Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 108

Abschrift der Predigt vom 14. Juni 1987 über 4. Mose 21, 4-9 (Mose erhöht die Schlange in der Wüste).

 

Liebe Freunde,

wenn ihr die Bibel lest, findet ihr die seltsamsten Schlangengeschichten. Die sonderbarste findet ihr im 4. Buch Mose, Kapitel 21. Da lesen wir, das Volk Israel ist aus der ägyptischen Gefangenschaft geflohen, zog durch die Wüste. Am Tag war’s heiß, in der Nacht war’s kalt, und jeden Tag dasselbe Essen. Montags: Manna mit Wachteln. Dienstags: Wachteln mit Manna. Mittwochs: Manna mit Wachteln und so weiter und so fort.  

Das Umleitungsschild in der Wüste wirft die Israeliten aus der Bahn.

Das ist ungefähr so, wie wenn du jeden Tag Broiler[1] mit Brötchen essen musst. Das geht drei Tage lang gut, aber ab dem vierten Tag kannst du die Viecher einfach nicht mehr sehen. Und während du an der knusprigen Haut deines Gummiadlers knaupelst, fängst du an zu träumen und es erscheint vor deinem inneren Auge eine schlanke Bockwurst. Du hast nur noch einen einzigen Wunsch: Endlich einmal wieder so ein gewöhnliches, ordinäres Ding im Plastedarm essen zu können. Hitze, Kälte, Hunger, Durst, einseitige Ernährung, vielseitige Gefahren – das alles hat das Volk Israel noch ausgehalten. Aber als die an das Umleitungsschild kamen, da war der Ofen aus.

Ihr wisst ja: Der Mensch ist unwahrscheinlich belastbar. Aber irgendwo hat jeder Mensch eine Grenze, und wenn man an diesen Punkt kommt, und da belastet wird, da bricht man zusammen. Dieser Punkt war für das Volk Israel das Umleitungsschild. Als sie da ankamen, da brach die Revolution aus.

Das kam so: Die Israeliten wollten nach Kanaan. Um da hinzukommen, mussten sie durch das Hoheitsgebiet der Edomiter. Diese weigerten sich, die Durchreiseerlaubnis zu erteilen. Die stellten einfach kein Transitvisum aus, sondern sie stellten einfach ein Umleitungsschild auf. Ein großer Pfeil nach rechts in die Wüste: Strecke der Umleitung: 150 Kilometer. Das ist ungefähr so, wie wenn du von Karl-Marx-Stadt nach Leipzig willst, und kurz vor Frohberg stehst du an diesem blöden Umleitungsschild, das dich mindestens eineinhalb Stunden kostet. Da kommt natürlich Freude auf.

Umleitungsschilder und Sündenböcke.

4. Mose 21, 4: Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete gegen Gott und gegen Mose. Solange alles glatt geht, gehst du in die junge Gemeinde, und der Glaube an Gott fällt dir leicht. Sobald es beschwerlich wird, da fällt dir der Glaube schwer. Wenn es bei dir im Leben nicht so läuft, wie du willst, wenn du an ein Umleitungsschild kommst, da fängst du an zu maulen, und das erste was du brauchst, ist ein Sündenbock. Denn Schuld, das ist ja klar, schuld sind immer nur die anderen. Dass du selber vielleicht daran schuld sein könntest, indem du falsche Wege gegangen bist, das ist natürlich von vorneherein ausgeschlossen.  Du bist o.k., und diejenigen, die den Mist gebaut haben, das sind immer die anderen. Das sind die da oben, das ist der da oben, das ist Gott. Der hätte besser aufpassen müssen, damit dein Leben glatt verläuft. Der hätte Acht geben müssen, dass dir nichts passiert. Warum hat Gott das zugelassen?

Wenn ich mit Nichtchristen über Gott rede, stellen die mir regelmäßig dieselben zwei Fragen. Erstens: „Warum lässt Gott den Krieg zu?“ und zweitens: „Warum lässt Gott den Krebs zu?“. Das ist heute Abend nicht unser Thema, aber ich will wenigstens ein paar Gedanken dazu sagen. Gott hat den Menschen bestimmte Ordnungen gegeben und hat gesagt: „Wenn ihr euch danach richtet, dann klappt’s und wenn nicht – dann kracht’s“. Nun stellt euch einmal vor: Ein Mensch fährt bei Rot über die Ampel. Ergebnis: Es kracht. Er steigt aus, wirft einen Blick auf seine verbeulte Karosse und wirft dem herbei geeilten Volkspolizisten vor: „Wie konnten Sie das zulassen!“ Die Polizei ist zuständig für die Zulassung von Fahrzeugen aber nicht für die Zulassung von Autounfällen. Deshalb ist die Frage des Unfallverursachers: „Wie konnten Sie das zulassen!“ eine Unverschämtheit.

Warum hat Gott das zugelassen? – Eine unverschämte Frage.

Die Frage: „Warum hat Gott das zugelassen?“ ist unfair. Sie ist unlogisch, sie ist unverschämt, auch in Bezug auf den Krebs. Krebs ist keine Erfindung Gottes. Heute weiß jedes Kind, dass das Anwachsen der Krebserkrankungen in unserem Jahrhundert ganz besonders damit zusammen hängt, dass seit einiger Zeit Atombombenversuche auf unserer Erde gemacht worden sind. Auf den Bikini-Inseln und in Sibirien und anderswo. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Regierungen in Washington und in Moskau. Und in zweiter Linie all diejenigen, die diese Regierungen gewählt haben bzw. die ihrer Atompolitik zugestimmt haben bzw. die dazu geschwiegen haben. Also, mit anderen Worten: Wir alle! Wir alle haben es zugelassen.

Es ist nicht so, dass wir uns hinstellen könnten und zu Gott sagen: „Wie kannst Du das zulassen?“ – Leute, die Sache ist genau umgedreht: Wir haben das zu verantworten. Und uns alle wird Gott einmal fragen: „Wie konntet ihr es zulassen, dass die Erde, die Ich gut geschaffen hatte, so zerstört worden ist?“ Deshalb ist die Frage „Gott, warum hast Du das zugelassen“ eine scheinheilige Frage, zu der wir alle überhaupt kein Recht haben.

„Gott, warum?“ – das war die Frage der Israeliten, als das Umleitungsschild kam, als ihr Weg auf einmal anders verlief, als sie es sich gedacht hatten. „Gott, warum?“ – das ist nicht die Frage des dreijährigen Kindes, das immer fragt „Warum, warum?“ und alles aus Neugierde wissen will. Diese Frage ist ein grundsätzlicher Misstrauensantrag, denn es steckt dahinter die Meinung, Gott habe nicht richtig aufgepasst. Er ist unfähig, Er macht Fehler. Das ist also nicht nur Zweifel an Gottes Fähigkeiten, es ist auch Zweifel an Gottes Führung, an Gottes Güte, an Gottes Verheißung. Die Israeliten hatten einfach kein Vertrauen mehr zu Gott – das war ihre Schuld.

Das ist das, was die Bibel Sünde nennt. Unglaube, Ungehorsam, Misstrauen. Und aus diesem Misstrauen heraus kam auch das freche Gemaule der Israeliten, Vers 5: Warum hast Du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es gibt hier weder Brot noch Wasser und uns ekelt vor dieser mageren Speise. Statt froh zu sein, dass sie überhaupt etwas zu essen haben, haben sie noch die große Fresse. Sie haben überhaupt keinen Durchblick mehr, wie die Sache in Wirklichkeit gelaufen ist. Gott hatte sie aus der Sklaverei befreit, das hatten sie vergessen. Er hatte sie durch das Rote Meer geführt, das hatten sie vergessen. Gott hatte versprochen, sie nach Kanaan zu bringen, das hatten sie vergessen. Und dass sie nicht gleich nach Kanaan kamen, sondern jahrelang in der Wüste herumirren mussten, das war ihre ureigene Schuld – und das hatten sie erst recht vergessen. Alles vergessen, aber am Essen mäkeln. Und uns ekelt vor dieser mageren Speise.

Das Bild vom „Lieben Gott“ ist ein erfundener Popanz.

Da sandte Gott feurige Schlangen unter das Volk, die bissen das Volk, so dass viele aus Israel starben. Das ist ja nun nicht die feine englische Art, wie Gott hier seinem vergesslichen Volk in Erinnerung bringt. Und das passt vor allem nicht zu unserer Vorstellung vom „Lieben Gott“. Der ist schließlich dazu da, die Fliegen aus unserem Leben zu verscheuchen, aber nicht mit fliegenden und feurigen Schlangen die Menschen zu piesacken. Aber ich jede hier ja nicht vom „Lieben Gott“ – ich weiß auch überhaupt nicht, wer diesen Popanz erfunden hat  - sondern ich rede hier von dem Gott der Bibel, und die Bibel sagt: Irrt euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten[2]. Und sie sagt: Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen[3].

Diese Seite Gottes – seine Heiligkeit, sein Zorn, seine Gerechtigkeit, seine gerechten Gerichte – diese Seite Gottes haben die Menschen noch nie gerne sehen wollen. Es ist zum Beispiel typisch, dass unsere Jahreslosung heißt: Die Gabe Gottes ist das Ewige Leben. Das ist zwar richtig, aber das ist nur die Hälfte: der Wahrheit und des Satzes. Denn in der Bibel heißt dieser Satz vollständig: Der Lohn der Sünde ist der Tod, aber die Gabe Gottes ist das Ewige Leben. Den ersten Teil dieses Satzes hat die Kommission, die die Jahreslosung ausgesucht hat, gleich einmal weggestrichen. Denn wer redet schon gern von der Sünde, und das noch ein ganzes Jahr lang – das kann man ja niemand zumuten. Die Bibel mutet uns das zu. Sie redet von der Sünde und unsere Schlangengeschichte ist eine einzige Auslegung des Satzes: Der Tod ist der Lohn für die Sünde.

Leute, die Sünde ist kein harmloser Flop, das ist ein lebensgefährliches Gift. Auch wenn du das vielleicht gar nicht so siehst. Hast du schon einmal Kohlenmonoxid gesehen? – Ich auch nicht. Hast du schon einmal Kohlenmonoxid gerochen? – Ich auch nicht. Kohlenmonoxid ist ein Gas, das ist garantiert geruchlos, garantiert unsichtbar und garantiert tödlich, wenn du es in deine Lungen einatmest und hineinlässt. Genauso ist das mit dem Zeug, das die Bibel „Sünde“ nennt.

Wenn du die in dein Leben hineinlässt, merkst du erst gar nicht, wie gefährlich das ist. Aber die Sünde vergiftet dein Leben. Du gehst an ihr kaputt und gehst deswegen in die Hölle. Nun sag mal nicht: „Nu mal langsam, das darf man alles nicht so wörtlich nehmen mit der Sünde und der Hölle, das wird der liebe Gott (falls es Ihn überhaupt gibt) schon nicht so verbissen sehen.

Den Israeliten vergeht das Geschwätz vom lieben Gott – sie tun Busse.

Also, den Israeliten, die von den Schlangen gebissen wurden, war dieses lahme Geschwätz vom lieben Gott, den man nicht so ganz ernst zu nehmen braucht, vollkommen vergangen. Die vergingen vor Todesangst: Überall liefen Schlangen herum, überall lagen tote Menschen im Lager rum. Und in ihrer Angst, da liefen sie zu Mose, ihrem Führer und sagten: Wir haben gesündigt, dass wir gegen Gott und gegen dich geredet haben[4].

Mit anderen Worten: Es bricht in diesem Volk eine Bußbewegung aus. Menschen erkennen ihre Schuld, bekennen ihre Schuld und kehren um zu Gott. Das ist das, was Gott erreichen will.

Was er erreichen will durch seine Güte und durch seine Gerichte. Und das ist es auch, was er heute Abend erreichen will, bei dir. Er will dich erreichen, dein Herz, und dich zurückholen von den falschen Wegen, auf die du gekommen bist.

Als die Israeliten merkten, dass ihre Sünde ihnen den Tod brachte; als sie sich bekehrten und um Vergebung baten, sagt Gott zu Mose: Mach dir eine Stange aus Metall und richte sie an einer Stange hoch auf. Und wer gebissen ist und sie ansieht, der soll leben[5].

Nicht alle glauben der Schlange auf der Stange.

Also, dass Gott feurige Schlangen schickt, um die Menschen wieder munter zu machen, das klingt schon unwahrscheinlich genug. Aber dass eine Schlange auf der Stange von Gott als Heilmittel angeboten wird, damit die, die tödlich getroffen sind, leben können – das klingt einfach unsinnig.

Und es ist verständlich, dass viele damals gar nicht erst hingesehen haben[6]. Die sahen da gar keinen Sinn drin, die sagten: „Das ist doch Schwachsinn, sowas! Mose, kannst du uns vielleicht einmal erklären, wie das funktionieren soll? Ein Blick auf dieses Eisending, diese Schlange, und dann sollen unsere Wunden heil sein?! Das ist doch grotesk, das ist doch Dummenfang, das glaubst du doch selber nicht! Uns kann kein Arzt mehr helfen, da hilft uns auch deine Schlange nicht. Ist doch lächerlich, sowas!“

Und sie gingen lieber zugrunde, weil sie zu stolz waren, einen bittenden Blick auf die von Gott hingestellte Schlange zu werden. Andere sagten: „Na, wenn das Ding wenigstens aus Gold wäre oder aus irgend einem kostbaren Metall, aber einfach so, ein einfaches Gerät, was soll denn das nützen. Das ist doch Quatsch! An sowas glauben ist doch primitiv!“ Und sie gingen zugrunde, weil ihnen die Schlange als Rettungsmittel zu primitiv war. Andere sagten: „Das klingt zwar primitiv, aber vielleicht hilft’s tatsächlich, vielleicht wird man wirklich gesund, wenn man da hin sieht. Aber es muss ja nicht gleich sein. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Heute fühl ich mich noch ganz wohl, und falls es mir morgen wirklich schlechter gehen sollte, kann ich ja morgen bei der Schlange vorbei gucken. Und noch während sie so redeten tat das Gift seine Wirkung und sie starben. Es war für sie zu spät, nach der Schlange zu sehen! Und sie gingen zugrunde, weil sie den richtigen Augenblick, den entscheidenden Augenblick im wahrsten Sinn des Wortes verpasst haben.

Andere lagen da und beschäftigten sich nur mit ihren Problemen, mit ihren Krankheiten und mit ihren Ängsten. Die sahen nur den Schlangenbiss am Fuß, die Wunde an der Hand, sie sahen nur immer auf sich, dass es immer schlimmer wurde, und niemals auf die erlösende Schlange und sie gingen zugrunde. Und dann gab es noch welche in dem Volk Israel, die glaubten das, was Gott sagte. Auch wenn es primitiv klang. Sie glaubten, was Gott sagte, auch wenn das verrückt klang. Sie nahmen Gott beim Wort, sie nahmen Ihn einfach so. Sie guckten auf die Schlange.

Und, so lesen wir hier in Vers 9: Wenn jemand eine Schlange biss und er sah auf die eherne Schlange, so blieb er am Leben.

Manchen ist das Rettungsangebot Gottes zu primitiv.

Und jetzt gibt es eine Gruppe, und die ist hier in dieser Kirche auch vertreten, die sagt: „Nun, das ist ja nun wirklich ein Blödsinn. Das sind doch Märchen für bekloppte Höhlengeister, Beduinenmärchen. So etwas kann man doch als vernünftiger Mensch nun wirklich nicht ernst nehmen!“

Wirklich nicht? Jesus, der Sohn Gottes, hat diese Geschichte ernst genommen. Er hat sie blutig ernst genommen. Er hat sie auf sich und sein Leben und sein Schicksal und sein Sterben bezogen.

Im Johannes-Evangelium, Kapitel 3, sagt Jesus: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss des  Menschen Sohn erhöht werden, damit alle, die an Ihn glauben, das ewige Leben haben. Mit dem Menschensohn meint Jesus sich selber. Und mit dem ‚erhöht werden‘ meint Er, dass Er selbst an einem Kreuz aufgehängt werden muss.

Warum Jesus gekreuzigt werden musste, warum Gott sich nichts anderes ausgedacht hat, um die Menschen zu retten, das hat Jesus nicht erklärt. Es muss so sein, weil es Gott so beschlossen hat. Das einzige, was Er von dir verlangt, das ist, dass du an Ihn glaubst, dass du Ihn ansiehst, dass du Ihn als deinen Retter ansiehst.

Also sieh Ihn an, wie Er am Kreuz hängt, an einer Holzstange zwischen Himmel und Erde. Von Gott verlassen, von den Menschen verspottet, und wie Er die Lippen bewegt, und wie Er, während Er verblutet, noch sagt: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Wir alle sind ohne Jesus verloren. Und wir alle sind von der gleichen Schlange gebissen, wir alle sind mit dem gleichen Gift infiziert. Wir alle sind vom gleichen Tod bedroht und wir alle kriegen von Jesus die gleiche Chance. Nämlich, dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden. Jesus möchte, dass du lebst, verstehst du! Dass du an deinem Leben Freude hast und dass dein Leben gelingt.

Mit Jesus leben, heißt nicht, dass Er dir deine Probleme abnimmt. So hatten sich das die Israeliten gedacht, die von den Schlangen gebissen worden waren. Als sie in ihrer Not zu Mose kamen, haben sie als allererstes gesagt: Bitte den Herrn, dass Er die Schlangen von uns wegnimmt[7]. Na, so hätten wir es gerne, dass Gott uns die Probleme aus dem Weg räumt, so wie in dem Kindergebet:“ Lieber Gott, mach doch, dass die Vitamine nicht im Spinat, sondern in dem Pudding sind.“ Oder das Morgengebet des alten Hektikers: „Lieber Gott, gib mir Geduld, aber bitte gleich!“

Gott räumt uns die Schlangen und Schwierigkeiten nicht aus dem Wege. Und Er gibt dir keine Garantie für ein Leben ohne Probleme. Ergibt dir Jesus. Der gibt dir die Kraft, deine Probleme anzupacken. Er vergibt dir das, was du im Leben falsch gemacht hast. Das übliche Gegenargument: „Wie soll mir in meinem Leben jemand helfen, der vor zweitausend Jahren gestorben ist? Wieso kann der mir meine Sünden vergeben? Sowas ist doch primitiv!“

Tatsächlich hat doch dieser Professor Bultmann, dieser berühmte Vertreter der modernen rationalistischen Theologie, geschrieben: „Was für eine primitive Theologie, dass ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die Sünden der Menschheit sühnt!“ Damit hat der Professor Bultmann das Kreuz verspottet und er hat damit ausgesprochen, was viele Menschen denken, nämlich dass das Kreuz ein blanker Unsinn ist.

Einer, der die Kraft nicht erkannt hat.

An dieser Stelle muss ich euch einmal eine Geschichte von dem Kaiser Napoleon erzählen. Ihr wisst ja, dass der Kaiser Napoleon sich immer für den Allergrößten hielt. Eines Tages haben sie ihm von der Erfindung der Dampfmaschine erzählt. Und mit der Dampfmaschine kann man auch große Kriegsschiffe antreiben. Und weil Napoleon dauernd Kriege führte und Kriegsschiffe einsetzte, sagte man ihm, die Dampfmaschine könne ihn seinem Ziel näher bringen. Als ihm das von seinen Experten erklärt wurde, hat er gelangweilt zum Salonfenster rausgeguckt, wie draußen einer eine Zigarre raucht, und fragte: „Das bisschen Dampf soll ein Kriegsschiff antreiben?“ Napoleon hielt die Bemerkung für geistreich und den Vorschlag damit für erledigt. Er merkte nicht einmal, dass er zu blöde war, Dampf von Qualm zu unterscheiden. Aber weil er stolz war und weil er mächtig war, da verhinderte sein Stolz und seine Macht, gepaart mit seiner Dummheit, dass die Erkenntnis von der Kraft der Dampfmaschine sich damals durchsetzte. Und dieser Fehler hat das Schicksal des Kaiser Napoleon entschieden.

Gottes Angebot mag primitiv aussehen – aber es ist ohne Alternative.

Leute, das ist unsere Situation. Unser Schicksal entscheidet sich daran, was wir von Jesus halten. Ob wir in Ihm die Kraft Gottes erkennen, die uns vorwärts bringt, oder ob wir Ihn verkennen, weil Er am Kreuz so einen mickrigen und bescheidenen Eindruck machte. Da bietet Gott uns eine Lösung an, eine Erlösung. Und ich gebe zu, das Angebot, das Gott uns macht, das sieht sehr unwahrscheinlich aus. Es sieht primitiv aus, unästhetisch, unelegant. Es handelt sich um diesen Mann, der am Kreuz hängt.

Aber Leute, ob primitiv oder nicht: dieser Mann ist Gottes Angebot. Das ist Gottes letztes Wort, das ist Gottes Weisheit letzter Schluss. Und da stellen wir uns hin mit unserem Stolz und unserer menschlichen Beschränktheit und haben die Frechheit zu sagen: „Wir versehen Gottes Weisheit mit dem Stempel: Das ist Unsinn!“ Wir halten unsere Dummheit für der Weisheit letzten Schluss und Gottes Weisheit für primitive Dummheit.

Aber das hat schon der Apostel Paulus vorausgesagt. Im ersten Brief an die Korinther hat er geschrieben, es kann ja gar nicht sein: Für die, die verloren gehen, muss die Botschaft vom Kreuz als primitiver Unsinn erscheinen. Wir aber, die wir gerettet werden, erfahren darin Gottes Kraft[8].

Das Kreuz: Kraft Gottes oder Unsinn?

Bei dieser gegensätzlichen Beurteilung – Kraft Gottes oder Unsinn – ist es bis heute geblieben. Peter Maffay sagt: „Ich betrachte Jesus mehr als eine historische Gestalt und weniger als eine Person, die für mich gekreuzigt werden soll.“ Und Bob Dylan singt in einem seiner herrlichen Lieder, die er nach seiner Bekehrung geschrieben hat: „Da ist ein Mann am Kreuz und Er ist für dich gekreuzigt. Glaube an seine Kraft – sie reicht aus, um bestehen zu können.“

Und zwischen den Menschen, die sagen, das Kreuz ist Gottes Kraft oder es ist Unsinn, da stehen Menschen, die sagen: „Ja, das ist alles schön und gut, aber für mich ist es nichts. Es gibt für mich keine Rettung mehr! Meine Schuld ist viel zu groß, und ich kann mich bei Gott überhaupt nicht mehr sehen lassen. Für mich gibt es keine Vergebung. Ich habe in meinem Leben schon so viel falsch gemacht, dass mir Christus nicht mehr helfen kann.“ Mensch, was hat das denn damit zu tun! Jesus ist für Alle, für alle Sünden gestorben. Und wenn Er seinen eigenen Mördern vergibt, dann vergibt Er auch dir. Kümmer dich doch nicht darum, ob du fünfzig Wunden hast oder keine, kümmer dich doch nicht darum, ob du viele Sünden hast oder nur kleine, das spielt doch überhaupt keine Rolle. Alles was du zu tun hast ist: Sieh auf Jesus! Das heißt, traue Ihm zu, dass Er dein Leben in Ordnung bringen kann, wieder starten kann, dass Er ihm neuen Schwung, neue Kraft geben kann!

Ich sage dir: Es ist niemand anderes als der Teufel, der dir jetzt einreden will, dass das alles für dich nicht mehr infrage käme. Doch, genau du bist gefragt, egal wie tief du verwundet worden bist, oder dich selbst verwundet hast durch die Sünde. Ich rufe dich zu Jesus und ich berufe mich auf sein eigenes Wort, dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen, das ewige Leben haben.  Alle, verstehst du! Da ist keiner ausgeschlossen, du auch nicht.

Und selbst wenn du behauptest, du könntest nicht glauben, dann behaupte ich, du könntest es ja zumindest mal probieren. Du könntest ja wenigstens einmal wie der zweifelnde Soldat zu Jesus sagen: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben![9] Und das genügt. Du brauchst ja bloß einmal wie der sinkende Petrus Jesus deine Hand entgegen zu strecken und sagen: Herr, ich versinke![10] – das langt. Du brauchst bloß wie der sündige Zöllner zu Jesus zu rufen: Gott, sei mir Sünder gnädig![11] Und das reicht, um dich in Gottes Reich zu bringen. Fürchte dich nicht, es mit Jesus zu versuchen, du wirst bei Ihm keinen Reinfall erleben.

Auch wenn du das mit dem Kreuz noch nicht so richtig verstehst, versuch es trotzdem, auch wenn du das noch verrückt findest. Jawohl, das Kreuz ist genauso verrückt wie die Geschichte von der eisernen Schlange. Dass der Sohn Gottes für uns Menschen stirbt ist das Verrückteste, was jemals auf dieser Erde passiert ist und die einzige Erklärung, die es dafür gibt ist die: Dass Gott verrückt ist vor Liebe zu uns. Zu einer Welt, die sich in Rebellion zu Gott befindet. Denn, so sagt die Bibel: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben[12].

 

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[1] DDR-Deutsch für: Brathühnchen. – Anm. des Schreibers.

[2] Galater 6, 7

[3] Hebräer 10, 31

[4] 4. Mose 21, 7

[5] Vers 8.

[6] Die von Theo im Folgenden beschriebenen ablehnenden Reaktionen der Israeliten stehen so nicht in der Bibel, dienen also mehr der Illustration der Predigt. – Anm. des Schreibers.

[7] 4. Mose 21, 7

[8] 1. Korinther 1, 18

[9] Markus 9, 24 – Theo Lehmann hat diese Stelle mit Matthäus 8 in Verbindung gebracht, wo von einem Soldaten die Rede war. – Anm. des Schreibers.

[10] Matthäus 14, 30

[11] Lukas 18, 13

[12] Johannes 3, 16