Von Kathmandu nach Wanne-Eickel Wanne-Eickel Der Nepalese ist Hindu, baut Reis an und lebt unter den Gipfeln des Himalaya – so weit das gängige Bild. Aber es geht auch anders: Der Nepalese Dambar Adhikari ist Christ, arbeitet als Missionar und lebt in Wanne-Eickel. Von dort aus betreut er nicht nur etwa 6000 seiner Landsleute in Deutschland, sondern auch viele der 80 000, die sich über Europa verteilen. Auch junge Migranten aus 85 anderen Ländern habe er bereits für die Lehre Christi begeistern können, sagt der Nepalese. Und das kam so: Vor 48 Jahren wurde Dambar Adhikari in einem Himalaya- Dorf geboren. "Schon als ich etwa vier Jahre alt war, machte ich mir Gedanken darüber, was für ein Gott es sein könnte, der reine und unreine Menschen unterscheidet, wo doch eigentlich alle gleich sind", erinnert sich Dambar Adhikari am Esstisch seiner Altbauwohnung an der Burgstraße. Seine frühkindlichen Zweifel am Kastenwesen hinderten ihn nicht daran, im zwölften Lebensjahr eine Ausbildung zum Hindu-Priester zu beginnen. "Nach zwei Jahren machte ich Hausbesuche, opferte Tiere – tat eben, was ein Hindu-Priester tut. Aber Frieden und Freude fand ich nicht dabei", sagt er. Mit 16 Jahren verließ er sein Dorf und ging nach Kathmandu. In der Hauptstadt Nepals, immerhin fast eine Million Einwohner, arbeitete er für eine Import-/Exportfirma. Dem Hinduismus blieb er treu. "Jeden Morgen bin ich um vier Uhr aufgestanden, zum Tempel am Fluss gegangen, habe gebadet und gebetet." Zu dieser Zeit wohnte er in mehr als bescheidenen Verhältnissen. Ein Gurkha-Captain, ein nepalesischer EliteSoldat in der britischen Armee, hatte ihm seine Garage als Unterkunft vermietet. Dessen Kinder wurden von einem Hauslehrer unterrichtet. "Ab und zu unterhielt sich dieser freundliche Mann mit mir", leitet Adhikari die äußerst außergewöhnliche Geschichte seiner Bekehrung ein. Die Frau des Vermieters warnte ihn, er solle mit dem Lehrer nicht über Religion reden. Er sei Christ. "Christliche Missionsarbeit steht in Nepal unter Strafe", erläutert Dambar Adhikari ihre Bedenken. Daraufhin sei er dem Lehrer nicht mehr freundlich begegnet, habe ihn beschimpft, abgewiesen und sei ihm konsequent aus dem Weg gegangen. "Zu meiner Verwunderung blieb der Mann freundlich und lud mich immer wieder ein", erzählt der Nepalese. Irgendwann sei er dann tatsächlich auch hingegangen zu einem Treffen der christlichen Untergrundkirche. Und irgendwie sei er auch beeindruckt gewesen, wenn die acht Menschen im winzigen Wohnraum des Lehrers sangen, predigten und aus der Bibel lasen. Aber er war in den drei Jahren, die er in Kathmandu lebte, nicht mehr als drei oder vier mal dort. So richtig gepackt hatte ihn die Lehre Christi dann doch nicht. Schließlich ging er zurück in sein Dorf. Weil aber seine Mutter unter Herzrhythmusstörungen litt, kehrte er bald nach Kathmandu zurück und nahm die Mutter mit, um sie in einem der Krankenhäuser der Hauptstadt behandeln zu lassen. Er sparte für die Behandlung. Täglich fragte die Mutter: "Junge, wann bringst du mich zum Arzt?" Und immer antwortete er "Morgen". Aber das Geld reichte nicht. Eines Nachts sei er nach Hause gekommen, die Mutter habe leblos auf dem Boden gelegen, sei schon kalt gewesen. "Sie war tot", sagt Adhikari und fügt hinzu: "Ich wollte es aber nicht wahrhaben. Ich hatte sie doch zum Gesundwerden nach Kathmandu gebracht und nicht zum Sterben." Bis zum Morgen habe er geklagt, geweint und zu Hindu-Gottheiten gebetet. Weil kein Taxi und kein Bus eine Tote transportiert hätte, packte Dambar seine Mutter schließlich in ein Tragetuch und schleppte sie auf dem Rücken durch die Stadt. Zwei Ärzte in zwei Krankenhäusern suchte er auf. Beide hätten mit ihm geschimpft, die Frau sei tot, was er denn wolle, und er solle sich mit ihr davonscheren, sagt er. In seiner Not erinnerte er sich an die christliche Gruppe um den Hauslehrer. "Dort angekommen, habe ich ihn und seine Freunde angefleht, für meine Mutter zu beten, und ich habe es auch getan und mein Leben in Jesus’ Hände gegeben. Nach etwa fünf Minuten hat meine Mutter ihre Augen wieder geöffnet. 16 Stunden zuvor hatte ich sie tot aufgefunden", erzählt Dambar Adhikari in ruhigem Ton, aber mit leuchtenden Augen. Wie verrückt habe er damals Freudensprünge gemacht. "Damit war meine Frage nach dem wahren Gott beantwortet", erinnert er sich und strahlt. Nicht nur er und seine Mutter seien so Christen geworden, sondern fast alle seine Verwandten. "Nur mein Papa nicht. Er hat mich dafür gehasst, dass ich Christ geworden bin. Er wollte mich sogar töten und verriet mich an die Polizei. Am Tag, bevor ich wegen christlicher Missionstätigkeit verhaftet werden sollte, bin ich nach Bahrain geflohen", berichtet Adhikari. 1990 nach Deutschland Wegen des 1. Golfkriegs verließ er die Region und kam am 1. Dezember 1990 nach Deutschland. Eine Baptistengemeinde in Bad Kreuznach stellte ihn bald als Prediger an. Über die Ehefrau des Leiters der Stadtmission Wanne-Eickel, die aus der Gegend von Bad Kreuznach stammt, lernte Adhikari Thomas Milk kennen. "Irgendwann sagte er: ,Komm’ zu uns. Im Ruhrgebiet gibt es viele nepalesische Bürgerkriegsflüchtlinge, denen du das Christentum bringen kannst.’" 2003, nach zwölf Jahren in Bad Kreuznach, zog Dambar Adhikari gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Schweizerin Barbara Brühwiler, nach Wanne-Eickel. Beide arbeiten nun in der Evangelischen Stadtmission mit. Darüber hinaus bereist Dambar Adhikari im Dienst der Kontaktmission – einer überregional ausgerichteten christlichen Organisation – Europa, besucht Familien und hält Vorträge in Gemeinden und auf Kongressen. "Gott hat mir den missionarischen Auftrag gegeben", sagt der Nepalese aus Wanne-Eickel.