Der Antichrist und seine Vorläufer
1. Johannes 2, 18-19
Jürg Birnstiel
06.07.1997

Gliederung

I. Der Antichrist wird kommen (18a)

II. Die gegenwärtigen Antichristen (18b)

A. Antichristen

B. Die letzte Stunde

III. Die Herkunft der Antichristen (19)

 


Einleitung

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Text lesen: 1.Joh.2,18-19

I.                 Der Antichrist wird kommen (18a)

ð     Die Gemeinde wurde über die Erscheinung eines Antichristen belehrt. So schreibt Johannes:

...wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt.

ð     Die Gemeinde wusste um die Erscheinung eines Menschen, der sich als der Gegner von Christus hinstellt oder noch genauer: der sich an die Stelle von Christus setzt.

ð     Einzig Johannes verwendet das Wort Antichrist. 2 mal hier in unserem Text, den wir heute betrachten und dann nochmals im selben Brief Kapitel 2,22; 4,3 und dann ein letztes mal im 2.Joh.7. Insgesamt lediglich 5 mal.

ð     Aber er beschreibt damit die gleiche Person wie Paulus, wenn er von dem Gesetzlosen spricht. Es handelt sich um eine Person, die in der Weltgeschichte erscheinen wird. Paulus berichtet über sein Wirken:

Der (Gesetzlose) aber wird in der Macht des Satans auftreten mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern / und mit jeglicher Verführung zur Ungerechtigkeit... 2.Thess.2,9-10a.

ð     In der Offenbarung begegnet uns diese Gestalt wieder und in einer sehr interessanten Beschreibung, dort heisst es:

Und ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache. Offb.13,11.

ð     Dieses Tier war einem Lamm ähnlich, es redete aber wie ein Drache und Drache ist in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit dem Teufel.

ð     In der Offenbarung finden wir das Wort Lamm ca. 28 mal, und nur dieses eine mal im Kapitel 13,11, wird es für den Widersacher Gottes gebraucht. Ansonsten steht Lamm für Jesus Christus.

ð     Somit sehen wir, dass diese Gestalt, äusserlich die Erscheinung eines Lammes annimmt. Also anstelle von Christus sich setzt. Der erwartete Antichrist ist die Personifizierung des Bösen, praktisch die "Fleischwerdung" des Teufels.

ð     Was mit diesem Antichristen, dem Gesetzlosen geschehen wird, erklärt Paulus den Thessalonichern folgendermassen:

... Ihn wird der Herr Jesus umbringen mit dem Hauch seines Mundes und wird ihm ein Ende machen durch seine Erscheinung, wenn er kommt. 2.Thess.2,8.

ð     Jesus wird bei seinem Kommen - denn Jesus kommt wieder auf diese Erde -, dem Antichristen und seinem schrecklichen Wüten ein Ende setzen.

ð     Die Offenbarung äussert sich ebenfalls zu dieser Vernichtung des Bösen. Wir lesen:

Und das Tier wurde ergriffen und mit ihm der falsche Prophet, der vor seinen Augen die Zeichen getan hatte, durch welche er die verführte, die das Zeichen des Tieres angenommen und das Bild des Tieres angebetet hatten. Lebendig wurden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brennt. Offb.19,20.

ð     In alle dem war die Gemeinde unterrichtet.

ð     Wir erachten oft die Fragen bezüglich des Antichristen als ein Hobby für einige Spezialisten. Dem ist aber nicht so, die ganze Gemeinde war in dieser Sache unterrichtet worden.

ð     Dieser Antichrist wird kommen, das wusste die Gemeinde.

ð     Die Frage ist nun, ob der Antichrist schon erschienen ist oder nicht.

ð     Die einen verschieben sein Wirken und seine Erscheinung in die ferne oder nahe Zukunft. Andere, und dazu gehören auch die Reformatoren, sahen im Papstum eine gewisse Erfüllung dieser biblischen Aussagen.

ð     Die Aussage des Paulus im Thessalonicherbrief:

Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Werk; nur muss der, der es jetzt noch zurückhält, vorher beseitigt werden und dann wird der Gesetzlose offenbart werden... 2.Thess.2,7-8.

ð     wurde nicht so interpretiert, wie das in unseren in unseren Kreisen oft der Fall ist, dass der, der es jetzt zurückhält, der Heilige Geist ist und die Entrückung der Gemeinde damit verbunden wird. Das ist sicher eine mögliche Sichtweise.

ð     Die Encyclopedia Britannica berichtet, dass während jener ersten Jahrhunderte „die Christen allgemein glaubten, dass die Kraft, die das Offenbarwerden des Antichristen aufhielt, das Römische Reich war“.
Es wurde und wird noch heute von vielen so verstanden, dass der Apostel über das Aufhalten des Antichristen deshalb in so geheimnisvoller Sprache schrieb ( ... ), weil er damit das kaiserliche Rom meinte. Wäre er deutlicher geworden, d.h. hätte er seinen Glauben, dass das kaiserliche Rom, das den Antichristen aufhielt, einmal untergehen werde, ausdrücklich mitgeteilt, dann hätte er die Christen, besonders in Thessalonich, in Konflikt mit der herrschenden Macht gebracht.[1]

ð     Die Reformatoren hielten mit ihrer Meinung nicht zurück, sie sahen doch mindestens im Papstum einen hervorragenden Repräsentant des Antichristen, so lesen wir bei Calvin:

Daniel (9,27) und Paulus (2.Thess.2,4) haben vorausgesagt, dass der Antichrist sich in den Tempel Gottes setzen werde. Als einen hervorragenden Führer im Reiche dieses Menschen der Sünde betrachten wir den römischen Papst.[2]

II.             Die gegenwärtigen Antichristen (18b)

A.              Antichristen

ð     Die volle Entfaltung des Antichristen steht noch aus. Der Mensch, der wenn Jesus kommt beseitigt werden wird, wird noch in Erscheinung treten. Wie lange es noch dauern wird, bis der letzte Akt in der Weltgeschichte starten wird, weiss ich selbst nicht. Ob nochmals fast 2000 Jahre verstreichen, oder ob er gar in den nächsten Jahren in Erscheinung treten wird. Gott weiss das.

ð     Johannes lenkt den Blick von der Erwartung dieses schrecklichen Despoten weg, indem er sagt:

...es sind nun schon viele Antichristen gekommen.

ð     Es gibt schon viele, die sich jetzt schon an die Stelle von Christus setzen oder sich gegen Christus stellen. Auch wenn diese noch nicht die Erfüllung sind des von der Bibel vorhergesagten Antichristen, so sind sie zumindest Vorläufer dieses Antichristen, denn sie verbindet die gleiche Gesinnung, in etwas abgeschwächter Form.

ð     Aber was müssen wir denn unter einem Antichristen verstehen? Johannes äussert sich dazu sehr genau, wenn er schreibt, und das werden wir in einer nächsten Predigt noch genauer betrachten:

Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. 1.Joh.2,22.

ð     Ein Antichrist leugnet die Gottessohnschaft von Jesus. Er sieht in Jesus nicht den Messias und erlaubt sich sogar sich selbst an dessen Stelle zu setzen.

1.                  Anwendung

ð     Wir stehen heute - wie die Gemeinde damals - in einer starken Auseinandersetzung. Das Anti Christliche ist verwurzelter in unserer religiösen Umwelt als wir das vielleicht wahrnehmen.

ð     Ich möchte dies am Beispiel des Verständnisses über die Bischöfe der katholischen Kirche deutlich machen. In den zur Zeit gültigen Schriften des Zweiten Vatikanischen Konzils lesen wir darüber:

In den Bischöfen, denen die Priester zur Seite stehen, ist also inmitten der Gläubigen der Herr Jesus Christus, der Hohepriester, anwesend.[3]

ð     Oder an anderer Stelle heisst es unmissverständlich:

Im Bischof sehe man den Hohenpriester seiner Herde, von dem das Leben seiner Gläubigen in Christus gewissermassen ausgeht und abhängt.[4]

ð     Hier haben wir also ein ganzes System vor uns, das bewusst Menschen anstelle von Christus hinstellt.

ð     Es gibt natürlich noch andere religiöse Systeme, die sich gegen oder anstelle von Christus setzen.

ð     Jesus warnte schon seine Jünger und sagt:

Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, daß euch nicht jemand verführe. / Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. Mt.24,4-5.

ð     In der nächsten Botschaft werde ich noch deutlicher auf die antichristliche Gesinnung eingehen.

B.               Die letzte Stunde

ð     Diese Tatsache, dass schon viele Antichristen geworden sind, soll der Gemeinde den Ernst der Stunde deutliche machen, denn so sagt er:

...daran erkennen wir, daß es die letzte Stunde ist.

ð     Die Verführung ist ein klarer Hinweis, dass die letzte Stunde begonnen hat. Der letzte Akt der Menschheitsgeschichte wurde damit eingeleitet.

1.                  Anwendung

ð     Wir sollen nicht wie gebannt auf den Antichristen warten und vor lauter Fixierung auf diese kommende Gestalt vergessen, dass wir von vielen Antichristen umgeben sind.

ð     Letzte Stunde heisst, dass die Zeit sehr Ernst ist und man sich in Acht nehmen muss.

ð     Wir sollen und müssen wachsam sein.

ð     Johannes weist die Gemeinde darauf hin, wie ernst die Zeit geworden ist. Es ist für die Gemeinde kein Spaziergang, sondern sie sind der Verführung ausgesetzt.

ð     Sind wir uns überhaupt dem Ernst der Zeit bewusst. Wenn bereits die Gemeinden im ersten Jahrhundert mit falschen Christen zu kämpfen hatte, wie wird es denn in unserem 20. Jahrhundert sein?

ð     Die Bibel geht nicht davon aus, dass die Verführungen abnehmen, sondern dass sie im Zunehmen begriffen sind.

ð     Wir dürfen unseren Blick nicht wie gebannt auf den kommenden Antichristen richten, denn dann verlieren wir den Blick für die Gegenwart. Sicher, der Antichrist wird zur vollen Entfaltung kommen, weil uns die Bibel darüber berichtet und wir sollen dies auch wissen und uns mit dieser Sache beschäftigen, soweit es nötig und sinnvoll ist.

ð     Wir erwarten aber Christus und nicht den Antichristen.

ð     Die Bedrohung für die Gemeinde bis heute ist nicht der kommende Antichrist, sondern die gegenwärtigen Antichristen.

ð     Für die Gegenwart sollen wir unseren Blick schärfen und nicht blauäugig umhertappen. Die klarsten Vorstellungen über die zukünftige Zeit des Antichristen, nützen uns nichts, wenn wir die gegenwärtige Bedrohung der Gemeinde durch den antichristlichen Geist nicht erkennen.

III.          Die Herkunft der Antichristen (19)

ð     Nun weist uns Johannes auf einen sehr wichtigen und ich meine auch schwierigen Punkt hin. Nämlich auf die Herkunft dieser Antichristen.

ð     Sie kommen nicht etwa angeschrieben von einem unbekannten Ort in die Gemeinde, sondern sie kommen aus der Gemeinde!

ð     Aber um einem Kurzschluss vorzubeugen: Nicht jeder der heute eine Gemeinde verlässt, ist ein Antichrist. Das wäre eine zu grosse Vereinfachung.

ð     Wenn wir das nüchtern betrachten, so haben die meisten von uns eine Kirche oder Gemeinde verlassen.

ð     Es gibt gute und schlechte Gründe eine Gemeinde zu verlassen.

ð     In Korinth musste Paulus der Gemeinde erklären, warum Spaltungen unter Umständen nötig sind, obwohl er von ganzem Herzen für Einigkeit plädierte. Er fordert die Korinther anfangs seines Briefes auf:

...haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung. 1.Kor.1,10b.

ð     Aber im selben Brief muss er den Gläubigen sagen:

Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, damit die Rechtschaffenen unter euch offenbar werden. 1.Kor.11,19.

ð     Es gibt Situationen, da Spaltungen fast unumgänglich werden. Und eine Spaltung unter Christen ist demnach nicht in jedem Fall schlecht und sündig.

ð     Johannes spricht hier von den Antichristen, die er im Verlaufe seiner weiteren Erläuterungen genauer definiert.

ð     Diese Antichristen waren Insider, die genauestens wissen, wie die Gemeinde denkt und spricht. Sie kennen deren Umgangsformen und die Art ihren Glauben zu leben.

ð     Auch Paulus spricht von diesem Phänomen, das auf die Gemeinde in Ephesus zukommen wird, nachdem Paulus sie verlassen hatte. So sagt er in Milet den Ältesten von Ephesus:

Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. / Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen. Apg.20,29-30.

ð     Aus der eigenen Gemeinde werden solche Leute aufstehen und schonungslos handeln.

ð     Diese Antichristen sind also von der Gemeinde ausgegangen und sie beweisen damit, dass sie in Wirklichkeit eigentlich noch nie richtig dazugehört hatten. Sie waren offenbar nicht im Glauben an Jesus Christus gegründet. Sie kannten wohl die gängigen Lehren, ergriffen vermutlich sogar das Wort, oder beanspruchten gar Lehrer zu sein. Aber sie gehörten nicht zu Christus.

1.                  Evangelisation

ð     Gehörst Du zu Christus?

ð     Diese Antichristen mussten nicht einmal unangenehme Menschen sein. Vielleicht waren sie sehr umgänglich und genossen grosses Ansehen. Vermutlich waren sie auch sehr religiös gesinnt.

ð     Vermutlich waren sie auch ehrlich mit sich selbst in ihren Überzeugungen.

ð     Vielleicht waren sie wie diese, die zu Jesus sagen werden in der Ewigkeit:

...Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Mt.7,22.

ð     Dies sagen sie alles in der Gegenwart Jesu und meinen dies wirklich so und sie sind der Überzeugung, sie hätten dies alles im Namen Jesu getan. Jesus antwortet ihnen aber:

Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter! Mt.7,23.

ð     Menschen die meinten Jesu zu kennen, aber im Grunde ihn nie kannten und Jesus sie auch nicht kennt.

ð     Kennst Du Jesus wirklich?

ð     Wenn du Jesus noch nicht wirklich kennst, dann bitte ich Dich Dein Leben ihm anzuvertrauen. Er will Dich retten, denn Gott sagt:

So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe.

ð     Gott will, dass wir leben und zwar bis in alle Ewigkeit. So Prüfe Dich selbst, wie Du vor Gott stehst.

ð     Gerne zeigen wir den Weg, wie wir Jesus wirklich kennenlernen können.

Schluss

ð     Zusammenfassung

ð     Im Glauben und Vertrauen auf Jesus zu leben ist kein leichter Weg in dieser Welt. Der Widersacher Gottes sucht Wege um die Gläubigen vom Weg abzubringen.

ð     Im Fall der Antichristen lässt er die Menschen ganz einfach in einer falschen Sicherheit ruhen.

ð     Wir sollten den Ernst der Stunde erkennen und wachsam sein.

ð     Der einzig gültige Maßstab, den wir haben ist das Wort Gottes, die Bibel, denn Jesus sagt:

Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Joh.7,38.

Amen



[1] Michael de Semlyn: Alle Wege führen nach Rom (Bielefeld, CLV, 1993), S. 207.

[2] Institutio IV. 2,2.

[3] Zweites Vatikanum, Kirche 21.

[4] Zweites Vatikanum, Liturgie 41.