Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 54

Abschrift der Predigt vom 10. Juni 1979 über Johannes 3,1-36 (das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus).

 

Liebe Freunde, nicht jeder, der als ein politischer Verbrecher bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit einer. Aber es ist in jedem Fall gefährlich, mit solchen Menschen befreundet zu sein. Jesus war kein politischer Verbrecher. Aber man hat ihn damals wegen staatsgefährdenden Äußerungen und Aufwiegelung der Volksmassen und wegen Gotteslästerung öffentlich gehenkt. Wer an der Beerdigung von Jesus teilnahm, der solidarisierte sich mit einem Mann, der offiziell als Verbrecher galt.

Der Mann am Grabe.

Wer sich an dessen Grab sehen ließ, der machte sich verdächtig, der gefährdete seine eigene Karriere. Man kann vielleicht ein kleines Blumensträußchen verschämt unter der Jacke verstecken, aber nicht einen riesigen Kranz. Damals, zu Zeiten von Jesus, da ging man zur Beerdigung nicht mit Kränzen, sondern mit duftenden Kräutern. Man kann vielleicht eine Handvoll Kräuter verschämt unter der Jacke verstecken. Aber nicht einen Sack mit hundert Pfund. Hundert Pfund solche Kräuter, die sind nicht zu verstecken, die sind nicht zu übersehen, die sind vor allem nicht zu überriechen. Das musste ja den Spitzeln, die ganz unauffällig an den Ecken standen und ihre Maiglöckchen verkauften, das musste ja denen in die Nase fahren. Vor deren Augen, da hastet ein Mann durch die abendlichen Gassen von Jerusalem in Richtung Stadtrand, Friedhof.

Der kann nicht warten, bis es Nacht ist, um vielleicht im Schutz der Dunkelheit an das Grab von Jesus zu schleichen. Denn wenn es dunkel wird, da beginnt der Feiertag und da darf niemand mehr mit einer Last auf den Straßen unterwegs sein. Und dieser Mann, der schleppt eine Last. Auf dem Buckel, das schleppt er einen Rucksack mit hundert Pfund Kräutern darin. Dieser Mann, der hier in vollem Licht der Öffentlichkeit sich voll zu Jesus bekennt, der heißt Nikodemus.

Ich weiß das nicht, wie der so ein mutiger Christ geworden ist. Denn das hat Mut gekostet, offen an das Grab von Jesus zu gehen. Ich weiß bloß, dass der früher Angst hatte, sich überhaupt in der Nähe von Jesus blicken zu lassen. Der stand Jesus genau so fern, wie viele von euch. Und er konnte sich genauso wenig wie viele von euch vorstellen, wie man überhaupt ein Christ werden kann. Und über diese Frage, wie kann man ein Christ werden, da hat er sich mal mit Jesus unterhalten, und das will ich euch heute erzählen.

Schwein gehabt und trotzdem kein Glück.

Der Nikodemus war, was seine äußeren Lebensumstände betrifft, ein beneidenswerter Mensch. Er war reich, er war Spitzenfunktionär des jüdischen Staatsapparates, und er war ein gelehrter Professor. Höher konnte man gar nicht steigen. Mehr an Karriere war gar nicht drin, dazumal für einen begabten Menschen. Und trotzdem war er unzufrieden.

Einer aus unserer jungen Gemeinde, der hat mal einen Abend gehalten zum Thema der Karriere. Und da ging es um die Frage, was ist wichtiger: Jesus oder meine Karriere? „Natürlich Jesus“ sagte er damals. Er gehörte ja zur Gemeinde. Er hat später seine Meinung geändert. Er ließ Jesus beiseite und widmete sich nur mehr seiner Karriere.

Vor ein paar Tagen traf ich ihn auf der Straße. Und da hat er mir dann erzählt aus seinem Leben. Er hat wirklich erreicht, was ein junger Mann in seinem Alter erreichen kann. Er hat einen Studienplatz, er hat eine Frau, er hat auch eine Wohnung. Aber er hat keinen Frieden. Er ist unzufrieden. Er hat nur genölt. Mit allem hat er Schwein gehabt, bloß nicht mit dem Glück. Denn zum glücklich sein gehört offenbar mehr als nur eine Frau, ein Studienplatz und eine Wohnung. Man hat ja bloß meistens keine Zeit, über das alles so nachzudenken. Am Tage muss man arbeiten, am Abend fernsehen. Aber in der Nacht, wenn alle Apparate und alle Lichter mal ausgeschaltet sind, kommen einem ja so allerhand Gedanken. Und die Gedanken kann man nicht einfach abschalten wie eine Nachttischlampe, die sind ja da.

Nikodemus will es wissen – du auch?

Eines Nachts sitzt der Professor Nikodemus in seiner Gelehrtenstube. Und er kaut an der Frage: was kommt aus meinem Leben eigentlich raus? Sicher, sagt er sich, ich hab's zu etwas gebracht, meine Karriere, das soll mir erst einmal einer nachmachen. Bloß: was ist der Sinn vom Ganzen? Der Professor Nikodemus merkt, dass ihm etwas fehlt. Er kann es aber nicht in Worte fassen, er kann es nicht konkretisieren. Er merkt nur: es fehlt mir etwas in meinem Leben.

Und da pustet er kurz entschlossen die Kerze aus, zieht sich einen dunklen Mantel drüber und schleicht im Schatten der Nacht durch Jerusalems Gassen und geht zu Jesus. Johannes Evangelium, Kapitel drei: Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden. Der kam zu Jesus bei der Nacht. Nikodemus geht zu Jesus, weil er fühlt, der hat zu tun mit dem, was mir fehlt. Er erwartet, dass er das von Jesus kriegt. Er geht also mit einer bestimmten Erwartung zu Jesus hin.

Genauso wie du mit einer bestimmten Erwartung in diesen Abendgottesdienst gekommen bist. Du erwartest, dass du heute frei wirst von deiner Angst. Dass du loskommst von deiner Wut. Das du wegkommst über deine innere Leere. Dass du drüber wegkommst über deine Traurigkeit. Du suchst nach einer Sinngebung deines Lebens. Du hoffst, dass du diesen Sinn bei Jesus findest. Das ist das, was du erwartest, wenn du hierher kommst. Das gibst du natürlich nicht zu. Im Gegenteil, du protestierst jetzt innerlich. Sagst: da muss ich Sie aber enttäuschen, Herr Pfarrer. Ich komme nicht wegen ihrem Jesus her, sondern wegen ihrer Witze! Wenn ich vielleicht überhaupt etwas erwarte, dann dass ein neues Lied gesungen wird oder so. Im Grunde genommen bin ich hier aus Langeweile.

Also gut, mein lieber Nico – wenn ich Nico sage, meine ich immer dich, wenn ich Nikodemus sage, meine ich den Professor – also gut, Nico, wir wollen uns nicht streiten, warum du hier bist. Wir wollen einmal lieber sehen, was der Professor macht. Der Professor macht genau dasselbe wie du. Er gibt mit keiner Silbe zu, dass er ein Problem hat. Kein Wort davon, dass er sich am Leerlauf seines Lebens wund scheuert. Dass er sich danach sehnt, ein anderer Mensch zu werden. Bloß nicht zugeben, dass er Hilfe braucht, einen Helfer, einen Heiland, einen Erlöser. Bloß ja nicht den Eindruck erwecken, er hätte ein seelsorgerliches Gespräch nötig! Überhaupt nicht! Professor Nikodemus ist gekommen, um mal ein bisschen zu plaudern, zu diskutieren. Will sich mal mit diesem Jesus unterhalten. Interessiert ihn einfach, der Mann. Eine kleine theologische Debatte unter Fachleuten, mehr ist nicht geplant.

Statt die Frage zu stellen, die ihn nachts umtreibt, die Frage nach dem persönlichen Seelenheil, statt zu fragen, was er nicht weiß, da redet er von dem, was er weiß. Vers zwei: Meister, sagt er, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen. Niemand kann die Zeichen tun, die du tust, außer Gott ist mit ihm.

Jesus stellt die Frage, vor der sich alle fürchten.

Der Mann hat also eine ziemlich hohe Meinung von Jesus. Aber Jesus sucht ja nicht Leute, die eine ziemlich hohe Meinung von ihm haben, sondern die ihn lieb haben. Jesus sucht keine Bewunderer, er sucht Nachfolger. Und deswegen geht Jesus auf diesen Schwall von förmlichen und höflichen Redensarten gar nicht ein. Sondern Jesus beantwortet die Frage, die Nikodemus wirklich interessiert, nämlich wie werde ich ein neuer Mensch. Finde ich in meinem Leben einen Sinn. Jesus antwortet ihm, Vers vier: Ich versichere dir, nur wer von neuem geboren ist, kann Gottes Reich sehen. Mit anderen Worten: Jesus stellt dem Professor Nikodemus die Frage, vor der sich so viele Christen, auch so viele christliche Professoren, so fürchten. Nämlich die Frage: bist du wiedergeboren, das heißt auf Deutsch: bist du bekehrt? Da gibt es unter den Christen, vor allem unter den Professoren, so viele, die fangen jeden Satz genauso an wie der Nikodemus. „Wir wissen!“ Sie stochern in der Bibel rum und sagen: „Wir wissen. Wir wissen, dieser Vers ist echt. Wir wissen, dieser Vers ist unecht. Wir wissen, Jesus hat das und das gesagt und das und das nicht gesagt. Wir wissen!“

Eine Professorin wird wiedergeboren. Ihr erschütterndes Bekenntnis.

Eine von denen, die auch alles ganz genau weiß, das ist die Frau Professor Dr. Eta Linnemann[1] aus Marburg. Das ist eine Schülerin von Bultmann, eine Vertreterin der sogenannten modernen Theologie. Das heißt, sie ist es nicht, sondern sie war es. Sie war es, denn voriges Jahr hat sie folgenden Aushang in der Universität Marburg aushängen lassen, an die Studenten und Professoren dort:

„Ich habe Jesus Christus als meinen lebendigen Herrn erfahren, der für meine Sünde am Kreuz gestorben ist und der auferweckt ist und dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Und ich erfahre durch den Heiligen Geist und die Zeugnisse der Brüder und Schwestern die ganze Bibel als Gottes lebendiges Wort, das heute geschieht. Ich habe erkannt, dass ich in meinem Leben ein blinder Blindenleiter gewesen bin. Ich erachte alles was ich bisher gelehrt und geschrieben habe, als einen Dreck. Ich kann nicht länger versuchen, das Wort der Schrift mit meinem Denken zu kontrollieren, sondern nur noch darum bitten, dass Gott durch den Heiligen Geist mein Denken verwandelt.“

Seht ihr, diese Frau, diese alte Professorin, die ihr Leben lang offensichtlich falsch gelehrt hat, die hat die Erfahrung gemacht, in Gottes Reich kommt man nicht durch viel Wissen - „Wir wissen!“  - sondern da kommt man rein durch Wiedergeburt.

Was ist Wiedergeburt?

Was heißt Wiedergeburt? Wiedergeburt heißt nichts anderes als Bekehrung. Der Ausdruck Wiedergeburt macht nur deutlich, dass es sich dabei um etwas handelt, was man selber nicht machen kann. Man kann sich nicht selber gebären, man wird geboren. Das neue Leben, das ist ein Geschenk von Gott. So wie bei dieser Frau Professor hier. Ein verwandeltes Denken durch den Heiligen Geist. Das ist die Wiedergeburt. Wiedergeburt ist also dasselbe wie Bekehrung. Bekehrt bist du, wenn du Jesus als den Herrn deines Lebens annimmst. Wiedergeboren bist du, wenn du ernst machst mit der Tatsache, dass Gott dein Vater ist. Ein Kind Gottes bist du, wenn du weißt, Gott liebt mich, und wenn du diese Liebe an deine Mitmenschen weitergibst.

Es kommt nicht darauf an, ob du hinter alle Geheimnisse der Bibel kommst und alle Dogmen der Kirche verstehst. Es kommt auf deine Wiedergeburt an. Eine Geburt, das ist ja kein Gedankending, sondern das ist die Grundtatsache des Lebens. Verstehst du: Gott will in dein Leben rein! Du überwindest den toten Punkt deines Lebens nicht dadurch, dass du noch mehr arbeitest. Dein Charakter und deine Karriere. Wenn einer einmal auf dem falschen Wege ist, dann nützt es ihm nichts, wenn er immer schneller rennt. Nein – dann muss er ganz von neuem anfangen, von neuem anfangen. Neu geboren werden wie ein Kind! Jesus sagt ja einmal: wenn ihr nicht von neuem geboren werdet wie die Kinder, dann kommt ihr nicht in Gottes Reich. Eigentlich müsste der Nikodemus jetzt sagen: „Jesus, Du hast recht. Nimm mein Leben.“

Der Herr Professor auf dem Glatteis.

Aber statt das einzige zu tun, was jetzt dran ist, nämlich dass er sein Leben Jesus übergibt, da fängt dieser Mann an, zu diskutieren. Als Jesus dem Nikodemus die Frage nach der Bekehrung stellt, da sitzt der schon auf Glatteis. Da ist der Herr Professor bereits am Ende mit seinem Wissen, auch mit seinem Begreifen. Er begreift bloß so viel, dass hier von unbegreiflichen Dingen die Rede ist. Und da verlegt er sich nun auf‘s Diskutieren, und zwar auf eine so primitive Weise, dass man sich wundert, wie ein gebildeter Mensch solchen Schwachsinn produzieren kann. Das ist mir schon öfter aufgefallen, wenn man gerade mit gebildeten Menschen über Gott redet, da reden die einen Mist zusammen, dass einem übel werden könnte. Auf das Stichwort „Wiedergeburt“ da antwortet der Professor Nikodemus folgendes: „Wie kann ein Mensch denn wiedergeboren werden, wenn er schon alt ist? Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen. Die Antwort, die er hier gibt, offenbart in einer geradezu peinlichen Weise, wie vollkommen vergeblich das ist, die Dinge Gottes mit der Vernunft erfassen zu wollen. „Wie soll das vor sich gehen?“ fragt der Professor. „Soll ich alter Mann vielleicht noch einmal in den Leib meiner Mutter zurückkriechen?“

Also wenn ein kluger Mensch eine Sache derart grotesk missversteht und solchen Unsinn redet, dann beweist er damit lediglich, dass er die Sache sehr genau verstanden hat. Und Nikodemus hat sehr genau verstanden, wovon Jesus redet. Nikodemus versteht: „Umkehren soll ich!“ Nicht in den Mutterleib, sondern zu Gott. Er spürt: jetzt hat Jesus mein Herz angegriffen. Und er biegt diesen Angriff mit der Vernunft ab. Er merkt: „Jetzt müsste ich Jesus mein Leben geben“ – aber vor diesem Schritt, da zuckt er zurück. Er will erst noch mal darüber reden. Und deshalb fragt er: „Also wie ist das möglich? Ich bin doch ein erwachsener Mann, wie kann ich denn noch einmal von vorne anfangen? Wie kann ich meine Vergangenheit auslöschen? Wie kann ich über meinen Schatten springen?“ Statt Jesus sein Leben auszuliefern, diskutiert er über das „Wie?“


Diskussion als Zuflucht, um sich nicht für Jesus entscheiden zu müssen?

Nichts gegen Diskussion. Auch nichts gegen Fragen, im Gegenteil. Man müsste viel mehr fragen und viel mehr diskutieren. Aber über die Frage, ob du Jesus dein Leben geben willst, da gibt’s wirklich nichts zu diskutieren. Da kannst du bloß Ja oder Nein sagen. Die Diskussion ist die letzte Zuflucht für diejenigen, die sich nicht klar und eindeutig für Jesus entscheiden wollen. Die Frage „Wie? Wie ist das möglich?“ ist die typische Frage von denen, die gerne in der Zuschauerhaltung bleiben wollen. Die nicht den Hochspannungsdraht Jesus sozusagen anfassen wollen. Die nur ja nicht zu nahe an Jesus ran möchten. Ich beobachte das immer wieder bei Gesprächen gerade nach solchen Gottesdiensten und Evangelisationsabenden. Da sind Menschen von der Botschaft gepackt. Die sind angesprochen. Die haben den Kraftstrom Gottes gespürt. Und die merken: „Wenn ich jetzt zugreife, dann werde ich jetzt verwandelt!“ Aber sie zucken vor diesem Schritt zurück. Sie haben Angst, den Schritt auf Jesus hin zu tun. Und da versuchen sie, sich aus der Affäre zu ziehen, indem sie – diskutieren. Und sie kommen dann hinterher zu mir und sagen: „Gefällt mir gut, was ihr macht. Find ich klasse, was die Kirche da abzieht. Völlig in Ordnung. Was du gepredigt hast, war auch ok. Auch den Jesus find ich ja irgendwie dufte. Aber“ – und jetzt kommt’s eben – „wie ist das möglich, dass Jesus Gottes Sohn ist? Wie kann ein Toter wieder lebendig werden? Wie kann ein Wunder geschehen? Wie kann einer, der zwanzig Jahre lang als Atheist gelebt hat, sich bekehren? Wie kann überhaupt jemand, nachdem er eine Predigt gehört hat, sich bekehren?“

Wie das sein kann, das weiß ich auch nicht. Ich kann die Frage nicht beantworten, weil sie Jesus auch nicht beantwortet hat. Ich kann dir bloß sagen, wenn du hier in der Kirche sitzt und wenn du diesen Gottesdienst beklatschst und getauft bist und ein Kreuz am Hals hängen hast und wenn du dich einen Christen nennst: es nützt dir alles nichts, wenn du nicht bekehrt bist. Wenn du nicht bekehrt bist, kommst du nicht in Gottes Reich. Jesus sagt, am Schluss dieses Kapitel im letzten Vers: wer dem Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das ewige Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.

Ohne Wiedergeburt kein Zugang in das Reich Gottes.

Es ist doch ganz logisch: wer nicht geboren ist, der lebt nicht. Geburt ist lebensnotwendig. Wer nicht wiedergeboren ist, hat das ewige Leben nicht. Die Wiedergeburt ist lebens-, ist heilsnotwendig. Die Rede von der Wiedergeburt, das ist nicht so eine spezielle Macke von ein paar besonders frommen Leuten. Das Pochen auf die Bekehrung, das ist nicht die fixe Idee von ein paar fanatischen Predigern. Sondern es ist das, was Jesus selber gesagt hat. Er hat gesagt: Nur, nur wer von neuem geboren ist, der wird das Reich Gottes sehen.

Bist du wiedergeboren? Bist du bekehrt? Bist du ein Kind Gottes? Kannst du auf diese Frage ein klares und sofortiges und freudiges „Ja“ sprechen? Verstehst du, das geht nicht darum, dass du einen Bekehrungstermin angeben kannst. Das kann ich auch nicht. Mir geht es so wie den Negern in den Südstaaten. Wenn die gefragt wurden: „Wann bist du geboren, dann sagte so ein Neger: „Ja, das weiß ich nicht, wann ich geboren bin. Aber dass ich lebe, das weiß ich!“ Ich kann auch keinen Bekehrungstermin angeben. Aber dass ich mit Jesus lebe, das kann ich mit Bestimmtheit sagen und dafür lasse ich mich totschlagen. Kannst du auf die Frage: „Bist du bekehrt“ sofort und klar und freudig ein „Ja“ sagen? Wenn du das nicht kannst, dann kannst du nicht in Gottes Reich. Wenn du das möchtest, dann kannst du heute, dann kannst du jetzt sofort sagen: „Herr, nimm mich!“ Dann kannst du heute in das Reich eintreten. Der Nikodemus war sozusagen schon fast mit einem Bein in dem Reich drin, da kratzt er im letzten Moment die Kurve mit dieser Frage: „Ja, wie kann denn das geschehen?“ Der Herr Professor will es eben immer ganz genau wissen. Aber Jesus ist kein Professor. Und Jesus macht’s nicht kompliziert, sondern bei Ihm ist immer alles ganz einfach.

Jesus lässt sich nicht auf das flache Niveau der „vernünftigen“ Argumente dieses Professors herunter ziehen. Jesus diskutiert nicht. Er diskutiert gleich gar nicht über die Bekehrung. Vor allem nicht über das „wie“ der Bekehrung. Jesus erklärt nicht erst umständlich, wie man sich bekehrt, sondern er erklärt kategorisch: Bekehrung ist nötig! Und er sagt: wer nicht bekehrt ist, der kann das Reich nicht haben. Mit dieser kategorischen Beschreibung will Jesus sagen: ich kann und will dir nicht beschreiben, wie das ist, mit der Wiedergeburt. Das kannst du bloß erleben. Und wenn du es nicht erlebst, kannst du es nicht begreifen. Da hältst du es eben für einen religiösen Tick oder irgend sowas. Wenn du es aber glaubst, das heißt, wenn du dein Leben Jesus gibst, da fragst du nicht mehr nach dem „Wie?“

Wenn du noch nie verliebt warst, kann dir das auch niemand erklären, wie das ist mit dem verliebt sein. Wenn du mich fragst, wie macht man das, sich verlieben, dann kann ich nur sagen: Du Knallkopp, das macht man nicht, das ist man! So kann auch Jesus dem Nikodemus auf seine Frage „Wie macht man das, wiedergeboren werden, bekehrt werden?“ – keine Antwort geben. Er sagt ihm bloß: „Liefere mir dein Leben aus, und dann wirst du es schon sehen.“

Komm raus in die helle Sonne.

Verstehst du, Nico, das geht nicht um Argumente oder um kluge Gedanken, um kluge Fragen nach dem „Wie“. Es geht einfach um die Frage, bist du bereit, nicht bloß über Jesus zu reden, sondern ihm nachzufolgen. Wenn es um den Glauben an Jesus geht, dann musst du nicht erst alle damit zusammenhängenden Fragen und Probleme durchdacht und geklärt haben. Das ist weder möglich noch nötig.  Du kannst nicht sagen: „Zunächst muss ich mir erst einmal Klarheit über das alles verschaffen, und dann sage ich zu Jesus Ja.“ Die Sache ist genau umgekehrt. Komm raus aus den Unklarheiten deines Lebens und tritt in das Licht Gottes! Und dann bekommst du Klarheit. Martin Luther hat einmal gesagt: „Ein Christ ist ein Mann, der aus einem dunklen Haus in die helle Sonne springt.“ Komm raus, Nico, spring raus aus den Unklarheiten deines Lebens und komm mal aus der Hüfte. Jesus erwartet dich.

 

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[1] Eta Linnemann (1926 – 2009). Evangelische Theologin in Marburg, Schülerin von Rudolf Bultmann, zunächst eine Verfechterin der historisch-kritischen Methode. Ihr erstes Buch wurde zu einem Standardwerk der historisch-kritischen Methode. Sie sagte sich 1978 von Lehrer und Lehre los und schrieb das Buch „Was ist glaubwürdig – die Bibel oder die Bibelkritik?“ (VTR-Verlag), in dem sie die Arbeitsweise dieser Methode als letztlich unwissenschaftlich entlarvt. – Anm. des Schreibers