Der Prediger

Der Prediger fragt, welchen Gewinn ein Mensch von all seiner Mühsal hat. Gewinn ist das, was nach Abzug aller Kosten bleibt. Die Frage lautet also, ob ein Mensch sich einen bleibenden Wert in der Welt „unter der Sonne“ erarbeiten kann. Die Antwort ist ein klares Nein. Deshalb möchte der Prediger die Menschen dazu bewegen, ihr Vertrauen allein auf den Schöpfer zu setzen.

Das Buch wurde von dem Sohn Davids verfasst, der König in Jerusalem war. Er war durch Schaden klug geworden und will nun seine Leser vor diesem Schaden bewahren. Offensichtlich handelt es sich um das Zeugnis Salomos am Ende seines Lebens. Das Buch wird demnach um 930 v.Chr. entstanden sein.

 


1 Worte des Predigers, des Davidssohns, der König in Jerusalem war.

Alles vergeht

Nichtig und flüchtig, sagte der Prediger, nichtig und flüchtig – alles ist nichtig. Was bleibt dem Menschen von all seiner Mühe und Plage unter der Sonne?

 Ein Geschlecht geht, und ein Geschlecht kommt, / aber die Erde besteht immerfort. Die Sonne geht auf, und die Sonne geht unter. / Dann eilt sie dem Ort zu, wo sie wieder aufgehen soll. Der Wind weht nach Süden, / er kreist nach Norden, / er dreht und dreht und weht / und kommt zum Ausgangspunkt zurück. Alle Flüsse fließen ins Meer, / und das Meer wird nicht voll. / Zum Ort, wohin sie fließen, / da fließen sie wieder und wieder. Alle Dinge mühen sich ab, / keiner fasst sie alle in Worte. / Das Auge wird vom Sehen nicht satt / und das Ohr vom Hören nicht voll. Was gewesen ist, wird wieder sein; / was man getan hat, wird man wieder tun; / und nichts ist wirklich neu unter der Sonne. 10 Wohl sagt man: „Sieh her, da ist etwas neu!“ / Doch es war längst schon einmal da in den Zeiten vor uns. 11 An die Früheren denkt man nicht mehr. / Und an die Späteren, die nach uns kommen, / auch an sie wird man sich nicht mehr erinnern / bei denen, die noch später am Leben sind.

Ein König, der alles probierte

12 Ich, der Prediger, war König über Israel und lebte in Jerusalem. 13 Ich nahm mir vor, mit Weisheit alles zu erforschen und zu erkunden, was unter dem Himmel geschieht. Das ist eine leidige Plage. Gott hat es den Menschen aufgegeben, sich damit abzumühen. 14 Ich habe alles beobachtet, was unter der Sonne getan wird, und fand: Es ist alles nichtig und ein Haschen nach Wind. 15 Krummes kann nicht gerade werden, und Fehlendes kann man nicht zählen.

16 Ich sagte mir: „Ich habe mein Wissen vergrößert und weiß mehr als jeder, der vor mir in Jerusalem war. Mein Geist hat eine Fülle von Weisheit und Erkenntnis erfasst.“ 17 So nahm ich mir vor, herauszubekommen, was Weisheit, was Verblendung und was Dummheit ist. Doch ich erkannte: Auch das ist nur ein Haschen nach Wind. 18 Mit viel Weisheit kommt auch viel Verdruss. Wer seine Erkenntnis mehrt, mehrt auch den Schmerz.

2 1 Ich sagte mir: „Versuch es doch mit der Freude und genieße das Gute!“ Doch ich sah: Auch das ist nichtig. Zum Lachen sagte ich: „Irrsinn!“ und zur Freude: „Was bringt sie schon?“

Ich beschloss, meinen Körper mit Wein zu verwöhnen, aber dabei sollte die Weisheit in mir die Führung behalten. Ich wollte auch nach der Dummheit greifen, um herauszufinden, was die Menschen unter dem Himmel tun sollen, was gut für sie ist, solange sie leben. Ich vollbrachte große Dinge: Ich baute mir Häuser, ich pflanzte mir Weinberge, ich legte mir Gärten und Parks an und pflanzte alle möglichen Obstbäume hinein. Ich legte Teiche an, um den aufsprießenden Wald zu bewässern. Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, obwohl ich schon hausgeborene Sklaven hatte. Außerdem besaß ich mehr Rinder, Schafe und Ziegen als alle, die vor mir in Jerusalem waren. Darüber hinaus stapelte ich Silber und Gold, die Schätze vieler Könige und Länder. Ich hielt mir Sänger und Sängerinnen und die Lust der Männer: Frauen über Frauen! Ich wurde mächtiger und reicher als alle, die vor mir in Jerusalem waren. Auch meine Weisheit blieb mir erhalten. 10 Ich gönnte mir alles, was meine Augen begehrten. Ich musste mir keine einzige Freude versagen. Und so war ich glücklich nach all meiner Mühe. Ja, so weit hatte ich es mit meinen Mühen gebracht. 11 Doch als ich alles bedachte, was ich getan und erreicht hatte, und die Mühe, die ich dafür aufwenden musste, da war es nichtig und ein Haschen nach Wind. Es gibt in dieser Welt keinen bleibenden Gewinn.

Lohnt es sich, Wissen zu erwerben?

12 Da ging ich daran, Weisheit, Verblendung und Dummheit zu betrachten. Was bleibt dem Menschen zu tun, der nach dem König kommt? Nur das, was man schon längst getan hat.

13 Ich habe gesehen, dass die Weisheit einen Vorteil gegenüber der Dummheit hat wie das Licht vor der Finsternis. 14 Der Weise hat Augen im Kopf, beim Narren bleibt es finster. Doch ich erkannte auch, dass ein Geschick sie alle trifft. 15 Da sagte ich mir: „Wie einen Narren trifft es auch mich. Wozu bin ich denn so weise geworden?“ Ich sah ein, dass auch das ohne Bedeutung war. 16 Denn weder an den Weisen noch an den Narren wird man sich lange erinnern. Wie bald werden beide vergessen sein. Auch der Weise muss genauso sterben wie der Narr. 17 Da hasste ich das Leben, denn alles, was unter der Sonne getan wird, war mir zuwider. Alles ist nichtig und ein Haschen nach Wind.

Lohnt sich der Besitz?

18 Da hasste ich alles, was ich mir so mühevoll erworben hatte. Ich muss es ja doch dem überlassen, der mir nachfolgen wird. 19 Und wer weiß, ob der weise oder dumm sein wird? Und doch wird er über alles verfügen, was ich durch mein Mühen und Wissen in dieser Welt erarbeitet habe. Auch das ist nichtig. 20 So kam ich dazu, an allem zu verzweifeln, wofür ich mich unter der Sonne abgemüht hatte. 21 Denn da müht sich einer ab mit Weisheit, mit Erkenntnis und Geschick und muss es dann doch einem überlassen, der sich nie darum gekümmert hat. Auch das ist nichtig und ein großes Übel.

22 Was hat dann der Mensch von all seiner Mühe und Plage und von seinem Streben in dieser Welt? 23 Sein Leben bringt ihm nur Leiden und seine Mühe Verdruss. Selbst nachts kommt er nicht zur Ruhe. Auch das ist nichtig.

Wer kann sein Leben genießen?

24 Ein Mensch kann nichts Besseres tun, als zu essen und zu trinken und sich etwas Gutes zu gönnen von all seiner Mühe. Doch ich sah, dass auch das von Gott abhängig ist. 25 Denn wer kann essen und wer kann es genießen ohne ihn? 26 Einem Menschen, der lebt, wie es Gott gefällt, gibt er Weisheit, Erkenntnis und Freude. Doch einen Sünder lässt er einsammeln und aufhäufen, um es dem zu geben, der Gott gefällt. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind.

Alles hat seine Zeit

3 Jedes Ding hat seine Zeit. Das gilt für alles, was unter dem Himmel geschieht.

Zeit zum Gebären / und Zeit zum Sterben, / Zeit zum Pflanzen / und Zeit zum Ausreißen, Zeit zum Töten / und Zeit zum Heilen, / Zeit zum Niederreißen / und Zeit zum Aufbauen, Zeit zum Weinen / und Zeit zum Lachen, / Zeit des Klagens / und Zeit des Tanzens, Zeit, Steine zu werfen, / und Zeit, Steine zu sammeln, / Zeit, sich zu umarmen, / und Zeit, sich loszulassen, Zeit zum Suchen / und Zeit zum Verlieren, / Zeit zum Aufheben / und Zeit zum Wegwerfen, Zeit zum Zerreißen / und Zeit zum Nähen, / Zeit zum Schweigen / und Zeit zum Reden, Zeit zum Lieben / und Zeit zum Hassen, / Zeit des Krieges / und Zeit des Friedens.

Zu seiner Zeit ist alles schön

Wenn jemand etwas tut, welchen Gewinn hat er von seiner Mühe? 10 Ich sah mir an, womit Gott die Menschen sich abmühen lässt. 11 Alles hat er so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt. Aber das Werk Gottes vom Anfang bis zum Ende kann kein Mensch begreifen. 12 Ich erkannte, dass sie nichts Besseres zustande bringen, als sich zu freuen und das Leben zu genießen. 13 Wenn ein Mensch isst und trinkt und etwas Gutes sieht, dann ist das bei all seiner Mühe doch auch eine Gabe Gottes. 14 Ich erkannte, dass alles, was Gott schafft, für ewig ist. Der Mensch kann nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen. Gott hat es so gemacht, dass man in Ehrfurcht zu ihm aufschaut. 15 Was geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen wird, ist auch schon geschehen. Gott sucht das Verdrängte wieder hervor.

Was ist der Mensch?

16 Noch etwas sah ich unter der Sonne: Am Ort des Rechts war Unrecht, zur Stätte der Gerechtigkeit war die Ungerechtigkeit gekommen. 17 Da dachte ich: Schließlich ist es Gott, der den Gerechten und den Ungerechten richtet. Denn für jedes Vorhaben gibt es Zeit, und so auch für alles, was dabei geschieht. 18 Ich sagte mir: Es ist wegen der Menschen. Gott will sie prüfen, damit sie einsehen, dass sie selbst auch wie die Tiere sind. 19 Denn Menschen und Tiere haben genau dasselbe Geschick. Die einen wie die anderen müssen sterben. Sie haben beide denselben Atem. Da hat der Mensch dem Tier nichts voraus, denn alles ist nichtig. 20 Alle kommen an ein und denselben Ort. Aus dem Staub der Erde ist alles geworden, zum Staub der Erde kehrt alles zurück. 21 Wer weiß denn, ob der Lebensgeist des Menschen nach oben steigt und der Lebensgeist der Tiere hinab in die Erde? 22 So habe ich eingesehen, dass es nichts Besseres gibt, als dass der Mensch sich freut an seinem Tun, denn das ist sein Teil. Wer will ihn denn dazu bringen, hineinzusehen in das, was nach ihm sein wird?

Die Tränen der Unterdrückten

4 Ich sah auch, wie viel Unterdrückung es in dieser Welt gibt. Die Unterdrückten weinen und niemand tröstet sie. Keiner spendet ihnen Trost, denn ihre Unterdrücker haben die Macht und üben Gewalt aus. Da pries ich die Toten, die längst gestorben sind. Ihnen geht es besser als denen, die jetzt leben. Und noch besser dran ist der, der nie ins Dasein kam, der das Böse nicht gesehen hat, das unter der Sonne getan wird.

Sinn und Unsinn der Arbeit

Ich sah, dass alle Mühe und alle Tüchtigkeit nur den Neid des einen gegen den anderen weckt. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind. Es heißt zwar: „Ein Dummkopf legt die Hände in den Schoß und zehrt von der Substanz.“ Aber ich sage: „Besser eine Hand voll Ruhe als beide Hände voll Mühe beim Haschen nach Wind.“

Noch etwas Nichtiges sah ich unter der Sonne: Da lebt jemand ganz allein, hat keinen Sohn und keinen Bruder. Und doch hört seine Mühe nicht auf. Sein Auge wird am Reichtum nicht satt. – Für wen mühe ich mich dann eigentlich und versage mir jeden Genuss? Auch das ist nichtig und ein übles Geschäft.

Zwei haben es besser als einer

Zwei sind besser dran als einer, denn sie haben einen guten Lohn für ihre Mühe. 10 Wenn sie fallen, hilft der eine dem anderen auf. Doch weh dem Einzelnen, der fällt, und keiner da ist, der ihn aufrichten kann! 11 Wenn zwei zusammenliegen, wird ihnen warm. Doch wie wird ein Einzelner warm? 12 Ein Einzelner ist leicht zu überwältigen, doch die zwei halten stand. Und eine dreifache Schnur zerreißt nicht so schnell.

Wankelmütige Volksgunst

13 Besser ein Junge, arm, aber weise, als ein König, alt, aber dumm, der es nicht versteht, sich warnen zu lassen. 14 Auch wenn er aus dem Gefängnis kam, um König zu werden, auch wenn er arm geboren wurde, als jener schon König war. 15 Ich sah, wie alles Volk schon auf der Seite dieses jungen Mannes stand, der an seine Stelle treten sollte: 16 Endlos war die Menge, an deren Spitze er stand. Doch auch über ihn freuten die Späteren sich nicht. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind.

Gott mit Ehrfurcht begegnen

17 Überlege, was du tust, wenn du zum Haus Gottes gehst! Geh hin und höre zu, denn das ist besser, als wenn Unwissende Schlachtopfer bringen. Denn die wissen nicht einmal, dass sie Böses tun.

5 Sei nicht zu schnell mit dem Mund und übereile dich nicht, vor Gott das Wort zu ergreifen! Denn Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde. Geh also sparsam mit deinen Worten um! Denn bei viel Geschäftigkeit fängt man zu träumen an, und wer viele Worte macht, redet dummes Zeug. Wenn du Gott ein Gelübde ablegst, erfülle es ohne Verzug! Leichtfertige Leute gefallen Gott nicht. Halte, was du versprichst! Es ist besser, wenn du nichts gelobst, als dass du gelobst und es nicht erfüllst. Gestatte deinem Mund nicht, dich in Schuld zu bringen, und sag dem Boten ‹Gottes› nicht ins Gesicht: „Es war ein Versehen!“ Oder willst du, dass Gott zornig auf dein Reden wird und das Werk deiner Hände verdirbt? Denn wo viele Träume sind, da ist auch viel dummes Gerede. Darum fürchte Gott!

Reichtum ist bedeutungslos

Wenn du siehst, dass die Armen unterdrückt, dass Recht und Gerechtigkeit im Land verweigert werden, dann wundere dich nicht über die Sache. Denn ein Mächtiger deckt den anderen und beide deckt einer, der noch mächtiger ist. Doch ein Gewinn für das Land ist ein König, der für bestellte Felder sorgt.

Wer Geld liebt, hat vom Geld nie genug, und wer Reichtum liebt, nie vom Gewinn. Auch das ist nichtig. 10 Wenn das Gut sich mehrt, mehren sich auch die, die davon leben. Und was hat sein Besitzer mehr davon als das Wissen, reich zu sein? 11 Süß ist der Schlaf des Arbeiters, ob er wenig oder viel zu essen hat. Dem Reichen raubt sein voller Bauch die Ruhe der Nacht.

12 Es gibt ein schlimmes Übel, das ich unter der Sonne sah: Da wurde Reichtum von seinem Besitzer für einen Unglücksfall aufgespart. 13 Doch durch ein schlechtes Geschäft ging der Reichtum verloren. Und hat er einen Sohn gezeugt, hat dieser nichts mehr in der Hand. 14 So wie er aus dem Leib seiner Mutter kam, so nackt muss er wieder gehen. Von all seiner Mühe bleibt ihm nicht das Geringste, das er mitnehmen könnte. 15 Auch das ist ein schlimmes Übel. So wie er kam, muss er wieder gehen. Und was bleibt ihm, wenn er sich für nichts und wieder nichts müht? 16 Sein Leben lang hat er sich nichts gegönnt und plagte sich mit Ärger und Krankheit und Zorn.

17 Aber sieh nur, was ich Gutes sah: Es ist schön, zu essen und zu trinken und Gutes zu genießen für all die Mühe, die wir in dieser Welt haben, solange Gott uns das Leben schenkt. Das hat jeder als sein Teil. 18 Auch wenn Gott einem Menschen Reichtum und Vermögen gibt und ihn ermächtigt, davon zu essen, sein Teil zu genießen und sich am Ertrag seiner Mühe zu freuen, dann ist das eine Gabe Gottes. 19 Dann denkt er nicht so oft an die Frist seines Lebens, weil Gott ihm diese Freude schenkt.

6 Es gibt etwas Schlimmes, das ich unter der Sonne gesehen habe, was schwer zu ertragen ist. Da hat Gott einem Menschen Reichtum, Vermögen und Ehre geschenkt, er hat alles, was er sich wünscht. Doch Gott ermächtigt ihn nicht, es zu genießen, sondern ein Fremder darf alles verzehren. Das ist nichtig und ein schlimmes Übel.

Wenn ein Mann hundert Kinder hat und ein hohes Alter erreicht, aber sein Leben nicht genießen kann und am Ende nicht einmal ein ‹anständiges› Begräbnis bekommt, von dem sage ich: Eine Fehlgeburt ist besser dran als er. Denn sie kam als ein Nichts und geht in die Nacht, namenlos und vergessen. Sie sah nie die Sonne und wusste nicht, was Leben ist. Sie hat mehr Ruhe als er. Selbst wenn einer zweitausend Jahre gelebt, aber nichts Gutes genossen hat – geht nicht alles an denselben Ort?

Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, und doch ist sein Verlangen nie gestillt. Denn was hat der Weise dem Dummkopf voraus? Was nützt es dem Armen, wenn er zu leben versteht? Besser genießen, was man vor Augen hat, als das Verlangen schweifen zu lassen. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind.

10 Was geschieht, wurde längst schon beim Namen genannt. So ist auch bekannt, was aus einem Menschen wird. Er kann nicht streiten mit dem, der stärker ist als er. 11 Doch es gibt viele Worte, die das Nichtige vermehren. Was hat der Mensch davon? 12 Wer weiß denn, was gut für den Menschen ist während seines flüchtigen Lebens, das wie ein Schatten vergeht? Wer kann ihm denn sagen, was nach ihm in dieser Welt sein wird?

Was ist weise und gut?

7 Besser ein guter Ruf als ein guter Geruch – und der Tag des Todes als der Tag der Geburt. Besser in ein Trauerhaus gehen als in ein Hochzeitshaus, denn da zeigt sich das Ende jedes Menschen und der Lebende nimmt es sich zu Herzen. Besser traurig sein als lachen, denn bei ernster Miene bessert sich das Herz. Der Weise geht lieber in ein Trauerhaus, der Dummkopf in ein Haus, wo man sich freut. Besser einen Weisen schelten zu hören als einen Narren singen. Denn das Lachen eines Narren ist wie das Prasseln der Dornen unter dem Kochtopf. Doch auch das ist nichtig. Ja, Erpressung macht selbst den Weisen verrückt, und Bestechung vernebelt den Verstand.

Besser das Ende einer Sache als ihr Anfang, besser langmütig als hochmütig. Werde nicht schnell ärgerlich, denn Ärger sitzt dem Toren im Schoß. 10 Sag nicht: „Wie kommt es nur, dass früher alles besser war als jetzt?“, denn es ist nicht weise, so zu fragen. 11 Weisheit mit Wohlstand ist ein Vorteil für alle, die das Sonnenlicht sehen. 12 Denn im Schatten der Weisheit ist es wie im Schatten des Geldes. Doch der Vorteil der Weisheit ist, dass sie einen am Leben erhält.

13 Betrachte das Werk Gottes: Wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat? 14 Am Tag des Glücks sei guter Dinge, und am Tag des Unglücks bedenke: Auch diesen hat Gott ebenso wie jenen gemacht. Und was nach ihm kommt, kann der Mensch nicht wissen.

Sei nicht allzu gerecht!

15 Einiges habe ich beobachtet in meinem nichtigen, flüchtigen Leben. Da ist ein Gerechter, der in seiner Gerechtigkeit zugrunde geht, und da ist ein Ungerechter, der in seiner Bosheit lange lebt. 16 Sei nicht allzu gerecht, und gib dich nicht gar zu weise! Warum willst du dich selbst zugrunde richten? 17 Sei nicht zu oft ungerecht, und sei kein Narr! Warum willst du vor der Zeit sterben? 18 Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und vom anderen nicht lässt. Wer Gott fürchtet, wird das Richtige tun.

19 Die Weisheit macht den Weisen stärker als zehn Machthaber in der Stadt. 20 Denn kein Mensch auf der Erde ist gerecht, dass er nur Gutes tut und sich niemals schuldig macht. 21 Kümmere dich nicht um alles, was die Leute reden, damit du nicht hörst, wie dein Sklave dich verflucht. 22 Denn du weißt genau, wie oft du andere verdammst.

Vergebliches Forschen

23 Das alles habe ich mit der Weisheit versucht. Ich sagte: „Ich will weise werden!“ Doch die Weisheit blieb mir fern. 24 Fern ist, was gewesen ist, und tief, sehr tief. Wer kann es erreichen? 25 Da habe ich mich umgestellt und wollte forschend und suchend zu einem richtigen Urteil kommen, um zu verstehen, dass Unrecht Dummheit ist und Unverstand Verblendung. 26 Und nun finde ich: Die Frau, die einer Schlinge gleicht, deren Herz ein Schleppnetz ist und deren Hände Fesseln sind, ist bitterer als der Tod. Wer Gott gefällt, wird ihr entkommen, den Sünder aber fängt sie ein. 27 Schau, das habe ich herausgefunden, sagte der Prediger: Ich fügte eins zum anderen, um zu einem Ergebnis zu kommen. 28 Was ich fortwährend suchte, aber nicht fand, war dies: Aus Tausenden fand ich nur einen einzigen Mann, eine Frau aber fand ich unter all diesen nicht. 29 Nur das fand ich heraus: Gott hat die Menschen aufrichtig und gerade gemacht, aber sie sind berechnend und falsch.

Macht über Menschen

8 Wer ist so weise und wer versteht eine Sache zu deuten? Die Weisheit eines Menschen lässt sein Gesicht leuchten und die Härte darin schwinden. Die Worte des Königs beachte, weil es da einen Gotteseid gibt. Geh nicht vorschnell von ihm weg, und lass dich nicht auf eine böse Sache ein, denn er tut doch, was er will. Denn das Wort eines Königs hat Macht. Wer könnte ihm denn sagen: „Was machst du da?“ Wer das Gebot befolgt, hat nichts Schlimmes zu befürchten. Der Weise weiß im Innersten um Zeit und Recht. Denn für jede Sache gibt es die richtige Zeit und Entscheidung. Das ist so, weil das Unglück des Menschen schwer auf ihm liegt. Er weiß ja nicht, was geschehen wird, denn wer könnte ihm das mitteilen? Kein Mensch hat Macht über den Wind, keiner kann ihn zurückhalten. Und niemand hat Macht über den Tag des Todes. Im Krieg wird niemand entlassen, und das Unrecht rettet seinen Täter nicht. Das alles habe ich gesehen, als ich mich mit dem beschäftigte, was unter der Sonne getan wird. Es gibt eine Zeit, in der ein Mensch über den anderen zu dessen Unglück herrscht.

Warum geht es Verbrechern so gut?

10 Ich sah, wie Gottlose begraben wurden und zur Ruhe eingingen, während andere, die Gott gehorchten, die heilige Stätte verlassen mussten, und man vergaß sie in der Stadt. Auch das ist nichtig. 11 Weil das Urteil über die böse Tat nicht sofort vollstreckt wird, wächst in den Menschen die Lust, Böses zu tun. 12 Denn ein Sünder kann hundertmal Böses tun und doch lange leben. Aber ich habe auch verstanden, dass es den Gottesfürchtigen gut gehen wird, die Gott voller Ehrfurcht begegnen. 13 Doch dem Gottlosen wird es nicht gut ergehen. Sein Leben ist kurz und flüchtig wie ein Schatten, weil er keine Ehrfurcht vor Gott hat. 14 Trotzdem geschieht viel Sinnloses auf der Erde. Da gibt es Gerechte, denen es so ergeht, wie Verbrecher es verdienen, und es gibt Verbrecher, denen es so geht, als hielten sie sich immer ans Recht. Ich dachte: Auch das ist nichtig. 15 So pries ich die Freude, denn es gibt für den Menschen unter der Sonne nichts Besseres, als zu essen und zu trinken und sich zu freuen. Das sollte ihn bei seinem Mühen in der Zeit begleiten, die Gott ihn unter der Sonne leben lässt.

Wie soll man die Werke Gottes begreifen?

16 Als ich mich bemühte, Weisheit zu verstehen und das Treiben auf der Erde zu besehen – Tag und Nacht gönnt man seinen Augen keinen Schlaf –, 17 da sah ich, dass der Mensch das Werk Gottes in seiner Ganzheit nicht ergründen kann. Und wie sehr er sich auch abmüht, zu erkennen, was unter der Sonne geschieht, er findet es doch nicht heraus. Selbst wenn der Weise behauptet, es zu verstehen, so kann er es doch nicht begreifen.

9 Das alles nahm ich mir zu Herzen, um dies zu erklären: Die Gerechten und die Weisen und ihre Werke sind in Gottes Hand. Sei es Liebe, sei es Hass, nichts, was vor ihm liegt, kann der Mensch erkennen. Es ist so wie bei allen: Dasselbe Geschick trifft den Gerechten wie den Gottlosen; den Guten und Reinen wie den Unreinen; den, der opfert, wie den, der nicht opfert; den Guten wie den Sünder; den, der schwört, wie den, der den Schwur scheut. Das ist das Schlimme bei allem, was unter der Sonne geschieht, dass alle dasselbe Geschick trifft. Von daher ist auch das Herz der Menschen voller Bosheit und Übermut ihr Leben lang, und danach geht es zu den Toten.  Solange ein Mensch lebt, gibt es noch Hoffnung. Ein lebendiger Hund ist besser dran als ein toter Löwe. Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts. Ihre Verdienste werden nicht belohnt, denn niemand denkt mehr an sie. Ihr Lieben und ihr Hassen und ihre Eifersucht sind längst dahin. Sie haben auf ewig keinen Anteil mehr an dem, was unter der Sonne geschieht.

Die Freude am Leben

Also: Iss dein Brot mit Freude, und trink deinen Wein mit frohem Herzen! Denn schon längst hat Gott Gefallen an deinem Tun. Trag jederzeit freundliche Kleidung, und salbe dein Gesicht mit gutem Öl. Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, alle Tage deines flüchtigen Lebens, die er dir unter der Sonne geschenkt hat. Das ist dein Lohn für die Mühsal und Arbeit unter der Sonne. 10 Was immer du zu tun vermagst, das tue! Denn bei den Toten, zu denen du gehst, gibt es weder Tun noch Planen, weder Wissen noch Weisheit.

Zufall und Zeit

11 Wieder sah ich, wie es unter der Sonne zugeht. Nicht die Schnellen gewinnen den Lauf und nicht die Helden den Kampf, auch nicht die Weisen das Brot, die Klugen den Reichtum und die Einsichtigen Gunst. Denn Zeit und Zufall trifft sie alle. 12 Außerdem kennt der Mensch nicht seine Zeit. Wie die Fische ins tückische Netz geraten, die Vögel in der Falle gefangen werden, so verstricken sich die Menschen zur Zeit des Unglücks, wenn es plötzlich über sie kommt.

Weisheit und Dummheit

13 Auch dieses Beispiel von Weisheit sah ich unter der Sonne, und ich hielt es für wichtig: 14 Da gab es eine kleine Stadt mit nur wenigen Einwohnern. Ein mächtiger König zog gegen sie heran, schloss sie ein und ging mit Belagerungstürmen gegen sie vor. 15 In dieser Stadt lebte ein armer weiser Mann, der die Stadt durch seine Weisheit hätte retten können, aber kein Mensch dachte an diesen armen Mann. 16 Da sagte ich mir: „Weisheit ist besser als Macht!“ Aber die Weisheit eines Armen wird verachtet, und auf seine Worte hört man nicht. 17 Die ruhigen Worte eines Weisen sind mehr wert als das Geschrei eines Herrschers unter Dummköpfen. 18 Weisheit ist besser als Waffen, aber ein Einziger, der falsch entscheidet, kann viel Gutes verderben.

10 Tote Fliegen lassen das Öl des Salbenmischers gären und stinken. Ein wenig Dummheit macht Weisheit und Ansehen zunichte. Der Weise hat den Verstand zu seiner Rechten, der Dummkopf hat ihn zur Linken. Und wenn der Dummkopf unterwegs ist, fehlt ihm der Verstand. Er sagt allen, dass sie Dummköpfe seien.

Wenn der Herrscher zornig auf dich ist, gib deinen Platz nicht auf! Denn Gelassenheit bewahrt vor schweren Fehlern. Es gibt ein Übel unter der Sonne, das ich sah, eine Verirrung, wie sie ein Machthaber begeht: Da wird ein Dummkopf in hohe Würden eingesetzt und Reiche bleiben auf dem unteren Platz. Ich sah Sklaven hoch zu Ross und Fürsten, die wie Sklaven zu Fuß gehen mussten.

Alltagsweisheit

Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen, wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen. Wer Steine bricht, kann sich an ihnen verletzen, und wer Holz spaltet, bringt sich in Gefahr. 10 Wenn die Axt stumpf geworden ist und niemand ihre Schneide schärft, dann muss man den Kraftaufwand steigern. Es ist ein Vorteil, wenn das Wissen zu etwas taugt. 11 Wenn die Schlange schon vor der Beschwörung beißt, hat der Beschwörer nichts von seiner Kunst.

12 Einen Weisen machen seine Worte beliebt, einen Dummkopf kosten sie den Kopf. 13 Mit Dummheit beginnt er zu reden und mit bösem Unsinn hört er auf. 14 Und ein Dummkopf macht viele Worte. Ein Mensch weiß doch nicht, was geschehen wird und was nach ihm kommt. Wer soll ihm das denn sagen? 15 Die Mühe ermüdet den Dummkopf, darum findet er nicht den Weg in die Stadt.

16 Wehe dir, du Land, dessen König ein Junge ist und dessen Fürsten schon am Morgen schlemmen. 17 Wohl dir, du Land, dessen König ein Edler ist und dessen Fürsten zur rechten Zeit speisen, um sich zu stärken und nicht, um sich zu betrinken.

18 Bei Faulenzerei senkt sich das Gebälk, und wo die Hände nachlässig sind, tropft es ins Haus.

19 Zum Vergnügen bereitet man ein Mahl, und Wein erheitert das Leben, und das Geld macht beides möglich.

20 Verfluche den König nicht einmal in Gedanken und den Reichen nicht in deinem Schlafzimmer. Denn Wände haben Ohren, und deine Worte könnten Flügel bekommen.

Das Brot auf dem Wasser

11 Schick dein Brot übers Wasser,[1] und nach vielen Tagen wirst du es wieder heimkommen sehen. Verteile deinen Besitz auf sieben oder acht Stellen, denn du weißt nicht, welches Unglück über das Land kommen wird. Wenn die Wolken voll sind, geben sie Regen auf die Erde. Und ob ein Baum nach Süden oder Norden fällt – wo er hinfällt, da bleibt er auch liegen. Wer ständig nach dem Wind schaut, kommt nie zum Säen, und wer immer auf die Wolken sieht, wird niemals ernten. Wie du den Weg des Windes nicht kennst noch das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren, so kennst du auch das Werk Gottes nicht, der alles bewirkt. Am Morgen säe deinen Samen und lass am Abend deine Hand nicht ruhen, denn du weißt nicht, was gedeihen wird, ob dies oder jenes oder beides zugleich.

Denk schon in der Jugend an deinen Schöpfer!

Wie schön ist das Licht und wie gut tut es, die Sonne zu sehen! Wenn ein Mensch viele Jahre lebt, soll er sich darüber freuen und an die vielen dunklen Tage denken, die noch kommen. Alles, was kommt, ist nichtig. Genieße deine Jugend, junger Mann, freue dich in deiner Jugendzeit! Tu, was dein Herz dir sagt und was deinen Augen gefällt. Doch wisse, dass über all dies Gott mit dir ins Gericht gehen wird. 10 Halte deshalb dein Herz von Ärger frei und deinen Körper von Bosheit. Denn Jugendzeit und dunkles Haar verfliegen sehr schnell.

12 Denk an deinen Schöpfer, solange du noch jung bist; / bevor die bösen Tage kommen / und die Jahre sich nähern, / von denen du dann sagst: / „Sie gefallen mir nicht!“; bevor sich verdunkeln Sonne und Licht, / der Mond und die Sterne / und neue Wolken nach dem Regen aufziehen; wenn dann die Wächter des Hauses zittern / und die starken Männer sich krümmen, / die Müllerinnen ruhen, weil sie wenig geworden sind; / wenn dunkel werden, die durchs Fenster sehen,[2] und das Tor zur Straße geschlossen wird; / wenn das Geräusch der Mühle leise wird; / wenn man aufsteht beim Zwitschern der Vögel / und alle Lieder verklingen;[3] wenn man sich vor jeder Anhöhe fürchtet / und Angst hat, unterwegs zu sein; / wenn der Mandelbaum blüht, / die Heuschrecke sich schleppt / und die Kaper versagt[4] – denn der Mensch geht in sein ewiges Haus, / und auf der Straße stimmen sie die Totenklage an –; bevor der silberne Faden zerreißt, / die goldene Schale zerspringt, / der Krug an der Quelle zerschellt / und das Schöpfrad zerbrochen in die Zisterne fällt,[5] der Staub zur Erde zurückfällt als das, was er war, / und der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gab.

„Flüchtig und nichtig“, sagte der Prediger, „alles ist nichtig.“

Der Schluss des Ganzen

Der Prediger war nicht nur ein Weiser, sondern auch ein Lehrer, der dem Volk sein Wissen weitergab. Er wog ab, prüfte und formte viele Sprichwörter. 10 Der Prediger suchte gefällige Worte zu finden, wahre Worte richtig niederzuschreiben. 11 Die Worte von Weisen sind wie Ochsenstecken[6] und gesammelte Sprüche wie eingeschlagene Nägel, gegeben von dem einen Hirten. 12 Und darüber hinaus, mein Sohn, lass dich von ihnen warnen!

Das viele Büchermachen findet kein Ende. Und das viele Studieren ermüdet den Leib. 13 Lasst uns nun das Ergebnis des Ganzen hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote! Das soll jeder Mensch tun. 14 Denn Gott wird jedes Tun vor Gericht bringen, alles Verborgene, es sei gut oder böse.



[1] 11,1: Brot übers Wasser. Salomo meint hier vielleicht den Seehandel, an dem man sich mit einem Teil seines Vermögens beteiligt.

[2] 12,3: … durchs Fenster sehen. Gemeint ist wohl: Die Hände zittern, die Beine werden schwach und krumm, die Zähne fallen aus und die Augen werden trüb.

[3] 12,4: … verklingen. Gemeint ist wohl: Das Gehör wird immer schlechter, man schläft nicht mehr gut und das Vergnügen bedeutet nichts mehr.

[4] 12,5: ... die Kaper versagt. Gemeint ist vielleicht das weiße Haar, der Verlust der Beweglichkeit und des Geschmacks.

[5] 12,6: ... fällt. Alles Bilder für den Tod.

[6] 12,11: Ochsenstecken. Zum Antreiben der Rinder gebrauchte man einen Stab mit einer scharfen Spitze.