war das gleiche: Richtgeist, Zank, Verlust an Wirkungskraft undSegen.
Fast alle beklagten den Mangel an Einigkeit und Liebe tief", heites im Tagebuch am 8. September. Der Herr erhebe Seinen Arm undstreite fr uns!"
Entscheidend war, da sie es tief beklagten, die Gefahr erkannten undbereit waren zur Bue vor Gott. Beten und Fasten fhrten abermals zumSieg; denn fr die, die sich vor Ihm demtigen, bleibt es wahr: Wenndie Feinde hereinbrechen wie die Flut, wird der Geist des Herrn gegensie Panier aufwerfen" (Jes. 59,19, nach der englischen Bibel zitiert).
Danach nderte der Feind seine Kampfesweise. Da er keinen weiterenErfolg hatte, lie der Frst der Luft" seine wildesten Scharen auf sielos, entschlossen, die werdende Mission auf irgendeine Weise zu vernich-ten. Fnfzehn Tage und Nchte tobte ein gewaltiger Sturm. Von einem
Taifun in den andern geschleudert, trieben sie fast als Wrack im Chine-sischen Meer dahin ohne Segel, ohne Mast, ohne Hilfe, aber in unge-brochener Hoffnung auf Gott.Mr. Rudland schrieb darber:
Whrend des ganzen Sturmes blieb Herr Taylor vllig ruhig. Als dieGefahr ihren Hhepunkt erreicht hatte, weigerten sich die Leute, weiter-zuarbeiten. Der Kapitn hatte uns allen geraten, Rettungsgrtel anzu-legen, vermutete er doch, da das Schiff hchstens noch zwei Stundenzusammenhalte. Er stand im Begriff, mit dem Revolver in der Hand aufdas Vorderdeck zu gehen, wohin die Mannschaft sich zurckgezogen hatte.Herr Taylor begab sich zu ihm. Brauchen Sie keine Gewalt', sagte er,,bis wir alles versucht haben!' Dann ging er ruhig hinber und sprachzu der Mannschaft. Er sagte ihnen, er glaube, da Gott alle durchbringenwerde, aber das hinge von der grten Sorgfalt in der Fhrung desSchiffes, also von ihnen selbst, ab. ,Wir wollen alle helfen', fgte er hinzu,,unser Leben ist in derselben Gefahr wie das eure.' Daraufhin faten dieLeute wieder Vertrauen und fingen mit den Offizieren, den Schiffsjungenund unsern Freunden an, eifrig unter den Trmmern zu arbeiten, undbald waren die groen, eisernen Spieren, die die Bordwand zu zertrm-mern drohten, wieder festgemacht.1'
An einem hellen Septembermorgen, fnf Tage nach dem Sturm, gingdie Lammermuir" endlich vor der europischen Siedlung von Schanghaivor Anker. Unter den buntbemalten Dschunken und den auslndischenSchiffen erregte sie mit all ihren Beschdigungen groe Neugierde. Aberals bekannt wurde, da ihre einzigen Passagiere eine Gruppe von Mis-sionsleuten wren, lie das Interesse bald nach. Auer einigen witzigen"Bemerkungen in den Zeitungen wurde keine Notiz von den Ankmm-lingen genommen.
Sie selbst waren dankbar fr den stillen Sonntag. Sie gingen noch nichtan Land. An Bord waren sie vor Besuchern sicher. Ihre Herzen warenvoller Dank fr die erfahrene Bewahrung, die noch wunderbarer war,als sie selbst es damals wuten. Ein Schiff, das bald nach ihnen einlief,hatte von zweiundzwanzig Mann Besatzung sechzehn verloren, whrendauf der Lammermuir" niemand fehlte oder schwer verletzt war. Kaumhatten sie den sicheren Hafen erreicht, brachen neue, furchtbare Strmelos, denen das Schiff in seinem augenblicklichen Zustand nicht mehr ge-wachsen gewesen wre.
Gott, der uns der Ewigkeit so nahe gebracht und dann doch nochverschont hat", schrieb einer der Missionare, mge uns schenken, dawir unser Leben Ihm und der Arbeit, die vor uns liegt, noch vlligerwidmen! Bei aller Gefahr habe ich keinerlei Bedauern, sondern nurFreude darber empfunden, da ich mich auf diese Reise begeben habe."
Nachdem das Reiseziel erreicht war, begannen fr Hudson Taylor dieeigentlichen Schwierigkeiten. Im Anblick der ungezhlten Dschunken, der
Europerhuser und der Mauer, hinter der er die Chinesen wute, kamihm die ganze Verantwortung klar zum Bewutsein. Wo sollte er Raumfinden, um seine zahlreiche Missionsfamilie unterzubringen? Die mitge-brachten Kisten, das Gepck in den Kabinen, berhaupt alles war vomSalzwasser durchtrnkt und mute ausgepackt, getrocknet und neu ver-packt werden. Ein groer Teil ihrer Habe wrde fr lngere Zeit inSchanghai zurckbleiben mssen. Es war auch Hausgert aus der Coborn-strae mit dabei, ferner betrchtliche Vorrte an Nahrungsmitteln, einePresse zum Druck von Literatur und eine groe Menge Medikamente undInstrumente. Alles mute durchgesehen und trocken untergebracht werden.Die Wasch- und Mangelmaschinen sowie der Bgelofen muten in Betriebgesetzt werden, damit die Kleider der Missionare nach der viermonatigenReise wieder in Ordnung gebracht werden konnten. Hudson Taylor hattewahrlich Grund genug, sorgenvoll zum Land hinberzublicken, kannteer doch die Unmglichkeit, auch nur vorbergehend in der Fremden-kolonie unterzukommen.
In Schanghai bewohnte damals ein Freund Hudson Taylors aus derZeit in Ningpo, William Gamble, ein halbeuropisches Haus am Osttorin der Nhe der Chinesenstadt. Im Blick auf eine sptere Ausdehnungseiner eigenen Missionsarbeit hatte er ein leerstehendes Haus dazugekauft,das ursprnglich als Theater gedacht war, nun aber als brauchbares undgnstig gelegenes Vorratshaus diente.
William Gamble dachte gleich an dieses Haus, als die Lammermuir"auf dem Flu ankerte und er erfuhr, wer sich auf dem Schiff befand. Wiesehr wrden sich alle nach einem freundlichen Willkomm sehnen undeinem Ort, wo sie wohnen und ihre Sachen unterbringen konnten! Wennsie in Schanghai nichts Besseres finden konnten, wollte er ihnen gern seinHeim mit dem Vorratshaus zur Verfgung stellen. So bot er noch amgleichen Nachmittag seinem alten Freund Hudson Taylor und allen Mis-sionaren die Gastfreundschaft eines Junggesellen an.
Gott bereitet uns gtig den Weg", schrieb Mrs. Taylor am folgendenSonntag. Vor acht Tagen, am 30. September, wuten wir nicht, wo wirmit all unsern Sachen bleiben sollten. Htte uns Kapitn Bell nicht anBord behalten, htten wir nicht gewut, wo wir unser Haupt hinlegensollten. Es schien einfach unmglich, da ein einziger Missionar uns alleunterbringen konnte. Doch Gott hatte einen fr uns bereit. Mr. Gamblebesa nicht nur Raum fr uns alle, sondern seine Ansichten ber Missions-dienst stimmen zum groen Teil mit denen berein, die Hudson vertritt.
Alle unsere Sachen, auer einigen Kisten, die noch nicht ausgeladenwurden, knnen in seinem Vorratshaus sicher untergebracht werden. Dortwerden Hudson und ich mit den Kindern und vier von unsern jungenLeuten schlafen. Die andern wohnen in Mr. Gambles Haus, und wirwerden alle dort essen. Zgernd hat er uns erlaubt, da wir die Ver-pflegungskosten bernehmen drfen."
Hudson Taylor selbst kam wegen der vielerlei Verpflichtungen kaumzum Schreiben. Er nahm sich auch keine Zeit, ber die Gerchte in dereuropischen Siedlung nachzudenken. In gewissen Kreisen erregte es Ent-rstung, weil er Frauen mitgebracht hatte, die chinesische Kleidung trugenund im Innern des Landes wohnen sollten. Man hielt Hudson Taylorfr geisteskrank und reif fr die Irrenanstalt. Aber er ging ruhig seinenWeg", erzhlte spter Mr. Rssel, und sagte wenig oder gar nichts dazu.Unhflichkeiten bersah er und blieb selbst stets freundlich."
Der Herr ist mit uns", schrieb er in jenen Tagen, und ich bin gewi,da wir alle in Gemeinschaft mit Jesus leben. Wir stehen allerdings ineinigen Prfungen und werden wohl nie ohne solche sein. Doch die Liebeund das demtige Vertrauen, das ich bei allen unseren Leuten sehe, ma-chen mich glcklich. Unser Vater kennt nicht nur ihre Liebe, sondern Erselbst wirkt sie in ihnen."
Eine so groe Gesellschaft mit ins Inland zu nehmen, erforderte Glau-ben, besonders weil sich darunter vier kleine Kinder mit ihrer englischenPflegerin und sechs unverheiratete Missionarinnen befanden. Im ganzenChina lebte bis jetzt nicht eine einzige Missionarin auerhalb der Ver-tragshfen. Darum hielt Hudson Taylor das Tragen der einheimischenKleidung zu ihrem Schutz und zur Verminderung von Schwierigkeitenfr notwendig. Auch sollten sich alle in mglichst weitem Mae denchinesischen Sitten und Gebruchen anpassen. In einem Brief an Mr. Ber-ger erklrte er die Beweggrnde dazu, damit dieser die neuen Kandidatendarauf hinweisen konnte.
Ich stehe nicht allein mit meiner Ansicht, da die fremdartige Kleidung und diefremden Sitten der Missionare, das fremdartige uere der Kapellen und der ganzeeuropische Charakter der Arbeit die schnelle Aussaat des Evangeliums in China ernst-lich gehindert haben. Und warum mu das Christentum auslndisch wirken? Das WortGottes verlangt es nicht, und auch die Vernunft kann es nicht rechtfertigen. Wir suchenja nicht die Entnationalisierung, sondern die Christianisierung des Volkes. UnsereArbeit zielt auf chinesische Christen. Wir mchten, da ihre Gemeinden von chinesi-schen Pfarrern geleitet werden und da sie Gott in ihrer eigenen Sprache und in Ge-buden ihres Geschmacks dienen. Und wenn wir das alles wirklich wnschen, dannlat uns selbst als Beispiel vorangehen! Lat uns in allem, das nicht sndig ist, Chi-nesen werden, damit wir noch einige gewinnen! Lat uns ihre Kleidung anziehen, ihreSprache lernen, ihre Gewohnheiten und, soweit es die Gesundheit erlaubt, auch ihreNahrung annehmen! Lat uns chinesische Huser bewohnen!
Das alles bringt natrlich Unannehmlichkeiten mit sich. Aber lat uns an Ihndenken, der weder Krippe noch Verachtung und Spott, Kreuz und Tod gescheut hat!Knnen wir im Blick auf Ihn zgern, unsere geringeren Opfer darzubringen? Wirglauben, liebe Freunde, da Ihr bereit seid, um Christi willen nicht nur diese kleinenDinge, sondern tausendfach grere aufzugeben... Haltet nicht zurck! UbergebtEuch vllig und ganz dem, dem Ihr gehrt und dem Ihr dienen wollt, dann werdetIhr nie enttuscht werden. Aber wenn erst einmal die Frage aufsteigen darf: .Mssenwir dieses und jenes aufgeben?', wenn einmal dem Gedanken Raum gegeben wird:Diese Unbequemlichkeit, jene Entbehrung hatte ich nicht erwartet', dann wird EuerDienst nicht mehr Eure Freude und Euer Glck sein und damit seine Kraft und Wirk-samkeit einben. .Einen frhlichen Geber hat Gott lieb', sagt die Schrift."
Da die Missionare Hudson Taylors Ansicht teilten, zogen sie sofortchinesische Kleider an. Sie wohnten aber nicht lange genug in Schanghai,um die Ausrstung der Frauen besorgen zu knnen. Die Mnner lieensich die vordere Hlfte des Schdels rasieren und hllten sich in die weitenGewnder des Landes. Fr Mrs. Taylor bedeutete das Tragen chinesischerKleidung ein wirkliches Opfer, weil sie es frher nicht getan hatte. Sieschrieb darber an Mrs. Berger:
Was man uns als Europern in europischer Kleidung nachsieht,knnen wir uns in chinesischer Kleidung nicht mehr leisten. Ich will damitkeinen Zweifel an der Notwendigkeit, unsere Kleidung zu ndern, aus-drcken. Aber je mehr wir uns im ueren den Chinesen nhern, destoschrferem Urteil sind wir ausgesetzt, wenn wir im Benehmen von demblichen abweichen. Ich darf zum Beispiel von heute an niemals Armin Arm mit meinem Mann gehen. Und so gibt es viele andere Regeln, diewir unbedingt bercksichtigen mssen, wenn wir das chinesische An-standsgefhl nicht tief verletzen wollen. Betet auch fr diese Schwierig-keit!
Endlich kam der Aufbruch ins Inland. Der Abschied von seinen Freun-den fiel Mr. Gamble schwer, obwohl sie viel von seiner Zeit und seinenMitteln in Anspruch genommen hatten. Als er sie am Samstag, dem20. Oktober, an den Flu begleitete, konnte er kaum ein Wort heraus-bringen. Die Dschunken hatten auer der von Hudson Taylor bereitsabgelegt, da legte Mr. Gamble, der bis zum letzten Augenblick geholfenhatte, ein Pckchen auf einen der Sitze des Sampongs, sprang an Landund war sogleich in der Dunkelheit verschwunden. Es enthielt die Dollars,die er nur zgernd als Bezahlung fr die Unterkunft entgegengenommenhatte. Auf einem dabeiliegenden Zettel stand: Zum Besten der Mission!"
Es war eine denkbar schne Nacht. Nach kurzer Fahrt stromab fuhrendie Reisenden lngsseits der lieben, alten Lammermuir". Die Seeleutesahen sie herankommen und eilten alle zur Begrung an Deck. Auf demVorderschiff wurde ein letzter, kurzer Gottesdienst gehalten. Ja, wirscheiden, doch nicht fr immer" wurde an dieser erinnerungsreichen Stellegesungen. Nach einem letzten Blick auf ihre Kabinen, in denen sie so vielerlebt hatten, und herzlichem Abschied stiegen die Missionare in ihreBoote. Pilger, sagt, wo zieht ihr hin?" sang ihnen die Besatzung vomDeck aus nach.
Viele Stimmen zitterten beim Singen vor Bewegung", schrieb MissBlatchley. Als wir abstieen, standen die Seeleute auf der Reling,schwenkten ihre Mtzen und riefen uns nach englischer Sitte ein drei-faches Hurra nach. Im stillen Mondlicht glitten wir um das Heck. DieMannschaft ging auf ihrem Schiff neben uns her bis zum Heck. Dortwiederholten sie ihren Abschiedsgru. Sie blickten uns nach, bis wir auerSicht waren."
Es blieb aber noch eine Verbindung, denn Mr. Brunton, der ehemalige
Schrecken der Besatzung, begleitete die Missionare in ihrem Boot. Erfuhr ein Stck landeinwrts mit uns", berichtete Miss Blatchley weiter.An einem Sonntag wurde er von Mr. Taylor getauft."
Nach vier Wochen nherten sie sich der berhmten Stadt Hangchow.uerlich glichen sie wirklich einer chinesischen Reisegesellschaft. Siewuten aber nicht, wo sie wohnen sollten. Gott jedoch hatte fr sie ge-sorgt. Nach einer notvollen Wohnungssuche erfuhr Hudson Taylor, daein Freund aus der Zeit in Ningpo, der zur gleichen Missionsgesellschaftwie Mr. Gamble gehrte, vor kurzem nach Hangchow bergesiedelt war.Diesen suchte er nun auf.
Wir haben Sie erwartet", lautete der freundliche Willkommensgru.Ein junger amerikanischer Missionar hat eben die Stadt verlassen, umseine Familie von Ningpo nach Hangchow zu holen. Nun steht sein neuesHaus fr eine Woche leer. Er bat mich, Ihnen zu sagen, da Sie sogleichin sein Haus einziehen und bis auf weiteres darber verfgen knnen."Wie treu sorgt doch der Herr fr die Seinen!
MEHRE MEIN GEBIET!"18661868
Eine Woche spter, am Tage, an dem der amerikanische Missionarzurckkehren sollte, bahnten sich die Missionare der Lammermuir"ihren Weg durch die stillen Straen Hangchows zum eigenen Heim,einem groen, solid gebauten, aber dem Verfall preisgegebenen Gebude.Es hatte einmal einem Mandarin als Residenz gedient. Jetzt aber haustenneben einer Anzahl chinesischer Familien, die noch nicht ausgezogen wa-ren, Kaninchen darin. Es lag in einem ruhigen Stadtteil in der Nhe derStadtmauer und der belebten Straen und war gerumig genug, um dieganze Gruppe aufzunehmen. Dabei blieb noch gengend Raum fr dieGstehalle, die Apotheke, die Kapelle, die Druckerei und die Helfer-wohnungen. Es war gleich das erste Haus, zu dem Hudson Taylor aufseiner Suche nach einer bleibenden Unterkunft gefhrt wurde.
Wir Unerfahrenen sollen hier zuerst so ruhig und unauffllig wiemglich bleiben", schrieb Miss Blatchley. Mr. Taylor meint, die Beschf-tigung mit der Sprache wre zunchst Arbeit genug. Wenn einige vonuns weit genug sein wrden, um unter dem Volk zu arbeiten, wrde manerst allmhlich in der Stadt merken, da eine Anzahl Fremder hier lebt,ohne Strung oder Unfrieden zu erzeugen. So wrden wir leichter beiihnen Eingang finden und weniger Mitrauen erregen. Es scheint uns einVorteil zu sein, da wir direkt in die Hauptstadt der Provinz gekommen
sind. Wenn wir hier Fu gefat haben, wird uns das in weniger bedeu-tenden Stdten den Weg bahnen."
Wenig spter wurden Plne zur Ausdehnung der Arbeit gemacht. Denersten Sonntag verbrachte Hudson Taylor in der Nachbarstadt Siaoshan.Die Missionare Meadows und Crombie, die von Ningpo als Hilfe beimUmzug gekommen waren, hatte er dazu mitgenommen. Sie fanden indieser Stadt viele Gelegenheiten zum Predigen, so da sie glaubten, hiereinen wichtigen Sttzpunkt fr die Missionsarbeit gefunden zu haben.Darum mieteten sie vor ihrem Weggang ein kleines Haus, um dort sobald wie mglich eine Station zu grnden.
Inzwischen gab es auch in nchster Nhe keinen Mangel an Arbeit.Mildes Wetter begnstigte die notdrftige Instandsetzung des Hauses.Wer oberflchlich hinschaute, sah nur ein wstes Durcheinander vonNebengebuden und Scheunen. Hudson Taylor sah jedoch schon imGeiste eine schne Zentrale aus der ehemaligen Mandarinresidenz ent-stehen. Vorerst aber bestand die Arbeit in den ersten Tagen nach demEinzug im Abkratzen einer dicken Schmutzschicht vom Fuboden imObergescho und das war noch gar nichts im Vergleich zum Erd-gescho!
Unser Haus ist jetzt schon etwas gemtlicher", schrieb Miss Fauldingam 12. Dezember, obgleich noch viel zu tun bleibt. Mr. Taylor und diejungen Mnner haben Stubendecken aus Papier und Holzrahmen kon-struiert, die die kalte Luft zum Teil abhalten, denn die im ersten Stockliegenden Zimmer haben das Dach direkt ber sich wie zu Hause dieKapellen. Auch die Wnde und Holzverschlge, die die Zimmer abgren-zen, wurden teilweise tapeziert. Natrlich herrscht noch ein unvermeid-liches Durcheinander, aber wir kommen doch vorwrts und hoffen, dabald alles in Ordnung ist.
Nchste Woche sollen die Mitbewohner ausziehen. Sie bewohnenhauptschlich noch das Erdgescho. ... Ich bin froh, da sie hier waren,denn viele kommen zur chinesischen Gebetsstunde und hren aufmerksamzu. Wir htten drauen noch keine Besuche machen knnen ... aber mitdiesen Frauen lese und spreche ich jeden Tag, und sie haben es sichtlichgern. Auf eine Frau setze ich besonders groe Hoffnungen. Sie hat auf-gehrt, Weihrauch zu opfern, und sagt, seit wir da wren, bete sie zuGott. Die meisten beschftigen sich damit, Geld aus Silberpapier zu ver-fertigen, das dann fr die Ahnen verbrannt wird. Davon leben sie hier.Whrend ich ihnen vorlese, nehmen sie oft ihre Pfeife hervor und tun einpaar Zge, da ich im Qualm beinahe ersticke. Natrlich sage ich nichts,denn die Frauen scheinen alle zu rauchen. Manchmal stellen sie Fragenber uns persnlich, aber dann auch solche wie: ,Wohin mssen wir gehen,um Gott anzubeten?' ... Gestern hatten wir eine Versammlung mit zehnNachbarn auer unsern Mitbewohnern und Dienern. Die Frau, die be-sonderes Interesse zeigt, hatte sie hereingeholt."
So fing die Arbeit an, und schon vor Weihnachten hren wir von fnf-zig bis sechzig andchtigen Zuhrern beim sonntglichen Gottesdienst.
Mit welchem Interesse beobachteten die jungen Missionare diese Ent-wicklung! Wie hei beteten sie in ihren Mittags Versammlungen um dieLebenskraft des Heiligen Geistes fr die, die schon beeindruckt zu seinschienen! Einer von ihnen, ein Soldat, der zum erstenmal ein Evangeliumund die Apostelgeschichte gelesen hatte, ermutigte sie besonders.
Welch ein Unterschied zwischen Judas und Paulus", rief er aus. Dereine ein Jnger, der seinen Meister verriet; der andere ein Verfolger, derder getreueste Nachfolger Jesu wurde!"
Ein buddhistischer Priester, der Hudson Taylors Predigt an einerStraenkreuzung gehrt hatte, kam tglich mit neuen Fragen zu demEvangelisten Tsiu. Ein dritter, der aus Neugierde hereinschaute und voneinem der Neulinge willkommen geheien wurde, war so gerhrt vondessen Freundlichkeit, da er wiederkam und bald ein Glied der kleinenGruppe wurde, die man jetzt jeden Morgen im Besuchszimmer antreffenkonnte. Dort lasen sie gemeinsam die Bibel.
Neulich ging ich in die Stadt", berichtete Mr. Seil am 1. Januar, dahrte ich einen Mann rufen: ,Ich komme morgen, um den wahren Gottanzubeten1, womit er unsern Sonntagsgottesdienst meinte. Ihr seht, wirsind schon bekannt, und man spricht bereits ber unsere Arbeit."
Als das Haus etwas gemtlicher aussah, fanden zwei chinesische Texteihren Platz an der Wand des Speisesaals: Ich mu wirken die Werkedes, der mich gesandt hat" (Joh. 9,4) und Auch Christus hat sich nichtselbst zu Gefallen gelebt" (Rom. 15, 3). Dieses Mu" war fr die ganzeMissionsfamilie eine Wirklichkeit. Arbeit, wirklich ernste, hingebendeArbeit fllte die Tage. In der Kapelle und den Besuchszimmern drngtensich freundlich gesinnte Hrer.
Das chinesische Neujahr im frhen Februar (1867) brachte gute Ge-legenheiten. Sie begannen auch mit dem Verkauf von Arzneien. Das wardie erste Stufe fr die ausgedehnte rztliche Arbeit, die Hangchow be-rhmt machte. Bei der Flle der sonstigen Arbeit war es fr HudsonTaylor keine Kleinigkeit, tglich Dutzende von Patienten zu behandeln.Aber bis Ningpo und Schanghai praktizierte auer ihm kein Arzt, unddas Volk in seinen Leiden jammerte ihn. Die Patienten kamen von nahund fern mit ihren Krankheiten jeder Art, krperlichen und seelischen.Whrend der Neujahrsfestlichkeiten kamen noch die dazu, die durch ihreArbeit verhindert waren, so da Arzt und Helfer bestndig von Hilfe-suchenden umringt wurden.
Wie schn wre es, wenn einige von Euch heute htten hier seinknnen!" schrieb Miss Faulding an ihre Freunde in der Heimat. (Ihrefrhlichen, mdchenhaften Briefe geben einen lebhaften Eindruck vondem tglichen Leben in Hangchow. Ihre Mutter hat alle treulich auf-bewahrt. Miss Faulding zhlte erst zweiundzwanzig Jahre, als sie nach
China zog. Ihre Eltern, alte Freunde Hudson Taylors, hielten in einemgroen Kreis Interesse und Frbitte fr die Mission wach.)
Mr. Taylor behandelt tglich mehr als zweihundert Patienten", fhrtsie vierzehn Tage spter fort. Hndler bieten ihre Waren dicht beiunserer Tr an, weil sie bei der Menge der hier Versammelten mehr zuverkaufen hoffen als anderswo. Snften mit Trgern stehen bereit, umLeute zu tragen, die nicht gehen knnen. Der Evangelist bringt fast denganzen Tag im Gesprch mit den Patienten zu, und Mr. Taylor hltkurze Ansprachen. Fr einige, die weiterforschen, haben wir groe Hoff-nung.
Am Sonntag versammelten sich bestimmt zweihundert Menschen undsaen so still wie eine Gemeinde in England, whrend ihnen das Wortder Wahrheit krftig gepredigt wurde. Heute nachmittag muten vieledrauen bleiben, weil sie keinen Platz mehr finden konnten. Ich glaube,wir mssen ,unsere Zelte bald weiter spannen'. Eine Frau, die durch ihrenNachbarn von uns gehrt hatte, lief fnf Kilometer weit zum Gottes-dienst. Einzelne sagen uns, sie opferten ihren Gtzen keinen Weihrauchmehr. Mehrere Frauen und auch Mnner erklren sich glubig und bittenum die Taufe. Die medizinische Seite der Arbeit ist unschtzbar. Ich kannEuch nicht sagen, wie gro unsere Freude ist, wenn man so viele Heidender Botschaft des Evangeliums zuhren sieht ... Mr. Taylors Illustra-tionen whrend der Predigt sind so gut und vielseitig, seine Worte sokraftvoll, da man sich darber wundern mte, wenn man nicht wte,da so viele in der Heimat fr unsere Arbeit beten."
Als am 23. Februar weitere Helfer als Verstrkung aus England an-kamen, konnte Mr. Taylor zu ihrer Begrung erst einige Stunden sptervon seiner Arbeit abkommen. Im Augenblick ihrer Ankunft stand er aufeinem Tisch und predigte einer Gruppe von Patienten im Hof. So konnteer ihnen nur ein herzliches Willkommen" zurufen. Aber die Neuenwaren damit ganz zufrieden. Einer von ihnen, John McCarthy, wurdespter sein Hauptgehilfe im rztlichen Dienst. Seine Mitarbeiter warenbei allen ueren Entbehrungen dankbar fr die enge Zusammenarbeitmit einem Mann, der so sehr das Ideal eines Missionars verkrperte.
Wenn doch Mr. Taylor an drei oder vier Orten zugleich sein knnte!"heit es im Mai einmal in Miss Fauldings Bericht. Es wrde bestimmtein Vorteil sein. Er sollte schon lngst die Regierungsstdte unserer Pro-vinz besuchen, um die gnstigsten Orte fr Stationen herauszufinden. Erund Mr. Duncan wollten schon ein paarmal aufbrechen. Dann brauchtensie Mr. Taylor in Ningpo, obgleich er ohnehin mit Arbeit berhuft ist.Er mte auch eigentlich nach Sao-hing (Mr. Stevensons Station) reisen,um weitere Unterweisungen in der Umgangssprache geben zu knnen.Was das Nchste sein wird, wei noch niemand. Und doch bleibt er stetsso ruhig, ausgeglichen und einfach im Vertrauen auf Gott und im Zu-sammenleben mit anderen. Es ist ein Segen, das mitzuerleben."
Dies alles erfreute Mr. Berger und die Freunde in der Heimat. Esbedeutete eine herrliche Gebetserhrung fr sie, da die Missionare vonder Lammermuir" sechs Monate nach ihrer Ankunft schon eine schnellwachsende Arbeit im Innern des Landes taten und durch reichen Segengestrkt wurden. Die Arbeit von Mr. und Mrs. Berger fr die Missionwar mindestens ebenso anstrengend wie das Werk in China. Sie warennicht mehr jung, und es war nicht leicht fr sie, aus ihrem ruhigen Heimeine Missionszentrale zu machen. E- und Studierzimmer wurden inBros, das Billardzimmer in einen Packraum umgewandelt. An ihremTisch trafen sich Kandidaten fr China und Freunde der Missionare. Siemuten eigenhndig Adressen schreiben, um die Gelegentlichen Nach-richten" zu versenden. Daneben unterhielten sie eine ausgedehnte Korre-spondenz, berwiesen die Gelder, fhrten die Bcher, besorgten allesNotwendige fr die Ausreise der neuen Mitarbeiter, halfen bei ihrerAusrstung, ordneten ihr Gepck und brachten sie an Bord, gleichgltig,ob es Tag oder Nacht war. Als es sich als notwendig erwies, richtetensie auf ihrem Grundstck ein kleines Haus fr Missionskandidaten einund ein zweites fr einen jungen Lehrer, der als Sekretr mit ihnen zu-sammenarbeitete. Es bleibt ein Rtsel, wie Mr. Berger es fertigbrachte,noch so regelmig und ausfhrlich an Hudson Taylor zu schreiben. Erscheint nie eine Post berschlagen zu haben. In seinen Briefen behandelteer zahlreiche Fragen wichtige geistliche Anliegen sowie persnlicheSchwierigkeiten einzelner Mitglieder. Je nach der Art der aus Chinakommenden Nachrichten zeigen Mr. Bergers Briefe bald voller Freude,bald voller Sorge seine tiefe Sympathie, seine Liebe und sein Vertrauenzu Hudson Taylor. Sie enthalten wahre Schtze an Weisheit, Rat undAufmunterung.
Es war nicht immer alles so, wie es Mr. Berger wohl gewnscht htte.Ebenso wie in Hangchow gab es auch in Saint Hill Stunden schwierigerberlegungen. Schon auf der Reise hatte Hudson Taylor Schwierigkeitenmit einzelnen Mitgliedern der Gruppe erlebt. Leider wuchsen diese nochim Laufe der Zeit. Viele Briefe der Missionare brachten Freude in denheimatlichen Missionskreis, andere aber nicht. Darin traten Mr. BergerBeschwerden und richtende Kritik von Mitarbeitern entgegen, die bewie-sen, da die Einstellung einiger Missionare die Harmonie und schlielichdie ganze Existenz der Mission gefhrdeten. Zuerst waren es nur einige,die sich nicht entschlieen konnten, die weitgehende Anpassung an Klei-dung und Sitten der Bevlkerung mitzumachen. Ihre Mistimmung fhrtesie dazu, bei Auenstehenden bertriebene Angaben zu machen. Ein Mis-sionar einer anderen Gesellschaft, der sonst die besten Absichten hatte,hielt alles fr wahr und geriet dadurch in ernste Opposition gegen einesolche Missionsarbeit. Er unterlie es, Hudson Taylor oder ein anderesGlied der China-Inland-Mission zu fragen. So schrieb er Briefe mitschwersten Beschuldigungen an Mr. Berger und andere Freunde, worin er
nicht nur die Methoden dieser Mission angriff, sondern auch behauptete,Hudson Taylor wre fr seine Stellung ungeeignet.
Fr die Freunde in Saint Hill kamen diese Briefe wie ein Blitz ausheiterem Himmel. Hudson Taylor und Maria htten nie daran gedacht,da unzufriedene Mitglieder ihre Stimmung brieflich weitergeben, schongar nicht, da sie einen verhltnismig Fernstehenden dazu veranlassenwrden. Sie selbst hatten nie etwas Nachteiliges ber einen ihrer Mit-arbeiter geschrieben, sondern sich bemht, die Schwierigkeiten und Feind-seligkeiten durch Gebet und Geduld zu berwinden. Sie wollten Mr. Ber-ger durch kein Wort gegen irgend jemand beeinflussen, der vielleicht nochzurckzugewinnen war. Nun kam sie diese Zurckhaltung teuer zu stehen.Schon im Februar 1867 htte Mrs. Taylor ihrer Freundin, Mrs. Berger,gern ihr Herz ausgeschttet. Doch auf ihres Mannes Wunsch hatte siees unterlassen.
Entgegen Hudson Taylors Wunsch hatten sich diese Missionare wiedereuropisch gekleidet. Die Folgen in der genannten Stadt waren schwer-wiegend. Der Mandarin, der sich bis dahin nicht um sie gekmmert hatte,beschlo ihre Ausweisung. Er erschien am 28. Januar pltzlich im Mis-sionshaus und befahl ihnen, die Stadt vor Anbruch des nchsten Tageszu verlassen. Zur Unterstreichung dieses Befehls lie er den EvangelistenTsui gefangennehmen, den Hudson Taylor nur sehr ungern von Hang-chow beurlaubt hatte, und lie ihn grausam schlagen: sechshundertRutenschlge auf den Rcken und hundert Schlge mit Lederriemen berdas Gesicht. Wund und zerschlagen mute Tsui sofort in die Hauptstadtzurckkehren. Die andern folgten ihm bald und wurden zunchst inHangchow untergebracht. Fr alle folgten Monate schwerer Prfungen.Taylor war in der Neujahrszeit durch Scharen von Besuchern mit rzt-licher Arbeit berlastet. Dennoch versuchte er weise und geduldig dievertriebenen Missionare in die Arbeit einzureihen und ihnen so ber dieSchwierigkeiten hinwegzuhelfen. Der bse Einflu aber war strker. Siehielten sich absichtlich abseits, trugen ffentlich europische Kleidung,weigerten sich, zu den Versammlungen zu kommen, und reizten anderezum Widerspruch gegen Hudson Taylor und seine Anordnungen. Un-glcklicherweise wurden sie darin noch durch den erwhnten Missionarbestrkt, der gerade auf Urlaub ging. Er hielt ihre Berichte fr wahr undglaubte sich dazu verpflichtet, die neuen Methoden der China-Inland-Mission nicht nur schriftlich, sondern persnlich unter ihren Freundenin Verruf bringen zu mssen.
Bedenkt man, da die Mission vllig neue Wege einschlug, ist es ver-stndlich, da in der praktischen Durchfhrung noch Fehler steckten,zumal Hudson Taylor als Vierunddreiigjhriger noch nicht ausgelernthatte. Und seine Mitarbeiter waren noch jnger.
Die groen Schwierigkeiten mute jeder anerkennen, ebenso das tiefeVerlangen der jungen Leute, Gott zu gefallen. Htte doch der ltere Mis-
sionar seine groe Erfahrung als Hilfe angeboten, wie anders wre dasErgebnis ausgefallen! So aber wre durch seine Aussagen beinahe dieganze Arbeit zerstrt worden.
Nachdem Mr. Berger die ersten ausfhrlichen Beschuldigungen erhal-ten hatte, schrieb er an Hudson Taylor:
Ich bitte Gott, da diese Briefe Sie nicht mehr beschweren, als esGottes Wille ist, und da Er uns den rechten Geist und die Weisheit gibt,das zu tun, was Ihm gefllt.
Die Schwierigkeiten sind hier auch nicht gering, aber die Ihrigen sindBerge dagegen ... Sie bentigen unsere ganze Liebe und unser Gebet.Seien Sie versichert, lieber Bruder, was immer auch Mr. X geschriebenhat, Sie stehen unsern Herzen so nahe wie vorher. Wir drfen ohneZweifel und Furcht erwarten, da Gott Ihnen und mir immer mehrWeisheit und Tchtigkeit zu dem Werke schenken wird, zu dem Er unsberufen hat. Von uns wird nur gefordert, alles abzutun, was wir alsfehlerhaft oder irrig erkennen, und zuzunehmen an Weisheit und Liebe.Ach ja, lassen Sie uns dem Herrn diese Sache anbefehlen! Er wei, dawir nach bestem Vermgen gehandelt haben. Er ist barmherzig und wirduns in dieser Anfechtung nicht verlassen."
Wie schwer die Anfechtung werden und wie lange sie dauern wrde,konnte Mr. Berger damals noch nicht wissen.
In seinen vielen Briefen gibt es keine Stelle, die nicht vom gleichenGeist der Sanftmut und Demut erfllt war. Trotz allem, was Mr. Bergerselbst durchmachte, spendete er Trost und Ermutigung.
19. Mai. Ich bete ernstlich darum, da Sie die furchtbare Prfung,die Ihnen aus dem Verhalten von Mr. X und seinen Anhngern erwchst,auf den Herrn werfen knnen. Wir wollen uns vor nichts frchten, lieberBruder, auer davor, selbst zu sndigen. Lassen Sie uns unsere eigenenVerfehlungen stets bekennen und von uns tun! Ich verlasse mich festdarauf, da Gott sich uns zur rechten Zeit offenbaren wird.
Unser Blatt wird in seiner achten Nummer den Kassenbericht fr dasJahr bringen, und angesichts der Beitrge in dieser Zeit (2800 Pfund, vondenen kaum mehr als hundert von mir selbst stammen) glaube ich, dawir Ursache haben, zu loben und zu danken und mutig, wenn auch mitgroer Vorsicht und im Geist des Gebets, vorwrtszugehen."
21. Mai. Es scheint mir, lieber Bruder, als mten wir fr dieseArbeit einen weiteren Gesichtskreis gewinnen. Sie drfen nicht so vielEinzelarbeit tun, sondern sollten mehr die Aufsicht ber alles haben. Esdarf nicht so viel unmittelbar von Ihnen abhngen. Wieviel Weisheitbrauchen wir doch fr jeden Schritt in diesem Werk!"
7. Juni. Ihre Fhrerstellung in China steht fr mich auer Frage. Siedrfen mir also keinen andern vorschlagen. Ich mchte Ihnen nur raten,weise, liebevoll und doch fest und unbeugsam zu handeln, wo Ihr Ein-schreiten notwendig ist. Ich glaube, Sie werden einsehen, da auch ich hier
in England in bezug auf die Kandidaten fr China so handeln mu. Mitbesonderer Freude bemerke ich, da mit Ausnahme eines einzigen nie-mand auf der Seite von Mr. X steht und seine Handlungsweise ver-teidigt ... Der Herr wird gewi das alles zur rechten Zeit in Ordnungbringen. Er wird Sie und uns hier lehren, wie wir am besten handeln.Wenn wir nur als rechte Schler erfunden werden!"
24. August. Nicht unsere Fehler, sondern unser Widerstand, die er-kannten Fehler korrigieren zu lassen, richtet Schaden an. Wieviel habenwir noch zu lernen, damit diese Arbeit zur Ehre des Herrn dient!"
Leider sind Hudson Taylors Briefe an Mr. Berger nicht erhalten ge-blieben, doch aus Marias Berichten an Mrs. Berger, die grtenteils nochvorhanden sind, ist ersichtlich, wie die beiden die Prfung ertrugen. Ausder Stille des Wochenbettes, whrend ihr fnf Tage altes Tchterchenneben ihr lag, schrieb sie Anfang Februar:
Ich habe eine Weile unseren Chorlen zugehrt, die mein Mann unddie andern in der Kapelle sangen. Besonders ein Lied: ,0 gebt mir weieKleider, o gebt mir frohen Blick' versetzte mich so sehr in die glcklichenTage von Saint Hill zurck, da ich mich nach der Liebe und dem Friedendieser Heimat sehnte. Aber der Soldat auf dem Schlachtfeld darf sichnicht nach Ruhe und Behagen umsehen, wenn er auch noch so sehr be-drngt oder verwundet ist. Von der Zukunft erwarten wir aber Herr-liches."
Betet viel fr uns!" fuhr sie einige Wochen spter fort. Wir brauchengerade jetzt dringend die bewahrende Gnade Gottes. Wir haben Satanin seiner strksten Festung angegriffen, und er lt uns keine Ruhe. AberEr, der fr uns ist, ist strker als alle unsere Gegner. Manchmal kommtman in Versuchung, den Mut zu verlieren, so fhlbar ist die Macht Satans.Aber unser Gott wird uns nicht im Stich lassen. Es wrde mich sehr be-trben, wenn unter uns Missionarinnen hier Zwietracht entstnde. Dochich frchte, die Gefahr liegt nahe ... Welche Wendung die Angelegenheitvon Mr. X nehmen wird, kann ich noch nicht berblicken. Eins wei ichgewi: ,Israels Hoffnung wird uns nicht verlassen.' Man knnte versuchtwerden zu fragen: Warum durfte er ausreisen? Vielleicht geschah es,damit die Grundlagen unserer Mission von vornherein um so festerwrden."
Trotzdem wurden fortgesetzt Seelen errettet und Gebete erhrt. DieMissionsgemeinde hatte zu Beginn des neuen Jahres ihre Bitten folgender-maen zusammengefat: Ach, da du midi segnetest und mein Gebietmehrtest und deine Hand mit mir wre und du schafftest, da mich keinbel bekmmerte!"
Im Mai fanden die ersten Taufen statt. Uber dieses freudige Erlebnisschrieb Mrs. Taylor nach Saint Hill:
Vielleicht sieht unser Herr, da wir das Leid brauchen, damit wiruns nicht berheben bei dem reichen Segen, den Er unserer Arbeit gibt."
Zur selben Zeit schien sich der unglckselige Geist der Gruppe nochweiter auszubreiten, und Mr. Bergers Schwierigkeiten daheim erreichtenihren Hhepunkt. Dadurch konnte Hudson Taylor zunchst die Reisenin neue Gebiete nicht unternehmen. Sie wren so notwendig gewesen,um seinen jngeren Mitarbeitern Arbeitsgebiete zu geben. Schon rundum sie her in der Kstenprovinz lebten Millionen, denen die Botschaftder Erlsung nicht gebracht wurde. Mindestens sechzig Stdte warendort noch ohne Prediger des Evangeliums, darunter neun Hauptstdteoder Regierungszentren. Hudson Taylor machte es zum Gebetsanliegen,mglichst bald in diesen Zentren Missionsstationen zu errichten. Auf einerReise durch das Gebiet von Ningpo hatte er sich mit den erfahrenenFreunden Meadows und Stott darber besprochen. Sie waren bereit, inbisher unerreichte Orte zu ziehen. Taichow und Wenchow wurden ihnenzugewiesen. Von den Neulingen erbot sich Jackson, Meadows zu beglei-ten. So blieben der Norden und Westen fr die Mitarbeiter aus Hang-chow, von denen verschiedene darauf drngten, allein unter das Volk zuziehen, um bessere Fortschritte in der Sprache zu machen.
Trotz groer Schwierigkeiten trennte sich also Hudson Taylor EndeApril von seinem Hauptquartier und zog nach Norden. Der wackereSchotte Duncan war sein Begleiter. Schon vor Jahren hatte er eindrucks-volle Erlebnisse im Gebiet des Groen Sees gehabt, als er dort mit Wil-liam Burns das Wort verbreitete. Seitdem war in dem unruhigen Gebietkaum ein Fortschritt erzielt worden. Darum waren die Missionare be-sonders dankbar, als sie in Huchow eine offene Tr fr das Evangeliumfanden. Hudson Taylor konnte freilich nur kurze Zeit bleiben, aber erempfing einen solch tiefen Eindruck von der Wichtigkeit dieser Zentrale,da er sie einige Monate spter beinahe zu seinem Hauptquartier ge-macht htte. Inzwischen besuchten seine Mitarbeiter die Stadt von Zeitzu Zeit, wobei sie sich besonders ber einen Bekehrten freuten, aus demein rechter Menschenfischer geworden war.
Hudson Taylor hatte am 30. Mai an Mr. Berger geschrieben: Mehrals ein Jahr ist vergangen, seitdem wir an Deck der jLammermuir* von-einander Abschied nahmen. Doch wir beide knnen ber die Vergangen-heit ein jEbenezer', ber die Gegenwart das Jehova nissi* und ber dieZukunft ein Jehova Jireh* setzen. Leid ist mir widerfahren, gegen dasalle meine frheren Kmmernisse leicht erscheinen. Aber ich habe auch dieselige Wahrheit tiefer erkannt, da Er unsere Zuversicht und Strke ist.Schon lange wute ich, da unsere Mission eine Taufe erfahren mte.Vielleicht ist sie noch nicht beendet. Vielleicht wird sie noch schwerer, alswir ahnen. Doch wenn Seine Gnade uns treu erhlt, wird alles gutwerden."
Ein Zug in Hudson Taylors Charakter wurde bisher kaum berhrt:Er war ein besonders liebevoller Familienvater. Seine Kinder standenihm naher, als das sonst bei vielbeschftigten Mnnern der Fall zu sein
pflegt. Das Gefhl der Verantwortung fr ihre Erziehung war abervom ersten Tage an strker als seine Freude an ihnen. Es hatte ihn vielgekostet, sie mit nach China zu nehmen, und seine oft wochenlangenReisen ohne eine andere Verbindungsmglichkeit als durch besondereBoten waren fr die ganze Familie eine wirkliche Prfung.
Es ist leicht zu singen: Alles will ich fr Dich lassen"*, schrieb erwhrend der ersten Reise an seine Mutter (Januar 1867). Es ist auch nichtschwer zu sagen oder ehrlich zu denken: ,Ich gebe alles Dir hin*, abermanchmal lehrt Gott uns, da das kleine Wrtchen ,alles* erschreckendviel bedeutet. Gott sei Dank fr alles, was Er uns lie, und vor allemdafr, da Er uns nie verlt!"
Ein kleiner rosafarbener Briefbogen mit einer in die Ecke gemaltenBlume begleitete Hudson Taylor auf dieser Reise. Das Wort Papa" inkindlicher Schrift auf dem Umschlag zeigte, von wem er kam.
Lieber Papa, ich hoffe, Gott hat Dir geholfen, zu tun, was Du vor-hattest, und da Du bald wiederkommst. Ich habe ein Perldeckchen frDich gemacht, wenn Du nach Hause kommst ... lieber, lieber Papa!"
Lange Jahre trug der Vater der kleinen Gracie das Briefchen in seinemTaschenbuch mit sich, und nun redet es von seinem schweren Leben undseiner Liebe zu seinem Tchterchen. Sie war die lteste seiner Schar inNingpo, wo er ihre Mutter liebgewonnen und geheiratet hatte. DreiShne waren ihnen in England geschenkt worden, danach ein Schwester-chen, dessen Ankunft Gracie besonders beglckte. Ein besonderer Zauberumgab das kleine achtjhrige Mdchen. Auf der Lammermuir" hatteGracie die wunderbare Verwandlung einiger Seeleute miterlebt, nachdemsie den Herrn Jesus kennen und lieben gelernt hatten. Durch diesen star-ken Eindruck hatte auch sie ihr Herz ihrem Erlser ganz bergeben. Ihrtiefes Gemt hatte sich Seiner Liebe erschlossen wie eine Blume demSonnenschein. Gegen Ende des ersten Sommers in Hangchow schrieb ihrVater an die Groeltern:
Ich wollte, Ihr httet sie in dieser Zeit sehen knnen. Nach ihrerBekehrung war sie ein ganz anderes Kind. Ihr Blick war sanfter, freund-licher, frhlicher."
Dieser erste Sommer war ungewhnlich hei, und als im Hause vierzigGrad Celsius gemessen wurden, schien es Zeit zu sein, an Erholung zudenken. Die Kinder litten unter der Hitze, und Mrs. Taylor selbst warso krank, da ihre Reise Schwierigkeiten bereitete. Eine Bootsfahrt vonneun Kilometern brachte alle ins Hgelgebiet, wo sie inmitten der Ruineneines einst berhmten Tempels Unterkunft fanden. Einige Schuppen, dieneben einer Gtzenhalle lagen, waren noch bewohnbar, und die Priester,gern bereit, sich etwas Geld zu verdienen, berlieen den Missionarenden verfgbaren Raum. Die Hgellandschaft bot ein entzckendes Bild,obgleich die Azaleen, Wistarien und sonstigen Frhlingsblten schon ver-welkt waren. Tannen, Eichen und Ulmen liehen ihren Schatten. Wlder
rauschten ihr Lied, und soweit das Auge reichte, zogen sich bis zur Buchtvon Hangchow und der offenen See hinber Hgelketten, zwischen denensich Flsse und Kanle hinwanden. Im Vergleich zu der Stadt wre es einParadies gewesen, wenn nicht mehrere Glieder der Familie so stark da-niedergelegen htten und sie nicht stndig den Gtzendienst nebenanhtten hren und sehen mssen.
Eine Woche spter aber war ein tiefer Schatten auf die Familie ge-fallen. Hudson Taylor schrieb am 15. August an Mr. Berger:
Geliebter Bruder! Ich wei nicht, wie ich schreiben und mich fassen soll. Mir ist,als schriebe ich aus dem innersten Heiligtum. Sicherlich ist diese Sttte heilig. Ich ver-suche, diese Zeilen neben dem Bettchen zu schreiben, in dem unsere kleine Gracie imSterben liegt. Sie ist an Gehirnwassersucht erkrankt. Lieber Bruder! Fleisch und Blutknnen es nicht ertragen, aber Gott ist unseres Herzens Trost und bleibt unser Teil.
Ich habe nicht leichtfertig oder gedankenlos gehandelt. Ich kannte dieses Land, seineBevlkerung und sein Klima, als ich meine Frau und meine Kinder mit mir auf demAltar zu diesem Dienst darbrachte. Und Er, dem wir in Schwachheit und Gebrechen,aber doch in Einfalt und Aufrichtigkeit dienen wollen und noch dienen, hat uns nichtohne Erfolg gelassen und auch jetzt nicht verlassen."
Die Eltern erhoben keine Einwnde gegen das, was Gott an ihnenoder an ihrem geliebten Kinde tat. Aber der Verlust war hart, beinaheunertrglich.
Immer wieder, wenn uns Pflicht und Notwendigkeit nicht in Anspruch nehmen,kehren unsere verwundeten Herzen zu dem Schweren zurck", schrieb Taylor im Sep-tember an seine Mutter, und ich kann Dir von nichts anderem schreiben. Unsere liebe,kleine Gracie! Wie sehr vermissen wir ihre liebe Stimme, die uns meistens als erstebeim Erwachen grte und den Tag hindurch und abends! Wenn ich die Wege gehe,auf denen sie mich begleitet hat, durchzieht mich jh der verzweifelte Gedanke: ,Ist esmglich, werde ich nie wieder den Druck ihrer kleinen Hand spren, nie wieder dasGeplauder ihrer lieben Lippen hren, nie mehr ihre frhlichen Augen strahlen sehen?Und doch verloren ist sie nicht! Ich mchte sie nicht zurckfordern.
Bete fr uns! Manchmal scheinen mir die inneren und ueren Prfungen zu viel,die sich mit unserer Arbeit verbinden. Aber Er hat gesagt: ,Ich will dich nicht ver-lassen noch versumen' und ,Meine Kraft ist in den Schwachen mchtig'. Er schenke es!"
Gott macht keine Fehler", das war die unerschtterliche berzeugungder betrbten Herzen, und voll Dank sahen sie, als ihr Leid bekanntwurde, wie es auch auf andere heilsam wirkte. Aus dieser Gnade Gottesdurften auch Mr. und Mrs. Berger mitten in ihren Schwierigkeiten daheimMut schpfen.
Gott hlt den Satan augenblicklich von uns zurck", konnte MissBlatchley im Oktober schreiben. Ich bin gewi, Gott wird ihm niemalswirklich Macht ber uns geben. Wieviel Grund haben wir, fr die heutigeLage in der Mission zu danken, wenn wir sie mit der vor einigen Monatenvergleichen! Unsere Harfe schien so zerrissen, da wir kaum hoffenkonnten, sie wrde jemals wieder harmonisch klingen."
Inzwischen blieb das groe Land mit seiner Not und Finsternis nichtvergessen. Die Schwierigkeiten waren zahlreicher und die Prfungenschwerer als erwartet, aber Hudson Taylor und Maria hatten sich am
Sterbebett ihres Kindes neu der Aufgabe geweiht, das Inland mit demEvangelium zu erreichen. Mit ihnen hatte der tapfere Schotte Duncan,Hudson Taylors erster Reisebegleiter in den Tagen der Pionierarbeit, imTempel ber Gracie gewacht. Ihm lag Nanking besonders am Herzen,die berhmte Stadt, die zweimal Hauptstadt des Landes gewesen war,die Stadt mit ihrer alten, zwanzig Meilen langen Umfassungsmauer undihrer zahlreichen Bevlkerung, unter der noch kein Bote des Evangeliumslebte. Duncan war nicht besonders begabt oder gebildet, aber er besaMutterwitz, Ausdauer und Liebe zu den Menschen. Er hatte die chine-sische Sprache bei einem einfachen Wscher gebt, als sich noch keinanderer Lehrer finden lie. Stundenlang hatte er neben ihm gesessen undStze nachgesprochen oder Verse aus dem Evangelium gelernt. Schlie-lich hatte er durch sein geduldiges Lernen den Heiden fr Christus ge-wonnen. Wohl war es gewagt, Duncan nach Nanking ziehen zu lassen,doch Hudson Taylor konnte selbst nicht abkommen, und Duncan warnicht der Mann, der von einem gefaten Entschlu abwich. Er fhlte sichfr die Nankingbevlkerung verantwortlich.
Doch der junge Missionar war in Nanking nicht willkommen. Mitseinem chinesischen Gehilfen suchte er straauf, straab nach einer Unter-kunft. Sobald der Stadtoberste von der Ankunft eines Auslnders gehrthatte, war an alle Herbergsbesitzer der Befehl ergangen, da ihn niemandaufnehmen drfe. Als die Nacht anbrach, hatten sie immer noch keineAussicht. Den Priester des Trommelturms" schien jedoch der Befehlnicht erreicht zu haben, denn als die mden Fremden an seine Tr poch-ten, war er zur Hilfe bereit. Zwar sagte er, er habe keinen besonderenRaum fr Gste, aber wenn sie gern im Trommelturm schlafen wolltenund sich tagsber entfernten, wrde er seine Wohnung mit ihnen teilen.
Es war allerdings eine klgliche Unterkunft. Doch Duncan schrieb:
Wir nahmen das Anerbieten dankbar an. Es ging auch ganz gut. Nurdie Ratten waren mir etwas zu zahlreich. Nachts wollten sie alles fressen."
Aus Furcht vor ruberischen berfllen und wegen des dumpfenSchlages der Trommel war kaum an Schlaf zu denken. Im Morgengrauenmuten die beiden Fremden ihre Matten zusammenrollen und sich aufdie Straen der Stadt begeben. Bald wurde die hohe Gestalt des Missio-nars in den Teehusern und an den Kreuzungspunkten der Hauptstraenzum gewhnten Anblick, und die Bewohner um den Trommelturm herkannten ihn schon recht gut, ehe er eine bessere Unterkunft finden konnte.Ein Zimmermann fand endlich den Mut, ihn aufzunehmen. Er teilte imObergescho seines Hauses einen schmalen Teil seines einzigen Wohn-raums fr den Fremden ab. Im Erdgescho lagen Kche und Laden. Sofanden die beiden Eingezogenen reichlich Gelegenheit zum Hren derUmgangssprache. Nach einiger Zeit wurde Duncan ein Raum im Erd-gescho berlassen. Es wurde eine leichte Zwischenwand errichtet. Nunbesa der Missionar eine ffentliche Kapelle, die erste in Nanking. Dort
empfing er Besucher und plauderte mit allen, die kamen. Ich bin nochnicht in der Lage, viel zu sagen", schrieb er, aber mit Gottes Hilfe sageich, was ich kann. Tienfu, mein Helfer, macht es den Leuten verstndlich.Ach, da doch hier viele Seelen zur Ehre unseres Meisters gesammeltwrden!"
So begann die Missionsarbeit in der groen Stadt, die eine der strk-sten Zentren der christlichen Kirche in China wurde. Vielleicht hat Dun-can nicht viel ausrichten knnen, doch er hielt die Festung mit groerTapferkeit, und wir wissen auch von einer Seele, die in jener erstenoffenen Kapelle gerettet wurde. Auerdem erlebten die Missionare hiereine wunderbare Gebetserhrung.
Bald nach seiner Ankunft in Nanking hatte Duncan sich nach Bankenerkundigt, durch die ihm Geld bermittelt werden knnte. Er hatteHudson Taylor die Namen zweier Vertreter in Hangchow mitgeteilt.Doch von diesen hatte der eine, wie es scheint, Bankrott gemacht, und derandere war weggezogen. Man teilte das Duncan sobald wie mglich mit,und daraufhin suchte er nach einer andern Vermittlung, allerdings ohneErfolg. Das beunruhigte ihn aber nicht. Er war dessen gewi, da derMeister, der ihn hierhergesandt hatte und ihn Eingang beim Volk findenlie, sicher auf irgendeine Weise fr ihn sorgen wrde. Inzwischen muteer sein letztes Silbergeld wechseln. Die Kupfermnzen schwanden einenach der andern dahin. Eines Tages sagte der Koch, der sich wirklichSorgen machte: Was sollen wir tun, wenn das Geld zu Ende ist?"
Tun?" lautete Duncans ruhige Antwort, wir wollen auf den Herrnhoffen und Gutes tun, so werden wir im Lande bleiben und uns redlichnhren." Duncan htte nach Hangchow zurckkehren knnen, er be-frchtete jedoch, da es nach dem Verlassen der Stadt zehnmal schwerersein wrde, wieder hineinzukommen. Seine eben gewonnene Stellung warzu wertvoll, um aufs Spiel gesetzt zu werden. Darum schrieb er an Hud-son Taylor, er wolle weiter auf Gott vertrauen und aushalten.
So lagen die Dinge, als Mr. Rudland zu Hudson Taylors Erleichterungunerwartet ankam und sich zu jedem Dienst bereit erklrte. Er bernahmes mit Freuden, Mittel nach Nanking zu bringen, und machte sich sofortmit einem Boot auf die Reise, die zehn bis zwlf Tage beanspruchte. Windund Wetter, auch der Wasserstand und die Stimmung der Bootsleuteschienen gnstig, bis sie an eine Stelle des Kanals gelangten, wo dasWasser so niedrig stand, da sie nicht weiter konnten. Irgend etwasmute auch repariert werden und brauchte Zeit. Inzwischen konnte derfremde Lehrer" nichts tun als warten.
Doch ausgerechnet das konnte Rudland nicht. Bis dahin war seinGebet um schnelles Vorwrtskommen erhrt worden. Beim Nachdenkenber das Hindernis wurde ihm klar, wie der Herr helfen wollte. Er fandheraus, da er auf dem Landweg die Reise um vier Tage verkrzen
konnte. Allerdings waren es hundert Kilometer zu Fu in chinesischenSchuhen oder auf dem ungefederten Schubkarren. Aber er eilte vorwrts.
Was war inzwischen aber aus Duncan und seinem Gehilfen geworden?Der Koch hatte von seinem Lohn fnf Dollar gespart, und als sein Herrmit seinem Geld zu Ende war, kam er und bot ihm seinen kleinen Schatzan.
Aber du weit doch, da ich nicht borge", sagte Duncan einfach.Nein, Herr", drngte der Mann, es ist ein Geschenk ein Geschenkan Gott!"
Da es ihm damit sichtlich Ernst war, nahm Duncan voll Dank an, undbeide waren darauf bedacht, damit solange wie mglich auszukommen.Aber fnf Dollar, noch so sparsam verwendet, reichen nicht weit. EinesMorgens war nicht mehr gengend Geld fr die nchste Mahlzeit vor-handen. Dazu war es Samstag. Wieder hielt der Koch seinen Herrn, derwie gewohnt zum Predigen ausgehen wollte, mit der Frage fest:
Was wollen wir nun tun?"
Tun? Wir wollen auf den Herrn hoffen und Gutes tun, dann werdenwir im Lande bleiben und uns redlich nhren."
Chu-meo blickte seinem Freund und Lehrer nach, und sein Mut sank.Wir werden uns redlich nhren", hatte er gesagt. Chu-meo wute wohl,da dies ein Versprechen aus Gottes Wort war. Die Bedingungen hattensie erfllt. Wrde es sich aber jetzt als Wahrheit erweisen, wo sie nichtsmehr besaen, worauf sie sich verlassen konnten?
An diesem Morgen traf der mhsam dahinhinkende Rudland etwazwanzig Kilometer vor der Stadt einen Eseljungen, der Arbeit suchte.Ja, er hatte von dem in Nanking lebenden Fremden gehrt. Fr hundertKupferstcke wrde er den Fremden bis vor dessen Tr bringen.
Als Duncan bei Sonnenuntergang mde heimkehrte, lief ihm zu seinerberraschung der treue Chu-meo mit strahlendem Gesicht entgegen.
Es ist alles gut es ist alles gut", rief er nach Atem ringend. Mr.Rudland das Geld ein gutes Abendessen!"
Sagte ich dir nicht heute morgen", antwortete Duncan, indem er dieHand auf Chu-meos Schulter legte, da immer alles gut ist, wenn wirauf den lebendigen Gott vertrauen?"
Dieses Erlebnis, das Rudland spter in Hangchow berichtete, ermu-tigte die Missionare und eingeborenen Christen sehr. Auch dort war derHerr an der Arbeit, und die notvollen Sommertage wichen Freudentagender Erntezeit. Bei den hohen Anforderungen an Hudson Taylor kam erselbst kaum dazu, viel mitzuarbeiten. Sein alter Freund Wang Lae-djn,der erfahrene Arbeiter im Reiche Gottes, bot ihm seine Hilfe an. Bisherhatte er im Dienste einer anderen Mission gestanden. Aber als er frei war,wollte er mit den Missionaren zusammenarbeiten, denen er seine Rettungverdankte.
Die kleine Gemeinde, die mit neunzehn Mitgliedern im Juli gegrndetworden war, wuchs nun schnell unter der Aufsicht ihres eingeborenenHirten. Hudson Taylor blieb in enger Verbindung mit ihnen, predigtesonntags, sooft er konnte, und bemhte sich, in den Christen den Missions-geist zu entfachen. Von dieser Arbeit, die er besonders liebte, berichteteer seiner Mutter:
Als ich zum Nachmittagsgottesdienst kam, sah ich ein Bild, das dieHerzen unserer Freunde in der Heimat mit Freude erfllt htte. UnserHof vor dem Hauptgebude ist gro, aber er war bervoll von einerstillen, aufmerksamen Hrerschaft. Hundertsechzig Personen saen da.Lae-djn taufte drei Mnner und drei Frauen. Auch der Gottesdienstwurde im Freien gehalten, weil dort mehr Raum war als in der Kapelle."
In diesen Tagen erkannten Hudson Taylor und Maria die Notwendig-keit einer Frauenarbeit. Die neue Methode, in chinesischer Kleidung Haus-besuche zu machen und sich ganz der Landessitte anzupassen, wurde durchgute Resultate besttigt.
Ich glaube, Ihr wrdet Euch freuen, wenn Ihr sehen knntet, wie dieLeute uns lieben und uns vertrauen", schrieb Miss Faulding in diesemHerbst. Es freut sie, da wir ihnen in ueren Dingen gleichen wollen.Sie sagen uns immer wieder, wie stolz sie darauf sind, da wir sogar ihreSchuhe und Haartracht tragen. Wir brauchen uns gar keine Mhe zugeben, um an sie heranzukommen. Im Gegenteil, sie bitten uns jeden Tag,in ihre Huser zu kommen und ihnen von unserer Religion zu erzhlen."
Reiche und Arme freuten sich, wenn Miss Faulding sie aufsuchte.Damen aus Mandarinfamilien, sogar ein buddhistisches Nonnenklosterschickten nach ihr. Aber wie in urchristlichen Tagen beachtete das ge-meine Volk" die Botschaft am meisten.
Ich bin jetzt schon zu jedem der zehn Stadttore hinausgewandert", schrieb sienach fnfzehn Monaten aus Hangchow, und bin in allen Stadtteilen bekannt; aberes ist mir unmglich, alle erbetenen Besuche zu machen. Fuh Kuniang, mein chinesischerName, mte sich verdoppeln und verdreifachen, oder man mte den Tag verlngernknnen. Ich bin sehr froh, da ich mit den Leuten im hiesigen Dialekt sprechen kann.Das haben sie gern. Ich glaube, es bringt ihnen die Wahrheit nher, als es dasflieendste Ningpo vermchte.
Krzlich setzte ich mich neben ein Landmdchen und sagte, indem ich meine Handauf die ihre legte:
,Wenn du glcklich sein willst, mut du Gott dienen. Dein Reis ist die Gabe desHimmels. Nicht wahr, der Himmel schafft und erhlt das Leben? (Das waren zweiZitate bekannter chinesischer Sprichwrter.) Ich mchte dir von dem wahren Glckerzhlen, das der Herr des Himmels dir geben will, wenn du Ihm dienst.'
Ehe ich weitersprechen konnte, stand sie auf, stellte sich in die Tr der Htteund verneigte sich drei- oder viermal zur Verehrung des Himmels. So drckte sieschlicht und deutlich ihre Sehnsucht nach Glck aus. Dann setzte sie sich wieder nebenmich und lauschte aufmerksam, whrend ich ihr von Gott, Himmel, Hlle und derwunderbaren Erlsung erzhlte.
Als ich nach Hause ging, regnete es. Doch bei aller Unannehmlichkeit des Wegeswar mir durch dieses Gesprch und die Besuche froh zumute, da ich dachte: Knnten
doch viele die Freude dieser Arbeit mit uns teilen und mit hinausgehen, um das Evan-gelium in jedes chinesische Heim zu tragen!"
Solche Arbeit trug ihre Frucht, und den Besuchen war es besonders zuverdanken, da immer neue Gesichter in der Kapelle in Hangchow auf-tauchten.
Ich wollte, Ihr httet neulich dabei sein knnen", fhrt Miss Faulding eine Wochespter fort, als ich einige Strohhtten zwischen den Ruinen aufsuchte. Die Leute hattenmich meist schon gesehen oder von mir gehrt. Sie begrten mich herzlich und ent-schuldigten sich wegen ihrer elenden Wohnungen (sie sind wirklich schlimm). Wegenmeiner Kleidung wurde ich auch hier sehr gelobt. Ich sagte ihnen:
,Ich bin gekommen, um eine Hangchow-Frau zu werden. Ich esse euren Reis, ichtrage eure Kleider, ich spreche eure Sprache und wnsche euer Glck. Ihr seht, wirsind Schwestern.'
Das gefiel der Frau, mit der ich sprach.
,Ach', sagte sie, ,du nennst mich deine Schwester? Das ist gut. Dann darf ich dichmeine groe Schwester nennen!',Aber du bist doch lter als ich!'
Ja', antwortete sie und nahm meine Hand in die ihrige, ,aber du bist gekommen,um uns zu unterrichten, darum bist du meine groe Schwester.'
Es schien, als ob dieser kleine Liebesbeweis neue Quellen in ihr geffnet htte, dennsie legte ihren Arm um meinen Hals, als ich gehen wollte und sagte: ,Ich werde amSonntag kommen! Ich werde am Sonntag kommen!' "
Und sie kamen alle, Mnner, Frauen und Kinder, zur Schule, in dieNhklasse, in die Apotheke, zu den ffentlichen Versammlungen undnatrlich zur Sonntagspredigt. Die rztliche Arbeit hatte schon vieleherbeigelockt, aber dies war ganz neu fr China. Hudson Taylor wardavon tief beeindruckt. Er schrieb darber im Herbst:
Die strkste Macht, die uns anvertraut ist, liegt darin, da sich dieMissionarinnen denen gleichstellen, denen sie dienen wollen. Ihr Ver-trauen und ihre Liebe zu gewinnen, ist der Zweck dieser Arbeit. Das istpraktische Beeinflussung der Bevlkerung. Ich neige stark dazu, darinunser wirksamstes Arbeitsmittel zu sehen."
Weitere Erfahrungen bestrkten diesen Eindruck. Und doch hatteunter allen Neuerungen der Mission gerade diese mit dem hrtestenWiderstand zu kmpfen. Fr viele war allein die Anwesenheit unver-heirateter Missionarinnen im Inland Grund genug, die gesamte Arbeitzu verurteilen. Ja, es wurden Bestrebungen eingeleitet, ihre Rckberufungan die Kste zu erreichen. In Briefen in die Heimat wurde mit Nachdruckbehauptet, da die Entsendung von Missionarinnen auf Inlandstationeneine Vergeudung von Leben und Krften bedeute, weil jede Mglichkeitzur Arbeit fehle. Solche Berichte trafen Mrs. Taylor am strksten. Sieschrieb deshalb an Mrs. Berger:
O wie kann jemand, der von Jesu Liebe wei, diese unglcklichen, im Finsterntastenden Scharen von Heiden sehen und irgend etwas, was zu ihrer Bekehrung bei-trgt, Verschwendung nennen! Wenn wir die rechten Menschen und gengend Unter-kunftsmglichkeiten htten, bin ich gewi, da zwanzig Missionarinnen morgen inHangchow Arbeit fnden. Ich knnte bestimmt noch zehn wie Miss Faulding und
Miss Bowyes gebrauchen! Mge der Herr sie so schlicht und aufrichtig erhalten, wiesie es jetzt sind!
Die grte Schwierigkeit fr Frauenarbeit ist bis jetzt die Unterkunftsfrage. WenigeEheleute sind bereit, ihre geschlossene Huslichkeit und ihr enges Familienleben aufzu-geben, um verhltnismig Fremde aufzunehmen. Ich wundere mich auch nicht darberund kann es nicht einmal tadeln. Mein Mann und ich haben schon die Mglichkeiterwogen, die unverheirateten Missionarinnen in einem besonderen Hause unterzu-bringen, und vielleicht kommt es schlielich dazu... Der Herr wird uns das Rechtezeigen. Es ist Seine Arbeit, und Er kann und wird Mitarbeiter geben. Die Behauptungvon Mr. X, es gbe kaum Arbeitsmglichkeiten fr Frauen, weckt in mir die Hoff-nung und das Gebet, da Gott das Gegenteil beweisen mge, indem Er einen be-sonderen Segen zu der Arbeit Seiner schwachen Werkzeuge gibt."
So zeigte sich inmitten der schweren Probleme schon ein Stck derspteren Entwicklung. Inzwischen arbeitete Gott an ihnen selbst undbereitete einzelne fr die besondere Arbeit vor, die auf sie wartete. Wiewenig ahnte damals zum Beispiel Rudland, fr welche Ttigkeit er zu-bereitet wurde! Von der ganzen Schar in Hangchow hatte er, wenigstensin seinen eigenen Augen, die geringste Aussicht, in China viel zu erreichen.Er beherrschte vor allem die Sprache nicht. Je mehr er sich damit abmhte,desto heftiger litt er an Kopfschmerzen. Schlielich verlor er den Mutvllig. Doch Hudson Taylor machte als Fhrer ebenso groe Fortschrittewie seine Mitarbeiter auf andern Gebieten.
Ich wnschte, Sie htten etwas Zeit, mir zu helfen", sagte er einesTages zu Rudland, nachdem er viel ber diese Schwierigkeit nachgedachtund gebetet hatte.
Wie gern mchte ich Ihnen helfen, aber ich kann doch nicht", ent-gegnete der junge Mann.
Ich bin in Verlegenheit wegen der Druckerei. Die Handwerker leistenzu wenig, wenn sie sich selbst berlassen sind. Ich habe aber keine Zeit,sie zu berwachen. Sie selbst haben so viel Geschick bewiesen, als Sie diePresse zusammensetzten."
Vergebens beteuerte Rudland, er verstnde nichts vom Drucken.
Wenn Sie nur hineingehen und gleich von vorn anfangen wrden",sagte Hudson Taylor, die Leute werden Ihnen mit Vergngen zeigen,wie die Typen gesetzt werden usw. Schon Ihre bloe Gegenwart wird siezur Arbeit anspornen."
So vertauschte Rudland seine Bcher mit der frhlichen Ttigkeit inder Druckerei. Die Arbeiter freuten sich, ihn bei sich zu haben, und warenstolz darauf, ihr Knnen zu zeigen. Und whrend er stundenlang ihrenGesprchen lauschte, prgten sich Worte und Stze seinem Ohr ein, bevorer ihre englische Bedeutung entdeckte. Seine ganze freie Zeit verwendeteer dazu, um mit Hilfe eines Wrterbuches festzustellen, was er gelernthatte. Die Kopfschmerzen waren bald besiegt, und gleichzeitig hatte erden Weg zu seiner Lebensaufgabe gefunden. Er bersetzte spter beinahedie ganze Heilige Schrift und druckte sie in einem Dialekt, den Millionen
von Menschen sprachen. So konnte er ihnen das Wort Gottes zugnglichmachen.
Die Gabe Hudson Taylors, den richtigen Ausweg aus den Nten seinerMitarbeiter zu finden, machte ihn fr seinen Kreis besonders wertvoll.Sie entwickelte sich in dieser Zeit. Man merkte allmhlich, da er inschwierigen Lagen bald eine Lsung fand. Mutterwitz, Verstand undWeisheit halfen ihm dabei. Keiner von denen, die damals mit ihm inHangchow lebten, verga je, wie er einst spt in der Nacht heimkehrte,als die Stadttore lngst geschlossen waren. Ein Mitglied war ernstlicherkrankt, und in Hudson Taylors Abwesenheit war keine rztliche Hilfevorhanden. Deswegen hatte man ihm einen Boten nachgeschickt, und erhatte eine wichtige Reise abgebrochen um nun vor der verschlossenenStadt zu stehen. Es schien nichts anderes brigzubleiben, als die Nachtauf dem Flu zu verbringen, whrend drinnen vielleicht ein Leben aufdem Spiel stand.
Da kam ein Regierungsbeamter mit Depeschen hinter ihm her. Demwrde bestimmt das Tor geffnet werden. Nein, er sah, wie ein Korb berdie Mauer herabgelassen wurde, in dem der Bote heraufgezogen werdensollte. Es hatte keinen Zweck, um Mitbefrderung in dem schwankendenKorb zu bitten, aber Hudson Taylor erblickte ein Seil, das aus diesemheraushing. Im Nu hatte er es erfat und schwebte mit empor. Immerhinwaren Mut und Schlagfertigkeit notwendig, um den zornigen Wchternoben auf der Mauer zu begegnen.
Ich gab ihnen zweihundert gute Grnde", sagte Hudson Taylor sp-ter, als er zu Hause war, weshalb sie mich durchlassen mten."
Zweihundert? Wie hatten Sie dazu Zeit?"
Sie kamen aus meiner Geldtasche", lautete die lchelnde Antwort,da dauerte es gar nicht lange."
Unter allen Erweisen der gttlichen Gnade im Jahre 1867 demersten ganzen Jahr, das die Lammermuirgruppe in China zubrachte war keiner grer als die Antwort auf das Gebet, mit dem es begonnenhatte: Ach, da du mich segnetest und mein Gebiet mehrtest!" Die Zahlder Missionsstationen hatte sich in diesem Zeitraum verdoppelt.
Anfangs lagen die entferntesten Stationen vier Tagereisen auseinander.Am Jahresende war Duncan in Nanking auf gewhnlichen Reisewegenvierundzwanzig Tagereisen von Stott in Wenchow entfernt. Das Arbeits-feld war also betrchtlich ausgedehnt worden. Dies ist besonders bemer-kenswert, wenn man bedenkt, da auer in Hangchow nirgends evan-gelische Missionare neben denen der China-Inland-Mission im Inlandttig waren. Auch die Arbeit in Hangchow war eine sichtbare Gebets-erhrung.
Wieder wurde der letzte Tag des Jahres zum Fast- und Bettag fr dasgroe Land um sie her und fr ihre eigenen, inneren Nte bestimmt. Von
elf Uhr vormittags bis drei Uhr nachmittags dauerte eine der Versamm-lungen.
Wir empfanden keine Mdigkeit", schrieb Miss Blatchley, dennGottes Heiliger Geist erfllte uns zu erneuter Hingabe und wahrer Taufe.,Er soll euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen', steht ge-schrieben. Um zwanzig Uhr trafen wir uns wieder zum gemeinsamenGebet und fhlten, wie dieselbe Kraft sich noch in uns mehrte. Mr. Taylorlas den 90. Psalm. Wir blieben betend und singend beieinander, bis dasJahr zu Ende gegangen war. Um Mitternacht feierten wir das Abend-mahl. Eine heiligere Zeit habe ich nie zuvor erlebt."
Und solche innere Strkung tat not. Bei allem Erfolg vielleichtgerade, weil sie an einigen Orten Fu fassen konnten erhob sich ananderen Stellen heftiger Widerstand. Einige Wochen vorher hatte sichHudson Taylor in das Quartier des Gouverneurs tragen lassen, um dortpersnlich ber die Mihandlung der Gehilfen McCarthys zu berichten,die in Huchow verfolgt und beinahe zu Tode geprgelt worden waren.Sobald er selbst reisen konnte, hatte er sich dorthin begeben und whrendzwei Wochen geduldig und sorgfltig die Sache in Ordnung zu bringenversucht. Schlielich fand er doch, da sie als Auslnder sich zunchst freinige Zeit zurckziehen sollten. Kurz nach Anbruch des neuen Jahreswurde Williamson aus einer anderen wichtigen Stadt durch Angriffe aufalle, die ihm gnstig gesinnt waren, vertrieben. Diese Nachricht erreichteHudson Taylor bei einem Besuch der lteren Stationen. Williamson er-zhlte, da ein unglcklicher Vermittler auf Befehl des Mandarins drei-tausend Schlge erhalten habe.
Ich besuchte den armen Menschen im Gefngnis", schrieb er. SeinRcken und seine Beine waren dick geschwollen und blutunterlaufen. Erwar zusammen mit einer Anzahl von Verbrechern, die wie wilde Tierein ihrem Kfig wirkten, in. einem Loch eingesperrt. Das Wetter war sehrkalt, und es schien, da der rmste die grausame Mihandlung nichtberleben wrde ... Am nchsten Morgen holten sie den Hauswirt zumYamen. Mutter und Frau des Gefangenen drohten mit Selbstmord undgaben uns die Schuld an allem Unheil, das ber sie hereingebrochen war.Um weitere Grausamkeiten gegen diese armen Leute zu verhten, ver-lieen wir am gleichen Tag das Haus ... und kehrten nach Hangchowzurck."
So erwies sich die Pionierarbeit doch schwerer, als sie erwartet hatten.Aber noch mehr denn je erfllte die Not der heilandslosen Scharen Hud-son Taylors Herz. Er schrieb an Mr. Berger:
Zu Hause gibt es doch sicher Diener unseres Herrn, die mig herum-stehen oder eine Arbeit tun, die andere ebensogut verrichten knnten.Sie sollten herauskommen in diese zahllosen Drfer und Stdte!"
Die ganze Mission htte freilich sehr leicht in der Arbeit innerhalbdieser einen Kstenprovinz aufgehen knnen, obwohl sie eine der klein-
sten Provinzen Chinas war. Aber Gott verschlo ihnen eine Tr nach derandern. Aufstnde, Strungen, Krankheiten und andere Nte hielten dieEntwicklung der Arbeit in dieser Richtung auf, und ganz allmhlichwurde Hudson Taylor nordwrts gelenkt.
Wenn Sie nicht darber lcheln wollen, da ich in unserem Wohn-zimmer Plne ausarbeite", hatte Mr. Berger in einem Brief geschrieben,so will ich Ihnen meine Gedanken ber Ihre weiteren Schritte sagen.Ich glaube, Sie werden eines Tages Ihr Hauptquartier nach irgendeinergnstig gelegenen greren Stadt nahe am Yangtse verlegen, vielleichtin erreichbarer Nhe von Hangchow. Auf diese Weise wrden Sie, meineich, leicht mit einem Konsul in Verbindung treten knnen und die Mg-lichkeit haben, nach Schanghai wie auch fluaufwrts reisen zu knnen,so da Ihnen viele Provinzen offenstnden. Der Herr leite Sie in allenDingen! Es steht geschrieben: ,Wer glaubt, bereilt nicht/"
Es bedeutete keine Kleinigkeit, nach sechzehn Monaten Aufenthalt inHangchow den Gedanken zu fassen, die Arbeit aufzugeben und inirgendeiner gnstig gelegenen greren Stadt nahe am Yangtse" wiederganz neu anzufangen. Fnfzig Getaufte bildeten unter Pastor WangsObhut die kleine Gemeinde. Dazu zhlten sich viele Taufbewerber. Mr.und Mrs. McCarthy und Miss Faulding konnten die Station bernehmenund neue Arbeiter empfangen und anleiten. Duncan in Nanking brauchtedringend Hilfe. Mrs. Taylor war bereit, dorthin zu gehen, oder wohines die Arbeit sonst verlangte. Es blieb noch viel zu berlegen bis zumFrhling, und in den mittglichen Gebetsversammlungen wurde ernstlichum die Erkenntnis des Weges Gottes gerungen.
Zwei neue Mitarbeiter, Mr. und Mrs. Judd, empfingen einen tiefenEindruck davon.
Es war wirklich ein Mauerbauen in kriegerischer Zeit. Man wutenie, was die abwesenden Freunde gerade durchmachten. Kaum eine Sta-tion wurde erffnet, ohne da ein Aufstand folgte. Die Mittagsversamm-lungen waren feierliche Stunden; oft zogen sie sich hin, weil fr so vielesgebetet werden mute. Wir spren ihre Wirkung heute noch."
Das Ehepaar Cordon war von Soochow herbergekommen, um Tay-lors Rat ber die dortige Weiterarbeit einzuholen. Duncan und seine Frauwaren von Nanking aus unterwegs zu einer Sonderkonferenz. Mancherandere kam noch in diesen Tagen wegen wichtiger Angelegenheiten.Nebenbei waren zahlreiche Korrekturen zu lesen. Mrs. Judd, die ernst-lich erkrankt war, brauchte Hudson Taylors rztlichen Beistand. Soschien kaum Zeit fr eine Krise des Innenlebens. Und doch, inmittenaller an ihn gestellten ueren Anforderungen hrte Hudson Taylorimmer wieder die unstillbare innere Forderung ja, sie wurde in glei-chem Mae dringender, wie er andern aus ihrer Not helfen mute. Mittenaus dem lebhaften Getriebe in Chinkiang heraus war Hudson Taylornach Nanking zu seiner Patientin gefahren. Nun kehrte er allein zurck.
Er sa in einem kleinen Boot, das er mehr der Schnelligkeit als der Be-quemlichkeit wegen gewhlt hatte. Es war noch frh am Morgen, und erwollte mglichst schon zum Frhstck in Chinkiang sein. Whrend er dengroen Kanal herabfuhr und den Yangtse, der hier drei Kilometer breitist, kreuzte, fand er Ruhe zum Nachdenken und zum Gebet. Wenn ernicht selbst darber berichtet htte, erschiene es fast unglaublich, welchesMa von Kampf, Not, ja beinahe Verzweiflung dieser Mann, der dochschon so lange den Herrn kannte, durchkosten mute. Aber hing nichtbeides eng zusammen? Die Gemeinschaft mit Christus war fr ihn etwasso Wichtiges und Segensreiches gewesen, da jede Entfremdung unertrg-lich war. Er liebte Ihn so sehr, da er jeden Schatten zwischen sich unddem Meister als Seelenqual empfand. Die Braut trauert, wenn der Bru-tigam abwesend ist, nicht die andern, die seine Liebe nicht kennen.
Nach seiner Ankunft in dem kleinen, mit Menschen berfllten Heimin Chinkiang suchte Hudson Taylor, sobald er konnte, sein Arbeitszim-mer auf, um die Post durchzusehen. Darunter befand sich ein Brief Mr.McCarthys und ein anderer von Miss Faulding, der im gleichen Ton ge-halten war. Es ist nicht bekannt, ob er beim Durchlesen allein war undwie sich das Wunder in ihm vollzog. Doch whrend ich las, wurde mirsofort alles klar. Ich blickte auf Jesus und in dem Auf-Ihn-Blicken ber-strmte mich vollkommene Freude."
Am 4. September war das Haus mit Gsten berfllt, und noch immerkamen neue dazu, die irgendwie untergebracht werden muten, weil siebis Sonntag bleiben wollten. Es sollten alle Mitarbeiter teilhaben an Hud-son Taylors Freude.
So versammelten sich denn alle Hausgenossen im Wohnzimmer. Dorterzhlte ihnen Hudson Taylor, was von dieser Zeit an bis zu seinemEnde das Zeugnis seines Lebens bleiben sollte. Viele Herzen wurden dabeibewegt und gesegnet. Es begannen Strme des Lebens zu flieen. Sieergossen sich aus dem engen Heim in Chinkiang und flieen heute noch.Nach dem Wort Jesu sind es Strme lebendigen Wassers. Dazu sagt Er:Wer da trinken wird von dem Wasser, das ich ihm gebe, wird ewiglichnicht drsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird inihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt"(Joh.4,14).
In Miss Blatchleys Tagebuch findet sich am 4. September folgendeEintragung: Mr. Taylor zurck (in Chinkiang) zur Frhstcksstunde.Er hatte Duncans getroffen, die mit ihm zurckkehrten. Bald daraufkamen Cordons an ... Alle sollen ber Sonntag bleiben zu einer Gebets-versammlung mit dem Thema Heiligung*. McCarthys Brief darber, denMr. Taylor hier vorfand, wurde von Gott benutzt, ihn zu segnen. Jetzthat auch er die Ruhe der Seele gefunden, die Jesus mir vor kurzem ge-schenkt hat. McCarthy und Jennie Faulding scheinen sie auch erlebt zuhaben wie Miss Dsgraz schon vor unserer Rckkehr aus dem Sden. Auch
Rudlands, Cordons, Duncans, Judds und Miss Bowyer haben sich mitdieser Frage wie wir Heiligkeit des Herzens und des Lebens erreichen innerlich viel beschftigt."
Und Taylor redete nicht blo davon. Trotz der vielen geschftlichenAngelegenheiten fand sich auch in seinen Briefen ein neuer Ton. Mittenzwischen den Auftrgen, die er fr Yangchow gab, woher Bcher undMedizinvorrte geholt werden sollten, nahm er sich Zeit zu einigen Blei-stiftzeilen, um von dem vlligeren Leben" zu schreiben, von dessenFreude er durchflutet wurde. Die Schriftzge zeigen die Eile, in der ersich befand, aber der Inhalt atmet tiefe Ruhe.
Chinkiang, den 6. September 1869: Meine liebe Schwester! Gestern verlebten wirhier einen sehr glcklichen Tag. Ich war so glcklich! Ein Brief Mr. McCarthys ber diebewute Frage ist fr mehrere von uns zum Segen geworden. Auch er und Miss Faul-ding scheinen sehr glcklich zu sein. Er schreibt: ,Mir ist, als sei das Morgenlicht einesherrlichen Tages fr mich aufgegangen. Ich gre es zitternd, jedoch voll Vertrauen.'Besonders folgendes sagte mir viel: ,Wie kann also unser Glaube zunehmen? Nurdadurch, da wir an alles denken, was Jesus ist und was Er fr uns ist: Sein Leben,Sein Tod, Sein Werk, Er selbst, wie Er sich uns im Wort offenbart, mu der Gegen-stand unseres Denkens sein. Wir mssen uns nicht bemhen, Glauben zu haben oderunsern Glauben zu mehren, sondern von uns wegsehen auf den Getreuen. Das ist alles,was wir ntig haben.'
Hier liegt das Geheimnis, das fhle ich! Nicht danach fragen, wie ich den Saft ausdem Weinstock in mich bekomme, sondern daran denken, da Jesus der Weinstock istmitsamt seiner Wurzel, dem Stamm, den sten, den Zweigen, Blttern, Blten undFrchten. Und noch vieles andere: Er ist der Boden, der Sonnenschein, die Luft, derRegen mehr, als wir erbitten, erdenken, wnschen. Darum wollen wir nicht mehrdaran denken, etwas von Ihm zu bekommen, sondern uns dessen freuen, da wirselbst in Ihm sind, eins mit Ihm und also auch mit aller Seiner Flle. Wir wollen nichtnach mehr Glauben streben, um Heiligkeit zu gewinnen, sondern uns der Tatsache dervollkommenen Heiligkeit in Christus freuen. Wir wollen uns klar darber werden,da wir diese Heiligkeit besitzen, wenn wir mit Ihm verbunden sind. Nehmen wirdiese Tatsache hin, dann werden wir sie auch erkennen lernen. Aber ich mu hierabbrechen."
Als Hudson Taylor nach Yangchow zurckkehrte, um nach seinerPatientin zu sehen, brachte er ihr seine frohe Botschaft.
Als ich ihn begrte", erzhlte Mr. Judd, war er so voller Freude,da er kaum wute, wie er beginnen sollte. Er grte uns kaum, sondernrief aus, indem er mit auf dem Rcken gekreuzten Hnden im Zimmerauf und ab ging: ,0 Mr. Judd, Gott hat einen neuen Menschen aus mirgemacht!1"
Jenes mitternchtliche Gesprch zeigte dem jungen Missionar die Ver-nderung deutlich, die ber seinen geliebten Leiter gekommen war. Esblieb ihm unvergelich. Auch er hatte diese Fragen bis jetzt nur mit demVerstnde erwogen, ohne innerlich von ihnen erfat zu sein. Unauslsch-lich prgten sich einige Stze in sein Gedchtnis ein:
Ich brauche midi nicht selbst zur Rebe zu machen", hatte HudsonTaylor gesagt, Jesus sagt mir, da ich eine Rebe bin. Ich bin ein Teil
von Ihm und brauche das nur zu glauben und danach zu handeln. Wennich zur Bank in Schanghai komme und von meinem Guthaben, das dortfr mich aufbewahrt ist, fnfzig Dollar fordere, kann der Beamte siemeiner ausgestreckten Hand nicht verweigern mit der Begrndung, dasGeld gehre Mr. Taylor. Was Taylor gehrt, darf meine Hand nehmen.Sie ist ein Glied meines Krpers. Gleicherweise bin ich ein Glied Christiund darf aus Seiner Flle nehmen, was ich brauche. Ich wei das schonlange aus der Bibel, doch erst jetzt glaube ich es als lebendige Wirklich-keit."
So einfach der neue Gesichtspunkt war, er vernderte alles.
Jetzt war er ein frhlicher Mensch", fgte Mr. Judd hinzu, einstrahlend glcklicher Christ. Vorher war er ein beladener, schwer arbeiten-der gewesen, der besonders in letzter Zeit wenig innere Ruhe besessenhatte. Nun ruhte er in Jesus und lie Jesus wirken. Das war etwas soganz anderes. Sprach er knftig in Versammlungen, dann schien eine neueKraft von ihm auszugehen, und in den Dingen des tglichen Lebens warer voll inneren Friedens. Die Schwierigkeiten beunruhigten ihn nichtmehr wie frher. Er warf wie nie zuvor alle seine Sorgen auf Gott undwidmete dem Gebet mehr Zeit. Anstatt bis tief in die Nacht zu arbeiten,ging er jetzt frher zu Bett und stand dafr um fnf Uhr morgens auf,um vor der Tagesarbeit zwei Stunden fr das Gebet und Bibelstudiumzu haben. So strkte er seine eigene Seele, und von ihm gingen Segens-strme auf andere Menschen aus."
Sechs Wochen nach diesen Erlebnissen, als Hudson Taylor die blei-bende Flle des neuen Lebens schon erprobt hatte, erhielt er einen Briefaus England, der sein Herz besonders tief bewegte. Er kam von seinerSchwester, mit der er lange in lebhaftem Briefwechsel gestanden hatte.Mrs. Broomhall, die eine heranwachsende Kinderschar zu betreuen hatte,stand wie ihr Bruder unter dem Druck uerer Verantwortung undinnerer Konflikte. Ein tiefes Verlangen, ihr zu helfen, trieb HudsonTaylor zu seinem Antwortbrief. Er schrieb ihr von seiner eigenen Her-zensnot und Erlsung. Der Brief ist so wertvoll, da er ausfhrlich wie-dergegeben werden mu, sogar auf die Gefahr hin, bereits Gesagtes zuwiederholen.
17. Oktober 1869: Meine liebe Schwester! Vielen Dank fr Deinen langen, liebenBrief! ... Ich glaube nicht, da Du mir je einen solchen Brief geschrieben hast, seit-dem wir in China sind. Ich wei, es geht Dir wie mir Du kommst nicht zumSchreiben, obwohl Du gern mchtest. Leib und Geist knnen nur bis zu einer bestimm-ten Grenze arbeiten, nur einen bestimmten Grad der Spannung ertragen. Die Arbeitwar mir noch nie so reichlich zugemessen und nie so verantwortungsvoll und schwierig.Aber Last und Spannung sind weg. Der vergangene Monat war vielleicht der glck-lichste meines Lebens, und ich mchte Dir gern erzhlen, was der Herr an meiner Seelegetan hat. Ich wei allerdings nicht, ob es mir ganz gelingen wird, weil es eigentlichnichts Neues, Fremdes oder Wunderbares ist und dennoch ist alles neu. Mit einemWort: ,Ich war blind und bin nun sehend.' Vielleicht mu ich etwas zurckgreifen,um mich besser verstndlich zu machen. Mein Liebes, whrend der letzten sechs oder
acht Monate war meine Seele sehr bedrckt, weil mir das Bedrfnis nach mehr Heili-gung, Leben und Kraft sowohl meiner eigenen Seele, als auch der ganzen Missionbewut war. Ich fhlte die Undankbarkeit, die Snde, die Gefahr eines Lebens, dasnicht enger mit Gott verbunden war. Ich betete, qulte mich ab, fastete und mhte mich,fate Vorstze, las die Schrift fleiiger, suchte mehr Zeit zu innerer Sammlung dochalles ohne Erfolg. Tglich, beinahe stndlich bedrckte mich das Bewutsein der Snde.Ich wute, da alles in Ordnung sein wrde, wenn ich nur in Christus bleiben knnte aber ich konnte nicht. Ich begann den Tag mit Gebet, entschlossen, Jesus keinen Augen-blick aus den Augen zu verlieren. Aber die Pflichten mit ihren Anforderungen, be-stndige Unterbrechungen, die ja so ermden, lieen mich Ihn oft vergessen. Auerdemgreift das Klima meine Nerven so an, da man schwer der Versuchung widerstehenkann, gelegentlich gereizt zu werden, was leicht zu bsen Gedanken und unfreundlichenWorten fhrt. Jeder Tag brachte ein Register an Snden, Versagen und Kraftlosigkeit.Das Wollen war bei mir wirklich vorhanden, aber das Vollbringen war mir unmglich.
Dann kam die Frage: ,Gibt es dafr keine Rettung? Mu es bis an mein Ende sobleiben bestndiger Kampf und anstatt des Sieges oft Niederlagen? Wie konnte ichverkndigen, da Jesus denen, die Ihn aufnehmen, Macht gibt, ,Gottes Kinder zuwerden', d. h. gttlich zu werden, wenn meine eigene Erfahrung nicht damit berein-stimmte? Statt an Kraft zuzunehmen, schien ich immer schwcher zu werden undweniger gegen die Snde auszurichten. So war es nicht verwunderlich, da der Glaubeund sogar die Hoffnung schwanden. Ich hate mich, hate meine Snde und gewanndoch keine Macht ber sie. Ich fhlte mich als Kind Gottes, denn trotz allem schrieSein Geist in meinem Herzen das ,Abba, lieber Vater!' Aber ich war auerstande,meine Vorrechte als Kind zu gebrauchen. Ich war absolut kraftlos. Ich dachte, Hei-ligung, praktische Heiligung sei durch fortwhrenden Gebrauch der Gnadenmittel zuerreichen. Ich fhlte, da ich mich nach nichts in der Welt so sehnte und da ichnichts so dringend brauchte. Aber weit davon entfernt, sie auch nur teilweise zu er-reichen, entwich sie mir, je mehr ich danach strebte und darum kmpfte. Schlielichhatte ich kaum noch Hoffnung, sie zu gewinnen, und dachte schon, Gott wolle uns dieHeiligung hier auf Erden vorenthalten, damit es dann im Himmel um so schnerwre. Ich glaube nicht, da ich in eigener Kraft danach strebte, kannte ich doch meineKraftlosigkeit. Das sagte ich auch meinem Herrn und bat Ihn um Hilfe und Kraft.Manchmal glaubte ich fast, Er wolle mich bewahren und tragen. Aber wenn ich abendszurckschaute o da hatte ich vor Gott nur Snde und Versagen zu bekennen undzu beklagen!
Ich mchte nicht den Eindruck erwecken, als ob das die tgliche Erfahrung dieserlangen, schweren Monate gewesen wre. Doch in diesem Zustand befand sich meineSeele nur zu oft und in zunehmendem Mae, so da ich gnzlich in Verzweiflunggeriet. Und doch schien mir Christus nie teurer gewesen zu sein ein Erlser, der einenSnder wie mich retten konnte und wollte... Manchmal gab es auch Zeiten des Frie-dens, sogar der Freude im Herrn. Aber sie verflogen so schnell, und was blieb, wartraurige Kraftlosigkeit. O wie gut war doch der Herr, da Er diesem Konflikt einEnde bereitete!
Whrend der ganzen Zeit war ich mir darber klar, da in Christus alles zu habenwar, was mir fehlte. Aber wie sollte ich es von Ihm bekommen, das war die praktischeFrage. Er war reich, wahrhaftig reich, ich aber arm. Er war stark, ich aber schwach.Ich wute wohl, da in der Wurzel und im Stamm Lebenssaft im Uberflu vorhandenwar, aber wie ich ihn in meinen kleinen Zweig bekommen konnte, das war dieFrage. Als mir langsam das Licht aufging, erkannte ich, da der Glaube das einzigErforderliche ist, Seine Flle zu ergreifen, um sie sich anzueignen. Aber ich hatte diesenGlauben nicht! Ich kmpfte darum, gewann ihn aber nicht. Ich versuchte, ihn zu ben,aber umsonst. Je mehr ich den Reichtum der Gnade erkannte, der in Jesus verborgenliegt die Flle unseres herrlichen Erlsers , desto mehr schienen meine Hilf-
losigkeit und Schuld zuzunehmen. Die Snden, die ich beging, -waren klein und nichtig,gemessen an der Snde des Unglaubens, dem Grundbel, das Gott nicht bei SeinemWort nimmt und Ihn eher zum Lgner stempelt. Ich fhlte, da Unglaube die ver-dammlichste Snde der Welt ist und doch, ich beging sie. Ich betete um Glauben,aber er kam nicht. Was sollte ich tun?
Als mein Seelenkampf seinen Hhepunkt erreicht hatte, gebrauchte Gott einen Satzaus einem Brief meines lieben McCarthy, um die Schuppen von meinen Augen zunehmen. Der Geist Gottes offenbarte mir nun die Wahrheit unseres Einsseins mit Jesus,wie ich sie vorher nie erkannt hatte. McCarthy, der selbst unter demselben Versagengelitten hatte, aber vor mir Klarheit bekam, schrieb (ich zitiere aus dem Gedchtnis):Wie kann mein Glaube gestrkt werden? Nicht, indem ich um Glauben ringe,sondern indem ich in Jesus ruhe.'
Als ich das las, wurde mir alles klar. .Glauben wir nicht, so bleibt er doch treu!'Ich blickte auf Jesus und sah (und wie ich sah, o welche Freude!), da Er gesagt hatte:Jch will dich nimmermehr verlassen!' Ja, da ist Ruhe, dachte ich. Ich habe umsonstgekmpft, um in Ihm zu ruhen. Ich will nicht mehr kmpfen. Hat Er denn nicht ver-sprochen, bei mir zu bleiben und mich nie zu verlassen mich nie zu enttuschen?Und Liebes, Er wird es nie tun!
Aber das war nicht alles. Als ich auch an den Weinstock und die Reben dachte,welch ein Licht go der Heilige Geist in meine Seele! Wie gro war mein Irrtum ge-wesen, da ich den Saft, die Flle aus Ihm heraus bekommen wollte! Ich erkannte nichtnur, da Jesus mich nie verlassen will, sondern da ich ein Glied Seines Leibes, ,Fleischvon seinem Fleisch, Gebein von seinem Gebein' bin. Der Weinstock, das sehe ich nunklar, besteht nicht nur aus der Wurzel, sondern als Ganzes aus Wurzel, Stamm,sten, Zweigen, Blttern, Blten und Frchten. Und Jesus ist nicht nur das, sondernEr ist auch Boden, Sonnenschein, Luft, Regen und unendlich viel mehr, als wir jeertrumt, gewnscht oder ntig gehabt htten. O welche Freude, diese Wahrheit zuerkennen! Ich bete nur, da ,die Augen deines Verstndnisses erleuchtet werden', damitDu erkennst und erlebst, welche Reichtmer uns in Jesus frei geschenkt sind.
O meine liebe Schwester, es ist herrlich, wirklich eins sein zu drfen mit dem auf-erstandenen und erhhten Heiland, ein Glied Christi zu sein! Bedenke, was dasbedeutet! Kann Christus reich sein und ich arm? Kann Deine rechte Hand reich seinund Deine linke arm? Oder kann Dein Haupt gut genhrt sein, whrend Dein Leibhungert? Bedenke ferner, was das fr das Gebet bedeutet! Knnte ein Bankbeamterzu seinem Kunden sagen: ,Es war nur deine Hand, die den Scheck schrieb, nicht du'oder ,Ich kann diese Summe nicht deiner Hand, sondern nur dir selber auszahlen'?Ebensowenig knnen Deine oder meine Gebete zurckgewiesen werden, wenn sie inJesu Namen gebetet worden sind (d. h. nicht in unserem Namen oder nur um Jesuwillen, sondern auf Grund dessen, da wir Sein Eigentum, Seine Glieder sind), solangewir uns innerhalb der Grenzen Seines Kredits bewegt haben einer weiten Grenze!Wenn wir etwas erbitten, das nicht schriftgem ist, das nicht Gottes Willen ent-spricht, so knnte selbst Christus nicht danach handeln. Aber ,wenn wir etwas bittennach seinem Willen, so hrt er uns und... so wissen wir, da wir die Bitten haben,die wir von ihm erbeten haben.'
Das Schnste ist dazu die Ruhe, die das absolute Einssein mit Christus bringt. Ichsorge mich um nichts mehr, seit mir das klar ist. Denn Er, das wei ich, ist fhig,Seinen Willen auszufhren, und Sein Wille ist der meine. Es kommt nicht darauf an,wohin und in welche Umstnde Er mich sendet. Das berlasse ich Seinem Planen, muEr mir doch in der leichtesten Lage Seine Gnade schenken, und in der schwierigstenlasse ich mir an Seiner Gnade gengen. Es ist meinem Diener gleichgltig, ob er dasBilligste oder das Teuerste einkaufen soll. In beiden Fllen rechnet er mit meinem Geldund bringt mir das Gekaufte. Mu Gott mir nicht ganz klare Weisung geben, wenn Ermich in groe Verlegenheit bringt, auerdem viel Gnade in schwierigen Lagen und
viel Kraft unter erdrckenden Verhltnissen und Versuchungen? Keine Angst! SeineHilfsquellen sind jeder Not gewachsen, und sie gehren mir, denn Er gehrt mir, istbei mir und wohnt in mir. Das alles kommt aus dem Einssein des Glubigen mitChristus. Wie glcklich bin ich geworden, seit Jesus so durch den Glauben in meinemHerzen wohnt! Wenn ich Dir doch davon erzhlen knnte, anstatt nur darber zuschreiben...
Ich bin nicht besser als vorher (in gewissem Sinn mchte ich sogar sagen, ich wn-sche es nicht einmal und strebe nicht danach). Aber ich bin mit Christus.gestorben undbegraben ja, auch auferstanden und gen Himmel gefahren! Jetzt lebt Christus inmir, und ,was ich jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich in dem Glauben an den SohnGottes, der mich geliebt und sich selbst fr mich dargegeben hat'. Ich glaube jetzt, daich der Snde gestorben bin. Gott sieht mich so an und befiehlt mir, mich selbst so an-zusehen. Er wei es am besten. Alle meine Erfahrungen in der Vergangenheit mgengezeigt haben, da es nicht so war. Aber ich wage jetzt nicht mehr zu sagen, da esnicht so ist, weil Er selbst es sagt. Ich fhle und wei: Das Alte ist vergangen. Ichbin immer noch imstande zu sndigen, aber Christus ist gegenwrtig, wie es mir niezuvor bewut war. Er kann nicht sndigen, Er kann mich vor der Snde bewahren.Ich kann nicht sagen (leider mu ich das sagen), da ich seit dieser Erleuchtung nichtgesndigt habe; doch fhle ich, da ich es nicht mute. Weiter: Ich wandle mehr imLicht, darum empfindet mein Gewissen zarter. Ich sehe die Snde schneller ein, bekennesie und erhalte Vergebung, Friede und Freude (in aller Demut). Nur einmal erlebteich es anders. Da blieb ich mehrere Stunden unglcklich, aber dadurch erfuhr ichdeutlich, da ich meine Snde nicht vollstndig bekannt, sondern mich teilweise ge-rechtfertigt hatte.
Der Glaube, das sehe ich jetzt, ist die Wirklichkeit dessen, das man hofft(Hebr. 11, 1 nach engl. bersetzung), nicht ein bloer Schatten. Er ist nicht wenigerals Sehen, sondern mehr. Das Sehen erfat nur die uere Form der Dinge. Der Glaubeerfat ihre Wirklichkeit. Auf die Wirklichkeit kann man sich verlassen, von ihrkann man zehren. Wenn Christus durch den Glauben (d. h. dadurch, da wir SeinerVerheiung glauben) in unseren Herzen wohnt, so ist das wirklich Macht und Leben.Christus und die Snde knnen nicht zusammen wohnen. Wir knnen auch SeineGegenwart nicht zugleich mit Weltliebe und Sorgengeist besitzen.
Nun mu ich schlieen. Ich habe nicht einmal die Hlfte von dem gesagt, wasich sagen mchte. Wenn ich Zeit dazu htte, tte ich es noch genauer. Gott schenkeDir, da Du diese Wahrheit erfassen kannst! La uns nicht lnger sagen: ,Wer willhinaufsteigen zum Himmel (um Christus herabzuholen) ?' Wir brauchen Ihn nicht weitweg zu suchen, denn Gott hat uns doch eins mit Ihm gemacht als Glieder SeinesLeibes. brigens wollen wir nicht glauben, da diese Erkenntnis nur fr einzelnebestimmt ist. Im Gegenteil, sie ist das Geburtsrecht jedes Gotteskindes, und keins darfohne sie leben, wenn Gott recht geehrt werden soll. Die einzige Macht, die uns vonSnden befreit und fr den Dienst zubereitet, ist Christus."
JESUS GENGT18691871
Die Erfahrung des neuen Lebens, die Hudson Taylor und viele seinerMitarbeiter machten, erfllte Mrs. Taylor mit Freude, aber auch mitStaunen. Fr sie war das, was den andern als neue Offenbarung erschien,lngst der Grund ihres Sieges und Friedens. Ich ruhte einfach in Jesus",
wie sie es ausdrckte, und lie Ihn handeln." Das lebte sie aus underhielt dadurch eine Kraft fr die Mission, die ihr Mann oft beobachtethatte. Nun waren sie beide in neuer Weise eins und halfen einander nochbesser auf dem Weg des Glaubens.
Es ist natrlich, da solcher Segen durch vermehrte Schwierigkeitenerprobt werden mute. Fr Hudson Taylor und die Mission kam nuneine weitere leidvolle Zeit. In der Arbeit machten sich die feindlichenMchte strker denn je bemerkbar, und in der engsten Familie solltenTaylors groen Kummer erleben. Wren ihre Herzen nicht durch dieVorbereitungszeit gefestigt worden, htten sie die neuen Prfungen viel-leicht nicht berstanden.
Zuerst muten sie ihr glckliches Familienleben aufgeben. Taylorswagten nicht, die drei ltesten Kinder noch einen weiteren Sommer inChina zu lassen. Die zarte Gesundheit des fnfjhrigen Samuel erfordertees, da er mit den lteren Geschwistern nach England fuhr. Das bedeu-tete eine Trennung von vier Kindern. Nur das kleinste, das nach demAufstand in Yangchow geboren worden war, blieb als Trost zurck. Eswurde erwogen, ob nicht vielleicht die Mutter auch mit in die Heimatzurckkehren sollte. Doch als Miss Blatchley sich erbot, sie bei den Kindernzu vertreten, entschied sich Maria zum Bleiben in China. Die Trennungvon dieser Mitarbeiterin fiel Taylors beinahe ebenso schwer wie von einereigenen Tochter. Immer hatte sie innigsten Anteil an ihrem Familienlebengenommen. Sie liebte die Kinder aufrichtig, und darum waren die Elternbereit, auf ihre Hilfe als Sekretrin zu verzichten, wenn dadurch Mariain China bleiben konnte. Wie Hudson Taylor sich die Sache auch ber-legte, es blieb kein besserer Weg. So vertrauten sie ihre kleine Kinder-schar dem an, der viel weiser war als sie selbst.
Besonders schmerzlich war es fr die Eltern, weil der bevorstehendeAbschied sich ungnstig auf die Gesundheit Samuels auswirkte. Der Ge-danke an eine mgliche Heilung seines chronischen Leidens durch einelange Seereise trstete sie jedoch. Als Samuel sich etwas erholt hatte,brachen sie von Yangchow auf. Kaum aber lag die Stadt hinter ihnen,erlitt der Kleine einen schweren Rckfall. Die Eltern wachten auf demSchiff die Nacht hindurch an seinem Lager und taten, was nur irgendmglich war. Doch als der nchste Morgen anbrach, fiel der Kleine ineinen tiefen Schlaf und ging ohne Schmerzen und Angst hinber in diehimmlische Heimat.
Ehe der nahende Sturm hereinbrach, berquerten die Eltern den brei-ten Strom und betteten ihren geliebten, kleinen Jungen auf dem Friedhofvon Chinkiang. Von dort begleiteten sie die andern nach Schanghai.Einige Wochen spter brachten sie die Kinder an Bord eines franzsischenPostschiffes. Kurz vor der Abfahrt schrieb Hudson Taylor an Mr. Berger(22. Mrz 1870):
Ich habe sie zum letztenmal wach in China gesehen ... Um zwei
unserer Kleinen braudien wir uns nicht mehr zu sorgen. Sie ruhen in denArmen Jesu. Und nun, lieber Bruder, danke ich Gott, obwohl ich dieTrnen nicht zurckhalten kann, da Er einen solch Unwrdigen anSeinem Werk teilhaben lt. Ich werde es nie bereuen, da ich mich hin-eingestellt habe. Es ist Sein Werk, nicht meins und auch nicht das Ihrige.Dennoch haben wir teil daran, nicht weil wir darin arbeiten, sondernweil wir Sein Eigentum sind."
In der Politik stehen wir vor einer Krise", hatte Hudson Tayloreinige Wochen frher geschrieben. Wenn unsere Regierung ihre jetzige,fast htte ich gesagt, wahnsinnige Politik fortsetzt, mu es Krieg geben.Inzwischen wird unsere Lage immer verwickelter. Sie knnen sich dortkaum vorstellen, wie unser Weg oft nach allen Seiten verstellt erscheint."
Und trotzdem, inmitten aller Hindernisse und ihrer unbeschreiblichenSehnsucht nach den Kindern, hatten sie Frieden und Freude in Gott wienie zuvor.
Uber die Gnade Gottes mu ich oft staunen, die in der Lage ist, diezrtlichste Mutter aufrechtzuerhalten und zu trsten", schrieb HudsonTaylor spter in der Erinnerung an diese Zeit. Das Geheimnis lag darin,da Jesus gengte."
Mrs. Taylor war der Mission in diesem Sommer eine besondere Sttzein den Strmen, die das Werk bedrohten. Damals waren viele Mitarbeiterkrank. Taylors befanden sich noch auf der Rckreise nach Chinkiang, alsdie Nachricht einer neuen schweren Erkrankung einer ihrer Missionarin-nen, Mrs. Judd, sie erreichte. Mr. Judd, der sie Tag und Nacht gepflegthatte, war vllig erschpft. Da hrte er mitten in der Nacht unten imHofe Lrm wie von ankommenden Reisenden. Ein Schubkarren wurdehereingerollt. Er traute seinen Augen nicht, denn er erblickte Mrs. Taylor,die er so sehnlich herbeigewnscht hatte. Er whnte sie noch weit weg,aber Hudson Taylor hatte eingewilligt, da sie vorauseilte, um so schnellwie mglich einzuspringen. Er selbst konnte das Boot, in dem er einenweiteren Patienten zu versorgen hatte, nicht verlassen.
Damals war sie selbst leidend und von der anstrengenden Reise er-schpft", schrieb Judd spter, aber sie bestand darauf, da ich zu Bettging und sie die Pflege bernhme. Nichts konnte sie bewegen, sich erstauszuruhen."
Nein", sagte sie, Sie haben jetzt genug zu tragen, da brauchen Sienicht auch noch aufzubleiben. Gehen Sie zu Bett; ich bleibe doch bei ihrerFrau, ob Sie gehorchen oder nicht."
Nur das Gebet brachte die Kranke durch, und auch nur das Gebetrettete sie in den groen Gefahren des kommenden Sommers.
Wir haben zwar auch frher schon Schweres durchgemacht", schrieb HudsonTaylor an die Freunde der Mission, aber jetzt erschttert auf fast allen Stationenzut gleidien Zeit eine weitverbreitete Erregung die chinesische Gemeinde. Es istunmglich, die Aufregung und das Entsetzen der Chinesen zu beschreiben, als
zuerst der Verdacht auftauchte, da einheimische Magier sie verzauberten, und nochschlimmer wurde ihre Wut, als man ihnen sagte, diese heimtckischen Feinde stndenim Dienst der Auslnder. Es ist bekannt, da sie in Tientsin die katholischen Barm-herzigen Schwestern und Priester und sogar den franzsischen Konsul auf barbarischeWeise ermordeten. Was hielt sie eigentlich im Inland, wo unsere Brder allein, fernvon jedem menschlichen Schutz lebten, von hnlichem zurck? Es war einzig diegewaltige Hand Gottes als Antwort auf unser anhaltendes, gemeinsames Gebet imNamen Jesu. Und dieselbe Hand hielt uns, da wir an Jesus volles Genge hatten an Seiner Gegenwart, Seiner Liebe, Seinem Schutz."
Nur wer hnliches selbst erlebt hat, kann sich eine Vorstellung vonder furchtbaren Spannung machen, unter der die Missionare arbeiteten.Die Hitze war in diesem Sommer besonders gro, und die Stimmung derBevlkerung gereizter denn je. Von verschiedenen Stationen mutenFrauen und Kinder entfernt werden. Eine Zeitlang schien es, als wrdedie chinesische Regierung darauf bestehen, da sie das Land verlieen.Das erforderte eine weitlufige Korrespondenz mit einheimischen undeuropischen Behrden. Auch muten zahlreiche Briefe zur Beratungund Ermutigung der am meisten bedrohten Mitarbeiter geschrieben wer-den. Der knappe Raum des kleinen Hauses in Chinkiang wurde bis zumuersten in Anspruch genommen, und selbst in dieser Stadt war dieErregung so gro, da man mit keiner zustzlichen Wohnung rechnenkonnte.
Inzwischen sah es so aus, als mten alle am Strom gelegenen Statio-nen aufgegeben werden. Taylors blieben stndig in Chinkiang, um imMittelpunkt der Ereignisse zu sein.
Eine Schwierigkeit folgt der andern auf dem Fu", schrieb Hudson Taylor Endedes Monats nach Hangchow, aber Gott sitzt im Regiment, nicht der Zufall. In Nan-king war die Aufregung furchtbar... Unsere Leute wurden nicht belstigt, aber wredie rmisch-katholische Mission geplndert worden, htte es ihnen schlimm ergehenknnen. Wir mssen fr sie beten, denn die dreimonatlichen Examina haben eben erstbegonnen. (Sie bringen Zehntausende von Schlern in die Stadt.)
Ich hoffe, da die Gerchte hier bald verschwinden. In Yangchow ist es noch sehrschlimm... Betet viel fr uns! Mein Herz ist ruhig, aber mein Kopf wird durch dieschnelle Folge der Schwierigkeiten auf eine harte Probe gestellt. Ich glaube jedochnicht, da wir dieses Haus (in Chinkiang) ganz aufgeben mssen."
Trotz der Strungen in dieser Zeit wurde die Arbeit an der Bevlke-rung soweit wie irgend mglich fortgesetzt. Mrs. Taylor, auf der jetztweniger Haushalts- und Familiensorgen lasteten, bemhte sich besondersum die kleine Gemeinde in Chinkiang. In den heiesten Junitagen schriebsie an Miss Blatchley:
Wir haben sonntags und an zwei bis drei Abenden in der WocheUnterricht gehalten. Zwei Ziele schwebten uns dabei besonders vor:erstens, die Chinesen zu interessieren, damit die, die lesen knnen, in derSchrift forschen, und die, die es nicht knnen, es lernen. Zweitens, denjngeren Missionaren Vorbild zu sein denn sie kennen unsere vieleArbeit. Damit zeigen wir ihnen praktisch, welchen Wert wir darauf
legen, da die Christen und auch die andern Einheimischen das WortGottes lesen und verstehen lernen."
Die Freudigkeit, die Hudson Taylor aus seiner tieferen Erfahrung desEinsseins mit Christus schpfte, wurde anscheinend in keiner Weise durchdie Unruhen gestrt. In seinen Briefen lesen wir weniger von den end-losen Schwierigkeiten als von den Segensstrmen, die ihn durch alleshindurchtrugen. Obgleich die geschftlichen Angelegenheiten in der Kor-respondenz nie vernachlssigt wurden, enthielt jeder Brief etwas vondem, was ihm noch viel wichtiger war. So schreibt er nach einem sorg-fltigen Eingehen auf die Verhltnisse in Hangchow Mitte Juni an MissDsgraz:
Heute, liebe Schwester, habe ich eine besondere Bibelstelle fr Sie, mit der Gottauch mich selbst sehr gesegnet hat: Johannes 7, 3739: ,Wen da drstet, der kommezu mir und trinke!' Wen drstet nicht? Wer hat nicht Durst des Geistes, Durst desHerzens, Durst der Seele und des Krpers? Heit es denn: ,Komme zu mir undbleibe durstig'? Ach nein! ,Komme zu mir und trinke!' Und der Durst wird gelscht.
Wie kann Jesus meiner Not begegnen? Wie verworren auch mein Weg, wie schwermein Dienst, wie gro meine Sehnsucht und Einsamkeit, wie hilflos und hoffnungs-los ich mich auch fhlen mag Jesus wird mit alldem fertig werden. Doch nochmehr als das: Er verspricht mir nicht nur Ruhe (Matth. 11, 2830) ach, wie herrlichwre schon das allein! Er verspricht mir nicht nur, da ich trinken und meinen Durstlschen kann. Sein Wort verheit noch etwas viel Besseres: ,Wer mir hierin vertraut (weran mich glaubt, mich beim Wort nimmt), von des Leibe werden Strme des leben-digen Wassers flieen.'
Ist das mglich? Wird denn nicht nur das Trockene und Durstige erfrischt, der aus-gedrrte Boden befeuchtet? Nein, das Land wird so getrnkt, da Quellen ent-springen und Strme flieen. Und nicht etwa blo kleine Bche, die nach dem Regenversiegen, sondern Strme Strme wie der mchtige Yangtse, immer tief, immervoll. In Zeiten der Drre knnen Bche versiegen, oft tun sie es wirklich. Kanleknnen leergepumpt werden, auch das geschieht hufig. Aber der Yangtse bleibt dermchtige Strom, er fliet immer, tief und unaufhaltsam."
Komme zu mir und trinke!" schrieb er in einem anderen Brief imJuni. Komme nicht nur, um einen hastigen Zug zu tun, nicht, um frkurze Zeit den Durst zu lschen! ,Trinken* heit dauerndes, gewohnheits-miges Handeln. Der Grund zum Durstigsein bleibt. Deshalb kann eineinmaliges Kommen und Trinken wohl erfrischen und strken, aber wirsollen immer wieder kommen, immer wieder trinken. Keine Sorge! Wirtrinken die Quelle oder den Flu nie leer!"
Als er das schrieb, wute er noch nicht, wie bald er selbst diese Wortedringend ntig haben wrde. Auch in den kommenden schweren Tagenverlie ihn diese Gewiheit nicht.
In den letzten, heien Wochen fhlte sich Maria nicht wohl, und jemehr ihre Krfte schwanden, desto mehr suchte sie Zuflucht im Gebet.
Wenn ich an die Kinder denke, ist es mir oft ein Trost, mich daranzu erinnern, wie viel Mrs. Taylor damals fr sie gebetet hat", schriebMiss Blatchley einige Monate spter Hudson Taylor. Ich habe sie oftnachts, wenn sie glaubte, wir schliefen alle, lange, lange auf dem Fu-
boden knien sehen. Und wenn ich sie mir jetzt so vorstelle, fhle ichimmer deutlicher, da sie ganz besonders fr Sie und die Kinder betete."
Wie fern waren die Kleinen jetzt, und wie sehnte sich die Mutterdanach, von ihrer Ankunft in England zu hren! Dankbar dachte sie inder Sommerglut an Saint Hill an die schattigen Laubgnge und denschimmernden See, die Rasenflchen rings um das Haus und die darinwaltende Liebe. Sie malte sich aus, wie die kleinen Reisenden von Mrs.Berger mtterlich aufgenommen wrden. Sie selbst war in jenen Tagenunaussprechlich glcklich, weil ihnen am 7. Juli ihr fnfter Sohn geschenktwurde. Die ganze Zrtlichkeit der Eltern wandte sich diesem Kinde zu.
Dann aber erkrankte die Mutter und konnte ihr Kind nicht mehr er-nhren. Als schlielich eine chinesische Amme gefunden wurde, kam dieHilfe bereits zu spt. Nach einer kurzen Woche auf dieser Erde kehrtedas kleine Leben in die himmlische Heimat zurck, und bald sollte esdort mit seiner Mutter vereinigt werden.
Obgleich Maria sehr schwach ist", schrieb Hudson Taylor, erflltsie ein so tiefer Friede, ein so tiefes Bewutsein der Gegenwart des Herrnund eine so groe Freude an Seinem heiligen Willen, da es mir unmg-lich ist, mehr davon zu schreiben. Aber ich durfte daran teilhaben."
Trotz ihrer groen Schwche dachte doch niemand daran, da ihrEnde nahe sein knnte. Die tiefe gegenseitige Liebe schlo den Gedankenan Trennung aus. War sie doch erst dreiunddreiig Jahre alt! Bis zuletztempfand sie keine Schmerzen. Nur mde, sehr mde war sie. Gerade warein Brief von Mrs. Berger angelangt, der die glckliche Ankunft MissBlatchleys und der Kinder in Saint Hill meldete. Jede Einzelheit in derSchilderung der Begrung und der liebevollen Unterbringung beglcktedie Mutter. Sie konnte nicht genug danken und Gottes Gte preisen. Mrs.Bergers Briefe waren schon oft gerade im richtigen Augenblick angekom-men, aber diesmal war es ein ganz besonderes Geschenk.
Und nun lebe wohl, liebe Freundin", schrieb sie. Der Herr breiteSeine ewigen Arme ber Dir aus!"
In diesen Armen ruhte sie.
Bei Tagesanbruch am Sonnabend, dem 23. Juli, schlief sie noch ruhig,als Hudson Taylor sie fr einige Augenblicke verlie, um eine Strkungfr sie zuzubereiten. Whrenddessen erwachte sie. Als er zurckkehrte,gewahrte er eine Vernderung ihres Zustandes.
Inzwischen war es hell geworden", schrieb er spter, und das Sonnenlicht zeigte,was die Kerze verborgen hatte die totenblasse Farbe ihres Gesichts. Selbst ich inmeiner Liebe zu ihr konnte mir nicht lnger verhehlen, da nicht nur Gefahr bestand,sondern da sie im Sterben lag. Sobald ich mich etwas gefat hatte, sagte ich: .Liebling,weit du, da du sterben mut?'
Sterben?' antwortete Maria. .Meinst du das wirklich? Warum meinst du es?'
.Ich kann es sehen, Liebling. Deine Krfte schwinden.'
.Wirklich? Aber ich fhle keine Schmerzen, nur Mdigkeit.'
Ja, du gehst jetzt heim! Bald wirst du bei Jesus sein!'
Dann dachte sie daran, da ich nun gerade in dieser schweren Zeit allein bliebe,da ich niemand haben wrde, mit dem ich wie bisher gemeinsam alles Schwere vorden Thron der Gnade bringen knnte.
,Es tut mir so leid ', sagte sie. Dann hielt sie inne, als fnde sie ihr Gefhl nichtganz richtig.
,Es tut dir doch nicht leid, zu Jesus zu gehen?'
Nie werde ich den Blick vergessen, mit dem sie antwortete: ,0 nein, das ist es nicht!Du weit doch, Liebster, da whrend der ganzen letzten zehn Jahre keine Wolke michvon meinem Erlser trennte. Es kann mir nicht leid tun, zu Ihm zu gehen. Aber esbekmmert mich, dich gerade in dieser Zeit allein zu lassen... Aber... Er wird beidir sein und dir in aller Not helfen.' "
Danach wurden nur noch wenige Worte gewechselt. Liebevolle Grean die Angehrigen in der Heimat, einige letzte Worte an die Kinder,dann schien sie einzuschlummern oder in Bewutlosigkeit zu sinken.Hher und hher stieg die Sonne ber die Stadt, ber die Hgel und denFlu empor. Aus Hfen und Straen drang das Summen geschftigenLebens in das stille Gemach, durch dessen Fenster ein Stck blauen Him-mels sichtbar war. Hier herrschte Stille, himmlischer Frieden.
Nie habe ich hnliches erlebt", schrieb Mrs. Duncan wenige Tagespter. Whrend unsere geliebte Mrs. Taylor ihre letzten Atemzge tat,kniete Hudson Taylor an ihrem Lager und bergab sie von ganzem Her-zen dem Herrn. Er dankte Ihm, da Er sie ihm gegeben und ihnen zwlf-einhalb Jahre gemeinsamen Glcks geschenkt hatte. Dann dankte er Ihmauch dafr, da Er sie wieder zu sich nehmen wollte. Er selbst bergabsich Ihm aufs neue fr Seinen Dienst."
Kurz nach neun Uhr hrte das ruhige Atmen auf, und die Zurck-bleibenden wuten, da sie nun bei Christus war, was auch viel besserist".
Die durstigen Tage liegen hinter mir", hatte Hudson Taylor in denersten Tagen dieses Sommers gesagt und geschrieben, denn es steht ge-schrieben: ,Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an michglaubt, den wird nimmermehr drsten.'" Wrde das jetzt standhalten,da die menschliche Freude seines Lebens genommen und schmerzlicheEinsamkeit geblieben war? Jetzt, da seine Gesundheit erschttert, dieNchte ohne Schlaf und die Tage mit Arbeit gefllt waren? Wenn jemalsdie Wirklichkeit der Kraft Christi auf die Probe gestellt wurde, danngeschah es in diesem Menschenleben, in diesem wunden Herzen, das nunallein inmitten einer Mission in so kritischer Lage im fernen China stand.
Einige Tage vor Marias Tod, am 11. Juli, als noch niemand an diedrohende Gefahr dachte, hatte Hudson Taylor an seine Mutter geschrie-ben:
Ich finde immer mehr Kraft in dem Gedanken, da wirklich alle Dinge in meinesVaters Hnden und unter Seiner Leitung stehen. Was Er tut, mu zum Besten sein."
Wie einsam", schrieb er spter, waren die langen Stunden, als ich gezwungenwar, still in meinem Zimmer zu liegen! Wie vermite ich meine geliebte Maria unddie in der Heimat weilenden Kinder! Da erst verstand ich, warum mir der Herr
das Wort ,Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, wird nim-mermehr drsten' so wichtig machte. Wenn ich in diesen Tagen den Durst meinesHerzens besonders heftig empfand, rief ich unzhligemal zu Ihm: Herr, Du hastes versprochen! Du hast mir versprochen, ich sollte nicht mehr drsten!' Und sooftich zu Ihm schrie bei Tag oder bei Nacht, neigte Er sich zu mir und erquickte mich.Manchmal kam es mir vor, als knnte meine Maria, die Er zu sich genommen hatte,Ihm droben nicht nher sein als ich in meiner einsamen Stube."
Auch die im Juli und August an Miss Blatchley geschriebenen Briefereden eine deutliche Sprache:
Beinahe drei Wochen sind seit meinem letzten Brief an Sie vergangen", heit eseinmal. Sie kommen mir vor wie ein ganzes Leben... Ich kann Ihnen nicht beschrei-ben, wie mir zumute ist. Ich verstehe mich selbst kaum. Ich bin wie von einem Schlagebetubt oder fhle wie jemand, der aus einer Ohnmacht erwacht ist und erst halbwieder das Bewutsein erlangt hat. Aber doch mchte ich nicht in aller Welt, da dieEreignisse auch nur um Haaresbreite anders wren. Mein Vater wollte es so, darum binich berzeugt, da es so am besten ist, und danke Ihm dafr. Ich fhle mich zer-schmettert und doch .stark in dem Herrn und in der Macht seiner Strke'. Oft drohtmein Herz zu brechen... aber bei allem mchte ich sagen, da ich vorher noch nichtgewut habe, was Friede und Glck sind so stark empfinde ich sie mitten im Leid...
Ich glaube, Ihnen vor ein paar Wochen einige Notizen ber Joh. 7, 37. 38 gesandtzu haben. Diese Gedanken sind mir sehr wertvoll geworden und haben sich als wahrerwiesen. Jetzt sehe ich ihre Bedeutung noch tiefer als damals. Jetzt wei ich, nur einDurstiger kennt den Wert des Wassers und nur eine durstige Seele den Wert deslebendigen Wassers'.
Ich htte es nicht fr mglich gehalten, da Er mein betrbtes Herz so trstenund mit Kraft erfllen wrde."
Gegen Ende August schwebte Tien-pao (himmlisches Kleinod), dasjngste Kind, das einzige, das Taylors in China geblieben war, zwischenLeben und Tod. Als letztes Mittel brachte es der Vater mit Mrs. Dun-can nach Ningpo und der Insel Pudu. Dort verlebten sie zwei schlimmeWochen. Hudson Taylor schrieb darber an seine Eltern in Barnsley:
Tien-paos Befinden hat sich noch nicht gebessert, wie ich gehofft hatte.Der Herr schenke mir Geduld und Vertrauen! Ich brauche jetzt einenstarken Arm, der mich sttzt. Die lange Zeit der Sorge, Mangel an Schlaf,Leid um die mir Entrissenen, allerlei Strungen in der Arbeit durch dieLage in China und durch die Mutlosigkeit der Mitarbeiter innere unduere Prfungen zeigen mir meine Schwche. Und doch ist die Hilfeimmer da. ,Wie einen seine Mutter trstet', so trstet Er uns. Seine Krafthlt uns. Wir werden nicht im Stich gelassen, sondern erfahren die Weis-heit und Liebe dessen, der am Steuer sitzt."
Es herrschte damals viel Krankheit unter den Missionaren. Meadowslag in Kiukiang danieder, ohne da Hudson Taylor zu ihm gelangenkonnte. Das Ehepaar Crombie war so abgearbeitet, da sich ein Heimat-urlaub als notwendig erwies. Hudson Taylor erkannte, da Mrs. Crombienicht ohne rztliche Hilfe in Schanghai bleiben durfte. Da sich an Bordkein Arzt befand, bot der Kapitn ihm freie Fahrt bis Hongkong an,weil man hoffte, sie sei bis dahin auer Gefahr. Nur schweren Herzens
entschlo er sich, sein krankes Kind in der Obhut der Freunde in Ningpozurckzulassen. Mrs. Crombie erholte sich von ihrer schweren Krankheit,und Hudson Taylor selbst verbrachte auf dem Schiff eine verhltnismigruhige Zeit. Er fand nun endlich einmal Gelegenheit, seinen Kindern inder Heimat ein Geschenkpaket zu schicken. Er schrieb dazu:
Ihr wit nicht, wie oft der Vater an seine Lieblinge denkt und wie oft er EureBilder ansieht, bis ihm die Trnen kommen. Manchmal ist er beinahe unglcklich, wenner denkt, wie weit weg Ihr seid. Aber dann sagt ihm der Herr Jesus, der immer beiihm ist: ,Sorge dich nicht, ich helfe dir! Du weit doch, da ich sie nach England undMama zu ihrem kleinen Noel, zu Samuel und Gracie ins bessere Land gebracht habe.'Dann werde ich wieder froh und dankbar, da Jesus in meinem Herzen lebt und allesfr mich ordnen will.
Ich wnschte, Ihr meine lieben Kinder wtet auch, wie Jesus unsere Herzen be-wahrt, wenn wir sie Ihm geben. Frher wollte ich mein Herz immer selbst in Ord-nung halten, aber da ging alles verkehrt. Da habe ich schlielich alles Mhen auf-gegeben und Jesu Anerbieten, mir zu helfen, angenommen. Meint Ihr nicht auch, daes das Beste ist? Vielleicht denkt Ihr manchmal: ,Ich will versuchen, nicht mehreigenntzig, unfreundlich, ungehorsam zu sein', und doch, wenn Ihr es selbst ver-sucht, gelingt es Euch nicht immer. Aber Jesus sagt: berlat das mir! Gebt mir EuerHerz, dann sorge ich fr alles andere.' Und Er will wirklich dafr sorgen.
Frher gab ich mir immer Mhe, recht viel und oft an Jesus zu denken. Aber ichverga Ihn doch oft. Jetzt verlasse ich mich darauf, da Er mir hilft, an Ihn zudenken. Und Er tut es tatschlich. So ist es am besten. Fragt Miss Blatchley, sie kannEuch noch mehr darber sagen, und bittet Gott, da Ihr es versteht und Jesus ver-trauen knnt!"
An Miss Blatchley schrieb er:
Die Kinder werden Sie nun noch mehr lieben, weil sie keine Mutter-liebe mehr erfahren knnen. Gott wird Ihnen helfen, Geduld mit ihnenzu haben und ihre Fehler mehr durch liebevolle Hinweise als durch hu-fige Vorwrfe und Verbote zu bessern. Das habe ich selbst so oft falschgemacht. Nun mssen Sie allein das wieder zurechtbringen."
In einem spteren Brief heit es:
Versuchen Sie, ihre Liebe und ihr Vertrauen zu behalten! Zeigen SieIhre Teilnahme so, da die Kinder Ihnen gern ihren Kummer anver-trauen. Dann knnen sie Ihnen nicht nur ihre Fehler, sondern auch ihreSnden bekennen. Wenn Sie das mit Gottes Hilfe erreichen, werden dieJungen vor mancher drohenden Versuchung bewahrt bleiben."
Trotz aller Belastungen opferte er manche Stunde, das Vertrauen unddie Liebe seiner Kinder zu behalten. Auf der Rckreise nach Schanghaischrieb er aus seiner ungemtlichen Unterkunft:
Meine geliebten Kinder! Ich habe Euch zwar erst gerade geschrieben, aber ich habeLust, Euch schon wieder zu schreiben. Ob ich wohl eine Antwort von Euch bekomme? Heute nacht habe ich berlegt: Wenn Jesus mich schon so glcklich macht, weil Erimmer nahe bei mir ist und oft mit mir spricht obgleich ich Ihn nicht sehen kann ,wie glcklich mu erst die liebe Mama sein! Ich freue mich fr sie, da sie bei Ihmist und wie gern werde ich dann spter zu ihr gehen, wenn Jesus mich ruft! Aberich mchte ebensogern mit Ihm hier leben, solange Er mich hier fr Ihn und Chinaarbeiten lassen will.
Meine liebsten Kinder, ich mchte, da Ihr Jesus sehr liebhabt und wit, da ErEuch auch sehr liebt. Meint Ihr nicht, da Euer Vater, der so -weit von Euch entferntlebt, Euch auch gern she, gern mit Euch sprche, Euch gern auf seinen Knien hielteund Euch kte? Ganz gewi! Und noch mehr freut sich Jesus, wenn Ihr an Ihn denktund mit Ihm sprecht. Denkt nicht, man mte sich vor Ihm frchten! Er ist sehr gutund sehr gro. Er kann alles und ist sanft und gtig...
Er hat es gern, wenn wir mit Ihm sprechen. Wenn ich allein bin, rede ich oft lautmit Ihm. Sonst spreche ich auch mit Ihm im Herzen. Verget nur nicht, meine liebenKinder, da Er immer bei Euch ist! Ob Ihr wacht oder schlaft, zu Hause oder anderswo,Er ist wirklich bei Euch, wenn Ihr Ihn auch nicht sehen knnt. Darum hoffe ich, Ihrwerdet versuchen, diesen treuen und gtigen Freund nicht zu betrben."
An Miss Blatchley schrieb er:
Ich habe wieder an die lieben Kinder geschrieben. Ich mchte, da sie frh undgrndlich die kstlichen Wahrheiten erkennen, die mir erst so spt aufgegangen sind:das Einssein mit Christus und Sein Wohnen in uns. Das scheint mir nicht schwierigerfr sie zu sein als die Lehre von der Erlsung. Zu beiden bedarf es der Erleuchtungdurch den Heiligen Geist. Mchte Gott Ihnen helfen, den Kleinen durch Ihr LebenChristus zu bezeugen! Wie wunderbar hat Er uns zur Erkenntnis gefhrt, nicht wahr?Frher htte ich die Ruhe und den Frieden, die ich jetzt geniee. auf Erden, frunmglich gehalten. Ist es nicht schon der Himmel auf Erden? ... Suchen Sie in IhremVerkehr mit Freunden der Mission den Eindruck von der Wirklichkeit Christi undunserer Verbindung mit Ihm zu vertiefen! Wenn Sie die Freunde nur fr die Inter-essen Chinas und der Mission gewinnen, haben Sie nicht viel erreicht. Erst wenn ihreSeelen erfat werden, knnen sie in Wahrheit auch Christi Befehl und Absicht gegen-ber China verstehen und desto besser helfen, sei es durch Gebet oder Geld. Schlie-lich brauchen wir in erster Linie Kraft und nicht Geld ..."
Als Hudson Taylor nach Ningpo zurckkehrte, um seinen Jngstenmit nach Chinkiang zu nehmen, fand er diesen erneut ernstlich erkrankt.Es mute an seinem Durchkommen gezweifelt werden. Dennoch begab ersich, sobald Besserung eintrat, nach Hangchow und zu den benachbartenStationen. Sein Kind konnte er der Obhut Dr. Parkers berlassen, aberdie Missionsangelegenheiten forderten wieder dringend seine Anwesen-heit.
In Hangchow war manches ermutigend. Die Gemeinde gedieh unterder treuen Leitung von Pastor Wang Lae-djn. In den umliegenden Ge-bieten arbeiteten sieben einheimische Evangelisten. Weil Hudson Taylordurch rztliche Arbeit eine Zeitlang in diesem Gebiet festgehalten wurde,konnte er einige alte Freunde wiedersehen, wie das Ehepaar McCarthyund Miss Faulding, die seit der Ausreise nach China beinahe zur Familiezhlten. Vier Jahre gewissenhafter Arbeit in Hangchow hatten in ihreine besondere geistliche Reife bewirkt. Trotz ihrer erst siebenundzwan-zig Jahre war sie schon ein brauchbares Werkzeug Gottes. Sein Wirkendurch sie blieb nicht ohne Einflu auf die heidnische Stadt. Ihre beidenSchulen, fr die sie im Glauben die ganze finanzielle Verantwortung ber-nommen hatte, wurden gut besucht. Mehrere Schler waren bereits zuernsten Christen herangewachsen, und sie konnte auf deren Mithilfe inder Arbeit hoffen.
Inzwischen nahmen die ueren Schwierigkeiten zu. Die politischeLage wurde immer gefhrlicher. Das Gemetzel von Tientsin, bei demeinundzwanzig Europer ihr Leben verloren hatten, war noch nicht ge-shnt. Die chinesische Regierung unternahm keinerlei Schritte gegen dieeuropafeindliche Stimmung.
Es war kaum verwunderlich, da die dauernde Spannung der drohen-den Gefahr die Nervenkraft, ja selbst die innere Lebenskraft der einsamenMissionare erschpfte. So erfuhr Hudson Taylor den Kummer, da eineInlandstation aufgegeben werden mute und einzelne liebe MitarbeiterGlauben und Mut verloren. Aber weil er die Schwche seines eigenenHerzens nur zu gut kannte, konnte er nicht hart ber die andern urteilen.So versuchte er, soweit es an ihm lag, die mden Hnde in Gott zustrken. Der letzte Tag des Jahres wurde wieder zum Fast- und Bettagbestimmt. Hudson Taylor schrieb darber an seine Mitarbeiter:
Das verflossene Jahr (1870) war in vieler Beziehung bemerkenswert. Wohl jederhat einer greren oder geringeren Gefahr gegenbergestanden oder ist in Not undVerwirrung gewesen. Aber immer hat der Herr uns hindurchgefhrt. Und einigeunter uns, die tiefer aus dem Kelch des Leides trinken muten, knnen bezeugen, daes fr sie innerlich ein Jahr des Segens gewesen ist, und danken Gott dafr. Fr midipersnlich war es das leidvollste und gesegnetste Jahr meines Lebens. Ich bin berzeugt,da andere dasselbe erfahren haben. Wir haben Seine Treue erprobt, Seine Macht er-fahren, uns in der Not zu tragen, im Leiden Geduld zu schenken und aus Gefahrzu erretten. Und sollten noch grere Gefahren auf uns warten, sollte noch schwereresLeid uns treffen, so werden wir ihnen mit desto strkerem Gottvertrauen begegnen.
Wir sind wohl alle fest davon berzeugt, von Ihm als Seine Diener auf unserePosten gestellt worden zu sein und dort Seine Arbeit zu tun. Er hat uns die offenenTren geschenkt. In den Zeiten des Aufstands hat Er uns bewahrt. Wir sind nicht nachChina gekommen, weil die Arbeit hier gnstig und leicht sein wrde, sondern weilEr uns rief. Wir haben uns bei unserer Arbeit nicht auf menschliche Hilfe verlassen,sondern auf die Zusage Seiner Gegenwart. Begleitumstnde wie Leichtigkeit oderSchwierigkeit, scheinbare Sicherheit oder Gefahr, Billigung oder Tadel bei andernhaben nichts mit unserem Pflichtbewutsein zu tun. Sollten wir in Lagen kommen, wodie Gefahr augenscheinlich ist, so hoffe ich zuversichtlich, da Er uns allen die Kraftgeben wird, die Echtheit und Festigkeit unseres Vertrauens auf Ihn zu bezeugen unddurch Pflichttreue zu beweisen, da wir Nachfolger des Guten Hirten sind, der auchvor dem Tode nicht floh... Aber wenn wir solche Ruhe in der Zukunft beweisensollen, mssen wir die Gnade jetzt suchen. Es ist zu spt, nach Waffen zu suchen undmit militrischen bungen zu beginnen, wenn der Feind da ist."
Hudson Taylor schrieb von seiner auf ihm liegenden Arbeitslast nachHause, da sie schwerer sei als je, abgesehen von der kurzen Zeit vor derAbreise von England. Weil ihm die Hilfe seiner Frau und Miss Blatchleyfehlte, fielen ihm auer der Hauptleitung des Werkes die gesamte Korre-spondenz, das Rechnungswesen und alle Kleinarbeit zu. Glcklicherweisefand er in Mr. C. T. Fishe eine Hilfe, sonst htte er es nicht schaffenknnen. Er ernannte ihn voll Dankbarkeit am Schlu des Jahres zumAuensekretr der Mission.
Die Hilfe kam gerade zur rechten Zeit, denn Hudson Taylor warphysisch dem Zusammenbruch nahe. Obgleich seine Seele immer wieder
in der Freude am Herrn gestrkt wurde, litt sein Krper. Ein Leberleidenraubte ihm den Schlaf. Dazu kam eine Lungenerkrankung, die ihm nichtnur Schmerzen bereitete, sondern auch das Atmen erschwerte. Eine Besse-rung trat nicht ein. In dieser Situation empfand er die Einsamkeit desJunggesellenhaushalts doppelt schmerzlich.
Die Zeit der Prfung dauerte an, so da er sechs Wochen spter nochvon Tagen voll Kummer und Nchten voll Schwermut" schrieb, da-neben aber auch von seiner nie versagenden Zuflucht", die wunderbarund wirklich" sei. In dieser Zeit erfuhr er in besonderer Weise die siegendeMacht des Wortes Gottes.
,Zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht mde werden/Dieses Wort hat mir unzhligemal geholfen", schrieb er kurz nach Neu-jahr an Mr. Berger. Und das Beste an Gottes Wort ist, da wir um somehr darin finden, je mehr wir es zu unserer Speise machen. Es lt michnicht im Stich, langweilt auch nicht durch Eintnigkeit, sooft wir auchdarin lesen."
Stellen, die er schon lange liebte, schlssen sich ihm in neuer Tiefe undBedeutung auf, und mitten in der Dunkelheit, die ihn eine Zeitlangumfing, sammelte er einen Schatz, aus dem er in kommenden Jahren an-dern weitergeben konnte. So schrieb er im Mrz 1871 an Georg Mller,der kurz vorher durch den Tod seiner Gattin seine treueste Gehilfin ver-loren hatte:
Sie wissen, geliebter Bruder, welchen Kelch ich jetzt tglich trinkenmu. Er wird nicht weniger bitter, wenn die Tage zu Wochen, die Wochenzu Monaten werden. Die Sehnsucht bleibt gleich. Sie wissen auch, wieSeine Gnade uns helfen kann, diesen Kelch gern aus Seiner Hand anzu-nehmen. Dennoch das Fleisch ist schwach. Ich schtze Ihr Mitgefhlund Ihre Frbitte und danke Ihnen dafr. Sie sagen mir von Dem, derStrme aus den Felsen und Quellen in den Tlern flieen lt, wennDurstige und Erschpfte Wasser suchen und keins da ist."
In dieser Lage fand er neue Kraft in den Verheiungen Gottes, die erschon frher so lebendig erfahren hatte: Wer da trinkt von dem Wasser,das Ich ihm geben werde ..." Die Gegenwartsform des Ttigkeitswortestrinken" im griechischen Urtext gewann fr ihn angesichts seiner an-dauernden und noch zunehmenden Not besondere Bedeutung, weil da-durch eine dauernde Gewohnheit ausgedrckt wird.
Spter pflegte er darber zu sagen:
Lat uns nicht den Sinn der Jesusworte verndern! Es heit nicht:,Wer getrunken hat1, sondern: ,Wer trinkt'. Er spricht nicht von einemeinzigen Trunk, auch nicht von vielen, sondern von einer dauernden Ge-wohnheit der Seele. Deshalb heit die volle Bedeutung von Joh. 6, 35:Wer stndig zu mir kommt, wird nicht mehr hungern, und wer an michglaubt, wird nimmermehr drsten.' Die Gewohnheit, im Glauben zu Ihmzu kommen, wird Hunger und Durst stillen."
Damals schrieb er an einen Freund:
Es scheint mir, da viele von uns irrtmlich das Trinken in der Ver-gangenheit lassen, whrend ihr Durst Gegenwart bleibt. Wir mssen aberweitertrinken und dankbar fr die Not sein, die uns dazu treibt,immer mehr von dem ,lebendigen Wasser* zu trinken."
NICHT UNGEHORSAM DER HIMMLISCHEN ERSCHEINUNG
18721874
Die Mrzwinde rttelten an den hohen Ulmen in Saint Hill und feg-ten um das Haus, in dem Hudson Taylor bei seiner Rckkehr aus Chinaherzlich willkommen geheien wurde. Drinnen am Kamin war es doppeltgemtlich, als er endlich Zeit zu einem Gesprch mit Mr. und Mrs. Bergerfand. Sechs Jahre waren seit der Ausfahrt der Lammermuir" vergangen,Jahre eines wunderbaren Erfolges, den man bei den anfnglichen Schwie-rigkeiten nicht erwarten konnte. Damals zhlte die Mission sieben Mit-glieder und zwei Stationen jetzt ber dreiig europische und fnfzigeingeborene Arbeiter auf dreizehn Hauptstationen, etwa hundert Meilenvoneinander entfernt. Bisher hatten Bergers die Interessen der Mission inder Heimat vertreten. Ihre Zeit und ihr Vermgen hatten sie vllig inden Dienst dieses Werkes gestellt, dazu ihr Heim und sich selbst geopfert.Nun mute hier eine groe nderung vorgenommen werden. JngereKrfte sollten die Aufgabe bernehmen. Saint Hill sollte verkauft wer-den, weil Bergers den Winter im Ausland verbringen muten. Ihnen wardie Trennung nicht weniger schmerzlich als Hudson Taylor.
So warteten nun viele schwerwiegende Fragen auf eine Lsung. Wersollte Bergers Stelle einnehmen und die Verantwortung fr die Arbeitder Mission in der Heimat tragen? Wer sollte die Gelegentlichen Nach-richten" herausgeben, die Missionskandidaten auswhlen und ausbilden,die Korrespondenz fhren, die Beziehungen zu den Missionskreisenlebendig erhalten und all die tausenderlei Dinge tun, die Bergers unbe-zahlt aus Liebe zum Herrn getan hatten? Leider war der Wechsel sehrschnell ntig geworden. Hudson Taylor aber hatte noch keinen geeignetenNachfolger gefunden. Die Arbeit in China war jetzt so umfangreich, dadie Ausgaben monatlich dreihundert Pfund betrugen. Auch seine Gesund-heit hatte in den sechs anstrengenden Jahren sehr gelitten. Er htte einelngere Ruhe fr Leib und Seele dringend brauchen knnen. Aber dieHeimatarbeit durfte trotz seiner Schwche nicht vernachlssigt werden.Es blieb ihm nichts anderes brig, als im Aufblick zu Gott selbst die ganzeVerantwortung zu bernehmen. Der Herr wrde ihn bestimmt zu SeinerZeit entlasten. Du aber bleibst " dieses Wissen wurde damals frHudson Taylor Trost und Strkung.
Der Wechsel, der durch Mr. und Mrs. Bergers Rcktritt ntig ist,wird mir sehr schwer", schrieb er kurze Zeit darauf. Ich liebe sie so sehr.Es ist mir, als wrde wieder ein Band gelst, das mich an die Vergangen-heit und an meine geliebte Heimgegangene knpft. Aber Sein Wort sagt:,Siehe, ich mache alles neu!"*
Einige Wochen spter schrieb Hudson Taylor an seine Eltern einenBrief, der den Aufdruck trug: China-Inland-Mission, 6 Pyrland Road,Newington Green, N."
Damals war Pyrland Road eine kleine Vorstadtstrae am Rande vonLondon. Es bestand ein groer Unterschied zwischen Mr. Bergers Biblio-thekszimmer in Saint Hill und dem schmalen Raum, der zugleich alsSchlaf-, Arbeits- und Sprechzimmer diente. Aber viele Missionare erinner-ten sich spter besonders gern an Pyrland Road 6 sowie an die Huser 2und 4, die noch dazugemietet werden muten. Mehr als zwanzig Jahrelang ist die gesamte Heimatarbeit der Mission von diesem Zentrum aus,nur wenige Schritte von der heutigen Zentrale entfernt, betrieben worden.Im Erdgescho wurden die wchentlichen Gebetsversammlungen abge-halten, weil dort zwei Rume miteinander verbunden werden konnten.Von hier zogen viele Missionare, auch die erbetenen Siebzig" und dieHundert", nach China.
1872 war Hudson Taylor noch der einzige Bevollmchtigte der Mis-sion. Eine lebendige Schilderung aus dieser Zeit haben wir von F. W. Bal-ler, der allen, die die chinesische Sprache studierten, wohl bekannt ist.Er verfate ein erstes Lesebuch, ein Wrterbuch und andere wertvolleHilfsmittel. Er unternahm ausgedehnte Reisen, die mithalfen, das InlandChinas dem Evangelium zu ffnen. Er schrieb:
Nach reiflichem berlegen und Beten beschlo ich, Mr. Taylor um eine Unter-redung zu bitten. Gemeinsam mit einem Freund machte ich mich eines Samstag-nachmittags auf den Weg nach dem Norden Londons, um Pyrland Road zu suchen,wo die Mission ihr Hauptquartier hatte. Als wir ankamen, fanden wir eine nur halbbebaute Strae. Nach Norden erstreckten sich offene Felder. Noch heute erinnert derName der nahen Grnstrae daran... Als wir in das Haus eintraten, wies man unsin das Zimmer, in dem die Versammlung stattfinden sollte. Genau gesprochen warenes zwei Rume, aber die Flgeltren waren geffnet, und so bildeten sie einen Raum.Ein groes Harmonium stand auf der einen Seite. Hier und dort waren chinesischeGegenstnde aufgestellt. Im brigen gab es kaum Mbel oder Schmuck. Ein groerSpruch ,Mein Gott wird alle eure Bedrfnisse erfllen* hing gegenber der Eingangs-tr. Weil ich damals nicht an Sprche als Wandschmuck gewhnt war, machte diesereinen tiefen Eindruck auf mich. Etwa zwlf bis zwanzig Menschen waren anwesend,darunter Miss Blatchley. Mr. Taylor erffnete die Versammlung, indem er einen Lied-vers angab. Er setzte sich ans Harmonium und stimmte an. Sein ueres war nichtbesonders imponierend. Er war zart gebaut. Seine Stimme klang sanft. Wie die meistenjungen Mnner glaubte auch ich, da Kraft und Lrm zusammengehrten. Von einemFhrer erwartete ich deshalb groe krperliche berlegenheit. Doch als er dann sagte:,Lat uns beten!', schlug meine Auf fassung vllig um. Ich hatte noch nie so beten gehrt so schlicht, so innig, so khn und so stark. Es wurde mir klar, da Gott diesen Men-schen in den Kreis Seiner besonderen Freunde aufgenommen hatte. Er sprach mit
Gott von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund... Ich habe seit-her viele Menschen ffentlich beten hren, aber Taylors und Spurgeons Gebete hobensich von allen andern ab. Wer sie gehrt hat, konnte sie nicht vergessen. Wenn manSpurgeon hrte, war es, als nehme er die ganze Gemeinde an die Hand und fhrtesie in das Heiligtum. Wenn man Hudson Taylor fr China beten hrte, wute man,was es bedeutet, da ,des Gerechten Gebet viel vermag, wenn es ernstlich ist'.
Die Versammlung dauerte von vier bis sechs, aber es kam mir vor, als sei es diekrzeste Gebetsversammlung gewesen, die ich je miterlebt hatte."
Tage und Wochen vergingen, in denen sich Hudson Taylor dem Bro-betrieb der Mission widmete. Es war nicht leicht fr ihn, da ihm diegroe Aufgabe in China immer vor Augen stand. Aber er wollte nichtberstrzt handeln, bevor er eine klare Weisung vom Herrn erhaltenhtte. Es schien jedoch, als bliebe alles dringende Beten ohne Antwort.Ein anderer wre ungeduldig und mutlos geworden. Hudson Taylor aberhatte in den dunklen Tagen des Jahres 1870 gelernt, was es heit, auf denHerrn zu harren. An einen Mitarbeiter in China schrieb er:
Marias Platz fllt nun Jennie Faulding aus. Frher als geplant hattesie seinerzeit ihre Arbeit unter den Frauen Hangdiows verlassen und zurErholung in die Heimat zurckkehren mssen. Eine nderung im Schiffs-plan hatte dann dazu gefhrt, da wir zusammen reisen muten. Diegegenseitige Freundschaft wandelte sich in Liebe."
Nach der Hochzeit widmete sich Jennie Taylor vor allem den Kindernihres Mannes. Das neue Heim an der Pyrland Road war ebenso einfachwie das in der Cobornstrae in den ersten Tagen der Mission, wenigstenswas die Einrichtung betraf.
Das Nachlassen der Geldspenden nach Mr. Bergers Rcktritt aus demHeimatdienst entmutigte Hudson Taylor nicht. Er schmiedete im Gegen-teil Plne und betete um so entschiedener fr ein weiteres Vordringen indie noch unerreichten Provinzen Chinas.
Whrend einer Konferenz besuchten einige ihm nahestehende Freundedas Missionshaus an der Pyrland Road. Vor der groen Chinakartewurden ihre Herzen bewegt durch den Gedanken, wie diese heilandslosenMillionen erreicht werden knnten? Miss Soltau erinnerte sich spter, wieHudson Taylor sagte: Haben Sie den Glauben, mit mir gemeinsam umachtzehn Menschen zu bitten, die spter zu zweien in die unbekanntenProvinzen hinausziehen sollen?"
Die Freunde verstanden seine Gedanken und beschlossen, fr dieseSache tglich zu beten, bis Gott antworten wrde. Keiner von ihnen wirdje Hudson Taylors einleitendes Gebet vergessen haben.
Zu dieser Zeit begann sich unerwartet ein Weg zu zeigen, wie dieHeimatarbeit der Mission knftig geleitet werden knnte. Natrlich hatteHudson Taylor nach Helfern ausgeschaut, die wie Bergers die gesamteVerantwortung tragen knnten. Aber er fand niemand. Inzwischenwurde es aber zu schwierig, neben der Heimatarbeit die Mission in Chinazu leiten. Hudson Taylor arbeitete ber seine Kraft. Was Du tust, ist
nicht gut", schrieben zwei alte Freunde, Geschftsleute aus London. Dukannst es allein nicht schaffen." Sie gaben ihm den Rat, die Verantwor-tung auf eine grere Zahl Mitarbeiter zu verteilen. Sie selbst boten ihreHilfe fr die Korrespondenz und die Rechnungsfhrung an.
An einem Juliabend wurde Hudson Taylor in Greenwich in dieserRichtung klar geleitet. Er besuchte dort Mr. und Mrs. Richard Hill, diesich wegen ihrer Familie nicht vllig der Mission widmen konnten, ob-wohl sie es gern wollten. So schlug Mr. Hill die Grndung eines Rateschristlicher Freunde vor. Diese sollten keine Verantwortung fr dieArbeit auf dem Missionsfeld bernehmen, aber die Heimatarbeit derMission unter sich aufteilen, so da Hudson Taylor wieder nach Chinazurckkehren knnte.
Dieser Vorschlag wurde untersttzt durch Mr. Hills Anerbieten, ehren-amtlicher Geschftsfhrer eines solchen Ausschusses zu werden. Je lngerHudson Taylor ber diesen Plan nachdachte, desto klarer erkannte er,da es sich hier nur um eine weitere Konsequenz des Planes handelte, nachdem die China-Inland-Mission von Anfang an gearbeitet hatte. EinArbeitsausschu, nicht ein leitendes Komitee, konnte einen groen Teilder frheren Arbeit von Bergers bernehmen. Miss Blatchley sollte mitden Kindern im Heim an der Pyrland Road bleiben. Sie kannte die Arbeitsowohl zu Hause als auch in China sehr genau. So wrde sie fr denAusschu eine groe Hilfe sein. Gleichzeitig knnte sie die Gebetsver-einigungen weiterfhren und ein Zentrum fr heimkehrende Missionareleiten. Durch ihre Hnde mte die tgliche Korrespondenz gehen, soda der Geschftsfhrer nur die wichtigeren Briefe erhielt. Der Ausschuhtte sich schlielich um die Missionskandidaten und die Geldangelegen-heiten zu kmmern. Dazu mte er die Fhlung mit den Missionsfreun-den durch die Gelegentlichen Nachrichten" aufrechterhalten.
Einige Wochen spter schrieb Hudson Taylor am 1. August an Mr.Hill:
Knnten Sie am nchsten Dienstag um sechs Uhr zum Tee zu unskommen und abends bleiben? Ich wrde noch einige Freunde dazu bitten,die an der Arbeit Anteil nehmen. Wir knnten miteinander beten und unsberaten, wen wir noch zur Mitarbeit heranziehen sollen. Dann wird unssicher auch klarwerden, was sonst noch zu tun ist. Mir scheint, wir sollteneinige Zeit zu solcher Vorbereitung verwenden, ehe wir einen grerenKreis zusammenbitten."
So wurde in der Stille der Weg gefunden. Am 6. August 1872 wurdeder Ausschu Wirklichkeit. Er hat seitdem lnger als fnfundvierzigJahre treu mitgearbeitet.
Kurz darauf trat Hudson Taylor mit seiner Frau die Rckreise nachChina an. Er machte sich auf eine Flle von Arbeit gefat. Ein Jahr unddrei Monate hatte er in England verbracht. Whrend dieser Zeit warkein Vertreter fr ihn gefunden worden, der das Gesamtwerk in China
leiten konnte. Keiner besa die ntige Erfahrung. Mr. Fishe, der einenTeil dieser Arbeit bernommen hatte, war inzwischen erkrankt. Trotz-dem empfing er Taylors in Schanghai am Hafen.
Er berichtete ihnen, da ihre Anwesenheit dringend ntig wre, ob-wohl er besonders von den sdlichen Stationen viel Erfreuliches sagenkonnte.
Durch Fishe erfuhren sie auch, da Duncan seinen Posten in Nanking,den er lange Zeit tapfer verteidigt hatte, wegen seiner geschwchten Ge-sundheit hatte aufgeben mssen und sich bereits auf der Heimreise befand.(Er sollte nie mehr zurckkehren.)
Die beiden Judds befanden sich auf Urlaub. So war die Arbeit imYangtsetal beinahe ohne Aufsicht geblieben, und es war dringend not-wendig, da Hudson Taylor die Arbeit bernahm. Darum siedelten Tay-lors mit ihrem Gepck auf ein Hausboot ber und eilten nach Hangchow.
Dort wurden sie von McCarthys und der Gemeinde herzlich begrt,in der die jetzige Mrs. Taylor so lange segensreich gewirkt hatte. Balddarauf bernahmen McCarthys die schwierige Arbeit am Yangtse inAnhwei. Die Gemeinde in Hangchow berlieen sie der treuen FhrungWang Lae-djns.
Nun begann fr den Missionsleiter eine anstrengende Zeit. ZahlreicheStationen waren durch die Abwesenheit der lteren Mitarbeiter zuschwach besetzt. Schlimmer war noch, da die briggebliebenen Krftestark unter Krankheiten und Schwierigkeiten gelitten und chinesischeHelfer im Eifer nachgelassen hatten. Ein Teil lebte sogar in ffentlicherSnde.
Ich will Dir nicht schildern", schrieb er kurz nach Neujahr 1873 anseine Mutter, wie schwierig hier berall die Arbeit ist. Aber ich wei,da Du regelmig fr mich betest. Und die Schwierigkeiten sind auchGelegenheiten, Gottes Treue kennenzulernen. Es ist ja Sein Werk ... Dasarme Yangchow! Es ist nicht mehr, was es war. Ich habe trbe Berichteber einige dortige Gemeindeglieder hren mssen. Aber sie sind mehrzu bedauern als zu tadeln, denn wir haben nicht ber ihnen gewacht, wiedas bei jungen Christen not tut. Mge der Herr mir helfen, einen Teilder Verirrten zu finden und zurckzubringen!"
Aus Nanking schrieb er an Mr. Berger:
Jeden Abend finden sich groe Scharen zusammen. Durch Lichtbilderversuchen wir sie anzulocken. Dann predigen wir ihnen Jesus ... Gesternabend kamen bestimmt fnfhundert Menschen in die Kapelle. Einigeblieben nur kurz, andere fast drei Stunden. Wir konnten erst spt dieKapelle schlieen. Mge der Herr unsern Aufenthalt hier segnen! ...Jeden Nachmittag kommen Frauen, um zu sehen und zu hren ..."
Hudson Taylor setzte seine Besuche fort, bis er wenigstens einmaljede Station und fast jeden Einzelposten gesehen hatte. Seine innige An-teilnahme, seine Freude im Herrn wirkten als strkende Medizin, wohin
er kam. Die meisten Menschen haben mehr Ermutigung als Strafredenund Kritik ntig. Die mde gewordenen Missionare und die chinesischenGlubigen strkten sich an dieser Freude, die aus der Liebe zu Jesusstrmte.
Aber diese Reisen waren sehr anstrengend, zumal Hudson Taylorgleichzeitig die ganze Korrespondenz und die Pflichten eines Leiters zuerledigen hatte. Er war im Sommer wie im Winter fortwhrend aufReisen. Seine Frau konnte ihn nicht immer begleiten. Manchmal blieb sieallein auf einer Station zurck, um bei der Pflege von Kranken oder inder Frauenarbeit zu helfen. Wie dankbar waren in diesen Tagen die Mit-arbeiter fr rztliche Kenntnisse! Freilich vermehrte es auch die AufgabenHudson Taylors. Auf einer entlegenen Station am Yangtse zum Beispielfand er neunundachtzig Briefe vor und schrieb trotzdem am folgendenTag eine lange rztliche Anweisung fr das kranke Kind eines chinesi-schen Gehilfen in Chinkiang.
Solche Hingabe von Herz und Leben mute auf die Dauer Segenbringen.
Der Herr ist mit uns", schrieb Hudson Taylor im Juli an seine Eltern. DieArbeit geht voran, besonders auf dem wichtigsten Gebiet der einheimischen Helfer.Sie brauchen noch viel Hilfe, Rcksicht und Unterweisung. Aber sie werden immerzahlreicher und brauchbarer, und die Hoffnung Chinas ruht zweifellos auf ihnen. Aus-lndische Missionsarbeit erscheint mir als das Gerst um einen Neubau. Je eher dasHaus ohne dieses stehen kann, um so besser, und um so frher kann das Gerst wiederanderswo verwendet werden.
Was Schwierigkeiten und Kmmernisse betrifft, so ist ihre Zahl Legion. Teils sindsie durch die Arbeit verursacht, teils durch Mitarbeiter. Hier knnen Paulus undBarnabas nicht mit gleichen Augen sehen; dort handelt Petrus so, da er ffentlichgetadelt werden mu. Anderswo bedarf es der Ermahnung, um einen Irrenden aufden rechten Weg zu bringen oder bei einem Laugewordenen neues Leben zu wecken...Aber es ist des Herrn Werk. Er kann allen Schwierigkeiten begegnen."
Nach neun Monaten Aufenthalt in Yangchow wandte er sich den sd-lichen Stationen der Provinz Chekiang zu. Die Arbeit in diesem Gebietwar nicht aussichtslos. In mancher Beziehung war sie sogar verheiungs-voll. Aber whrend er dort arbeitete, erreichte ihn die Nachricht vomvlligen Zusammenbruch Miss Blatchleys. Ihr Ausscheiden aus der Hei-matarbeit betrbte ihn tief. Dazu kam die Sorge, wer ihre Stelle ein-nehmen knnte. Begabt, aufopfernd und erfahren in allen Missions-fragen, hatte sie allmhlich die ganze Arbeit in der Heimat geleitet. Wosollte jemand gefunden werden, der ihren Platz ausfllen konnte?
Inzwischen huften sich auch in China die Schwierigkeiten. HudsonTaylor half brieflich, so gut er konnte. Doch alles, was nicht auf dieseWeise erledigt werden konnte, mute glubigem Gebet berlassen blei-ben. Wenn die Mission damals auch noch verhltnismig klein war, somuten doch bereits fnfzig Gebude instandgehalten und hundert Mit-arbeiter Missionare, Missionarinnen, Gehilfen versorgt werden.
Dazu kamen noch die Kinder in den Familien oder auf den Schulen, soda tglich 170 Menschen zu ernhren waren. Auch die Reiseunkostenbildeten eine betrchtliche Summe, weil die Arbeit sich ber fnf Pro-vinzen erstreckte, nicht zu vergessen die kostspieligen Reisen nach Eng-land fr erholungsbedrftige Mitarbeiter. Hudson Taylor schtzte hun-dert Pfund durchschnittliche Unkosten wchentlich, die auch nur beigrter Sparsamkeit ausreichten.
Es gab Wochen und Monate, in denen ihm wenig oder nichts fr dieMission zugeschickt wurde. Daheim kam wenig Geld ein, und hufigwurden Gaben, zum Beispiel von Mr. Mller und Mr. Berger, direkt andie Mitarbeiter oder fr sie an Hudson Taylor gesandt. So blieb wenigfr den Hauptfonds, aus dem die Ausgaben in der Heimat und die derGesamtarbeit in China bestritten werden sollten. Auer diesen Schwie-rigkeiten lastete noch die Sorge auf Hudson Taylor, was mit seinen inder Heimat lebenden Kindern geschehen sollte. Wer wrde ihnen dieLiebe dieser mtterlichen Freundin, Miss Blatchley, ersetzen? Bevor erselbst oder seine Frau sie erreichen konnten, muten Monate verstreichen.
An einen Mitarbeiter, der in hnlicher Prfung stand, hatte er einigeMonate frher geschrieben:
Wir haben nur eins ntig: Gott besser kennenzulernen. Nicht ber uns selbst,nicht ber unsere Aussichten, selbst nicht ber den Himmel sollen wir uns freuen,sondern der Herr selbst soll unsere Freude sein. Wenn wir Ihn kennen, freuen wiruns ber das, was Er uns schickt nicht, weil es uns gefllt (wenn es etwas An-genehmes ist), nicht weil wir hoffen, da es uns zum Besten diene (wenn es schwerist), sondern weil es Seine Gabe, Sein Befehl ist, auch wenn Er uns etwas verweigertoder nimmt. Ihn kennen! Paulus, der einen Schimmer Seiner Herrlichkeit gesehen hatte,konnte alles fr .Schaden' achten im Vergleich zu dieser kostbaren Weisheit. Diesemacht den Schwachen stark, den Armen reich, den Hungrigen satt. Diese macht ausLeiden Freude und verwandelt Trnen in Diamanten, wie die Sonne den Tau inPerlen verwandelt. Diese macht uns furchtlos und unbesiegbar."
Das Jahr aber, in dem er so viele Prfungen persnlicher Art erlebthatte, sollte mit Lob und Dank enden. Frchtet euch nicht vor der Mhe,frchtet euch nicht vor dem Kreuz; sie lohnen sich." So hatte er anderngeschrieben, und so erfllte es sich an ihm selbst in reichem Mae.
Als er Anfang Dezember Shaohing erreichte, war der dortige Leiter,Stevenson, gerade abwesend, um seine Auenstationen zu besuchen. Ineiner Gebirgsgegend, etwa 150 Kilometer sdwrts, erlebte er eine be-sondere Wirkung des Heiligen Geistes. Hudson Taylor suchte ihn dortauf. Als er den Flu hinauffuhr, erinnerte er sich an jene erste, einsameReise, als er von Taichow aus dieselbe Gegend bereist hatte. Damals fander Shaohing gegenber ein dichtbevlkertes Gebiet, das tiefen Eindruckauf ihn machte. Er hatte eine Hauptstadt nach der andern besucht, hattedie zahlreichen Stdtchen und Drfer gesehen, in denen das Wort Gottesnoch nie verkndigt worden war. Von den Stufen des Haupttempels inChenghsien hatte er hinuntergeblickt auf die grauen Dcher der groen
Stadt und mehr als dreiig Stdte und Drfer zhlen knnen. Da warihm so beraus deutlich geworden, da hier berall Menschen lebten undohne Gott starben. Damals hatte er der Menge, die sich um ihn gesammelthatte, lange und eindringlich das Evangelium gepredigt und fr sie ge-betet.
Und nun sah er die Erhrung dieser Gebete. Wie oft hatte er an siedenken mssen, als er Stevensons Bemhen, dort einen Evangelisten an-zusiedeln, verfolgte! Zunchst hatten sie nur Widerstand und Feindschafterfahren. Aber jetzt war durch die Bekehrung eines angesehenen Mannesin Chenghsien ein neuer Tag angebrochen.
Herr Nying, ein fhrender Konfuzianer, stolz auf seine Bildung undStellung, war weit davon entfernt, sich um den Auslnder zu kmmern,der von Zeit zu Zeit in seine Stadt kam und wunderliche Lehren ver-kndete. Doch er interessierte sich fr abendlndische Wissenschaft. Zu-fllig besa er ein Werk darber, das er jedoch nicht verstand. Daherbenutzte er die Gelegenheit, als Stevenson die Stadt wieder einmal be-suchte, um sich mit ihm zu unterhalten. Der Missionar erklrte ihm alles,was er gern wissen wollte. Dann aber griff Stevenson nach einem NeuenTestament und fragte harmlos: Besitzen Sie auch die Bcher der christ-lichen Religion?"
Ja", antwortete der Gelehrte, aber, ehrlich gestanden, finde ich sienicht so interessant wie Ihre Bcher ber Wissenschaft."
Bei dem anschlieenden Gesprch stellte sich heraus, da Nying inbezug auf die Existenz Gottes sowie der Seele Skeptiker war. Das Gebeterachtete er als vollkommen unsinnig.
Wenn ein hchstes Wesen existierte", behauptete er, wrde es vielzu gro und fern sein, um sich um unsere winzigen Angelegenheiten zukmmern."
Geduldig versuchte der Missionar, ihn von seiner Meinung abzubrin-gen, aber vergebens. Als alle Beweise nichts halfen, nahm er ein einfachesGleichnis zu Hilfe. Wir sagen, da Wasser und Feuer Gegenstze sindund sich nie verbinden knnen. Das Wasser lscht das Feuer, und dasFeuer lt das Wasser verdunsten. Das ist unwiderlegbar. Aber whrendwir zusammen reden, hat mein Diener den Kessel mit Wasser auf dasFeuer gesetzt, und nun kocht es, damit ich Ihnen eine Tasse Tee bereitenkann.
Sie sagen, es gibt keinen Gott, und wenn es einen gbe, wrde er sichnie herablassen, unsere Gebete zu erhren. Aber glauben Sie mir, wennSie heute abend heimkehren, das Neue Testament nehmen und den Gottdes Himmels demtig und ernstlich bitten, Ihnen Seinen Geist zum rich-tigen Verstndnis zu geben, dann wird das Buch ein neues Buch frSie werden und Ihnen bald wichtiger sein als irgendein Buch auf der Welt.Versuchen Sie es doch einmal! Und ob Sie nun fr sich selbst beten oder
nicht ich werde fr Sie beten, ganz gleich, ob Sie es selbst tun odernicht."
Tiefer bewegt, als er es zeigen wollte, ging der Gelehrte heim. Seltsam,dachte er, so sinnlos die Sache zu sein scheint, dem Fremden war sie ernst.Da er sich so viel aus einem Menschen macht, den er bis heute noch niegesehen hat, da er fr mich beten will, wo ich selbst noch nicht einmalfr mich bete!
Als Nying an diesem Abend allein war, nahm er das Neue Testamentbeinahe belustigt in die Hand. Wie konnte ein gebildeter Mensch denken,da einige an ein unbekanntes Wesen gerichtete Worte das Buch inter-essant machen, ja, seine ganze Weltanschauung verwandeln knnten! Ob-gleich er nicht glauben konnte, wollte er doch die Probe machen. Pltzlichsagte er: O Gott, wenn es Dich gibt, dann rette meine Seele, wenn ichberhaupt eine habe! Gib mir Deinen Geist und hilf mir, dieses Buch zuverstehen!"
Frau Nying schaute im Laufe dieses Abends mehrmals in das Zimmer.Jedesmal fand sie ihren Mann in sein Studium vertieft. Endlich wagtesie, ihn auf die vorgerckte Stunde aufmerksam zu machen.
Warte nicht auf mich", antwortete er, ich habe noch Wichtiges zutun", und studierte weiter.
Das Buch war fr ihn ein neues Buch geworden. Als er Stunde frStunde weiterlas, nahm ein neuer Geist von ihm Besitz. Mehrere Tagewagte er nicht, seinen Angehrigen die Vernderung mitzuteilen. SeineFrau stammte aus einer adligen Familie, und er liebte sie und ihre Kindersehr. Ihm war klar, da die Verwandten ihn als Christen ausstoen wr-den. Wahrscheinlich wrde seine Familie ihn eher verlassen als solcheDemtigung ertragen. Aber sein Herz brannte in ihm, denn der wun-derbare Erlser, von dem er gelesen hatte, war fr ihn so wirklich, wieer es nie fr mglich gehalten htte. Die Worte, die Er vor so langer Zeitsprach, waren noch voll Leben und Kraft. Nying fhlte, da sie ihndurchdrangen und nicht nur ein neues Schuldbewutsein, sondern auchFrieden und Heilung brachten. Diese Freude in ihm war bermchtig.
Eines Tages sagte er endlich zu seiner Frau: Sobald die Kinder schla-fen, mchte ich dir etwas mitteilen."
Es war ein verzweifelter Schritt. Er wute nicht, wie er beginnen undwas er sagen sollte. Aber er wollte irgendwie seinen Glauben an Christusbekennen, obgleich er bei dem Gedanken zitterte, wie sie es aufnehmenwrde.
Schweigend saen sie sich am Abend gegenber. Er konnte sich nichtentschlieen anzufangen.
Wolltest du mir nicht etwas sagen?" fragte sie.
Da endlich sagte er ihr alles und mit wachsendem Staunen lauschtesie. Ein wahrer, lebendiger Gott nicht eins der Gtzenbilder im Tem-pel! Ein Weg, auf dem die Snden vergeben wrden! Ein Erlser, der
das Herz mit Freude und Frieden erfllen konnte! Zu Nyings Verwun-derung schien seine Frau ihm eifrig zu folgen.
Hast du Ihn wirklich gefunden?" unterbrach sie ihn pltzlich. O ichhabe mich schon so danach gesehnt, von Ihm zu hren! Denn es mudoch einen lebendigen Gott geben; wer sonst htte damals meinen Schreium Hilfe gehrt?"
Als die Taipingrebellen in die Stadt eingedrungen waren, in der ihreEltern lebten, und alles verbrannt und geplndert hatten, hatten sie auchihr Heim zerstrt. Viele Menschen wurden damals gettet, viele begingenSelbstmord. Sie selbst hatte sich hilflos und von Entsetzen gepackt ineinem Schrank verkrochen und gehrt, wie die Soldaten das Haus durch-suchten und immer nher kamen.
O Grovater des Himmels", hatte sie in ihrem Herzen geschrien,rette mich!"
Niemand anders als der wahre, lebendige Gott konnte dieses Gebeterhrt haben. Die Gtzenbilder im Tempel hatten ja nicht einmal sichselbst vor den schrecklichen Plnderern retten knnen. Aber obgleich dieRebellen auch ihren Raum durchsuchten, waren sie an ihrem Versteck vor-bergegangen. Seitdem sehnte sie sich danach, von dem wunderbarenGott zu hren, der sie gerettet hatte.
Nun versicherte ihr Mann voll Dankbarkeit und Freude, da wirklichsolch ein unendlich groes und gutes "Wesen existiere und da Er sogargeredet und sich den Menschen offenbart htte. Selten wurde der Berichtvon der Erlserliebe freudiger erzhlt und gehrt als dort, wo der stolzeKonfuzianer zuerst in seinem Heim und dann in der Stadt Christus zupredigen begann. So berwltigend war seine Freudigkeit, da sogar diein Verwirrung gerieten, die anfangs ber seine fremdartigen Ideen ge-spottet hatten.
Ihr mt euren Schler zur Vernunft bringen", sagte der Mandarindes Ortes zum Kanzler der Universitt. Er ist eine Schande fr uns,predigt er doch die fremde Lehre ffentlich auf den Straen. Als ich ihmVorwrfe machte, predigte er mich sogar an und sagte, er sei so erflltvon der ,Frohen Botschaft', da er sie nicht fr sich behalten knne."
Ich werde ihn schon zurechtbiegen", lautete die zuversichtliche Ant-wort, berlat ihn ruhig mir!"
Aber dem Kanzler ging es nicht besser als dem Mandarin. Auch ermute kapitulieren. Gestrkt durch das Wort Gottes und durch Besuchein Shaohing, wurde Nying bald ein vollmchtiger Prediger. Unter denersten, die er gewinnen durfte, war ein Mann, der bis dahin der Schreckenseiner Nachbarn gewesen war. Nichts war zu schlecht oder zu herzlos frLao Kuen gewesen. Die Dorfbewohner faten es nicht, durch welcheMacht dieser Lwe in ein Lamm verwandelt worden war. Doch sein alterVater, den er frher durch Grausamkeit und Vernachlssigung geqult
hatte, erfuhr die Echtheit der Verwandlung und wurde bald ein Christwie sein Sohn.
In immer weiteren Kreisen breitete sich der Segen aus, bis er denBesitzer einer Spielhlle und eines belberchtigten Hauses in einer Nach-barstadt erreichte. Seine Bekehrung fiel noch mehr auf als die der brigen,denn die Spieltische verschwanden, das Haus wurde von den unsauberenElementen gereinigt und das beste und gerumigste Zimmer als Kapelleeingerichtet. Er lie es selbst reinigen und frisch tnchen, ehe er es zumGottesdienst anbot.
Aus solchen und anderen Menschen bestand die Gruppe von Bekehr-ten, ber deren Taufe Stevenson berichtet hatte. Insgesamt zehn hattenbisher das Bekenntnis zu Christus angenommen, und zahlreiche anderesuchten noch weiter nach der Wahrheit. Als Hudson Taylor in der Stadtankam, fand er sich bald von einer erweckten, eifrigen Schar umgeben.Welch frohe Begrung gab es da, welche Gesprche, welch ein Singenund Beten! Es war wie ein Stck Himmel auf Erden, ein herrlicher Vor-geschmack der hundertfltigen Ernte.
Nachmittags fand noch eine Versammlung in Nyings Haus in Gegen-wart seiner Frau und Tochter statt. Abends versammelten sich die Chri-sten wieder in der Kapelle.
Ich htte vor Freude weinen knnen", schrieb Hudson Taylor, beimAnhren dessen, was die Gnade bei jedem einzelnen der Anwesendenbewirkt hatte. Die meisten berichteten von einem Verwandten oderFreund, auf dessen Bekehrung sie hofften ... Noch nie habe ich in Chinaso etwas erlebt."
Dieses Erlebnis ermutigte Hudson Taylor sehr. Hier sah er, wie seinefrhere Schau in Erfllung zu gehen begann, und sein Gebet fr die nochunerreichten Gebiete, das nie verstummt war, wurde noch dringender.
Ich hoffe so sehr, einige dieser vergessenen Provinzen mchten balddie Verkndigung hren. Ich sehne mich bei Tage danach, und des Nachtsbete ich darum. Kann es Ihm weniger wichtig sein?"
Am 1. Januar 1873 schrieb er an Miss Blatchley:
Ich bitte Sie, tglich zu beten, Gott mge uns zeigen, welche Provinzwir zuerst in Angriff nehmen sollen. Wir haben den allmchtigen Gottmit uns, den allweisen Berater, der uns leiten will; den in uns wohnendenHeiligen Geist, der dem gepredigten Wort Kraft verleiht. Beten Sie frmich um mehr einfltiges Vertrauen zu Ihm und um den Mut, groeDinge zu wagen! ... Versuchen Sie die Freunde dafr zu gewinnen, dasie tglich ernstlich um die Erffnung neuer Provinzen fr das Evange-lium beten! Christus mu dort eilends verkndigt werden. Mittel undMissionare mssen wir von Ihm erbitten."
Ob er finanzielle Schwierigkeiten oder rtliche Probleme bespricht,stets atmen seine Briefe diesen Geist.
Betet treu! Vertraut ohne Wanken! Erwartet groe Dinge von Gott!Wenn wir nur einige Menschen von der rechten Art haben, werden wirbald in mehr als eine der unbesetzten Provinzen eingedrungen sein."
Aber die Jahre vergingen, und es stellten sich nur wenige Menschenund Mittel ein. Unter diesen Umstnden war es nur natrlich, da Hud-son Taylor die Mitarbeit der chinesischen Helfer besonders hoch schtzte.Er hatte schon immer die in der Erkenntnis fortgeschrittenen Chinesenermutigt, und nun plante er neue Wege, um sie mglichst umfassend aus-zubilden und zu verwenden.
Ich mchte jetzt unsere Organisation so umgestalten, da wir mitweniger europischen Missionaren mehr Arbeit leisten", schrieb er imApril an seine Eltern. Ich hoffe, vor Ablauf dieses Jahres eine Schulezur grndlichen Durchbildung unserer chinesischen Helfer erffnet zuhaben. Dies war schon lange unser Wunsch, und die Erfllung scheintjetzt in greifbare Nhe zu rcken."
Der Plan, den er fortwhrend im Auge behielt, ging dahin, da injeder Regierungszentrale eines Distrikts chinesische Helfer und in Stdtenvon geringer Bedeutung Kolporteure unter der Leitung eines erfahrenenMissionars arbeiten sollten. Anfangen wollte er mit den Hauptstdtender Provinzen und Regierungsbezirke. Bei der Ausfhrung dieses Planesachtete er auf besondere Weisungen Gottes. Sobald er Seinen Willen er-kannte, war er jederzeit bereit, seine besten Leute auch auf strategischscheinbar unwichtige Posten zu stellen, wenn nur der Geist Gottes dortwirkte. Abgesehen von solchen Weisungen richtete er sich mglichst genaunach dem erwhnten Plan. Hierfr wurde es aber ebenso wichtig, chine-sische Helfer auszubilden wie rechte Missionare zu bekommen: Mnnerdes Glaubens, mit einer persnlichen Erfahrung Gottes, Mnner vollEnergie, die vor keiner ueren Schwierigkeit zurckschreckten und eben-so wie er selbst in engster Berhrung mit dem Volk lebten. Um solcheMissionare betete er.
Wir stehen im Begriff, in das Innere vorzudringen", schrieb er etwasspter an ein Ausschumitglied. Es ist ungnstig, da man nicht vielGepck mitnehmen kann. Aber dadurch reizt man die Ruber. Wer nichtzum Verzichten bereit ist, sollte daher lieber zu Hause bleiben."
An ein anderes Mitglied schrieb er:
Die einzigen Menschen, die wir hier gebrauchen knnen, sind solche,die an Arbeit Freude haben, an wirklich harter Arbeit, nicht am Trumen.Arbeiter, die verzichten, die leiden knnen, um zu retten. Von solchenMnnern und Frauen knnen wir nie zu viel haben. Und Gott wird sieversorgen, wie gro auch ihre Zahl sein sollte, denn sie sind Seine Juwe-len, die Er schtzt und liebt."
Zu dieser Zeit kamen neue Mitarbeiter aus England unter Mr. JuddsFhrung. Hudson Taylor wollte sie in Schanghai empfangen und dort
gleichzeitig ein Missionszentrum einrichten. Das Werk war so gewachsen,da ein Zentrum an der Kste erforderlich wurde.
Er fand in der Nhe der amerikanischen Siedlung fnf kleine chine-sische Lden, deren offene Vorderseiten zugebaut und durch einen Flurverbunden werden konnten. Das war das erste Zentrum der China-Inland-Mission in Schanghai, das das Ehepaar Fishe noch vor dem Jahres-ende 1873 bezog.
In der Stadt mute er sich mit einer Unterkunft in einem chinesischenGasthaus begngen und freute sich ber die Gelegenheit, dadurch gleichzu erproben, welcher Art die jungen Mnner waren, die Mr. Judd mit-gebracht hatte.
Die Neuankmmlinge waren frhmorgens ausgezogen, um HudsonTaylor zu suchen. Von Mr. Judds Freunden erfuhren sie, da der Leiterder Mission in Schanghai sei und sich wahrscheinlich zum Dampfer be-geben habe, um sie abzuholen. Deshalb kehrten sie in Begleitung vonMr. Judd dorthin zurck. Unterwegs rief dieser pltzlich: Da ist Mr.Taylor!"
Wir blickten uns um", erzhlt einer der Gefhrten, aber wir sahen nur einenChinesen auf einem Schubkarren. Der Karren hielt an, und die Gestalt kam auf unszu. Es war gut, da wir jemand bei uns hatten, der ihn kannte, sonst htten wir nievermutet, da dies Mr. Taylor sei. Das Wetter war kalt, und er trug ein wattiertesGewand mit Jacke. Auf seinem Kopf sa eine Windhaube mit Seitenteilen, die dasGesicht eng umschlossen, so da nur eine medaillenfrmige ffnung fr Augen, Naseund Mund blieb. In den Hnden hielt er einen riesigen chinesischen Schirm, den er nachLandessitte mit dem Griff nach vorn trug. In seinen wattierten Gewndern sah er fastebenso breit wie lang aus. Unsern europischen Augen erschien er als die sonderbarsteFigur, die wir je gesehen hatten. Er sagte, da er fr die Damen und Mr. Judd schon beiFreunden in der franzsischen Siedlung Quartier bezogen htte und wandte sich dannan Henry Taylor und mich mit den Worten: .Wenn wir vom Schiff zurckkommen,knnen Sie mich vielleicht zum Hotel bringen!"
Die jungen Mnner sagten frhlich zu, ohne zu ahnen, was sie dorterwartete. Mr. Baller fhrt fort:
Wir wandten uns in eine Seitengasse. Mr. Taylor fhrte uns durch das Menschen-gewhl zur Tr eines chinesischen Postamtes. Er geleitete uns durch das vordere Brozu einer Tr mit chinesischem Schlo, ffnete und lud uns ein, ihm die Treppen hinaufzu folgen. Es war stockdunkel und sehr eng. Wir stolperten ihm nach und befandenuns im Hotel! Es bestand aus einem Raum von etwa zwlf Fu im Quadrat ohnejeden Zierat, mit einem viereckigen Tisch, einer kleinen, fellbezogenen Kiste und einemchinesischen Speisekorb. An einer Wand befand sich ein Podest, ber das eine chinesischeBettdecke gebreitet war. Das Fenster zur Strae bestand nur aus schmierigem Papier,das das Zimmer nur wenig erhellte.
Mr. Taylor forderte uns hflich auf, Platz zu nehmen. Nachdem er sich nach unsererReise erkundigt hatte, zog er eine Bibel hervor. Er las das 17. Kapitel des Johannes-evangeliums und fragte, was wir von dem Sinn der Worte: ,Da die Liebe, mit derdu mich geliebt hast, in ihnen bleibe und ich in ihnen' hielten. Ich wei nicht mehr, waswir antworteten, aber seine Frage machte mir tiefen Eindruck... Nach dem Lesenknieten wir nieder und beteten miteinander, wobei er uns dem Herrn anbefahl, der unsnach China gebracht hatte...
Das war unsere erste Begegnung mit Mr. Taylor in China, unser Empfang, unsereerste .Waschung', unser erstes Mahl. Seitdem hat sich alles sehr gendert, doch ich gbegern alle Verbesserungen dafr hin, um noch einmal die Empfindungen dieses Mor-gens zu erleben. Unser Leiter und Direktor zeigte uns durch sein eigenes Vorbild, waswir zu tun hatten, und benutzte unsere frische, junge Begeisterung, unserem Charakterseinen Stempel aufzudrcken. Von da an waren uns chinesische Kleidung, Nahrung,Sitte so natrlich wie den Enten das Wasser. Persnlich kann ich fr dieses Erlebnisnicht dankbar genug sein. Ich bin spter in vielen noch schmutzigeren Gasthuserngewesen und habe oft sprlicheren Luxus genossen als den in Mr. Taylors ,Hotel', aberdie Erinnerung an sein Beispiel hat es mir immer leicht gemacht und mich vor Un-zufriedenheit bewahrt."
Die jungen Mnner setzten in Nanking unter der Leitung von Mr.und Mrs. Judd ihre Studien fort. Hudson Taylor eilte nach Chekiangzurck, wo seine Patienten auf ihn warteten und wo er die Einzelstatio-nen besuchen wollte. Er dachte an die zwlf Millionen dieser verhltnis-mig kleinen Provinz, und sein Herz war beschwert. Er verga aberber seiner Sorge um die Inlandprovinzen nicht die Not des leicht zu-gnglichen Feldes, das auf Arbeiter wartete. Von einer der sdlichenStationen schrieb er im Januar 1874 an Mr. Hill:
Die Arbeit macht Fortschritte, und ich hoffe, sie wird es weiter tun... Wenn derHerr mich am Leben erhlt, hoffe ich, da es in ein oder zwei Jahren in dieser Provinzkeinen Bezirk mehr gibt, in dem wir Christus nicht gepredigt haben Nur in fnf-zehn der dreiundsechzig Hauptstdte dieser Provinz wohnt ein Evangelist. Zehn vondiesen wurden von uns bearbeitet, fnf durch andere Missionare. Achtundvierzig sindnoch unerschlossen. In einer Stadt habe ich krzlich ein Haus gemietet, in eine anderehoffe ich morgen ein paar Mnner senden zu knnen. Wenn es ihnen gelingt, hinein-zukommen, werden immer noch vier der Hauptstdte und sechsundvierzig Distrikts-stdte fnfzig Stdte fr Christus zu erobern sein. Der Herr helfe uns, treu zusein! Der Gedanke an meine Familie daheim und die Not der sterbenden Heiden hierlassen mich zu Ihm schreien: ,Herr, was willst Du, da ich tun soll?' "
Hudson Taylor befand sich tatschlich in einer schwierigen Lage. DerArbeit in England fehlte Miss Blatchley. Er hatte schon eine seiner bestenMitarbeiterinnen, Miss Dsgraz, dorthin entsandt und ihr die Sorge frdas Haus und die Kinder bertragen. Da sie aber selbst erholungsbedrf-tig war, konnte sie die zahlreichen andern Pflichten nicht auch noch be-wltigen, die Miss Blatchley bis jetzt erledigt hatte. Es war niemand da,der es konnte. Obgleich die vierzehn Monate geduldiger, beharrlicherArbeit die Lage in China wesentlich verbessert hatten, waren die Schwie-rigkeiten auf verschiedenen Stationen noch nicht vllig berwunden. Erwollte aber nicht nur wieder Ordnung schaffen, sondern weiterkommen.Die Geldverhltnisse waren ungnstiger als vorher, was seine Anwesen-heit in England dringend notwendig machte. Andererseits war es fastunmglich, die Arbeit auf dem Missionsfeld zu verlassen. Die Missionbefand sich in einer solch schwierigen Lage, da er nur bei engster Ver-bindung mit jeder einzelnen Station wissen konnte, wo er mit Gebet undHilfe eingreifen mute.
Vergangene Woche war ich in Taiping", heit es in einem Brief an Mr. Hill vom26. Januar, das ist eine von den groen, noch nicht in Angriff genommenen Stdten.Mein Herz war tief bewegt, als ich die Scharen kommen sah, die kilometerweit dieStraen buchstblich fllten (es war gerade Markttag), so da wir kaum vorwrts-kamen ... Wir konnten nur wenig predigen, weil wir einen Ort fr dauernde Arbeitsuchten. Ich mute mich an die Stadtmauer zurckziehen und zu Gott schreien, Ermge sich des Volkes erbarmen, ihnen die Herzen ffnen und uns Einla verschaffen.
Ohne da wir danach gesucht htten, kamen wir mit vier gengstigten Seelen inBerhrung. Ein alter Mann wurde irgendwie auf mich aufmerksam und folgte mir zuunserm Boot. Ich lud ihn zu mir ein und fragte nach seinem Namen.
,Mein Name ist Tsing', antwortete er. ,Ich habe eine Frage, die mich qult und aufdie ich keine Antwort finde. Was soll ich mit meinen Snden tun? Unsere Gelehrtensagen uns, es kme nichts mehr nach dem Tode; doch ich kann das nicht glauben.'
,Glaube es nur nicht!' antwortete ich. ,Vor jedem von uns liegt eine ewige Zukunft.Entweder mu man auf ewig im hllischen Feuer brennen, oder man freut sich frimmer in himmlischer Seligkeit.'
Aber was kann ich denn tun? Was soll ich mit meinen Snden machen?' Zu Hausehtte man geantwortet: ,Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du errettet.'Doch dieser Chinese hatte den Namen Jesu noch nie gehrt. Freudig erzhlte ich ihmvon dem lebendigen, liebenden Gott, unserem Vater im Himmel. Ich sagte ihm mehrereBeispiele Seiner vterlichen Liebe und Frsorge.
Er unterbrach mich und fragte: ,Aber was haben wir zu tun, um solche Gunst, solcheGte zu erwidern? Ich sehe nicht, was wir dafr tun knnten. Unsere Gelehrten sagen,es genge, wenn wir am Jahresende den Himmel und die Erde und die Gtzenbilderverehren. Aber das befriedigt mich nicht.'
,Du weit aber noch nicht die Hlfte dessen, wofr du zu danken hast', erwiderteich und fuhr dann fort, von der Snde und ihren Folgen zu reden, von Gottes Er-barmen, der Menschwerdung und dem stellvertretenden Tod Christi, dem Tod des Un-schuldigen fr die Schuldigen, damit Er uns zu Gott fhre.
Der arme alte Mann erzhlte mir von all den Gtzenbildern, die er anbetete. DerGedanke berwltigte ihn, da er dadurch stndig gegen den wahren, lebendigen Gottgesndigt hatte. Er brauchte einige Zeit, um zu erfassen, da er fast siebzig Jahre langFalsches geglaubt haue. Als meine Gefhrten zurckkehrten, lauschte er noch einmalder wunderbaren Geschichte vom Kreuz. Dann verlie er uns getrstet, aber augen-scheinlich noch nicht vllig im klaren ber alles Gehrte. Er wollte weiter darbernachdenken. beraus froh war er, als er erfuhr, da wir ein Haus gemietet hattenund hofften, bald dauernd christliche Kolporteure in diese Stadt schicken zu knnen."
Kein Wunder, da eine solche Erfahrung in den inneren Kmpfen, dieHudson Taylor durchmachte, ein Krise herbeifhrte! Auch zwei Frauenund ein junger Mann wollten von seinen Gefhrten den Weg des Lebenserfahren. Im Geiste sah er schon Scharen aus den umliegenden Stdtenund Drfern an den Werktagen zum Unterricht in die kleine Evange-liumshalle kommen, bis sie ihrerseits wieder andere lehren knnten. Aberdie gleiche Arbeit htte in allen fnfzig Stdten der Provinz getan werdenmssen. Und dann das weite Land jenseits der Grenze! Sollte er aufhalbem Wege stehenbleiben nur wegen der Geldknappheit oder wegender Schwierigkeiten, die seine Anwesenheit in der Heimat zu verlangenschienen? Den ganzen Winter hindurch, und besonders seit Mr. Judd mitneuen Hilfskrften zurckgekehrt war, hatte er um Weisung gefleht, ob
Gott es wollte, da die Arbeit in einen Teil der neuen Provinzen hinein-getragen werden sollte. Er gewann immer mehr die berzeugung, dabeides geschehen msse. Gottes Mittel sind jeder Gelegenheit gewachsen,und auf Seine Kraft muten sie sich verlassen, Ihm ganzes Vertrauenschenken.
Es war ein Schritt des Glaubens, den Hudson Taylor damals tat. Inseiner Bibel wurden spter einige Bleistiftzeilen gefunden, die augen-scheinlich in enger Verbindung mit seinem Besuch in Taiping und demGesprch mit dem alten Mann im Boot stehen. Er schrieb einen Tagdarauf einen Brief an Mr. Hill, als er noch ganz von diesem Erlebniserfllt war:
Taichow, den 27. Januar 1874. Ich bat Gott um fnfzig oder hundertweitere einheimische Evangelisten und so viele europische Arbeiter, wientig sein wrden, um die vier Fu- und die achtundvierzig Hsien-Stdtein Chekiang zu besetzen. Ferner erbat ich die ntigen Helfer zum Angriffauf die neun unbesetzten Provinzen. Ich bat Gott im Namen Jesu: ,Ichdanke Dir, Herr Jesus, fr das Versprechen, durch das Du mich zuver-sichtlich machst. Gib mir alles, was ich an Kraft, Weisheit und Barm-herzigkeit zur Ausfhrung dieser groen Arbeit brauche!'"
Bevor er sein vorbergehendes Heim in Fenghwa erreichte, ergriff ihneine schwere Krankheit. Kein Wunder, da seine Krfte erschpft waren!Im tiefsten Winter war er beinahe stndig unterwegs gewesen, hatte daund dort eingreifen mssen und seine Frau Monate nicht gesehen. Schlie-lich trafen sie sich im leeren Missionshaus in Fenghwa. Doch bald hiees wieder aufbrechen, denn auf der zwei Tagereisen entfernten Missions-station waren die beiden letzten Kinder von Crombies lebensgefhrlicherkrankt. Die Reise ging ber tief verschneite Bergpsse. Noch vor Hud-son Taylors Rckkehr traf ein Eilbote aus einer entlegenen Station mitder Nachricht ein, da dort eine Familie an den Pocken erkrankt sei.
So kam es schlielich zum Zusammenbruch seines beranstrengten Kr-pers, und als seine Patienten auer Gefahr waren, ergriff ihn selbst einFieber, so da er nur mit groer Mhe nach Fenghwa zurckkehrenkonnte.
Es war kein vielversprechender Anfang zur Erhrung der Bitte, die erin jenen Tagen in seine Bibel geschrieben hatte. Wochenlang lag er hilflos,von Schmerzen geplagt und unfhig, etwas anderes zu tun, als auf dieAntwort des Herrn zu warten. Von alledem, was Seine Weisheit inzwi-schen vorbereitete, ahnte Hudson Taylor nichts. Er wute nur, da dasMitleid und die Liebe, die er zu den Verlorenen empfand, ein Stck derunendlichen Liebe Christi war, und zweifelte nicht, da diese Liebe einenWeg zu ihrem Ziel finden wrde. Niemals allerdings waren die Aussich-ten schlechter gewesen. Aber er trug im Herzen die berzeugung, dasogar fr die Inlandprovinzen Gottes Zeit gekommen wre.
Whrend er langsam genas, wurde ihm eines Tages ein Brief aus-
gehndigt. Er kam von einer Unbekannten. Mrs. Grace aus Buckingham-shire interessierte sich erst seit kurzem fr die Mission.
Mein lieber Herr", stand da mit zittriger Handschrift geschrieben,durch Gottes Segen hoffe ich in zwei Monaten Ihrem Ausschu zur wei-teren Ausdehnung der China-Inland-Mission achthundert Pfund zurVerfgung stellen zu knnen. Bitte beachten Sie: fr neue Provinzen!...Ich finde Ihre Quittungsformel wunderschn: ,Der Herr unser Panier, derHerr wird's versehen/ Wer Glauben behlt und Ihm die Ehre gibt, denwird Jehova der Heerscharen gewi zum Siege fhren."
Achthundert Pfund fr neue Provinzen, fr weitere Ausdehnung derInlandmission der Genesende traute seinen Augen kaum. Konnte je-mand diese Worte geschrieben haben, ohne etwas von der Not zu wissen,die er in den vergangenen Monaten durchlebt hatte? Es schien, als httedie Schreiberin dieser Zeilen seine geheimen Gedanken gekannt. Nochehe er jenes Gebet in seine Bibel geschrieben hatte, war der Brief abge-sandt worden, und jetzt, wo er das Geld am dringendsten brauchte, hatteihn die wunderbare Besttigung erreicht.
Von seinem Krankenlager aus kehrte er in das Yangtsetal zurck underlebte einen glcklichen Frhling in Chinkiang. Aber nicht nur hier,sondern auf allen Stationen strmte neues Leben in die Gemeinden. Neu-bekehrte wurden in die Gemeinde aufgenommen, und chinesische Leiternahmen an Erkenntnis und Weisheit zu. Im April konnte Hudson Tayloran seine Eltern schreiben:
Seit ich nach China zurckgekehrt bin, haben wir das Evangeliumin sieben neue Bezirke tragen knnen, und in ungefhr ebenso vielenandern haben wir neue Stdte in Angriff genommen. Die Hangchow-Gemeinde hat ihren ersten Missionar ausgesandt, den sie selbst gewhlthat und durch eigene Gaben erhlt."
Im Mai fgte er hinzu:
Mr. Stevenson erlebt auf allen Stationen neuen Segen. Seit ich ihnbesuchte, wurden acht Chinesen getauft. hnlich geht es Wang Lae-djn.Krzlich hat er auf drei Auenstationen die ersten Bekehrten getauft.Mr. Crombie berichtet von gesegneter Arbeit in Fenghwa und Ninghai.Auch auf den nrdlichen Stationen sehen wir Fortschritte."
Nheres schreibt er am 29. Mai an Mr. Hill:
Wir erleben die Freude, von fast allen Stationen Nachrichten berFortschritte geistlichen Lebens zu bekommen. Mr. Stott schreibt, da dieArbeit in Wenchow seit fast zwei Jahren noch nie so erfolgreich war.Mr. Rudland meldet den siebzehnten Taufkandidaten in Tientsi. (Dortwurde uns ein Gtzentempel als Gotteshaus geschenkt.) . . . Hierin Chinkiang wurden gestern vier getauft, und wir hielten eine groeVersammlung. Einer der Getauften stammt aus Hunan, einer der unbe-setzten Provinzen, die uns schon lange auf dem Herzen liegt. Ist Gottnicht gtig, uns auf diese Weise zu ermutigen, wo so wenig Geld eingeht?"
Auch ltere Missionare schpften neue Hoffnung inmitten der Notihrer Bezirke. Und die Jungen, die inzwischen gute Fortschritte in derSprache gemacht hatten, drngten sich zur Pionierarbeit. Alle, die ihreStationen verlassen konnten, kamen noch einmal mit Hudson Taylor zueiner Gebets- und Gemeinschaftswoche zusammen. Dann zog er mit Mr.Judd aus, um weiter stromaufwrts ein Haus fr den neuen, westlichenArbeitszweig zu suchen.
Inzwischen nderte sich aber an den Finanzen nichts. Am 1. Maischrieb Hudson Taylor in einem Brief an seine Mutter, er habe im ver-gangenen Monat nicht einen einzigen Dollar fr die allgemeinen Bedrf-nisse der Mission besessen. Im April hatte er seiner Frau geschrieben:
Der gestrige Uberschu betrug 67 Cents. Aber der Herr regiert. Darinliegt unsere Freude und Zuversicht."
Als etwas spter der berschu noch geringer war, bemerkte er Mr.Baller gegenber: Wir haben das und auerdem alle VerheiungenGottes."
25 Cents plus alle Verheiungen Gottes, damit knnte man sich alsKrsus fhlen", schrieb letzterer in Erinnerung an jene Zeit.
Hudson Taylor sorgte sich eher um etwas, das schwerer auf ihm lagals die Geldknappheit. Er frchtete, die Freunde in der Heimat knntenin ihrem Wunsch, ihm zu helfen, versucht sein, in Versammlungen oderim persnlichen Verkehr um Geld zu bitten. In Briefen bat er einzelneernstlich, das nicht zu tun. Seiner Meinung nach war diese Prfungszeitkein Grund, die Grundlage der Mission zu ndern. Nach dem Empfangeiner groherzigen Spende Georg Mllers Anfang April schrieb er:
Die Arbeit gedeiht allgemein sehr. Wir fhlen uns deshalb glcklicherdenn je in dem Herrn und in Seinem Dienst. Noch nie wurde unserGlaube so auf die Probe gestellt, und noch nie haben wir so sehr SeineTreue erfahren."
Das Vertrauen auf den Herrn schien ihm sicherer als der Ausweg,Schulden zu machen oder Menschen um Hilfe zu bitten. Wie ernst es ihmdamit war, beweist der folgende Brief an ein Ausschumitglied, der kurznach der Gebetswoche in Chinkiang geschrieben worden war:
Es tut mir sehr leid, da Sie sich Sorgen machen, weil Sie uns kein Geld schickenknnen. Wir mssen alle unsere Sorge darauf richten, mit dem, was der Herr unsschickt, sparsam umzugehen. Aber wenn das geschehen ist, brauchen wir uns wegeneines scheinbaren oder wirklichen Mangels nicht zu sorgen. Nachdem ich schon so vieleJahre von Gottes Treue gelebt habe, kann ich bezeugen, da Zeiten des Mangels immerZeiten besonderen Segens gewesen sind oder zum Segen gefhrt haben. Ich bitte drin-gend darum, da niemals um Geld gebeten wird auer im Gebet vor Gott. Wennunsere Mission zum Bettler wird, stirbt sie. Gott ist treu. Er mu es sein. ,Der Herrist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.' Er hat gesagt: .Sorget nicht fr euer Leben,was ihr essen und trinken werdet, auch nicht fr den Leib, was ihr anziehen werdet!Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euchsolches alles zufallen.' Gehorsam ist besser als Opfer und Aufmerken besser als Fettder Widder.' Lieber Bruder, zweifeln heit Gott versuchen, glauben aber nicht."
Hudson Taylor und seine Frau taten in dieser Zeit auch finanziell vielfr die Arbeit. Einen betrchtlichen Teil dessen, was sie zum eigenenGebrauch erhielten, gaben sie an Mitarbeiter weiter. Eine Erbschaft, dieMrs. Taylor von einer Verwandten zugefallen war und jhrlich vier-hundert Pfund einbrachte, wurde freudig fr den Dienst des Herrn ge-opfert. Ein nahestehender Freund hatte die Richtigkeit dieses Schrittesangezweifelt. Das fhrte zu folgender brieflichen uerung HudsonTaylors:
Ich war ganz damit einverstanden und bin es noch, da meine liebe Frau ihrEigentum dem Herrn zur Verfgung gestellt hat. Wir knnen nicht erwarten, da alleber diesen Punkt derselben Meinung sind, ich meine ber Kapital und Zinsen, Schen-kungen oder freiwillige Beitrge. Wir knnten ja auch das jhrliche Einkommen derMission kapitalisieren und nur die Zinsen gebrauchen. Aber ich frchte, dann wrdedas Einkommen klein und die Arbeit nicht sehr ausgedehnt sein.
Ich mchte nicht, da Sie unsere Gedanken und Absichten in bezug auf diesesEigentum miverstehen. Wir knnen es nicht zu Geld machen, da es zur Hlfte mitjhrlicher Kndigung festgelegt ist... Augenblicklich erhalten wir nur etwa vierhundertPfund jhrlicher Zinsen, die vierteljhrlich zahlbar sind. Wir beabsichtigen nicht,Kapital oder Zinsen in den allgemeinen Fonds zu geben (obgleich wir es tun wrden,wenn wir dazu Weisung erhielten), sondern wir wollen es gleich fern von Geiz oderVerschwendung im Gehorsam gegen den Herrn fr besondere Zwecke gebrauchen, frdie der allgemeine Fonds nicht aufkommt. Vielleicht gibt es einige khlere Rechner,als wir es sind. Wir sind ja auch nicht unerfahren in Geldangelegenheiten, aber in allunseren Berechnungen zhlen wir auf Gottes Treue. Bis jetzt sind wir noch nicht zu-schanden geworden. Ich frchte nicht im geringsten, da es in Zukunft geschehen wird."
Es war ein denkwrdiger Tag, als Hudson Taylor mit seiner Frau denmchtigen Yangtse bis zu seinem Zusammenflu mit dem groen Hanhinaufzog, wo die Hauptstadt Mittelchinas, Wuchang, zugleich den vor-geschobensten Posten der protestantischen Mission darstellte. Dieses groeHandels- und Kulturzentrum lag sechshundert Meilen von der Ksteentfernt, jenseits aller Inlandstationen, die er bisher besucht hatte. NachNorden, Westen und Sden hin erstreckten sich die neun Provinzen, vonden drren Steppen der Mongolei und den schneebedeckten MauernTibets bis zu den tropischen Dschungeln von Burma. Diesem riesigen Ge-biet, dessen Not schon lange auf Hudson Taylors Herz gelegen hatte,konnte er sich nun endlich zuwenden. Er schrieb darber:
O wie sehnt sich meine Seele nach der Evangelisation der hundert-achtzig Millionen dieser unbesetzten Provinzen! Htte ich doch hundertLeben, um sie fr diese Menschen hinzugeben!"
In England wurde die Situation der Mission immer schlimmer durchMiss Blatchleys Krftezerfall. Miss Soltau schrieb spter darber:
Ich sehe sie noch vor mir, wie sie schmal und bla auf dem Sofa lagund fr jeden Missionar und jede Station betete. Wie schwer lag die Sorgeum das Werk auf ihrem Herzen! Wute sie doch genau, da sie bald vonuns genommen werden wrde."
Hudson Taylor trug schwer daran, da er nicht sofort, als er von ihrer
Krankheit hrte, nach England zurckkehren und sie entlasten konnte.Doch ein Monat nach dem andern verstrich, und erst nachdem er dieMglichkeit fr einen dauernden Aufenthalt Mr. Judds in Wuchang ge-sichert sah, stand der Weg zur Rckkehr nach England offen. Es wreleichter gewesen, in dem auf der anderen Seite des Stroms liegenden Ver-tragshafen Hankow eine Niederlassung zu grnden. Aber dort arbeitetenschon erfahrene Missionare der Londoner Missionsgesellschaft und derWesleyanischen Mission. Wuchang war sehr fremdenfeindlich. Zwlfmalzerschlugen sich die Vertrge, obwohl die Gebude gemietet und zum Teilschon bewohnt waren, bis die Zentrale des westlichen Zweiges der China-Inland-Mission endgltig gegrndet werden konnte. Dadurch verlorHudson Taylor so viel Zeit, da Miss Blatchley heimging, bevor er Chinaverlassen konnte.
Es war eine schmerzliche Heimkehr nach England im Oktober 1874.Miss Blatchleys Platz war leer, die Kinder zerstreut, die allwchentlicheGebetsversammlung unterbrochen und die Arbeit beinahe eingeschlafen.Auerdem hatte Hudson Taylor vor einigen Monaten whrend seinerFahrt den Yangtse aufwrts einen Unfall gehabt. Er war mit Mr. Juddauf einem kleinen Frachtschiff gereist, dessen Treppe zum Zwischendeckkaum besser als eine gewhnliche Leiter gewesen war. Hudson Taylorwar auf einer der obersten Stufen ausgeglitten und zu Boden gestrzt.Dabei schlug er mit der Ferse auf, brach einen Knchel und erlitt dazueine Rckgraterschtterung. Er hatte Tage mit furchtbaren Rcken-schmerzen erlebt und auch, als der Knchel schon heil war, mute er nochan Krcken gehen. Nach zwei Wochen in England trat eine allmhlicheLhmung der unteren Glieder ein, und der Arzt verordnete unbedingteBettruhe. So war er in den besten Jahren zur Unttigkeit verurteilt undmute still liegen, obwohl so viel zu tun gewesen wre. Nun galt es,stille zu sein und sich in Gott zu freuen.
Gegen Ende des Jahres wurden die Aussichten auf Heilung nichtbesser. Hudson Taylor verlor immer mehr jegliche Fhigkeit sich zubewegen und konnte sich schlielich nur noch mit Hilfe eines Seils, dasber ihm angebracht war, von einer Seite auf die andere legen. Zuersthatte er noch ein wenig schreiben knnen, aber jetzt war er nicht einmalmehr imstande, eine Feder zu halten. Unglcklicherweise mute er auchnoch die Hilfe seiner Frau entbehren.
Zu dieser Zeit, Anfang des Jahres 1875, ging durch die christlichePresse ein kurzer Aufsatz mit der berschrift:
Aufruf zum Gebetfr 150 Millionen Chinesen.Es wurde kurz ber die neun unbesetzten Provinzen berichtet und dar-ber, da Freunde der China-Inland-Mission seit langem um Pionieredes Evangeliums fr diese Gebiete gebetet htten. Es seien vor kurzemviertausend Pfund fr diesen Zweck gespendet worden. Unter den Be-
kehrten auf den schon bestehenden Stationen der Mission befnden sichbereits einige aus dem fernen Inland. Diese wollten von Herzen gern dieFrohe Botschaft in ihre Heimat tragen. Dann hie es weiter:
Augenblicklich brauchen wir am dringendsten Missionare als Leiter.Will nicht jeder Christ, der diesen Aufruf liest, eine Minute dem ernst-lichen Gebet widmen, damit Gott noch in diesem Jahr achtzehn fhigeMnner dazu erweckt, die sich fr diese Arbeit zur Verfgung stellen?"
Es wurde nicht erwhnt, da der Leiter der Mission hoffnungsloskrank lag, auch nicht, da die viertausend Pfund von ihm und seinerFrau kamen und ein Teil ihres Vermgens waren, das sie Gott geweihthatten. Es stand nichts darin, da sie und andere schon seit zweieinhalbJahren tglich im Glauben um die achtzehn Evangelisten gebetet hatten.Aber diejenigen, die den Aufruf lasen, waren so bewegt, wie es nur danngeschehen kann, wenn Gott selbst redet.
So kam es, da Hudson Taylor bald danach mitten in einer groenKorrespondenz stand, der er sich mit Freuden widmete, weil er sah, wieder Herr wirkte.
Die Mission hatte damals keine bezahlten Hilfskrfte", schrieb er ber diese Zeit,aber Gott sandte uns freiwillige Helfer, die sich Tag fr Tag unangemeldet ein-stellten, um nach Diktat zu schreiben. So konnten die Briefe beantwortet werden. Wennein solcher Helfer, der morgens gekommen war, nicht lange genug bleiben konnte, umalles zu erledigen, erschien sicher noch ein zweiter, und nachmittags kamen dann nochein paar andere. Gelegentlich kam ein junger Freund, der in der City angestellt war,nach Schlu des Geschfts einige Stunden und erledigte die Buchfhrung oder den Restder Briefe. So ging es tagaus, tagein. Diese Zeit erzwungener Arbeitsunfhigkeit warder glcklichste Abschnitt meines Lebens, in dem ich mich nur des Herrn freuen undauf Ihn warten konnte. Ich sah, wie Er aus allen Nten hilft. Niemals weder vorhernoch spter ist meine Korrespondenz so tadellos erledigt worden.
Und die achtzehn erbeteten Mitarbeiter kamen. Zuerst erhielt ich ihre Briefe, dannbesuchten sie selbst mich in meinem Krankenzimmer. Bald erteilte ich von meinem Bettaus chinesischen Unterricht. Und als der Herr mit ihrer Aussendung begonnen hatte,fingen die treuen Freunde in Mildmay an, um meine Genesung zu beten. Der Herrsegnete die Mittel des Arztes, und ich durfte aufstehen. Ein wichtiger Grund fr meineKrankheit war behoben, denn wenn ich gesund und krftig gewesen wre, htte mandenken knnen, da ich durch meinen dringenden Aufruf und nicht Gott durch SeinWirken die achtzehn neuen Arbeiter nach China gesandt htte. Weil ich aber voll-stndig unfhig zur Arbeit war und nur einen Gebetsaufruf hatte diktieren knnen,war dies eine wirkliche Gebetserhrung."
Inzwischen war Hudson Taylor so weit hergestellt, da der Arzt ihmerlaubte, tglich einige Stunden aufzustehen. Aber er kam kaum dazu,denn seine Zeit war ganz ausgefllt mit Besprechungen, Diktaten undPlnemachen fr die Arbeit in China. Die wchentliche Gebetsversamm-lung fand jetzt in seinem Zimmer statt, und auch der Ausschu hielt vonZeit zu Zeit an seinem Bett die Sitzungen ab.
In dem vereinsamten Haus in Pyrland Road gingen viele Menschenaus und ein. Obwohl die erste Gruppe von achtzehn Mitarbeitern dieReise schon angetreten hatte, waren noch alle verfgbaren Rume mit
neuen Kandidaten besetzt. Es mute noch ein zweites Haus dazu gemietetwerden. Als Antwort auf den im Januar erschienenen Aufruf" meldetensich im Lauf des Jahres nicht weniger als sechzig Bewerber. HudsonTaylor fhlte sich fr deren Entschlsse mitverantwortlich und legte dasin einem Brief dar, der den Kandidaten zugesandt wurde. Erst wenn sienach klarem Einblick in die Grundstze der Mission ihr beitreten undmitarbeiten wollten, wurden sie zu einem lngeren Aufenthalt nachPyrland Road eingeladen, um die Arbeit persnlich kennenzulernen.
In dem Brief heit es:
Obwohl wir fr die wissenschaftliche Ausbildung einiger unserer Kandidatendankbar sind, legen wir doch viel greren Wert auf die geistliche Ausrstung. Wirbrauchen Menschen, die Gott vertrauen, weil sie wissen, da Er weise und treu ist. Siemssen Menschen des Gebets sein in der Gewiheit, da Er auf die hrt, die zu Ihmrufen. Wir brauchen Menschen, die glauben, da die Bibel Gottes Wort ist, und dieauf die Erklrung: ,Mir ist gegeben alle Gewalt...' bereit sind, nach bestem Vermgenden Befehl: .Gehet... lehret alle Vlker' auszufhren. Sie mssen darauf vertrauen,da Er, dem alle Gewalt gegeben ist und der verheien hat, alle Tage bei ihnen zusein, ein sichererer Schutz ist als alle europischen Kanonenboote. Sie mssen deshalbbereit sein, im Vertrauen auf Seine Kraft in die entlegensten Gebiete des InnernChinas zu ziehen. Wir brauchen Menschen, die an die Ewigkeit glauben und fr sieleben, die an ewig gltige Entscheidungen sei es zum Leben oder zur Verdammnis glauben und darum die Unwissenden und Schuldbeladenen wie Brnde aus demFeuer reien.
Die Mission wird durch Schenkungen, nicht durch Sammlungen erhalten. Wir habenalso kein sicheres Einkommen und knnen unsere Missionare nur insoweit untersttzen,wie wir selbst von Gott untersttzt werden. Wir senden also unsere Missionare nicht alsunsere Angestellten nach China. Aber wir sind Mitarbeiter solcher Menschen, die anGottes Berufung in dieses Werk glauben, die hinausziehen, um fr Gott zu arbeiten,und die deshalb dem, der sie in Seine Arbeit berief und dem sie dienen, zutrauen, daEr auch fr ihre irdischen Bedrfnisse sorgt. Fr solche beschaffen wir, sobald es an derZeit ist, Ausrstung und berfahrt und die Mittel zum Unterhalt, soweit wir es ver-mgen. Wie aus der letzten Nummer der .Gelegentlichen Nachrichten' hervorgeht,wird unser Glaube manchmal hart auf die Probe gestellt. Doch stets erweist sich Gottals treu und hilft uns zur rechten Zeit und auf die rechte Art.
Ein Drittel der Menschheit lebt in China und kennt das Evangelium nicht. ZwlfMillionen sterben dort jedes Jahr, die wir nicht mehr erreichen knnen. Wenn Ihrharte Arbeit und wenig Anerkennung wollt, wenn Ihr Gottes Zufriedenheit hherwertet als die Mibilligung der Menschen, wenn Ihr frhlich ertragen wollt, da manEuch all Eurer Habe beraubt und Ihr vielleicht sogar Euer Zeugnis mit Eurem Blutebesiegeln sollt, wenn Ihr mit den armen Chinesen in ihrem geistigen und moralischenTiefstand, ja in ihrem Schmutz und ihrer Verkommenheit Mitleid haben und sie liebenknnt dann drft Ihr hier mit einer Ernte und droben mit einer unvergnglichenKrone' und des Meisters Lob rechnen.
Ihr werdet finden, da niemand bei der China-Inland-Mission die Vorzge beiderWelten genieen kann. Bei uns knnen nur die glcklich sein, die diese Welt ber-wunden haben. Aber ich wage zu behaupten, da Sie ein Glck finden werden, wie Siees nicht fr mglich gehalten htten. Denjenigen, die alles fr ,Schaden und Kot' er-achten gegenber der berschwenglichen Erkenntnis Jesu Christi, unseres Herrn', be-zeugt Er selbst sich so, da sie den Tausch nie bereuen werden. Wer sich alles diesesbetend berlegt und sich dann noch zu unserer Arbeit hingezogen fhlt, mit dem wer-den wir gern in Verbindung treten."
Viele junge Mnner kamen nach Pyrland Road. Der Brief hatte sieeher ermutigt als abgeschreckt. Und sie durften bald etwas von den Ge-betserhrungen miterleben, zum Beispiel im Mai, nachdem Georg Kingnach China gesegelt war. Er fehlte der Arbeit sehr, denn obwohl er tags-ber in der City gearbeitet hatte, war er vor und nach den Geschfts-stunden einer der fleiigsten Helfer Hudson Taylors gewesen. Dieserhatte gesagt: Vielleicht wird der Herr den Umfang der Korrespondenzeine Weile verringern, bis Er uns wieder Hilfe schickt."
Und so war es. Georg King reiste am 15. ab, und fast whrend zweiWochen konnte die Arbeit ohne ihn bewltigt werden. Aber am 25.mute Hudson Taylor bei der Morgenandacht mitteilen, da mit dergeringeren Zahl der Briefe auch die Beitrge zurckgegangen waren.
Lat uns den Herrn bitten, Er mge einigen Seiner Haushalter dieNte der Arbeit in Erinnerung bringen", schlug er vor.
Er addierte, was vom 4. bis zum 24. eingegangen war. Es waren etwasmehr als 68 Pfund.
Das sind 235 Pfund weniger, als wir fr unsere durchschnittlichenAusgaben in China innerhalb von drei Wochen bentigen", bemerkte erdazu. Lat uns die Sache im Gebet vor Gott bringen!"
Die Antwort lie nicht lange auf sich warten. Am gleichen Abendbrachte der Postbote einen Brief, der einen Scheck enthielt mit der Be-merkung: Fr verkauftes Silbergeschirr." Es waren 235 Pfund 7 Shilling9 Pence. Am nchsten Tag war die Andacht ein Lobpreis Gottes. HudsonTaylor sagte: Vertraut auf Ihn in allen Dingen, und Ihr werdet nieenttuscht werden."
Ebenso bemerkenswert war ein Erlebnis, das Hudson Taylor etwasspter machte. Anfang Juni kehrte er aus Brighton zurck, wo er an einerKonferenz ber Heiligung" teilgenommen hatte. Whrend er auf derStation den Zug erwartete, redete ihn ein russischer Adliger an, der eben-falls an den Versammlungen teilgenommen hatte. Als er hrte, daHudson Taylor nach London fahren wollte, schlug er vor, gemeinsam zureisen.
Aber ich fahre dritter Klasse", sagte der Missionar.
Meine Fahrkarte erlaubt mir, dasselbe zu tun", lautete die hflicheAntwort. Als sie sich dann allein im Abteil gegenbersaen, zog GrafBobrinsky seine Brieftasche mit den Worten: Erlauben Sie mir, Ihneneinen kleinen Beitrag fr Ihre Arbeit in China zu geben!"
Als Hudson Taylor auf die Banknote in seiner Hand blickte, merkteer, da es sich um ein Versehen handeln mute, denn es war ein 50-Pfund-Schein.
Sie wollten mir doch sicher fnf Pfund geben?" sagte er rasch. Neh-men Sie diesen Schein bitte wieder zurck! Es ist ein Fnfziger!"
Zurcknehmen kann ich ihn nicht", antwortete der andere nichtweniger erstaunt. Ich wollte wirklich fnf geben, aber es mu Gottes
Wille gewesen sein, da Sie fnfzig haben sollten. Darum kann ich ihnnicht zurcknehmen."
Hudson Taylor stand noch vllig unter dem Eindruck dieses Ver-sehens", als er sein Heim in London erreichte. Die Freunde hatten sicheben zu einer Gebetsversammlung zusammengefunden. Es sollte einGeldbetrag nach China gesandt werden, doch fehlten 49 Pfund und11 Shilling. Die Missionsfreunde gaben sich jedoch nicht mit diesem Fehl-betrag zufrieden, sondern brachten die Sache gemeinsam vor Gott. AlsHudson Taylor sie um diese 49 Pfund 11 Shilling beten hrte, legte erden soeben erhaltenen Geldschein auf den Tisch. Er htte nicht direkteraus der Hand des himmlischen Vaters kommen knnen.
Eine weitere Ermutigung war die unerwartete Erffnung eines Reise-wegs nach Westchina. Vor ihrer Reise sandte Stevenson, der von Mr.Soltau begleitet wurde, lesenswerte Berichte ber die Fahrt durch Burmaund den Irawadi aufwrts nach Mandaley, der Hauptstadt des despoti-schen Knigs, ber seinen freundlichen Empfang und die Erlaubnis zurNiederlassung in Bhamo, wo damals noch keine Europer lebten. Dasalles vertiefte das Interesse und trug dazu bei, da Hudson Taylor imFrhjahr 1875 anstelle des kleinen Vierteljahrsblattes ein illustriertesMonatsblatt herausgeben konnte.
Das war ein groes Wagnis, denn damals hatte man noch nicht so vieleillustrierte Zeitschriften wie heute. Chinas Millionen" war bei seinemErscheinen etwas ganz Ungewhnliches. Das Blatt brachte aktuelle Auf-stze und Bilder Burma zog damals die ffentliche Aufmerksamkeitauf sich , gut bersetzte chinesische Erzhlungen fr die Jugend undganzseitige Sprche mit Blumenschmuck zum Ausmalen fr die Kleinenals Sonntagsbeschftigung. Es berichtete ber die Fahrten der Pioniere,ber Bekehrungen und Fortschritte auf den lteren Stationen, und vorallem brachte es Betrachtungen aus Hudson Taylors Feder, die alte undneue Freunde erfreuten.
Vor fnf Jahren (1876) hatte Hudson Taylor ein neues Verstndnisdes Glaubens gewonnen. Eine Stelle im griechischen Neuen Testamentbekam fr ihn eine ganz neue Bedeutung. Ihn berraschten die Worte:Ekete pistin Theou", Habet oder haltet die Treue Gottes!" Dashatte er noch nie gelesen. Er schlug damals den englischen Text nach undund las in Markus 11, 22: Habt Glauben an Gott!" Das war ihm be-kannt. Eine Stimme in seinem Innern sagte: Die alte Schwierigkeit! Wiegern htte er Glauben an Gott gehabt, wenn er nur gewut htte wie!Der griechische Text sagte etwas anderes aus. Es stand da nicht: Habe" in deinem Herzen irgendwie Glauben an Gott, sondern einfach:Halte fest, rechne mit Seiner Treue!" Das war doch etwas ganz anderes.Nicht mein Glaube, sondern Gottes Treue. Welchen Frieden schenkte das!
Und 1875, fnf Jahre spter, erfllte derselbe Gedanke sein Denkenaufs neue. China schien immer noch so unerreichbar wie frher trotz des
im Jahre 1860 abgeschlossenen Tientsin-Vertrages. Psse, die nur schwerzu erhalten waren, gaben wenig oder keinen Schutz. Jeder Europer, dersich in die unerlaubten Gebiete wagte, riskierte sein Leben. Nach beinahesiebzig Jahren protestantischer Mission in China waren insgesamt nurneununddreiig Zentren alle Missionsgesellschaften eingerechnet besetzt. Die achtzehn erbetenen Pioniere waren neu dazu geschenkt wor-den. In der vierten Nummer von Chinas Millionen", die sich im einzel-nen mit dem Plan der Mission zur Evangelisation aller Inlandprovinzenbeschftigte, schrieb Hudson Taylor:
Die Wurzel fast aller unserer Snden und Schwchen ist unser Mangel an Ver-trauen. Wir knnen sie nur meiden, wenn wir zu Ihm aufsehen und Seine Treue er-kennen ... Wer an Gottes Treue festhlt, wird nicht tollkhn oder leichtsinnig han-deln, aber er wird zu jeder Tat bereit sein, die von ihm gefordert wird. Wer an GottesTreue festhlt, wird es wagen, Ihm zu gehorchen, wie unweise es auch erscheinen mag.Abraham vertraute Gott, opferte Isaak und dachte: ,Gott kann auch wohl von denToten auferwecken.' Mose hielt fest an der Treue Gottes und fhrte die MillionenIsraels in die Wste. Josua kannte Israel und wute, wie fest die Stdte der Kanaaniterund wie kriegstchtig sie waren, aber er vertraute Gott und fhrte die Israeliten durchden Jordan... Die Apostel vertrauten Gott und frchteten sich weder vor dem Hader Juden, noch vor der Feindschaft der Heiden... ,Und was soll ich mehr sagen? DieZeit wrde mir zu kurz, wenn ich erzhlen sollte' von allen, die festhielten an GottesTreue und darum glaubten und ,Knigreiche bezwangen, Gerechtigkeit erwirkten, dieVerheiung erlangten'... .Krftig geworden sind aus Schwachheit, stark geworden imStreit, der Feinde Heere daniedergelegt haben'.
Auch Satan hat seine Religion: Zweifel an Gottes Treue. .Sollte Gott gesagthaben? Irrt ihr euch nicht ber Seine Gebote? Er hat es vielleicht nicht so gemeint.Ihr nehmt den Sinn Seiner Worte zu buchstblich.' ... Wie viele schtzen die Schwierig-keiten nach den verfgbaren Krften ein und unternehmen daher nur geringe Dinge und haben dabei keinen Erfolg! Alle Helden Gottes sind schwache Menschen gewesen,die groe Dinge fr Gott taten, weil sie damit rechneten, da Er mit ihnen seinwrde... Liebe Freunde, wenn es einen lebendigen, treuen und wahrhaftigen Gottgibt, dann lat uns an Seiner Treue festhalten! Dann knnen wir in jede ProvinzChinas hineinkommen. Dann knnen wir mit ruhiger, nchterner, aber zuversicht-licher Siegesgewiheit jeder Schwierigkeit und Gefahr entgegengehen. Dann knnen wirmit Kraft in der Arbeit, Geldmitteln, Durchhilfe Gottes und endlichem Erfolg rechnen.Lat uns Ihm nicht nur ein Stck unseres Vertrauens schenken, sondern tglich, stnd-lich Ihm dienen, indem wir ganz an Seiner Treue festhalten!"
Im Frhjahr 1876, zehn Jahre nach der Ausfahrt der Lammermuir",wurde das erste Jubilums-Dankfest gehalten. Hudson Taylor war in-zwischen so weit wiederhergestellt, da er auf einen krftigen Stock ge-sttzt ohne Hilfe gehen konnte. Das neue, frische Leben, das mit demAuszug der neuen Pioniere in die Arbeit gekommen war, blieb allenFreunden und Mithelfern nicht verborgen. Beweis dafr waren die gro-en Scharen, die die Mildmay-Konferenzhalle fllten. Aber wie wichtigdiese Versammlungen auch sein mochten, konnten die Redner doch nureinen kleinen Einblick in diese ersten zehn Jahre mit ihren Erfahrungender Liebe und Treue Gottes geben. Hudson Taylor konnte auf der Karteachtundzwanzig Stationen in fnf Provinzen zeigen, in denen Gemein-
den entstanden waren. Sechshundert glubige Chinesen waren in diesenzehn Jahren getauft worden. Mehr als siebzig der Bekehrten widmetenihr Leben der Verbreitung des Evangeliums. Auf ihnen ruhte die Hoff-nung besonders fr die zuknftige Arbeit im noch unerreichten Inland.Achtundsechzig Missionare waren ausgesandt worden, zweiundfnfzigstanden noch im Dienst der Mission. Die Mittel zu ihrem Unterhalt hat-ten nie gefehlt. Allerdings war die Prfung des Glaubens auch nicht aus-geblieben. Ohne Kollekte oder Aufruf zu irgendeiner Sammlung waren52000 Pfund eingegangen, und die Mission hatte niemals Schulden ge-macht.
Wieviel Gebete und praktische Selbstverleugnung hinter den Tat-sachen lagen, stand nicht im Bericht. Aber die Kandidaten in PyrlandRoad htten interessante Einzelheiten berichten knnen. Bei ihrer prak-tischen Vorbereitung auf die Gefahren und Opfer in der Arbeit gab ihnendas Vorbild ihres Leiters Mut. Er lebte den Glauben, der nicht ein ab-geschlossener, auf rtselhafte Weise zu erlangender Besitz, sondern einetgliche, lebendige Erfahrung war.
Es war damals wundervoll, mit ihm zusammen zu sein", erzhlteMr. Broumton. Er pflegte Easton und mich zu langen Gesprchen berChina in sein Zimmer zu holen. Dann gab er uns Ratschlge fr Pionier-fahrten und berichtete aus seiner eigenen Erfahrung. Mit tiefstem Inter-esse verfolgte er die Vorbereitungen zur Ausreise der Achtzehn."
Ein anderer berichtete ber seinen ersten Besuch in Pyrland Road:
Unvergelich war seine herzgewinnende Art zu gren. Er fhrtemich sofort in sein Arbeitszimmer, das gleichzeitig das Bro der Missionwar und durch groe Flgeltren mit dem vorderen Wohnzimmer ver-bunden werden konnte. Ich wei nicht, ob ich berrascht oder enttuschtwar.
Jedenfalls war es ein ungewhnlicher Eindruck. Der Raum war mitVerpackungsmaterial ausgefllt. Einige rohe Gestelle verdeckten eineWand ganz. Nahe beim Fenster, das den Blick auf trbselige Grten frei-gab, befand sich ein mit Zeischriften beladener Schreibtisch. Vor demKamin, an der Stelle, wo sich gewhnlich das Gitter befindet, stand eineniedrige, schmale, eiserne, mit einer sauberen Decke versehene Bettstelle Mr. Taylors Ruhesttte bei Tag und bei Nacht. Ich erinnere mich nicht,die Spur eines Teppichs auf dem Boden gesehen zu haben. Jedenfalls warkein Mbelstck vorhanden, das nach Bequemlichkeit oder Luxus aus-gesehen htte. Er benutzte niemals seine Stellung als Direktor der Missiondazu, sich auch nur den geringsten Vorteil oder die kleinste Bequemlich-keit zu verschaffen. Unter allen Umstnden blieb es sein Grundsatz, imGeist und in der Tat in gleicher Opferbereitschaft zu leben, die er vonseinen Missionaren erwartete."
Eines Tages war es soweit, da er nach China zurckkehren konnte,um die Pioniere in das ferne Inland zu begleiten. Die Erhrung der Ge-
bete vieler Jahre machte diese Reise mglich. Seine geliebte SchwesterAmalie und ihr Mann, Mr. Broomhall, stellten sich fr die Heimatarbeitzur Verfgung.
Wie stark mute ihr Vertrauen zum Herrn gewesen sein, als sie end-lich der Mission beitreten konnten, hatten sie doch zehn heranwachsendeKinder zu versorgen! Doch gerade das war vielleicht ihre beste Vorbe-reitung. Von Pyrland Road Nr. 2, dem Heim der Broomhalls, strmtebald so viel geistliche und praktische Hilfsbereitschaft aus, da es langedas beliebteste Heim der Mission war.
Die politischen Verhandlungen in Peking, die so lange hingezogenworden waren, hatten zu einer Krise gefhrt. Die chinesische Regierungwar nicht zu irgendeiner Wiedergutmachung fr den Mord an Margaryzu bewegen, und der englische Gesandte, der alle mglichen diplomati-schen Schritte unternommen hatte, stand im Begriff, die ganze Angelegen-heit in die Hnde des Admirals zu legen. Ein Krieg schien unvermeidlich.Viele Freunde der Mission waren entschieden gegen Hudson TaylorsAusreise.
Sie werden doch zurckkehren mssen", meinten sie, und jetztPioniere in die entferntesten Provinzen auszusenden, kommt doch kaumin Frage."
Es war tatschlich eine kritische Lage. Nach Jahren des Gebets undder Vorbereitung waren die Missionare fr die unerreichten Provinzengeschenkt worden. Sie befanden sich bereits in China und hatten einigeSprachkenntnisse erworben. Nun wollten sie vorwrtsgehen. Konnte essein, da das Gebet des Glaubens unerhrt blieb und das schon weitgeffnete Eisentor des inneren Burgbezirks vor ihnen geschlossen wurde?Hudson Taylor war nicht dieser Meinung. Er fhlte sich ganz sicher, daGottes Zeit gekommen sei, weil Er doch die Missionare geschenkt hatte.Es war ihm freilich klar, da im Falle eines Krieges nicht nur die Pioniere,sondern alle seine Mitarbeiter die Inlandstationen aufgeben mten. DieLage konnte nicht bedrohlicher aussehen. Noch bevor er England verlie,hatte der Gesandte tatschlich Peking verlassen, um die Erffnung derFeindseligkeiten vorzubereiten. Der Krieg hatte also bereits begonnen,weil andere Mittel wirkungslos geblieben waren.
Und doch das Gebet blieb auch jetzt nicht ohne Wirkung. Bei Gottgibt es kein Zu spt". Im letzten Augenblick, als es am unwahrschein-lichsten schien, erfolgte ein Umschwung im Auswrtigen Amt in Peking.Der Vizeknig Li Hung Chang, ein Mann mit klarerem Blick fr dieLage als seine Mitregenten, holte den englischen Gesandten noch recht-zeitig ein, um die Verhandlungen wieder anzuknpfen. In Chefoo wurdedann der Vertrag unterzeichnet, der endlich den Zugang zu den ent-legensten Teilen Chinas freigab. Das erfuhr Hudson Taylor bei seinerAnkunft in Schanghai. Die Unterzeichnung hatte eine Woche nach seinerAbreise von England stattgefunden.
Gerade als unsere Achtzehn zur Reise ins Inland bereit waren, keinenAugenblick frher oder spter, ffnete sich ihnen der Weg von selbst",schrieb Hudson Taylor.
Allerdings blieben die China-Inland-Missionare noch jahrelang fastdie einzigen Europer, die diese Gelegenheit nutzten. Weithin durchzogensie das Land in allen Richtungen und drangen bis ins stliche Tibet vor.In den nchsten achtzehn Monaten wurden etwa 45 000 Kilometer zu-rckgelegt und berall Bibelteile und Traktate verteilt oder verkauft,und dies fast immer unter freundschaftlichen Verhltnissen.
Man darf indessen nicht meinen, die Pioniere htten keine Schwierig-keiten gehabt. Obgleich die Haltung der Regierung augenblicklich gnstigwar, blieben die Vorurteile der Gelehrten bestehen. Auch muten diegroen und kleinen Reisebeschwerden ertragen werden. Und doch warenes wunderbare Reisen mit neuen Erlebnissen, den Fahrten ins Unbekannteund ihrem Suchen nach Menschenseelen. Tapfer hielten die Missionareaus in mannigfachen Gefahren, bei denen ihr junges Leben allein auf Gottangewiesen war. Am tiefsten beeindruckte sie die Bereitschaft zum Hrender Frohen Botschaft und das Eingehen auf geistliche Dinge. Juddund Henry Taylor in Honan, Easton und Parker auf ihrer Reise zumfernen Nordwesten alle berichteten das gleiche: berall Willigkeit zumHren, berall Menschen, die aufrichtig nach der Wahrheit suchten.
Bis das eigentliche Ziel der Mission, eine dauernde Niederlassung,erreicht war, muten weitere Reisen unternommen werden. Auch wennsich Heilssuchende zum Unterricht zusammenfanden und ein Gebiet ver-heiungsvoll schien, konnten sich die Missionare erst nach langer Zeitniederlassen. Einmal befand sich Mr. Nicoll, selbst aus Ichang ausgewie-sen, mit Hudson Taylor zusammen im Arbeitszimmer, als ein BndelBriefe abgegeben wurde. Darin wurde von schweren Aufstnden auf vierMissionsstationen berichtet. Nicoll meinte, Taylor allein lassen zu mssen,hrte diesen aber zu seinem groen Erstaunen bald sein Lieblingsliedpfeifen: Jesus, Frieden, tiefen Frieden, gibt die Freude, Herr, in Dir."In das Zimmer zurckgekehrt, konnte sich Nicoll nicht enthalten aus-zurufen: Wie knnen Sie pfeifen, wenn unsere Freunde in solcher Ge-fahr stehen?"
Mchten Sie mich furchtsam und verzagt sehen?" lautete die Ant-wort. Das wrde Ihnen nicht helfen und mich selbst bestimmt unfhigfr meine Arbeit machen. Ich mu die Last auf den Herrn werfen."
Das war das Geheimnis seiner Kraft. Er wlzte seine Last auf denHerrn ab. Er hatte die Ruhe und Freude im Herrn auch in Schwierig-keiten kennengelernt.
Fast ebenso gro wie sein Verlangen nach der Evangelisation derInlandprovinzen war damals Hudson Taylors Wunsch nach Einigkeitund Segen fr die Missionarskonferenz, die in Schanghai durchgefhrtwerden sollte. Eine solche Gelegenheit hatten sie bisher noch nicht gehabt
und wollten sie besonders nutzen. Deshalb brauchten sie dringend dieKraft des Heiligen Geistes.
Fr eine besonders wichtige Sache mssen wir jetzt beten", schriebHudson Taylor im Februar an seine Frau, die kommende Konferenz.Sie wird eine Macht sein zum Guten oder zum Bsen. Es hngt davonab, ob wir im glubigen Gebet treu sind. Wenn wir nicht eine Ausgieungdes Heiligen Geistes erleben, kann viel Schaden entstehen. Schon die Vor-besprechungen haben das leider gezeigt... Es wird auch nicht ohne An-griffe auf uns abgehen, wenn gewisse Absichten Erfolg haben. Aber unserGott ist ein allmchtiger Erretter. Ich setze meine Hoffnung auf Ihn.Wenn Sein Geist ausgegossen ist, wird das Bse gehindert, und warumsollte das nicht geschehen, wenn wir darum bitten? La uns also eifrigbeten tglich beten um dieses eine ... da nicht Zank und Zwietrachtherrschen, sondern Einigkeit und Liebe!"
Aber Hudson Taylor betete nicht nur, er unternahm auch alles, was inseiner Macht stand, um diese ihm so wichtige Einigkeit zu frdern undMiverstndnisse zu beseitigen. Es war nicht verwunderlich, da dieChina-Inland-Mission besonders heftig kritisiert wurde. Ihre Ziele undMethoden waren nie populr gewesen, und ihr neuer Schritt zur weiterenAusbreitung des Evangeliums trug zunchst den Charakter eines Experi-ments. Viele meinten, die Pioniere, die doch zum grten Teil noch sehrjung waren und erst am Anfang ihrer missionarischen Ttigkeit standen,sollten bei so schwieriger und wichtiger Arbeit noch nicht eingesetzt wer-den. Nun, sie waren ohne Zweifel unwissend und unerfahren im Ver-gleich zu lteren Missionaren und besonders den tchtigen Mnnern, dieman in den ersten Reihen der anderen Missionsgesellschaften findenkonnte. Niemand wre dankbarer fr solche Mitarbeiter gewesen alsHudson Taylor selbst. Aber sie waren alle dringend ntig auf demPosten, auf dem sie standen. Es war unmglich, den einen oder einigevon ihnen zu entbehren, wo China jetzt den Predigern des Evangeliumsganz offen stand. Sollte etwa niemand ausgesandt werden, weil mankeine besseren Mitarbeiter bekommen konnte?
Andererseits hatte Hudson Taylor Grund zu glauben, da diese Mit-arbeiter auf Gebet hin geschenkt worden waren. Er sah Gottes Handdarin, da sie bereitstanden, als die Tore des Westens sich ffneten. Er tatalles, was er konnte, die erfahrenen Missionare zu entlasten, und wardankbar, zuverlssige chinesische Christen mit den jngeren Evangelistenaussenden zu knnen. Er wute wohl, da auch sie Erfahrung zur Er-fllung ihrer Aufgabe brauchten. Zu viel Wissen kann allerdings aucheine Last sein, die entmutigt. Aber wenn die Erfahrung auch noch geringwar, so besaen sie dafr die Gesundheit und Hoffnungsfreudigkeit derJugend und die Elastizitt des Krpers und Geistes, was schon an sicheine groe Hilfe ist. Wenn die Kritiker diesen jungen Menschen nher-kommen, sie kennenlernen und von ihren eigenen Lippen die wunder-
baren Gelegenheiten Gottes hren knnten, wrden zweifellos ihre Ein-wnde zum Schweigen gebracht werden. Wie aber konnte dies mglichgemacht werden?
Ein Leiter mit weniger Erfahrung in Gottes Erziehungswegen als Hud-son Taylor htte vielleicht die ganze unfreundliche Kritik beiseite gescho-ben und sich nur um die eigene Arbeit gekmmert. Bei allen Anfeindun-gen verga er jedoch nie, da diejenigen, deren Ansichten ber Missions-praxis am meisten von den seinigen abwichen, wahrscheinlich ebenso auf-richtig das Kommen des Reiches Gottes herbeisehnten wie er. Er hatteetwas von der wirklichen, unaufhrlichen Einheit des Leibes Christi er-lebt. Das Auge darf zur Hand nicht sagen: Ich brauche dich nicht!" In1. Kor. 12, 15 heit es: So der Fu sprche, ich bin keine Hand, darumbin ich des Leibes Glied nicht, sollte er um deswillen nicht des LeibesGlied sein?" Im Gegenteil, was er auch sagt oder fhlt, zum Leibe gehrter und mu an ihm bleiben. Hudson Taylor erkannte immer klarer, wasdas fr die China-Inland-Mission bedeutete. Als Hand" konnte sichdiese Pionierarbeit weiter hinausstrecken als der brige Krper. Aber wennsie wirklich weiterkommen wollte, mute sich auch der Krper vorwrts-bewegen. Anders ging es nicht. Ein groer Teil seiner Arbeit und nichtder leichteste mute also in dem demtigen und geduldigen Bemhenbestehen, seine Brder bei jedem weiteren Schritt, den Gott ihn fhrte,mitzuziehen. Es wre natrlich viel leichter gewesen, allein und unab-hngig vorzugehen, aber wo ist Platz fr Unabhngigkeit in einem leben-digen Organismus, bei dem jedes Glied mit dem Ganzen unlslich ver-bunden ist?
Mit solchen Gedanken beschftigt, begab sich Hudson Taylor vonChinkiang nach dem neuen Missionszentrum in Wuchang. Mr. Judd wargerade mit einem der Pioniere nach der fernen Hauptstadt von Kweichowausgezogen, darum mute seine Stelle neu besetzt werden. Es war schwie-rig, die Verbindung mit den fernen Missionaren aufrechtzuerhalten undihnen regelmig Geldmittel zukommen zu lassen. Mehrere Wochen standder erfahrene Mitarbeiter Mr. McCarthy Hudson Taylor zur Seite.Dieser bereitete sich in jenen Tagen auf eine Reise nach Westchina vor.Hudson Taylor hatte schon lange daran gedacht, von den Pionieren soviele wie irgend mglich zu einer Konferenz zusammenzurufen. Darumhatte er in letzter Zeit bei der Aussendung von einzelnen Gruppen be-stimmt, da sie zu einem bestimmten Datum zurckkehren sollten, umBcher und Geld abzuholen. Und nun sah er bei seinen Beratungen mitMr. McCarthy die Mglichkeit, den Arbeitern der anderen Gesellschaftennherzukommen. Auf der anderen Fluseite in Hankow wirkten vieleMissionare anderer Gesellschaften, und es konnte zur gegenseitigen Ver-stndigung und Vorbereitung fr die groe Konferenz in Schanghai die-nen, wenn gemeinsame Versammlungen gehalten wurden. Die Zusage derWesleyanischen und Londoner Mission wurde nicht allzu freudig gegeben.
Hudson Taylor nahm sie aber als Gebetserhrung an, weil er nun mitden besonders kritischen Beurteilern der China-Inland-Mission in Fh-lung treten konnte. Leicht war das bei der Flle an Arbeit nicht, und freinen fein empfindenden Menschen war die Situation wenig angenehm.
So war er beinahe froh, als er eines Abends in Hankow so lange auf-gehalten wurde, bis es zu spt war, ber den Flu zurckzufahren. Bevorer an das andere Ufer gelangen konnte, muten die Stadttore geschlossensein, und ohne Nachtzeug konnte er nicht gut in einer Herberge ber-nachten. Er mute also Gastfreundschaft suchen. Deshalb wandte er sichan einen Missionar, mit dem er nur flchtig bekannt war und der einesehr ungnstige Meinung von ihm und der China-Inland-Mission hatte.Hudson Taylor erklrte ihm ganz schlicht die Lage und bat ihn um einNachtquartier. Hflich wurde er eingelassen, und die erwiesene Freund-lichkeit ebnete den Weg zum Gesprch. Weil Hudson Taylor ein ebensoguter Zuhrer wie Erzhler war, fanden sich beide bald in ernste Fragenvertieft, die auch die innersten Dinge berhrten. Eine herzliche Freund-schaft entstand aus diesem Beisammensein. Der Missionar benutzte baldeine sich ihm bietende Gelegenheit, um ffentlich zu sagen, da er niegeahnt htte, welch edler Mensch Mr. Taylor sei".
Wo Hudson Taylor Missionare anderer Gesellschaften fand, nahm ersich Zeit, ihre Arbeit kennenzulernen. Besondere Freude bereitete ihm einSonntag, den er mit Pfarrer David Hill in Wusueh verlebte, und inKiukiang verkehrte er viel mit den amerikanischen Missionaren. Erschrieb damals:
Der Herr mge uns oder vielmehr mir vergeben! ... Es bestehenjetzt in China Mglichkeiten wie nie zuvor, und wie sie wohl auch niewiederkehren werden. Da noch der Eindruck des kaiserlichen Erlassesnachwirkt, was wahrscheinlich nur wenige Monate anhalten wird, knnenwir in Wochen das erreichen, was uns frher Monate und Jahre gekostethtte. Auch erkenne ich darin Gottes Hand, da Er mich gerade jetzthierher gebracht hat."
Die lange verschlossenen Tren ffneten sich wirklich. Im Norden undfernen Nordwesten waren Pioniere unterwegs. McCarthy nherte sichbereits der westlichen Provinz Szechuan, die grer ist als Frankreich undbedeutend dichter bevlkert. Judd und Broumton hatten in der Haupt-stadt der Provinz Kweichow, etwa 1300 Kilometer von der nchstenMissionsstation entfernt, eine Station gegrndet, whrend Stevenson undSoltau von Bhamo aus ausgedehnte Reisen in das Kahchenhgelgebietunternahmen.
Hudson Taylor kehrte voll Dank und freudiger Erwartung nachWuchang zurck, um die Pioniere, die sich dort zu einer kleinen Kon-ferenz einfinden wollten, zu treffen. Und sie kamen. Aus den fernenInlandprovinzen, von den am Strom gelegenen Stationen versammeltensich siebzehn China-Inland-Missionare, dazu noch etwa ein Dutzend
andere aus Hankow. Die Hauptverantwortung fr die Versammlungentrug Hudson Taylor. Wie immer bei besonderen Anlssen wurde ein Tagzum Fast- und Bettag bestimmt. Sie alle hatten Verlangen nach mehrgttlichem Segen, der alles Kalte und Tote, alle Kritik und alle Miver-stndnisse aus ihrem Herzen zu tilgen vermag. Sie erflehten die Kraft desHeiligen Geistes fr die vor ihnen liegende groe Arbeit.
Diese Gebete fanden in den folgenden Tagen eine wunderbare Er-hrung. In Judds Gartenhaus am Berghang und in der Kapelle der Lon-doner Mission war Gott ihnen sprbar nahe. Nehmt euch Zeit zumHeiligsein !" war das Thema zu Dr. Griffith Johns Vortrag, dem Anspra-chen Hudson Taylors und anderer ber die praktischen Schwierigkeitenund die inneren geistlichen Probleme des Missionslebens folgten. Es wurdeviel gebetet, ganz besonders fr die noch unerreichten Provinzen. DieBerichte der jungen Missionare, so einfach sie waren, weckten tiefe Anteil-nahme. Die Hoffnungsfreudigkeit dieser unerfahrenen Arbeiter, ihre Be-geisterung und ihr kindliches Vertrauen auf Gott, da Er das Unmglichemglich zu machen imstande sei, wirkten ermutigend und ansteckend.
Hudson Taylor sandte die Pioniere gestrkt und ermutigt wieder ausund wandte sich der schwierigen Aufgabe an der Kste zu, wo drei Wo-chen spter die groe Konferenz in Schanghai stattfand. Sein Vortragbehandelte das Thema: Evangelisationsreisen in die Nhe und in dieFerne". Kein anderes Thema konnte leichter Meinungsverschiedenheitenoder gar Streit hervorrufen.
Abermals wurde das Gebet erhrt, und das scheinbar Unmgliche tratein. Hudson Taylors Vortrag erweckte, wie The Celestial Empire" (Dashimmlische Reich) berichtete, das grte Interesse der Zuhrerschaft. VonDr. Johns Erffnungsansprache mit ihrer eindringlichen, mchtigen For-derung eines Lebens im Heiligen Geist bis zu dem abschlieenden Aufrufder Gesamtkonferenz an die Missionshuser, Universitten und Kirchender Welt", Mnner und Frauen fr diese groe Gelegenheit auszusenden,gab alles nur Grund zum Danken. Hudson Taylor sprach von einer Ver-sammlung, reich an Segen fr das chinesische Volk, und dem wichtigstenSchritt, den die Missionen in China bis jetzt getan haben. Das Scheidennach zwei Wochen Gemeinschaft (vom 10. bis 24. Mai 1877) war wie dasAuseinanderreien einer Familie, die nie auf Erden wieder zusammen-kommen wird. Kein Miklang blieb zurck. Sogar die chinesische Klei-dung Hudson Taylors und seiner Mitarbeiter wurde nicht lnger als Be-leidigung empfunden, und die Ausbreitungsbewegung, deren Vertretersie waren, hatte Vertrauen gewonnen. Die meisten, wenn auch nicht alleAnwesenden, waren zur Frbitte bereit.
Schon vor der Konferenz in Schanghai hatte Hudson Taylor schlechteNachrichten ber eine anhaltende Drre in den nrdlichen Provinzenerhalten. Jahrelange Miernten hatten die riesige Bevlkerung an denRand einer Hungersnot gebracht. Briefe von zwei Pionieren aus Shansi
berichteten ausschlielich von der drohenden Gefahr. Hudson Taylorwute, was diese Situation bedeutete und welche Gelegenheit sie zur Ver-kndigung und auch zur praktischen Hilfe bot. Er bemhte sich, Turnerund James mit Geldmitteln zur Untersttzung der Hungernden zu ver-sehen. Sie arbeiteten als einzige evangelische Missionare in dem schwer-betroffenen Gebiet, und ihre Briefe, die in Chinas Millionen" verffent-licht wurden, erweckten allgemein Anteilnahme. Aber weil die Unter-sttzung lange fortgesetzt werden mute, erkannte Hudson Taylor dieDringlichkeit seiner Rckkehr nach England.
Die von ihm fr den Chinaaufenthalt vorgesehenen vierzig Wochennherten sich ihrem Ende. Aber leider blieb noch viel Arbeit in Chinaliegen. Er hatte noch keins der lteren Zentren besucht. So eifrig er sichauch fr Pionierarbeit einsetzte, lagen ihm doch auch die bestehendenkleinen Gemeinden am Herzen. Bei seiner angegriffenen Gesundheit wares nicht leicht, in der glhenden Sommerhitze die mhseligen Reisen aufsich zu nehmen, um Stationen in Chekiang zu besuchen und alle damitverbundene Arbeit kennenzulernen. Er hatte gehofft, das alles vor der.Konferenz von Schanghai erledigen zu knnen. Nun lagen jene wichtigenTage hinter ihm, und die Heimkehr nach England mute weiter hinaus-geschoben werden.
Manchmal scheint es hart", hatte er Anfang Mai an seine Frau ge-schrieben, so lange von Dir getrennt sein zu mssen. Aber im Glaubendaran, wie Jesus dreiunddreiig Jahre dem Himmel fern blieb und SeineErdenmission erst auf Golgatha beendigte, schme ich mich meiner Selbst-sucht."
Inzwischen hatte er einen Plan entworfen, nach dem er den kleinenGemeinden helfen wollte. Warum sollte man nicht eine Konferenz frchinesische Leiter in gleicher Weise halten wie die in Schanghai? Der Ge-danke an solch eine Mglichkeit war bis jetzt noch nie aufgetaucht, ge-schweige denn ausgefhrt worden. Wieviel Anregung und Ermutigungknnte davon ausgehen! Er traf sogleich die notwendigen Vorbereitungen.
Bete um besonderen Segen fr unsere Konferenz in Ningpo!" schrieber an seine Frau. Alle haben eine innere Auffrischung dringend ntigund ich selbst auch. Das heie Wetter scheint die Seele ebenso schlaff zumachen wie den Krper."
So empfanden alle. Als seine Besuchsreise beendet war und er mittenin den diesmal besonders umstndlichen Vorbereitungen zur Abreisestand, kam er zu der Konferenz, als ob sie das einzig Wichtige wre. Erschrieb danach:
Es war eine der interessantesten Konferenzen, die ich je mitgemachthabe. Wir waren erstaunt und erfreut ber die Geschicklichkeit unsererchinesischen Brder ... Wenn wir bedenken, da diese Menschen noch vorwenigen Jahren in der Dunkelheit des Heidentums lebten, werden wirermutigt und drfen noch grere Dinge fr die Zukunft erwarten ...
Gott schenke uns, da schon bald solche Versammlungen in allen Provin-zen des chinesischen Reiches gehalten werden!"
Kurz vor Weihnachten kehrte Hudson Taylor von seiner viertenChinareise nach England zurck. Fast sechzehn Monate war er fern vonden Seinen gewesen. Seine kleinsten Kinder von zwei und drei Jahrenkannten ihn nicht mehr. Die lteren Geschwister waren sehr gewachsen,und ein Adoptivkind, die verwaiste Tochter Duncans, des Pioniers vonNanking, war noch hinzugekommen. So fllten sieben Kinder das kleineHaus mit ihrem Weihnachtsjubel und erfreuten sein Vaterherz. AllzuvielZeit konnte er aber nicht mit ihnen zubringen.
In China hatte er tatschlich alle Stationen besuchen und fast alle Mit-arbeiter sprechen knnen. So brachte er die berzeugung mit nach Hause,da dringend neue Hilfskrfte, und zwar vierundzwanzig Mnner undmindestens sechs Frauen, schon im nchsten Jahr (1878) ausreisen sollten.Unter den Kandidaten, die ihn bei der Heimkehr begrten, standenmehrere zur Ausreise bereit. Bald war er vollauf mit Abschiedsversamm-lungen beschftigt, bei denen er vielen Freunden begegnete.
Ich bete jetzt um eine Erhhung unserer jhrlichen Einknfte um5000 Pfund", schrieb er im Februar an ein lteres Mitglied der Mission,und auerdem um 2000 Pfund fr Ausrstung und Uberfahrt. WollenSie auch tglich dafr beten? Wir gedenken Ihrer alle Tage im Gebet."
Inzwischen brachte jede Post schlimme Nachrichten von der wachsen-den Hungersnot in Nordchina. Im Januar wurde die Zahl der Gefhr-deten auf sechs Millionen geschtzt. Die gemeinsamen Bemhungen derchinesischen Regierung und des europischen Hilfskomitees waren vlligunzureichend im Kampf gegen die furchtbare Not. Hudson Taylor gabdie Tatsachen in Versammlungen und durch die Presse bekannt mit demErfolg, da reiche Geldmittel bei der China-Inland-Mission fr diesenHilfsdienst eingingen. Aber es war nicht blo Geld ntig. Es wurden nichtnur Zehntausende durch den Hunger dahingerafft, Tausende wurden auchin die Sklaverei verkauft. Besonders Mdchen und junge Frauen wurdenbuchstblich herdenweise von grausamen Hndlern aus dem Sden weg-geschleppt. Kinder kamen massenhaft um, die man in Waisenhusernhtte sammeln und fr Zeit und Ewigkeit retten knnen. Der Zugangzu der armen, leidenden Frauenwelt war sehr leicht geworden. Bestimmtwar es jetzt Zeit, Missionarinnen in die neu erffneten Inlandprovinzenzu senden.
Aber wo war die Frau, die dort die Leitung bernehmen konnte? Eswar keine Kleinigkeit, in das von der Hungersnot heimgesuchte, etwazwanzig Tagereisen von der Kste entfernt gelegene Gebiet zu ziehen.Es mute jemand sein, der Erfahrung besa, die Sprache kannte, denjngeren Missionarinnen helfen und fr sie sorgen konnte. In China warniemand dafr frei oder geeignet. Und daheim? Ja, da gab es nur eineMglichkeit aber ausgerechnet die kostete Taylor viel: seine Frau.
Sie besa die ntige Erfahrung, Gebetskraft, Opferwilligkeit, Sprach-kenntnisse und das Vertrauen aller Mitarbeiter. Aber konnte sie denn zuHause abkommen? Wenn schon fr ihn das Opfer gro war, wie dannerst fr sie als Frau und Mutter! Zuerst konnte sie tatschlich nicht ein-sehen, da dies ihr Weg sein sollte. Ihr Mann krnkelte und bentigteihre Hilfe bei der Arbeitslast, die auf ihm lag, ganz abgesehen von denKindern. Es konnte nicht richtig sein, ihn zu verlassen, selbst wenn dieFamilie auf andere Weise versorgt wrde. Der Kampf war kurz, aberverzweifelt.
Punkt fr Punkt wurden ihre Einwnde widerlegt, ihre Schwierig-keiten beseitigt, bis es keinen Zweifel mehr gab.
Ich fhle mich wie Gideon", schrieb Mrs. Taylor, meine Strke inChina mu darin bestehen, da ich auf Gottes Befehl handle. Und ichbrauche die Besttigung durch den ,Tau, der auf dem Fell lag* (Richter6, 36 f.). Ich bitte Gott, mir das ntige Geld fr einige Ausrstungsgegen-stnde zu senden, da wir gerade keins haben, und darber hinaus fnfzigPfund, damit noch Geld vorhanden ist, wenn ich abreise."
Am selben Dienstagnachmittag erhielt sie den Besuch einer Freundin.Beim Abschied sagte diese zu ihr: Darf ich Ihnen eine kleine Gabe zuIhrem eigenen Gebrauch geben, fr etwas, das Sie vielleicht fr die Reisenoch brauchen?"
Es waren zehn Pfund so viel wie die Mission damals zu den Aus-rstungskosten beisteuerte.
Keiner in Pyrland Road, nicht einmal Hudson Taylor wute etwasvon den Fellen". Sie wartete gespannt weiter. Mehrere Tage vergingen,ohne da ihr Gebet beantwortet wurde. Vielleicht versagte der Herr esihr, damit sie Ihm ohne besondere Besttigung vertraute.
Gestern, Sonntag", fhrt sie in einem Brief an Hudson TaylorsMutter fort, wurde mir gewi, da Er zur rechten Zeit fr mich sorgenwrde. Ich fhlte mich sehr glcklich in dem Bewutsein, da Er meinHelfer ist und ich, wenn ich ausziehe, Ihn noch besser kennenlernen undSeine Kraft in meiner Schwachheit mchtig finden werde."
Als sie am nchsten Morgen ihre Briefe durchsah, ob einer daruntereine Gabe enthielt, fand sie zunchst nichts. Dann ffnete sie einen Briefvon Barnsley und las voll Dankbarkeit, da sich Hudson Taylors Elternmit ihrem Schritt einverstanden erklrten. Und siehe da: Sein Vater fgteeinen Scheck ber fnfzig Pfund bei. Uberwltigt von Freude eilte siemit dem Brief in das Arbeitszimmer ihres Mannes. Er hatte den Briefbereits gelesen und sich gefragt, wie das Geld verwendet werden sollte.Er nahm nie das zur freien Verfgung" Bestimmte fr sich, auch dannnicht, wenn er es wie jetzt gerade brauchte.
O diese fnfzig Pfund gehren mir", sagte sie. Ich habe einen An-spruch darauf, von dem du nichts weit." Und sie erzhlte ihm die Vor-geschichte.
Und so", fhrt sie in ihrem Brief an die Mutter fort, nehmen wirdas Geld mit herzlichem Dank an Euch als Gottes Geschenk an. Ich hattezu dem Herrn gesagt: ,Fnfzig Pfund sind fr mich in diesem Augenblickmehr als ein Vermgen zu irgendeiner anderen Zeit. Sie sollen mir eineBrgschaft dafr sein, da Du auch fr andere Bedrfnisse sorgen wirst.Es ist ein liebevolles Eingehen auf meine Schwachheit/"
Inzwischen hatte Mrs. Broomhall, die nebenan wohnte, von dem be-absichtigten Schritt gehrt und war tief bewegt. Sie trug bereits die Sorgefr das Missionshaus und die Kandidaten. Daneben hatte sie fr ihreeigene groe Familie zu sorgen.
Wenn Jennie den Auftrag zur Ausreise nach China bekommen hat",sagte sie ohne Zgern, dann habe ich den Auftrag, fr ihre Kinder zusorgen."
Das war eine groe Beruhigung fr Mrs. Taylor. Unter solch treuerAufsicht konnten alle, auch die Kleinsten, mit dem Vater zusammenblei-ben, und die Familie brauchte nicht auseinandergerissen zu werden. Aberder Herr zeigte ihnen noch auf andere Weise, wie Er fr sie sorgte. AmTage, bevor Mrs. Taylor in Begleitung mehrerer neuer Mitarbeiter Eng-land verlie, kam ein Brief von einem alten Freund, worin er seine Zu-stimmung zu ihrem Unternehmen aussprach. In diesem Brief lag ein Be-trag zur Grndung eines Waisenhauses. Mit Erstaunen sah sie, da dieserScheck auf tausend Pfund lautete.
Bitte tragen Sie die Summe ohne Namen ein!" schrieb der Freund.Sie kommt nicht aus dem berflu. Ich werde sie in meinem Geschftvermissen. Aber wenn Sie sich um Christi willen trennen, kann ich nichtweniger geben."
Als Mrs. Taylor gegen Ende des Sommers von Schanghai aus nach derInlandprovinz Shansi aufbrechen konnte, war das ein groer Schritt vor-wrts. Mit ihr zogen zwei jngere Missionarinnen, Miss Hrne und MissErickmay. Mr. Baller gab ihnen das Geleit. Noch nie hatten sich Euro-perinnen so weit ins Inland gewagt. Mit ihrer Arbeit in den vom Hungerheimgesuchten Gebieten begann den Frauen und Kindern, den hundert-achtzig Millionen des fernen Inlandes ein kleines Licht aufzugehen. AlsHudson Taylor durch ein Telegramm ihre Ankunft erfuhr, schrieb er:
Ich kann Dir nicht sagen, wie mein Herz und meine Gebete bei Euchallen sind ... Ich danke Gott, der mir eine solche Lebensgefhrtinschenkte, der Jesus mehr bedeutet als ihr Mann und der Sein Werk wich-tiger ist als ihre Lieben und ein ruhiges Leben hier. Ich wei, da Erunsere Kinder segnet und segnen wird wie auch Dich, mich und die Arbeit.Der Gedanke macht mich froh, da ich Dich nicht selbstschtig zu meinereigenen Hilfe und Freude zurckbehalten habe. Was wird das fr eineErnte sein!"
Inzwischen wurde das Opfer fr ihn recht fhlbar. Solange Mrs.Broomhall von nebenan hufig kommen konnte, bereitete ihm seine
Familie wenig Last. Aber als seine Kinder an Keuchhusten erkranktenund das Haus isoliert werden mute, lag natrlich die Hauptlast auf ihm.Wenn der arbeitsreiche Tag vorbei war, mute er manche bange Nachtan den Bettchen wachen, weil die Mutter fehlte. Niemand aber htte siebesser und liebevoller pflegen knnen. Die Anhnglichkeit der Kinderbelohnte ihn fr alle Mhe. Die starke Belastung machte sich allerdingsbemerkbar.
Das Gebet um dreiig neue Mitarbeiter im Laufe dieses Jahres wurdeerhrt. Das brachte neue Arbeit. Bei der Jahresversammlung am 27. Maikonnte Hudson Taylor von vielen Kandidaten berichten, die zu groenHoffnungen berechtigten. So schrieb er einige Wochen spter an seineFrau:
Ich habe heute morgen lange gebetet um einen weisen und verstn-digen Geist, ein gtiges Herz und Organisationstchtigkeit. Der Herrlasse mich den ueren Ansprchen gem wachsen!"
Er war sehr dankbar, da bald danach eine unerwartete Zeit der Aus-spannung folgte die erste, die er sich, abgesehen von den Seereisen, seitden zwlf Jahren des Bestehens der Mission gnnte. Als Gast von MissWaidegrave und Lady Beauchamp verbrachte er mit deren Familienzwei Wochen im Engadin. So lernte er die Schweiz kennen. Viele Briefezeigen, mit welchem Entzcken er die Schnheiten der Seen, Berge undAlpenblumen in sich aufnahm und wie die Gletscherluft ihm neues Lebenzu geben schien. Die Freunde lieen ihm vllig freie Hand, ob er nunseine Korrespondenz erledigte oder nach Herzenslust durch die Tannen-wlder an den Berghngen wanderte. Aber auch dorthin folgten ihm dieSorgen der Mission. An einem einzigen Tag erhielt er fnfundzwanzigBriefe, von denen die meisten beantwortet werden muten. Auerdemschrieb er viel an seine Frau, die er in dieser herrlichen Umgebungschmerzlich vermite.
Jeden Tag betrachte ich das kleine Bibelzeichen mit den Worten ,UmJesu willen', das Du mir geschenkt hast", schrieb er am 27. August vonSils Maria aus, und ich bin dankbar fr die Mahnung. Wir sind nicht umDeines und meines Vergngens willen getrennt, auch nicht um Geld zuverdienen oder um der Kinder willen, ja nicht einmal China, der Missionoder den Missionaren zuliebe, sondern um Jesu willen. Er ist es wert!Und Er segnet Dich und lt alle Menschen, mit denen ich zusammen-treffe, so freundlich sein."
In Pontresina zogen ihn vor allem die Gletscher an. Mit einem Sonnen-schirm bewaffnet (nach chinesischer Sitte), einigen Biskuits und der Bibelverbrachte er den ganzen Tag auf ihnen oder in ihrer Nhe.
Viele Fragen wurden unter Gebet in der Einsamkeit der Berge durch-dacht. Nachdem die Gebete erhrt und die Inlandprovinzen Chinas ge-ffnet worden waren, muten nun Missionarinnen ausgesandt werden.Ein verantwortungsvoller Schritt, der aber folgerichtig war. Als Hudson
Taylor vor vielen Jahren am Strand von Brighton um die ersten vierund-zwanzig willigen und fhigen Arbeiter" bat, hatte er kaum so weit vor-ausgedacht. Wenn es schon Emprung hervorgerufen hatte, als er Mnnerin die Einsamkeit und die Gefahren schickte, was wrde dann erst ge-schehen, wenn er verheiratete oder unverheiratete Frauen veranlate,dasselbe zu tun? Weitere Fragen hingen mit der Organisation der sichausdehnenden Arbeit in der Heimat zusammen.
Doch meistens verbrachte er diese Stunden erquickender Einsamkeit inder Gemeinschaft mit dem Herrn. Es wurde ihm aufs neue deutlich: Eshat dem Vater gefallen, da in Ihm alle Flle wohnen sollte".
Die vielen Versammlungen, die Hudson Taylor dann im Septemberin England hielt, und die bemerkenswerten Gebetserhrungen im Zusam-menhang mit der Aussendung der 1878 erbetenen und geschenkten Drei-ig knnen hier nur kurz erwhnt werden. Achtundzwanzig neue Missio-nare zogen vor dem Jahresende hinaus, und weitere waren mit dem Ver-sprechen baldiger Aussendung angenommen worden. Nicht ein einzigerbrauchbarer Bewerber wurde wegen Geldmangels abgewiesen, obwohlmanchen gesagt werden mute, da zunchst kein Geld zur Aussendungvorhanden sei. Aber immer wieder sandte der Herr zweckbestimmte Mit-tel. So schrieb Hudson Taylor zum Beispiel im Oktober am Abreisetageiner Gruppe an zwei vielversprechende Bewerber und nahm sie fr dieArbeit in Shansi an. Er teilte ihnen zwar offen mit, da er zur Zeitkeine Mittel zur Ausrstung und berfahrt htte, lud sie aber ins Mis-sionshaus in London ein, damit sie mglichst bald ausreisen knnten. Die-ser Brief ging nachmittags ab, und einige Stunden spter befand sich unterder Post ein Brief von Lord Radstock, damals in Stockholm, der unteranderen Gaben eine Summe von hundert Pfund mit der Bestimmung ent-hielt: Damit zwei neue Arbeiter in das Hungergebiet von Shansi ent-sendet werden knnen!" So war das ntige Geld vorhanden und die Bahnzur Ausreise frei, bevor die jungen Mnner sich im Glauben auf den Wegnach London begeben konnten.
Er bekam auch Hilfe in Dingen, die schwieriger als die finanziellenwaren, so da Hudson Taylors Rckkehr nach China mglich wurde. DerAusschu wurde verstrkt durch William Sharp, und McCarthy ber-nahm die Mitherausgabe von Chinas Millionen". Noch wichtiger war,da Theodor Howard, der erste Vorsitzende des Ausschusses und lebens-lnglicher Freund der Mission, den Posten des Heimatdirektors annahm.Mr. Broomhall wurde in Anerkennung der unschtzbaren Dienste, die erin den drei letzten Jahren in Pyrland Road geleistet hatte, zum General-sekretr ernannt. Mrs. Broomhall sorgte weiterhin fr die ausziehendenund heimkehrenden Missionare und die siebzehn Kinder.
Trotzdem blieben noch genug Gebetsanliegen, und es bestand keinMangel an Schwierigkeiten in England oder China.
In Shansi veranlate ein Traum Mrs. Taylor zu ernster Frbitte fr
ihren Mann. In diesem seltsamen, lebhaften Traum sah sie, da er er-krankt war und dringend ihre Hilfe brauchte. Wie aber konnte sie ihmam besten helfen? In Shansi, 1500 Kilometer von der Kste entfernt,fhlte sie sich hilflos und unerreichbar, obgleich er zu ihr kommen wollte,um die nrdlichen Provinzen kennenzulernen. Die dringenden Aufgabenan der Kste machten das aber unwahrscheinlich. Sollte sie sich vielleichtnach Schanghai begeben? Die Arbeit, die sie fr die Waisen des Hunger-gebiets unternommen hatte, war wohlorganisiert, und ihre Mitarbeite-rinnen konnten sie allein weiterfhren. Zwei von den Missionaren derHauptstadt Taiyuan hatten Hilfe durch ihre Frauen bekommen, so daihre Anwesenheit nicht mehr unbedingt erforderlich war. Der Traumpate auch zu anderen Weisungen, die sie erhalten hatte. Deshalb ent-schlo sie sich, wenn auch noch in groer innerer Ungewiheit, das Ge-birge zu berschreiten und nach Schanghai zurckzukehren. Auf demlangen Wege war sie sich der Leitung Gottes klar bewut.
Tatschlich befand sich ihr Mann auf der Reise nach China, ohne dasie es genau wute. Er brauchte ihre Frbitte sehr, denn er war im Indi-schen Ozean so schwer erkrankt, da ein Arzt in Singapore zweifelte, ober lebend Hongkong erreichen wrde. Dennoch setzte er die Reise fort.In Hongkong erreichte ihn die Nachricht, da seine Frau bereits inSchanghai auf ihn warte. Ihre Briefe strkten ihn, und die Freude darberhalf ihm ber den Rest der Reise hinweg. Kurz nach ihrer Ankunft inSchanghai hatte sie am 18. Mrz 1879 geschrieben:
Ich habe vor dem Herrn einige der zahlreichen Schwierigkeiten aus-gebreitet, die Dich erwarten, und denke nun fast mit Freuden an sie.... Mir ist in diesen letzten Monaten klargeworden, da der wichtigsteTeil unserer Arbeit der unsichtbare ist, der auf dem Berge der Frbittegeschieht. Unser Glaube mu den Sieg fr die Mitarbeiter, die Gott unsgegeben hat, gewinnen. Sie kmpfen in der sichtbaren Schlacht, und wirmssen in der unsichtbaren kmpfen. Drfen wir Geringeres als vlligenSieg beanspruchen, wenn er fr Ihn ist und wir in Seinem Namen kom-men?"
In der ersten Freude des Wiedersehens erfllten ihn die Plne zumBesuch der Stationen und zur Strkung der neuen Missionare, die wh-rend seines Aufenthalts in England nach China ausgereist waren. Aberdie Last der Arbeit war grer als seine Kraft. Er war so krank, da seinLeben wieder an einem Faden hing. Der hinzugezogene Arzt hatte wenigHoffnung, es sei denn, der Patient wrde sofort in ein besseres Klimagebracht. Der Sommer nahte, und es hatte daher keinen Zweck, irgendwoim Yangtsetal zu bleiben. Der nrdlichere Hafen Chefoo mit seiner fri-schen Seeluft wurde als der beste Zufluchtsort vor der Hitze gewhlt. Wieaber sollten sie dahin kommen?
Es wurde eine sorgenvolle Fahrt vom Montagabend bis Mittwoch-morgen durch feuchten Seenebel und mit dem melancholisch drhnenden
Nebelhorn. Besonders in der zweiten Nacht wute sich Mrs. Taylorkeinen Rat mehr. Mr. Taylor war so geschwcht, da er kaum Nahrungzu sich nehmen konnte, und sie frchtete, er wrde in Chefoo nicht mehrvom Dampfer an Land gebracht werden knnen. Sie getraute sich kaumnoch zu schlafen. In einem Brief an Miss Dsgraz in Chinkiang heit es:
In meiner Not schrie ich zu Gott um Hilfe. Ich bat Ihn, entweder meinem Mannzu ermglichen, die vorhandene Nahrung aufzunehmen, oder mir zu zeigen, wo ichetwas anderes fr ihn bekommen knnte. Auch erinnerte ich Ihn an Sein Wort: ,DerMensch lebt nicht vom Brot allein/ Er knnte ihn deshalb auch ohne Mittel heilen.Ich bat Ihn auch, den Nebel zu lichten und die Verantwortung von mir zu nehmen,weil sie mir zu schwer war. Ich dachte daran, da ,Gott unsere Zuversicht und Strkeist, eine Hilfe in den groen Nten, die uns getroffen haben..Dann wandte ich michzu meinem Mann, und es gelang mir, ihn zu berreden, etwas Nahrung zu sich zunehmen. In der Nacht trank er eine Tasse Krutertee. Am nchsten Tag ging es ihmentschieden besser... An diesem Nachmittag ging ich an Deck und konnte einem Offi-zier einige ernste Worte sagen. Als ich auch eine Bemerkung ber das bessere Wettermachte, sagte er: Ja, es war erstaunlich. Um neun Uhr dreiig klrte sich der Nebelauf, und wir hatten eine herrliche, mondklare Nacht.' Das geschah also zwischen neunund zehn Uhr dreiig, whrend meines Betens, bevor ich mich zur Ruhe legte."
Als sie sich am nchsten Morgen Chefoo nherten, war ihr doch ngst-lich zumute. Es war nicht mglich gewesen, vorher eine Unterkunft frden Kranken zu besorgen. Sie schaute darum eifrig nach dem Zollbeamtenaus, einem freundlichen christlichen Mann, dessen Bekanntschaft sie krz-lich auf ihrer Reise gemacht hatten. Doch diesen hielt eine Krankheit zuHause fest, so da er ihr nicht helfen konnte. Sie war sehr bedrckt, weilsie ihr Gepck auf einem Boot lassen und ihren kranken Mann an Landbringen mute, ohne zu wissen wohin. Aber ohne den Nebel htte dasSchiff einige Stunden frher in der kalten Nacht angelegt. Im Morgen-sonnenschein war alles viel leichter. Sie sahen darin wieder Gottes liebe-volle Frsorge. Whrend Mrs. Taylor und ihr Reisebegleiter ein Quartiersuchten, lag Hudson Taylor wartend in dem kleinen chinesischen Bootund betrachtete die sonnenbeschienene Kste. Seine Gedanken weilten beiden groen Aufgaben, die auf ihn warteten. Er sah vor sich die Stationenmit den vielen Arbeitern, die alle ihre Lasten und Beschwerden zu tragenhatten. Ebenso erinnerte er sich an die neu zu grndenden Stationen inden Gebieten, die seine Frau bereist hatte, um dort nach Mglichkeitenfr die Frauenarbeit zu suchen. Es wrden Kinder geboren werden undheranwachsen. Wie konnten diese aber das heie Klima des Binnenlandesertragen, das Erwachsene kaum aushielten? Muten auch sie einmal nachEngland geschickt werden wie seine eigenen Kinder? Lie sich nicht viel-leicht doch ein Weg finden, die Erwachsenen zu entlasten, ihnen eine Er-holung bei bermdung oder Krankheit zu verschaffen?
Hudson Taylor ahnte nicht, da auf dem Strand, der vor ihm lag,spter einmal eine ganze Reihe von Gebuden stehen wrde, die geradediesem Ziel, der Unterbringung fr heranwachsende Kinder und Erho-lung fr die Mden, dienen sollten. Doch der Herr wute es. Er sah vor-
aus und ordnete es so, da die Wartezeit zum Ausgangspunkt neuen Wir-kens wurde. Er wute, wie die Eltern auf den fernen Stationen mit Ge-beten das Leben ihrer Kinder umgeben wrden, und erhrte ihre Bitten,ehe sie Ihn baten.
Inzwischen wurde Mrs. Taylor im Hause des christlichen Zollbeamtenherzlich willkommen geheien. Das Jungverheiratete Paar nahm sie undihren kranken Mann als zahlende Gste in ihr gerumiges Heim auf.
Der folgende Sommer war besonders drckend. Nur wenige konntensich an eine heiere Zeit in China erinnern. Die Arbeit, die Hudson Tay-lor ursprnglich fr das Yangtsetal geplant hatte, wrde ihm hchstwahr-scheinlich das Leben gekostet haben. Da auch andere Mitarbeiter erkranktwaren, kam er auf den Gedanken, sie nach Chefoo kommen zu lassen.Zunchst lie er einige neu angekommene junge Missionare holen undmietete einen unbenutzten Bungalow. Bald waren in den drei kleinenRumen und dem leeren Vorratshaus eine Gruppe von Sprachschlernuntergebracht. Spter mieteten sie eine Unterkunft am Bluff", der prch-tigen Landzunge mit ihren chinesischen Drfern jenseits der Bucht.
Hudson Taylor schrieb auch an Mr. und Mrs. Judd, die in Wuchangam Ende ihrer Kraft waren und wahrscheinlich nach England zurck-kehren muten: Kommen Sie, wenn es Ihnen mglich ist, nach Chefoo!"Er schilderte den Missionaren, wie er sich hier wunderbar erholte. Geldzur Reise konnte er ihnen allerdings nicht schicken; er bat aber Gott, Ermge ihnen die Reise ermglichen. Mr. Judd willigte freudig ein und ver-kaufte alle Mbel, die er ohnehin nicht lnger bentigte. Der Erls ge-ngte, seine leidende Frau und die fnf Buben nach Chefoo zu bringen,wo sie ein herzlicher Willkomm erwartete.
Es bereitete Hudson Taylor wie den Eltern groe Freude, die Kinderso froh am Strand spielen zu sehen. Wie gern htte er allen andern Mit-arbeitern und ihren Familien dieselbe Erholung gegnnt! Es gab jedochkeine weiteren Huser, die er htte mieten knnen, auer dem Bungalow,den Judds bewohnten.
Hudson Taylor war inzwischen so weit genesen, da er nach Chin-kiang reisen konnte. Whrend seiner Krankheit hatte Gott den Frauenin den krzlich betretenen Provinzen die Tren geffnet. Seine Botenstanden bereit. Anscheinend war das Leben im Inland nicht sehr verschie-den von dem in den Kstengebieten. Nachdem die Pioniere Wohnungengefunden hatten, fhlten sie sich unter der Bevlkerung ganz zu Hause.Sie erkannten den Vorteil fester Stationen. Es war natrlich, da sie sichverheirateten und ihre Lebensgefhrtinnen als erste Europerinnen in diefernen Gebiete einfhren wollten. Hudson Taylor konnte nichts dagegeneinwenden. Als er daher im August ins Yangtsetal kam, war ein jungesPaar bereits auf der Reise nach dem fernen Nordwesten, und andere be-reiteten sich auf hnliche Reisen vor.
Es folgte fr Hudson Taylor ein arbeitsreicher Monat in Schanghai
und Chinkiang. Er besuchte auch Hangchow und gestaltete dort das Heimfr die Ausbreitungsarbeit um. Er schrieb darber:
Es ist jetzt so wohnlich. Gern wrde ich den Rest meines Lebens dortzubringen und wieder ein richtiger Missionar sein."
Jeder Brief an seine Frau berichtete von seinen Plnen und Erfahrun-gen bis zu der Absicht, trotz der neuen Hitzewelle nach Hankow zu rei-sen. Hier entstand eine Pause in der Korrespondenz. Zum viertenmalinnerhalb von vier Monaten schien es, als sollte sein irdischer Dienst zuEnde sein. In der Nhe der Stelle, wo seine heimgegangenen Lieben ruh-ten, rang er mit dem Tode. Rudland, der den Kranken Tag und Nachtmit selbstloser Hingabe pflegte, brachte ihn endlich nach Schanghai undvon dort nach Chefoo. Hier vollbrachte die frische Seeluft wieder Wun-der. Ein neuer Plan, der sich fast von selbst aufdrngte, verleitete HudsonTaylor dazu, viel Zeit im Freien zuzubringen.
Er und seine Mitarbeiter, die sich Tag fr Tag der Erholung am Strandfreuten, erkannten die Wichtigkeit einer Erholungssttte fr die Missio-nare. Daneben liee sich vielleicht eines Tages eine Schule grnden. Siekannten aber die Schwierigkeit des Landerwerbs. Daher betrachtetensie nur sehnschtig die Hgel, zwischen denen eine geschtzte, etwashher gelegene Stelle einen herrlichen Bauplatz bot. Ein Bach machte dieStelle besonders geeignet. Zunchst aber konnten sie nur beten. Sie suchtenden Platz nicht oft auf; denn sie wuten, wie schnell die Preise zu steigenpflegten, sobald fr irgend etwas besonderes Interesse gezeigt wurde.Doch eines Tages, als Hudson Taylor und Judd an jener Stelle vorbei-gingen, kam ihnen ein Bauer entgegen und fragte, ob sie vielleicht Landkaufen mchten. Ja, es knnte sein, da sie vielleicht etwas kaufen wr-den.
Wollen Sie das Stck kaufen?" lautete die nchste berraschendeFrage. Er bot ihnen den gewnschten Platz an. Der geforderte Preis warnicht hoch. Judd erzhlte:
Wir schlssen sogleich an Ort und Stelle den Vertrag ab. Ich habenoch nie ein Geschft so schnell erledigt gesehen. Das Geld wurde aus-bezahlt, und das Feld mit dem Bach gehrte uns. Dann kamen die benach-barten Bauern und wollten uns ihre Felder ebenfalls verkaufen. Wirkauften alles, was wir brauchten, zu recht migen Preisen."
Als sie das Land besaen, berlegten sie, wie sie mit mglichst geringenMitteln ein Erholungsheim bauen knnten. Steine und Holz von auswrtswrden eine zu groe Summe verschlingen. Doch hier konnten sie ja garnichts kaufen.
So lat uns selbst die Steine brechen", schlug Hudson Taylor vor,und was wir an Backsteinen brauchen, fertigen wir selbst an." Juddberichtet ber das wagemutige Vorgehen:
Mr. Taylor und ich besaen berhaupt keine Erfahrung im Hausbau. Die Bau-steine machten wir aus Lehm. Spter kamen wir auf den Gedanken, ein Schiffswrack
in der Bucht zu verwenden. Es bestand hauptschlich aus Eiche und Fichte und trugden Namen ,Der Christ'. Wir kauften einen groen Teil des Wracks und verwendetendas Deck als Sparrenholz und das Eichenholz als Balkenwerk. Ich erinnere mich, wieeine Zeitung in Schanghai berichtete, ,Der Christ' habe die Schiffahrt aufgegeben undsei der China-Inland-Mission beigetreten.
Von einem andern Wrack konnten wir indisches Teakholz kaufen, das wir alsDielen verwendeten. Auch die Kabineneinrichtung war uns sehr ntzlich. Sie enthieltzum Beispiel ein prchtiges Buffet. Wir kauften Tren, Schrnke, Schlsser und vielesandere mehr fr zwei Dollar. Die Tren paten wir ein, so gut wir konnten. Zu vielender Schlsser bekamen wir Schlssel. Bei dem Teakholz machten uns die ZapfenlcherSchwierigkeiten. Wir fllten sie zwar aus, aber die Fllungen fielen heraus und hinter-lieen an den unpassendsten Stellen Lcher. Ich will nicht behaupten, da das Hausgut gebaut gewesen wre. Aber in Anbetracht unserer Unkenntnis war es ausgezeichnet.Zehn Rume hatte es, auerdem ein Hintergebude und Anbauten. Es war unglaublichbillig. Die Europer in der Siedlung sahen mit Erstaunen, wie schnell es in dieHhe wuchs."
Die neue Ttigkeit und die vielen Stunden an der frischen Luft tatenWunder an Hudson Taylor.
Es wrde Euch gewi Freude bereiten, den emsigen Betrieb auf dem Bauplatz zusehen", schrieb Mrs. Taylor im November. Maurer, Ziegelbrenner, Steinhauer undZimmerleute haben ihre Mattenzelte aufgeschlagen. Andere arbeiten mit Hudson, Judd,Coulthard oder Hunt zusammen. Man mu sehr auf die Leute aufpassen, sonst gibtes Fehler und Verschwendung. Den Arbeitern halten wir tglich eine Bibelstunde,sonntags ein- bis zweimal Gottesdienst. Wir geben ihnen dann den halben Lohn.
Unsere jungen Missionare bekommen hier die beste Sprachschulung. Sie sehen vielkrftiger aus als bei ihrer Ankunft. Hier finden sie eine ausgezeichnete Gelegenheit,Christus nicht nur zu predigen, sondern auch auszuleben, denn die Geduld wird sehroft auf die Probe gestellt... Es herrscht hier ein solch frischer, frhlicher Ton.Mr. Judd ist gar nicht wiederzuerkennen."
So entstand das erste schlichte Gebude, in dem die mit Recht berhm-ten Chefoo-Schulen gegrndet wurden. Zwei von Judds Shnen warendie ersten Schler. Lao Chao, ein bekehrter Bauarbeiter, wurde der Leitereines wachsenden Stabes von Gehilfen; denn allmhlich entstanden einKrankenhaus, eine Schule nach der anderen, Privathuser und Erholungs-heime. An den sonnigen Berghngen und dem stillen Strand wuchsen dieKinder der China-Inland-Mission unter der Leitung tchtiger Lehrer her-an. Diese waren alle Mitglieder der Mission. Hier erhielten sie vom Kin-dergarten bis zur Universitt eine sorgfltige, grndliche Erziehung.Gleichzeitig blieben sie in Verbindung mit ihren Eltern und kleinerenGeschwistern. Die Brder und Schwestern aus den verschiedenen Schulenkonnten sich treffen, und ihre Eltern kamen von Zeit zu Zeit zur Er-holung ins Heim.
Das lag aber Ende 1879 noch in ferner Zukunft. Hudson Taylor be-hielt trotz der Bauttigkeit die Evangelisierung des Inlands im Auge. DieWeiterfhrung der Arbeit in Chefoo berlie er Mr. Judd. Er selbst reiste,sobald seine Gesundheit es erlaubte, nach dem vorgeschobenen PostenWuchang. Die jungen Ehepaare, die einige Monate vorher nach demInnern aufgebrochen waren, besaen jetzt ein Heim und nahmen die
Arbeit unter den Frauen der westlichen und nordwestlichen Provinzenauf. Hudson Taylor sah klar, welche weiteren verantwortlichen Schritteer nun wagen mute: Es sollten unverheiratete Frauen den Gefahren undEntbehrungen der Wanderung durch China ausgesetzt werden. Wochenund Monate hindurch wrden sie einsam Drfer und Stdte durchziehenund Hunderte von Meilen von anderen Europern getrennt sein. Konnte,durfte er das fordern? Aber er war schlielich nicht der Herr, nur SeinDiener. Er, der Herr, rief die Frauen. Sie zogen auf Seinen Befehl hinaus.Der Diener durfte sie nicht aufhalten.
Whrend Hudson Taylor mit Coulthard in der Maultiersnfte vonChefoo zum Groen Kanal reiste, konnte er in Mue ber die Lage nach-denken und darber beten. Nach dreieinhalb Wochen erreichten sie Chin-kiang. Die Wege waren schlecht gewesen und die Herbergen armselig.Nachts muten sie den Raum mit den Maultieren teilen, wobei diese ge-frigen Tiere ber die Strohhaufen herfielen, auf denen ihre Reisege-fhrten schliefen. Aber wie unruhig ihr Schlaf und wie kalt ihr unfreund-licher Rastort auch war, der jngere Missionar erblickte frhmorgensbeim Erwachen Hudson Taylor beim sprlichen Licht einer Kerze beimBibellesen und Gebet.
Als Hudson Taylor endlich Wuchang erreicht hatte, entwickelte sichschlielich alles ganz einfach. Eine Anzahl China-Inland-Missionare fandsich aus verschiedenen Grnden ein, und Ballers beherbergten sie. Tglichkamen sie zum Bibelstudium und Gebet zusammen, denn die Nte dereinsamen Arbeiter auf den entlegenen Auenstationen lagen ihnen aufden Herzen. 1500 Kilometer stromaufwrts hatten Nicolls eben Chung-king erreicht. Nun war Mrs. Nicoll die einzige Europerin in der groenProvinz Szechuan. Die Trennung von Mr. und Mrs. Clarke war ihnensehr schwer gefallen. Diese waren tiefer ins Land hineingezogen. Sie woll-ten die Hauptstadt der Provinz Kweichow erreichen, wo Broumton aufeinsamem Posten stand. Diese Station lag besonders isoliert und warschwer erreichbar. Darum bekam Trench den Auftrag, sich auf seinernchsten Evangelisationsreise nach dem Befinden der kleinen Gruppe zuerkundigen. Er erklrte sich auerdem bereit, Missionarinnen in das In-land zu begleiten. Mrs. McCarthy und Miss Kidd fhlten sich dahin be-rufen. Mrs. McCarthy wollte ursprnglich ihren Mann in dieses Gebietbegleiten, hatte ihn aber kurz vorher durch den Tod verloren.
So folgten auf die Gebetswoche die Reisevorbereitungen. Coulthardsagte im Rckblick auf diese Vorgnge, die er damals als junger Missio-nar kaum in ihrer Tragweite berblicken konnte:
Es war ein rechtes Glaubenswagnis. Die Abschiedsversammlung,in der die Missionarinnen Gottes Schutz und Beistand anbefohlen wur-den, war sehr feierlich. Mr. Taylor hat die Schwierigkeiten damals sicherviel tiefer empfunden, als wir es konnten. Wir dachten berhaupt nichtan Gefahr. Er aber wute, was alles passieren konnte, und war bewegt."
Der Reiseweg fhrte sie durch das aufrhrerische und fremdenfeind-liche Honan. Deshalb wurde noch eine chinesische Christin und Mr. Ballerals Reisebegleiter mit entsandt. Damit waren die Hilfskrfte der Mis-sionsstation erschpft. Als von ganz anderer Seite der Hilferuf nach Mis-sionarinnen ertnte, standen eigentlich keine mehr zur Verfgung. Glck-licherweise war Mrs. Taylor mit einer jungen Mitarbeiterin angelangt.Miss Fausset erklrte sich sofort mutig zum Aufbruch mit Mrs. Kingbereit. Dies bedeutete eine dreimonatige Reise auf einem Hausboot durchein Gebiet, in dem kein einziger Missionar lebte.
Miss Wilson, die schon lter und bereits ergraut war, sollte sie beglei-ten. Ihre nach chinesischer Auffassung ehrwrdige Erscheinungmachte es den beiden Missionarinnen mglich, ohne mnnlichen Schutz zureisen. Alle drei wollten allein im Vertrauen auf Gottes Beistand reisen.Das liest sich so leicht. Aber nur die knnen die Lage richtig beurteilen,die selbst in jenen Zeiten solche Reisen gewagt haben. Hudson Taylorwute, was das Unternehmen bedeutete. Trotzdem bestrkte er diesetapferen Frauen und bernahm die Verantwortung. Freilich tat er es nichtleichten Herzens und nicht ohne groe innere Spannung. Weil auer ihmniemand im Missionshaus die ntige Erfahrung besa, mietete er selbstdas Boot und besorgte alles das Packen der Evorrte und das Zusam-menrollen der Schlafmatratzen. Er blieb die erste Nacht an Bord mittenim Gedrnge von Fahrzeugen in der Mndung des Han und teilte dieeinzige Kabine mit einem ausstzigen Jungen, der durch Miss Wilson zumGlauben an Christus gekommen war und nun als wertvolle Hilfe mit-reiste.
Als die Bootsleute am 1. Mrz 1880 endlich aufbrachen, verlie Hud-son Taylor das Boot, nachdem er die Missionare nochmals Gottes Schutzanbefohlen hatte. Seine Frbitte jedoch geleitete sie Tag und Nacht, unddieses Bewutsein strkte die Reisenden.
Dankbar konnte Hudson Taylor darber im Juli an seine Mutterschreiben:
Ich kann Dir nicht sagen, wie froh ich bin. Die Arbeit breitet sich bisin die entlegensten Teile des Landes aus. Das ist wohl des Lebens undSterbens wert."
DIE STEIGENDE FLUT
Whrend des Taipingaufstands hatte Kapitn J einige Zeit in Ningpozugebracht. Dort war er mit Predigern der Jesuslehre" in Berhrung ge-kommen und hatte etwas von den Lehren des Christentums kennenge-lernt. Als nachdenkender, religis veranlagter Mann machten sie auf ihneinen tiefen Eindruck. Das wenige, das er damals gehrt hatte, vermittelte
ihm jedoch keine klare Erkenntnis des Heilsweges. Fnfzehn lange Jahregingen dahin. Er forschte weiter nach der "Wahrheit und tat alles in seinenKrften liegende, die Gunst des Himmels" zu gewinnen. Andere folgtenseinem Beispiel. In einer Sekte von Reformbuddhisten, die gegen denGtzendienst ankmpften, fand er verwandte Geister. Nun zog er alsunbezahlter Verknder dieser Richtung von Ort zu Ort. Der Inhalt seinerPredigt war freilich recht negativ. Er erklrte den Gtzendienst frWahnsinn und Snde und verkndigte die Existenz eines wahren, einziganzubetenden Herrschers des Weltalls. Doch konnte er seinen Hrernnichts weiter ber ihn sagen.
In seinem Dienst war er bereits ein alter Mann geworden, als er ineiner Stadt des Inlands wiederum auf einen europischen Missionar stie.Dr. Douthwaite war von seiner Station am Tsientangflu herbergekom-men und predigte tglich mit Pastor Wang Lae-djn in der neu erffnetenEvangeliumshalle. Hier hrte der fromme Buddhist die ganze Frohe Bot-schaft von der Erlsung hrte, glaubte und wurde ein neuer Mensch inJesus Christus. Nach seiner Taufe im darauffolgenden Jahr (1876) kamer nach Chchow in Dr. Douthwaites Behandlung. Dieser sah mit Freu-den, welch groe Fortschritte er im Verstndnis des Wortes Gottes ge-macht hatte.
Ich erinnere mich noch", schrieb er, wie wir die Bibel miteinandergelesen und zusammen gebetet haben und J mich flehentlich bat, ihn alsPrediger des Evangeliums hinausziehen zu lassen.
,Ich habe Hunderte auf den falschen Weg gefhrt', sagte er, ,nunmchte ich sie auf den Weg der Wahrheit fhren. La mich ziehen! Ichverlange keinen Lohn. Ich mchte nur dem Herrn Jesus dienen.'"
Drei Wochen spter kehrte dieser begeisterte Missionar, der von derkleinen Gemeinde von Chdiowfu ausgesandt worden war, mit seinemersten Bekehrten zurck. Er besuchte dann in Jsan einige seiner frherenSchler. Einer von diesen, ein munterer Bauer, der selbst ein Menschen-fischer werden sollte, begleitete ihn dann auf seinen Reisen. Dr. Douth-waite erzhlte, da dieser ihm sagte: Vierzig Jahre habe ich nach derWahrheit gesucht. Nun habe ich sie gefunden." Dann fhrt er in seinemBericht fort:
Er war einer von den vielen in China, die unbefriedigt sind und im Dunkeln nachetwas tasten, das ihr Verlangen stillen knnte. Dieser Mann bat sofort um die Taufe.Ich antwortete darauf: ,So schnell geht das nicht. Wir mssen erst etwas von dir unddeinem Leben wissen.'
,Nein', drngte er, ,la mich jetzt getauft werden! Ich bin ein alter Mann und habeeine dreitgige Reise unternommen. Es ist vielleicht meine letzte. Ich glaube alles, wasihr mir von dem Herrn Jesus gesagt habt. Es ist kein Grund vorhanden, weshalb ichnicht heute getauft werden drfte.'
Als ich weiter nachforschte, konnte ich selbst keinen Grund zum Aufschub finden.So taufte ich ihn, und er zog frhlich fort.
Aber er kehrte zurck und brachte sechs oder sieben Nachbarn mit, denen er dieFrohe Botschaft gepredigt hatte. Auch sie erklrten, sie glaubten an Christus und
wollten den Gtzendienst aufgeben. Nach einigen Monaten Probezeit konnte ich auchsie in die Gemeinde aufnehmen."
Inzwischen hatte der ehemalige Kapitn seine Arbeit fortgesetzt. Erwar zu einem andern Mann im Bezirk gefhrt worden, dem der Herrbereits das Herz aufgetan hatte. Eines Tages wanderte der Kapitn nachJsan und schlo sich einem Fremden an, mit dem er bald in ein eifrigesGesprch geriet. Dieser Bauer namens Tung bestand darauf, dem altenLehrer" das Bettbndel, und was er sonst bei sich trug, abzunehmen. Sowanderten sie meilenweit. Die Erzhlung vom Leben, Sterben, Tod undvon der Auferstehung Jesu erfllte den jungen Mann so, da er von demTage an nicht nur glaubte, sondern auch ein Prediger des Evangeliumswurde. Als Dr. Douthwaite einige Monate spter in sein Dorf kam, fander zu seiner berraschung den Hof des Hauses von ruhig wartendenMenschen angefllt, die eine Predigt hren wollten. Sthle, Hocker,Krbe, umgestlpte Eimer dienten als Sitze. Mnner und Frauen hofften,er wrde zu ihnen sprechen. Als er sich erkundigte, woher die Menschenso schnell gekommen seien, erfuhr er zu seiner noch greren Verwunde-rung, da sie auch ohne ihn zusammengekommen wren. Sie fnden sichjeden Abend in Tungs Hof ein zum Liedersingen, Beten und Lesen derBibel. Meilenweit in den Drfern ringsum wre die Frohe Botschaft be-kannt.
Auch in anderen Provinzen Hunderte von Meilen entfernt wurde indieser Zeit ein Anfang gemacht. Hudson Taylor empfing Briefe voll inter-essanter Schilderungen, obwohl die Missionarinnen bei der vielseitigenArbeit kaum Zeit zum Schreiben fanden.
Seit zwei Monaten besuchen mich tglich mehrere hundert Frauen",schrieb Mrs. Nicoll. Unser Haus gleicht einem Jahrmarkt. Auch Mnnerkommen in groer Zahl und wollen das Evangelium hren. Sie werdenim vorderen Teil des Hauses empfangen. Zu den Frauen spreche ich in derGstehalle' und im Hofe davor, denn das Zimmer ist immer sofort ber-fllt. Oft kommt die nchste Schar schon durch die Hintertr herein,whrend ich die erste zur vorderen Tr hinausgeleite."
Es ist leicht verstndlich, da sie Hilfe brauchte. Auer ihr lebte keineeinzige christliche Frau in erreichbarer Nhe. Ihre einzige Sttze war einalter Diener, der unter den Gsten im inneren Hofe bleiben durfte. ImSommer mute sie um drei Uhr aufstehen, um in Ruhe die Bibel lesen undBriefe schreiben zu knnen. Der Tag brachte kaum eine Pause. Mehr alseinmal fiel sie zwischen ihren Besucherinnen vor Mdigkeit in Ohnmacht.Beim Erwachen merkte sie, da die Frauen ihr zrtlich und besorgt Luftzufchelten.
Unter den vielen Frauen hatte sie manche Freundin. Eine ltere Dame,die wute, wie mde Mrs. Nicoll oft war, liebte sie wie eine Mutter. Dieseschickte ihr von Zeit zu Zeit ihre Snfte mit der dringenden Bitte, sogleichzu ihr zu kommen. Die Missionarin mute sich dann auf das bequemste
Bett in ihrem eigenen Zimmer legen, und whrend alle jngeren Frauenden Raum verlieen, setzte sie sich selbst zu ihr und fchelte ihr Khlungzu, bis sie einschlief. Dann bereitete sie ein verlockendes Mahl und lieihren Gast nicht eher nach Hause zurckkehren, bis er krftig gegessenhatte.
Darin lag berall die unerwartete Strkung der ersten Missionarinhenin diesem abgelegenen Gebiet: Die Leute freuten sich, sie zu sehen. Siezeigten nicht blo Neugier, sondern echte, herzliche Liebe. Als Miss Kiddeinmal durch die fremdenfeindliche Provinz Honan wanderte, wolltendie Frauen an der Westgrenze, wo wahrscheinlich noch nie ein Europerdurchgereist war, sie bei sich behalten. Missionar Baller erzhlt von dieserReise:
Wir begaben uns ziemlich bange auf den Weg.... Doch dann wurdenwir zu unserer berraschung mit groer Freundlichkeit aufgenommen ...Viele von den Booten auf dem Tungtingsee werden von Frauen gerudert.Sie umringten unser Boot, als wir ankerten. Die Missionarinnen hattennicht die geringste Schwierigkeit, ihnen das Evangelium zu sagen. Anstattsich feindlich zu zeigen, waren sie entzckt, europische Frauen zu sehen.Sie streichelten ihre Hnde, ihre Haare und Wangen und sagten: ,0 welchschne, weie Haut habt ihr! Wieviel Puder mt ihr gebrauchen?' Sielobten ihr gutes Aussehen und fragten nach dem Grund ihres Kommens.Wie gern erklrten sie den Frauen ihren Beweggrund und sangen chine-sische Chorle, die ihnen viel Freude machten!"
Warum reist ihr nach Kweichow?" fragten sie an manchen Orten.Wir brauchen auch Glck und Frieden! Bleibt hier und seid unsere Leh-rer!" Miss Kidd berichtete:
Auf der ganzen Strecke auer in den ganz groen Stdten konnten Mrs. McCarthyund ich entweder an Land gehen und die Frauen aufsuchen oder sie auf unser Booteinladen. Ich liebe diese Honanfrauen. Sie waren so freundlich, so bereit, uns aufzuneh-men und auf das zu hren, was wir ihnen sagen wollten ... Da eine chinesische Frauuns begleitete, war ein groes Glck. Da die Frauen noch nie Europerinnen gesehenhatten, waren sie natrlich zuerst ngstlich. Doch dann redete unsere chinesische Chri-stin mit ihnen ber uns und erklrte ihnen den Grund unseres Kommens. Sie kamendann bald nher, faten unsere Hnde und luden uns zu sich ein. Betraten wir darauf-hin ihre Huser, dann waren wir immer sofort von einer ganzen Schar umringt.
In einem Dorf erlebten wir etwas, was uns groen Spa bereitete. Als wir ge-ankert hatten, baten uns einige Frauen, an Land zu kommen. Mrs. McCarthy konntemich wegen ihrer Zahnschmerzen nicht begleiten. Eine etwa halb so groe Frau wie ich,mit einem Kindchen auf dem Arm, ergriff eine meiner Hnde. Ein junges Mdchenvon etwa fnfzehn Jahren nahm die andere. So fhrten sie mich die Strae entlang undsagten, ich brauchte keine Angst zu haben, sie wollten schon auf mich achtgeben. Inihr Haus kam dann eine Schar Besucherinnen. Einige schienen das Evangelium zu ver-stehen. Die junge Mutter brachte mich zum Boot zurck. Der Herr segne sie!"
Ihre Erfahrungen in Kweichow waren ebenso ermutigend. Mrs.McCarthy schrieb im zweiten Sommer:
Die Leute sind sehr freundlich. Wir gehen hier ein und aus ohne
irgendwelche Schwierigkeiten. Wenn wir umherwandern, werden wir oftzum Sitzen und Teetrinken eingeladen. Wir lassen nach chinesischer Sitteimmer unsere Namen ausrufen. Manche Gesichter werden bei unseremErscheinen strahlend froh."
Die Missionarinnen Wilson und Fausset erlebten im fernen Nordendasselbe. Als sie in der Stadt Handlung ankamen, fanden sie Mr. undMrs. King vollbeschftigt. Gott hatte sich an diesem Ort ein Volk er-whlt. Die Missionare konnten nur mit Mhe mit der Entwicklung Schritthalten. In kurzer Zeit bildete sich eine lebendige Gemeinde von dreiigGlubigen. Eine ltere, von der Liebe zu Christus erfllte Frau wurdenie mde, Miss Wilson in die umliegenden Drfer zu begleiten.
Wohl war das Leben fr die Missionarinnen anstrengend, weil sie mitdem Volk aen und schliefen und den ganzen Tag umherwanderten undredeten.
Als Miss Wilson schon beinahe ein halbes Jahr in Handlung gearbeitethatte, kamen Parkers auf dem Wege nach der am weitesten nordwestlichgelegenen Provinz Kansu vorbei. Unter den zehn Millionen Chinesen,zum grten Teil Mohammedanern, lebte dort ein einziger Zeuge Christi:Missionar Easton, der sich nach ihrem Kommen sehnte. Obwohl das eineReise von zehn Tagen auf rauhen Wegen quer ber ein Gebirge bedeutete,erbot sich Miss Wilson, mit den Jungvermhlten zu gehen. Begleitet vonihrem treuen Diener Wang, unternahm sie die Reise in das unbekannteLand. Im tiefsten Winter erreichten sie Tsinchow. Die Arbeit zeigte vonAnfang an erfreuliche Fortschritte. Selbst die schchternen Tibetaner wur-den durch den Ruhm des fremden Arztes" angelockt. In allen Kreisenwurden sie freundlich aufgenommen.
So wurde das Gebet fr das Inland Punkt fr Punkt erhrt und dasscheinbar Unmgliche eine Wirklichkeit. Kurz bevor Mrs. Taylor Eng-land verlassen hatte, um diese Pionierarbeit zu leiten, war eine besondereGebetsvereinigung fr die hundertfnfundzwanzig Millionen heidni-scher Frauen in China" gegrndet worden. Die Mitglieder verpflichtetensich, tglich fr die Missionare zu beten.
Lieben Sie diese Frauen! Schenken Sie Ihre beste Tageszeit der Ge-meinschaft mit Gott, und lieben Sie die chinesischen Frauen!" So hattendie Abschiedsworte Hudson Taylors an Miss Wilson gelautet. Das Wun-der dieser Liebe, die alles Denken bersteigt", zeitigte wirkliche Frucht.
Was ist das fr ein sonderbares Gefhl, das wir empfinden, wenn wirzu euch kommen?" fragte eine der vielen Besucherinnen eine der erstenMissionarinnen in Honan. Nirgends spren wir es so. Zu Hause beiunseren Mttern haben wir es nicht. Hier sind unsere Herzen weit undfriedevoll. Was macht sie so warm? Wir haben das noch nie gefhlt!"
Auch dieser Dienst kostete viel. Es gab zwar viel Erfreuliches Ende1880 konnten die Pioniere mit Freuden von sechzig bis siebzig Bekehrtenin kleinen Gemeinden der Inlandprovinzen berichten , doch gab es auch
viel Leid. Mrs. King, die als erste zu den Frauen Westchinas gezogen war,wurde auch als erste zum hheren Dienst abberufen. Sie starb an Typhus.Aber noch vor ihrem Tod im fernen Land konnten achtzehn Frauen durchihr klares Zeugnis fr Jesus getauft werden. Diese Freude half ihr berden Schmerz der Trennung von ihrem Gatten und ihrem fnf Wochenalten Kindchen hinweg. Jesus gab ihr Frieden.
Derselbe Herr strkte auch Mrs. Clarke am Grabe ihres Kindes inKweichow. Er gab ihr Kraft, noch im gleichen Monat aus der Stadt, inder sie die einzige Missionarin gewesen war, zu der noch entlegenerenund schwierigeren Provinz Ynnan aufzubrechen. Die neu angekomme-nen Missionarinnen konnten ihre bisherige Arbeit allein fortsetzen, undihr Kind, das ihr Herz und ihre Hnde in Anspruch genommen hatte,war nun in einem besseren Land.
Der Herr fhrt uns einen leidvollen Weg", schrieb der Vater, aberbestimmt erachtete Er es als das Beste, unseren lieben Jungen zu sich zunehmen, damit Er uns nach Ynnan senden kann. Htte Er unser Kindnicht zu sich genommen, wre uns der Gedanke zum Verlassen der Pro-vinz Kweichow nie gekommen. Jetzt aber gibt es kein Ehepaar, das besserdorthin ziehen knnte als wir."
Vierzig Tagereisen westlich lag die Stadt, die auf ihr Kommen wartete.Zwlf Millionen Einwohner zhlte die Provinz, doch es lebte kein ein-ziger Missionar unter all den Frauen, Mnnern und Kindern. Am Grabeihres Kindes bergab sich Mrs. King aufs neue dem Herrn zu dieserArbeit und zog dann in die Einsamkeit und Entbehrungen der ProvinzWestchinas. Schon zweieinhalb Jahre spter folgte sie ihrem Kind imTode.
Andere werden nach uns kommen", sagte sie vor ihrem Heimgang,andere werden kommen."
Von den schneebedeckten Hhen, auf denen sie so oft das Abendglhensah, das sie an ihre Schweizer Heimat erinnerte, kamen spter die langevernachlssigten Stmme der Bergbewohner zu Hunderten zu ihrem Er-lser, den sie so sehr geliebt hatte. Und die Missionare, von denen sie imSterben sprach, kamen auch.
Mrs. Taylor mute im Oktober 1881 nach drei Jahren Chinaaufent-halt nach England zurckkehren. Gleichzeitig reiste Hudson Taylor vonChefoo, seinem Hauptquartier, nach Wuchang, um dort eine Konferenzmit mehreren Pionieren zu leiten. Der Sommer war besonders drckendgewesen. Krankheit und Geldmangel hatten auerdem manche Prfunggebracht. Einmal schrieb Hudson Taylor an einen Mitarbeiter:
Wann werden wir unsere Schwierigkeiten berwunden haben? DieGeldmittel werden immer geringer. Wir brauchen viel Gebet. Aber Gottkann uns nicht im Stich lassen. Wir wollen nicht ngstlich werden, son-dern Ihm vertrauen."
Alle, die in jenem Sommer mit ihm in Chefoo zusammenlebten, be-
obachteten, da er dem Gebet besonders viel Zeit widmete. Eines Tagesfragte er das Ehepaar Nicoll:
Was wrden Sie tun, wenn Sie eine groe Familie htten und knn-ten ihr nichts zu essen geben? Das ist ungefhr die Lage, in der ich michaugenblicklich befinde."
Oft rief er die Hausgemeinde zusammen und dankte mit ihr fr dieErhrung ihrer Bitten. Denn sie wurden auf mancherlei Weise versorgt.Hudson Taylor konnte immer, wenn auch nicht reichlich, so doch ge-ngend Geldmittel an die Missionare verschicken.
Die Spenden, die uns in den beiden letzten Monaten zukamen, sindsehr niedrig", hatte er im Mai an Dr. Scofield geschrieben. Wenn wirnicht durch Gottes Gte in dieser Zeit mehr Beitrge aus China bekom-men htten denn je, htte ich viel weniger verteilen knnen. Es ist wun-derbar, erleben zu drfen, wie Gott in Seiner wachsamen Frsorge unsbald so, bald anders hilft.... Wir sind gesegnet, solange Er uns in SeinenHnden hlt."
Von der Konferenz in Wuchang schrieb er:
... Ich habe viel Arbeit. ... Gott schenkt uns eine glckliche Zeit derGemeinschaft miteinander. Er besttigt uns die Richtlinien, nach denenwir bisher gehandelt haben."
Dieser kurze Satz wirft in Verbindung mit der Krise, in der die Mis-sion in jenen Tagen stand, ein helles Licht auf die Bedeutung der Kon-ferenz. Wenn es auch den jngeren Missionaren kaum zum Bewutseinkam, stand damals mehr auf dem Spiel, als selbst Hudson Taylor erken-nen konnte. Nach Jahren des Gebets und geduldiger, beharrlicher Arbeitwar eine Lage erreicht worden, die viele Mglichkeiten erffnete. DerZugang zu allen Teilen Chinas stand jetzt offen. Auf allen Stationen imNorden, Sden und Westen sollten Verstrkungen geschenkt werden.Ganze Provinzen von der Ausdehnung europischer Knigreiche warte-ten auf Reise- und Stationsarbeit. Nicht weiter vorgehen hiee die an-fngliche Glaubensstellung verlassen und mehr auf die Schwierigkeitenals auf den lebendigen Gott sehen. Freilich, schon seit Jahren waren dieGelder knapp. Nur wenige Arbeiter kamen aus der Heimat, mehrereMissionare waren ausgeschieden, und die Schwierigkeiten huften sich.Wie leicht htte der Gedanke aufkommen knnen: Das alles zeigt dieUnmglichkeit jeder weiteren Ausdehnung der Arbeit! Ohne weitere Aus-dehnung jedoch mte das Werk verkmmern. Gottgeschenkte Gelegen-heiten htten damit vernachlssigt und mit groen Opfern erffneteStationen geschlossen werden mssen. Das konnte bestimmt nicht GottesWeg zur Evangelisierung des Inlands sein.
Was war nun zu tun? Welche Antwort sollten die Pioniere erhalten,die so dringend um Hilfe baten? Hudson Taylor erklrte der kleinenSchar: Es gibt verschiedene Wege fr Gottes Handeln. Wir knnen zumBeispiel Plne ausarbeiten und sie nach bestem Vermgen ausfhren. Das
ist schon besser, als planlos zu arbeiten. Aber es ist nicht die beste Art,dem Meister zu dienen. Wir knnen zweitens die Plne sehr sorgfltigentwerfen und dann Gott um Seine Hilfe und Gnade bei der Durchfh-rung bitten. Der dritte Weg heit: mit Gott anfangen, nach Seinen Plnenfragen und uns Ihm zur Durchfhrung anbieten."
Fr diesen letzten Weg entschlossen sich die Missionare. Tag fr Tagsollten die Nte der Mission vor Gott gebracht und Seine Weisung zurUberwindung erbeten werden.
Wenn wir diesen Weg whlen", fuhr Hudson Taylor fort, ber-lassen wir die Verantwortung Gott, der immer Rat wei. So finden wirRuhe in Seinem Dienst. Wir selbst brauchen nur zu folgen, wohin wirgefhrt werden. Wir dienen dem, der planen und ausfhren kann, dessenWerk nie fehlschlgt."
Nur allmhlich erfaten sie ganz, was das bedeutete. Viel Glaubenwar dazu ntig. Hudson Taylor berechnete einmal bei einem Spaziergangber den Schlangenhgel in Wuchang mit einem seiner Mitarbeiter, wieviele Frauen und Mnner noch ntig sein wrden, um die dringendsteArbeit zu bewltigen. Station um Station wurde geprft. Der Blick aufden Zusammenflu von Han und Yangtse, an dessen Ufern zwei Millio-nen Menschen lebten, gab ihrer berlegung besonderen Ernst. Da tauchteein neuer Gedanke auf, berwltigend zuerst in seiner Khnheit: fnfzigoder sechzig neue Missionare. Die ganze Mission zhlte damals kaumhundert. Aber auch fnfzig oder sechzig wrden nicht gengen.
Andere siebzig!!" zuckte es durch Hudson Taylors Sinn. Danachsonderte der Herr andere siebzig aus und sandte sie ..."
War das nicht zu viel verlangt? Nicht wegen der groen, wartendenArbeitsflle, aber wegen der fehlenden Geldmittel.
In diesem Augenblick stie Missionar Parrott mit dem Stock an etwasHartes im Gras. Sehen Sie her!" sagte er und hob eine auf eine Schnurgezogene Kleingeldrolle auf. Wenn wir darum auf die Hgel steigenmuten, dann kann uns Gott alles Geld geben, das wir brauchen."
Sie lieen aber den Gedanken nicht ohne weiteres zur Tat werden.Verschiedene Gebetsversammlungen und Besprechungen wurden nochgehalten, ehe sie vertrauensvoll um weitere siebzig Mitarbeiter beteten.Und sie rechneten mit der Erhrung.
Jemand sagte: Wenn wir uns doch wieder treffen knnten zu einemDankgottesdienst, wenn spter der letzte der Siebzig in China angekom-men ist!"
Es wurde beschlossen, drei Jahre als Zeitraum festzusetzen, in dem dieErhrung erwartet werden sollte. Es htten kaum in krzerer Zeit soviele neue Arbeiter aufgenommen und untergebracht werden knnen.
Dann werden wir alle zerstreut sein", entgegnete ein anderer vonmehr praktischer Veranlagung. Warum knnen wir diesen Dankgottes-
dienst nicht jetzt schon feiern? Warum sollten wir nicht fr die Siebzigdanken, bevor wir auseinandergehen?"
Diesem Vorschlag stimmten alle zu. Alle, die gemeinsam fr dieSiebzig gebetet hatten, dankten auch gemeinsam fr die Erhrung, diesie jetzt schon im Glauben empfangen hatten.
Von nun an konnte Hudson Taylor voller Freude sehen, wie berallin der Mission das Gebet um neue Hilfskrfte freudig aufgenommenwurde. Er wute, was es fr seine Mitarbeiter hie, ernstlich um einesolche Vergrerung des Missionsstabes zu beten. Die Geldknappheitwar ihnen bekannt. Er wute aber auch, da sie im Gehorsam gegen Gotthandelten.
Wenige Tage nach der Konferenz im Januar 1882 befand sich HudsonTaylor in Ningpo und entwarf einen Aufruf an die Heimatkirchen, densiebenundsiebzig Missionare unterzeichneten:
Stndig gehen Seelen ins Verderben, weil sie den rechten Weg nichtkennen. Mehr als tausend gehen jede Stunde in die Nacht des Todes ...Die Provinzen Chinas sind an Flchenausdehnung den KnigreichenEuropas gleich und haben eine Bevlkerung von zehn bis zwanzig Mil-lionen. In einer Provinz befindet sich berhaupt kein Missionar, in einerandern arbeitet ein einziger Unverheirateter. Zwei weitere Provinzenwerden von einem Missionsehepaar betreut, doch in keiner befindet sicheine ausreichende Zahl von Mitarbeitern. Drfen wir es dabei bewendenlassen, ohne Blutschuld auf unser Haupt zu laden?"
Nach einer Aufforderung zur Frbitte um mehr Arbeiter fr alleevangelischen Missionen auf beiden Seiten des Ozeans" wird im beson-deren auf die Nte der China-Inland-Mission hingewiesen.
Eine sorgfltige Prfung der geistlichen Arbeit, zu der wir selbst berufen sind,hat uns die Notwendigkeit baldiger Verstrkungen gezeigt. Viele aus unserer Mitteflehen tglich zu Gott um weitere vierundzwanzig Mnner und achtundzwanzigFrauen, die das Werk mit uns weiterfhren und ausbreiten wollen. Wir bitten die Br-der und Schwestern in Christus in der Heimat, den Herrn der Ernte mit uns um dieAussonderung der ,andern Siebzig' zu bitten. Wir machen uns keine Sorgen um dieMittel zur Aussendung oder um den Unterhalt. Er hat uns gelehrt, auf die Vgel undBlumen zu achten und uns nicht zu sorgen. Wenn wir zuerst nach dem Reiche Gottesund nach Seiner Gerechtigkeit trachten, wird uns solches alles zufallen.
Eins aber ist uns wichtig: Es sollen nur solche Mnner und Frauen zu uns kommen,die von Gott gerufen und Ihm vllig ergeben sind, die alles andere geringachten gegen-ber ,der berschwenglichen Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn'.
Wir fgen noch ein Wort der Warnung und der Ermutigung fr solche ein, die sichunserem Werk anschlieen wollen. Wartet im Gebet auf Gottes Ruf! Fragt Euch, obIhr wirklich alles von Ihm erwartet, wohin Sein Weg auch fhrt! Romantische Gefhleversagen bald bei der schweren Arbeit und den dauernden Unbequemlichkeiten imInland. Sie werden nicht ausreichen in ernster Krankheit oder bei Geldmangel. Alleindas Vertrauen auf den lebendigen Gott gibt in solchen Lagen Freude und Frieden.
Die Ermutigung lautet: Wir haben Gottes Treue erprobt und erkannt, wie wunder-bar es ist, von Ihm abhngig zu sein. Er hilft uns in allen unseren Nten und hat unsgeholfen. Wenn wir teilhaben an der Armut dessen, der arm wurde um unseretwillen,
so werden wir wie Paulus uns oft freuen drfen, da wir ,arm waren und doch vielereich machten, nichts hatten und doch alles hatten'. Er macht uns glcklich in SeinemDienst. Diejenigen unter uns, die Kinder haben, wnschen nichts Besseres fr sie, wennder Herr verziehen sollte, als da sie zum selben Dienst und zur selben Freude berufensein mchten."
Kurz bevor Hudson Taylor diesen Aufruf schrieb, konnte er seinenltesten Sohn Herbert in China willkommen heien. Was konnte nichtalles von diesem Jahr 1882 erhofft werden! In der ganzen Mission wardas Gebet um die Siebzig aufgenommen worden. Durfte man nicht miteiner neuen Flut geistlicher Segnungen sowohl in der Heimat wie auch inChina rechnen? Und mute nicht Hudson Taylor zu neuer Kraft gefhrtwerden? Aber wer kennt die Wege Gottes? Nicht immer geht Er SeinenWeg nach unseren Erwartungen. Auch hier sah die Wirklichkeit andersaus als die Hoffnung. Weder in England noch in China verringerten sichdie Schwierigkeiten. Mr. Broomhall, der bis an die Grenzen seiner Kraftarbeitete, konnte kaum ber einen Zuwachs an Geldmitteln oder neuenArbeitern berichten. Elf waren hinausgezogen, darunter nur drei Missio-nare. Das Fnffache hatte man erhofft. Die Geldknappheit war so fhl-bar, da Hudson Taylor sich kaum wunderte, wenn in dieser Zeit mehr-fach Mitarbeiter, die nicht in engster bereinstimmung mit den Grund-stzen der Mission gestanden hatten, das Verhltnis lsten. Den Missio-naren wurden damals Beamtenstellen mit fnfzig Pfund Monatsgehaltangeboten. Mancher mochte sich dabei noch mit dem verfhrerischen Ge-danken beruhigt haben, da hier sogar besondere Gelegenheiten zu christ-licher Beeinflussung zu finden wren. Die schmerzlichste Erfahrungmachte Hudson Taylor bei seinen Besuchen gerade auf wichtigen Sta-tionen, wo er manchmal einen Rckschritt in der Arbeit feststellen mute.
So wurde der Glaube im Feuer geprft. Alle Schwchen wurden inshelle Licht gerckt, wie Mangel an Geisteskraft, an Organisation, angroen Fhrern. Es stellte sich heraus, da der Verwaltungsapparat voll-stndig unzureichend war, um das Werk in seinem jetzigen Umfang zutragen. Unter diesen groen Belastungen wurde Hudson Taylor vonZukunftssorgen befallen. Auch litt er sehr unter Vereinsamung. Er schrieban seine Frau am 21. Oktober:
Betet besonders um Leitung bei der Gestaltung der Organisation undum die rechten Mnner zu ihrer Durchfhrung! Geisteskrfte und Fh-rereigenschaften sind jetzt besonders ntig. Wenn ich nur die geistigeLeitung ohne sonstige Nebenarbeit htte, knnte ich noch manches er-reichen."
Im November fuhr er fort: Manchmal versteige ich mich zu derHoffnung, im Januar schon abreisen zu knnen und Euch im Mrz wie-derzusehen. Aber es scheint zu schn, um wahr zu sein, und ich will michnicht zu sehr darauf verlassen. Die Enttuschung wre zu schmerzlich.Ich meine es wirklich aufrichtig, wenn ich sage, da ich nur eins wnsche
Gottes Willen zu tun. Aber ich sehne mich so sehr nach Dir und denKindern, da ich oft frchte, mein Beweggrund, so schnell heimzukom-men, wre vielleicht nicht nur die Frderung des Werkes Gottes."
Am 5. Dezember schrieb er: Ich mchte dem Herrn Jesus nichts vor-enthalten und die mir anvertraute Arbeit zu Ende fhren ... Aber ichdenke, da Er uns bald vereinigen und nicht wieder solche langen Tren-nungszeiten auferlegen wird ..
Danach bereiste er noch den Bezirk, in dem er wenig Ermutigendesvorfand. Er hatte damals geschrieben: In diesem Arbeitsbezirk scheintalle Mhe umsonst zu sein." Jetzt, da ein neuer Geist der Liebe ihn er-fllte, fand er den Weg zu den Herzen, die ihm vorher verschlossengeblieben waren. Mitarbeiter blieben der Mission erhalten und wurdenbesonders gesegnete Menschenfischer.
Die letzten Monate des Jahres verbrachte Hudson Taylor in Chefoo.Es muten wichtige Neuordnungen in der Leitung der Arbeit getroffenwerden. Jede Station wurde durch Rundbriefe auf dem laufenden ge-halten. Missionar Coulthard bernahm die Vertretung Hudson Taylorsin Wuchang sowie die finanzielle Verwaltung fr die westlichen undnordwestlichen Provinzen. Parrott wurde zum Missionssekretr fr dieKorrespondenz bestimmt, die nicht unbedingt durch den Direktor er-ledigt werden mute.
Nun stand Hudson Taylors Rckkehr nach England nichts mehr imWege. Auch das Gebet um Geld fand Erhrung. Im Oktober war be-sonders dafr gebetet worden, weil eine Anzahl Missionare ins Landes-innere reisen und besondere Zuschsse fr sich selbst, aber auch fr alleStationen, die sie auf dem Wege berhrten, mitnehmen sollten. Darumwurde die Post aus der Heimat sehnlichst erwartet.
Wir saen zu Tisch", erzhlte Hudson Taylor, als die Briefe aus der Heimatankamen. Ich werde nie vergessen, was ich empfand, als ich in meinem Brief nur96 Pfund, 5 Pence fand, hatte ich doch sieben- bis achthundert Pfund fr die Bedrf-nisse der Mission erwartet.
Ich schlo den Brief, ging auf mein Zimmer, kniete dort nieder und breitete ihnvor Gott aus. Ich fragte Ihn, was ich tun sollte, knnte ich doch die erhaltene Gabenicht auf siebzig Stationen mit achtzig bis neunzig Missionaren Frauen, Gehilfenund Kinder nicht eingerechnet verteilen. Nachdem ich die Sache dem Herrn ber-geben hatte, besprach ich mich mit einigen Missionaren in Chefoo. Dann riefen wirGott gemeinsam um Hilfe an. Andern sagten wir nichts davon.
Bald wurde unser Gebet erhrt. Es liefen Gaben von Freunden am Ort ein. Sieahnten nicht, wie gelegen ihre Hilfe kam. Schlielich war fr alle Bedrfnisse diesesMonats gesorgt. Ganz hnlich erlebten wir Gottes Hilfe im November und Dezember.Jedesmal brachten wir die Heimatbriefe vor den Herrn und warfen unsere Sorgen aufIhn. Er half uns immer zur rechten Zeit. Wie nie zuvor versorgte Er uns mit Gabenaus China und erfreute uns damit ganz besonders."
Auf diese Weise ermutigt, ging der kleine Kreis in Chefoo gern aufHudson Taylors Vorschlag ein, gemeinsam um ein deutliches Zeichen"zu beten, das besonders die Heimatgemeinde in ihrem Glauben strken
sollte. Briefe von daheim bewiesen, wie zaghaft einige Mitarbeiter undMissionsfreunde sich dem Gebet um die Siebzig anschlssen; denn es wartatschlich ein groes Wagnis. Whrend einer der tglichen Gebetsge-meinschaften in Chefoo Anfang Februar 1883 baten die Missionare umdieses besondere Zeichen. ber diese Gebetsstunde wurde nichts nachHause berichtet. Im Missionshaus an der Pyrland Road wurde am2. Februar die Summe von 3000 Pfund fr das Werk in China entgegen-genommen.
Hudson Taylor befand sich in jenen Tagen auf der Heimreise. Nachseiner Landung in Marseille besuchte er Bergers in Cannes. Dort sah erdie Aprilnummer von Chinas Millionen" und fand darin den Berichtber die Schenkung von 3000 Pfund mit dem Bibelwort: Heische vonmir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Enden zumEigentum" (Psalm 2, 8) und darunter folgende Aufstellung:
Vater 1000 Pfund
Mutter 1000
Maria 200
Rosie 200
Bertie 200
Amy 200
Henry 200
3000 Pfund
Hudson Taylor sagte spter: Wie buchstblich hat Gott unser Gebeterhrt! Wir hatten um einen treuen Haushalter gebetet, der fr sich undseine Familie Segen suchen sollte. Noch nie war uns eine Gabe in dieserForm zugeschickt worden. Noch einmal im folgenden Jahr erlebten wirSeine Erhrung in dieser Art."
Hudson Taylor kam Ende Mrz gerade noch rechtzeitig vor denFrhjahrs- und Sommerkonferenzen zu Hause an. Es fiel ihm auf, dadie Mission allmhlich eine neue Stellung in der christlichen ffentlichkeiteinnahm. Die unermdliche achtjhrige Arbeit Mr. Broomhalls hatte dasVertrauen weiterer Kreise gewonnen und sie zu Freunden gemacht. DiePioniere, Mnner und Frauen, in fast allen Inlandprovinzen hatten invielen Glubigen Dank gegen Gott geweckt. In vielen Teilen Englandsgab es Menschen, die hren wollten, wie das scheinbar Unmgliche erreichtworden war, wie das Werk ohne Aufrufe um Geld oder Kollekten hatteexistieren knnen und wie die kleinen Gruppen von Bekehrten in denfernsten Gebieten Chinas gesammelt worden waren. So wurde HudsonTaylor bald von allen Seiten in Anspruch genommen. Jemand berichtete:
Wenn er sprach, konnte man einer Sache sicher sein: Niemals bettelteer um Geld. Oft habe ich es gehrt, wie er beinahe abweisend ausein-andersetzte, da keiner anderen Missionsgesellschaft Beitrge entzogenwerden drften, um sie der China-Inland-Mission zuzufhren. Deshalb
habe er Grundstze fr seine Mission aufgestellt, die eine Konkurrenzmit anderen Gesellschaften ausschlssen. Nichts bereitete ihm grereFreude, als Gutes ber andere Missionen zu sagen ... Anstatt zu wn-schen, etwas zu erhalten, war er immer zum Geben bereit. Das war es,was ihn erfllte. Manche Menschen scheinen dauernd zu fordern, auchwenn sie es nicht direkt aussprechen. Er niemals."
Whrend der Konferenz in Salisbury machte Hudson Taylor odervielmehr die Art, wie Gott ihn mit Demut kleidete", auf deren Leitertiefen Eindruck. Taylors Ansprachen waren kraftvoll, voll Heiligen Gei-stes, was sich namentlich im Dankgottesdienst am Schlu der Konferenzauswirkte. Die China-Inland-Mission wurde dabei mit keinem Worterwhnt, doch weihte mancher in dieser Stunde sein Leben China. Ob-wohl keine Sammlung veranstaltet wurde, leerten die Teilnehmer ihreGeldbrsen, streiften ihre Juwelen ab, gaben Uhren, Ketten, Ringe undanderes hin und weihten Gott ihr Leben zum Dienst.
Fnfzehn oder sechzehn Kandidaten boten sich der China-Inland-Mission an. Am nchsten Tag wurde uns ein mit Schmuckstcken gefllterKasten zugeschickt."
Obgleich Hudson Taylors Zeit und Kraft so sehr in Anspruch genom-men waren, suchte er im stillen nach Klarheit ber die Frage der weiterenAusbreitung der Mission. Unter den etwa zweihundertfnfzig Briefen,die monatlich geschrieben werden muten, befand sich am 24. August1883 auch ein wohldurchdachter Bericht an alle Mitarbeiter der Mission,in dem er seine Plne darlegte und um ihre Beurteilung bat:
Wir mssen darum besorgt sein, da die neue Organisation den Grundcharakterder Mission nicht antastet und uns nicht von den Wegen abbringt, die Gott von An-fang an gesegnet hat. Dem Direktor in China mu ein Beirat zur Seite gestellt wer-den, wie es in der Heimat bereits der Fall ist. Die Mitglieder dieses Missionsratesknnen ihrerseits auerdem das Amt eines Bezirksleiters ausben und einen Bezirks-rat aus dem Missionarskreis hinzuziehen. Dadurch wird kein neuer Grundsatz ein-gefhrt, aber unsere Arbeit kann sich dadurch weiter ausdehnen. Viele Angelegen-heiten knnten dann an Ort und Stelle ohne Aufschub berlegt und geordnet werden,wobei die Entwicklung der einzelnen Teile und der Gesamtheit gefrdert wird. Bisherkonnte ich immer nur mit denjenigen sprechen, die zu erreichen waren, und das auchnur in unregelmigen Abstnden. Nach dem vorliegenden Plan wrde ich durch dieBezirksleiter (Superintendenten) mit allen Missionaren stndig in Verbindung stehen,und damit wre der Oberblick ber das gesamte Werk bedeutend klarer."
In jene Zeit hinein fiel der Tod Dr. Harold Scofields. Er starb inChina an einem heimtckischen Fieber, drei Jahre nach seiner Ankunft imLand. Er starb betend. Whrend der letzten Monate seines Lebens hatteer sich das Gebet zur Hauptaufgabe gemacht und sich deswegen von Frauund Kindern zurckgezogen. Er gnnte sich weder Ruhe noch Ausspan-nung. Seine dringlichste Bitte war, da Gott zu den jungen Menschen anUniversitten und Hochschulen-der Heimat reden mchte, damit sich ausdiesen Kreisen begabte und gebildete Mnner fr Sein Werk meldeten.
Es gab damals noch keine Studenten-Bibelgruppen an den Hochschulen.
Scofields Gebete fanden Erhrung. Die Nachricht von seinem Sterbenerreichte Hudson Taylor nicht sofort. Aber er erhielt kurz danach imNorden Englands einen Brief von einem jungen Offizier der kniglichenArtillerie, der zweifellos mit Scofields Gebet in Zusammenhang stand.Er bat Hudson Taylor um eine Unterredung. Der Schreiber, D. E. Hoste,sollte spter einmal sein Nachfolger werden. Damals ahnten beide nichtsdavon.
Als Antwort auf Dr. Scofields Gebete wurden auch noch andere Stu-denten nach China gerufen. Die bekannten Cambridge-Sieben" brachtendurch ihre Ausreise nach China einen neuen Geist in die UniversittenEnglands, Amerikas und anderer Lnder. Das geschah nicht durchmenschliche Bemhungen und Berechnungen. Eugen Stock sagt in seinerGeschichte der Kirchlichen Missionsgesellschaft" darber:
Im Herbst 1884 erregte die Nachricht groes Aufsehen, da der ersteRuderer des Cambridge-Bootes als Fhrer der ,Cambridge-Sieben' alsMissionar ausreisen wollte."
Diese Nachricht packte in Edinburgh auch eine Gruppe von jungenMedizinern, die schon seit Monaten schwer unter der religisen Gleich-gltigkeit an der Universitt und besonders unter den Kommilitonen ihrerFakultt gelitten hatten. Hudson Taylor hatte mit einigen dieser Studen-ten, die sich als Kandidaten der Mission angeschlossen hatten, eine ReiheVersammlungen in Oxford und Cambridge gehalten, wobei die Studentenwie nie zuvor ein Interesse an der ueren Mission gezeigt hatten. Aberdie Vorbereitungen zur Ausreise hinderten die Kandidaten daran, denErfolg ihrer Arbeit zu vertiefen und zu nutzen. Hier sprang nun einbegeisterter Evangelist, Reginald Radcliffe, ein. Er liebte Schottland ganzbesonders und wollte dieses Land gern mit den ausziehenden Missionarenin Verbindung bringen. Er erbat und erhielt Hudson Taylors Erlaubniszu dem Vorschlag, Professor Simpson, Studd und Stanley Smith nachEdinburgh zu bitten. Dieser Vorschlag wurde von den jungen Medizinernmit Begeisterung aufgenommen.
Professor Charteris schrieb spter:
Viele hatten bereits von Stanley Smith gehrt, und jedem Kricketspieler war derName Studd bekannt. Darum hie es in allen Hrslen: ,Kommt, wir wollen hin-gehen und die Athletenmissionare begren!' Es versammelten sich ungefhr tausendMenschen. Als Redner waren die beiden jungen Missionare und der aus China zurck-gekehrte Mr. Landale bestimmt. Smith wre als Redner berall aufgefallen. Er be-sitzt eine ungewhnliche Klarheit der Gedanken, der Bilder und des Ausdrucks. Voreiner aufmerksamen Zuhrerschaft erzhlte er, wie die .Liebe Christi ihn gedrungenhabe', seine aussichtsreiche Laufbahn aufzugeben, um im fernen China das Evangeliumzu predigen.
Studd ist kein Redner. Aber er ging wie einst im Kricketfeld direkt auf sein Ziellos und erzhlte schlicht, wie ihn Gott allmhlich dazu gebracht hatte, aus Liebe zuseinem Erlser Vater und Mutter, Heimat und Freunde zu verlassen.
Die Studenten lauschten wie gebannt. Beide Sprecher waren so mnnlich, gesundund stark, dazu so glcklich, und sie sprachen so selbstverstndlich von ihrem Erleben,da am Schlu Hunderte von Studenten sie umdrngten, um ihnen die Hnde zuschtteln. Sie begleiteten die jungen Missionare zur Bahn und riefen ihnen ihr ,Gottgeleite euch!' nach."
Hudson Taylor erkannte in dieser Entwicklung die Hand des Herrnund sehnte sich danach, seinen Anteil dabei zu leisten. Er war sich derKraft des Heiligen Geistes bei den Versammlungen klar bewut gewesenund hatte bemerkt, wie sehr die freudige Hingabe seiner Helfer nicht nurStudenten, sondern auch christliche Fhrer beeindruckt hatte.
Pfarrer F. B. Meyer berichtet darber:
Der Besuch Stanley Smiths und Studds in der Melbournehalle bleibt Wendepunktin meinem Leben. Vorher war mein Christenleben ein stndiges Auf und Ab gewesen bald flammende Begeisterung, bald schwaches Glimmen unter Schutt und Asche. Ich sah,da diese jungen Mnner etwas besaen, was mir selbst fehlte, was ihnen aber Quelledes Friedens, der Kraft und der Freude war. Nie werde ich das Bild vergessen, als ichan einem kalten Novembermorgen um sieben Uhr morgens ihr Schlafzimmer betrat.Im Dmmerlicht saen sie bei heruntergebrannten Kerzen ber ihre Bibel gebeugt. Sietrugen ihre alte Kricket- und Rudererkleidung, die sie gegen das feuchte, rauhe Klimaschtzte. Das folgende Gesprch hat mein Leben tief beeindruckt."
Es wurde beschlossen, da Hudson Taylor allein ausreisen sollte, umdie dringendsten Angelegenheiten in Schanghai zu erledigen. Radcliffe,Broomhall und andere sollten die Vortragsarbeit bernehmen, die soreiche Frchte versprach. Hudson Taylor leitete noch die Versammlungin der Exeterhalle, bei der alle Hinausziehenden anwesend waren. berdie Versammlung schreibt Eugen Stock in der Geschichte der KirchlichenMissionsgesellschaft" :
Noch nie hat eine Missionsversammlung wie die in der Exeterhalleam 4. Februar 1885 stattgefunden ... Danach haben wir fters solcheVersammlungen erlebt. Unsere Kirchliche Missionsgesellschaft ist derChina-Inland-Mission und den Cambridge-Sieben' zu tiefem Dank ver-pflichtet. Der Herr selbst sprach durch sie und schenkte offene Ohren."
Diese Getreuen standen nicht nur in ffentlichen Versammlungen zuihrem Fhrer und der Mission, der sie sich angeschlossen hatten. DieHauptarbeit geschah im Hintergrund in stillen Stunden und Gebetszeitenin der Pyrland Road, wie z. B. Silvester 1884. Die finanzielle Armut derMission wurde ihnen nicht verheimlicht. In der Kasse fanden sich beimJahresabschlu nur zehn Pfund. Doch: zehn Pfund und alle Verheiun-gen Gottes. Dieser Mangel war nicht wichtig.
Drei Wochen spter verlie Hudson Taylor London. Ein Teil derjungen Leute befand sich wieder in Schottland und berichtete freudig, wieder in Christus gefundene Reichtum alle weltlichen Vorteile, auf die sieverzichteten, reichlich aufwog. Dankbar las Hudson Taylor unterwegsin Frankreich den Bericht aus Edinburgh:
Gestern abend zweitausend Studenten wundervolle Erfahrungen!Es ist der Herr!"
SEGENSTAGE
18851886
Hudson Taylor war sich der ihn erwartenden Verantwortung vollbewut, als er sich endlich Schanghai nherte. Er hoffte whrend diesessechsten Chinaaufenthalts Plne verwirklichen zu knnen, die sich ihmlngst aufgedrngt hatten.
Es sollte ein stellvertretender Direktor ernannt werden, der sich mitihm in die Arbeit teilte; die verschiedenen Gebiete sollten Superintenden-ten erhalten. Er mute damit rechnen, da jede nderung in der Auf-teilung von mtern Bedenken und Zweifel wecken wrden. Spter zeigtesich, da auf dem Wege der Pflichtenverteilung noch mehr Schwierigkeitenlagen, als er vorausgesehen hatte. Aber die Einsetzung von Superinten-denten in vielen Provinzen und die bessere Organisation der Verwaltungwaren unumgnglich.
Erst kurz vor dem Jahresende erkannte er, wer sein Stellvertreter seinsollte: Stevenson mit seiner auergewhnlichen Leistungsfhigkeit. Erkehrte gerade in diesen Tagen in der Weihnachtszeit nach zehneinhalbJahren Aufenthalt in Burma und anderswo nach China zurck.
Pfarrer J. W. Stevenson hat den Posten des stellvertretenden Leitersangenommen. Dafr bin ich sehr dankbar", schrieb Hudson Taylor imMrz 1886 an die Mitglieder der Mission. Er wird, so Gott will, anmeiner Stelle die Stationen besuchen, wenn ich von China abwesend bin,und alle Fragen erledigen, die die Superintendenten vor ihn bringen undderen Erledigung keinen Aufschub duldet."
In Hudson Taylors Plan stand eigentlich auch ein Besuch der nrd-lichen Provinzen. Mehr als einmal wollte er nach Shansi aufbrechen, aberimmer wieder hielten ihn dringende Geschfte in Schanghai zurck, oderer wurde in andere Gebiete gerufen. Als er endlich nach mehr als einemJahr reisen konnte, wute er, wie wohldurchdacht die Hindernisse ge-wesen waren. Er sollte erfahren, da es einen einfacheren Weg zur Er-reichung seines Zieles gab.
Sechs Jahre war es her, seit Hudson Taylor bei einem Besuch die Be-kehrten traf, die Kapitn J in der Umgebung von Jshan gesammelthatte. Die kleinen Auenstationen in den Bergen und am Flu hattenseitdem kaum einen Missionar gesehen. Vor einiger Zeit verbrachte einejunge Missionarin, Agnes Gibson, einige Ferientage in der schnen Ge-gend. Was sie spter berichtete, berechtigte zu groen Hoffnungen. Siehatte bei der Frau des Evangelisten von Changshan gewohnt, wo sie sichtagsber im Wohnraum der Familie aufhielt und die Nchte in einemDachkmmerchen zubrachte, zu dem eine Leiter fhrte. Trotz dieser krg-lichen Wohnung war sie keinen Augenblick vor Besuchern sicher. VomMorgen bis zum Abend war ihr Zimmer von Frauen und Kindern be-
lagert. Agnes Gibson freute sich ber die Besucher und wurde nie mde,die alte Geschichte", die ihr selbst immer lieber wurde, weiterzuerzhlen.
Nun fand Hudson Taylor beim sonntglichen Gottesdienst auer denMnnern auch Frauen vor. Bei seinem ersten Besuch war deren Wider-stand so heftig gewesen, da sie sogar einen eigenen Raum mieten mu-ten, wo sie ungestrt lesen und beten konnten. Nun sagten sie:
Wir brauchen einen eigenen Missionar und eine Frau! Wenn ein nurkurzer Besuch diese groe Vernderung bewirken konnte was wrdedann erst geschehen, wenn wir stndig eine Lehrerin htten !"
Was lie sich dagegen einwenden? Das war ja genau die Entwicklung,die Hudson Taylor lngst ersehnt hatte. Whrend er mit Miss Murrayund ihren jungen Begleiterinnen den Kwangsin hinabfuhr und die unge-zhlten Stdte an ihnen vorberglitten, die alle ohne Prediger des Worteswaren, beobachtete er, wie die Missionarinnen berall herzlich begrtwurden von den Christen und auch von der brigen Bevlkerung. Da er-kannte er, da Gottes Zeit fr Seine Botinnen gekommen war. Sie wrdenallerdings keine leichte Aufgabe haben, und er wrde sich selbst einegroe Verantwortung aufladen, wenn er sie ziehen lie.
Sein Vertrauen auf Gott wurde jedoch vllig gerechtfertigt. Im erstenJahr der Frauenarbeit am Kwangsin wurden zweiundvierzig Bekehrtegetauft, und nach vier Jahren war allein die Gemeinde Jshan von vierzigauf hundertacht Mitglieder angewachsen. Spter zhlte dieses Gebietzehn Haupt- und sechzig Auenstationen mit 2200 Gemeindegliedern,einer groen Zahl von Bewerbern, auch Schulen usw., und dies alles unterchinesischer Leitung. Die Missionarinnen waren dort die einzigen Euro-per.
Als Hudson Taylor sechs Wochen spter nach Schanghai zurckkehrte,wurde er sofort vor ein schwieriges Problem gestellt. Er erreichte dieStadt einen Tag vor dem Erlschen seines Vorkaufsrechts auf einen Bau-platz im Europerviertel. Ein wertvolles Stck Land, gut gelegen fr dieZwecke der Mission aber es sollte fast 2500 Pfund kosten. Geld zumAnkauf besa er allerdings nicht. Und doch wenn diese Gelegenheitnicht ausgenutzt wurde, wrde sie wohl niemals wiederkommen. Wassollte er tun?
Eins war jedenfalls mglich: Sie konnten die Angelegenheiten gemein-sam im Gebet vor den Herrn bringen. Wenn Gott wollte, da sie dasGrundstck bekommen sollten, wrde Er auch den Kauf zustande brin-gen. Als die Missionare am 14. Juni dafr beteten, erhielten sie an Ortund Stelle die Antwort.
Im Missionarskreis befand sich ein Mann, der schon zwei Jahre vor-her durch McCarthys Berichte in Schottland fr China gewonnen worden
war. Damals mute fr ihn als Leiter groer geschftlicher Unternehmun-gen erst Ersatz gefunden werden, damit er der China-Inland-Missionbeitreten konnte. Dadurch hatte sich seine Ausreise verzgert, und ererreichte Schanghai gerade am Tage der besonderen Gebetsversammlung.Von ihm kam dann die Gabe zum Kauf des Grundstcks. Spter wurdennoch weitere Gebude fr ein ideales Hauptquartier geschenkt. So hatteGott vorgesorgt und das Gebet erhrt und damit die Weiterentwicklungder Mission sichergestellt.
Nun war sie endlich da die lang ersehnte Gelegenheit, nach Shansizu kommen! Sieben Jahre hatte Hudson Taylor darauf gewartet. Voreinigen Monaten war er sogar schon einmal dorthin aufgebrochen, aberwieder zur Kste zurckgerufen worden. Die bessere Organisation er-mglichte ihm nun eine mehrmonatige Abwesenheit von Schanghai. Erhoffte, die Arbeit nicht nur in Shansi, sondern auch in noch entlegenerenInlandbezirken frdern zu knnen. Jede Station wrde ihre besonderenFragen und Schwierigkeiten haben, doch ging es in der Hauptsache immerwieder um die wichtigste: wie einem solch ungeheuren Gebiet das Evan-gelium gebracht werden knnte. Den einsamen Mitarbeitern wollte erHilfe und Strkung bringen und mit ihnen die Organisation der schnellwachsenden Gemeinden besprechen.
Es stellte sich heraus, da jede Missionsstation, die er besuchte, tat-schlich ihre besonderen Probleme hatte. Es stand den Missionaren nichtsmehr im Wege, die Millionen zu erreichen. Aber wie sollte es geschehen?Die einsamen Streiter brauchten Ermutigung. Es muten auch viele Fra-gen im Blick auf die Bildung von chinesischen Gemeinden besprochenwerden. An einigen Orten war die Zahl der Glubigen gro und nahmstndig zu.
In der ausgedehnten westlichen Provinz mit ihren sechsundachtzigMillionen Einwohnern konnte bisher nur von zwei protestantischen Zen-tren aus gearbeitet werden. Pfarrer W. Cassels hatte bereits mit vierMissionaren der Cambridgegruppe in der Provinz Shansi Erfahrungengesammelt. In der Hauptstadt Taynanfu trafen sie sich mit Hudson Tay-lor zu einer mehrtgigen Konferenz. Einige Bemerkungen Taylors berdas Verhltnis MissionarMissionsarbeit sollen wiedergegeben werden:
Wie knnen wir erwarten, da die Chinesen echte, gesunde Christenwerden, wenn wir nicht selbst ein echtes, gesundes Christenleben fhren?
Jeder, der lnger mit irgendeiner Mission in Verbindung steht, wirdviel von den Fehlern und Verfehlungen der Christen hren. Sind aberihre Fehler und ihr Versagen nicht meist der Spiegel der unsrigen?
Geistliche Kinder werden in ihrem Wesen immer ihren geistlichenVtern gleichen ... Der Strom steigt nicht ber seine Quellen hinauf.Die Herzenshrtigkeit, die die Aufnahme des Evangeliums hindert, istnicht die der Zuhrer, sondern die des Verkndigers."
Hudson Taylor betonte besonders, da man nicht nur mit dem Herrn
in enger Verbindung leben mte, sondern audi mit denen, deren Heilman suche. Nicht nur Zuneigung, sondern auch persnlicher Kontakt mitden Chinesen wre ntig, um die missionarische Lebensaufgabe zu er-fllen.
Es liegt eine Macht in dem engen Kontakt mit dem Volk. In Chengtu lebt einearme Frau, die sagte, als sie von Mrs. Rileys Sterben hrte: .Welch ein Verlust fr uns!Sie hat immer meine Hand genommen, und das hat mich getrstet.'
Wenn man einem Menschen die Hand auf die Schulter legt, liegt darin Kraft. JederChrist, der voll Heiligen Geistes ist, kann schon so Segen vermitteln. Berhrung ist eineMacht, die wir fr Gott gebrauchen knnen.
Aber unser Leben mu nicht nur unserer Lehre entsprechen, es mu auch gesehenwerden. Das ist keine leichte Aufgabe. Der Missionar, der eine Meile von seiner Ka-pelle entfernt wohnt und nur zum Predigen hingeht, wird oft enttuscht werden.
Ein harter Missionar wird wenig ausrichten. Er ist seinem Meister nicht hnlich.Besser voller Vertrauen, sanft und mitfhlend sein, selbst wenn es mibraucht werdensollte, als hart! Paulus schreibt an die Philipper: ,Und wenn ich gleich geopfert werdeber dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, so freue ich mich und freue michmit euch allen.'
Predigen allein gengt nicht... Unser Leben mu sichtbare Selbstaufopferung sein.Wir bringen manche Opfer, die der Chinese nicht als solche erkennt. Gott wei es, undwir knnen ruhig Sein Urteil und Seinen Lohn abwarten. Aber sie mssen auch unsereSelbsthingabe dort sehen, wo sie sie als solche erkennen knnen."
Obwohl Hudson Taylor sehr darauf sah, da die Gaben der Gemeindegepflegt wrden, war er darauf bedacht, nicht Erziehung, rztliche Arbeitoder sonstige Hilfsarbeit die erste Stellung einnehmen zu lassen:
Lat uns daran denken, da alles Menschliche, alles, was auerhalb von Christusliegt, nur insofern wertvoll ist, als es uns hilft, Ihm Seelen zuzufhren ... Wenn unsererztliche Kunst die Leute anlockt und wir ihnen Christus bringen, dann ist die rzt-liche Mission ein Segen. Aber Medizin anstelle des Evangeliums zu bringen, wre einschwerer Fehler. Wenn wir anstatt der Macht des Heiligen Geistes, die die Herzenwandelt, Schule und Erziehung brchten, wre das ebenso falsch. Und wenn wir unserVertrauen auf Geld, Bildung oder Beredsamkeit setzten anstatt auf den lebendigenGott, wrde es ein schwerer Fehler sein. Alle Hilfsmittel sollen Hilfsmittel bleiben.Das heit: Mittel, um Christus den Herzen nahezubringen. Dann knnen wir mitRecht dankbar fr sie sein... Lat uns selbst das Evangelium als grten Schatz be-trachten und glauben, da ,es eine Gotteskraft ist, selig zu machen, die daran glauben*.
Alles andere soll Ihm zu Fen liegen Wir werden nie den Mut verlieren, wenn wir
uns dessen bewut bleiben, da Christus unser volles Genge ist.
Warum geht man zu einem Baumeister in die Lehre? Doch um bauen zu lernen.Gleicherweise sollten wir in Verbindung mit dem .Retter' treten, um retten zu lernen.Tun wir das nicht, sind wir nicht Seine rechten Jnger."
Hudson Taylor hielt es zur Erziehung im Glaubensleben fr besonderswichtig, den Blick auf das zweite Kommen Christi, auf Seine persnlicheWiederkunft zu richten.
Oft lesen wir in Missionsberichten, da sich Menschen von den Gtzen zu demwahren, lebendigen Gott bekehrt haben. Aber kaum einmal hrten wir etwas davon,da sie auf Seine Wiederkunft warten (1. Thess. 1, 9). Ich glaube, die allgemeine Un-wissenheit bei den Christen ber die Wiederkunft Christi und die vllige Umwlzungaller gegenwrtigen Dinge ist eine wichtige Ursache der Selbstsucht und Verweltlichung,die wir in einigen Zweigen der Kirche in China finden.
Ich erinnere mich noch gut, welchen Eindruck es auf mich machte, als Gott meinHerz der groen Wahrheit ffnete, da Jesus wiederkommen werde und jederzeit er-wartet werden mte. Ich berlegte mir daraufhin, ob ich die Verantwortung fr alles,was ich besa, bernehmen knnte, auch betreffs meiner Kleidung. Als Ergebnis dieserBetrachtung verschwanden bald einige meiner Bcher und Kleider. Ich gewann damittiefen inneren Segen."
In praktischer Weise wute er auch klarzumachen, da wir die FlleChristi" besitzen.
Gott will uns alles geben, was wir ntig haben, wenn wir es wirklichntig haben. Er stattet uns nicht auf einmal fr unser ganzes Leben aus.Wir brauchen uns nicht mit der Last der Vorrte fr nchstes Jahr ab-zuschleppen. Unterwegs gibt es neue Nahrung, neues Licht, neue Kraft,neue Offenbarung, je nachdem es erforderlich ist."
Innerlich gestrkt kehrten die Missionare aus dem Sden der Provinzwieder auf ihre Stationen zurck. Die Regenzeit hatte eingesetzt, und siewollten noch die letzten Vorbereitungen zu den Konferenzen fr Chine-sen treffen, bevor Hudson Taylor nach Hungtung kam. Stevenson warbereits aus der Nachbarprovinz Shensi eingetroffen, um Hudson Taylorzu untersttzen. In Abwesenheit der anderen Missionare hatte er mehrereWochen mit den chinesischen Christen zusammengelebt und die Gelegen-heit, mit den Fhrern in enge Berhrung zu kommen, freudig ausgenutzt.Fr ihn wie fr Hudson Taylor war es eine neue Erfahrung, diese kraft-vollen und unabhngigen Leute der Nordprovinzen kennenzulernen.Er erkannte bald, was diese fr die Zukunft der einheimischen Kirchebedeuten wrden.
Aber noch anderes als ihre Energie und ihr Ttigkeitsdrang beein-druckte ihn. Er beobachtete das besonders bei Prediger Hsi, in dessenBezirk er fnf oder sechs Wochen arbeitete. Zusammen reisten sie umher.Stevenson besuchte sein Haus und seine Rettungsheime, lauschte seinerPredigt mit groer Freude und beobachtete ihn unter seinen Gemeinde-gliedern, denen er wirklich ein rechter Hirte war. Er erzhlte:
Ich war tief ergriffen. Diese Innigkeit und dieser Ernst! Sein Beten und Fasten, seinentschlossenes Streben nach dem einen Ziel, von dem ihn nichts in der Welt abbringenkonnte. Seine praktische Art zu helfen war erstaunlich. Noch nie hatte ich solchen Ein-flu auf andere beobachtet. Er war so stark, da alle ihm nachzugeben schienen, unddoch wieder so demtig. Besonders berraschte mich, wie die Leute kamen, um sich vonihm Rat zu holen. Er trug jedermanns Last mit und war jederzeit bereit, Rat zugeben und mit Hilfesuchenden zu beten.
Auch seine Schriftkenntnis und die Art, wie er sie anwandte, machten mir Eindruck.Eine Predigt ber die Versuchung Jesu erstaunte mich. Altbekannte Worte schienenbei seiner Auslegung und im Lichte seiner geistlichen Erfahrung neue Bedeutung zuerlangen. Gott war ihm eine gewaltige Wirklichkeit. Fortwhrend und in allen Dingenwandte er sich an Ihn. Auch mit Satan rechnete er in sehr realer Weise. Tagelang fasteteund betete er, wenn der Feind ihm besonders zusetzte."
Stevenson konnte nun Taylors Urteil ber die chinesischen Helfer auseigener Anschauung besttigen und verstehen, da er sie zur Konferenz-beratung hinzuzog.
Auf seiner Reise nach Hungtung stellten sich Hudson Taylor groeHindernisse in den Weg. Durch anhaltenden Regen hatten sich tiefe Rin-nen gebildet, und oft deckte nur eine dnne Oberschicht tiefe Moraste.Es muten reiende Gebirgsbche und Strme berquert werden. Endlich,nach zwei Wochen, erreichten sie am 30. Juli Hungtung, wo sich dieChristen schon vollzhlig zur Konferenz eingefunden hatten.
Hudson Taylor freute sich unbeschreiblich, diesen Menschen zu begeg-nen und mit eigenen Augen die segensreiche Arbeit zu sehen, von der erbisher nur gehrt hatte. Es gehrt zu den ergreifendsten Ereignissen seinesLebens, da er diese Schar glubiger Christen bei seinem ersten Besuch imfernen Inland begren durfte. Prediger Hsi beeindruckte ihn ganz be-sonders. Gleich am ersten Konferenztag, dem 1. August, leiteten sie zu-sammen den Sonntagmorgen-Gottesdienst.
Hsi wollte zuerst die ihm von Hudson Taylor zugedachte Stellungnicht annehmen. Stevenson, den er kannte und der die Lage und ihn selbstwirklich verstand, gelang es endlich, ihn von der Dringlichkeit zu ber-zeugen. Es wurde ihm erklrt, da Hudson Taylor nur den Auftrag aus-fhre, den Gott ihm lngst bertragen hatte. Seine Ordination sollte amMontag stattfinden. Ein tiefes Bewutsein der Gegenwart Gottes erfllteihn, darum brachte er die Zeit in ununterbrochenem Gebet zu. ber dieFeier schrieb Stanley Smith:
Mr. Taylor forderte die Brder, die in diesem Bezirk arbeiten, auf,sich mit ihm zur Handauflegung zu vereinigen. Nach einigen warmenGebetsworten setzte er Hsi zum Hirten und Pfleger der Herde Gottes ein.Er wurde nicht zum Pfarrer eines besonderen Bezirks ordiniert, weil er soweithin sichtlich unter Gottes Segen gewirkt hatte. Er sollte weiterhin,wohin er kme, frei in Gottes Werk arbeiten drfen. Wir wuten, dajede Gemeinde sich ber seine Mitarbeit freuen wrde."
An diese Feier schlo sich die Einsegnung von zwei ltesten und sech-zehn Diakonen an. Danach vereinigten sich ber siebzig Getaufte zu einerAbendmahlsfeier, die Pastor Hsi leitete.
Hudson Taylor begab sich dann auf die lange Reise nach Nan-chungfu. Zunchst besuchte er das fnfzehn Kilometer entfernte HausPastor Hsis und lernte diesen auergewhnlichen Menschen und seineRettungsarbeit unter den Opiumrauchern nher kennen. Mit seinen Beglei-tern kam er gegen Abend an. Alles war zum Empfang gerstet, die Gste-halle geschmckt und der Hof davor mit einem Zeltdach berspannt,damit er als Kapelle dienen konnte. Hier fanden die Hauptversammlun-gen statt. Die frhlichen Gesichter spiegelten die Inschrift wider, die vondem Hintergrund der Gstehalle strahlte: Ta Hsi Nien" (Jahre vollgroen Glcks").
Das Beste, was Hudson Taylor hier erfuhr, war wohl der Bericht berdie Erffnung eines weiteren Rettungsheims in einer der Provinzstdte,
die er auf seiner Herreise berhrt hatte. Pastor Hsi hatte schon langedafr gebetet. Immer wieder wurde das Anliegen vor Gott gebracht.
Wir haben nun sehr oft fr diese Stadt gebetet", sagte Frau Hsi einesTages, mten wir jetzt nicht etwas fr sie tun?"
Wie gern mchte ich das", erwiderte Hsi, aber wir haben kein Geld.Ein Haus zu mieten, ist keine billige Sache."
Wieviel Geld brauchten wir denn?" lautete ihre nchste Frage. Nachseiner Antwort sprachen sie nicht mehr darber. Doch Frau Hsi konnteHwochow nicht vergessen. Sie kam deshalb am nchsten Morgen ohneihren Schmuck und legte nach der Hausandacht einige Pckchen aufden Tisch.
Ich glaube", sagte sie, Gott hat unsere Gebete fr die Stadt erhrt."
Als Pastor Hsi die Pckchen verwundert ffnete, fand er darin ihrenganzen Schmuck: Armbnder, Ringe und sogar die der Chinesin so unent-behrlichen Haarnadeln. Es war ihr ganzes Heiratsgut.
Aber du willst doch nicht... du kannst doch nicht ... ?" begann er.
Doch, ich kann!" sagte sie frhlich. Ich kann ohne diese Dinge aus-kommen, wenn nur Hwochow das Evangelium bekommt."
Und so wurde aus dem Erls ihres Schmucks das Zufluchtsheim erwor-ben und ein wertvolles Werk begonnen.
Aber vermissen Sie denn Ihre schnen Sachen nicht?" fragte HudsonTaylor seine Gastgeberin.
Vermissen? Ich habe doch Jesus! Ist Er nicht genug?"
Es war schwer, sich von solchen Freunden wieder trennen zu mssen,besonders, da auch ein Teil seiner Reisegefhrten hier zurckblieb. Nur dieMissionare Studd und Beauchamp zogen mit Hudson Taylor weiter. Siesollten die Gemeindearbeit in Szechuan bernehmen. Hoste und StanleySmith blieben im Sden Shansis zurck. Fr sie war der Abschied amschwersten. Stanley Smith berichtete:
Der erste Abschnitt der Reise wurde bei Mondschein zurckgelegt.Wir gingen noch ein Stck Wegs mit. Hudson Taylor gab uns noch einigeletzte Worte voll guten Rats, brderlicher Liebe, heiligen Friedens, dannhielt er unsere Hnde und gab jedem seinen Abschiedssegen. Damit warder so lange erwartete, so lange verzgerte und so reich gesegnete Besuchin Shansi zu Ende."
Die Reise nach Handlung dauerte trotz groer Eile vierundzwanzigTage. Auf dem ganzen Weg durch dichtbevlkertes Gebiet fanden siekeine einzige Missionsstation.
Hudson Taylors Freudigkeit und Ausdauer machten auf seine Reise-gefhrten groen Eindruck. Als sie einmal sehr hungrig waren, hrteBeauchamp ihn singen: Wir danken Dir, o Herr, fr diese unsere Speise."Daraufhin konnte er sich nicht enthalten zu fragen, wo denn die Speise sei.
Sie kann jedenfalls nicht weit weg sein", gab Hudson Taylor lchelndzur Antwort. Unser Vater wei, da wir hungrig sind. Er wird uns das
Frhstck bald schicken. Sie werden dann erst warten mssen, bis Sie dasDankgebet gesprochen haben, whrend ich sofort essen kann."
Tatschlich trafen sie nur wenige Schritte weiter einen Mann, der ge-kochten Reis zum Kauf anbot, und hielten ein ausgezeichnetes Mahl.
Die Seele brauchte aber nie zu hungern. Eine Schachtel Streichhlzer,eine Kerze und seine Bibel in vier kleinen Bnden gehrten stets zu Hud-son Taylors Reiseausstattung, auch wenn er alles andere zurcklassenmute.
Immer sorgte er fr eine stille Stunde vor Tagesanbruch", schriebBeauchamp, und schlief danach womglich noch etwas ... Wenn ich auf-wachte, um die Tiere zu fttern, fand ich ihn stets mit seiner Bibel beider brennenden Kerze. In jeder Umgebung, selbst im Lrm und Schmutzder Herbergen, blieb er bei dieser Gewohnheit. Er pflegte auf Reisenliegend zu beten, denn gewhnlich betete er lange."
In Hanchungfu erfreute ihn die ernste Gesinnung der Glubigen, be-sonders weil er sah, da sie sich sehr um die Nachbarprovinz Szechuankmmerten, aus der mehrere von ihnen stammten. Das Evangelium wardort kaum bekannt. Hudson Taylor sah eine Mglichkeit zur Ausfhrungseines Planes fr Szechuan. Er wollte dort den Missionaren, die zur eng-lischen Hochkirche gehrten, ein eigenes Arbeitsfeld geben. ber die deno-minationale Stellung der Mission hatte Hudson Taylor schon 1866 aufdie Anfrage Pfarrer Muirheads von der Londoner Mission in Schanghaigeschrieben:
Meine Mitarbeiter stammen aus allen wichtigen Landeskirchen unserer Heimat:Wir haben Leute aus der Hochkirche, Presbyterianer, Unabhngige, Methodisten, Bap-tisten und Pdobaptisten. Auerdem stehen zwei in Verbindung mit den ,Brdern'.Wir haben die Absicht, die Leute, deren Ansichten ber Kirchenzucht bereinstimmen,miteinander arbeiten zu lassen. Auf diese Weise werden Schwierigkeiten vermieden.Jeder hat vollkommene Freiheit, seine Ansichten ber diese Nebendinge in seinemArbeitsfeld zu vertreten. Unser groes Hauptziel ist, Heiden aus der Dunkelheit insLicht, aus Satans Gewalt zu Gott zu bringen. Wir alle halten an den groen Grund-lagen des Glaubens fest, und in Gegenwart des Heidentums knnen wir die Fragen derKirchenzucht in unseren eigenen Zusammenknften weglassen, whrend wir auf deneinzelnen Stationen vor Gott verantwortlich handeln."
Im Augenblick waren die Aussichten nicht gnstig. Chungking hattevor kurzem einen heftigen Aufstand erlebt. Dort befand sich die eineder beiden protestantischen Missionsstationen von Szechuan. Freilichhtte Hudson Taylor von Handlung aus leicht in die Provinz gelangenknnen, aber niemand wute, ob er sie ohne Hindernisse yangtseabwrtsverlassen knnte. Dabei sagten ihm die Nachrichten von der Kste, daer mglichst bald nach Schanghai zurckkehren sollte. Er aber befand sichnoch eine Monatsreise von der nchsten Dampferlandungsstelle entfernt.So mute er die eigentliche Pionierarbeit in Szechuan andern berlassen.Aber durch eine Gebetsversammlung half er mit. In Handlung wurde einFast- und Bettag mit der Gemeinde durchgefhrt. Fr die Ausziehenden
wurde um den Heiligen Geist gebetet, der sie mit neuer Liebe und Kraftausrsten mchte. Die Missionare empfanden die Gewiheit der NheGottes. Ihr Gebet wurde erhrt. Noch vor Jahresschlu bestandenin Ost-Szechuan einige Stationen. Das Gefhl der Verantwortung warneu geweckt, so da sich die Arbeit auch in anderen Richtungen ausdehnte.
Einige Notizen ber eine der letzten Versammlungen vor HudsonTaylors Abreise nach Schanghai vermitteln einen lebendigen Eindruckdavon. In der Abenddmmerung waren sie in Dr. Wilsons Hof zusam-mengekommen. Unter dem breiten Vordach der Gstehalle brannten dieLampen, ber dem freien Teil des Hofes leuchteten die Sterne.
Mr. Taylor hatte als Thema Phil. 3 gewhlt: ,"Was wir fr Christus aufgeben, be-deutet Gewinn; was wir aber zurckbehalten, in Wirklichkeit Verlust.' Wir vergaenden Redner und glaubten der Stimme des Heiligen Geistes zu lauschen. Es war eine Zeitder Bue und des Bekennens. Wir fhlten uns innerlich zerschlagen... Ich kann Euchnicht beschreiben, wie mir zumute war, als wir Mr. Taylor von den unzhligen Stdtenerzhlen hrten, durch die er gereist war. Nirgends hatte er auch nur einen einzigenChristen getroffen. Er schilderte uns auch den Zustand der Menschen. Wir hatten unshier bereits behaglich eingerichtet, im Glauben, unseres Meisters Gebot schon erfllt zuhaben. Wir hatten vergessen, da Hanchungfu nicht die Welt ist und es vielleicht in denumliegenden Drfern Leute gab, die niemals von Jesus hren wrden, wenn wir nichtzu ihnen gingen. Wie er von der Ewigkeit redete, dem ewigen Leben oder dem ewigenTod, das mute das klteste Herz erschttern. Besonders ein Satz hat sich mir unauslschlich eingeprgt: ,Lat uns die Erde weniger als Heimat ansehen! Lat uns mehran den Wert jeder einzelnen Seele denken! Jesus kommt! Er kommt bald! Wird Er unswirklieb im Gehorsam gegen Seinen letzten Befehl finden?' *
DIE HUNDERT18861888
Die Mission war damals noch jung. Ihre Grndung lag zwanzig Jahrezurck. Unter den 187 Missionaren befanden sich nicht weniger als 110Jungmissionare. Beinahe zwei Jahre waren vergangen, seitdem HudsonTaylor vor der Ausreise der Cambridge-Sieben nach China zurckgekehrtwar. Es sollte nun ein Missionsrat eingesetzt werden. Am Jahresende 1886trafen sich die Superintendenten der verschiedenen Provinzen zu ihrerersten Konferenz. Mr. Stevenson kehrte voll Begeisterung von seinerReise in die Nordprovinzen zurck. Er brachte zur bernahme vonPflichten, die Taylor jahrelang getragen hatte, Mut und Hoffnung mit.
Damals hatte jeder von uns eine Schau in Gottes Plne", erinnerteer sich spter. Es waren Tage, in denen wir den Himmel auf Erden er-lebten. Nichts schien uns zu schwer."
In diesem Geist des Glaubens und der Erwartung wurde die Missionin eine neue Erprobung der Treue Gottes hineingefhrt. Es begann imfernen Shansi. Stevenson hatte von der Hauptstadt aus geschrieben: Wir
finden hier viel Ermutigendes und erbitten und erhalten Segen fr dieseshungrige und durstige Land. Wir sind der festen berzeugung, da wirmindestens hundert neue Arbeiter fr das Jahr 1887 erwarten drfen."
Dies ist die erste Erwhnung der Hundert". In seiner Begeisterungund seinem vlligen Vertrauen auf Gott brachte er diese Sache bei seinerRckkehr nach Schanghai in die Konferenz hinein. Sogar Hudson Taylorschien zunchst den allgemeinen Eindruck zu teilen, da'diese Erwartungetwas zu weit ginge. Hundert neue Mitarbeiter in einem Jahr, wo derganze Missionsstab noch nicht zweihundert zhlte? Selbst wenn sich Mn-ner und Frauen in solcher Zahl melden sollten, welche Summen wrdendann ntig sein, um sie auszusenden!
Das stimmt allerdings", gab der stellvertretende Direktor zu. Aberknnen wir angesichts der Not um weniger bitten?"
Es war schwierig, darauf zu antworten. Fnfzig Haupt- und vieleAuenstationen brauchten ansssige Missionare. Dabei stand ganz Chinader weiteren Arbeit offen. In Anbetracht dessen waren hundert neue Mis-sionare in einem Jahr nur eine geringe Zahl.
Sie wurden Schritt fr Schritt weitergefhrt, bis in den Ausschu-sitzungen Glaube und Zuversicht so erstarkten, da der Gedanke Wurzelfassen konnte. Bevor Hudson Taylor Anking verlie, schrieb er dieknappe Mitteilung nach Hause:
Wir beten um hundert neue Missionare fr das Jahr 1887. Der Herrhelfe bei ihrer Auswahl und schenke uns die Mittel!"
Als er kurze Zeit darauf in Takutang in der Stille des Seen- und Berg-landes schon im Gedanken an seine baldige Abreise nach England dieAbrechnungen durcharbeitete, ereignete sich etwas, das die Hoffnung zurhellen Flamme auflodern lie. Hudson Taylor diktierte seinem Sekretreinen Brief, wobei er die eben erwhnte Bemerkung wiederholte: Wirerbitten und erwarten, da hundert neue Missionare im Jahr 1887 nachChina kommen." Stevenson bemerkte, wie der junge Mann, der spterselbst zu den Hundert gehrte, mit unglubigem Lcheln aufblickte. SeinBlick schien zu sagen: Das knnte geschehen, wenn der Herr Fenster imHimmel ffnete." Auch Hudson Taylor sah den Blick und fing sofortFeuer.
Und nun ging er noch weiter als ich", erzhlte Stevenson. Ich werdenie vergessen, mit welcher berzeugung er sagte: ,Wenn Sie mir einePhotographie der gesamten Hundert zeigen wrden, die in China auf-genommen wre, knnte ich nicht sicherer sein als jetzt/
Ich sandte dann an alle Missionsmitglieder die kurze Frage: WollenSie Ihren Namen mit in die Liste derer eintragen, die fr die Hundertbeten?' Nach London kabelte ich mit Mr. Taylors Erlaubnis: ,Wir betenum hundert neue Missionare im Jahre 1887.'"
So war der Schritt getan und die Mission auf ein Programm festgelegt,das wohl selbst die nchsten Freunde in Erstaunen setzen mute. Dennoch
geschah nichts in bereilung oder allzu eifriger Betriebsamkeit. HudsonTaylor wute zu genau, da er nur in der festen Gewiheit, von Gottgefhrt zu sein, ein solches Unternehmen wagen durfte. Glaube und ber-legung sowie der Entschlu zum Durchhalten muten mit unablssigemGebet Hand in Hand gehen. An einen engeren Freundeskreis schrieb erim Dezember:
Wollen Sie uns durch Ihre Gebete helfen, sooft Sie knnen? Dieser Schritt wirdeine groe Verantwortung mit sich bringen, dazu Arbeit, Zeit und Geld kosten. Einigemeinen, da der ,Reichtum Seiner Gnade' uns vielleicht noch fnfzig oder sechzigMissionare auer den Hundert, um die wir bitten, schenken wird. Ich brauche nichtzu sagen, da noch anderes als Geld ntig ist: Es mssen viele Briefe geschrieben, dieKandidaten mit viel berlegung ausgewhlt sowie Abschiedsversammlungen vor-bereitet und geleitet werden, um mindestens sechs Gemeinden fr jede ausziehendeGruppe zur betenden Mitarbeit zu gewinnen. Eine Flle von Arbeit! Ausrstung undberfahrt fr hundert Menschen werden mindestens 5500 Pfund kosten, und weil vielevon ihnen aus entfernten Teilen Grobritanniens und Irlands kommen und die meistenin London beherbergt werden mssen, wird sich diese Summe noch betrchtlich er-hhen. Ein groer Teil des Geldes wird in kleinen Betrgen nach Pyrland Road ge-schickt werden, und die Dankesbriefe werden eine Schreibhilfe erforderlich machenusw. Wir werden also der gttlichen Fhrung, Hilfe und Kraft sehr bedrfen, undEr ist bereit, uns dies alles zu geben. Aber Er will gebeten sein. Habe ich darum nichtrecht, wenn ich um Ihre Frbitte fr mich und die, die mit mir in dieser wichtigenAufgabe stehen, bitte? Wenn ich im Glauben vorwrts schaue und an die willigen undfhigen' Mnner und Frauen denke, die kommen werden, und an die unbebautenFelder, die sie bebauen sollen, an die Seelen, die durch sie gerettet werden, und vorallem an die Freude unseres Erlsers ber diese Bewegung und ihre Folgen, dann istmein Herz voll Freude, und ich glaube, das Ihre auch."
Dieser Ausblick, dieser Geist der Freudigkeit verlieh ihm Kraft dasganze anstrengende Jahr 1887 hindurch. Was erlebten sie nicht alles indiesem Jahr! Eingeleitet durch zwei Gebetstage, endete es mit der Aus-reise der letzten Gruppe der Hundert nach China alle Arbeit war be-wltigt, alle Ausgaben bezahlt, und eine Flle von Segen breitete sichber weite Kreise aus.
Die Geschichte der Hundert ist schon oft erzhlt worden; sie gehrtaber nicht nur einer Mission oder einem Lande. Wir wissen, da der MutHudson Taylors und seiner Mitarbeiter wuchs, bis sie um 10000 PfundMehreinnahmen baten, die sie brauchten, um die vermehrten Ausgabenzu decken. Ferner baten sie, da die Summe in groen Gaben geschenktwerden mchte, damit der Mitarbeiterstab in der Heimat nicht durch dieKorrespondenz berlastet wrde. Wir wissen, da nicht weniger als sechs-hundert Mnner und Frauen sich der Mission zum Dienst in China an-boten. Es ist uns auch bekannt, da, genau gesagt, hundertzwei ausgesandtwurden und nicht 10000, sondern 11 000 Pfund ohne besonderen Aufrufzur finanziellen Untersttzung mehr einkamen. Und wir wissen von derwunderbarsten Gebetserhrung: Die ganze Summe kam in elf Einzel-gaben, so da keine Mehrarbeit damit verknpft war. Diese Dinge kannman immer wieder berichten, denn sie dienen nicht zur Ehre von Men-
sehen und Methoden, sondern zur Ehre Gottes. Arbeiter brauchen wir,nicht Sumige", hatte Hudson Taylor kurz nach seiner Rckkehr nachEngland geschrieben. Er selbst gab das ganze Jahr hindurch das Beispielunermdlichen Einsatzes. berall hatten die Missionsfreunde von demGebet und der Erwartung gehrt, und aus allen Teilen des Landes trafenEinladungen zu Vortrgen in Versammlungen ein. Mit kurzen Pausen,die fr die Konferenz und Missionsratssitzungen ntig waren, befand sichHudson Taylor die ganze Zeit auf Reisen. Daneben hatte er Kandidatenzu empfangen und unzhlige Briefe nach China und an Freunde in derHeimat zu schreiben. Am Gebet und an Gottes Wort nhrte er seineeigene Seele und die Seelen der Scharen, zu denen er sprach. Das half ihmin den Problemen der Arbeit und bei den Nten der einzelnen Gliederder Mission.
Die Zahl der Briefe, die er in diesem Jahre schrieb, wre unglaubhaft,wenn nicht jeder mit Inhaltsangabe in seiner Brief liste verzeichnet wordenwre. Es waren durchschnittlich dreizehn bis vierzehn tglich, ausgenom-men sonntags. Da er oft zwei, drei, ja vier Versammlungen am Tageleitete und auerdem zu reisen hatte, ist man nicht wenig erstaunt, ge-legentlich dreiig oder vierzig Briefe an einem Tag eingetragen zu finden.Dabei handelte es sich etwa nicht um geschftliche Mitteilungen oderNotizen, die ein Versammlungsprogramm betrafen. Darunter waren vielelange, inhaltsreiche Briefe an Stevenson ber die Leitung der Angelegen-heiten in China oder Antworten auf Fragen von der Front, die sorg-fltige berlegung erforderten, und Antworten an Menschen, die ihn ininneren und ueren Schwierigkeiten um Rat fragten, nachdem sie ihnin Versammlungen gehrt hatten.
Drei Besuche in Irland und vier in Schottland, ein grerer Feldzugmit seinem Freund Reginald Radcliffe und mit George Clarke unter demThema Evangelisation der Welt" und Mitwirkung an zwanzig Kon-ferenzen zur Vertiefung des inneren Lebens, bei denen er meist mehrmalszu sprechen hatte, war nur ein Teil seiner ueren Ttigkeit. Nebenbeigalt es Abschiedsversammlungen in Kirchen aller Bekenntnisformen zuhalten, wenn eine Gruppe nach der andern nach China ausreiste. Und imengeren Kreis, sei es im Salon oder auf der Kanzel, sprach er zu denAngehrigen und Freunden der jungen Missionare. Wieviel Zeit nahmallein das Kennenlernen der Kandidaten in Anspruch! Der Missionsrathatte so viel mit denen zu tun, die nach London kamen, da er gelegent-lich zwei- oder dreimal wchentlich zusammentrat, um die Arbeit zubewltigen. Mrs. Taylor schrieb im Mrz:
Letzte Woche waren wir in Glasgow. Tglich hielten wir eine, zweioder drei Versammlungen. Mein Mann hatte Unterredungen mit vierzigKandidaten."
In Edinburgh, von wo aus sie diese Zeilen schrieb, sprach er mit zwan-zig weiteren jungen Leuten. Bei einer Versammlung in der schottischen
Hauptstadt wurden die Hrer so gepackt, da sich hundertzwanzig frdie Heidenmission zur Verfgung stellten, bereit zu gehen oder zu blei-ben, wie Gott es von ihnen forderte.
Inzwischen waren Broomhalls in Pyrland Road ebenso ttig. Auch sieerlebten viel Ermutigendes. Am Anfang des Jahres lud ein Freund inLondon Mr. Broomhall zum Frhstck in sein Haus ein. Unter den Ge-ladenen befanden sich mehrere, denen das Reich Gottes am Herzen lag.Als ber die China-Inland-Mission gesprochen wurde, zog Mr. Broomhalleinen Brief aus der Tasche, der ihn tief bewegt hatte. Er kam von einerarmen Witwe in Schottland, die von ein paar Schilling wchentlich lebteund doch hufig eine Gabe an die Mission sandte. Sie schrieb, sie knneauch ohne Fleisch leben, aber die Heiden nicht ohne das Evangelium. Eswar wirkliche Selbstverleugnung, die hinter den einfachen Worten lag,und echte Gebete begleiteten die bescheidene Gabe. Hier lag der ver-borgene Grund fr die Frchte, die dieser Brief trug, von denen dieSchreiberin nichts ahnen konnte:
Gegen Ende der Mahlzeit sagte der Gastgeber, da alles, was er bisherfr die Reichsgottesarbeit ausgegeben habe (es war nicht wenig), ihn nochnie seine Fleischspeise gekostet htte. Bisher htte er sich hauptschlichfr die Innere Mission interessiert, aber jetzt wollte er etwas zur Evan-gelisation von China beitragen. Und er versprach auf der Stelle fnf-hundert Pfund fr die China-Inland-Mission. Im weiteren Verlauf derUnterhaltung versprachen noch drei von den Gsten die gleiche Summe.Als ein vierter erfuhr, was vorgegangen war, erhhte er die Sammlungauf 2500 Pfund. Wie vor der Aussendung der Siebzig schenkte der Herrden Leitern der Mission auch diesmal deutliche Beweise Seiner Hilfe undzeigte damit, da das Gebet, das tglich aus vielen Herzen in China auf-stieg, Seinen Zielen entsprach.
Gro war die Freude, als kurz vor der Jahresversammlung am26. Mai (dem Jahrestag der Ausfahrt der Lammermuir") ein Telegrammaus Schanghai die Nachricht von einer groen Ernte brachte. In PastorHsis Bezirk hatten auf der Frhjahrskonferenz 226 Taufen stattgefun-den. Dazu kam ein Brief von Mr. Berger mit einer Gabe von fnfhundertPfund fr die Ausreise der Hundert".
Kein Wunder, da Hudson Taylor seine Ansprache an diesem Jahres-tag mit der Erinnerung an den originellen Ausspruch eines wohlbekann-ten farbigen Evangelisten begann: Wenn Gott einmal etwas tut, danntut Er es grndlich!" Am gleichen Morgen war ein Telegramm von Chinamit der Nachricht eingelaufen, es seien dort tausend Pfund fr denselbenZweck geschenkt worden. Vierundfnfzig von den Hundert waren schonteils ausgesandt, teils als Mitarbeiter angenommen. So konnte HudsonTaylor zuversichtlich sagen: Gott schenkt uns mit diesem Geld ein Zei-chen, da Er unser Mitarbeiter und das Werk Ihm wohlgefllig ist undEr es deshalb frdert. Er wird die Hundert schenken und fr sie sorgen."
Es ist verstndlich, da die Sachlichkeit dieser Einstellung die Heimat-gemeinden packte, besonders als das Gebet um die Hundert bekanntwurde. Wohin Hudson Taylor kam, bezeugte er:
Ich wei nicht mehr, was Sorgen heit, seit der Herr mich gelehrthat, da es Seine Sache ist. Meine Aufgabe besteht darin, Gott zu gefallen.Wenn ich mit Ihm in Seinem Lichte wandle, spre ich keine Last."
Ein Freund schrieb aus Irland:
Ich habe mit drei verschiedenen Christen gesprochen, denen es inIhren Versammlungen aufgegangen war, da Gott wirklich meint, wasEr sagt, wenn Er uns Seine Verheiungen gibt. Wenn Sie noch einmalhierher nach Waterford kommen und in wenigen Vortrgen den Christendie berzeugung weitergeben, da Gott wirklich das meint, was Er inSeinen Verheiungen sagt, dann, glaube ich, knnten Sie unendlich vielGutes bewirken."
Das war der Grundton der Verkndigung Hudson Taylors, die ge-tragen war von einer stillen, aber um so berzeugenderen Freude imHerrn. Aus Schottland schrieb er an seine Frau:
Ich mu jetzt schlieen, weil ich noch ruhen mu, damit ich heuteabend bei der Versammlung frisch bin. Ich mochte fr Jesus leuchten, frIhn allein."
Und er erreichte sein Ziel, trotz der erdrckenden Arbeitslast. SeinSekretr berichtet von derselben Reise:
Es war eine gewaltige Ansprache gestern abend. Viele brachen inner-lich zusammen und suchten Hilfe bei Gott. Nach einer kostbaren Aus-legung von Zeph. 3 sprach Mr. Taylor schlicht und zu Herzen gehendber ,Gottvertrauen'. Er schlo erst kurz vor neun Uhr, doch fast dieganze Zeit ber herrschte eine solche Stille, da man eine Uhr htte tickenhren knnen."
In China konnte inzwischen eine Gruppe neuer Mitarbeiter nach derandern begrt werden. Die neue Organisation erwies sich als brauchbar,besonders die Missions-Lehrinstitute waren von unschtzbarem Wert.Miss Murray in Hangchow und Mr. Baller in Anking standen den Neu-lingen mit Rat und Hilfe bei und sorgten fr ihre leibliche und geistlicheFrderung sowie den Fortgang ihrer Studien. Weil sie auf diese Weise diejungen Leute kennenlernten, war ihr Rat auch fr Stevenson eine groeHilfe, wenn er den jungen Missionaren ihre knftigen Stationen anweisenmute.
Anfang November konnte Hudson Taylor den Freunden der Missionmitteilen, da ihre Gebete vllig erhrt seien: Die Hundert" waren voll-zhlig und die Mittel zu ihrer Aussendung geschenkt. Er berichtet darberan Stevenson:
11. November. Unsere Versammlungen bedeuten sichtlich Segen fr die GemeindeGottes, denn berall, wohin wir kommen, gibt man uns das Zeugnis, da wir geistlicheErquickung gebracht htten. Es melden sich noch immer neue Kandidaten. Ich glaube,
wir bekommen statt der hundert Erbetenen zweihundert vom Herrn. Viele von denen,die dieses Jahr noch nicht hinausziehen knnen, werden sicher bald nachkommen.
8. Dezember. Mit den Missionarinnen, die heute abreisen, sind achtundachtzig nachChina ausgezogen. Weitere vierzehn fahren am 15. und 29. des Monats. Sie mssenernstlich im Gebet fortfahren und um die Frbitte weitester Freundeskreise werben,damit Gott Seinen Namen verherrlicht und das Werk auch mit den ntigen Mittelnerhlt. Nichts ist mir so klar wie das, da wir mit den Hundert in diesem Jahr min-destens weitere hundert gewonnen haben. Zu deren Aussendung und Unterhalt be-drfen wir weitere 10000 Pfund Mehreinnahmen. Fr unsere Zeit bedeutet dieseSumme einen groen Aufstieg. Wie froh kann es uns da machen, da Gott selbst dieFrage stellt: Sollte dem Herrn etwas unmglich sein?' Aber wir drfen nicht ver-gessen, da Er gebeten sein will. Wenn wir unsere Geldfragen nicht mehr zu einem Gebetmachen, werden sie uns bald Sorgen bereiten. Darum lassen Sie uns um so treuer beten,damit Gott durch die Erhrung geehrt wird!'
Ich danke Gott tglich, da Er Sie uns geschenkt und die Hindernisse aus IhremWeg fortgerumt hat. Menschliche Weisheit und Vorsicht reichen fr Ihren Posten nichtaus. Aber solange Sie in allen Dingen Seine Leitung suchen und inmitten aller ArbeitZeit finden, sich Ihm zu heiligen und fr Ihre Mitarbeiter zu beten, wird der Herr Siegebrauchen und segnen."
Am 29. Dezember kehrte Hudson Taylor nach London zurck. Diegroe Arbeit war beendet, aber seine und seiner Mitarbeiter Krfte warenauch erschpft. Im letzten Brief dieses Jahres an Stevenson schrieb er:
Ich habe den Ausreisenden versichert, da es ein groes Hallelujageben wird, wenn sie als die letzten von den Hundert in Schanghai an-kommen werden. Es ist nicht mehr, als wir von Gott erwartet haben,aber es ist Segen. Wir sehen daran, wie Gott in groen wie in kleinenDingen das Gebet derer erhrt, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen. Daswird viele im Glauben strken."
Unter den zahlreichen Besuchern in Pyrland Road befand sich gegenEnde des Jahres einer, dessen Name fr die Erweiterung des Missions-und Freundeskreises Hudson Taylors besonders wichtig werden sollte:Henry Frost. Whrend Hudson Taylor noch in Schottland weilte, kamer von Amerika, mietete sich in der Nhe ein Zimmer und begab sich andas Studium der Missionsarbeit. Trotz ihrer Arbeitslast nahmen Broom-halls den jungen Auslnder wie ein Glied der Familie auf und boten ihmjede Gelegenheit, die Mission kennenzulernen. Mitte Dezember schriebFrost darber an Hudson Taylor:
Vor etwa fnf Monaten trat ich von Amerika aus brieflich mit Mr. Broomhall inVerbindung, um nach China auszureisen. Infolgedessen bin ich jetzt in Pyrland Roadund habe inzwischen immer tiefere Einsicht in die innere Stellung der Mission gewon-nen, so da ich in dem Wunsch, ihr beizutreten, bestrkt worden bin... Aber ich binmit noch weiter gehenden Plnen nach London gekommen... Seit vielen Monaten ist esmir ein groes Anliegen, mit Ihnen und Mr. Broomhall die Grndung eines amerika-nischen Missionsrates zu besprechen, der in Amerika nach denselben Glaubensgrund-lagen um Menschen werben knnte, welche die China-Inland-Mission so bekannt ge-macht haben. Ich traf in Glasgow Mr. Formann und stellte fest, da er schon langedafr gebetet hat. Auch seinem Freund, Mr. Wilder, liegt die Sache sehr am Herzen."
_ Henry Frost schrieb ber seinen ersten Eindruck von Hudson Taylor:
All meine Furcht schwand, denn ich fand ihn ganz frei vom Bewut-sein eigener Wichtigkeit, gtig und freundlich. Von jener Stunde an warmein Herz in unwandelbarer Verehrung an diesen Diener Gottes ge-knpft."
Aber obwohl diese Unterredung eine bleibende Freundschaft begrn-dete, schien sie doch ihren eigentlichen Zweck zunchst verfehlt zu haben.Frosts Interesse an der Mission und sein Wunsch, ihr Mitarbeiter zuwerden, wurde zwar herzlich aufgenommen, aber die Grndung einesamerikanischen Zweiges wollte Hudson Taylor nicht sofort einleuchten.Er meinte, es sei viel richtiger, dort ein ganz neues Unternehmen zugrnden, vielleicht nach den Grundstzen der China-Inland-Mission,jedoch vllig selbstndig nach Anlage und Entwicklung. Denn ein Ab-leger der Mission wrde wie ein verpflanzter Baum Schwierigkeitenhaben, in fremdem Boden Wurzel zu schlagen. Das war freilich einegroe Enttuschung. Frost erzhlte:
Als ich in mein Zimmer kam, berfiel mich wohl die tiefste Nieder-geschlagenheit meines Lebens. Satan schien ber mich herzufallen undmich mit Dunkel zu umhllen ... Tausend Meilen gereist, um ein Neinzu hren! Doch das war nicht das Schlimmste. Ich war so sicher gewesen,da der Herr selbst mein Gebet gewollt und Er mich zu der langen Reiseund der Anfrage veranlat hatte. Mir war, als knnte ich nun nie mehrGewiheit darber gewinnen, ob meine Gebete von Gott wren odernicht und ob ich von Ihm geleitet sei oder nicht."
Nur wer hnliche Erfahrungen kennt, kann die Schwere dieser Ver-suchung verstehen, aber auch ermessen, welch ein Sieg es war, als demNiedergeschlagenen geschenkt wurde, auch da noch zu vertrauen, wo ernicht verstehen konnte. Henry Frost hatte seine innere Ruhe wiederge-wonnen, als er nach Amerika zurckkehrte und die Sache Gott berlie.
Sie war tatschlich nicht erledigt. Frost erfuhr, da Hudson Taylorbald nach China zurckkehren und vielleicht ber Amerika reisen wrde,wenn er darum gebeten wrde. Er teilte das den Mitgliedern der Kon-ferenz fr Bibelstudium" in Niagara am See und dem EvangelistenMoody mit, der damals die gesegneten Sommerevangelisationen in North-field hielt. So erhielt Hudson Taylor bald darauf Einladungen in diegroe Neue Welt.
Inzwischen hatte er in England noch eine Flle von Arbeit zu er-ledigen. Er erhielt mehr Bitten um Vortrge, als er erfllen konnte. DieAbschiedsversammlungen fr die Hundert gaben ihm besondere Gelegen-heiten, fr die Mission zu werben und andern den Glauben zu strken.Am Jahresfest im Mai 1888 sagte er:
Es ist nicht Gottes Art, Seine Kinder zu vergessen. Wenn Er uns nichtweiter so viel Geld schickt, nun, dann mu es auch ohne das gehen. Aberohne Ihn knnen wir nicht fertig werden. Wenn wir nur den Herrnhaben, dann haben wir genug."
An Stevenson hatte er im Januar geschrieben:
Es wundert mich nicht, da Satan Sie hart angegriffen hat. Ich wrdemich wundern und fast frchten, wenn er es nicht tte. Er kann solcheArbeit nicht geschehen lassen, ohne seinen Widerstand zu zeigen. LassenSie uns aber an das Wort von Mr. Radcliffe denken: ,Wenn der Feindauf einem Weg gegen uns zieht, wird er auf sieben fliehen/ Die Schwierig-keiten werden sich mehren, aber Gottes Macht hat keine Grenzen."
Ende Juni stach das Segelschiff Etruria" nach Amerika in See. Unterseinen Zwischendeckpassagieren befanden sich Hudson Taylor, sein Sohn,ein Sekretr und Mr. und Mrs. Radcliffe. Die uere Unbequemlichkeitkostete Hudson Taylor nicht viel, aber der Abschied von den Seinen fielihm sehr schwer.
Es ist schwierig, wegen der Flle der Ereignisse etwas ber das nunfolgende Vierteljahr zu berichten. Wer konnte im Juli voraussehen, daHudson Taylor, der sich auf der Durchreise nach China nur an einigenKonferenzen beteiligen wollte, Amerika erst im Oktober wieder ver-lassen, und da er nicht nur das Vertrauen, die Gaben und Gebete wei-tester Kreise, sondern auch eine Schar junger Mitarbeiter mitnehmenwrde, die aus vierzig Bewerbern ausgewhlt waren? Waren schon dieHundert im Vorjahr ein deutliches Zeichen Gottes gewesen wievielmehr dann die unerwartete Bewegung in den Oststaaten und Kanada!
Ein Augenzeuge schrieb:
Sonntagabend, den 23. September 1888, sah Toronto die grte undbegeistertste Versammlung, die dort je gehalten wurde. Sie fand imCVJM im Anschlu an den Abendgottesdienst statt. Hier waren dieErsten des religisen Lebens von Toronto anwesend, um Hudson Taylorund die Mnner und Frauen, die er fr die Arbeit in China angenommenhatte, sprechen zu hren. Gottes Wirken war berwltigend und groes,dauerndes Missionsinteresse das Ergebnis."
Hudson Taylor berichtete:
Als ich nach Amerika reiste, hatte ich nicht die geringste Vorstellungdavon, da daraus etwas Bedeutendes fr die Arbeit der China-Inland-Mission entstehen knnte. Ich wollte gern Mr. Moody sehen und hattegehrt, da zweitausend Studenten ihr Leben dem Dienst an den Heidenwidmen wollten."
Es lag ihm gnzlich fern, einen amerikanischen Zweig seiner Missionbegrnden zu wollen. Aber auch die in Northfield zur Studentenkonfe-renz Versammelten hatten keine Ahnung davon, was vor ihnen lag. DieKonferenz war schon in vollem Gange, als Hudson Taylor mit seinenBegleitern ankam. Er wurde von Moody selbst abgeholt. Die Englndererlebten hier etwas ganz Neues und Interessantes. Vierhundert Mnnervon neunzig verschiedenen Hochschulen fllten die Seminargebude undein weites, von Hgeln und Wldern umrahmtes Zeltlager. Der ganzeNachmittag war frei zur Erholung. In der offiziellen Einladung hie es:
Die Teilnehmer mssen ausgerstet sein fr Baden, Tennis, Baseball,Fuball, Bergtouren und hnliches. Auerdem brauchen sie eine Bibel mitParallelstellen und reichlich Papier und Bleistifte."
Morgens und abends fllte sich der groe Saal zum Gottesdienst undBibelstudium. Durch die offenen Tren strmte frische Luft herein. Zu-weilen verirrte sich ein Vogel in den Raum. Die sommerliche Kleidungder Studenten gab ein lichtes, farbenfrohes Bild.
Es war eine lebhafte Versammlung. Viele Pastoren, Professoren,CVJM-Sekretre und fhrende Philanthropen waren anwesend. Diestrkste Anregung kam von den jungen Mnnern. Welche Mglichkeitenlagen hier! Hudson Taylor war angesichts dieser Zuhrerschaft tiefbewegtund scheint auch selbst fr die Studenten eine besondere Anziehungskraftbesessen zu haben. Viele Jahre spter schrieb Robert Wilder:
Neben meinem Vater ist Hudson Taylor der Mensch, dem ich innerlich am meistenverdanke. Als er nach Northfield kam und fr China warb, brannten die Herzen derKonferenzteilnehmer. Er schilderte uns nicht nur die Nte des Missionsfeldes, er zeigteuns auch die Wirkungsmglichkeiten eines Christen. Die Studenten hrten besondersgern seine Schriftauslegung. Er war in seiner Bibel zu Hause. Sein Verstndnis frandere und seine Natrlichkeit zogen uns an. Seine Vortrge waren so gut besucht, daMr. Moody nachmittags Sonderversammlungen einlegen mute. Viele Studenten brann-ten darauf, noch mehr von einem erfahrenen Missionar zu hren... Erst die Ewigkeitwird die volle Wirkung dieses Lebens und den Einflu seiner Worte auf unsere Stu-dentenbewegung offenbaren."
Jemand schrieb aus Indien:
Eine der grten Segnungen meines Lebens erhielt ich durch, nicht von HudsonTaylor. Dieses Gefhl hatten wir alle: durch ihn, nicht von ihm. Er war ein Kanal,offen, klar, in direkter Verbindung mit dem ,Quell des lebendigen Wassers', so daalle, die mit ihm in Berhrung kamen, erquickt wurden.
Was uns Studenten an ihm besonders imponierte, war neben seiner Innerlichkeitsein Mutterwitz. Einer fragte ihn: ,Sind Sie sich immer bewut, in Christus zu sein?'
,Als ich in der vergangenen Nacht schlief, antwortete er, .wohnte ich da etwa nichtmehr in Ihrem Hause, weil ich mir dessen nicht bewut war? Wir sollten uns allerdingsnie bewut sein, nicht in Christus zu sein.'
Einmal wurde er gefragt: ,Wie knnen Sie auf so vielen Versammlungen sprechen?'Da antwortete er: Jeden Morgen schpfe ich neu aus Gottes Wort und gebe die Bot-schaft an andere weiter, die mir selbst innerlich geholfen hat.'
Ein anderes Mal sagte er: ,Man kann arbeiten, ohne zu beten, obwohl das nicht vielErfolg zeitigen wird. Aber man kann nicht ernstlich beten, ohne zu arbeiten.' Oder:Seid nicht so bermig geschftig in eurer Arbeit fr Christus, da euch keine Kraftzum Beten bleibt! Echtes Gebet erfordert Kraft.' "
Obwohl Hudson Taylor fr alle Gelegenheiten, die sich ihm hierboten, sehr dankbar war, erkannte er doch erst nach einem Monat dentieferen Sinn dieser Reise. Es geschah whrend der erwhnten Konferenzin Niagara am See mitten in einer Schar tiefgegrndeter christlicherZeugen.
Weil er zu weiteren Versammlungen nach Chikago fahren mute,konnte er nur zweimal sprechen. Aber er machte tiefen Eindruck. Anhand
des Hohenliedes sprach er ber die Liebe zu Jesus und ber das Vertrauenzu Gott als einem Festhalten an der Treue Gottes. China oder die Missionerwhnte er dabei fast gar nicht. Frost berichtete davon:
Einer der fhrenden Evangelisten bekannte, da die Vortrge ihmbeinahe wie eine Offenbarung gewesen seien, und viele andere teiltendieses Empfinden ... Herz und Leben wurden hier in eine vllig neueBeziehung zu Gott und Christus gestellt, und nicht wenige der Zuhrerboten sich in der Freude vlliger Hingabe dem Herrn zum Dienst an,ganz gleich, wohin Er sie auch fhren wrde."
Hudson Taylor wute noch nichts von dieser Bewegung. Er hatteseinen Besuch in Chikago beendet und war nach Attika gereist. Hier be-saen Frosts Sommerhuser. Der Sohn wurde von der Niagarakonferenzzurckerwartet, und Hudson Taylor holte ihn am Bahnhof ab, um gleichNeues von dort zu hren.
Nach Hudson Taylors Abreise waren nicht wenige enttuscht. Siehtten gern von ihm mehr ber die Heidenmission gehrt. Die Teilnehmerbegrten um so mehr Radcliffes und Robert Wilders Vortrge, auf diesie ja nun gut vorbereitet waren. Der alte Evangelist und der jungeFreiwillige sprachen mit feurigen Worten ber die Verantwortung jederGeneration von Glubigen gegenber dem Gebot: Gehet hin in alleWelt und predigt das Evangelium aller Kreatur!" Wilder sagte ihnen,er htte das Geheimnis gelernt, wie man jeden Tag vierundzwanzigStunden fr den Herrn arbeiten knne, und dies das ganze Jahr hin-durch. Eine Dame htte ihm erklrt: Ich arbeite hier zwlf Stunden,und wenn ich ruhen mu, beginnt fr meine Stellvertreterin in Indiender Tag, und sie arbeitet die anderen zwlf Stunden."
Wir mchten, da viele Teilnehmer der Niagarakonferenz auf dieseWeise tglich vierundzwanzig Stunden arbeiten", sagte er. ChristlicheFreunde, die ihr nicht selbst hinausziehen knnt, warum solltet ihr nichtStellvertreter auf dem Missionsfeld drauen haben?"
Der Gedanke war neu, aber so einleuchtend, da Radcliffe eine MengeFragen ber die Unterhaltskosten eines Missionars der China-Inland-Mission beantworten mute. Zweihundert Dollar jhrlich hielt er frausreichend. Es wurde eine weitere Zusammenkunft beschlossen, um zupraktischen Ergebnissen zu kommen. Dr. Erdmann, der Vorsitzende die-ser Versammlung, schrieb:
Nach dem Gesang und Gebet fhlte der Vorsitzende, wie der Geistdes Herrn ber die anwesenden Glubigen kam. Der Rest der Stundewurde mit freiem Lobpreis, Gebet und dem ffentlichen Gelbnis vonjungen Mnnern und Mdchen gefllt, die sich dem Herrn fr den Mis-sionsdienst weihten. Es war eine unvergeliche Versammlung. Fr dieChina-Inland-Mission kam Geld ein, ohne da jemand darum gebetenoder dafr geworben htte."
Aber auch das wurde am nchsten Tage noch bertroffen. Frost, derschon am Abend vorher Gaben fr den Unterhalt von zwei Missionarenempfangen hatte, schrieb:
Als ich ins Zelt kam, fand ich die Anwesenden wie von einem Rausch der Gebe-freudigkeit erfat. Sie suchten nur nach einer Gelegenheit, freiwillige Gaben fr dasWerk des Herrn in China anzubieten. Einige standen auf und verpflichteten sich, regel-mige Beihilfen fr einen Missionar zu geben. Andere sagten, sie wollten tglich vier-undzwanzig Stunden arbeiten und daher einen Missionar allein unterhalten. Es wurdenmir viele Versprechungen gemacht und so viel Gelder anvertraut, da ich kaum nochPlatz hatte, alles unterzubringen. Da stand ich nun inmitten der Versammlung undwar pltzlich zum Schatzmeister der China-Inland-Mission geworden. Als ich nachherdie Gaben zhlte, gengten sie, um acht Missionare ein Jahr lang in China zuversorgen."
Als Frost an diesem Sommermorgen in sein Zimmer zurckkehrte,mute er an die schmerzliche Erfahrung in London denken, wo er denEindruck hatte, er knne nie wieder sicher sein, da sein Gebet erhrtoder er von Gott geleitet werden knnte. Der Glaube, der ihn damalsaufrechterhalten hatte, war nun zum Schauen geworden. Whrend erGott dankte, wurde ihm klar, wie gut es ist, des Herrn zu harren".
Frost berichtete weiter:
Still, mit ernstem Ausdruck hrte Hudson Taylor meinen Bericht an. Meine Ent-tuschung war gro. Statt sich zu freuen, schien er eher belastet. Wenn ich mich rechterinnere, sagte er nur: ,Gott sei gelobt!' oder ,Gott sei Dank!', aber sonst schien es fast,als sei ihm die Nachricht keine ,gute Nachricht', wie ich doch erwartet hatte. EinigeMinuten stand er in Gedanken verloren, dann sagte er: ,Ich glaube, das beste ist,wir beten.'
Darauf knieten wir am Bett nieder, und er begann den Herrn zu fragen, was Ermit allem beabsichtigte. Whrend er um Klarheit betete, ging mir auf, was ihn bewegte.Ihm war pltzlich zur Gewiheit geworden, da Gott ihm hier ein Zeichen gab: Erwar zu einem andern Zweck nach Amerika gefhrt worden als nur dazu, auf seinerReise nach China einige Vortrge zu halten. Er hatte mich gefragt, wie das Geld ver-wendet werden sollte, und ich hatte geantwortet, da es besonders fr Missionare ausNordamerika bestimmt sei. Darin erkannte er seine Verpflichtung, nun in Nord-amerika um Missionare zu werben. Eine neue, schwere Verantwortung... Es wurdeihm wie mir jetzt klar, da mein Besuch in London und meine Bitte, einen Zweig derMission in Amerika zu grnden, wirklich von Gott geleitet waren."
So war Hudson Taylor unerwartet an einen neuen Wendepunkt inseiner Missionsarbeit gekommen. Er erkannte die Tragweite diesesSchritts. Bald kehrte er zur Hauptversammlung nach Northfield zurck,wo er Moody und andere Freunde um ihren Rat bitten konnte. Nochblieben ihm drei Wochen in Amerika fr die schwierige Aufgabe, die vorihm lag. Da der junge, zurckhaltende Henry Frost bereits von Gottfr dieses Werk bestimmt war, konnte er damals nicht wissen. Er schriebeinige Tage spter an Stevenson:
Ich glaube, wir mssen einen amerikanischen Zweig der Missiongrnden. Wundern Sie sich nicht, wenn ich gleich Verstrkung mitbringe!"
Bei seiner Rckkehr nach Northfield wurde er in dieser Hinsicht nochbestrkt. Moody riet ihm, sofort um Mitarbeiter zu werben, und stellteihm einige Studenten vor, die den Ruf Gottes nach China angenommenhatten. Aber selbst jetzt wagte Hudson Taylor sich nur mit Furcht undZittern vorwrts. Die Mission hatte sich wohl ber alle kirchlichen Gren-zen hinaus erstreckt, doch nicht ber die Landesgrenzen. Sie war nochnicht international, und die erst einundzwanzigjhrige Erfahrung machteihren Leiter vorsichtig. Doch nachdem er sich nun einmal entschlossenhatte, war sein Aufruf voller Energie. Er sagte darber:
Missionare zu haben und kein Geld, wrde mir keine Sorgen bereiten,denn der Herr mu sich der Seinen annehmen. Er verlangt nicht von mir,da ich Seine Verantwortung auf mich nehme. Aber Geld haben undkeine Missionare, das ist eine schwierige Lage. Mir scheint, es wre nichtfreundlich von euch, liebe Freunde in Amerika, wenn ihr uns diese Lastauflegtet und nicht auch einige von euch schicken wrdet, damit das GeldVerwendung finden kann. Die Dollars haben wir, aber wo sind dieMenschen?"
Mnner und Frauen folgten dem Ruf. Darin erkannte Hudson Taylor,da es der Herr war, der ihm den Auftrag erteilte, eine Schar mit nachChina zu nehmen. Als die drei ersten angenommen waren, fhlte er sichwegen der brigbleibenden Summe nicht mehr so sehr belastet. Ihre ber-fahrt war bezahlt, und ihr Unterhalt im ersten Jahr wrde einen betrch-lichen Teil des Geldes von der Niagarakonferenz verbrauchen. Aber esstellten sich andere Schwierigkeiten in den Weg. Eltern, Freunde, ja diekirchlichen Gemeinschaften, zu denen die Berufenen gehrten, wolltendiese Missionare untersttzen. Als schon acht junge Leute angenommenwaren, lag das Stammkapital noch immer unangetastet. Es wurde immerfraglicher, ob es berhaupt aufgebraucht werden knnte. Hudson Taylorsagte einmal: Geweihtes Geld wird wie einst die geweihten Brote undFische nicht aufgebraucht."
Diese wunderbaren Erfolge waren bestimmt auf die Macht des Gebetszurckzufhren. Hudson Taylor und seine Gefhrten wurden durch dieFlut der Ereignisse so in Atem gehalten, da sie neben ihrem Arbeits-programm kaum Zeit fr besondere Gebetsversammlungen fanden. Da-fr lag in der Stille seines lndlichen Heims in Attika ein Mann vor Gott.Eine ernste Krankheit seines Vaters hinderte Henry Frost am Besuch derVersammlungen. Dadurch hatte er mehr Zeit zum Gebet. Mit klaremBlick erkannte er den Lauf der Dinge. Noch immer liefen bei ihm Gabenzur Untersttzung von Missionaren in China ein. Mitte August schickteer an die Spender ein Rundschreiben, in dem er sie um viel ernstesGebet" bat, damit die von Gott berufenen Mnner und Frauen zur Aus-reise mit Hudson Taylor bereit wren. Auch an diesen selbst schrieb erund stellte ihm sein Haus und seine Dienste zur Verfgung, damit er dieMglichkeit htte, die Kandidaten kennenzulernen.
Mitte September durfte Frost die Erhrung seiner Gebete feststellen.Die Zahl derer, die sich fr den Missionsdienst bereit erklrten, war aufvierzig angestiegen.
Die Abschiedsversammlungen in Toronto gehrten zum Schnsten,was Hudson Taylor in Amerika erlebte. Mrs. Radcliffe, deren Mitwir-kung eine groe Hilfe war, schrieb darber an Mrs. Taylor:
Ich glaube, Toronto und Kanada werden sich lange an diese zwei Abschieds-versammlungen und die Abreise der Missionare erinnern. Am Sonntag war die CVJM-Halle so berfllt, da eine Parallelversammlung gehalten werden mute. Trotzdemfanden Hunderte keinen Platz mehr. Am Montag war Mr. Taylor nach Montreal ge-reist, aber die Missionare und ihre Freunde kamen noch einmal um neun Uhr abendsin Dr. Parkers Kirche zum Abendmahl zusammen und gingen von da aus zur Bahn. Essollen fnfhundert bis tausend Menschen am Bahnhof gewesen sein, die sangen und unszujubelten. Mein Mann sprach ein Gebet, und Scharen sprachen laut seine Worte nach,bis der Zug langsam aus der Halle fuhr. Auf dem Heimweg zogen die Mitglieder desCVJM, Chorle singend, in Viererreihen durch die Straen Torontos."
AUF ADLERS FLGELN GETRAGEN18881889
Die Fahrt ber die Rocky Mountains war ein neues Erlebnis fr Hud-son Taylor. Das weite Land zeigte ihm noch einmal die Flle der Mg-lichkeiten, die ihm durch die Berhrung mit amerikanischen und kana-dischen Glubigen gegeben worden war. Wie schnell und wie weit konntevon hier aus das Reich Gottes ausgebaut werden! Wie ein Wunder erschienihm auch die Schar der Mitarbeiter, die ihm so unerwartet fr die China-Inland-Mission geschenkt worden war.
Die folgende Seereise wurde zu Aussprachen und zum Bibelstudiumbenutzt. Die jungen Missionare sollten fr ihre neue Aufgabe vorbereitetwerden. Hudson Taylor war sich jederzeit der starken GegenwirkungSatans bewut. Jahre hindurch war die Mission wie auf einer Woge desErfolgs dahingetragen worden. Durch die Siebzig" hatte sich die Zahlder Missionare verdoppelt. Dann war sie ohne die neuen nochmals aufdas Doppelte gestiegen. Welche Ausdehnungsmglichkeiten lagen nun vorihnen! Aber Hudson Taylor hatte durch Erfahrung gelernt, da zu jedemAbschnitt des Erfolgs und des Segens besondere Prfungen gehrten. Erahnte aber nicht, wie andauernd und schwer die bevorstehenden seinsollten.
Bevor sie China berhaupt erreichten, erhielt Hudson Taylor in Yoko-hama die Nachricht vom Heimgang des Leiters der Chefooschule, HerbertNorris. Er hatte seine Buben vor einem tollwtigen Hund beschtzt undwar dann selbst gebissen worden. Gleichzeitig war auch Adam Dorward,der treue Pionier in Honan und Mitglied des China-Missionsrates,
gestorben. Der Verlust war nicht nur fr Taylor schwer, sondern auchfr die Mission.
Bei seiner Landung in Schanghai erfuhr er vom Heimgang eines viel-versprechenden jungen Missionars. Und im Missionsheim, wohin er dieNeuangekommenen bringen wollte, lag eine Missionarin im Sterben. DieTapferkeit der jungen Amerikaner strkte ihn in all dem Leid.
Besonders traurig und schwierig war die Erkrankung einer jungenMissionarin, die auf der Ausreise einen Nervenschock erlitten hatte. Beiihrer Ankunft in China war sie vllig umnachtet. Sie mute dennoch indem berfllten Missionshaus untergebracht werden, weil es damals keineNervenkliniken gab.
Eine andere schlimme Nachricht erreichte ihn aus dem Inland, wo einejunge Missionarin an Blattern erkrankt war. Wenige Tage nach ihrerAnkunft in Schanghai ging sie heim.
Aus Hongkong kam die Nachricht von der schweren Erkrankung Wil-liam Coopers, der sich auf der Rckreise aus der Heimat auf dem Wegenach der Provinz Anhuei befand, wo seine Gegenwart dringend ntigwar. Es schien ungewi, ob er Schanghai noch erreichen wrde.
Es lagen aber noch andere Sorgen auf Hudson Taylor. Bei manchenMissionsfreunden in England, darunter Mitgliedern des Missionsrates,schienen sich Bedenken gegen die Vorgnge in Amerika zu regen. Da siedie Entwicklung nicht miterlebt hatten, war ihnen der gttliche Auftragzu der Arbeit dort und deren Wert nicht deutlich. Vielleicht befrchtetensie auch, da Pflichten, die so spontan bernommen worden waren, wie-der vergessen werden knnten. Der Grundsatz, wonach die Arbeit nichtaus der Ferne, sondern an Ort und Stelle durch erfahrene Missionare inChina geleitet werden sollte, lie Schanghai in hherem Grade wichtigwerden als London. In Schanghai befand sich das Hauptquartier, vonwo aus Hudson Taylor oder sein Stellvertreter sowohl mit Missions-rten in andern Weltteilen wie mit dem Heimatrat zusammenarbeitenkonnte. Die Entwicklung dieses Hauptgrundsatzes der Mission war aberbis dahin noch nicht in Erwgung gezogen worden, weil man an einesolche Ausdehnung der Arbeit auch nicht im Traume gedacht hatte. Eswar doch gerade erst der Ausschu in China zugestanden worden. Nunsollte er eine zentrale Stellung einnehmen und sich Zweigstellen in Ame-rika und anderswo angliedern lassen, die vom Mutterland ganz unab-hngig waren. Das schien doch sehr bedenklich. Einige Freunde glaubten,damit seien die hchsten Interessen der Mission gefhrdet, und deshalbknnten sie nicht lnger dem Missionsrat angehren.
So befand sich der Leiter der Mission in einer uerst schwierigenLage. Es stand bei ihm fest, da die Entwicklung in Amerika auf gtt-liche Weisung hin geschehen war. Schritt fr Schritt war er auf dem Wegeweitergefhrt worden, den er selbst zuerst gar nicht gehen wollte. DieLeiter und Missionsratsmitglieder waren ein Gottesgeschenk. Zurck
konnte er nicht. Das wre gegen den klar erkannten Willen Gottes gewe-sen. Aber wie sollte es vorwrtsgehen, wenn das solchen Verlust fr dieMission mit sich brachte?
Das Kreuz wird nicht leichter", lautete ein Satz in einem Brief diesesWinters, aber es trgt kstliche Frchte." Wie stark das bei HudsonTaylor zutraf, geht aus den Erinnerungen Stevensons hervor, der berdie Jahre 18881889 sagte:
Ich habe noch niemals eine solch schwere Zeit durchlebt. Es schien, als ob sich allesin diesen schrecklichen Monaten zusammendrngte. Ich wei nicht, was wir damals ohneHudson Taylor angefangen htten. Der Ausdruck seines Gesichts war uns schon eineHilfe. Auch Fast- und Bettage erwiesen sich immer als hilfreich. Jedesmal, wenn wir inNot waren oder einen weiteren Schritt unternehmen wollten, wenn es uns an innererFreudigkeit mangelte oder die Geldmittel ausblieben, nahmen wir unsere Zuflucht zumFasten und Beten. Die Erhrung blieb nie aus.
Mich bewegte damals besonders tief das offensichtliche Verlangen Hudson Taylors,aufrichtig vor Gott zu wandeln. Er scheute keine Mhe, das Rechte zu tun und Mi-verstndnisse zu beseitigen. Im Frhjahr, als wir uns in besonderen Schwierigkeitenbefanden, bekmmerte ihn vor allem das gespannte Verhltnis zwischen uns und zweifrheren Mitgliedern der Mission, die noch in Schanghai lebten. Diese Spannung nahmihren Anfang, als Hudson Taylor in England war. Er konnte sich nicht einfach damitabfinden, da sie im Unrecht waren und wir damals alles zur Vershnung getan hatten,was wir tun konnten.
Er schrieb ihnen und bat um eine Aussprache. Am 4. Mrz brachte er einen Abendmit ihnen zu. Es war sicher sehr unangenehm fr ihn, denn die Haltung der beidenwar uerst ablehnend. Doch er erreichte sein Ziel. Der Abend schlo mit gemeinsamemGebet, und die Freundschaft war wiederhergestellt.
Sein Leben konnte eine Prfung ertragen. Da war nichts Dunkles oder Verborgenes.Mit einem Manne wie Hudson Taylor kann man jede Arbeit in Angriff nehmen. Ichbin nie jemand begegnet, der konsequenter gewesen wre und ich kannte und be-obachtete ihn jahrelang. Er wandelte vor Gott, darum war sein Leben ,ein Licht'.Dabei war er voll Gte und Entgegenkommen gegen andere. Tag und Nacht, buch-stblich zu jeder Stunde, war er zur Hilfe bereit. Seine Selbstzucht und innere Heiligkeitwaren einzigartig, das fhlten wir alle."
Ein Liedvers, der sich auf einem Lesezeichen in seinem Tagebuch fand,zeigte, was ihn damals so tief bewegte:
Herr Jesu, sei mir allezeitlebendig helle Wirklichkeit,dem Glaubensaug' so nah gerckt,als ob es leiblich Dich erblickt,dem Herzen inniger bekanntals das vertrautste ird'sche Band!"In diesem Vertrauen auf Gott bereitete Hudson Taylor sich zur Ab-reise nach England vor, als sich herausstellte, da die Schwierigkeiten mitder Heimat brieflich nicht zu berwinden waren. Er hatte nur wenig vonalledem erledigen knnen, was er sich fr dieses Mal in China vorgenom-men hatte. Als sein Schiff sich Aden nherte, schrieb er an Stevenson:
Es ist eine ernste Sache, da man wie Simson ausziehen kann, ohnezu merken, da der Herr von einem gewichen ist. Fr Simson bedeutete
es Niederlage, Gefangenschaft und Blindheit. Mchte der Herr Sie undmich in Seiner Nhe halten! Ohne Ihn wird unser Dienst nutzlos undrichtet dazu Schaden an. Ich zittere bei dem Gedanken an die Verant-wortung, die auf uns, den Verkndigern des Evangeliums, liegt. Aber derHerr wird uns bewahren um Seines Namens willen."
Vom 21. Mai an, dem Tage seiner Ankunft in England, erlebte er,wie Gott selbst daran arbeitete, da keine Trennung von alten Mit-arbeitern erfolgen mute. Er fand den Stein schon weggewlzt. " Am4. Juli schrieb er:
Wir sehen deutlich die gute Hand Gottes, die mit uns ist. Er erhrtunsere Gebete. Wir haben wirklich viel Grund zur Dankbarkeit."
So zogen die Wolken wieder ab und lieen den Himmel klar werden.Die Herzen ffneten sich fr die Plne Gottes. Als erstes wurde dieHeimatverwaltung in verschiedenen Richtungen ausgebaut. Der Missions-rat wurde um mehrere neue Mitglieder erweitert, ein Hilfsausschu inGlasgow gegrndet, der sich hauptschlich um die schottischen Kandi-daten kmmern sollte, dazu ein Ausschu fr Missionarinnen in London.Anfang Juli reiste Hudson Taylor mit einem Begrungswort des Lon-doner Missionsrates an den Missionsrat in Toronto ab. Welche Hoffnun-gen in ihm lebten, und wie er mit der Wundermacht Gottes rechnete,geht aus einem Brief hervor, den er am 6. Juli vor seiner Abreise ausQueenstown Harbour an seine Frau schrieb:
Ich hoffe, da wir nicht bei irgend etwas Erreichtem, Erlebtem oder Gefhltemstehenbleiben, sondern vorwrts und aufwrts dringen... Gott hat sich als treu er-wiesen, wenn wir auf Seine Verheiungen hin gehandelt und Seiner Treue vertrauthaben. Wie wenig haben wir es getan! Wie bescheiden sind doch unsere Gebete undErwartungen gewesen angesichts eines solchen Gottes! Was wrde ein groer Herrscherdavon denken, wenn wir ihm vorschlgen, sein Heer, mit dem er ein Land wie Chinaerobern wollte, jhrlich um hundert Soldaten zu vermehren? Wir mssen grerdenken und beten lernen, wenn wir Gottes wrdig wandeln und den Kampf mit derfurchtbaren Not der Welt wirklich aufnehmen wollen. La uns im Glauben um Mit-arbeiter in, jedem Zweig unseres Werkes bitten, die der Arbeit wirklich gewachsen sind,sei es daheim, in Amerika oder in China! La uns um solche Kraft fr sie bitten, dader Schwchste gewaltig und der Starke wie ein .Engel Gottes' ist! Sollte das zuvielfr Seine Ehre sein? Gott behte uns davor, dem .Heiligen Israels' Schranken setzenzu wollen! Er ffne unsere Augen, da wir ,Ihn allein' sehen. Er mge uns helfen,vorwrtszugehen im Gehorsam gegen Sein Wort: ,Habe ich dich nicht gesandt?'
Wir denken immer an unsere Schwche und persnliche Not. Wir blicken auf dieArmut und Niedrigkeit der Gemeinde und ihre mangelnde Heiligung. Wir sehen dieMacht der verbndeten Krfte: Welt, Fleisch und Satan. Sollten wir nicht vielmehrunsere Gedanken auf Gott richten, auf Ihn sehen, uns Seine Gre, Seine Mittel, SeineVerheiung zu eigen machen? Nur so werden wir die Hhe und Hefe Seines Wesensund Seiner Ziele erfassen, nur so besser bereit und fhig sein, Seinen Willen zu tun.Mge Er uns beiden in unserem Getrenntsein um so kostbarer werden, damit wir un-serer Arbeit und einander mehr sein knnen!"
Auch in Attika erlebten zwei Menschen etwas von diesem vollen Ver-trauen auf Gottes Hilfe. Noch besaen Frosts ihr gemtliches Heim, in
dem Hudson Taylor das erste Mal gewohnt hatte. Es war sogar nochverschnert worden.
Aber in Wirklichkeit hatte Frosts Vater, auf dessen ausdrcklichenWunsch er sich so ganz der Evangelisationsarbeit widmete, in letzter Zeitgeschftliche Mierfolge gehabt, so da er seinem Sohn kein ausreichendesEinkommen mehr zur Verfgung stellen konnte. Darum stellte sich Henrydie Frage, ob er die Evangelisationsarbeit aufgeben und wieder zu seinemkaufmnnischen Beruf bergehen oder sie fortsetzen und sich allein aufden himmlischen Vater verlassen sollte. Seine Frau und er befanden sichin einer seltsamen Lage. Vor einigen Monaten hatten sie den Entschlugefat, nie Schulden zu machen. Jetzt waren sie oft fr ihr tgliches Brotvom Eingreifen Gottes abhngig, und das in einer Umgebung von Wohl-stand und Behaglichkeit in einer kleinen Stadt, wo ihnen jeder Kreditoffenstand.
Aber wie kostbar waren die Erlebnisse, wenn sie immer wieder SeineDurchhilfe erfuhren! Ihre Freude am Herrn wuchs in dieser Zeit unddamit auch ihr Wunsch, ganz in Seinem Dienst zu stehen, auch wenn esgroe Opfer kosten wrde.
Wieder wurde eine Niagarakonferenz durchgefhrt. Hudson Taylorwurde freudig begrt. Das Interesse fr China war noch lebendiger, dieTeilnahme an der Inlandmission noch strker als im vorigen Jahr. DieGaben zur Untersttzung flssen noch reichlicher, und viele neue Verbin-dungen wurden angeknpft und alte gefestigt.
Da der provisorische Missionsrat jetzt endgltig eingesetzt und ver-grert werden sollte, widmete Hudson Taylor einen groen Teil seinerZeit den Besprechungen mit den einzelnen Mitgliedern. Weil Sandhamwegen zahlreicher Verpflichtungen den Vorsitz niederlegen mute, wurdeHenry Frost gebeten, das Amt des Vorsitzenden zu bernehmen und nachToronto berzusiedeln.
Nun wurde ihm das Ziel der Entwicklung klar. Angesichts der krz-lich gemachten Erfahrungen war er selbst zu einem Leben im Glaubenauch in bezug auf die materiellen Dinge bereit. Aber er wute, da esseiner Frau der Kinder wegen sehr schwerfallen wrde, ihr schnes Heimaufzugeben. Er berichtete ber diese kritische Zeit:
Eines Tages, als ich im Wohnzimmer ruhte, betete meine Frau, ohne da ichdavon wute, in ihrem Zimmer, Gott mge ihr den Weg zeigen. Sie schlug ihre Bibelauf und las in Haggai das Wort, das ihr Licht gab. Danach kam sie zu mir, legtewortlos ihre offene Bibel auf meine Knie und deutete auf den vierten Vers im erstenKapitel. Ich las: ,Ist es fr euch Zeit, in euren getafelten Husern zu wohnen, whrenddieses Haus wst liegt?' Sie brauchte keine weitere Erklrung hinzuzufgen, der Textsprach fr sich selber. Ihr Gesicht zeigte mir, da der Herr bei ihr gesiegt hatte, und einBlick zu unserer getfelten Decke hinauf brachte auch mich zum Entschlu. Von die-sem Augenblick an waren wir uns darin einig, da wir unser Heim aufgeben wollten,um mitzubauen am geistlichen Bau, dem Tempel Christi, auf dessen Vollendung unserHerr wartet."
Hudson Taylor htte es gern gesehen, wenn dieser Schritt sich ohnefinanzielle Schwierigkeiten vollzogen htte. Auer den Umzugskostenstanden ihm kaum weitere Mittel zur Verfgung. Die amerikanischenGaben, Tausende von Dollars, waren fast alle fr bestimmte Zwecke undPersonen gegeben und konnten nicht verwendet werden. Etwa fnfzigPfund, die Hudson Taylor fr seinen persnlichen Gebrauch erhaltenhatte, konnte er berweisen. Er mute Frost sagen: Darber hinauskann ich Ihnen nichts versprechen. Sie mssen sich Ihren Unterhalt vomHerrn erbitten, wie wir es in England und in China auch tun." HenryFrost schreibt:
Ich gestehe, da mir Hudson Taylors Worte nicht sehr einladend schienen. Fr denUmzug mit meiner Familie und allem, was ich besa, fr die Grndung eines Heimsin einer fremden Stadt, fr die Beherbergung einer groen Zahl von Kandidaten indiesem Haus und fr die weitere Arbeit der Mission standen etwa zweihundertfnfzigDollar zur Verfgung. Aber unsere jngsten Erlebnisse hatten mich gelehrt, den einenFaktor zu beachten, der das ganze Rechenexempel umgestalten konnte: Gott selbst.Zweihundertfnfzig Dollar sind gewi keine groe Summe fr ein solches Unterneh-men, aber so viel und der Herr, das war es, was wir ntig hatten. Darum konnte ichauch in finanzieller Hinsicht bald Mr. Taylors Angebot annehmen."
Die wunderbare Entwicklung in Amerika konnte Henry Frost nichtvoraussehen. Die Missionsfreunde brachten in siebzehn Jahren ber einehalbe Million Dollar auf und stellten ihm ein Vermgen von vierzigtau-send Dollar zur Verfgung. Nie wre er der Mann des Glaubens, desGebets und der engen Abhngigkeit von Gott geworden, wenn er nichtselbst finanzielle Schwierigkeiten erlebt htte.
Hudson Taylor verlie Amerika im August voll froher Hoffnungen.Er wollte noch vor Jahresende eine groe Zahl Versammlungen besuchen.Diese fhrten ihn bis nach Schweden. Seine Verpflichtungen waren sodringend, da er nur schwer die ntige Zeit zur Frbitte fr alle seineMitarbeiter finden konnte. Aber er wute, da ein Nachlassen im Gebetdem Feind die Einfallstore ffnen wrde. Darum kaufte er auf seinerFahrt von einem Ort zum andern jeden freien Augenblick aus, um dieseunsichtbare, aber wichtigste Arbeit nicht zu versumen.
Hudson Taylors Liebe zum Herrn, die man in Schottland wie inAmerika so gesprt hatte, wurde auch in Schweden bemerkt. Die Ver-bindung zu diesem Land war durch den jungen Holmgren entstanden,der Hudson Taylor in England in der Pyrland Road kennengelernt hatte.Als begeisterter Freund der China-Inland-Mission war er spter nachOrebro zurckgekehrt. Zuerst als Herausgeber einer christlichen Wochen-schrift, dann als Pfarrer einer der Hauptkirchen von Stockholm tat eralles, was er konnte, um in den Christen Schwedens die Verantwortungfr die Millionen Chinas zu wecken. Damals arbeitete noch kein Schwedein China. Erik Folke, ein Student in Uppsala, der sich von Gott aufdieses Feld gerufen fhlte, konnte keine schwedische Missionsgesellschaftfinden, die ihn aussenden wollte. Darum reiste er auf eigene Verantwor-
tung, wurde in Schanghai von der China-Inland-Mission willkommengeheien und in ihre Sprachschule in Anking aufgenommen. Sechs Monatespter teilte er Holmgren brieflich mit, da er direkt mit der China-Inland-Mission arbeiten wolle. Daraufhin wurde in Stockholm ein Komi-tee gebildet, um weitere Missionare auszusenden.
Schon lnger hatten diese Freunde Hudson Taylor gedrngt, sie zubesuchen. Sein Name war dort durch Holmgrens Blatt und seine eigenenSchriften bekannt. Da seine Zeit fest begrenzt war er hatte verspro-chen, auf der zweiten Generalkonferenz in Schanghai die Erffnungs-predigt zu halten , war es nicht leicht fr ihn, sich einen Monat frei zumachen. Weil das Komitee jedoch um seinen Rat fr die Arbeit in Chinabat, fhlte er sich verantwortlich. Diese Arbeit sollte in enger Verbindungmit der China-Inland-Mission geschehen.
Es entwickelte sich alles so natrlich, da Hudson Taylor damalskaum ahnte, da hier eine neue Erweiterung der Mission ihren Anfangnahm. Sie sollte sich nicht nur auf viele Teile des europischen Festlands,sondern auch auf Amerika und Australien erstrecken. Mit der Niagara-konferenz im vergangenen Jahr hatte diese Bewegung begonnen. ImLaufe dieses Sommers wurde die Zukunft deutlich. Damals hatte dasAuffahren wie mit Flgeln" begonnen, das zu groen ueren Entwick-lungen fhren sollte. Hudson Taylor selbst wuchs mit der zunehmendenArbeit. Er war sich bewut, da diese Reise nach dem Norden seinerLebensarbeit neue Bahnen ffnen wrde. Was er aber nicht erwartethatte, war der begeisterte Empfang, den ihm die schwedischen Christenbereiteten und der an Wrme und Gastlichkeit alles berbot, was ihmbisher begegnet war. Aber auch die Schweden fanden an ihm etwas, dassie noch nicht kannten. Sie sahen einen Menschen, dem die MillionenChinas wirklich als Last auf der Seele lagen.
Selten sprechen wir zu weniger als zwei- bis fnftausend Menschentglich", schrieb er am Ende seines Besuches, bei dem ihn wieder seinzweiter Sohn begleitete. Selbst in kleinen Ortschaften halten wir groeVersammlungen. Gestern abend fanden Hunderte keinen Platz mehr.Manche waren ber vierzig Kilometer weit gereist. Mge groer unddauernder Segen daraus erwachsen!"
Der Eindruck, den Hudson Taylors Persnlichkeit machte, spiegeltsich in dem wider, was Holmgren, sein Begleiter auf dieser Fahrt, be-richtete:
berall fhlten sich die Menschen zu ihm hingezogen. Er zeigte so viel Liebe undTeilnahme, da er Gegenliebe weckte. Es war reizend, wie sich in den Familien, die wirbesuchten, die Kinder um ihn sammelten, obwohl sie seine Sprache nicht verstanden.Er sprach sehr freundlich mit ihnen und erzhlte ihnen einige nette Geschichtchen ...
Er hat viele Freunde gewonnen. Dabei war er sehr einfach und anspruchslos. Einmal,als er von Linkping wegfuhr, war er besonders mde. Er hatte am Tage vorher meh-rere Ansprachen gehalten und war frh aufgestanden. Um elf Uhr war schon eine
Versammlung gewesen, und um sechs Uhr sollte die zweite in einer neunzig Kilometerentfernten Stadt sein. Auf dem Weg zum Bahnhof sagte Dr. Howard zu seinem Vater:,Du bist doch jetzt mde. La mich zweiter Klasse lsen!' Aber Taylor antwortete:,Du weit ja, das Geld gehrt dem Herrn. Wir mssen also recht sparsam damitumgehen/
Noch einen Vorfall mchte ich erzhlen, der mich auch sehr beeindruckte und seinVertrauen auf Gott zeigte. Das Komitee hatte die Absicht, die Reiseunkosten HerrnTaylors und seines Sohnes durch Kollekten bei den Versammlungen zu decken. Alsich sie in Gteborg abholte, teilte ich das Herrn Taylor mit. Da sah er mich lchelndan und sagte:
,Ich habe ja einen reichen Vater und werde mit ihm darber reden. Doch ich glaubenicht, da dieser Plan ganz nach Seinem Willen ist. Das Kollektengeld mu fr dieschwedische Mission verwendet werden; fr mich wird Er schon sorgen.'
Wenn ich Geld gehabt htte, wrde ich mit Freuden seine ganzen Reisekosten inSchweden bezahlt haben. Von Taylors Glauben bezglich seiner Versorgung sagte ichmir aber: ,Fr England mag das vielleicht zutreffen, aber in Schweden ist das anders.'
In Christiania trennten wir uns. Herr Taylor reiste nach England, ich nach Stock-holm. In seinem ersten Brief schrieb er:
,Wenige Tage nach unserer Ankunft in England erhielt ich einen Brief von einemunbekannten Schweden. Er enthielt einen Scheck ber fnfzig Pfund, die fr unsere Aus-gaben auf der Reise nach Schweden bestimmt waren. Wenn Sie den Absender kennen,danken Sie ihm bitte in meinem Namen!'
Ich wute nicht, woher das Geld kam, aber ich war sehr beschmt und gedemtigtwegen meines Unglaubens, mute aber dem Herrn fr Seine Treue danken und dafr,da Seine Macht in Schweden ebenso gro ist wie in England."
Hudson Taylor hatte in Schweden besonders versucht, sein neues Ver-stndnis des gttlichen Befehls weiterzugeben, der seit ber vierzig Jahrendas Motto seines Lebens war: Gehet hin in alle Welt und predigt dasEvangelium allen Vlkern!" An einem stillen Sonntag im Oktober warihm neues Licht auf diese vertrauten Worte gefallen. Der Heilige Geistzeigte ihm eine ganz neue, umfassende Bedeutung, so da ihm war, alshrte er sie zum ersten Mal. Einige Monate spter schrieb er dazu:
Beschmt mu ich bekennen, da ich bis zu dem Tag noch nie gefragthatte, was der Herr wohl wirklich mit diesem Befehl meint. Viele Jahrelang hatte ich wie auch andere daran gearbeitet, das Evangelium weiter-zutragen. Ich habe Plne gemacht, um auch die entlegensten Provinzenzu erreichen, ohne mir jemals die schlichte Bedeutung dieser Worte klar-zumachen."
Allen Vlkern! Aller Kreatur!" Aber wie wenige waren erst indem riesigen China erreicht! Die Worte brannten in ihm. Wie weit wardie Kirche, ja sogar er selbst davon entfernt, diese Worte buchstblichzu nehmen und entsprechend zu handeln! Er schrieb darber:
Wie wollen wir den Herrn Jesus im Blick auf dieses Gebot behandeln? Wollen wirden Titel ,Herr' endgltig fallenlassen? Wollen wir Ihn nur als Heiland fr unsereSnden anerkennen, aber Ihm nicht als ,teuer Erkaufte' absoluten Gehorsam leisten?Wollen wir unsere eigenen Herren sein und Ihm, der uns mit Seinem Blut erkauft hat,nur einige Zugestndnisse machen, unter der Voraussetzung, da Er nicht zu viel ver-langt? Wollen wir unser Leben, unsere Lieben, unsere Gter fr uns behalten?... Wirwollen uns wohl von Ihm in den Himmel bringen lassen, wollen aber nicht, da dieser
ber uns herrsche'. Nur wenige aus dem ,Volk des Herrn' haben wirklich erkannt, daChristus entweder Herr ber alles oder aber berhaupt nicht Herr ist. Wenn wir GottesWort beurteilen, anstatt uns von Ihm richten zu lassen, wenn wir Gott so viel oderso wenig geben, wie uns pat, sind wir die Herren, und Er mu uns noch dankbarsein! Ist Er aber der Herr, dann lat uns auch danach handeln! Was nennt ihr michHerr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?' "
So bekam Hudson Taylor ganz unerwartet einen neuen Weitblick, derfr das letzte Jahrzehnt seines Dienstes bestimmend wurde.
DIE TAUSEND18891892
Es galt nicht, einen menschlichen Plan, sondern einen gttlichen Befehlauszufhren. Praktisch wie immer begann Hudson Taylor nicht damit,darber nachzudenken, ob ein Versuch gemacht werden mte, sondernwie die Evangelisierung ganz Chinas zu geschehen htte. Als er darberbetete und nachsann, erkannte er, da sie durchaus mglich war:
Wenn tausend Evangelisten tglich je 250 Menschen die Botschaftbrchten, knnten sie in drei bis fnf Jahren alle Chinesen gehrt haben.Er wute, da sich viele Einwnde gegen eine solche Berechnung machenlieen. Vielleicht konnte nicht jeder Missionar tglich 250 Menschen er-reichen, oder die eintgige Verkndigung blieb ohne tiefere Wirkung.Er dachte an die ersten Jahre seiner Arbeit in China, besonders an dieMonate mit William Burns. Sie hatten durch systematische Evangelisationtglich ohne Schwierigkeiten fnfhundert bis tausend Menschen erreicht,indem sie in allen Straen der Stadt predigten, in jedem Laden ihreBcher und Traktate anboten und abends in einem Teehaus fr besondersInteressierte zu sprechen waren. Schlielich konnten die Leute sie noch aufihren Hausbooten aufsuchen. Seine Mitarbeiter und er wuten, da eineganze Reihe besonders gesegneter chinesischer Christen beim ersten Hrenihr Herz Christus geschenkt hatte.
Das hie ja nicht, den zweiten Teil des Befehls Jesu auer acht zulassen, nmlich zu taufen und zu lehren. Aber wrden diese tausend Mit-arbeiter nach der Beendigung der Evangelisation nicht um so besser vor-bereitet sein, diesen Teil zu erfllen? Erst einmal muten ja alle gehrthaben!
So stand in Chinas Millionen" als Ergebnis von Hudson Taylorsneuer Schau ein eindringlicher Aufruf unter der berschrift Allen Vl-kern", in dem die Glubigen zur Mitarbeit dort aufgerufen wurden, wojeder von ihnen mitarbeiten konnte: beim Beten. Ferner schrieb HudsonTaylor, da nur das gemeinsame, einmtige Vorgehen aller Missions-
gesellschaften tausend Evangelisten ohne Zeitverlust zusammenbringenknnte. Er war berzeugt, da die Hlfte der geforderten Evangelistenaus Amerika kommen wrde. Wrtlich schrieb er weiter:
Wrde nicht die ganze Welt an dem Segen teilnehmen? Wenn wirdrauen gesegnet werden, mssen doch auch unsere Gemeinden zu Hauseetwas davon merken. Die Kirche ist wohl imstande, der ganzen Welt dasEvangelium zu verkndigen es bald zu verkndigen."
In diesem Zusammenhang sagte Hudson Taylor auch einmal: Wenneine Predigt des Evangeliums nicht ausreichen soll, wie soll es dann erstkeine tun?"
Nicht nur der Befehl des Meisters beschftigte Hudson Taylor, son-dern auch Sein Vorbild. Ihm schwebte die Speisung der Viertausend inMatthus 15 vor: Woher mgen wir so viel Brot nehmen in der Wste,da wir das ganze Volk sttigen?" Als er zur zweiten Generalkonferenznach China fuhr, war er dankbar, da sich hier eine Gelegenheit bot,sein groes Anliegen vorzubringen und diese Verheiung zu verkndigen.Der Herr, der selbst dem hungrigen Volk gegenberstand, Jesus, der dieHungrigen speisen konnte das war das Thema seines Erffnungsgottes-dienstes. In diesem Gottesdienst sagte er unter anderem:
Ich wte nicht, da in der Bibel dazu aufgefordert wrde, etwas zu versuchen.,Wir mssen es versuchen, so gut wir knnen', hrt man oft sagen. Ich habe vor einigenJahren das Neue Testament genau durchgesehen, wann den Jngern gesagt worden ist,sie sollten versuchen, etwas zu tun. Ich dachte mir schon, da ich nicht viele Stellenfinden wrde ich fand aber berhaupt keine! Auch nicht im Alten Testament! Dortstehen wohl viele Gebote, deren Befolgung unmglich zu sein scheint, aber es bleibendoch echte Gebote. Wir alle sollten nicht versuchen, soweit wir knnen, zu gehorchen,sondern dem Herrn einfach gehorchen.
Wenn wir uns als geschlossene Konferenz dafr einsetzten, dem Befehl des Herrngenau zu gehorchen, wrden wir eine solche Ausgieung des Heiligen Geistes erleben,wie sie die Welt seit dem Pfingsttag in Jerusalem nicht mehr erlebt hat. Gott gibtSeinen Geist nicht denen, die sich danach sehnen, nicht denen, die darum bitten odervon Ihm erfllt sein mchten, sondern Er gibt Seinen Heiligen Geist .denen, die Ihmgehorchen' (Apg. 5, 32). Wenn wir im Gehorsam beschlieen wrden, da jeder Bezirk,jede Stadt, jedes Dorf, jeder Weiler in diesem Land das Evangelium hren sollte, undes auch ausfhrten, dann wrde, das glaube ich fest, der Heilige Geist mit solcherMacht herabkommen, da uns die Mittel nur so zustrmten. Wir wrden erleben, dadas Feuer von den Missionaren auf die Gemeinden bersprnge und unsere chinesischenMitarbeiter und die ganze Gemeinde Gottes gesegnet wrden. Gott gibt Seinen HeiligenGeist denen, die Ihm gehorchen. Lat uns darauf achten, da wir wirklich verstehen,was jetzt, in unseren Tagen, den Tagen, in denen das Land offen steht, Sein Befehlan uns ist! Heute ist die Zeit der groen Mglichkeiten. Gott hat Seinem Volk Dampf-maschinen und Telegraphen zur schnellen Ausfhrung Seines Willens zur Verfgunggestellt."
Die Konferenz nahm den Aufruf um tausend Missionare fr Chinain den nchsten fnf Jahren auf. Amerikanische, englische und andereeuropische Missionsgesellschaften gehrten dazu, und so erhielt dieserAufruf ein besonderes Gewicht. In ihm hie es:
Wegen der dreihundert Millionen heidnischer Brder rufen wir euchauf. Wir tun es mit Ernst und von ganzem Herzen als Menschen, die vonder Gre und Verantwortung der vor ihnen liegenden Aufgabe ber-wltigt sind. Wir tun es im unerschtterlichen Glauben an die Macht desauferstandenen Erlsers, der Menschen in Seinen Weinberg berufen unddie Herzen Seiner Haushalter ffnen kann. Wir werden nicht aufhren,Ihn zu bitten, dieses Werk so zu vollbringen, da unsere Augen es sehenknnen."
Inzwischen wirkte Gott an anderen Orten auf unerwartete Weise.Gleichzeitig und unabhngig voneinander hatten sich vier Pfarrer inMelbourne mit der Not Chinas beschftigt, merkwrdigerweise geradein der Zeit, in der Hudson Taylors Aufsatz Allen Vlkern" Ende 1889erschien. Die vier kamen zu der berzeugung, da die Christen Austra-liens etwas fr die Missionierung des grten heidnischen Landes derWelt, China, das ihnen so nahe lag, tun mten. Es waren die Angli-kaner McCartney und Parsons, der Presbyterianer Lockhart Morton undder Baptist Alfred Bird. Einige Wochen spter vereinigten sie sich imGebet, nachdem sie die gemeinsame Last entdeckt hatten. Einen aus die-sem Kreis forderte der Herr fr diese Arbeit. In Australien konnte manErsatz fr ihn finden, aber an die Not in China dachten nur wenige.
Australische Christen untersttzten schon damals Missionen auf denNeuen Hebriden, in Neuguinea und Indien. Fr das groe, volkreicheChina aber taten sie nichts.
Als daher Parsons als Missionar nach China ausreisen wollte, muteer Verbindung mit einer Missionsgesellschaft Englands aufnehmen. Sokam es zum Briefwechsel mit der China-Inland-Mission, zur AnnahmeParsons' und zu seiner Ausreise nach Schanghai kurz vor der groen Kon-ferenz. Seine Freunde in Victoria wnschten gleichzeitig, da ein austra-lischer Ausschu hnlich dem in Toronto gegrndet wurde.
Auch auf der Nachbarinsel Tasmanien war eine hnliche Entwicklungvor sich gegangen. Eine junge, ehemalige Chinamissionarin, Mary Reed,die aus gesundheitlichen Grnden in ihre Heimat Tasmanien zurck-kehren mute, erwrmte durch ihren Eifer und ihre Liebe die Menschenso, da groes Interesse und echte Opferbereitschaft fr China erwachten.George Soltau, ihr Pfarrer, und ihre Mutter baten, Hudson Taylormchte Tasmanien zur Grndung eines Ausschusses besuchen. Bevor eineAntwort auf die Einladung kam, besuchte Alfred Bird Tasmanien undwurde von Frau Reed gastfreundlich aufgenommen. So kamen die beidenKreise in Verbindung miteinander. Mary Reed und ihre Schwester gingendann mit Bird nach Melbourne, wo sie auch Missionsvortrge hielten. IhrDienst wurde durch viele Gaben und Meldungen von Kandidaten fr dieMission gesegnet. Die Arbeitsweise, im Innern Chinas zu leben, chine-sische Kleidung zu tragen und auf eigene Kosten zu leben, war auch dortetwas vllig Neues.
Diese Nachrichten strkten Hudson Taylor whrend der Konferenzsehr. Derselbe Herr, der ihnen in China die neue Aufgabe gezeigt hatte,ffnete unter dem Kreuz des Sdens neue Kanle. Zu dieser weiterenAusdehnung der Arbeit wurde er auch durch das neue Hauptquartierermuntert. Als er vor einem guten Jahr China verlassen hatte, war derBau der weitlufigen Gebude begonnen worden. Bei seiner Rckkehrwaren sie vollendet und konnten alle achtzig Teilnehmer der Konferenzaufnehmen. Alles machte die wunderbare Vorsorge Gottes fr das wach-sende Werk sichtbar.
Im Anschlu an die Konferenz konnte Hudson Taylor seine Einwil-ligung zur Grndung des Melbourner Ausschusses geben und Ende Julinach Australien reisen. Dort folgten Wochen angestrengtester Ttigkeit.Offene Tren erwarteten sie, alte und neue Freunde boten ihre Hilfe an.
Hudson Taylor begann seine Ttigkeit in Melbourne, wo die Ver-sammlungen zuerst nicht gut besucht waren. So hatte er Zeit, die Mit-glieder des Ausschusses kennenzulernen. Seine Schlichtheit und Natr-lichkeit in allem, was er sagte und tat, gewannen ihm viele Herzen. Alsdie Versammlungen bekannter wurden, fllten sich groe Sle mit auf-geschlossenen Zuhrern. Doch er blieb sich immer gleich: frei von Selbst-bewutsein wie ein Kind. Den tiefsten Eindruck hinterlie er bei gereif-ten Christen, und wo geistliches Leben war, traf er auf grtes Verstnd-nis. Pfarrer McCartney aus Melbourne, bei dem er vierzehn Tage wohnte,schrieb:
An ihm konnte man lernen, was Ruhe ist. Jeden Pfennig fr das tgliche Lebenentnahm er der himmlischen Bank: .Meinen Frieden lasse ich euch!' Was den Heilandnicht aufgeregt und beunruhigt hatte, durfte auch ihn nicht beunruhigen... Nie warer hastig und in Eile, nie nervs oder rgerlich. Er lebte in dem Frieden, .der hherist als alle Vernunft'; ihn wollte er nicht verlieren.
Ich war ganz anders: Von Natur aus nervs, war ich bei meiner angestrengtenTtigkeit oft den ganzen Tag berreizt... Am schwersten drckte mich, da ich wh-rend der Korrespondenz die Verbindung mit dem Herrn vllig verlor... Endlichsprach ich mit Herrn Taylor darber:
,Ich bin in meiner vertrauten Studierstube und Sie in einem groen, fremden Zimmer. Sie tragen die Sorgen von Millionen, ich von Dutzenden. Ihre Briefe sind vollvon wichtigsten Entscheidungen, meine verhltnismig unbedeutend. Und doch binich dabei aufgeregt und unglcklich, und Sie sind immer ruhig. Woher kommt dieserUnterschied?'
,Mein lieber McCartney', antwortete er, .dieser Friede ist fr mich kein glcklichesVorrecht, sondern eine Notwendigkeit. Es wre mir unmglich, meine Arbeit zu er-ledigen, wenn nicht der Friede Gottes, der hher ist als alle Vernunft, mein Herz undmeine Sinne bewahren wrde.' "
Auch seine ffentlichen Ansprachen brachten reiche Frucht. Zwei Mo-nate nach seiner Ankunft konnte er berichten:
Viele Kandidaten, die geeignet erscheinen, haben sich gemeldet. Dieletzte Zahl war siebenundfnfzig. Es kommt auch viel Geld zusammen."
Bevor Hudson Taylor nach China zurckkehren mute, hatten sich
sechzig zum Missionsdienst angeboten. Viele andere fanden durch seinZeugnis zu ihrem Lebenswerk in Indien und anderswo.
Das erlebte der junge Evangelist Charles Reeve, der voller Opposi-tion war. Er hielt nichts von der ueren Mission und meinte sogar, siewre schriftwidrig. Als er einmal gegen seinen Willen die Versammlungenbesuchte, mute er, selbst ein eifriger Bibelleser, feststellen, da derRedner jedenfalls dem Worte Gottes die gebhrende Achtung erwies,wenn er auch ganz falsche Ziele hatte. Im Gegenteil, er glaubte noch nieso tiefe und praktische Bibelauslegung gehrt zu haben. Whrend HudsonTaylor sprach, hrte der Gegner den Ruf in die Mission. Die Poona-und Indische Dorfmission" mit einer Schar treuer Arbeiter war die Fruchtdieser Stunde.
Vor der letzten Versammlung setzte der Ausschu einen besonderenGebets- und Konferenztag fr Pfarrer an, zu dem vierzig Pfarrer kamen,und am selben Abend waren in der Stadthalle von Melbourne zur Ab-schiedsversammlung 3000 Personen beisammen. Das war die beste Ver-sammlung. Die jungen Freiwilligen, die Hudson Taylor nach China be-gleiten sollten, umringten ihn und machten einen tiefen Eindruck, dennHudson Taylor hatte nie ein Hehl daraus gemacht, da er um hundertaustralische Mitarbeiter betete. Unter den vier Missionaren und achtMissionarinnen befand sich auch Mary Reed. Sie wollten im Oktober aus-reisen, aber durch einen Streik der Dockarbeiter wurde das Schiff auf-gehalten. Da erinnerte sich Hudson Taylor an eine Einladung aus Queens-land, die er abgesagt hatte. Er ahnte nicht, wieviel Gebet hinter dieserEinladung gestanden hatte. Dort lebte Pfarrer Southey mit seiner Familiein einer der besten Pfarrstellen und einem schnen Haus. Sie dachten oftan das ferne, groe, dunkle China, und als der Aufruf von der Konferenzin Schanghai kam, stellten sie fest, da in China besonders Theologen er-wnscht wren. Des Pfarrers Gesundheit war nicht sehr fest, und er hattedrei Kinder zu versorgen. So kam er wohl fr die uere Mission nichtin Frage. Aber sein Gewissen lie ihm keine Ruhe. Er schrieb deshalb anHudson Taylor, als er hrte, da der Besuch doch stattfinden sollte:
Ich komme nicht davon los, da einige von uns Pfarrern hier zu denHeiden gehen mten. Ipswich mit seinen acht- bis neuntausend Einwoh-nern davon zwei Drittel protestantisch hat zehn Pfarrer in neunprotestantischen Kirchen, die nie wirklich voll sind ... Ich mchte gernden Willen meines himmlischen Vaters tun. Wenn Er es will, bleibe ichin Queensland; aber wenn es Sein Wille ist, gehe ich zu den Heiden. Esgbe zwar auch hier genug zu tun, denn das geistliche Leben lt viel zuwnschen brig, und Missionseifer fehlt fast ganz ... aber bei den Hei-den gbe es sicher noch mehr Arbeit."
Als Southey Hudson Taylor an einem Sommermorgen von der Bahnabholte, war er eigentlich enttuscht. Er hatte so viel von dem altenMissionar gehrt und an ihn gedacht, da er sich einen Mann von impo-
nierendem ueren vorgestellt hatte. Er konnte kaum glauben, da dereinzige aussteigende Fahrgast der erwartete Besucher war. Er schriebdarber einige Jahre spter:
Zu Hause erzhlte ich meiner Frau von meiner Enttuschung, fgte aber hinzu:,Ich glaube ja, da er ein guter Mensch ist.' Aber sie sah tiefer als ich. Nach einemkurzen Gesprch mit unserem Gast sagte sie: ,Hast du nicht gesehen, wie seinGesicht leuchtet?'
Und wirklich, das Licht Gottes strahlte aus seinem Gesicht. Er sah so bestndigauf Gott, war so sehr in Verbindung mit ihm, da es schien, als lge ein himmlischerSchein auf ihm. Meine Enttuschung wich bald. Ich erlebte zum ersten Mal, wasGottes Gnade aus einem Menschen machen kann... Es fiel uns auf, da er vlligdarauf verzichtete, sich zur Geltung zu bringen. Seine Demut war echt und ganz un-bewut. Uber den Herrn, Seine Gnade, Seine Treue sprach er gern, ber sich undseinen Dienst sagte er nichts. Wir muten ihn schon danach fragen.
Wir sprachen auch darber, ob wir nach China hinausziehen sollten. Wahrscheinlichhatte er von Anfang an das Empfinden, da uns der Herr drngte. Dennoch war erdarauf bedacht, uns die Tragweite dieses Entschlusses klarzumachen. Er wies auf dasKlima, die Unbequemlichkeiten, den Mangel an rztlicher Hilfe und die notwendigeTrennung von den Kindern hin. Er hat uns wirklich nicht mit falschen Vorstellungenin die Arbeit gehen lassen. In unserem Garten sagte er mehrfach zu meiner Frau:.Solch einen schnen Garten werden Sie in China nicht haben!' "
Aber da Gott ihre Zuflucht sein und Seine Gnade sie tragen wrde,konnten sie an ihrem Gast sehen. So wagten sie den Glaubensschritt,durch den China zwei seiner treuesten Helfer bekam und spter die Mis-sion ihren geschtzten Heimatdirektor fr Australien und Neuseeland.
Als Hudson Taylor am 21. Dezember nach China zurckkehrte, fander dort seine Frau vor, die sich endlich in Pyrland Road hatte freimachenknnen. Sie war neun Jahre lang nicht in China gewesen, darum fielenihr der Fortschritt und alle Vernderungen besonders auf. Ihre Anwesen-heit schien Hudson Taylors Tatkraft und Arbeitsfreudigkeit zu verdop-peln. Er mute aber auch alle Krfte anspannen, um mit dem schnellenWachstum der Mission Schritt zu halten. 1887 konnte er in zwlf Mona-ten hundert neue Arbeiter in China begren; jetzt kamen in sechs Mo-naten einhundertunddreiig allein fr die China-Inland-Mission, davonSechsundsechzig in knapp vier Wochen etwas Unerhrtes auf demganzen Missionsgebiet.
Und woher waren sie alle gekommen!
Die Broschre Allen Vlkern" hatte auch den eifrigen EvangelistenFranson gewonnen, der von Geburt Schwede war, sich aber in Amerikanaturalisieren lie. Sieben Jahre hatte er mit Moody zusammengearbeitet.Die Heidenmission lag ihm sehr am Herzen. Der Herr gebrauchte ihnauch in Norddeutschland, wo er in Barmen auf Gleichgesinnte wie Pol-nick, Paas und andere stie. Es entstand die China-Allianz-Mission nachden Grundstzen der China-Inland-Mission. Bald schifften sich die erstendeutschen Missionare nach China ein. Inzwischen fhrte Franson seineArbeit unter den skandinavischen Kirchen in Amerika weiter. Seine Auf-
gbe bestand darin, da er die Gemeinden dazu anleitete, jeweils einenMissionar zu tragen. Er schrieb an Hudson Taylor:
Dieser Plan ist tatschlich brauchbar. Die Erfolge werden schon deut-lich. Die neuen Arbeiter sind schon versorgt. Wir senden nur solche hin-aus, die Gott bereits im Dienst besttigt hat... Wegen schlechter Gesund-heit oder mangelnder Eignung haben wir lngst nicht alle annehmenknnen ..."
Die ausgewhlten Mnner und Frauen wollten Wanderarbeit tun, dasheit, zu den Tausend" gehren. Sie verpflichteten sich, mindestens dreiJahre lang von Ort zu Ort zu ziehen, das Evangelium zu verkndigen,Bibeln und Schriften zu verteilen und sich weder zu verloben noch zuheiraten. Mit der China-Inland-Mission wollten sie in der gleichen Ver-bindung stehen wie die schwedische und deutsche Allianz-Mission. Siestanden ebenso unter der Leitung von Hudson Taylor und seiner Stell-vertreter wie unter der ihrer eigenen Fhrer.
Es war ein groes Erlebnis fr Stevenson und seine Mitarbeiter, alsdie ersten Skandinavier aus Amerika kamen. Fnfunddreiig waren es,und zehn bis fnfzehn sollten in der nchsten Woche noch dazukommen.Die jungen Ankmmlinge sahen so strahlend aus, da man verga, wievoll das Haus schon war. Ihre Unbekmmertheit und ihre frhlichenLieder brachten neue Frische unter die Mitarbeiter. Obgleich sie kaumEnglisch konnten, beteten sie ohne Hemmungen mit. Die Hausgenossenverstanden allerdings nur Herr Jesus" und Kina", dennoch war dieinnere Verbundenheit mit ihnen einfach da. Charakteristisch fr sie warder Dankesbrief, den sie bei der Abfahrt von Schanghai zurcklieen, indem es hie: Vorwrts! Wir gehen zum Sieg! Wir haben Sieg durch dasBlut!"
Kurz nach dem Auszug der sangesfreudigen Skandinavier brachen imYangtsetal Unruhen aus. In einigen Ortschaften wurden die Huser derMissionare zerstrt. Obgleich sich die Wut der Bevlkerung vor allemgegen die Katholiken richtete, waren doch auch alle anderen Europerbedroht. Noch nicht einmal in Schanghai war man sicher, da die Be-hrden Plnderungen und Gewalttaten verhten konnten. Mit wenigenAusnahmen konnten die Missionare der China-Inland-Mission auf ihrenStationen bleiben. Nirgends kam es tatschlich zu einem Uberfall, obwohldie Gefahr dazu manchmal bestand. Der Sommer war drckend hei, undnichts wrde die Bevlkerung so beruhigen wie ein tchtiger, anhaltenderRegen. Deshalb wurde ernstlich um Regen gebetet, und drei Wochenspter meldete ein Brief von Frau Taylor die Erhrung: Fast den ganzenMonat hindurch hat es geregnet." Der Erfolg blieb nicht aus: Die Massenzerstreuten sich, und der Fremdenha legte sich fr eine Weile. So wurdendie Verhltnisse wieder normal.
Aber die Sorgen, vor allen Dingen fr die Leitung der Mission, hrtennicht auf. Es wurde immer schwieriger, die ber das weite Land
verstreuten fast fnfhundert Mitarbeiter zu beraten, zu leiten, mit Geldund Ausrstung zu versorgen und fr sie konkret zu beten. Die Geldfragemachte dabei Hudson Taylor besondere Schwierigkeiten. Die Arbeitwuchs und machte gute Fortschritte, aber die Spenden aus England warenin den letzten Jahren zurckgegangen. Er war davon berzeugt, da jedeGabe an die Mission auf einen besonderen Ansto Gottes zurckgeht.Deshalb durchforschte er im Gebet immer wieder sein eigenes Leben unddas ganze Werk. Sollte hier vielleicht etwas vorliegen, was den Herrnhinderte? Trotz aller Last verlor er aber den inneren Frieden nicht. Daswar wirklich ein Wunder der Gte Gottes.
Stark bedrckte Hudson Taylor die noch immer etwas ungesicherteZusammenarbeit zwischen der Leitung in China und dem Ausschu inder Heimat. Neue Fragen strten leicht die Harmonie. Es ging vor allemdarum, da die Leitung in China allmhlich von Hudson Taylor persn-lich auf den China-Ausschu bergehen mute. Der Heimatausschusollte nun sein Vertrauen zu Hudson Taylor auch auf den China-Ausschubertragen. Das war unbedingt notwendig, weil ja die Selbstndigkeitder Leitung in China die Grundlage der Organisation war. Hudson Tay-lor schrieb darber unter anderem nach England:
Wir haben in China Fehler gemacht und werden sicher auch wiederwelche machen; wenn wir aber den uns von Gott gewiesenen Weg ver-lassen, wird das bel weitaus grer."
Der gesamte Plan wurde in England und in China noch einmal unterGebet durchdacht. Hudson Taylor uerte in diesem Zusammenhang zuStevenson: Der Herr lt sicher auch hier nichts ohne Absicht geschehen.Er will, da wir das lernen, was Er uns lehren will. Das ist wichtiger, alsaus der Not herauszukommen."
In dieser Lage strkte der Herr Seine Diener in Schanghai durch rei-chen geistlichen Segen. Zwar wurden die Lasten, die auf Hudson Taylorlagen, nicht leichter, aber der Herr schickte Menschen, die die Missionerquickten. Zu diesen gehrte Frost, der seinen ersten Besuch in Chinamachte. Er brachte neue Mitarbeiter von Toronto mit und blieb nocheinige Monate, um mehrere Stationen kennenzulernen. Die amerikani-schen Mitarbeiter strkte er auf einer Konferenz in Schanghai. Aus demWesten kam Cassels zu den Ausschusitzungen, aus Foochow die Schwe-stern Newcombe, die bald ihr Leben um Jesu willen hingeben sollten.Alle drei brachten der Leitung und den durchreisenden Gsten des Mis-sionshauses reichen Segen. Nicht ich, sondern Christus in mir" war ihreBotschaft, die sie auch lebten. Es herrschte ein echter Gebetsgeist; Gottsei Dank dafr!" uerte Frau Taylor. Etwas spter kam mit anderenWalter B. Sloan aus England. Sein Wort war gewaltig, und viele, die ihmzuhrten, htten mit McCartney aus Melbourne sagen knnen:
Der Friede, den sie besitzen, erfllt mich fast mit Neid. Ich mchteauch mehr davon haben. Eins darf ich jetzt schon behaupten: Ich bin
unglcklicher als frher, wenn er mir fehlt oder getrbt wird. Das istschon eine Wirkung des Heiligen Geistes, fr die ich dankbar bin. Ichsehne mich aber nach dem immerwhrenden Frieden."
Und nun kam eine wunderbare Zeit neuer Segenswirkungen. Einejunge Missionarin aus dem Innern zum Beispiel wurde unvermutet inSchanghai aufgehalten. Bei den Versammlungen erkannte sie ihre innereNot und Hilfsbedrftigkeit wie nie zuvor. Vier Jahre lang hatte sieetwas von der Freude und dem Segen inniger Gemeinschaft mit demHerrn kennengelernt. Sie kannte aber auch die tdliche Macht des Hei-dentums, die Macht des Bsen und die eigene Unfhigkeit, anderen zuhelfen, wenn man nicht in lebendiger Verbindung mit Jesus steht. Wiesehr sehnte sie sich nach dem neuen Leben", dem Leben, das sie bei an-deren sah und selbst nicht gewinnen konnte! Niemand wute von ihrerNot. Sie flehte um Licht und Hilfe, der Herr sollte alles neu" machen.Nach einem Dienst in der Missionshalle kam ein ihr unbekannter christ-licher Matrose auf sie zu und fragte eindringlich:
Sind Sie mit dem Heiligen Geist erfllt?"
Diese Worte brannten sich immer tiefer in ihr Herz ein und erklrtenihr inneres Versagen, ihr fruchtloses Bemhen und das erfolglose Planen.Gott hatte ein Mittel bereitgestellt, eine Gabe angeboten, die sie kaum inAnspruch genommen hatte. Sie wute wohl, da sie in gewisser BeziehungAnteil an dem Heiligen Geist hatte, denn wenn jemand Christi Geistnicht hat, der ist nicht sein". Aber ebenso sicher war sie, da sie nichterfllt war mit dem Heiligen Geist. Sie versprte nur wenig von SeinerKraft. Aber sie frchtete sich vor einem falschen Weg: vor der Verwechs-lung von Gefhlsaufwallungen mit der Wirklichkeit. Und doch war dasWort Gottes voll von der Person und Macht des Heiligen Geistes. DieApostelgeschichte war ja geradezu die Geschichte des Heiligen Geistes.Ja, den Heiligen Geist brauchte sie! Er mute ihr das Unsichtbare wirk-lich, das Unmgliche mglich machen. Galater 3, 13. 14 wurden ihr klar:Christus hat uns erlst von dem Fluch des Gesetzes, als Er ein Fluch fruns wurde ... damit ... wir den verheienen Geist durch den Glaubenempfingen."
Sie fhlte und gewahrte nichts, aber sie nahm Gott beim Wort undbat Ihn, Seine Verheiung zu erfllen: Wenn der Trster kommt, wirder der Welt die Augen ffnen ber die Snde, ber die Gerechtigkeit undber das Gericht." Es bedrckte sie sehr, da sie in der letzten Zeit nurwenige zu Christus gefhrt hatte. Nun bat sie Gott im Glauben um echteBekehrungen an jedem Tag als Besttigung ihrer neuen Hinwendung zuIhm. Das Gebet wurde erhrt: Zwanzig Menschen, Matrosen, Gste undBrger von Schanghai, junge und alte, bekehrten sich. Die groe Freudeund Befreiung ihres Herzens steckte andere einfach an. Wochenlang hieltdieser Segen an. Frau Taylor schrieb im April 1892:
Gott wirkt unter uns. Er macht die Menschen leer und demtig und
erfllt sie dann mit dem Heiligen Geist. Wir haben viele Versammlungenvoller Freudigkeit und Kraft."
Bei der folgenden Ausschusitzung kam es zu der Entschlieung:Anstatt zur Konferenz zusammenzutreten, hat der China-Ausschusich mit den Mitgliedern der Mission vereinigt, um gemeinsam fr sich,fr die ganze Mission in China und fr die Ausschsse in der Heimat dieErfllung durch den Heiligen Geist zu erbitten."
Das Gebet wurde erhrt. Der Segen breitete sich aus. Von entlegenenStationen, von Missionaren, aus den Missionshusern und von den Kan-didaten in der Heimat kamen Nachrichten, da alle derselben leben-spendenden Macht begegnet waren. Am 22. Mrz 1892 hatte HudspnTaylor in einem Rundschreiben an alle Mitglieder der Mission unteranderem gesagt:
... Unsere Mission hat viel Grund, sich vor Gott zu beugen. Wir haben wohlSegen erlebt und Seelen retten drfen, aber wo sind ,die einzelnen, die tausend jagen,und die zwei, die zehntausend in die Flucht schlagen'? Sicher sind manche von uns mitden Ergebnissen ihrer Arbeit nicht zufrieden. Sie denken vielleicht, mit einer besserenOrganisation wrde es besser stehen. Ich bin aber gewi: Nicht eine bessere Organi-sation fehlt uns, sondern Geistesmacht. Wre es nicht richtiger, uns zu demtigen undum die Erfllung durch den Heiligen Geist zu bitten?... Wenn wir alle Hindernisse,die der Herr uns zeigt, so hinwegrumen und uns Ihm neu bergeben, knnen wir imGlauben gewi sein, da der Heilige Geist uns wirklich erfllen und in dem gereinig-ten Tempel wohnen und herrschen wird."
Da die Lsung dieser Fragen noch vor Ende des Jahres geschenktworden war, erfllte alle, die mit daran getragen hatten, mit tiefer Dank-barkeit. Es war schlielich notwendig geworden, da Hudson Taylornach England fuhr. Als alle Besprechungen keine Einmtigkeit in denstrittigen Fragen schaffen konnten, widmete man verschiedentlich dieganze Sitzungszeit dem gemeinsamen Gebet. Dadurch trat eine groeWandlung ein. Nachdem Hudson Taylor bestimmte Zugestndnisse ge-macht hatte, wurde der Verwaltung in China endgltig volle Freiheiteingerumt. Anfang 1893 konnten alle die Gewiheit haben, da dieselange Prfungszeit ihr Ende erreicht hatte.
Die Organisation der Heimatarbeit stammte aus der Zeit, in derBroomhall die Leitung bernommen hatte. Sie war auf hundert und nichtauf fnfhundert Mitarbeiter zugeschnitten. Die Heimatarbeiter hattensich trotz des Wachstums tapfer eingesetzt, aber jetzt mute energischeingegriffen werden. Alle waren dankbar, als Walter B. Sloan bereit war,die direkte Missionsarbeit aufzugeben und sich in der Heimatverantwor-tung mit Broomhall zu teilen. Auch Markus Wood kehrte nicht wiedernach China zurck und bernahm den Reisedienst, um junge Menschenfr die uere Mission zu werben. Fr den Ausschu und die Mitarbeiterin England war es eine groe Hilfe, da Hudson Taylor noch eine Zeit-lang bleiben konnte, weil Stevenson wieder in China arbeitete.
Auch die Geldnte wurden immer wieder behoben, wenn auch manch-
mal erst im letzten Augenblick. In China bekam zum Beispiel eine Gruppedas Geld fr die Reise erst, als sie schon mit Packen fertig war und dieAbschiedsstunde nahte. Auch wenn das Geld fr die allgemeinen Zweckeaufgebraucht war, wurden dennoch keine Mittel, die zweckgebundenwaren, dafr genommen. Hudson Taylor schrieb einmal:
Aber dabei konnten wir immer ganz ruhig sein, denn wir wuten,da Gottes Verheiungen nie trgen. Auf die Frage: ,Habt ihr auch jeMangel gehabt?' knnen wir mit den Jngern antworten: ,Nie, Herr!"*
In Zeiten der Knappheit strkten sich die Mitarbeiter gegenseitig inhelfender Liebe und im Gebet. An einem Dezembertag 1891, als zwei-tausend Pfund fr allgemeine Zwecke der Mission dringend gebrauchtwurden, war gerade die telegraphische Anweisung der monatlichen Spen-den aus England fllig. Hudson Taylor und seine Frau arbeitetenim Studierzimmer in Anwesenheit einer jngeren Missionarin, als dasTelegramm ankam. Nach kurzem, stillem Gebet ffnete Hudson Taylorden Umschlag und las laut, ohne an die atemlos lauschende Mitarbeiterinzu denken:
Hundertundsiebzig Pfund!"
Nicht tausendsiebenhundert?" fragte Frau Taylor.
Nein, hundertundsiebzig!"
Die Zuhrerin erschrak. Zweitausend Pfund waren fr fnfhundertMitarbeiter ntig, und nun diese winzige Summe! Dabei konnte erst ineinem Monat eine neue Uberweisung erwartet werden. Empfand HudsonTaylor, was in dieser Frau vorging? Er drehte sich in seinem Sessel um,streckte ihr die Hand hin und sagte in vterlichem Ton:
Nun werden Sie etwas erleben! Sie werden sehen, was Gott tut!"Die Lcke wurde diesmal nicht durch eine besonders groe Gabe ge-schlossen, sondern durch grere Gaben aus Australien und anderenZentren. Sogar aus China selbst kam unerwartet Hilfe, so da bis zumMonatsende alle Stationen versorgt werden konnten. Gottes Eingreifen,Seine Liebe und Frsorge waren ungewhnlich deutlich zu erkennen. Erbleibt treu!
KANNST DU DEN KELCH TRINKEN?18931894
Hudson Taylor war fest davon berzeugt, da der Aufruf der Kon-ferenz von Schanghai um tausend neue Mitarbeiter Gottes Wille sei, wennauch die finanzielle Situation gar nicht dazu pate. Auf seinen Reisen,bei seinen Vortrgen, bei den Plnen fr die lngst flligen Neubautenin Pyrland Road, beim Besuch der Mitarbeiter in Schottland und auf demKontinent, immer warb er um die neuen Mitarbeiter, die kommen mu-ten, wenn wirklich alle in China das Evangelium hren sollten.
Die Einnahmen in England gingen weiter zurck, so da mancherandere nicht gewagt htte, gerade in dieser Zeit weiter vorzudringen.Die Mission aber war innerlich von neuem Leben durchglht; ihre Mit-glieder konnten nicht anders als freudig den Willen Gottes tun, und mitdem neuen Ausschu in Pyrland Road waren neue Entwicklungsmglich-keiten gegeben.
Zwei Besuche in Deutschland hatten Hudson Taylor berzeugt, dadort noch viele Mitarbeiter zu denen hinzugewonnen werden konnten,die schon ber Barmen mit der Mission in Verbindung standen. In Bar-men traf er Paas und Polnick in einer aufblhenden Arbeit, und inFrankfurt am Main beeindruckte ihn eine Studentenkonferenz tief. InHeidelberg lernte er den jungen Pfarrer Coerper kennen und schtzen,dessen Liebe zu China und zu ihm persnlich noch reiche Frchte tragensollte.
An Stevenson schrieb er von seinem Plan, in England, Schottland undIrland einen Feldzug unternehmen zu wollen, um junge Mnner fr denMissionsdienst zu gewinnen. Gleichzeitig erschien die Geschichte derChina-Inland-Mission" und fand viele Leser.
Auch die Geldverhltnisse wurden wieder gnstiger. In gut einemMonat gingen zehntausend Pfund fr neue Unternehmungen" ein.
Nach einem kurzen Besuch in Amerika hoffte Taylor auf eine Zeitruhiger Arbeit in der Heimat, wie er sie seit der Zeit der Hundert"nicht mehr gehabt hatte. Aber er empfing eine zarte Mahnung, wegendes Wohles einiger besonders treuer Mitglieder der Mission nach Chinazurckzukehren. So beschlo er, von Amerika aus nach Schanghai zureisen, um diese Angelegenheiten zu regeln. Er glaubte nur an eine kurzeAbwesenheit von England und lie sich deshalb auf die Rednerliste derKeswickkonferenz setzen.
Die Studentenkonferenz in Detroit war bemerkenswert. An JohnMott, Robert Speer und anderen Fhrern zeigten sich damals schonGaben, die sich dann in der Reichsgottesarbeit berall in der Welt aus-wirkten. John Mott hatte in seiner dringenden Einladung geschrieben:
Unser einziges und wichtigstes Ziel ist, da die Zusammenkunft klarunter dem Einflu des Geistes steht. Gott ist in anderen Versammlungenund Ihrer sonstigen Arbeit mit Ihnen gewesen. Er wird auch hier mitIhnen sein ... Haben wir nicht ein Recht darauf, von Gott groe Dingezu erwarten, wenn wir Seinen Willen tun?"
Und er tat viele, groe Dinge! Hudson Taylor sprach in der vonStudenten vollbesetzten Halle ber das gleiche Thema wie zwei Jahrevorher in Schanghai. Und hier wie dort entdeckte mancher, da Gott reichund stark genug ist fr jede Not und Schwche. Mancher treue Missions-arbeiter wurde in diesen Tagen berufen.
Die Angelegenheiten in Schanghai hatte Hudson Taylor bald geordnet,und er wollte wieder nach England reisen. Da erhielt er einen unerwar-
teten Hilferuf aus dem Norden Chinas. Eine kleine Gruppe von skan-dinavischen Missionaren, die nicht zur China-Inland-Mission gehrte,hatte dort in hingebender Weise eine Arbeit begonnen. Ihr Auftretenstand aber in einem solchen Gegensatz zu dem, was die Chinesen als An-stand und Sitte ansehen, da eine Emprung auszubrechen drohte. DieSkandinavier hatten keine Ahnung von der Gefahr, aber durchreisendeEuroper brachten diese Nachricht nach Peking, und das schwedischeAuenministerium stand im Begriff einzugreifen. Es bestand die Gefahr,da mit ihnen auch die skandinavischen Mitarbeiter der China-Inland-Mission ausgewiesen werden sollten. Eingeweihte sahen es als eineFgung Gottes an, da Hudson Taylor, der groen Einflu und das Ver-trauen der Behrden besa, gerade zu diesem Zeitpunkt in China war.
Wenn er rechtzeitig genug im Norden ankommen wollte, mute erdie Reise sofort antreten. Es war schon Ende April, wenige Wochen vorder heien Jahreszeit, so da die Reise von drei bis vier Monaten prak-tisch in den Sommer fiel. Als Dr. Howard Taylor und seine Frau davonhrten, machten sie sich groe Sorgen und erbaten sich von Stevenson dieErlaubnis, den Eltern nachzureisen. In Hankow holten sie sie ein. DieEltern wollten sich gerade im Schubkarren nach Honan hineinfahrenlassen. Eisenbahnen gab es ja im Inland noch nicht. Die Sonnenglut unddie tropischen Sommerregen machten die Reise zu einem gefhrlichenWagnis. Hinzu kam die Schwierigkeit der Nahrungsmittelbeschaffung,weil die Drfer whrend der Ernte leer standen.
Es kann dich das Leben kosten, Vater!"
Ja", war die Antwort, aber wir wollen nicht vergessen, da wir,auch das Leben fr die Brder lassen* sollen."
Darauf konnten die jungen Leute nichts erwidern, schlssen sich nunaber den Eltern mit ihrem erfahrenen Fhrer Coulthard, dem Schwieger-sohn Hudson Taylors, an.
Im Mai verlieen die fnf Hankow und kamen im September imnrdlichen Hafen Tientsin an. Sie hatten fnf Provinzen passiert undalle Missionsstationen unterwegs besucht. berall wurden sie warm undherzlich aufgenommen. Auer sonntags waren sie tglich vierzehn Stun-den gereist und hatten viele zugngliche, freundliche Menschen getroffen,unter denen es noch keinen Zeugen Jesu gab. Es fiel ihnen immer sehrschwer, eine Gruppe eifriger Zuhrer zu verlassen, die sie baten, zubleiben oder doch bald wiederzukommen. Welches Interesse erreichten sieallein dadurch, da sie als Familie reisten!
Es wre noch viel von dieser Reise zu berichten: von der Errettungaus Gefahren, von Hudson Taylors Genesung von schwerer Krankheit,von Frau Taylors vorbildlicher Tapferkeit, von dem Segen, den sie allenStationen brachten, von dem Besuch bei dem englischen Botschafter inPeking und davon, da schlielich Ziel und Zweck der Reise erreicht,also alle Gebete erhrt wurden. Noch mehr als dieser Erfolg bewegte
Hudson Taylor der Fortschritt in der Arbeit, den er auf der langen Reisedurch die volkreiche Ebene von Sian und an anderen Orten feststellenkonnte. Acht Jahre vorher hatte er das Gebiet von Pastor Hsi zusammenmit Beauchamp auf der Reise nach Handlung durchzogen und dabeikeine Station vorgefunden. Es gab keine Evangeliumsverkndigung. DieHauptstadt war so fremdenfeindlich wie kaum eine andere gewesen.Dann war eine Station nach der anderen erffnet worden.
So sah die Lage heute ganz anders aus als damals, als Thomas Bothamvon Handlung zum Bezirkssuperintendenten Easton herberkam undvon solchen Schwierigkeiten berichtete. Ihm war der Mut entsunken, aberer konnte ja die Aufgabe, die Gott ihm zugewiesen hatte, auch nicht imStich lassen. Er sagte zu Easton:
Ich bin bereit, auch im Dunkeln mit Gott zu gehen."
Im Dunkeln mit Gott?" entgegnete dieser. Lieber Bruder, bei Ihmist keine Finsternis."
Das war ein gutes Wort fr den Anfang der Arbeit. Sie muten spteroft daran zurckdenken. Nun versuchten Botham, Redern und Bland,irgendwo eine Station zu grnden, aber die Bewohner der Ebene lieenes nicht zu. Keiner wollte ihnen ein Haus vermieten, und sie stieen aufstrksten Widerstand. Schlielich erkannten sie, da ihr Auftrag hie:Predigt das Evangelium!" So beschlossen sie, umherzuziehen und Gottfr ein Haus sorgen zu lassen. Ihr Arbeitsfeld umfate zweiundzwanzigRegierungsstdte, sechzig Marktstdte und unzhlige Drfer auf etwa30000 Quadratkilometern. berall war der Widerstand der gleiche. Siekonnten nur von Ort zu Ort wandern, in den Straen predigen, durchDemut und Liebe Zeugnis fr ihren Herrn ablegen und in jeder Herbergeso lange bleiben, bis man sie nicht mehr duldete. Eine aufreibende Ttig-keit! Aber sie waren bereit, diesen Preis zu zahlen. Dann heiratete Bothameine Missionarin, die schon zwei Jahre in China arbeitete, und konntebald schreiben:
Ich bin nie glcklicher, als wenn ich mit meinen Habseligkeiten aufdem einen Esel und meiner Frau auf dem anderen ausziehe, um dasEvangelium in einen neuen Ort der Sianebene zu tragen."
Sie wanderten nicht ohne Ziel, sondern erfllten buchstblich das Wortdes Herrn: Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, so flieht in eineandere!" Aber sie flohen im Kreise", so da sie von Zeit zu Zeit andenselben Ort zurckkamen und die Leute sich an ihren Anblick gewhn-ten. Ihr Zuhause war noch Monate nach der Hochzeit immer nur irgend-eine Herberge, weil sie dauernd unterwegs waren. Dabei konnte ihrLeben mit Jesus nicht verborgen bleiben, weil sie es ffentlich vor allenfhren muten. Nach zwei bis drei Jahren erfllte sich endlich die Ver-heiung: Ich will sie alle zu mir ziehen." Der Bann war gebrochen. Siefanden berall Aufmerksamkeit, Entgegenkommen und Scharen von Zu-hrern, ja, die Leute brachten Sthle und Tee auf die Strae.
Zu diesem Zeitpunkt kamen die fnfzig Skandinavier in dieses Gebietund konnten eine Station nach der andern erffnen; sogar in der Haupt-stadt faten sie Fu. Als sich einmal eine aufgeregte Menge in das Quartiervon Holmann drngte, fragte er sie freundlich, ob er ihnen etwas vor-singen drfte. Ganz berrascht lauschten sie seinem Lied, das er auf derGitarre begleitete. Er war so ruhig und liebenswrdig, da sie anfingen,sich zu schmen, und still nach Hause gingen.
Mde und zerschlagen nherten sich Hudson Taylor und seine Be-gleiter nach einer siebzehntgigen Reise durch die glhende Hitze Han-dlung. An einer Wegkreuzung empfingen sie zwei Mnner in chinesischerKleidung, die Missionare Easton und Hendrikson, und geleiteten sie alsihre Gste in die Stadt. Wie genossen sie dieses behagliche christlicheHeim mitten im Herzen Chinas! Besonders das khle, klare Wasser desBrunnens vor dem Haus tat ihnen wohl. Es folgten viele Versammlungen,und sie erlebten viel Segen und Gebetserhrungen. So wurde z. B. die aufden Tod am Fieber erkrankte Frau Botham wieder aufgerichtet.
Der Hauptzweck des Besuches war aber die Regelung der Zusammen-arbeit zwischen den Arbeitern der skandinavischen Allianz und derChina-Inland-Mission. Die Hauptstadt und das nordwestlich davon ge-legene Gebiet bis in die Provinz Kansu hinein wurde den Skandinaviernzugeteilt. Einer von ihnen und Botham bernahmen zusammen die Lei-tung. Hudson Taylor freute sich sehr ber die jungen Mnner, die nachkaum drei Jahren Chinaaufenthalt schon so in die Arbeit hineingewach-sen waren. Trotz der Einschrnkung der Gebiete wurde das Band mitihnen und der skandinavischen Allianz noch fester geknpft.
Auf dem Rckweg besuchte Hudson Taylor die benachbarte ProvinzShansi, in der Folke und seine Mitarbeiter von der Schwedischen Missionin China" wirkten. Dort war vorher noch kein Zeuge fr Christus ge-wesen. In der wichtigen Stadt Yncheng konnte Hudson Taylor den Kreisvon Missionaren zu seiner Freude begren, deren Heimatgemeinden ihnfrher in Schweden so herzlich aufgenommen hatten. Wegen der furcht-baren Hitze von 49 C wurde die Reise in den Karren bei Mondlichtfortgesetzt, um Hudson Taylors Leben nicht wieder so zu gefhrden wieauf der Herreise. Nachts waren allerdings andere Gefahren grer, dennnicht nur Wlfe, sondern auch Ruber lauerten im Gebirge und in denhohen Kornfeldern.
Eines Nachts wurden sie pltzlich im Schatten eines Tempels von zweiMnnern mit der erschreckenden Frage angehalten: Fhrt ihr fremde*Reisende mit euch?" Zu ihrer Erleichterung hie es dann aber weiter:Ist dies Herrn Taylors Reisegesellschaft?"
Es waren Pastor Hsi und Missionar Hoste, die meilenweit zur Be-grung der Gste hergereist waren. Nach der Pingyangfu-Konferenznahm Hudson Taylor noch zwei Tage die Gastfreundschaft von PastorHsi in Anspruch. Wie sehr hatte sich hier seit seinem ersten Besuch alles
verndert! Sie fuhren an Wohn- und Wirtschaftsgebuden vorbei durchmehrere Hfe bis zu einem freien Platz, der wie eine Tenne aussah. Dortstand ein groer, wei gedeckter Tisch fr eine europische Mahlzeit.Eine braune Zeltleinwand, die von einem Dutzend Masten getragenwurde, bildete ein Schutzdach. Dahinter stand noch ein Gebude mitschn geschmckten, khlen und sauberen Zimmern extra fr Taylors.Mit welcher Liebe waren alle Einzelheiten der Einrichtung zusammen-gestellt! In der Mitte lag das Speisezimmer, auf der einen Seite ein gro-es Schlafzimmer und auf der anderen mehrere kleinere Zimmer. Allewaren behaglich eingerichtet. Auf den Tischen standen Leuchter; denBoden bedeckten frische Strohmatten; die Betten schne weie Bastmattenmit weien Filzdecken; vor Tren und Fenstern hingen neue Bambus-matten. Messingschalen, die blank wie Spiegel waren, standen auf kleinenStndern, auf denen auerdem noch frische weie Handtcher und neueenglische Seife lagen. Die Reisenden waren berwltigt von aller Mhe,die darin steckte. Und da stand der alte Pastor Hsi mit seiner Frau undder ganzen Hausgemeinde und beobachtete, ob alles Gefallen findenwrde. Jeden Dank und Einwand lehnte er ab:
Es ist nichts! Es ist ganz unwrdig! Wir htten gern mehr fr unserenverehrungswrdigen Hauptpastor und seine Familie getan."
Pastor Hsi selbst brachte das heie Wasser zum Waschen und flltedie Teetassen. Er lie die Mahlzeit auftragen, lauter Leckereien, und be-stand darauf, selbst zu bedienen. Hudson Taylor versuchte immer wiederzu danken, aber er entgegnete mit Trnen in den Augen:
Herr Taylor, was haben Sie alles erduldet und ertragen, damit wirdas Evangelium bekmen! Dies ist mir eine Freude und ein Vorrecht.Wie kann ich weniger tun?"
Whrend dieses Aufenthalts brach am 25. Juli der chinesisch-japanischeKrieg aus. Nachdem Taylor nach Schanghai zurckgekehrt war, erkannteer, da er den Ort der Gefahr nicht verlassen konnte. Die Lage derChinesen war ungnstig, und man konnte nicht wissen, ob oder wannsich ihre hilflose Wut gegen den Feind auch auf andere Fremde" richtenwrde. So gab er den Gedanken, China zu verlassen, auf, und der Besuchin China, der ursprnglich nur wenige Wochen dauern sollte, wurde zumzweiten Mal auf unbestimmte Zeit verlngert. Der unsichtbare Lenkerhatte also andere Ziele, als den Werbefeldzug in England fortzusetzen.
Mit dem Abschlu des chinesisch-japanischen Krieges im April 1895ging auch der Zeitraum zu Ende, in dem die Tausend" kommen sollten.Hudson Taylor konnte voller Dank berichten, da nicht tausend, sondernsogar 1153 neue Arbeiter in der festgesetzten Zeit nach China gezogenwaren. Welch eine Gebetserhrung!
Aber dennoch blieb das ursprngliche Ziel bei weitem unerreicht:das Evangelium allen Vlkern" in China zu bringen. Unter dengenannten Arbeitern waren nur 480 Mnner; also auf jede der 45 aus-
sendenden Gesellschaften kamen etwa zehn. Die meisten von ihnen arbei-teten in Kstennhe und kamen fr die groe Masse im Innern kaum inBetracht. So mute Hudson Taylor fr diese Millionen Unerreichter aufsneue eintreten:
Wir stehen an einem wichtigen Wendepunkt in der GeschichteChinas ... Nach Abschlu des Krieges ergeben sich neue Mglichkeiten.Wenn die Gemeinde Jesu die offenen Tren nicht benutzt, werden anderees tun und ihr dann den Eintritt unmglich machen ... Die Zeit geht vor-an! Heute brauchen wir noch mehr Missionare als vor fnf Jahren."
Die fnf Arbeitsjahre, die noch vor Hudson Taylor lagen, brachtenungeahnte Schwierigkeiten fr die Ausfhrung der Plne, die ihm so sehram Herzen lagen und fr die er sich verantwortlich fhlte. Fr Chinabegann die verworrene bergangsperiode von der jahrhundertealtenPolitik der Abgeschlossenheit zu der schlielich doch unvermeidlichenVerbindung mit den anderen Vlkern. Ein solcher Wechsel konnte nichtohne Erschtterung vor sich gehen. Die Schwchung des Ansehens derkaiserlichen Regierung in Peking entfesselte in vielen Teilen des Landesordnungsfeindliche Mchte. So erhielt Hudson Taylor Nachrichten vonUnruhen, Verfolgungen und Aufstnden von der Kste bis an die GrenzeTibets. Am 1. Juni erhielt er die erschreckende telegraphische Botschaft:Aufstand in Chengtu, alle Stationen zerstrt. Freunde im Gerichtshaus."hnliche Nachrichten folgten, und nach zehn Tagen wute er, da alleZentralstationen in der Provinz auer Chingkiang am Yangtse, von woaus viele der Flchtlinge Hilfe erhielten, zerstrt waren. Gleichzeitigbrach eine schwere Verfolgung der Christen im Wenchowdistrikt aus,einem der ltesten und fruchtbarsten Missionsgebiete. Dauernd kamenNachrichten von belagerten oder geplnderten Missionsheimen, von flch-tenden Familien, die bei der Hauptstation Schutz suchten. Eine Arbeit,deren Aufbau Jahre gebraucht hatte, schien vllig vernichtet zu werden.
Die Regierung verlor das Vertrauen vollkommen, als die Niederlagegegen Japan allmhlich durchsickerte. Geheimbnde traten berall inErscheinung, und im Nordwesten, in der Provinz Szechuan, erhoben sichdie Mohammedaner. Eine weitere Gefahr waren die entlassenen, abernoch bewaffneten Soldaten. Erst nach Wochen bekam Hudson TaylorBriefe mit der Nachricht, da durch den Schutz der Regierungsbeamtenin Szechuan keiner seiner Leute ums Leben gekommen war. Sie hattenbeim Distriktmandarin Zuflucht gefunden und durften bald in die ge-plnderten Wohnungen zurck. An einigen Orten hatten die Bekehrteninzwischen treue Arbeit getan und neue Schler" gewonnen, die regel-mig zum Unterricht kamen. So war es z. B. auf Cassels Station inChengtu, wo sich die Christen sogar bis an das Gefngnis gewagt hatten,um ihre Missionare zu strken. Sie riefen ihnen zu: Wir sind alle hier,keiner ist abgefallen!"
Auf einer einsamen Station hatte man die Missionarinnen nicht
vertrieben. Nacht fr Nacht wurde ohne ihr Wissen das Haus von chine-sischen Christen bewacht. Eine vornehme Frau kam sogar auf ihren ver-krppelten Fen ber dreiig Kilometer weit, um sich nach ihremWohlergehen zu erkundigen. Dort hrte sie zum ersten Mal vom Erlser,dem sie dann ihr Leben bergab. Das grte Opfer war der Tod desMissionars Robert Stewart, der mit seiner Frau, seinem Kind und achtanderen Missionaren der Kirchlichen Missionsgesellschaft ermordetworden war. Noch nie war Gottes schtzende Hand so weit zurckge-zogen worden. Einzelne protestantische Missionare hatten wohl ihr Lebengeben mssen, aber es lagen immer lange, ruhige Zeitrume dazwischen.Noch nie war eine Missionarin ermordet worden. Diesmal gehrten zuden Opfern Mutter und Kind und junge, unverheiratete Missionarinnen.Die Tter waren wohl Geheimbndler, die die Regierung in Verwicklun-gen mit den europischen Mchten strzen wollten. Hier wurde vielenklar, da eine neue Zeit anbrach und ein vielleicht noch viel hherer Preisfr den Sieg des Evangeliums in China zu bezahlen war.
Zur selben Zeit erlebten in Sining an der Grenze von Tibet MissionarRidley mit Frau und Tchterchen und Herr Hall, wie zehntausend Mo-hammedaner in einer Nacht, allen Versprechungen und Bekanntmachun-gen zum Trotz, ber ihre chinesischen Nachbarn herfielen und in einemfurchtbaren Blutbad gemeinsame Sache mit den Aufstndischen machten.Die Stadt war voller Flchtlinge, und die Missionare arbeiteten Tag undNacht unter den Verwundeten. Ein Bettler, dem sie geholfen hatten,fhrte sie in einen Tempel, in den sich Hunderte von Frauen und Kindernaus den brennenden Drfern und dem Gemetzel gerettet hatten. Vielehatten Brand- und Schwertwunden oder lagen im Sterben, eine Anhu-fung menschlichen Leidens. Keiner half, keiner wagte, Brot und Wasserzu bringen. Da wuten die Missionare, warum sie hatten in der Stadtbleiben mssen, als sie noch htten flchten knnen. Diese Arbeit konnteHerzen ffnen wie jahrelanges Predigen nicht. Die Missionare lieen sichdurch nichts abschrecken und pflegten die Verwundeten beider Parteien,zuerst in den sieben Monaten des mohammedanischen Wahnsinns, als dieChinesen zu Tausenden fielen, dann in den noch furchtbareren Monatender chinesischen Rache.
Zum Operieren hatten sie nur ein Federmesser und Rasiermesser, sonstnur einige am Ort kufliche Hilfsmittel, wie l, Watte, Nhnadel undSeidengarn. Dabei hatten weder Ridley noch Hall Medizin studiert, nurFrau Ridley hatte Erfahrung in der Krankenpflege. Trotzdem verblutetekeiner der Operierten. Auerdem muten tausend Diphtherieflle behan-delt und unzhlige Wunden verbunden werden.
Ohne ihren treuen Esel htte Frau Ridley es nicht schaffen knnen.Auf ihm ritt sie dauernd zwischen dem Tempel und ihrer Wohnung mitdem Kindchen hin und her. Die Leute machten ihr bereitwillig Platz,denn sie wuten, was sie fr sie tat. Eins aber verstanden sie nicht: das
Geheimnis ihres Friedens. Sie selbst verstand es ja kaum in diesen furcht-baren Tagen. Nur einmal verlor sie den Mut, als der Sturmangriff auf dieStadt begann und geradezu die Hlle los war. Was es hie, in die Hndeder Mohammedaner zu fallen, konnte sie sich am Beispiel der verstm-melten Kinder nur zu gut vorstellen. Dora, ihre kleine Dora! Sollte siedem gleichen Schicksal ausgeliefert sein? Auf sie selbst kam es ja nicht an,aber ihr kleiner, stets zufriedener Liebling! Wie knnte sie das mit an-sehen, wenn ... ! Als sie aber neben dem Bettchen niederkniete und zuGott schrie, war Seine Gegenwart so sprbar, da alle Schrecken wichenund sie Gewiheit bekam, da sie alle durchkommen wrden. Diese lh-mende Todesangst kam nie wieder ber sie.
Hudson Taylor wute von all diesem Elend nichts Genaues; er htteihnen ja auch nicht helfen knnen. Seine Anteilnahme war jedoch so leb-haft, da er manchmal nachts zwei- bis dreimal aufstand und fr siebeten mute. Das Gebet fand wunderbare Erhrung, denn Gott erweckteSeinen Kindern in Sining Freunde. Er sorgte fr sie, als das Geld wertloswurde, weil es nichts gab. Er gab ihnen die Gewiheit, da Er frh genugfr neues Mehl" sorgen wrde. Er machte sie stark im Glauben und gabihnen so viel Arbeit, da sie keine Zeit hatten, ber sich selbst nachzu-denken. Es galt ihnen die Verheiung: Hoffe auf den Herrn und tueGutes, so wirst du bleiben im Lande und ernhrt werden" (Ps. 37, 3;engl. Ubersetzung).
Unter diesen Umstnden war der Besuch eines Stadtobersten nichtgerade angenehm. Ridley, der allein zu Hause war, mute Feuer machenund Tee bereiten, wobei er die rmlichkeit seiner Bewirtung entschul-digte, so gut es ging. Der Besucher war auer sich ber die Not in diesemHause. Nicht einmal einen Diener hatten diese Leute, die nur fr anderelebten. Dabei waren Ridleys froh, keinen Diener ernhren zu mssen.
Wie gro war ihr Erstaunen, als am anderen Morgen zwei Soldatenzwei Sack Getreide in ihren Hof trugen! Das sollte eine Anerkennung desPrfekten fr ihre tapfere Arbeit sein. Lange bevor dieser Vorrat er-schpft sein konnte, erschien eine Prozession von sechs Soldaten mit sechsSack Weizen. So wurden diese Kinder Gottes, ohne jemanden um Hilfezu bitten, in ihrer Einsamkeit und Hilflosigkeit nicht nur selbst versorgt,sondern konnten noch viele Hungernde miternhren, bis die Belagerungvorber war.
Inzwischen tat Hudson Taylor, was er tun konnte, um sie zu versor-gen. Weil er sich Tag und Nacht zur Frbitte fr sie gedrungen fhlte,glaubte er, da sie noch am Leben waren. Erst Anfang 1895 kam die Bot-schaft von der Befreiung, dann begann leider der chinesische Rachezug,der die Schreckenszeit auf zwei Jahre ausdehnte. 80 000 Menschen wur-den niedergemetzelt, ungezhlte Soldaten fielen oder erfroren. Die Mis-sionare hatten Chinesen und Mohammedanern gleicherweise Liebe erwie-sen und dadurch Zuneigung und Vertrauen gefunden. Das war ein guter
Boden fr das Evangelium. Das ganze Land stand ihnen offen. Wohinsie auch kamen, berall fanden sie bekannte und unbekannte Freunde.Ach, htten sie nur mehr Hilfskrfte! Hudson Taylor schrieb deshalb am30. Oktober 1895 an Easton:
Wir beten buchstblich Tag und Nacht fr unsere lieben Freunde inSining und auf den brigen Stationen in Kansu ... Ich flehe fast stndlichzu Gott, Er mge uns in diesem Winter im Nordwesten mehr Seelenschenken als je zuvor."
Whrend sie sich in Schanghai noch Sorgen um Sining machten, er-hielten sie eine weitere furchtbare Nachricht. Auf einer benachbartenStation war die Cholera ausgebrochen und hatte innerhalb von zehnTagen neun chinesische Christen und Missionare dahingerafft. Unter ihnenwaren Herr Menzies und sein Shnchen. Das Ehepaar Menzies hatte dieHochzeit zuerst zwei Jahre hinausgeschoben, um die Sprache zu erlernenund sich praktisch einzuarbeiten. Nun waren sie erst ein Jahr verhei-ratet und auch noch nicht lange in Wenchow, da forderte der Herr vonder jungen Frau dieses groe Opfer. Aus ihrem tiefen Leid heraus wolltesie nun Hudson Taylor trsten und schrieb ihm:
Wahrscheinlich haben Sie schon von der Ehre gehrt, die mein Gottund Vater mir erwiesen hat. Ja, Er traut mir zu, da ich ohne meinengeliebten Mann und meinen kleinen Liebling leben kann. Sie sind nichtmehr, denn Gott hat sie zu sich genommen."
Es folgen Einzelheiten: wie der Vater von einer Reise kam und nurnoch am Begrbnis seines Kindes teilnehmen konnte, von dem erbittertenKampf im Missionshaus, wie drei Schlerinnen starben, dann ein Mann,dann eine Frau. Wie die Missionare sie bis zuletzt pflegten, ohne an sichselbst zu denken, wie dann ihr Mann starb und kurz darauf Herr undFrau Woodman. Sie fhrt dann fort:
Es wre mir leicht gefallen, mit meinen Geliebten heimzugehen. Aberunser Vater wollte es anders... ich bin nicht allein, weil Er sagte: ,Frchtedich nicht, ich bin mit dir!' Lieber Herr Taylor, Gott hat Seine Arbeiterabberufen, doch Sein Werk geht weiter. Ich wei nicht, was Er mit mirvorhat. Er wird die Zukunft lenken, wie Er die Vergangenheit gelenkthat ... Ich sehne mich mehr denn je danach, Seinen Willen zu tun. Erhat mir mein alles genommen, nun kann ich Ihm nur noch geben, was vonmeinem Leben briggeblieben ist. Er hat mich leer gemacht nun magEr mich mit Seiner Liebe, Gte und Kraft fllen!"
hnlich war es berall: Das Leid wirkte Segen, Glaubensproben brach-ten tieferes Vertrauen, Liebe und Einigkeit in der Mission wurden ge-strkt und ein Gebetsgeist geweckt, der grere Gottestaten ermglichte.
In dem alten Heim in Hangchow waren sich Pastor Wang L-djnund seine Familie eins geworden, ein besonderes Opfer zu bringen. Wanghatte auf sein festes Gehalt verzichtet, um auf der gleichen Basis zu arbei-ten wie die Missionare. Sein Schwiegersohn Ren dachte genauso; dabei
htte er in seinem frheren Beruf als Geschftsmann Reichtmer ver-dienen knnen. Nun hatte Wang fr sein einziges Kind tausend Dollargespart, eine betrchtliche Summe unter solchen Verhltnissen. Aber Herrund Frau Ren wollten trotz ihrer groen Kinderschar nichts haben. Siewaren alle der Meinung, das Geld gehre dem Herrn. So kam der alteWang nach Schanghai zu Hudson Taylor, um das Geld fr die Ausbrei-tung des Evangeliums persnlich zu bergeben.
Wie sehr freute sich dieser treue Mitarbeiter ber die neuen, groenGebude in Schanghai und ber die Berichte von den Fortschritten derArbeit in den Inlandsprovinzen! Gut konnte er sich noch an die erstenAnfnge in dem kleinen Haus am Ningpokanal erinnern. Ihre Herzenwaren immer noch eins in dem Verlangen, den Millionen Chinas den Er-lser zu verkndigen.
Gerade dieses Jahr der Prfungen wurde auch ein Jahr des Dankes,denn durch Gottes Segen war die Ernte durch die Mission grer als inden Jahren vorher.
JA, VATER!"18951902
Es war wirklich nicht verwunderlich, da die Gesundheit HudsonTaylors durch die groen Anstrengungen der neunten Chinareise inseinem Alter ernstlich erschttert wurde. Die Verantwortung lag schwerauf ihm. Schwcheanflle zwangen ihn, hufiger Pausen bei der Arbeiteinzulegen, und er brauchte jetzt lnger als frher, um sich wieder vonihnen zu erholen. Deshalb gab er das Werk Stck fr Stck in andereHnde und freute sich, wenn sich andere als tchtige Fhrer erwiesen.Die innere Organisation entwickelte sich stetig mit den Erfordernissen.William Cooper war zum zweiten stellvertretenden Direktor fr Chinaberufen worden, und seine Weisheit und Gte waren fr alle Mitarbeitereine groe Hilfe. Bezeichnend war auf einer der ersten Tagungen derChina-Konferenz, als Cooper sagte: Es tut mir leid, da ich Ihnen sooft widerspreche. Ich mchte lieber zurcktreten" und Hudson Taylorihm antwortete: Auf keinen Fall! Ich schtze gerade solche Opposition.Sie hat mich schon vor manchem Fehler bewahrt."
Die Finanzverwaltung war nun auch von Wuchang nach Schanghaiverlegt worden. So gehrte auch Broumton mit zum leitenden Kreis. DieArbeitsweise wurde allmhlich immer rationeller.
Unter den Missionaren befanden sich Mnner und Frauen mit denverschiedensten Gaben, aus verschiedenen Berufen und den verschieden-sten Gemeinden. Es war gut, da nicht alle etwa Theologen oder
Gelehrte waren. So fand sich fr jede Aufgabe immer ein geeigneter Mit-arbeiter unter ihnen. Cooper meinte dazu einmal, als die Mission aufsiebenhundert Mitglieder angewachsen war:
Wir sind eine sehr groe Familie, aber alle arbeiten in segensreicherHarmonie zusammen an dem gleichen Werk. Bei einer solchen Verbun-denheit und auf einem solchen Arbeitsfeld knnen wir unsere Meinungs-verschiedenheiten bersehen."
Die Zuverlssigkeit der Mitarbeiter und die Aufteilung der Arbeitmachten es daher Hudson Taylor mglich, zusammen mit seiner Fraueinige Wochen auszuspannen. Sie nutzten diese Gelegenheit zu einerBootsfahrt zu den Stationen in Chekiang, bei der Frost sie begleitete. Denim Bezirk Chuchow arbeitenden Mitarbeitern der Barmer Allianz-Mission bertrugen sie bei der Gelegenheit die volle Verantwortung frihr Gebiet. Diese Reise stellte Taylors Gesundheit aber noch nicht ge-ngend wieder her; deshalb beschlo er, Indien zu besuchen.
Wie dankbar war er, da seine Frau ihn begleiten konnte, weil einegrere Spende zum persnlichen Gebrauch" eingegangen war! Vondiesem Geld gaben sie einiges an andere Mitarbeiter weiter, ohne es lautwerden zu lassen. Sie verzichteten auf die Annehmlichkeiten der zweitenKlasse und whlten die wesentlich billigere dritte Schiffsklasse. So halfensie immer wieder anderen, weil sie der Meinung waren, da ihnen auchpersnliche" Gelder nicht einfach allein gehrten.
In Kalkutta sprach Hudson Taylor auf einer Studentenkonferenz undgewann durch den Kontakt mit dortigen Missionaren neue Anregungen.Die Nte Indiens machten tiefen Eindruck auf ihn. Aber seine Gesundheitwurde nicht so gekrftigt, da er einen weiteren Sommer in China httewagen drfen. Deshalb reiste er nach der Frhjahrssitzung des China-Ausschusses nach England ab, um sich wieder um die Angelegenheiten derHeimat zu kmmern. Cooper wrde ihn in Schanghai gut vertreten.
In England war inzwischen das neue Missionshaus in NewingtonGreen fertiggeworden und die gesamte Verwaltung dorthin verlegt. Dieneuen Gebude waren so gerumig, da die Mitglieder der groen Mis-sionsfamilie immer ein Zuhause finden konnten. Auch fr eine grereAnzahl von Gsten stand es jederzeit bereit. Es war natrlich alles sehreinfach.
Als Taylors ankamen, waren wegen der Mildmay- und der Welt-allianzkonferenz gerade besonders viele auswrtige Gste in London.Wie froh und dankbar wurde der Grnder und vterliche Leiter derMission von allen begrt!
Hier verlebte Hudson Taylor im Sommer 1896 seine letzte lngereArbeitszeit. Seine Kinder waren selbstndig und brauchten das elterlicheHeim nicht mehr. So wohnten Taylors im Missionshaus. Wenn sie sichauch vielleicht mehr Ruhe und Alleinsein gewnscht htten, so waren sieaber dankbar fr den engen Kontakt mit den Mitarbeitern.
Herr und Frau Broomhall waren nach zwanzigjhriger Mitarbeit zu-rckgetreten. Sloan und Wood waren nun allein verantwortlich. Ihreausgezeichnete Leitung machte Hudson Taylor frei fr grere Anliegen,die eine sorgfltige Planung und viel Gebet erforderten. Er fhrte vieleVerhandlungen mit Stevenson, dem Ausschu und auf Besuchsreisen mitVertretern angeschlossener Missionen in Norwegen, Schweden undDeutschland. Er warb um junge Leute und betonte immer wieder, dadie Kandidaten nicht zu schnell nach China gesandt werden sollten. Diegeistliche Vorbereitung wre am wichtigsten. Ihm lag die weitere Aus-dehnung der Arbeit er nannte es Vormarsch" am Herzen. Wohiner auch kam, berall betonte er diesen Gedanken und rief zum vlligenGehorsam gegen den Befehl Christi auf: Predigt das Evangelium allenVlkern!" Er hatte viele Gelegenheiten dazu. Nach seiner Rckkehr vomKontinent fand er besonders viele offene Herzen unter dem Volk desHerrn. Alle hrten ihn immer wieder gern, weil sie deutlich merkten, daihm die Not der anderen so sehr am Herzen lag.
Mde von der Arbeit des Winters nahm er die Einladung von HerrnBerger gern an, in Sdfrankreich einige Wochen auszuspannen, bevor dieVersammlungen auf dem Kontinent begannen. Es tat gut, wieder einmalmit dem treuen Freund zusammen zu sein, dessen Leben zu Ende ging.Er starb am 9. Januar 1899, als Hudson Taylor wieder in China war.Eine seiner letzten Liebesgaben war eine Stiftung fr die Altersversor-gung der Mitarbeiter.
Im Mrz und April besuchte Hudson Taylor mit Sloan Deutschland.Neben der Arbeit in Barmen war in Kiel ein neuer Zweig gegrndetworden, der zunchst mit der China-Inland-Mission zusammenarbeiteteund spter unter dem Namen Liebenzeller Mission" eine segensreicheTtigkeit ausbte.
In Berlin wurden sie vom CVJM zu einer Studentenkonferenz ein-geladen. Graf Pckler nahm sie auerordentlich herzlich auf. Sie bliebenzehn Tage und fanden in mehreren Versammlungen Gelegenheit, Freund-schaftsbande zu knpfen. Und das war gut so, denn vorher, das merktensie bald, stand die China-Inland-Mission nicht in gutem Ansehen. Siehatte sich ja nicht auf eine bestimmte kirchliche Form festgelegt, whrenddie deutschen Missionsgesellschaften meist in Verbindung mit der Landes-kirche standen. Den Berichten ber die Glaubensgrundlagen und dasWachstum der China-Inland-Mission hatte man bis dahin nur wenigGlauben geschenkt. Wichtig war eine Gesellschaft bei Frau Palmer Davies,geb. Baronin v. Dungern, bei der viele bedeutende Pfarrer und Leitervoller Skepsis den berhmten Hudson Taylor" erwarteten. Die Baroninschrieb spter:
Der Fremde in unserer Mitte imponierte nicht durch sein ueres.Sein blondes, lockiges Haar lie ihn jnger erscheinen, als er war. Aberwie wunderbar gelang es diesem Mann, mit seiner himmlischen Sanftmut
all die verborgenen Vorurteile gegen ihn selbst und sein "Werk zu ber-winden!"
Als erstes wurde er gefragt, wie er als Leiter Mitglieder aus den ver-schiedensten kirchlichen Gruppen aufnehmen knnte. Hudson Taylorantwortete unter anderem, die groe Arbeit auf dem Missionsfeld, zudem alle berufen wren, berwinde die theologischen Verschiedenheiten.Das Motto mte bleiben: Alle eins in Christus." Der Leiter der Go-nerschen Mission schttelte sein silberweies Haupt und flsterte seinemNachbarn zu: Knnten Sie sich eine solche Vermischung von Kirche undSektierertum bei uns vorstellen?"
Hudson Taylor sprach dann davon, wie Gott sich selbst Seine Werk-zeuge auswhlt und auch ihn, den von Natur aus Schchternen und nichtbesonders Begabten, ausrstete. Er sagte dazu weiter: Mein gtigerVater lehrte mich schon in jungen Jahren, mich in meiner Hilflosigkeitan Ihn zu lehnen. Ich betete schon um geringe Dinge, bei denen sich einanderer noch selbst htte helfen knnen."
Auch das Verhalten der China-Inland-Mission in Finanzfragen standim Mittelpunkt der Kritik. Hudson Taylor erzhlte dazu, wie das WortSeid niemandem etwas schuldig, auer da ihr euch liebhabt!" bei ihmdie Frage ausgelst htte: Knnen wir in der Reichsgottesarbeit eineAusnahme machen und unter Schulden seufzen? Schlielich ist Gott reichgenug, um alles zu geben." Er zeigte, wie die China-Inland-Mission imVertrauen auf Gottes Verheiungen weder Geld ausgab, bevor sie esbesa, noch ffentlich um Hilfe bat und doch die siebenhundert Missio-nare versorgen konnte. Sie wollte auch anderen Gesellschaften durchKollektenaufrufe keine Mittel entziehen.
Auf den Einwand, da die Gemeinden durch solche Praxis nicht syste-matisch zum Geben erzogen werden knnten, antwortete Hudson Taylor:
Das ist sicher auch sehr wichtig. Aber der eine wird so, der andereso gefhrt. Jeder mu nach seiner Erkenntnis handeln. Um meinerSchwachheit willen hat der Herr meine Art zu arbeiten und zu betenangenommen; ich wrde jedoch nie dazu auffordern, mich zu kopieren."
Am Schlu der Auseinandersetzung war es ausgerechnet der Leiter derGonerschen Mission, der nach vorn ging, Hudson Taylor umarmte undkte.
Hudson Taylors Krfte nahmen aber im folgenden Sommer in Eng-land bei der intensiven Vortragsttigkeit immer mehr ab. Die Keswick-versammlungen mute er sogar absagen.
In Davos fand er allmhlich Heilung, die noch durch eine Gebets-erhrung beschleunigt wurde. Eine Spende von zehntausend Pfund andie Hauptkasse beseitigte die Geldschwierigkeiten, die vor allem durchZuwendungen an die Zweigmissionen entstanden waren. Kurz nach die-ser Uberweisung starb der grozgige Spender, J. T. Morton, und ver-
machte der Mission ein Viertel seines Besitzes, mindestens 100000 Pfund,mit der Auflage, das Kapital als Einnahme zu verwenden.
Hudson Taylor sah sofort die Verbindung zwischen dieser Gabe undden Aufgaben in China. Zehntausend Pfund zehn Jahre lang, was wardamit alles zu erreichen!
Er schrieb in Chinas Millionen" den Artikel Der Vormarsch" undfuhr noch im selben Jahr zurck nach Schanghai. Er wollte den Beginnder Evangelisation miterleben, die sich ber alle Provinzen erstreckensollte. Wie sehnte er sich danach, da die 80000 bekehrten Chinesen allerevangelischen Kirchen Chinas neue Lebenskrfte erhielten und selbst dieEvangelisation ihres Landes in die Hand nhmen! Er hatte ein doppeltesZiel bei seiner zehnten Reise im Auge: die Erweiterung der Arbeit undihre innere Vertiefung.
Weder er noch seine Umgebung ahnten, da dies seine letzte Ttigkeitin China sein wrde. In diesen einunddreiviertel Jahren (Januar 1898 bisSeptember 1899) sammelten sich siebenmal die Leiter der Mission um ihnund brachten ihn noch einmal mit einem groen Teil des Werkes in Be-rhrung. Viele schwierige Fragen wurden geklrt und aus manchen schonlange bestehenden Verwicklungen ein Ausweg gefunden. Wie die wichtigeFrage des Vormarsches" zu lsen war, wuten sie noch nicht, aber siestanden unter der Verheiung von Psalm 32, 8: Ich will dich unter-weisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst."
Nach den Ausschusitzungen im Januar und April war alles bereit,um in der leicht zugnglichen Provinz Kiangsi zu beginnen. Dort gabes 99 Regierungs- und Bezirkshauptstdte, und in nur wenigen wurde dasEvangelium verkndigt.
Der Vertiefung, die Taylor fr seine ganze Arbeit erbetet hatte, dienteauch eine lange Reise von Frulein Soltau ber 9000 Kilometer und zu45 Stationen in dreizehn Monaten. Sie war mit ihm zusammen aus Eng-land gekommen und verbreitete nun berall groen Segen. Uber dieseZeit schrieb sie selbst:
Die Arbeit wchst noch immer. Wre nicht Christus mein Leben, soknnte ich es nicht mehr lange aushalten. Aber ich erfahre immer wiederaufs neue, wie Er hilft, und werde durch jeden Tag hindurchgetragen,ohne das Gefhl der berarbeitung oder Furcht vor dem Zusammenbruchzu haben."
Hudson Taylor mute eine neue Prfung durchstehen, denn durcheine schwere Erkrankung konnte er an diesen Versammlungen leider nichtteilnehmen. An sein Zimmer gefesselt, lernte er, in Schwachheit voll-endet" zu werden (2. Kor. 12,9; wrtliche Ubersetzung). Er schrieb dar-ber an Dr. Pierson, der krank in Amerika lag, im April:
Ach, welche Mhe gibt sich der Herr, uns ganz auszuleeren, uns zu zeigen, daEr auch ohne uns fertig werden kann! Wir beide haben nicht den gleichen Weg. Ichhabe nicht solche Schmerzen wie Sie, aber ich bin so schwach und hinfllig, da ich seit
meiner Ankunft noch nicht ffentlich sprechen konnte. In der Stille unter Gebet habeich manches durchdacht und mit unseren Mitarbeitern beraten. Einige wichtige Schrittewurden beschlossen, und ich hoffe, die Zukunft wird die Frchte zeigen... Manchmalkann Gott Sein Werk ohne uns besser fortfhren als mit uns... Auch ist nicht diegroe Zahl entscheidend. Unser Herr speiste fnftausend auf den Bergen und nahm sichder einzelnen Frau am Brunnen in Samaria an, durch die bald Scharen zu Ihm ge-bracht wurden. So kann der Herr vielleicht jetzt, wo Er uns von den Tausenden weg-geholt hat, durch uns Seine Arbeit an einzelnen tun, die uns begegnen. Meinen Sie dasnicht auch?"
In Indien hatte Hudson Taylor gesehen, da die Abordnungen vonKeswick groen Segen hinterlassen hatten. So bat er damals eine solcheAbordnung, auch China zu besuchen. Das war nun mglich geworden.Dr. Pierson konnte zwar nicht dabeisein, wohl aber Pfarrer Inwood, dervon den Erlebnissen auf dem Kontinent noch ganz erfllt war. Er sprachzwar durch Dolmetscher, verstand es aber, seine Zuhrer von den An-fngen des Glaubens zu tieferer Erkenntnis zu fhren. Er war ein Lehrer,wie man ihn brauchte, und arbeitete mit seiner Frau in derselben Weisewie Frulein Soltau. Sie reisten in siebzehn Monaten ber 15 000 Kilo-meter und fanden im Norden wie im Sden wie yangtseaufwrts bisChungking eine wundervolle Gemeinschaft mit jeder Missionsgesell-schaft in China". Es war ihrer Meinung nach trotz aller Anstrengungenund Gefahren die schnste Zeit im Dienst fr ihren Herrn.
Inzwischen war auch Hudson Taylor wieder genesen und konnte durchVersammlungen und Briefe die Arbeit frdern. Er gab den Segen, den erselbst empfangen hatte, an andere weiter. So schrieb er an einen Mit-arbeiter, der Ermunterung brauchte:
Gehen Sie vorwrts in der Kraft des Herrn! Danken Sie Ihm dafr,da Sie sich Ihrer Unfhigkeit bewut sind! Wenn Sie schwach sind, kannEr in Ihnen stark sein ... Wenn Sie sich je einer Snde oder Verfehlungbewut sind, dann bekennen Sie es Ihm sofort und berufen sich auf SeineZusage, zu vergeben und zu heiligen ... Ich bete fr Sie. Ich trete vonganzem Herzen fr Sie ein. Noch nie bin ich Gott so dankbar fr Siegewesen wie jetzt."
Wenn es galt, jemandem innerlich weiterzuhelfen, scheute er keineMhe. Das zeigte sich auch im Verhltnis zu seinen Kindern, wie einBrief an sie deutlich macht:
Viele Wahrheiten knnen von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden, vonGott aus und von den Menschen aus. So ist es zum Beispiel mit dem Erflltwerdenmit dem Heiligen Geist. Der Befehl ,Werdet voll Geistes!' weist uns auf die mensch-liche Seite. Was meinen wir damit, wenn wir sagen, eine Mutter sei erfllt von ihremKind? Manche Mtter berlassen ihre Kinder den Mdchen, sehen wohl gelegentlichnach ihnen, aber ihre wichtigste Beschftigung ist das nicht. Eine Mutter, die von ihremKinde erfllt ist, widmet ihm ihr ganzes Leben. Ebenso ist es mit der geistlichen Ge-sinnung, von der in Rmer 8 die Rede ist...
Nun kann das Herz ebensowenig von zwei Dingen gleichzeitig erfllt sein wie einWasserglas mit Luft und Wasser. Wenn das Glas voll Luft sein soll, mu zuerst das
Wasser ausgegossen werden. Das erklrt, warum unsere Bitte, mit dem Heiligen Geisterfllt zu werden, so oft nur nach und nach erhrt wird. Zuerst werden uns unsereSnden und schlechten Gewohnheiten gezeigt, dann werden wir von ihnen befreit.Alle Gnade und aller Segen wird nur durch Glauben empfangen. Was wir im Glaubenunser eigen nennen, das schenkt Gott in Wirklichkeit. Erflltwerden ist nicht unbedingtmit starken Gefhlen oder bestimmten Erlebnissen verbunden - aber Gott hlt immerSein Wort. Wir mssen nur auf Seine Verheiungen sehen und uns fest darauf ver-lassen ihre buchstbliche Erfllung erwarten... Wir brauchen nie auf Gottes Gabenzu warten, denn Gott hat uns schon ,gesegnet mit allerlei geistlichem Segen in himm-lischen Gtern durch Christus'. Wir drfen in Ehrfurcht sagen, da Er uns nichts mehrzu geben braucht. Er hat uns schon alles geschenkt. Aber genauso wie das ganze Zim-mer voll Luft ist und doch keine in das Glas kommen kann, bis das Wasser aus-gegossen worden ist, so sind wir unfhig, all das, was Er uns geschenkt hat, zu emp-fangen, solange unser Ich noch Herz und Leben erfllt."
Im Jahre 1898 wurde die politische und soziale Lage immer bedenk-licher. Obgleich viele Seelen gewonnen wurden und der innere Fortschrittdeutlich war, befand sich das Land seit dem letzten Krieg in steigenderUnruhe. Die Bitterkeit gegen die fremden Mchte", die sich eingemischthatten, mute ber kurz oder lang eine Krise hervorrufen. Die Reaktion,die Taylor auf die groe Evangelisation hin erwartet hatte, nahm dro-hende Formen an. Ubereilte Reformbestrebungen des jungen Kaisers ver-mehrten die Unruhe. Die Aufteilung Chinas" wurde ffentlich durcheuropische Zeitungen besprochen, worber die Behrden in Emprunggerieten. Die kaiserliche Regierung hatte nur noch geringen Einflu aufdas Volk. Hudson Taylor schrieb schon im Juli, da sich der Zusammen-bruch wohl nicht mehr verhten lassen wrde.
Der Aufstand in Westchina war immer noch nicht unterdrckt, rt-liche Unruhen und Tumulte waren an der Tagesordnung. Schlielich ridie reaktionre Kaiserinmutter die Regierung wieder an sich und be-strafte die Reformer hart. Der Kaiser wurde in den inneren Gemchern"gefangengesetzt. Mit grter Energie wurde die Politik der letzten Jahreber den Haufen geworfen und die Rechte der Auslnder stark gekrzt.Das schrte noch den Fremdenha. Und da die Missionare fast die ein-zigen Europer im Inland waren, richteten sich die Feindseligkeiten be-sonders gegen sie. Ihre Lage war uerst kritisch.
Es war ein Trost, da Gott in zweiunddreiig Jahren keinen Mit-arbeiter der Mission durch Gewalt oder Unglcksfall umkommen lie.Das war wirklich wunderbar, wenn wir bedenken, welche Wege diePioniere bei Tag und Nacht zurcklegten. Hudson Taylor erwhnte dasoft in seinen Briefen. Schiffbrche auf dem Meer und dem Yangtse, beidenen manchmal das Eigentum verlorenging, waren vorgekommen, aberebenso wie bei den zahlreichen Aufstnden kamen alle mit dem Lebendavon. Hudson Taylor gewann so das Vertrauen, da Gott Seine Dienerauf dem Missionsfeld, namentlich die einsamen Frauen auf den fernenStationen, schtzen wrde. Es war wunderbar, wie in dieser Zeit geradedie Frauenmission besondere Frucht brachte.
In der fremdenfeindlichsten Provinz Hunan war von der NorwegerinFrulein Jakobsen unter groen Gefahren eine Station gegrndet worden.Dazu war sie nur in Begleitung zweier Chinesen heimlich von Kiangsiaus ber die Grenze gegangen. Sie schrieb an Hudson Taylor:
Nun leben hier bereits Menschen, die Jesus angenommen haben.Wenn man mich auch vielleicht wieder verjagt, wird Er bleiben."
Frulein Jakobsen wurde nicht vertrieben, sondern neue Missionarefanden Eingang. Bald bestanden vier Stationen.
Inwoods und Taylors wollten im Januar zu der Chungkingkonferenz.Die Reise war sehr beschwerlich, zumal die Provinz Szechuan noch imAufruhr lag und das ganze Land sehr unruhig war. Dafr fanden sieunterwegs auf den Stationen aber viel Strkung. Frher mute er berallnach dem Rechten sehen und die anderen strken.
Alle Liebe seiner Mitarbeiter konnte jedoch den Schlag nicht mildern,der ihn in Hankow traf. Dort erhielt er die Nachricht vom ersten Mr-tyrertod in den Reihen der China-Inland-Mission. Der Australier Wil-liam Fleming war mit seinem Gehilfen P'an, einem Christen aus demStamm der schwarzen Miao, dem sie das Evangelium bringen wollten,in der Provinz Kweichow ermordet worden, als er P'an schtzen wollte.Hudson Taylor schrieb darber an Stevenson:
Welch eine traurige Nachricht! Fr die Mrtyrer ein Segen aberwie schwer fr uns, fr die Angehrigen, fr China! Und was bedeutetdas fr die Zukunft! Es sieht so aus, als ob Gott uns eine neue Prfungschickt. Jedenfalls mssen wir aufs neue Gottes Harnisch* anlegen.Schwereres Leiden bedeutet sicher auch tiefere Segnungen. Wenn wir dochalle unseren Halt in Seiner Strke suchten ... und unsere Arbeit durchdiese Prfungen nicht gehindert, sondern vertieft und erweitert wrde!"
Nicht gehindert, sondern vertieft und erweitert" das war derGrundton seiner Gedanken und Gebete, als sich immer neue Schwierig-keiten in den Weg stellten.
Die Konferenz von Chungking wurde von siebzig bis achtzig Missio-naren verschiedener Gesellschaften besucht und brachte reichen Segen.
Es bedrckte Hudson Taylor sehr, da sich nur so wenige Mitarbeiterfr das groe Evangelisationswerk meldeten. Einige aus der Heimat,einige aus China, darunter sein jngster Sohn, hatten sich zur Verfgunggestellt, insgesamt aber noch keine zwanzig. An Geld fehlte es diesmalnicht. Das bestrkte ihn in seiner alten berzeugung, da nicht Geld amwichtigsten ist, so notwendig es auch sein mag, sondern da Menschen frdie Arbeit im Reich Gottes willig werden mssen. War vielleicht wegender politischen Lage noch nicht der rechte Zeitpunkt gekommen? Sollteer Geduld lernen? Jedenfalls breitete sich die fremdenfeindliche Bewe-gung immer mehr aus, und es bestand wenig Hoffnung auf Wieder-erlangung der alten Lage.
Darum entschlo sich Hudson Taylor, zunchst zu einem Besuch nach
Australien und Neuseeland und anschlieend zur Weltmissionskonferenzin New York zu reisen. Er hoffte bei diesen Besuchen neue Mitarbeiterfr die Evangelisationsarbeit in China zu gewinnen.
Er und seine Mitarbeiter ahnten nicht, da seine Zeit und Arbeit inChina bald zu Ende war.
Als Hudson Taylor sich noch in Australien befand, entwickelte sichdie politische Lage mit erschreckender Geschwindigkeit zur Katastrophedes Jahres 1900, dem sogenannten Boxeraufstand. Die Kaiserinmuttererlie ein Hetzedikt, und unter kaiserlichem Schutz breitete sich der Ge-heimbund der Boxer, der alle Fremden ausrotten wollte, wie ein Feuerber das ganze Land aus.
In Neuseeland fanden Hudson Taylor und seine Begleiter vieleFreunde und sprachen in zahlreichen Versammlungen. Dann ging es wei-ter nach New York zur Weltkonferenz. Alle beteten intensiv fr China,denn die Lage wurde dort allmhlich verzweifelt. Die Sorge um Chinaund die vielen Vortrge fhrten zu einem neuen schweren Zusammen-bruch der Gesundheit Hudson Taylors. Sie erreichten im Juni Englandund fuhren auf Drngen von Frau Taylor sofort weiter in die Schweiz,wo seine Gesundheit schon einmal wiederhergestellt worden war. Taylorwar zu jeder Arbeit unfhig, aber dankbar, da die Leitung in Londonund Schanghai in tchtigen Hnden lag.
Inzwischen waren die Boxer in Peking eingerckt, und das Werk derZerstrung begann. Kaiserliche Edikte befahlen den Vizeknigen undGouverneuren, den Aufstand zu untersttzen. Die chinesischen Behrdentraten offen in den Kampf ein, die europischen Botschaften wurden be-lagert und Hunderte von Christen niedergemetzelt.
Alle diese Nachrichten trafen Hudson Taylor in Davos. Obwohl vielesvon ihm ferngehalten wurde, konnte er die Last fast nicht mehr tragen.Beinahe wre er ein Opfer dieses Sommers geworden. Auf dem Hhe-punkt dieser Schrecken sagte er:
Ich kann nicht mehr lesen, nicht mehr denken, nicht einmal mehrbeten, aber ich kann noch vertrauen."
Das Vertrauen auf die unendliche Treue seines himmlischen Vaterswar nicht vergeblich. Er hatte oft gesagt:
Als ich noch keine eigenen Kinder hatte, dachte ich schon immer: Gott vergit michnicht. Aber als ich selbst Vater wurde, merkte ich: Gott kann mich nicht vergessen!
Ist es nicht ausschlielich die Liebe des Vaters, auf die wir unsere Zuversichtsetzen mssen? Es kann sein, da ich mitten in der Dunkelheit, Verwirrung uncf allerZerstrung, die die Snde bewirkt, nichts mehr sehen, verstehen und tun, ja, viel-leicht nicht einmal mehr beten kann. Aber ich kenne Gott! Von Ihm aus ist alles ver-stndlich, notwendig, dem Guten dienlich. Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche:,Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Hnden.' "
Er selbst und die Seinen sollten jetzt die Wahrheit der Worte kennen-lernen, die er einmal an einen Freund geschrieben hatte:
Der Herr selbst wird fr Sie eintreten und Ihnen helfen."
Das Schwerste in diesen Tagen war fr ihn, da er an den Leiden derVerfolgten nicht einmal teilhaben konnte. Uber dreiig Jahre lang warer immer der erste gewesen, der an den Ort der Not und Gefahr eilte.Nie hatte er sich geschont, wenn es galt, den Mitarbeitern Hilfe zu brin-gen. Und nun, in der hchsten Not, lebte er fern von ihnen und konntenichts anderes fr sie tun, als zu Gott zu schreien.
Mit dem Entsatz der Botschaften und der Flucht des Hofes aus Peking,am 14. August, begann sich die Wut der Boxer zu legen. Der junge Kaiserkam wieder an die Regierung und begann sein Land aus den Verwick-lungen zu lsen. Bis dahin hatte die China-Inland-Mission den Tod von58 Mrtyrern und dazu 28 Kindern zu beklagen. Die Uberlebenden hat-ten vielleicht noch mehr gelitten als die Toten. Doch aus allen Briefendieser schrecklichen Zeit klang kein Wort der Bitterkeit, Rache oderShne. Eine der sterbenden Missionarinnen flsterte ihrem Mann zu:Ich wollte, ich knnte noch weiterleben. Ich wrde gern wieder zurck-kehren, um den lieben Menschen mehr von Jesus zu sagen."
Alle, auch Hudson Taylor, waren der Ansicht, da die Mission frVerletzung und Ttung keine Schadenersatzansprche stellen und keinenSchadenersatz annehmen sollte. Spter gingen sie noch weiter und lehn-ten jede Entschdigung fr das Missionsvermgen ab. Den Mitarbeiternpersnlich stellte man die Entscheidung frei.
Auch Missionar Cooper hatte sein Leben lassen mssen. Da wurde dieArbeitslast fr Stevenson zu schwer, und er war dankbar fr MissionarHoste, der gerade in Schanghai war und ihm zu Hilfe kam.
Weil Hudson Taylor befrchtete, da er pltzlich sterben knnte, be-stimmte er im August im Einverstndnis mit dem Heimatrat D. E. Hostezum stellvertretenden Generaldirektor der Mission. Das war kein un-berlegtes Handeln. Schon seit Jahren hatte er den Herrn gebeten, ihmden rechten Nachfolger zu zeigen.
Viele Briefe, die sie in Davos erreichten, zeigten den Geist, der dieganze Missionsfamilie beherrschte. Hudson Taylor schrieb dazu:
Ich habe an einige Angehrige der Mrtyrer geschrieben, um ihnenin ihrem Leid Trost zuzusprechen. In ihren Antwortschreiben vergessensie ihren eigenen Kummer, um meinen mitzutragen."
Es war tatschlich etwas Besonderes, wenn Eltern den schweren Schlagnicht nur mit Ergebung trugen, sondern Gaben sandten und den Wunschaussprachen, da auch ihre anderen Kinder in die Mission eintretenmchten.
Erst im Sommer 1901 gab Hudson Taylor die Hoffnung auf, nocheinmal nach China reisen zu knnen. Ein kleiner Unfall brachte das alteRckenleiden wieder zurck, und er war monatelang fast gelhmt. Erverstand seinen Herrn. Dieser versperrte den Weg, den er gehen wollte.Auch sein Besuch in England zeigte ihm, da er keine Anstrengungen
mehr ertragen konnte. So kehrte er mit seiner Frau in die stille SchweizerUmgebung zurck und mietete eine feste "Wohnung in Chevalleyres ober-halb von Vevey in der Nhe von Frau Berger. Sie bewohnten ein kleinesWohnzimmer, ein Schlafzimmer mit Balkon und eine geschlosseneVeranda. Freundliche Wirtsleute versorgten sie liebevoll. Hier verlebtensie den Sommer 1902. Bald schtzte das ganze Dorf den weihaarigenMissionar und seine Frau und treue Pflegerin, aus denen die Liebe strahltetrotz der fremden Sprache. Allmhlich wurde die Pension ein Treffpunktfr Gste aus England. Bald war das kleine Wohnzimmer droben in denBergen eine China-Inland-Missions-Zentrale, deren Einflu weit reichte.Robert Wilder, der ein halbes Jahr mit ihnen im selben Haus zugebrachthatte, schrieb ber diesen Winter:
Nicht das, was Ihr Vater sagte, sondern was er war, machte einen sotiefen Eindruck auf mich. Man sprte das Leben in Christus. Sein starkerGlaube, seine Ruhe, sein fortwhrender Flei, ja selbst seine Schwcheerschtterten mich ... Da ein Mensch, der immer so tatkrftig war, sozurckgezogen leben und dabei so zufrieden und frhlich sein konnte!Dabei reichte seine Kraft nicht lnger als zu einer Viertelstunde Gebet.Einmal sagte er mir: ,Wenn Gott es fr richtig hlt, mich nicht mehr imaktiven Dienst zu gebrauchen, darf ich nichts dagegen einwenden.' Niehrten wir ihn klagen oder murren, er war immer frhlich."
Endlich einmal durften Hudson und Jennie Taylor in Ruhe das Zu-sammensein genieen. Wie oft waren sie voneinander getrennt gewesen!Anfangs machten sie viele gemeinsame Spaziergnge, auch kleine Aus-flge per Schiff oder Bahn und erkletterten benachbarte Hhen. Allmh-lich berlie Jennie Taylor aber die Begleitung ihres Mannes anderenFreunden, weil sie sich nicht mehr stark genug fhlte. Viele Stundenwurden damit zugebracht, Aufnahmen zu entwickeln und die mitge-brachten Blumen zu studieren. Aber am wichtigsten blieb Taylor dasWort Gottes, obgleich er schwere Lektre kaum noch lesen konnte. Ersagt dazu:
Das Schwierigste im Leben eines Missionars ist das Festhalten amregelmigen, von Gebet begleiteten Bibelstudium. Satan findet immerirgend etwas, was wichtiger zu tun wre und wre es die nichtigsteSache der Welt!"
Bis zum Herbst 1902 war Hudson Taylor noch Generaldirektor derMission und nahm regelmig von Hoste, Stevenson und anderen Berichteentgegen. Mehrmals besuchten ihn Frost und Sloan in der Schweiz.Sloan wurde zweiter Direktor in England. Als im November 1902 Hostevon China kam, merkte Hudson Taylor, da es an der Zeit war zurck-zutreten. Der Wiederaufbau und die rasche Entwicklung der Missionlieen viele neue Fragen aufsteigen. Nach der schrecklichen Zeit und dengroen Opfern gab es wunderbare Arbeitsmglichkeiten, die eine reicheErnte versprachen. Hoste arbeitete sichtlich unter dem Segen Gottes. So
bertrug ihm Hudson Taylor jetzt unter Zustimmung aller Direktorenund Ausschsse die Gesamtleitung des Werkes. Diese Neuerung war soallmhlich vollzogen worden, da viele sie kaum wahrnahmen. Hudsonund Jennie Taylor blieben aber in der gleichen engen Verbindung mitdem Werk.
GOTTES WEGE SIND VOLLKOMMEN"19031905
Hudson Taylor stand vor dem letzten Leid seines Lebens. In demabgelegenen Schweizer Drfchen ging Jennie Taylor den letzten Tagenihres Lebens entgegen. Ihre langsam fortschreitende, schwere Krebser-krankung hatte sie im Sommer 1904 oft auf ihr Zimmer verbannt. Stillund tapfer trug sie das ihr bekannte Leiden. Briefe an ihre Schwieger-tochter zeigen das deutlich:
Du fragst, wie es mir geht. Nun, ich bin wohl abgemagert und fhle mich manch-mal ziemlich elend. Mein Befinden wechselt hufig, aber ich bin sehr dankbar, da ichnoch auf sein kann. Des Herrn Gnade und Freundlichkeit ist jeden Morgen neu. Dertchtige und freundliche Dr. Roux hat mir jetzt ein Mittel gegeben, das mir sehr guttut. Ich habe so viel Schlaf, wie ich brauche, und auch sonst geht es mir so ertrg-lich wie nach den Umstnden mglich. Ich berlasse alles Ihm, der wei, was zu meinemBesten dient, der uns immer liebt. Unser geliebter Vater ist immer noch sehr gebrech-lich ... Wir passen doch gut zueinander. Wir sind jetzt beide froh ber ein stilles Lebenohne Anstrengung. Wir haben viele Freunde, und was fr liebe Freunde!"
... Ich lerne jetzt die tiefe Kraft der Hilflosigkeit und Abhngigkeit kennen. Viel-leicht lernst Du innerlich dasselbe auf anderem Wege. Ach, wre ich doch in meinemDienst immer ganz abhngig gewesen!"
Und dann kam still das Ende. Bis zuletzt schlug ihr Herz fr dieMission. Die letzte Gabe sollte ein Dankopfer fr alle Barmherzig-keiten" sein. Noch einige ruhige, unbeschwerte Tage im Kreise ihrerLieben, die in den strahlenden Augen die Gegenwart Gottes zu schauenmeinten.
Keine Schmerzen, keine Schmerzen", sagte sie mehrmals trotz groerAtemnot. Als sie sah, wie ihr Mann litt, flsterte sie gegen Morgen:Bitte Ihn, da Er mich schnell holt!"
Das war wohl das schwerste Gebet, das er je beten mute; er tat esaber um ihretwillen. Fnf Minuten spter wurde der Atem ruhig einekurze Weile danach war alles vorber sie hatte Frieden.
Aber fr ihn war die Vereinsamung furchtbar. Trost spendete ihmein franzsischer Wandspruch, den sie noch gemeinsam gekauft hatten(Hebr. 10, 23):
Celui qui fait les promesses est fidle." (Der, der die Verheiungengegeben hat, ist treu.)
Seine Gnade gengt" und Er lt uns nicht allein" hatte Jennie ihmzuletzt noch gesagt. Diese Gewiheit strkte ihn.
Seine Nichte Mary Broomhall blieb bei ihm in der Schweiz und pflegteihn. Als sich seine Gesundheit entschieden gebessert hatte, beschlo er,im Frhling 1905 nach China zurckzukehren. Howard Taylor und seineFrau wurden dazu beurlaubt, ihren Vater auf dieser Reise zu begleiten.
Auf der Hinreise berhrte er zum siebenten Mal Amerika und freutesich ber die neue Zentrale der Mission in Philadelphia. Er blieb dortfast zwei Wochen.
Am 17. April 1905 landete er in Schanghai, wo gerade die Frhjahrs-sitzung stattfand. Hoste, Stevenson und viele andere, die den schreck-lichen Boxeraufstand mitgemacht hatten, begrten ihn in herzlicherVerehrung. Auch sein alter Mitstreiter Meadows aus den Tagen vonNingpo war da. Sie hatten alles so lieb und freundlich hergerichtet; ersollte sich wirklich wohl fhlen.
Ostern verbrachte er mit Frulein Murray in Yangchow. Die vielenErinnerungen zeigten ihm hier noch einmal ganz deutlich, welch schwacheWerkzeuge sie immer gewesen waren und wie berschwenglich Gott ihreGebete erhrt hatte. Es war Sein Werk, das war die einzige Erklrung.Seine Abschiedsworte in der Sprachschule Chefoo wurden nicht vergessen:Wir knnen nicht viel tun, aber wir knnen wenigstens etwas tun:Gott tut dann das andere."
Auf dem Friedhof in Chingkiang besuchte er noch einmal die Grberseiner ersten Frau Maria und vier seiner Kinder. Die Erinnerung schmerztejetzt nicht mehr: Das Wiedersehen stand nahe bevor. Zu jungen Mitarbei-tern, die gerade auf Inlandsstationen hinauszogen, sagte er:
Ich bin sehr froh, hier so viele von euch zu treffen. Wie viele habeich schon von hier hinausziehen sehen! Meine liebe Frau starb hier ...Unsere Lieben mgen uns im Geist nher sein, als wir denken. Er istbestimmt uns viel nher, als wir glauben. Unser Herr Jesus will uns nieverlassen noch versumen. Rechnet mit Ihm! Freut euch an Ihm! LiebeFreunde, bleibt Ihm und Seinem Wort treu! Er wird euch nie enttuschen!Ihr werdet vielleicht oft mde und einsam sein. Aber der Herr wei,was Er euch zumutet."
Dann ging es weiter mit einem bequemen Dampfer nach Hankow,dem Missionszentrum, in dem so viele Station machten, die ins Inlandgingen oder von dort zurckkehrten. Sie wurden auch dort mit Liebe undFrsorge berschttet. Alte Freunde aus anderen Missionsgesellschaften,wie Dr. Griffith John, mit dem er fast fnfzig Jahre gleichzeitig in Chinagearbeitet hatte, versammelten sich mit ihren Mitarbeitern. Noch einanderer Freund, Dr. Martin, kam aus Wuchang herber. Diese drei Altenstanden zusammen 165 Jahre im Missionsdienst.
Da die Reise nach Hankow so gut verlaufen war, fand Hudson Taylorden Mut, die neue Eisenbahn von Peking nach dem Norden zu benutzen,um noch einmal das Inland zu sehen, und wren es auch nur zwei Sta-tionen in Honan. Seine Schwiegertochter schrieb ber diese Reise:
Voriges Mal fuhren wir auf Schubkarren und brauchten viele an-strengende Tage, bis wir ans Ziel kamen. Jetzt legten wir den Weg innur vierundzwanzig Stunden zurck. Welch ein groes Erlebnis, so durchdas Inland, durch die Provinz Honan zu fahren!"
In Yencheng, das an der Bahnlinie lag, sah Hudson Taylor etwas vonder Arbeit der australischen Mitarbeiter. Bei einem Besuch der Nachbar-station mute er sogar eine Nacht in der Herberge zubringen, wie er siefrher zu Hunderten kennengelernt hatte.
Den 14. Mai, einen Sonntag, verbrachte er auf der Station, auf derseine Tochter, Frau Coulthard, als erste Missionarin gewirkt hatte. Nachdem Reisebericht seiner Kinder hielt er dort eine drei Kilometer lange"Predigt. Das kam so: Sie wohnten bei Herrn und Frau Brock. Die Gottes-dienste fanden aber auf dem weiter entfernt liegenden Anwesen vonHerrn Shearer statt. Wie konnte man Hudson Taylor in der Sommer-hitze den Weg erleichtern? Eine den Missionarinnen gehrende Snftelehnte er ab, mit der Begrndung, er wre nicht nach Honan gekommen,um ein schlechtes Beispiel zu geben. Er wollte zum Gottesdienst gehen.Und er ging tatschlich hin und zurck zu Fu; ein Begleiter trug einenKlappstuhl, damit er sich darauf ab und zu ausruhen konnte.
Warum nehmt ihr keine Snfte?" riefen die Leute, die sich in Scharenum ihn versammelten. Diese Gelegenheit nahm er wahr und wies siedarauf hin, da Gott will, da die Menschen den Sonntag heiligen. Mitgroer Verwunderung hrten die Leute, es wre eine Snfte mit Trgernim Missionshaus vorhanden. Der weihaarige Missionar wollte sie aberwegen des Sonntags nicht benutzen. Die Szene wiederholte sich jedesmalwieder, und die Christen empfingen einen tieferen Eindruck von der Be-deutung des Sonntags als durch vieles Predigen.
Fnf Hauptstationen besuchten sie so und sprachen mit vielen Missio-naren und Chinesen. Abschlieend besuchten sie die beiden Stationen, dieHoward Taylor und seine Frau gegrndet hatten. Das war wie ein Heim-kommen. Alles war noch so gut bekannt: die Wege, die Huser, dieBume. Kurz vor Chenchowfu erlebten sie etwas ganz Unerwartetes.
Die jungen Taylors berichteten:
Vor uns auf der Strae war eine Schar Mnner und Knaben neben einem Tischversammelt. In den Hnden hielten sie glnzende Gegenstnde, deren Bedeutung unszunchst unklar war. Waren es Blasinstrumente, ein Blserchor? Pltzlich wurde unsklar: Das sind die Christen aus Chenchowfu. Der Tisch war mit Erfrischungen fr un-seren Vater gedeckt. Die .Blasinstrumente' waren vier groe, goldene Schriftzeichen,die emporgehoben wurden und .Inland Chinas Gnaden Mann' (etwa der WohltterInland-Chinas) hieen. Etwas weiter davon begrte uns eine Schar chinesischerChristinnen. Der Hofraum des Missionshauses war berdacht. Am hinteren Ende wareine Plattform errichtet, berall hingen Willkommensgre. Ein rotes Seidenbannermit denselben Schriftzeichen wurde aufgehngt, und schlielich strmten lchelnde,glckliche Menschen herein, bis jeder Winkel gefllt war. Ein schnes, unvergelichesBild! Dann folgten glckliche Tage.
In Taiking, der letzten Station, die wir besuchten, empfing uns die gleiche Liebeund Herzlichkeit. Die Christen dort hatten einen Wagen gemietet, um uns abzuholen.Unterwegs trafen sie einen Boten, der ihnen mitteilte, da Vater unwohl wre und nichtkommen knnte. Mitten auf dem Wege baten sie den Herrn: ,Herr, strke ihn undbefhige ihn, die Reise zu machen! Herr, was haben wir getan, da der verehrungs-wrdige Pastor Hunderte von Meilen von der anderen Seite der Welt kommt undeine Tagesreise vor unserer Stadt haltmachen mu? Herr, wir sind doch auch DeineKinderchen! Hilf ihm!'
Ihre Freude war gro, als sie ihn einige Stunden spter doch entschlossen fanden,am nchsten Tag Taiking zu besuchen.
Vor dem Stadttor trafen wir auf die Christen und ihre Missionare Ford und Bird.Auch Herr und Frau Joyce waren da. So bildeten wir eine ganze Versammlung vonalten Freunden und Mitarbeitern, die mit dankerflltem Herzen an die alten Erleb-nisse, Hoffnungen und Gebete dachten. Wie hatte der Herr alle bei dem schrecklichenAufstand 1896 erhalten und Sein Werk gesegnet und vermehrt!..."
Am Freitag, dem 26. Mai, dem 39. Jahrestag der Ankunft der Lam-mermuir", erreichten die Reisenden wieder Hankow. Unterwegs im Zugbeteten sie viel zusammen. In Hankow erwartete sie nun unter anderenDr. Whitefield Guiness.
Dankbar fr die dreieinhalb Wochen in Honan suchten sie Weisungvom Herrn, wohin sie nun gehen sollten. Sie wuten noch nicht, wie grodie Freundlichkeit des Herrn war; denn nur noch acht Tage sollte dieirdische Pilgerfahrt des unermdlichen Reisenden dauern, dann war dasZiel erreicht.
Nach einem stillen Sonntag beschlo Hudson Taylor, mit dem Damp-fer nach Changsha zu fahren, der Hauptstadt von Hunan, das er nochnicht kennengelernt hatte. Hunan war die erste Provinz gewesen, in derdie Mission Fu fassen wollte, aber die letzte, in der das endlich gelang.Uber dreiig Jahre war sie das besondere Gebetsanliegen Hudson Taylorsgewesen. Erst nach dem Boxeraufstand 1900 hatte sie sich wirklich ge-ffnet. Er wollte noch die Arbeit Dr. Kellers und der anderen in derHauptstadt sehen.
Whrend sie den groen See kreuzten und stromauf fuhren, zogenwohlgebaute Stdte, schne Pagoden und Tempel, reiche Ebenen mitreifenden Feldern und herrliche Bergketten an ihnen vorber. Sie dachtenan alle Mhen und Gebete der vergangenen Jahre, an geopfertes Lebenund furchtlosen Glauben, die endlich als grten Lohn die vollkommenvernderte Haltung der Bevlkerung gefunden hatten. Jetzt waren indieser Provinz hundertelf Missionare von dreizehn Gesellschaften aufsiebzehn Hauptstationen und viele chinesische Mitarbeiter. Der Berichtder Schwiegertochter geht weiter:
Am Donnerstag, dem 1. Juni, kamen wir nachmittags in Changsha an und wurdenherzlich von Dr. Keller und Frau Dr. Barrie begrt... Die beiden folgenden Tagewaren so still und voller Frieden, da wir auch darin die Gte Gottes erkannten. Sieboten so viel Interessantes und Erfreuliches, die Menschen waren so voller Teilnahme,Liebe und Frsorge fr unseren Vater, da wir voller Dank daran zurckdenken.
Nachmittags war ein Empfang vorgesehen, damit alle Missionare der Stadt Ge-legenheit hatten, Vater zu sehen und mit ihm zu sprechen. Es war khl und an-genehm ... Der Tee wurde unter Bumen und Blumen getrunken. Vater kam herausund sa ber eine Stunde unter den Gsten. Er hatte sichtlich Freude an dem frh-lichen Beisammensein. Nachdem alle gegangen waren, berredete ihn Howard, hinauf-zugehen. Zum Abendessen wollte Vater nicht herunterkommen, sondern lieber gleichins Bett gehen.
Ich legte ihm das Kopfkissen bequemer zurecht, damit er die Briefe aus der Heimatbesser berblicken konnte, die vor ihm lagen. Dann setzte ich mich auf einen Schemeldicht neben ihn. Da er nichts sagte, fing ich an, ber die Bilder in der .Missions-rundschau', die auch auf dem Bett lag, zu plaudern. Howard verlie das Zimmer,um etwas zu holen. Als ich gerade mitten in einem Satz war, wandte Vater pltzlichden Kopf und tat einen hastigen Atemzug ich dachte, er mte niesen. Das wieder-holte sich mehrfach. Er sprach nicht, schrie auch nicht auf; ein Erstickungsanfall war esaber auch nicht. Er sah mich nicht an und schien bewutlos zu sein.
Ich lief an die Tr und rief Howard, aber bevor er das Bett erreichte, sah ich, dadas Ende da war. Ich lief zurck, um Dr. Keller zu rufen, der unten an der Treppestand und in krzerer Zeit, als ich es schreiben kann, zur Stelle war. Er konnte auchnur noch zusehen, wie unser Vater den letzten Atemzug tat. Das war kein Tod es war ein schnelles, frohes Hinbergehen in das ewige Leben. ,Mein Vater, meinVater! Wagen Israels und seine Reiter!'
Ein wunderbarer Friede lag auf seinem lieben Gesicht. Die Last der Jahre unddie Spuren der Mdigkeit schienen in wenigen Augenblicken verschwunden zu sein. Ersah aus wie ein ruhig schlafendes Kind. Sogar ber dem Zimmer lag etwas von diesemunaussprechlichen Frieden
Nach und nach versammelten sich die Freunde aus dem Hause und die chinesischenChristen um sein Bett. Alle empfingen einen tiefen Eindruck von der Ruhe und demFrieden auf diesem Gesicht.
Ganz zuletzt trat ein junger chinesischer Evangelist mit seiner achtzehnjhrigenFrau ein. Sie wollten Hudson Taylor besuchen. Er ergriff Taylors Hand und sprach zuihm, als ob er noch lebte. In tiefer Bewegung brachte er den ganzen Dank der chine-sischen Christen zum Ausdruck:
Lieber, verehrungswrdiger Pastor, ... du hast uns den Himmel geffnet, du hastuns viele Jahre liebgehabt und fr uns gebetet... Du siehst so glcklich und fried-lich aus. Dein Gesicht ist still und froh. Du kannst heute abend nicht mehr zu unssprechen. Wir wollen dich nicht zurckholen, aber wir wollen dir folgen und einmalzu dir kommen, und du wirst uns dann willkommen heien.' "
Am Ufer des mchtigen Yangtse, an dem ja auch seine Lieben ruhen,fand Hudson Taylor seine letzte Ruhesttte.
Was war das Geheimnis seines Lebens? Wie sagte er von sich selbst?
Ich selbst bin nicht besonders begabt und von Natur aus schchtern,aber mein gtiger und barmherziger Vater neigte sich zu mir und strktemich in meinem schwachen Glauben, als ich noch jung war. Er lehrte michin meiner Hilflosigkeit, mich an Ihn zu lehnen."
In seinem Leben verwirklichte sich, was Paulus im Galaterbrief sagt:
Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn wasich jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, dermich geliebt und sich selbst fr mich dargegeben hat."
Bcher zur christlichen Lebensgestaltung:
Isobel Kuhn
Die mich suchen - In der Arena
Neu bearbeitete Gesamtausgabe
176 Seiten. ABCteam 3156. Taschenbuch. 9. Auflage
Da Sie an Gott glauben, ist nur das Ergebnis Ihrer Erziehung.Isobel Kuhn mu ihrem Professor recht geben. Man hat ihr gesagt, was sieglauben soll, und sie hatte es getan. Noch auf dem Nachhauseweg beschlietsie, von nun an keinerlei Lebenstheorien mehr ungeprft zu bernehmen.Dabei empfindet sie das angenehme Gefhl von ungeahnter Freiheit.Doch dabei bleibt es leider nicht lange. Enttuschungen und ihr selbstunerklrliche Ereignisse stellen sie bald erneut vor die Fragen: Gibt es Gott?-Kann man ihn finden?
Offen und ehrlich berichtet sie in diesem Buch von ihren Erfahrungen undErlebnissen auf der Suche nach Gott. Schlielich ist sie bereit, die Konse-quenzen zu ziehen: Sie reist nach China, um dort Gott zu dienen.Aber damit endet ihr Suchen nicht. Was sie in den Bergen Chinas anUnvorhergesehenem und Ungewolltem, an Hhepunkten und Enttuschun-gen erlebt, beschreibt der zweite Teil des Buches: In der Arena. Schlielichstellt der Arzt fest, da sie an Krebs erkrankt ist. Wie damit fertigwerden? DasEnde - oder ein neuer Anfang?
Oswald Sanders/Jim Fraser
Wirksames Gebet
Eine geistliche Strategie
64 Seiten. ABCteam 3087. Taschenbuch. 4. Auflage
Nichts ist so schwierig und einfach zugleich wie das Beten. Es ist demGelehrten wie dem Kind erlaubt. Es entspringt dem Augenblick und ist dieHaltung eines ganzen Lebens. Es ist Ruhe und Kampf, Angst und Begeiste-rung, Ergebenheit und Zudringlichkeit.
Ist es nicht sonderbar, da wir trotzdem alle von einer eigenartigen Abneigungzum Beten geplagt sind? Es bereitet uns nicht unbedingt Freude, mit Gott zusprechen. Kann man daran etwas ndern?
Die Kurzstudien von Oswald Sanders im ersten Teil dieses Buches veran-schaulichen einige Grundstze des wirksamen Gebets am Erleben vonFrauen und Mnnern der Bibel. Die Erfahrungen von Jim Fraser im zweitenTeil machen uns Mut, mit der Praxis des Betens zu beginnen.
Wichtige Lebensbilder aus der Kirchengeschichte:
Friedrich Zndel
Johann Christoph Blumhardt
Zeuge der Siegesmacht Jesu ber Krankheit und Dmonie352 Seiten. ABCteam 207. Paperback. 20. Auflage
Friedrich Zndel, ein Freund von Johann Christoph Blumhardt, hat bald nachdessen Tod im Jahre 1880 eine Biographie Blumhardts geschrieben. Sie isteine engagierte Darstellung der Zeit und der Person Blumhardts, nicht bloeine Zusammenstellung von Daten und Ereignissen.Im Jahre 1936 wurde eine leicht bearbeitete Fassung dieses Buches neuherausgegeben, weil es an der Zeit war, die in der Lebensbeschreibungenthaltene Botschaft der Welt wieder in Erinnerung zu rufen. Aus denselbenGrnden erschien diese Neuauflage.
Die Biographie Zndeis ist noch heute ein Standardwerk fr Christen, die sichmit den Gebieten Okkultismus und Kirchengeschichte beschftigen.
Normann P. Grubb
Charles T. Studd
Kein Opfer zu gro
128 Seiten. ABCteam 3165. Taschenbuch. 4. Auflage
Wenn Jesus Christus Gott ist und fr mich starb, kann mir kein Opfer zu grosein, um es ihm darzubringen.
Diese Worte von Charles T. Studd beschreiben sehr gut seine Lebenseinstel-lung und erklren die Wirkung, die sein Leben hatte. Es geht dabei nicht sosehr um den jungen Mann, der als Spitzensportler und reicher PflanzerssohnChrist wurde. Es ist der altgewordene, reife Charles T. Studd, der durch seineGlaubenshaltung den Ansto zu neuen, weltweiten missionarischen Unter-nehmungen gab.
Charles T. Studd ist nicht nur der Begrnder des Weltweiten Evangelisations-Kreuzzuges (WEK), sondern gab-wie auch Hudson Taylor-den Missionenunseren Jahrhunderts ihren entscheidenden Ansto.
Aktuelle Themen
[7 Berichte, Erzhlungen, Lebensbilder^Christsein heute
Klar, wie von einer menschlichen Stimme ausgesprochen, lautete derBefehl: Dann gehe fr mich nach China!
Das bedeutete die Wende. Eine Aufgabe, von der Hudson Taylor nochkaum etwas wute, nahm ihn mit aller seiner Energie gefangen. Wiesollte er beginnen? Was konnte er, ein Apothekergehilfe in einerKleinstadt Englands, in China ausrichten? Aber Gottes Ruf hatte ihnerreicht. Es gab fr ihn kein Zurck mehr.
Nur wenige Mnner haben in geistlicher Hinsicht so nachhaltig auf dieMenschen gewirkt wie Hudson Taylor. Was ist das Geheimnis diesesgroen Mannes? berrascht stellte ein bekannter Kirchenfhrer seinerZeit ber ihn fest: Jede Vorstellung von menschlicher Gre schwandmit einemmal dahin .. .Wer Hudson Taylor zum ersten Mal begeg-nete, fand nichts Besonderes an ihm. Er sagte selbst: Es gibt nichtsKleines und nichts Groes. Gott allein ist gro. Wir sollten ihm unserganzes Vertrauen entgegenbringen.
Die von Hudson Taylor ins Leben gerufene China-Inland-Missionarbeitet heute unter dem deutschen Namen berseeische Missions-gemeinschaft in den Lndern Ost- und Sdostasiens. Hier ist ihreGeschichte und die ihres Grnders.
ISB N 3-7655-2128-0
Bald danach erhielt das Gebiet seine Missionarinnen. Zwei Schweizerinnen,Marie Guex aus Vevey und ihre Schwester, Frau Just, leiteten viele Jahre die StationChangshan.
PAGE12
BRUNNEN VERLAG GIESSEN UND BASEL
. 0 M N O -
=
M
O
R S c d n
s
u
y
ອxrrjrjr h 0J= @
h 0J= hNU h 0J<