Der 2. Thessalonicherbrief Helfende Worte für eine gefährdete und verfolgte junge Gemeinde Eine Betrachtung des zweiten Briefes des Paulus an die Thessalonicher von Herbert Jantzen und Thomas Jettel 2014-2018 Vorwort Wir freuen uns einen erbaulich gehaltene Kommentar zum zweiten Thessalonicherbrief von Herbert Jantzen veröffentlichen zu dürfen. Das Büchlein entstand aus Gedanken, die Herbert Jantzen, in verschiedenen Vorträgen geäußert hat. Die Vorträge wurden überarbeitet und leicht ergänzt. Zum Teil ist die mündliche Stil erhalten geblieben. Bibelzitate sind der Übersetzung von Herbert Jantzen "Das Neue Testament in deutscher Fassung" (Verlag FriedensBote) entnommen. So der Herr will und Gesundheit und Kraft schenkt, sollen weitere erbauliche Kommentare bzw. Betrachtungen zu biblischen Büchern folgen. Wir wünschen den Lesern Gottes reichen Segen. Thomas Jettel Dättlikon, im Sommer 2019 EINLEITENDES ZU DEN BRIEFEN AN DIE THESSALONICHER Silas und Timotheus waren zur Zeit der Abfassung des Briefes mit Paulus zusammen. Sie befanden sich in Korinth. Dort verbrachte Paulus 18 Monate (wahrscheinlich Winter 51 bis Frühjahr 52 n. Chr.). Der 1. Thessalonischer wurde Ende 50 n. Chr. oder Anfang 51 n. Chr. verfasst, der 2. Thessalonischer folgte relativ kurz darauf, möglicherweise noch im Jahr 51 oder anfangs 52. Paulus hatte von falschen Lehren gehört, die in Thessalonich verbreitet wurden, von Fehlinformation über das Kommen des Herrn. (2. Thessalonischer 2, 2.). Diese hatten Folgen im christlichen Lebenswandel. Außerdem hatten die Verfolgungen nicht abgenommen (1, 4). Es bestand die Gefahr, die lebendige Hoffnung (1, 3) aus den Augen zu verlieren. Ausharren ohne Hoffnung geht nicht lange gut. Deshalb will er sie trösten mit einer begründeten Hoffnung (K. 1). Und schließlich gab es bei einigen das Problem von undiszipliniertem Lebenswandel, das inzwischen wohl größer geworden war als zu der Zeit, als er den ersten Brief schrieb (2. Thessalonischer 3, 6ff). Während der erste Brief stärker geprägt ist von Paulus' Verhalten als "nährende Mutter" (1. Thessalonischer 2, 7) und die tiefe Zuneigung stark ans Licht tritt, ist sein Verhalten im 2. Brief mehr von seiner "Vaterrolle" (1. Thessalonischer 2, 11) geprägt, der seine Kinder unterweist, zurechtweist und festen Halt gibt. I: DER EINGANGSGRUSS 1, 1-2 1: Die Grüßenden: V. 1A "Paulus und Silvanus und Timotheus" Als Grüßende werden Paulus, Silvanus und Timotheus genannt. Dass Paulus allein der Verfasser des Briefes ist, geht aus 3, 17 hervor sowie aus dem gelegentlichen Gebrauch der 1. Person im Verlauf des Schreibens. 2: Die Gegrüßten: V. 1M Paulus schreibt "der Gemeinde der Thessalonicher". Es ist zu beachten, dass alle Heiligen von Thessalonich die "Gemeinde der Thessalonicher" bilden. Wer in Thessalonich zwar die Versammlungen besucht, aber nicht wiedergeboren ist, gehört nicht zur "Gemeinde der Thessalonicher". . Die anschließende Beschreibung ist bedeutungsvoll: "in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus": Die Gemeinde befindet sich "in Gott" und "in dem Herrn Jesus Christus", d. h., sie besteht aus Heilsmenschen. Unbekehrte gehören nicht zur Gemeinde. . Hier wird der "Leib"-Charakter der Angeschriebenen deutlich. Sie sind Leib Christi. Als Thessalonicher sind sie eine Mehrzahl, als Gemeinde aber miteinander zu einer Einheit verbunden. Beides haben die Lesenden zu Herzen zu nehmen. Es handelt sich hier um einen Satzteil, der mit einer Präposition ("in") beginnt. Ein solches Gefüge hat die Aufgabe eines Beschreibungswortes. Wollte nun der Apostel diese Beschreibung in erster Linie auf das unmittelbar bevorstehende Wort "Thessalonicher" beziehen oder auf das umfassende Wort "Gemeinde" davor? - Bezieht sich der Zusatz ("in Gott ... und [in] ... Christus") in erster Linie auf das Wort "Thessalonicher", so kann es heißen, dass es sich um diejenigen Thessalonicher handelt, die in Gott und in Christus sind, als ob er sagen wollte: "Paulus und Silvanus und Timotheus, - der Gemeinde jener Thessalonicher, die in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus sind." Das hieße, alle Christen am Ort wären als dortige Gemeinde betrachtet. - Bezieht sich der Zusatz in erster Linie auf "Gemeinde", als ob er sagen wollte: "Paulus und Silvanus und Timotheus, - der thessalonikischen Gemeinde, die in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus ist", so wird betont, dass diese sich nicht nur an einem irdischen Ort, sondern auch an einem himmlischen befindet. - Beides trifft zu. Diese beiden Aspekte sollten alle Leser des Briefes zu Herzen nehmen. 3: Das Grußwort: V. 2 "Gnade [sei] euch ‹zuteil› und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus." Das Grußwort ist das uns von anderen neutestamentlichen Briefen bekannte. a: Zwei Elemente Es besteht aus zwei Elementen: "Gnade" und "Friede". Dafür wollen wir beten, wenn wir füreinander beten. Damit wollen wir grüßen, wenn wir einander grüßen. b: Eine Gebetsform "sei euch ‹zuteil›" Ein Gruß ist eine Form von Gebet, eine Art Gebetswunsch. Der Grüßende wünscht dem Gegrüßten von Gott her etwas. Er weiß, dass nur Gott es geben kann, daher richtet er, während der grüßt, einen Wunsch an Gott. Gnade und Friede haben ihre Quelle in "Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus". Vorhin hatte der Apostel geschrieben: "Gemeinde der Thessalonicher in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus", jetzt schreibt er: "Gnade ... und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus". Vater und Sohn sind also nicht weit weg, denn die Thessalonicher sind "in" ihnen. Und von ihnen bekommen sie alles, denn Gnade und Friede decken alles das ab, was wir für den jetzigen Glaubensweg benötigen. Wir alle leben in dem Raum, in Gott, der in seinem Sohn unsere Fülle ist. II: EIN WORT IM BLICK AUF DEN ÄUßEREN DRUCK 1, 3-12E A: Dank 1, 3.4 "Wir sind es schuldig, Brüder, ..." Schuldig sind wir immer. "... Gott allezeit für euch zu danken, so wie es angemessen ist, ..." Wir schulden Gott immer Dank. So ist es angemessen. Wir sind die Nehmenden, daher haben wir zu danken. Was ist Dank? Dank ist Erkenntlichkeit. Dabei ist ein Bezug zu dem, der dankt vorhanden. (Ich danke meiner Frau, dass sie den Tisch sauber gedeckt hat. Ich habe etwas davon, bin in irgendeiner Weise davon positiv betroffen.) Der Dankende unterstellt sich dem, dem er dankt. Weil der Moment der Unterstellung vorhanden ist, ist es undenkbar, dass Gott einem Menschen dankt oder zu Dank verpflichtet sei. Der Herr dankt seinem leibeigenen Knecht nicht. (Vgl. Lukas 17, 9.) Was ist hingegen Lob? Lob ist Anerkennung einer Tat, Gabe oder Eigenschaft dessen, der gelobt wird. Damit wird der, der gelobt wird, erhoben. Beim Lob ist - im Gegensatz zum Dank - nicht notwendigerweise eine Unterstellung des Lobenden unter den Gelobten vorhanden. Daher ist es auch möglich, dass Gott einen Menschen lobt (z. B. Römer 2, 29; Matthäus 25, 21.23; Lukas 16, 8), sogar ehrt. "Ehren" ist stärker als "loben" (1S 2, 30; Johannes 12, 26). Loben kann man eine Person für ihre Handlungen, für ihr Wesen und ihre Eigenschaften; danken kann man einer Person für ihre Handlungen oder für ihre Gaben. 1: Für das Wachsen "..., weil euer Glaube in hohem Maße [eigtl.: übersehr] wächst und die Liebe eines jeden von euch allen sich mehrt, [die Liebe] zueinander, ..." Wofür schuldet der Apostel Dank? Paulus sagt: Wir schulden Gott Dank, weil er unser Gebet erhört hat. Wofür hatte er gebetet? Für den Glauben und die Liebe der Thessalonicher, d. h., für das Zunehmen des Glaubens (Vertrauens) und das Zunehmen der gegenseitigen Liebe. Glaube und Liebe sind die zwei wichtigsten Tugenden im Leben des Christen. Glaube ist der Schlüssel und Liebe der Inhalt der Beziehungen des Christen (zu Gott und zu Menschen). Dafür sollen auch wir beten. Dass Glauben und Lieben wachsen, ist nicht selbstverständlich. Es ist gesund, sich die Frage zu stellen: Wie wächst Glaube (Vertrauen)? Und wie wächst Liebe? a: Für das Wachsen ihres Glaubens "weil euer Glaube in hohem Maße [eigtl.: übersehr] wächst" Das Wesen, die Grundlage einer Beziehung ist das Vertrauen. Ohne Vertrauen keine Beziehung. Von Natur aus, seit dem Sündenfall beherrscht uns Misstrauen zu Gott, zu uns selber und zu anderen Menschen. Christus kam, damit wir wieder glauben können. Glaube ist der Schlüssel des Christenlebens überhaupt. Ohne glauben kann niemand Gott gefallen (Hebräer 11, 6). Vertrauen auf Gott ist ein Vertrauen auf seine Aussagen. Glaube ehrt Gott und nimmt seine Verheißungen in Anspruch. Vertrauen auf Gott ist ein Vertrauen auf seine Person. Je mehr man einer Person vertrauen kann, umso mehr kann man ihr anvertrauen, ihr aufladen. Wer Gott vertraut, kann sich über ihn freuen. Psalm 33, 21: "An ihm freut sich unser Herz, denn auf seinen heiligen Namen haben wir vertraut." 1. Petrus 1, 8: "... den ihr nicht ‹gesehen und› gekannt habt ‹aber› liebt, den ihr jetzt nicht schaut, [an den] ihr aber glaubt, [auf den] ihr euch freut mit hoher, unaussprechlicher und verherrlichter Freude". b: Exkurs: Wie wächst Glaube (Vertrauen)? . Gottvertrauen wächst durch intensives Befassen mit dem Objekt des Glaubens: Gott, Christus, seine Aussagen, seine Verheißungen. Je mehr wir erfassen, wie zuverlässig und vertrauenswürdig er ist, umso mehr wird es den Glauben stärken. Das Vertrauen bringt uns in Verbindung mit Christus, sodass er dann in uns wirken kann. So war es, als wir zum Glauben kamen, so ist es auch, nachdem wir zum Glauben gekommen sind (Kolosser 2, 6.7.) . Gottvertrauen wächst durch Erfahrungen - Erinnerungen aus der eigenen Vergangenheit: Z. B. der königliche Beamte (Johannes 4, 46-54): Im Nachhinein verstärkte sich der Glaube. Vgl. V. 50 mit V. 53. (Ein anderes Bsp.: 2, 22) Je mehr man konkret Dinge von Gott erbittet und (aufgrund klarer Verheißungen) erwartet, umso mehr Erfahrungen macht man. Man lernt Gott und Gottes Wege besser kennen. - Erfahrungen anderer Glaubenszeugen In Hebräer 11 und 12, 1ff. lesen wir von den Glaubenszeugen im AT. Es ist für den Glauben förderlich, wenn wir ermutigende Biografien lesen und auf Berichte von Glaubenszeugen unserer Tage hören. . Gottvertrauen wächst durch Gehorsam, durch Ausüben von gehorsamen Glauben. Wer auf das eingeht, was Gott sagt, ist gehorsam (Römer 1, 5; 16, 26). Ungläubige werden im NT des Öfteren "im Unglauben Ungehorsame" genannt (z. B. Apostelgeschichte 14, 2; 17, 5; 19, 9; Römer 2, 8; 10, 21; 11, 31; Titus 1, 16; 3, 3; Hebräer 3, 18; 1. Petrus 2, 7.8; 4, 17). Die Bsp. in Hebräer 11 zeigen, dass die Zeugen gehorsam waren. Darin äußerte sich ihr Glaube. Glauben heißt: Vertrauen auf das, was Gott sagt und ist - und sich entsprechend verhalten. Glaube braucht immer ein Fundament: einerseits eine Bedingung und andererseits eine Verheißung, die eintrifft, wenn die Bedingung erfüllt wird. Wer Gott auf sein Wort hin gehorcht, erfährt Wachstum im Glauben. Glaube steht in Verbindung mit Treue (vgl. das griech. pistis und das hebr. aman/ämunah). Es ist daher von entscheidender Wichtigkeit, dass der Gläubige radikal alles aus seinem Leben ausmerzt, was ihn von der Treue Christus gegenüber abbringen will (Hebräer 12, 1-4). Wer nicht glaubt, was Gott in Matthäus 6, 33 sagt, wird die Sorge um das materielle Wohl vor den Dienst im Königreich Gottes setzen. Wer nicht glaubt, dass der Mensch von jedem Wort Gottes lebt (Matthäus 4, 4), wird es nicht als schlimm erachten, wenn er einmal einen Tag oder zwei ohne Bibellesen und Nachdenken verbringt. . Gottvertrauen wächst durch Gottes Bemühen um unseren Glauben. Gott möchte, dass wir ihm vertrauen. Aber er kann uns nicht dazu zwingen, denn dann wäre es nicht wirkliches Vertrauen. Daher wirbt er um unser Vertrauen. (NB: Glaube/Vertrauen ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen insofern, als er uns es dadurch ermöglicht, dass er für uns starb, auferstand und lebt, und dadurch dass er ist was er ist, nämlich vertrauenswürdig. Er stellt sich selbst uns vor Augen; er nimmt uns nicht die Verantwortung, sondern stellt uns in die Entscheidungsnotwendigkeit ihm zu vertrauen oder ihm nicht zu vertrauen.) c: Für das Wachsen ihrer Liebe zueinander "und die Liebe eines jeden von euch allen sich mehrt, [die Liebe] zueinander, ..." Paulus dankt auch für die Mehrung der Liebe der Thessalonicher zueinander. Liebe ist die Substanz einer Beziehung, d. h., die Beziehung besteht durch Liebe. Davon lebt sie. Liebe ist das, was Gott fordert - immer, seit jeher: in Eden, im Gesetz, im Evangelium. Es geht in der Bibel immer um das erste und wichtigste Gebot. Auch im NT. Jesus ist gekommen, damit wir wieder lieben können und lieben. Liebe ist das Ziel des Evangeliumsauftrags. Dazu muss das Herz rein, das Gewissen gut und der Glaube ungeheuchelt sein (1. Timotheus 1, 5). Liebe zeigt Interesse am Geliebten. Sie will näher kommen. Liebe sucht die Gegenwart des Geliebten, Liebe sucht das Gespräch. Gebet ist ein Ausdruck von Liebe zu Gott. Liebe zu den Geschwistern sucht die Gemeinschaft mit ihnen (z. B. Apostelgeschichte 9, 26; 1. Thessalonischer 2, 17; 3, 6). Liebe ist Triebkraft - nicht nur in der Ehe, auch in der Gemeinde. Liebe ist Selbstschenkung: Zeit, Geld, Besitz, Kraft, Körper, Gesundheit, Freizeit. Liebe darf - und soll - wachsen (Epheser 3, 18.19; Philipper 1, 9; Judas 2). Es ist gut, sich Gedanken zu machen, wie die Liebe wächst. d: Exkurs: Wie wächst Liebe? Liebe wächst durch Ausüben von Liebe. Sie vermehrt sich, indem man sie weitergibt. Die "erste Liebe" wird wiederhergestellt durch Buße (Offenbarung 2, 4.5). Buße ist Sinnesänderung mit entsprechenden praktischen Konsequenzen, zu denen Sündenbekenntnis und Wiedergutmachung gehören. Allgemein wird Wachstum dadurch gefördert, dass man - erkennt, was man in Christus hat. (Epheser 1-3) - beständig in Jesus Christus bleibt (Johannes 15) - im Wortes Gottes bleibt (Johannes 15, 7) und sich Gottes Verheißungen vor Augen hält - tut, was Gott einem klar gemacht hat - und zwar Schritt für Schritt (Jakobus 1, 22-25. Wir müssen uns fragen: Was muss ich zu tun aufhören (oder ablegen), was ich schon längst aufhören (o.: ablegen) sollte? Was muss ich beginnen zu tun, was ich schon längst anfangen sollte? Was von dem, das ich bisher tat, soll ich weiterhin tun? - Wachstum wird dadurch gefördert, dass man Ausschau hält, wo man dienen kann und einfach Hand anlegt (Epheser 2, 10; Titus 3, 8; 1. Thessalonischer 5, 14.15; Galater 6, 2; Prd 9, 10) - sich von allen hinderlichen Einflüssen trennt von Menschen, die negativ beeinflussen (wollen) (1. Timotheus 6, 5; 2. Timotheus 3, 5; 2, 19) von Heuchelei (1. Petrus 2, 1) von falscher Lehre (Titus 3, 10; 2. Johannes 10) von leerem Gerede (1. Timotheus 6, 20; 2. Timotheus 2, 23) von Verführung und Ablenkung aller Art (2. Timotheus 2, 22; Psalm 119; 1. Timotheus 6, 11) - schnell ist im täglichen Bekennen von Sünde (1. Johannes 1, 7.9) - sich Fürbitter besorgt (Römer 15, 30; Epheser 6, 19) - sich regelmäßige Treffen mit tiefer gehenden persönlichen Gesprächen und Gebetszeiten einrichtet (Bsp: Paulus/Barnabas, Timotheus/Paulus, David/Jonathan). 2: Für ihre Ausdauer und ihr Vertrauen trotz Verfolgungen und Bedrängnissen V. 4: "... sodass wir selbst uns euer rühmen" Wessen rühmen sie sich? "... euer": Der Thessalonicher. Paulus und seine Mitarbeiter sind stolz auf sie, sie ehren Gott wegen der Christen in Thessalonich. Sie erzählen voll Freude von den Thessalonichern. Wo? "... in den Gemeinden Gottes": Wir beachten: Paulus sagt nicht "in anderen Gemeinden", weil es nicht "andere" gibt. Es gibt nur eine einzige. Diese eine aber ist verstreut, und es treffen sich die Christen in kleineren Gruppen. Diese Gruppen von Christen heißen im NT "Gemeinden". Sie sind nicht "andere" Gemeinden. Sie sind Gruppen von Christen, die alle Gott gehören und zusammengehören. Gottes Volk ist eine große Familie, alle wiedergeborenen Menschen sind Glieder dieser einen Familie. Wenn eine kleine Gruppe derselben Familie irgendwo zusammenkommt, so spricht man nicht von einer "anderen Familie". Ebenso sollten Christen, wenn sie von einer Gruppe von Christen sprechen, nicht von einer "anderen Gemeinde" sprechen. Weswegen rühmt Paulus? "... wegen eurer Ausdauer und [eures] Glaubens in allen euren Verfolgungen und den Bedrängnissen" - wegen des Ausharrens der Thessalonicher in all ihren Verfolgungen und Bedrängnissen - und wegen ihres Gottvertrauens in allen ihren Verfolgungen und Bedrängnissen "... in all den Verfolgungen und Bedrängnissen, die ihr ertragt, ...". Beides, Ausharren und Vertrauen, ist nicht selbstverständlich. Es wäre nicht richtig, würden wir behaupten, wahrhaft Wiedergeborene harrten "automatisch" aus und blieben im Glauben - auch unter Verfolgungen und Bedrängnissen. B: Ermutigung mit Hinweis auf Gottes gerechte Vergeltung und auf das Kommen Christi 1, 5-10 V. 5: "[Sie sind] ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes, dass ihr würdig geachtet werdet des Königreiches Gottes, für das ihr auch leidet" . Was ist dieses Anzeichen? Der standhafte Glaube, das ausharrende Gottvertrauen mitten in den Bedrängnissen. Wovon ist es ein Zeichen? Vom gerechten Gericht Gottes. . Inwiefern sind ihre Ausdauer und ihr Glaube in allen ihren Verfolgungen und Bedrückungen um Christi willen ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes? Was ist hier ein Zeichen des Gerichtes? Um das zu erhellen, seien ein paar Worte aus dem Buch der Offenbarung erwähnt. In 6, 9.10 sieht Johannes "am Fuße des Altars die Seelen derer, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie hatten. Und sie riefen mit großer, ‹lauter› Stimme und sagten: ‚Bis wann, unumschränkter Herrscher, Heiliger und Wahrhaftiger, richtest du nicht und rächst du nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?'" Es handelt sich um verstorbene Christen; sie sind bereits beim Herrn, sind am Ziel angekommen. Ihr Gebet ist sicherlich ein richtiges, gutes. Sie beten darum, dass Gott eingreift und ihr Blut rächt. Sie wissen, dass es Gottes Wille ist, dass Sünde bestraft wird. Wer Bedrückung erlebt, erlebt etwas Böses. Der, der sündigt, muss bestraft werden. Das weiß jeder. Das weiß im Grunde auch derjenige, der es tut. Und der leidende Christ weiß, dass der Schuldige bestraft werden muss. Wir alle haben einen Gerechtigkeitssinn und daher ein Bedürfnis nach Vergeltung. Manchmal ist es leider fleischlich motiviert. Und manchmal maßen wir uns zu viel an, wenn wir auf Vergeltung aus sind. Der Sinn für Vergeltung an sich ist gut, nur das Maß stimmt oft nicht. Der Gerechtigkeitssinn an sich ist nichts Böses. Alle haben ihn. Die Thessalonicherchristen wissen um einen Gott, der Sünde bestraft. Wenn sie nun Verfolgung leiden und nicht zurückschlagen, sondern glauben und ausharren, dürfen sie wissen, dass Gott eines Tages die Rache übernehmen wird. Sie vertrauen auf Gott dass er a) sie durch die Bedrückungen durchbringt und b) die Vergeltung in seine Hand nehmen wird. Und so ist ihr den Verfolgern gegenüber ruhiges Verhalten ein Zeichen dafür, dass Gott einschreiten wird. Die Gläubigen selbst brauchen sich nicht zu rächen. So können auch wir ruhig sein. Wir können auf Vergeltung verzichten. Wir müssen uns nicht rächen, auch nicht immer gleich mit dem Gericht Gottes drohen. Warum nicht? Weil ein anderer für uns einschreiten wird. (NB: Wir können sehr wohl darauf aufmerksam machen, dass dieses und jenes Handeln verkehrt ist und Sünde ist, je nachdem wie der Herr uns führt. Aber wir unternehmen nichts dagegen. Wir beten.) Unsere Ruhe also und unser Verzicht auf Vergeltung - trotz der Ungerechtigkeiten uns gegenüber - ist ein Anzeichen dafür, dass Gott eines Tages die uns geschuldete gerechte Vergeltung übernehmen wird. Das heißt nicht notwendigerweise, dass man nie die Hilfe der Polizei benutzt. In Apostelgeschichte 16 lesen wir davon, dass Paulus von seinem Recht Gebrauch machte. Aber Paulus hat nicht vergolten, hat nicht Rache ausgeübt. Es ging ihm nicht um sich selbst, sondern um den Ruf des Evangeliums und den weiteren Verlauf des Christentums in Philippi. Die römischen Behörden sollten eine Lektion erhalten und in ihrem weiteren Vorgehen gegen das Evangelium eingebremst werden. 1: Zu welchem Zweck sind ihre Liebe und Vertrauen und ihre Ausdauer ein Anzeichen? 1, 5 Um würdig geachtet zu werden des Königreiches Gottes. V. 5M: "... dass ihr würdig geachtet werdet" Wenn Christen leiden, leiden sie für das Königreich Gottes. (Hier ist der zukünftige Aspekt des Königreiches im Blickfeld.) Auf diese Weise haben Verfolgungen eine läuternde Wirkung auf die Christen. (Vgl. Dan 11, 33-35.) Warum bleibe ich ruhig bleibe und vergelte nicht? Warum handle ich so? Weil auch ich eines Tages rein vor Gott stehen will, ein reines Gewissen haben möchte. Nicht nur meine Peiniger werden vor Gott stehen. Auch ich. Daran will ich denken. Das wird mein Verhalten beeinflussen - in allen Auseinandersetzungen. Wenn ich nach seiner Königsherrschaft und seiner Gerechtigkeit trachte (Matthäus 6, 33), wenn ich danach trachte, dass er in praktischer Hinsicht mein König ist und bleibt und wenn ich die praktische Gerechtigkeit seines Königreiches (eine Gerechtigkeit, die ja von ihm kommt) in meinem Lebenswandel erstrebe, werde ich bestehen. 2: Womit wird vergolten? 1, 6.7 Wir lesen hier von zwei Arten von Vergeltung: a: Den Peinigern mit Bedrängung V. 6: "... insofern es ja bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Bedrängung zu vergelten" Es gibt gerechte Vergeltung. Sie kommt aber meist erst im Jenseits, nicht hier. Wer heute Christen bedrängt, den wird Gott in der Ewigkeit mit Leiden bedrängen. b: Den Gläubigen mit Entspannung V. 7: "...und euch, die ihr bedrängt werdet, mit Entspannung - samt uns" Gott vergilt den Heiligen mit Ruhe und Entspannung. Das griech. Wort heißt anapausis. Pause, Ruhe, Entspannung kommt erst, wenn wir beim Herrn sind, in der Ewigkeit. D.h., wir sollten uns auf Erden nicht so einrichten, dass wir hier Ruhe und Entspannung haben. Und wir sollen nicht vom diesseitigen Leben Zustände erwarten, die erst in der Ewigkeit eintreten werden. Hier haben wir Spannung, Stress, Kampf - aber verbunden mit Stille vor dem Herrn. Dafür beten wir ja (1. Timotheus 2, 2.3). 3: Wann wird ihnen vergolten? 1, 7M.8 a: Bei der Enthüllung des Herrn V. 7M "... bei der Enthüllung des Herrn Jesus vom Himmel, samt den [himmlischen] Boten seiner Kraft" Was wird über die Ankunft Christi hier ausgesagt? - Es findet eine Enthüllung statt. Der Vorhang wird gleichsam weggezogen. - Es handelt sich um die Enthüllung einer Person. - Die Enthüllung ist vom Himmel her. - Es handelt sich um die Enthüllung nicht nur dieser einen Person, sondern zusätzlich anderer Personen: Paulus sagt, die himmlischen "Boten seiner Kraft" würden ihn begleiten. (Vgl. Matthäus 16, 27; 24, 31; 25, 31.) Engel werden im AT manchmal "Heilige" genannt (z. B. Dan 4, 10; Hiob 5, 1, 1. Mose 33, 2 in Verb. m. Judas 14.15). Die Engel sind Zeichen "seiner Kraft". Sie üben Gottes Aufträge aus, tun es in seiner Kraft; sie zeigen etwas von seiner Kraft. - Es ist eine Enthüllung "in Feuer". (V. 8: "... in flammendem Feuer"). Die Ankunft Christi ist von Feuer begleitet. Das Feuer deutet auf Gerichte hin. Gott ist ein "verzehrendes Feuer" (Hebräer 12, 29). b: Wann er gerechte Vergeltung gibt V. 8 "... wann er gerechte ‹Vergeltung› gibt ..." Wie aus den V. 6-10 hervorgeht, findet die Enthüllung des Herrn Jesus für die Thessalonicher dann statt, wenn er an den Feinden der Thessalonicher Vergeltung üben wird. Ihnen wird mit "Ruhe (Entspannung)" vergolten, den anderen hingegen mit "Bedrängung". "... denen, die um Gott nicht [wirklich] wissen und denen, die der guten Botschaft unseres Herrn, Jesus Christus, nicht gehorchen". 4: Wem wird vergolten? 1, 8 Die Ungläubigen werden hier doppelt gekennzeichnet: V. 8 a: Sie waren Gott undankbar, haben ihn nicht geschätzt (ob sie das Evangelium gehört haben oder nicht) "... denen, die um Gott nicht [wirklich] wissen [o.: die Gott nicht kennen]" Was ist damit gemeint? Es gibt mehrere Möglichkeiten: 1. Gott ist nicht Gegenstand ihres Wissens und Denkens. Sie wissen wenig über Gott, denken auch nicht viel über ihn nach. Letztlich ist er ihnen fremd. 2. Sie wissen Gott nicht zu schätzen, weil sie ihn aus eigener Verschuldung nie wirklich kennengelernt haben. 3. Es könnte auch bedeuten: Sie anerkennen ihn nicht. b: Sie waren Gott ungehorsam, ungehorsam der Botschaft des Evangeliums gegenüber (die sie gehört hatten) "... und denen, die der guten Botschaft unseres Herrn, Jesus Christus, nicht gehorchen". Das "und" (gr. kai) ist hier wahrscheinlich im Sinne von "nämlich", "und zwar", "das heißt" gebraucht. (So z. B. in der NT-Übersetzung von Williams). Man nennt diesen durchaus üblichen Gebrauch des griechischen Wortes "kai epexegeticum bzw. explicativum" (Griechische Grammatik, Hoffman/Siebenthal, § 252, 29; vgl. Gottfried Steyer: "Kai kann eine Erklärung anfügen, die dann meist auch verstärkenden Charakter hat"; Steyer, Statzlehre, Bd. 2, S. 110, § 47 L). In 1. Petrus 4, 14 finden wir eine vergleichbare Struktur: "der Geist der Herrlichkeit und der [Geist] Gottes". Das Wort "und" (kai) verbindet hier zwei Genitiv-Attribute ("Herrlichkeit" und "Gott"), vor denen jeweils der bestimmte Artikel steht. Daher: "der Geist der Herrlichkeit, nämlich der Geist Gottes". Man könnte 2. Thessalonischer 1, 8 daher so übersetzen: "... denen, die um Gott nicht [wirklich] wissen, denen nämlich, die der guten Botschaft ... nicht gehorchen". Im Kommentar von Auberlen u. Riggenbach (aus: Langes Bibelwerk, Bielefeld, 1864, S. 103) heißt es zu 2. Thessalonicher 1, 8 u.a.: "Der beim zweiten Glied wiederholte Artikel tois ["denen"] scheint die nicht Gehorchenden wie eine zweite Klasse neben die erste zu stellen, und so unterscheiden auch Manche (Grotius, Bengel, Ewald, Lünemann, Hofmann), indem sie darin die zwei Klassen der Verfolger finden, welche die Thessalonicher quälten; die Gott nicht Kennenden wären die Heiden, die dem Evangelium Ungehorsamen die Juden (vgl. Römer 10). Indessen gerade die allzu enge historische Beziehung ist keineswegs gut; Paulus redet ja vom Weltgericht überhaupt. Zudem sagt schon Bengel: doch nur Judaeis maxime [den Juden vorrangig], und auch Hofmann sieht in der zweiten Klasse Alle, die das Evangelium verschmähen, ob Heiden oder Juden; wir erkennen hier das richtige Gefühl, daß die Beschränkung der zweiten Bezeichnung auf die Juden nicht gerechtfertigt sei; dann ist aber der Gegensatz nicht mehr rein, und es tritt die Erinnerung ein, daß Christus auch den Juden vorwirft: sie kennen Gott nicht (Johannes 8, 55; 15, 21; 16, 3; es fehlt ihnen die Johannes 17, 3 bezeichnete Erkenntnis); womit des Apostels Aussprüche zu vergleichen sind (Römer 3, 11; 10, 2; 11, 8 ff.). Überhaupt, da hier der Gegensatz ein anderer ist als Römer 2, 12, erwartet man eine Verdammung zuletzt nur wegen der Verwerfung Christi, worin die Gottesentfremdung gipfelt. Auch hoitines ["welche"], V. 9, faßt die beiden scheinbar geschiedenen Klassen in Eins zusammen; so daß wir besser schon im achten Vers nicht zwei Klassen von Menschen, sondern nur die beiden Pole der Gottesfeindschaft bezeichnet finden: die Grundabkehr der Menschen überhaupt und die Vollendung der Widersetzlichkeit, nachdem ihnen die Gelegenheit zum Glauben geboten war [...] Das wiederholte tois ["denen"] kann nicht zum Gegenteil zwingen, wenn wir Römer 4, 12 vergleichen ["und Vater der Beschneidung denen (tois), die nicht aus der Beschneidung allein sind, sondern auch denen (tois), die sich nach den Fußspuren des Glaubens ausrichten, den unser Vater Abraham in der Unbeschnittenheit hatte]." Es gibt die Theorie, dass mit denen, "die Gott nicht kennen [o. anerkennen (wollen)]", die Menschen aus den Heidenvölkern gemeint wären (Psalm 79, 6; Römer 1, 28) und mit denen, die dem Evangelium nicht gehorchen, die Juden. Doch die Schrift bezeugt, dass auch die Juden Gott nicht kennen bzw. anerkennen (wollen). In Johannes 8, 19 sagt der Herr zu führenden Juden: "Ihr kennt weder mich noch meinen Vater" (ebenso 8, 55; 15, 21; 16, 3). Und in Römer 2, 8 heißt es von allen, Heiden wie Juden (2, 9), dass sie "der Wahrheit nicht gehorchen" (Vgl. 3, 9; 11, 32). In 10, 16 sind mit denen, die dem Evangelium nicht gehorchen, die Juden gemeint, und andererseits wird in 1, 21 den Heiden eine gewisse Gotteserkenntnis zugeschrieben. Diese Auffassung ist also nicht haltbar. Vielmehr gilt: Die, "die Gott nicht kennen", werden zusätzlich definiert als die, "die dem Evangelium ... nicht gehorchen". "Die, die Gott nicht kennen," steht parallel zu dem synonymen Ausdruck "die dem Evangelium ... nicht gehorchen". 5: Wie sieht die Strafe aus? 1, 9 1, 9: "... welche Strafe erleiden werden, ..." Gott vergilt den Feinden der Thessalonicherchristen, die dem Evangelium nicht gehorchen. Jeder wird bestraft werden. Nahm der Herr Jesus Christus nicht die Strafe für alle Menschen auf sich? Doch. Er starb für alle, aber jeder muss sich die Vergebung abholen. Ansonsten bleibt er so, als ob Jesus Christus nicht für ihn gestorben wäre. Man muss ihn im Glauben annehmen. Worin besteht die Strafe? V. 9 "... ewiges Verderben von dem Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke" Eigtl.: "hinweg vom Angesicht des Herrn", d. h., ohne sich ihm zuwenden zu dürfen und ohne seine Zuwendung zu erhalten. (Vgl. 1. Mose 4, 14.16: "Siehe! - du hast mich heute ... vertrieben, und vor deinem Angesicht werde ich verborgen sein und werde unstet und flüchtig sein auf der Erde. ... Und Kain ging weg von dem Angesicht Jahwehs.") Wer dem Evangelium heute nicht gehorcht, hat in Ewigkeit keine Rettungsmöglichkeit mehr. Welch' ein Gegensatz zu den Geretteten: Sie haben das Angesicht des Herrn vor sich, und es erquickt sie über die Maßen. Sie haben die Herrlichkeit Gottes (Offenbarung 21, 11) und haben Teil an seiner Stärke. 6: Was ist ein weiterer Zweck des Kommens Christi? 1, 10 V. 10: "... wann er kommen wird, verherrlicht zu werden" Ein Zweck des Kommens Christi ist, verherrlicht zu werden. Wollen wir ihn auch heute verherrlichen! "...in seinen Heiligen" Oder: "unter seinen Heiligen", d. h., in ihrer Mitte. Wenn Jesus Christus kommt, soll er in den Thessalonicherchristen, die "Heilige" genannt werden, bewundert werden. Es ist das Ziel Gottes mit dem Menschen, dass er im Menschen verherrlicht werde. Das möchte er. Und er wird unter den Thessalonicherchristen bewundert werden. Sie werden "Heilige" genannt; das bedeutet, sie gehören Gott: Sie sind gereinigt und ihm zugeordnet. (Mit dem Begriff "Heilige" könnten unter Umständen auch Engel gemeint sein. Das würde bedeuten, dass die Engel den Christus in den Heiligen bewundern; d.h., sie bewundern, was Jesus Christus aus und in jenen ehemaligen Sündern gemacht hat. Dass Engel gemeint sind, scheint allerdings wegen der Parallelität zu "in allen Glaubenden" sehr unwahrscheinlich.) "...und bewundert zu werden" Christus wird bewundert - von wem, wird hier nicht gesagt. Alle tun es, Menschen wie Engel. Wir lernen: Es soll unser Trachten sein, dass Christus bewundert werde - Christus in mir. Dazu muss sein Leben durch mich scheinen können. Lassen wir unser Licht heraus, dass es den Menschen in unserer Umgebung leuchte. "...in allen Glaubenden" Christen sind Glaubende, Vertrauende. "- [das sage ich] weil unser Zeugnis an euch geglaubt wurde -" Das Evangelium, das Paulus den Christen von Thessalonich bezeugte, war von ihnen glaubend aufgenommen worden. "- an jenem Tage, ..." d. h. am Tag der Ankunft Christi in Herrlichkeit bzw. überhaupt an jenem langen Tag der Ewigkeit. C: Gebet 1, 11.12 V. 11: "... wohingehend wir auch allezeit für euch beten, ..." Paulus betet für die Thessalonicher im Hinblick auf jenen Tag der Ankunft Christi. "... allezeit" Er kann sagen, dass er "allezeit" betet. Er tut es so viel und oft und ohne große Unterbrechungen, sodass man von einer Kontinuierlichkeit sprechen kann. "... damit/dass" Inhalt und Ziel der Fürbitte des Apostels für die Thessalonicher ist, ... 1: dass Gott sie des Rufes würdig erachte: "... unser Gott euch des Rufes würdig erachte" Gott rief. Sie folgten dem Ruf. Das Ziel, wohin sie gerufen werden, wird hier kurz "Ruf" genannt. Und nachdem Gott sie gerufen hat, ruft er sie weiterhin - heim in die Herrlichkeit. "... euch des Rufes würdig erachte" Gemeint ist: "damit Gott euch der Herrlichkeit würdig erachte, in die er euch rief ‹und ruft›". Unter welchen Bedingungen ist man würdig? Wer ist der ewigen Herrlichkeit würdig? Man bleibt nicht "automatisch" durch die Wiedergeburt würdig. Würden alle Wiedergeborenen wie von selbst dieser zukünftigen Herrlichkeit würdig bleiben, müsste Paulus nicht für die Thessalonicher beten, dass Gott sie an jenem Tage würdig erachte. Die Wiedergeburt ist von entscheidender Bedeutung. Gott versetzte jene Thessalonicher in Christus. In ihm haben sie alles. Aber sie müssen weiterhin im Vertrauen auf Christus bleiben, um das Ziel zu erreichen und würdig geachtet zu werden, in die Herrlichkeit einzugehen. Würdig ist jeder, der glaubend "droben" ankommt. Würdig sind nur die, die nicht auf der Strecke geblieben sind. a) Der eigentliche Grund ihrer Würdigkeit ist Christus. Er ist in ihnen und hat sie grundsätzlich "würdig gemacht". b) Der praktische Grund ihrer Würdigkeit: In Christus sind sie bis zuletzt geblieben; sie blieben "Glaubende"; sie ertrugen die Bedrängnisse "mit dem Endziel, würdig geachtet zu werden des Königreiches Gottes", für welches sie litten. (Vgl. V. 5.) "... und zur Erfüllung bringe" Inhalt und Ziel der Fürbitte des Apostels für die Thessalonicher ist, ... 2: dass Gott ihr Wollen und ihr Tun "völlig mache" [o.: erfülle; zur Erfüllung bringe] Bei wem wird Gott Wollen und Tun zur Erfüllung bringen? Bei denen, die im Glauben bleiben. Das Ziel wird nur durch Glauben erreicht. Vgl. 1. Petrus 1, 9. Was möge Gott in den Thessalonicher zur Erfüllung bringen? "... alles Wohlgefallen" (Vgl. Philipper 2, 13; Hebräer 13, 20.21.) Was ist mit "alles Wohlgefallen" gemeint? Und in wessen Augen soll es wohlgefällig sein? Paulus nennt Gott nicht, aber es ist für ihn selbstverständlich, dass es um das Wohlgefallen Gottes geht. Paulus lebt ständig in seiner Nähe. Er spricht hier also von dem, was Gott wohlgefällig ist. Was also möchte Paulus, dass Gott in den Thessalonichern zur Erfüllung bringe? "... alles Wohlgefallen an Güte" Gott möge in ihnen zur Erfüllung bringen, dass sie ihm wohlgefällig seien. "... an Güte" [d. h.: an Vortrefflichkeit] Paulus betet dafür, dass bei ihnen zum Vorschein komme, was Gott wohlgefällig ist, und zwar alles an Güte, alles an sittlicher Vortrefflichkeit. Wozu sind wir Menschen geboren? Wozu wurden wir in diese Welt gesetzt? Um Gott zu gefallen. Das Ziel Gottes für mich ist, dass von allem, was ich tue, mein Tun immer ihm wohlgefällt. Was gefällt ihm wohl? Um zu erfahren, was ihm wohlgefällt, müssen wir in der Bibel forschen, suchen und uns immer wieder fragen: "Was, Herr, macht dir Freude?" Wollen wir daher fleißig sein und danach trachten, was Gott Freude macht! Lassen wir dieses unser Ziel sein! So auch in der Ehe: dem Partner Freude bereiten! Denken wir darüber nach, was der Partner gerne hat. Der Psalmist schreibt (Psalm 19, 15): "Lass die Worte meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig sein vor deinem Angesicht, HERR, mein Fels und mein Erlöser!" Wenn ich in der Versuchung stehe, ist Gott "mein Fels" und bewahrt mich. Er kann mich bewahren, sodass meine Gedanken die richtigen sind und bleiben. Und wenn ich aber doch in Sünde gefallen bin, so ist er "mein Erlöser". Eines der Dinge, die Gott wohlgefallen, wird hier - summarisch, beispielhaft - genannt: Güte (sittliche Vortrefflichkeit). "... alles Wohlgefallen an Güte" Gott möge in den Thessalonichern zur Erfüllung bringen, dass bei ihnen alles das zum Vorschein kommt, was in seinen Augen wohlgefällig ist, und zwar alles an Güte, an sittlicher Vortrefflichkeit. Ich lerne: Jesus Christus wird verherrlicht, wenn ich sittliche Vortrefflichkeit an den Tag lege; wenn die Auswirkungen meines Glaubens (d. h., meines Tuns, das im Vertrauen auf Gott geschieht) sichtbar werden. "... und [alles] Werk des Glaubens in Kraft" Vgl. 1. Thessalonischer 1, 3: "... wir erinnern uns dabei ohne Aufhören an euer Werk des Glaubens ..." "Werk des Glaubens" ist alles das, was im Leben an Früchten durch Glauben erwächst, alle praktische Tätigkeit, die aus dem Glauben heraus entsteht. Wie geschehen Tätigkeiten des Glaubens? Gott weckt in uns das Verlangen; wir geben dem Verlangen nach; Gott intensiviert das Verlangen und reicht die "Energie" dar, diesem Verlangen nachzukommen. Er tut es nicht ohne unsere Bereitwilligkeit, mitzumachen. Wie vertrauen die Thessalonicher? Wie tätigen sie ihr Vertrauen? (Bzw.: Wie sollten sie es tätigen?) "... in Kraft" Sie vertrauen Christus - sie tun dieses nicht in Schwachheit, sondern in Kraft. Vertrauen ist ein Ausdruck von Abhängigkeit, nicht von menschlicher Kraft. Man wirft sich vertrauensvoll auf den Rettergott - gerade deshalb, weil man sich der eigenen Schwachheit bewusst ist. Die Thessalonicher vertrauten dem Herrn, aber sie taten dieses "in Kraft". Man kann das Gefüge auch so auffassen: Die Tätigkeit des Glaubens, d. h., alles, was durch Glauben in unserem Leben an Früchten entsteht, geschieht "in Kraft" - weil es die Kraft des Herrn Jesus ist. Wenn man auf ihn vertraut, dann wird seine Kraft vorhanden sein. V. 12: "... sodass der Name unseres Herrn, Jesus Christus, in euch verherrlicht werde" Wenn man dem Herrn vertraut, wird Jesus Christus verherrlicht. "... in euch" Wir lernen: Wenn wir am Ziel angekommen sein werden, wird Jesus Christus, unser Herr, in uns verherrlicht werden. Andere werden sehen, was alles Wunderbares ER in und an uns vollbracht hat. Jeden Tag in der Ewigkeit wird ER in uns verherrlicht werden. Dann wird nichts mehr unsere Beziehung zu Jesus Christus trüben. Christus in uns wird ungehindert durch uns leuchten. "... und ihr in ihm" D.h.: und ihr werdet - in Jesus Christus verherrlicht werden. Gott will also, dass auch wir verherrlicht werden. Wir werden in Herrlichkeit (d. h.: in Glanz) dastehen. Vgl. Dan 12, 3; Matthäus 13, 48ff. Aber der Glanz wird nicht der unsrige sein, sondern der unseres Herrn, der in uns wohnt. "Die Herrlichkeit Jesu wird (unter anderem) dadurch offenbar, dass er sie uns gibt." (Schlatter) Jesu Name wird in den Thessalonichern verherrlicht, indem sie in ihrem Leben Güte zeigen und Vertrauen ausüben - in Kraft. Das alles ist Erweis der Gnade Jesu. "... gemäß der Gnade unseres Gottes und Herrn, Jesus Christus." In welchem Maße werde ich Herrlichkeit erleben? Entsprechend der Gnade (d.h., der Hilfe und Kraft Gottes), die unser Herr, Jesus Christus, gewirkt hat. Sobald die Gnade wirken kann, entsteht Herrlichkeit. Dann auch wird Jesus Christus verherrlicht. Es ist immer genug Gnade vorhanden (2. Korinther 12, 9), genug für jede Situation, für jeden Stress. Niemand wird sagen können: "Ich konnte nicht mehr geduldig sein; ich konnte mich nicht mehr zurückhalten; ich konnte jene Situation nicht mehr ertragen." Wir können uns nie entschuldigen für vorhandene Sünde. Ob ich Stress habe, zu wenig Schlaf habe, Schmerzen habe, krank bin, ... Es gibt nie eine akzeptable Rechtfertigung für mein Sündigen. Wir stehen nie in einer Situation, in der wir sündigen müssen. Deshalb müssen wir uns immer beschuldigen für Sünde. Wir müssen sagen: "Ja, Herr, ich habe gesündigt." Schon heute ist alles Gnade. Nichts ist Zwang und Last. Alles ist Gnade, - heute und auch dort am Ziel. Dort wird es sichtbar werden: Es wird offenbar werden, dass alles von ihm kam - und zwar als Geschenk. Ja, alles ist Geschenk. Alles, was in der Ewigkeit bleiben wird, wird etwas sein, das aus seiner Kraft und durch sein Wirken in uns geschehen ist. Alles dieses Wirken ist Geschenk Gottes und des Herrn, Jesus Christus. "... unseres Gottes und Herrn, Jesus Christus." Ein Artikel, zwei Bezüge ("Gott" und "Herr"): Daher darf der Artikel in diesem Satzteil nur einmal genannt werden. NICHT: "unseres Gottes und des Herrn Jesus Christus", sondern: "unseres Gottes und Herrn", dessen Name "Jesus Christus" ist. Beachten wir, wie "Herr" in diesen Versen gesondert (d.h., an betonter Stelle) steht. Es wird betont: Jesus Christus ist HERR. Wollen wir uns von ihm beherrschen lassen! Dann geht es uns gut. III: AUFKLÄRUNG UND AUFRUF BEZÜGLICH DES KOMMENS DES HERRN IM BLICK AUF KURSIERENDE FALSCHE LEHREN 2, 1-17 A: Über die Frage, ob der Tag Christi da ist und was ihn aufhält 2, 1-7 1: Eine Bitte, sich von falscher Lehre nicht aus der Fassung bringen zu lassen 2, 1.2 2. Thessalonischer 2, 1.2: "Wir ersuchen euch aber, Brüder, betreffs der Ankunft unseres Herrn, Jesu Christi, und unseres Versammeltwerdens zu ihm, 2 euch im Denksinn nicht schnell erschüttern zu lassen noch in Unruhe versetzen zu lassen, weder durch Geist noch durch Wort noch durch Brief, als von uns, als sei der Tag des Christus da." "Wir ersuchen euch aber, Brüder" (o.: "Wir bitten euch ...") Sanft tönen des Apostels Worte, aber dringlich. Er möchte seine jungen Brüder gewinnen, auf die nun folgenden wichtigen Erläuterungen zu hören. "..., betreffs der Ankunft unseres Herrn, Jesu Christi" Es geht um die Ankunft des Herrn am Tag Christi. Das ist der sich durchziehende Gedanke in K. 2, 1-12. Von "jenem Tage" und von der "Enthüllung des Herrn Jesus vom Himmel" hatte er auch in K. 1 geschrieben (1, 7.10). "Ankunft" (gr.: paroussia) bedeutet auch "Gegenwart". Gemeint ist das Kommen und die sich daran anschließende Gegenwart. Paulus lehrt: Wenn der Herr kommt, kommt er, um für die Thessalonicher hinfort gegenwärtig zu sein. Paulus hatte bereits im ersten Brief davon geschrieben, dass der Herr an jenem Tage die Thessalonicherchristen zu ihm versammeln werde (1. Thessalonischer 4, 13-18; vgl. Matthäus 24, 31.40.41). (Siehe den Exkurs unten.) "... und unseres Versammeltwerdens zu ihm" Paulus verwendet denselben Begriff (episünagoogee; das Nomen) wie der Herr in Matthäus 24, 31 (episünagoogein; das Verb). Paulus ermutigt: Wenn Christus in Herrlichkeit kommt, werden die Thessalonicherchristen zu ihm hin versammelt werden. Dieses wird gemäß Matthäus 24, 31 am "Tag der Ankunft Christi" geschehen. V. 2: "..., euch im Denksinn nicht schnell beunruhigen zu lassen noch erschreckt zu werden" Es gab offensichtlich Lehren, die dazu führten, dass die Thessalonicherchristen in ihrem Denken in große Unruhe kamen bzw. in Gefahr standen, aus der Fassung zu kommen. Das Zeitwort "sich beunruhigen lassen; aus der Fassung bringen lassen" meint eine große innerliche Erschütterung aufkommen lassen. Die Folge kann sein, dass man nicht mehr klar weiß, wie man zu handeln hat. "im Denksinn" Beachten wir, dass es um das Denken geht. Unser Denken bestimmt unser Empfinden. Es darf nicht umgekehrt sein. Empfindungen, Stimmungen, Launen dürfen nicht unser Denken beherrschen und bestimmen. Wir dürfen uns in unserem Überlegen und Entscheiden nicht von Gefühlen leiten lassen. "noch erschreckt zu werden, ..." Gott will, dass wir innerlich ruhig und in Frieden sind. "weder durch Geist" D. h., durch Geistmitteilung, durch eine Mitteilung als angeblich vom Heiligen Geist stammend. Die Irrlehrer in Thessalonich haben wahrscheinlich behauptet, der Heilige Geist spreche durch sie, bzw. die Lehre, die sie brachten, sei vom Heiligen Geist. Wie kann man "durch Geistesmitteilung" erschüttert und erschreckt werden? In den Versammlungen der Christen in der Anfangszeit war es so, dass grundsätzlich jeder zu Wort kommen durfte. Grundsätzlich konnte jeder lehren, prophetisch reden, aufrufen, beten. Wem der Herr besonderes Licht geschenkt hatte oder/und jemand etwas auf dem Herzen hatte, der durfte sich zu Wort melden. Gemäß 1. Korinther 14, 34ff war allerdings in den Versammlungen der gesamten Gemeinde das Sprechen vor den anderen auf die Männer beschränkt.) Aber wo Menschen meinen, der Heilige Geist führe sie, da ist auch Gefahr. Es muss daher alles geprüft werden (1. Korinther 14, 29; 1. Johannes 4, 1-6). Grundsätzlich ist es immer möglich, dass in der Versammlung der Gemeinde auch Beiträge vorhanden sind, die von anderen Geistern her gewirkt sind. Der Feind kann sich einmischen. Paulus gibt hier (wie in 1. Korinther 14) den Maßstab, wonach die von Geistern gewirkten Beiträge gemessen werden können: Das Schriftwort des Apostels steht über dem, was ein Prophet in der Gemeinde sagt. Der Maßstab ist dieser Brief, den er eigenhändig unterschrieben hat. D. h., nichts darf im Widerspruch zu den Heiligen Schriften stehen. Jeder Christ hat den Beitrag der Redenden anhand der Heiligen Schrift zu prüfen. "noch durch Wort" D. h. durch Wortverkündigung; in diesem Fall durch eine falsche Lehre. "noch durch Brief, als von uns" D. h. durch einen gefälschten - pseudonymen - Paulusbrief. "... als sei der Tag des Christus da." "der Tag des Christus" Einige griech. Handschriften haben "Tag des Christus", einige "Tag des Herrn". Die Mehrheit, etwa 70 %, der überlieferten griech. Handschriften, stimmen mit dem überlieferten Text ("Tag des Christus") überein; 8 alte griech. Handschriften, wie Sinaitikus und Vatikanus, und mindestens 10 Minuskeln bezeugen "Tag des Herrn", ebenso die gesamte altlateinische Übersetzung, die Vulgata-Handschriften, sowie die syrische und die koptische Überlieferung. Ob es "Tag des Christus" oder "Tag des Herrn" lauten sollte, ist nicht von großer Bedeutung. Die beiden Ausdrücke sind gleichbedeutend, denn "Christus" und der "Herr" sind derselbe. (Siehe den Exkurs unten.) "sei ... da" Das griech. Wort (enisteemi) bedeutet entweder "da sein, gegenwärtig sein; gekommen sein; sich einstellen" oder "so gut wie da sein; unmittelbar bevorstehen". Die Irrlehrer in Thessalonich behaupteten, nun (damals, etwa im Jahre 51 n. Chr.) sei der Tag Christi bereits "da" gewesen. Damit könnten sie gemeint haben, dass Christus bereits wiedergekommen sei. Oder die Irrlehrer lehrten, es sei der Tag des Christus unmittelbar bevorstehend, also "so gut wie da". Auch wir sagen in der Adventszeit: "Nun ist Weihnachten wieder da". Es kursierte die Lehre, dass der Tag Christi mit allen damit in Verbindung stehenden Ereignissen "da" - bzw. "so gut wie da" - sei. Manche behaupteten, Jesus Christus werde in kürzester Zeit kommen. Die Thessalonicher waren für diese Lehre anfällig gewesen, denn sie erwarteten das Kommen des Herrn bald. Auch hatte der Herr in Matthäus 24, 34 gesagt, "dieses Geschlecht" (das Geschlecht der jüdischen Zeitgenossen Jesu; 23, 34-39) werde nicht vergehen, bis "dieses alles" geschehen sein werde. Als Christi Kommen sich hinauszögerte, machten sie sich Sorgen um die inzwischen entschlafenen Christen. Darauf war der Apostel Paulus in 1. Thessalonischer 4, 13ff eingegangen. Aber die Frage stand weiterhin im Raum: Was hält den Herrn so lange hin? Was hält ihn davor zurück, dass er enthüllt werde zu seinem eigenen Zeitpunkt? Die Irrlehrer hatten leichtes Spiel. "Nichts hält den Herrn auf!", meinten sie. "Der Tag Christi ist schon da - oder so gut wie da." Was ist es, das die Thessalonicherchristen aus der Fassung gebracht haben könnte, wissen wir nicht. a: Exkurs zum Begriff "Tag des Christus" und "Tag des Herrn" Die Bibel kennt nicht nur den Begriff "Tag des Christus" und "Tag des Herrn". Im NT haben wir: Tag des Herrn (1. Thessalonischer 5, 2; 2. Thessalonischer 2, 2; 2. Petrus 3, 10; Ag 2, 20) Tag des Herrn Jesus (2. Korinther 1, 14; 1. Korinther 5, 5 Mehrheitstext) Tag unseres Herrn Jesus Christus (1. Korinther 1, 8) Tag Jesu Christi (Philipper 1, 6) Tag Christi (Philipper 1, 10; 2, 16; 2. Thessalonischer 2, 2 Mehrheitstext) Tag des Menschensohnes (Lukas 17, 26-31) Tag Gottes (2. Petrus 3, 12; Offenbarung 16, 14) Tag des Gerichts (Judas 6) Tag seines/des Zorns (Offenbarung 6, 17; Römer 2, 5) Und an anderen Stellen ist einfach vom "Tag" (Römer 13, 12; 1. Korinther 3, 13; 1. Thessalonischer 5, 4; Hebräer 10, 25; 2. Petrus 1, 19) oder von "jenem Tag" (Matthäus 7, 22; 24, 36; 26, 29; Markus 13, 32; 14, 25; Lukas 21, 34; 2. Thessalonischer 1, 10; 2. Timotheus 1, 12.18; 4, 8) die Rede, auch vom "Tag der Erlösung", "Tag der Ewigkeit", "Tag der Heimsuchung" usw. Die Schreiber der Heiligen Schrift machen keinen Unterschied zwischen "Tag des Herrn" (1. Thessalonischer 5, 2; 2. Petrus 3, 10; Apostelgeschichte 2, 20) und "Tag Christi/Jesu Christi" (Philipper 1, 6.10; 2, 16). Der Tag des Herrn (Christi, Jesu Christi, Gottes, Jahwehs) ist der Tag des Eingreifens Gottes, der Tag, an dem er auf den Plan tritt. Worauf er sich bezieht, wird vom jeweiligen Zusammenhang bestimmt. Da der Begriff "Parusie" des Herrn auch das Ereignis der Entrückung mit einschließt (1. Thessalonischer 4, 15), schließt der Begriff "Tag des Herrn" ebenfalls die Entrückung mit ein (2. Thessalonischer 2, 1.2; 1. Korinther 1, 8; 5, 5; 2. Korinther 1, 14). Der Begriff "Tag des Herrn" ist nicht reserviert für die "Zeit der Bedrängnis". Der Tag Christi ist der Tag Jahwehs, der Tag Gottes. b: Exkurs zur Frage, ob in V. 1 mit "Ankunft" und "Versammeltwerden" zwei zeitlich voneinander getrennte Ereignisse gemeint sind Spricht sprachtechnisch etwas dagegen, diese beiden Hauptwörter (Ankunft; Versammeltwerden) - für die im Griech. nur ein einziger Artikel verwendet wird - als eine einzige Sache bzw. ein einziges Ereignis zu betrachten? Nein, sprachtechnisch spricht nichts dagegen. Es liegt sogar nahe, beide Begriffe auf dasselbe Ereignis zu beziehen. Eine Frage ist allerdings, ob es auch möglich wäre, evtl. zwei zeitlich voneinander getrennte Ereignisse anzunehmen, also die Ankunft/Parusie (paroussia) als Christi Kommen für die Welt und das Versammeltwerden als Christi Parusie für die Seinen, zu einem früheren Zeitpunkt stattfindend. Gegen dieses spricht Folgendes: 1. Der Text spricht nicht von zwei Ankünften oder zwei Kommen. Die Heilige Schrift kennt auch sonst nur eine Parusie Christi in der Zukunft. Das Wort für Parusie (paroussia) wird sowohl in 1. Thessalonischer 4, 13ff (wo von der Entrückung die Rede ist) als auch in 1. Thessalonischer 5, 1ff (wo von Christi Kommen zum Gericht die Rede ist) verwendet. 2. Die besitzanzeigenden Fürwörter sind verschieden. Es werden zwei Gruppen angesprochen: seine Parusie, unser Versammeltwerden. Was ihn betrifft, ist: er kommt. Was die Thessalonicher betrifft, sie werden versammelt. Dass es nur eine einzige zukünftige Parusie Christi gibt, geht aus 1. Thessalonischer 5, 4 hervor, ebenso aus 2. Thessalonischer 1, 7-10. Bei dem einen Kommen geschieht beides, Heil (für die Thessalonicher) und Gericht (für ihre Feinde, die Feinde des Evangeliums). 3. Das Wort paroussia (vom Verb pareinai, da sein, gegenwärtig sein) spricht von einer "Ankunft mit anschließender Gegenwart". Paroussia könnte einfach ein Kommen bedeuten, das zur Folge hat, dass man dann immer bei jenem Gekommenen ist. 4. Auch spricht der Zusammenhang dagegen. Die Information in 2. Thessalonischer 2, 3 wäre nicht eine Hilfe für die Thessalonicher gewesen. 2: Ein Aufruf in dieser Angelegenheit 2, 3A "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, ..." Die Thessalonicher haben klare Auskunft über die Zeit vor der Parusie Christi bekommen. Sie sollten sich von niemandem täuschen lassen. Man muss also informiert sein; dann wird man nicht so leicht getäuscht werden. Die Gefahr, getäuscht zu werden, besteht immer. Daher sollen auch wir umso mehr auf das achten, was Gott uns in seinem Wort mitteilt. 3: Paulus gibt den Thessalonichern die Begründung, warum der Tag Christi noch nicht da sein kann, bzw. was ihn zurückhält. 2, 3.4 Die zwei Elemente sind zum einen die Tatsache, dass der Abfall (die Rebellion) noch nicht gekommen ist (V. 3) und zum anderen die Tatsache, dass der Mensch der Sünde noch nicht enthüllt worden ist (V. 3E.4): "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, wenn nicht zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, der Sohn des Verderbens, 4 der widerstrebt und sich über alles erhebt, was 'Gott' oder 'Verehrungswürdiges' heißt, sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei - ." a: Zum Satzbau Der Satz (V. 3.4) ist unvollständig. Es handelt sich um einen Satzbruch (d.h., ein "Anakoluth", "ein Bruch des Satzbaus oder auch Abbruch bei einem einmal begonnenen Satz; man fängt einen Satz an, besinnt sich neu und fährt in einer Weise fort, die dem begonnenen Satz nicht entspricht, oder bricht ihn auch ab; beispielsweise kann die grammatische Beziehung der Satzglieder gestört sein, oder ein neu hereinbrechender Gedanke stört die Folgerichtigkeit des Satzes; oft wird einfach umgeplant"; so die Wikipedia.). Der begonnene Satz wird in V. 6 neu begonnen und gedanklich fortgeführt. Von V. 6 her und aus dem umittelbaren Zusammenhang (V. 2E: "als sei der Tag des Christus da"; vgl. auch 1, 7.10) her erschlossen, muss die Ergänzung etwa so lauten: "..., kann unser Herr (bzw. der Tag des Christus) nicht enthüllt werden." Würden wir den Satz sinngemäß vervollständigen, müsste er etwa lauten: "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, wenn nicht zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, ..., [kann unser Herr (bzw. der Tag des Christus) nicht enthüllt werden]." Der ganze Abschnitt mit dem vervollständigten V. 3 in besserer Wortstellung lautet folgendermaßen: "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn [unser Herr (bzw. der Tag Christi) kann nicht enthüllt werden], wenn nicht zuerst der Abfall ‹und Aufstand› gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, der Sohn des Verderbens, der widerstrebt und sich erhebt über alles, was 'Gott' oder 'Verehrungswürdiges' heißt, sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei. Erinnert ihr euch nicht, dass ich euch dieses sagte, als ich noch bei euch war? 6 Und ihr wisst nun, was [ihn davon] zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt; ..." (Der ergänzende Satzteil steht in eckiger Klammer.) b: Der erste Grund für das Hinauszögern des Tages Christi: der Abfall V. 3 "... denn, wenn nicht zuerst der Abfall ‹und Aufstand› gekommen (ist)" "zuerst" Zwei Elemente werden genannt, die dem Kommen des Christus vorausgehen müssen: der Abfall von Gott (bzw. der Aufstand gegen ihn) und das Auftreten des Menschen der Sünde. Der große Abfall kam in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts. Der Herr hatte in Matthäus 24 von Zeichen gesprochen (Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Beben). Aber diese sollten erst der Anfang der Wehen kennzeichnen. Erst die Enthüllung des Menschen der Sünde sollte die Nähe der Parusie Christi deutlicher bestimmen. "der Abfall ‹und Aufstand›" Gemeint ist nicht der Abfall vom christlichen Glauben, was in der Geschichte der Gemeinde Jesu oft vorkam (z. B. schon in 1. Timotheus 4, 1ff und Offenbarung 3, 1ff), sondern eine spezielle Auflehnung gegen Gott, von der Paulus den Thessalonichern offensichtlich bereits gesagt hatte. Nach Buswell (Systematische Theologie, Band II, S. 391) bedeutet apostassia, das Wort im Gt., nicht eigtl. "Abfall", sondern es ist der übliche Ausdruck für Auflehnung bzw. Aufstand. Auch Menge kennt diese Bedeutung. Unter der Überschrift zum Abschnitt V. 3-12, "The great rebellion" (Der große Aufstand), schreibt Leon Morris in seinem Kommentar zu den Versen 2 u. 3: "Paulus spricht von dem großen Widerstand gegen Gott und Gottes Volk, der dem Tag des Herrn vorausgeht... Während 'das Kommen des Tages des Herrn' unerwartet sein wird (1. Thessalonischer 5, 2.3), werden doch gewisse Dinge dem vorausgehen. Eines davon ist ‚die Rebellion' / ‚der Aufstand'. Der bestimmte Artikel zeigt an, dass der Aufstand unter den Lesern wohlbekannt war; offensichtlich war er bereits Teil [Thema] der erfolgten Lehre des Paulus gewesen. Die Schwierigkeit für uns liegt darin, dass wir nicht wissen, was er ihnen gesagt hatte. Im klassischen Griechisch bedeutet apostassia eine politische oder militärische Rebellion, einen Aufstand, aber in der [so gen.] Septuaginta [d. i. in der griech. Übersetzung des AT] wird der Begriff auch in Bezug auf Gott (z. B. Josua 22, 22) verwendet, und das wurde der anerkannt biblische Gebrauch. Paulus sagt, dass es in den letzten Zeiten ein großes Aufstehen / eine große Erhebung von bösen Mächten gegen Gott geben wird (vgl. Matthäus 24, 10ff; 1. Timotheus 4, 1-3; 2. Timotheus 3, 1-9; 4, 3.4). Es ist, als ob Satan in einer letzten verzweifelten Anstrengung alle seine Kräfte aufbietet." [Ergänzungen in Eckklammern vom Übersetzer.] c: Der zweite Grund: der Mensch der Sünde V. 3E.4 "... und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist ..." "Mensch der Sünde" heißt er, weil er von Sünde geprägt ist und mit der Sünde umgeht. I:. Er wird "enthüllt". Dieses bedeutete für jene Christen in Thessalonich, dass es etwas sein, würde, das offensichtlich und bekannt sein würde. Allerdings wird im Text nicht gesagt, wer ihn konkret sehen und in welchem Maße man ihn sehen würde. Jedenfalls meint Paulus, dass er so weit gesehen würde, dass die Christen von Thessalonich es wissen könnten, dass er enthüllt ist. Das bedeutete für sie, wenn der Mensch der Sünde käme, würden die Wachsamen wissen, dass er es sei. Aus diesem Grund sollen sich die Thessalonicher nicht aus der Fassung bringen lassen und nicht erschrecken, als ob die Ereignisse, die unmittelbar vor dem Tag der Parusie des Christus eintreffen, bereits da seien. Nein, sie sind noch nicht da. Der Aufstand war noch nicht gekommen und der Mensch der Sünde noch nicht enthüllt. II:. Er wird beschrieben. Im Folgenden gibt Paulus detaillierte Angaben über den Menschen der Sünde: . SEIN WESEN (a) Sünde "Mensch der Sünde" heißt er, weil er sündigt und die Sünde verkörpert. (Übrigens: Wenn Paulus auf Dan 11, 36.37 anspielt, was durch die Wortwahl angedeutet wird, so darf man nicht ohne weiteres den Schluss ziehen, der "Mensch der Sünde" sei identisch mit dem "König des Nordens" von Dan 11. Eine gründliche Betrachtung von Dan 11 wird aufzeigen, dass es sich dort um den damaligen syrischen König Antiochus hadelt. (Vgl. Commentary on Daniel von Moses Stuart. Ebenso UN Nr. 92) Die Parallele zu Dan 11, 36.37 ist nicht notwendigerweise die des Königtums, sondern die der Sündhaftigkeit, Verführung und Selbstüberhebung.) (b) Verderben "Sohn des Verderbens" heißt er, weil er verderbt handelt, andere ins Verderben führt und selber ins Verderben geht. (c) Gesetzlosigkeit In V. 8 heißt er der "Gesetzlose" - wohl deshalb, weil er das Gesetz Gottes nicht anerkennt und gesetzlos (in Bezug auf Gottes Gesetz) handelt. (d) Lüge und Betrug In den V. 9-11 wird er als Lügner und Betrüger beschrieben, der die Menschen mit lügenhafter Kraft, mit Zeichen und Wundern, in die Irre führt. (e) "Antichristus"? Viele Ausleger verbinden den Begriff "Sohn des Verderbens" (bzw. "Mensch der Sünde") mit dem "Antichristus". Letzterer Begriff kommt nur bei Johannes vor (1. Johannes 2, 18.22; 4, 3 und 2. Johannes 7). Was wird über den Antichristus ausgesagt? Die erste Stelle: "Kleine Kinder, es ist letzte Stunde. Und demgemäß wie ihr hörtet, dass der Antichristus kommt, ‹so› sind jetzt auch (o.: sogar) viele Antichristusse gekommen, woran wir merken, dass es letzte Stunde ist." (2, 18) . Bereits zur Zeit des Johannes waren "viele Antichristusse" gekommen. . Am Kommen der vielen Antichristusse konnten der Apostel und die Christen damals bereits erkennen, "dass es letzte Stunde" war. ("Stunde" ist ein Ausdruck für "Zeit", vgl. Johannes 5, 25; 12, 23; 16, 4.25; Römer 13, 11 Die biblische Endzeit ist die Zeit zwischen Pfingsten und dem Gericht über Israel, 70 n. Chr. Der 1. Johannes-Brief wurde warhscheinlich vor jenem Ereignis geschrieben.) . Die Empfänger waren bereits darüber informiert worden, "dass der Antichristus kommt" (2, 18). Die zweite Stelle: "Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Gesalbte ist? Dieser ist der Antichristus: der, der den Vater und den Sohn leugnet." (2, 22) . Das bedeutet: Folgender ist der Lügner (d. h., der Lügner schlechthin, der Lügner im tiefsten Wesen): jeder, der leugnet, dass Jesus der Gesalbte ist. Und: Jeder, der den Vater und den Sohn leugnet, ist (im Wesen) "der Antichristus". Die dritte Stelle: (1. Johannes 4, 1-3): "Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind, weil viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen sind. An diesem kennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus als im Fleisch gekommen bekennt, ist aus Gott, und jeder Geist, der nicht Jesus Christus als im Fleisch gekommen bekennt, ist nicht aus Gott. Und dieser ist der des Antichristus, [von] welchem [Geist] ihr hörtet, dass er kommt. Und er ist jetzt schon in der Welt." Die vielen falschen Propheten, die zur Zeit des Johannes in die Welt ausgegangen waren, verkündeten unter Einfluss eines anderen Geistes (bzw. anderer Geister). Johannes gibt nun zu verstehen, dass dieser Geist, aus dem sie redeten, der des Antichristus sei. Zuerst zeigt er den Empfängern, woran sie den Geist Gottes erkennen können (d. h., wann jemand im Geist Gottes spricht: nämlich dann, wenn in Bezug auf Jesus Christus verkündet wird, dass er der im Fleisch Gekommene ist, d. h., der Sohn Gottes, der (für uns) ganz Mensch wurde. Wenn jemand verkündet, dass Jesus Christus nicht im Fleisch gekommen ist, ist der Geist, aus dem er spricht, nicht aus Gott. Und dieser Geist ist der Geist des Antichristus. Von diesem Geist hatten die Empfänger bereits gehört, dass er kommen sollte. Inzwischen war er bereits gekommen. "Er ist jetzt schon in der Welt", sagt Johannes. Die vierte und letzte Stelle ist 2. Johannes 1, 7: "... weil: viele Irreführende sind in die Welt hingegangen, die nicht bekennen Jesus Christus, kommend im Fleisch: dieser ist der Irreführende' und ‚der Antichristus'." . In den vielen Irreführern war bereits der geweissagte Irreführer und Antichristus gekommen! Die vielen Irreführer sind die Erfüllung des vorausgesagten "Antichristus". Vgl. 1. Johannes 2, 18. Ob mit "Antichristus" dasselbe wie mit dem "Menschen der Sünde" von 2. Thessalonischer 2 gemeint ist, geht aus den Texten nicht hervor. Es muss offen bleiben. Der Apostel erkennt in dem Kommen der "vielen Antichristusse" bereits, dass es letzte Stunde ist (2, 18). Damit scheint angedeutet zu sein, dass der "Antichristus", von dessen Kommen sie gehört hatten, nicht eine Einzelperson ist, sondern er aus mehreren Personen, nämlich jenen Irreführern, die nicht Jesus Christus als im Fleisch kommend bekennen, besteht. Es sei noch bemerkt: Johannes sagt nicht, dass der "Antichristus" eine politische führende Persönlichkeit oder ein König oder Weltherrscher ist (bzw. sein werde). Der Text sagt es nicht. . SEIN TUN Der Mensch der Sünde wird weiter beschrieben (V. 4): "..., der widerstrebt und sich über alles erhebt, was 'Gott' oder 'Verehrungswürdiges' heißt, sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei - ." (a) Er widerstrebt rebellisch. "der widerstrebt/widersteht" Gegen wen ist er rebellisch? Wem widerstrebt er? Der Text sagt es nicht. Sicherlich wird es die Wahrheit Gottes sein, gegen die er rebelliert. (b) Er erhebt sich über alles. "und sich erhebt über alles, was 'Gott' oder 'Verehrungswürdiges' heißt" Er macht sich zu Gott. "sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei." Paulus findet es nicht für nötig, zu schreiben, welches Tempelheiligtum gemeint ist. Er schreibt nicht "in den Tempel" (gr. hieron, d. i. das Tempelgebäude mit den das Heiligtum umgebenden Räumen und Höfen), sondern "in das Heiligtum" (gr. naos, d. i. das Allerheiligste, der innerste Raum des Tempels). . Ist ein irdischer Steintempel gemeint, der in Zukunft in Jerusalem erbaut werden soll? Soll der Mensch der Sünde im Allerheiligsten in Jerusalem ein Büro für seine Regierung errichten? Das ist äußerst unwahrscheinlich, denn wie könnte ein im Zeichen des Unglaubens erbautes menschliches Heiligtum eines antichristlichen Judentums von Gott den Namen "Heiligtum Gottes" erhalten?1 Und worin bestünde der Frevel, sich dorthin zu setzen, wenn jenes in Wahrheit gar nicht Gottes Heiligtum sei? . Oder ist etwa das geistliche Tempelheiligtum, die neutestamentliche Gemeinde, gemeint (1. Korinther 3; Epheser 2)? Aber die Gemeinde Jesu besteht aus allen Wiedergeborenen. Wie sollte der Mensch der Sünde sich in ein geistliches Haus setzen? Die unsichtbare weltweite Gemeinde der Wiedergeborenen ist nicht ein organisierter Verein oder eine Kirche mit weltweiter Kirchenleitung. Wenn sie wahrhaft "Gemeinde Jesu", also ein wahres göttliches Heiligtum, ist, ist es unmöglich, dass Ungläubige sich in sie hineinsetzen. Und eine verweltlichte Kirche? Die kann nicht "Gottes Heiligtum" genannt werden. Ein Sitzen des "Menschen der Sünde" als ein Sitzen in der Gemeinde als Gottes geistlichem Heiligtum aufzufassen, ist von daher auszuschließen. . Was könnte der Apostel gemeint haben? F. F. Bruce schreibt in seinem Thessalonicherkommentar (Word Biblical Commentary, Bd 45, S. 169): "Am besten ist es wohl zu schlussfolgern, dass hier das Jerusalemer Heiligtum gemeint ist (...)". Er meint, aber, dass Paulus im übertragenen Sinne spricht, was zu weit hergeholt ist. Es bleibt die einfachste Lösung: Ist damit das irdische Tempelheiligtum in Jerusalem gemeint? Wollte der Apostel sagen, der Mensch der Sünde werde sich in Jerusalem in das dortige Heiligtum setzen? Damals stand der Herodestempel noch, und von ihm wussten viele Christen im Jahre 51 n. Chr. bereits, dass jenes Gebäude dem Untergang geweiht war. Paulus hatte die Thessalonicher über "endzeitliche" Ereignisse und gewiss auch über Jesu Worte bezüglich der Zerstörung des Tempels aufgeklärt (2, 5). An welchen Tempel hatten die Christen in Thessalonich im Jahr 50/51 n. Chr. gedacht? Paulus musste nichts konkretisieren. Es lag auf der Hand, wovon er sprach. Man bedenke auch, wer die erbitterten Feinde des Evangeliums in Thessalonich waren: die Juden! Paulus scheint den Menschen der Sünde mit dem jüdischen Aufstand gegen Gott in geistliche Verbindung zu setzen. "... ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei." Der Mensch der Sünde ersetzt Gott mit sich selbst. Er handelt in einer Weise und mit einer göttlich angemaßten Autorität. Er macht sich (in seinem Denken) gleichsam zu "Gott" und handelt entsprechend. Paulus schrieb, die Thessalonicher sollten sich nicht täuschen lassen, denn der Zeit der Ankunft Christi würden Zeichen vorausgehen, an denen sie die Nähe des Erscheinens Christi erkennen könnten. Eines dieser Zeichen sollte das Enthülltwerden des Menschen der Sünde sein. Und wenn dieser enthüllt werde, werde er sich zu "Gott" machen, d. h. Gott spielen. 4: Erinnerung an frühere Belehrung über das, was den Herrn noch davon zurückhält, zu seiner Zeit enthüllt zu werden 2, 5.6 Paulus teilte den Thessalonichern mit, dass sie sich nicht täuschen lassen sollten von Lehrern, die behaupteten, der Tag Christi sei schon so gut wie da: "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, wenn nicht zuerst der Abfall ‹und Aufstand› gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist". Paulus unterbricht am Ende von V. 4 den in V. 3 angefangenen WennSatz, schiebt den Gedanken von V. 5 ein und setzt in V. 6 den Satz, den er in V. 3 begonnen hat, gedanklich fort, beginnt ihn aber neu. Es handelt sich in V. 3.4 also um einen "Anakoluth" (d. i. ein Abbruch bei einem einmal begonnenen Satz. Man fängt einen Satz an, besinnt sich neu und fährt in einer Weise fort, die dem begonnenen Satz nicht entspricht.). Man ist daher - gedanklich - genötigt, von V. 1.2 und vor allem von dem fortgeführten Gedanken in V. 6 her zu ergänzen: "... kann unser Herr (bzw. der Tag Christi) nicht enthüllt werden". Der ganze Satz mit Ergänzung in Eckklammern: "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn [unser Herr kann nicht enthüllt werden], wenn nicht zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, der Sohn des Verderbens, der widerstrebt und sich erhebt über alles, was 'Gott' oder 'Verehrungswürdiges' heißt, sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei." Es geht also um zwei Enthüllungen, die des Menschen der Sünde und die des Herrn Jesus. Die zweite kann nicht geschehen, ehe die erste geschehen ist. Paulus fährt fort (V. 5): "Erinnert ihr euch nicht, dass ich euch dieses sagte, als ich noch bei euch war?" Mit anderen Worten: "Was ich euch bezüglich dessen, was unseren Herrn Jesus Christus von seinem EnthülltWerden zurückhält, schreibe, ist für euch nichts Neues, denn, als ich bei euch in Thessalonich war, habe ich bereits davon gesprochen. Erinnert ihr euch nicht?" "dass ich euch dieses sagte": "Dieses" sind die beiden Elemente Abfall/Aufstand sowie Enthüllung des Menschen der Sünde. "Dieses" ist es, was den Herrn noch aufhält. Diese beiden Tatsachen, diejenige, dass der Abfall/Aufstand noch nicht gekommen ist, und diejenige, dass der Mensch der Sünde noch nicht enthüllt worden ist, sind der aufhaltende Faktor. V. 6: "Und ihr wisst nun, was [ihn davon] zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt;" "Und ihr wisst nun": "Nun" (kai nün) wird (wie in Johannes 4, 18 und 1. Johannes 2, 18) im griech. Grundtext im Satz vorangestellt (w.: "Und nun das Zurückhaltende ihr wisst"); im Deutschen kann es nach "ihr wisst" stehen: "Und ihr wisst nun das Zurückhaltende". "..., was [ihn davon] zurückhält, ...": Im Griech. steht ein Mittelwort der Gegenwart ("das Zurückhaltende"); es muss im Deutschen aufgelöst werden: "das, was zurückhält". Das Objekt zu "zurückhalten" ist "ihn". Es muss im Griech. nicht stehen; im Deutschen muss es ergänzt werden. Daher: "das, was [ihn] zurückhält (o.: aufhält)". Das Zeitwort "zurückhalten" verlangt als Ergänzung ein "von", wenn man das, wovon man zurückgehalten wird, angeben will. "..., dass er enthüllt werde": Im Griechischen folgt eine Nennformkonstruktion eingeleitet mit eis to, welches (wie in 1, 5) eine Absicht oder einen Zielpunkt anzeigt: "um enthüllt zu werden". Im Deutschen formuliert man besser einen DassSatz: "Und ihr wisst nun was [ihn davon] zurückhält (o.: "was [ihn] aufhält), dass er enthüllt werde ..." Nun ergibt sich die Frage, wer mit "ihn" bzw. "er" gemeint ist. An dieser Stelle ist es nötig, sich ein wenig mit dem größeren Zusammenhang vertraut zu machen. Das Thema der nahe zu erwartenden Ankunft Christi beschäftigte die Thessalonicher schon seit geraumer Zeit. In V. 5 schreibt der Apostel: "Erinnert ihr euch nicht, dass ich euch dieses sagte, als ich noch bei euch war?" Das griech. Wort für "sagte" steht im Imperfekt, einer Zeitform, die andeutet, dass die Handlung durativ ist, d. h., einige Zeitlang andauerte. Die Belehrung des Paulus über das Thema war nicht eine einmalige und kurze gewesen. Offensichtlich hatte er ausgedehnt darüber gelehrt, was der Ankunft des Messias vorausgehen werde. Aus dem ersten Brief, der nicht lange vor dem zweiten geschrieben war, wird ersichtlich, dass sich die Thessalonicher u. a. Gedanken um Christi Ankunft machten und im Zusammenhang damit über ihre Lieben, die in der Zwischenzeit verstorben waren. Paulus hatte ihnen geschrieben (1. Thessalonischer 4, 13.14.18), dass sie sich in Bezug auf die Entschlafenen keine Sorgen machen sollten und auch nicht traurig sein sollten, denn "wenn wir glauben, dass Jesus starb und auferstand, ebenso wird Gott auch, durch Jesus, die Entschlafenen zusammen mit ihm führen, ... (V. 18) Daher: Ruft einander auf ‹und tröstet einander› mit diesen Worten." Die Thessalonicher hatten gedacht, nun, da der Herr Jesus immer noch nicht gekommen war, hätten die Verstorbenen etwas verpasst. Man hatte damals den Herrn Jesus offensichtlich schon sehr bald erwartet. Der erste Brief des Apostels und die heftigen Verfolgungen, die sie zu erdulden hatten (2. Thessalonischer 1, 4ff), hatte diese Naherwartung möglicherweise stark gefördert. Die Frage stand also im Raum, warum der Herr Jesus noch nicht wiedergekommen war. Was ist es, das die Ankunft des Herrn hinhält? Was ist es, das den Herrn Jesus davon zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem eigenen Zeitpunkt? Gemäß 2. Thessalonischer 2, 2 gab es als Antwort auf diese Frage dementsprechende prophetische bzw. lehrhafte Äußerungen in ihren Versammlungen: Die Botschaft war: "Nichts hält ihn zurück. Der Tag Christi ist da (d. h., so gut wie da)! Seine Ankunft steht unmittelbar bevor!" Hinzu kam, dass Briefe kursierten, die angeblich von Paulus stammten (2. Thessalonischer 2, 2), in denen dasselbe gelehrt wurde. In den Versen 3 und 4 erklärt Paulus nun, was es ist, das den Herrn gegenwärtig davon zurückhält, zu seinem eigenen Zeitpunkt zu erscheinen. Nochmals der Text (2, 1-6): "Wir ersuchen euch aber, Brüder, betreffs der Ankunft unseres Herrn, Jesu Christi, und unseres Versammeltwerdens zu ihm, 2 euch im Denksinn nicht schnell beunruhigen zu lassen noch erschreckt zu werden, weder durch Geist noch durch Wort noch durch Brief, als [käme er] von uns, als sei der Tag des Christus da. 3 Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, wenn nicht zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, der Sohn des Verderbens, 4 der widerstrebt und sich erhebt über alles, was Gott oder Verehrungswürdiges heißt, sodass er selbst sich als Gott in das Tempelheiligtum Gottes setzt, ‹damit› anzeigend, dass er selbst Gott sei, - 5 Erinnert ihr euch nicht, dass ich euch dieses sagte, als ich noch bei euch war? 6 Und nun wisst ihr, was [ihn davon] zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt, ..." K. 2, 1 schrieb Paulus von der "Ankunft unseres Herrn, Jesu Christi", in 1, 7 von der "Enthüllung des Herrn Jesus vom Himmel", in 1, 10 von jenem "Tag", an dem er "kommen wird". In 2, 1-8 geht Paulus auf die falsche Lehre von V. 2 ein. Jene Verkünder behaupteten, der Tag Christi wäre da, d. h., so gut wie da. Damit beunruhigten sie die Christen. Paulus erklärt nun, dass unser Herr, Jesus Christus, noch nicht enthüllt werden kann, denn es gibt etwas, das ihn zurückhält - "zurückhält" nicht in dem Sinne, dass die zurückhaltende Macht stärker wäre als der Herr, sondern in dem Sinne, dass vorher etwas noch geschehen muss. Was das ist, wird in V. 3 genannt: die Tatsache, dass der Abfall/Aufstand noch nicht gekommen und der Mensch der Sünde noch nicht enthüllt worden ist. Es muss also das Böse ausreifen und schließlich mit großer Gewalt hervorbrechen, ehe der Herr kommt. Die Irrlehrer, die behaupten, der Tag Christi sei da, können daher nicht Recht haben. Am Ende von V. 4 unterbricht Paulus den in V. 3 angefangenen Gedanken: "Niemand täusche euch in irgendeiner Weise, denn, wenn nicht zuerst der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist, der Sohn des Verderbens, 4 der ... sich ... in das Tempelheiligtum Gottes setzt, damit anzeigend, dass er selbst Gott sei -". An dieser Stelle schiebt er die Frage ein: "Erinnert ihr euch nicht daran, dass ich euch dieses sagte, als ich noch bei euch war?" (V. 5) Das Wort "dieses" (V. 5M) bezieht sich auf V. 3. Die Tatsache, dass der Abfall/Aufstand und der Mensch der Sünde noch nicht gekommen sind, ist "das, was" den Herrn Jesus Christus von seinem Kommen "zurückhält". Paulus greift in V. 6 den Gedanken wieder auf: "Und ihr wisst nun, was [ihn davon] zurückhält, dass er zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt enthüllt werde". "... was [ihn] zurückhält": Um "ihn" geht es. Er - sein Kommen - wird derzeit noch aufgehalten. Er kann noch nicht enthüllt werden. Es ist gar nicht möglich, dass sein Tag bereits "da" sei. Vom Zusammenhang her liegt es nahe, dass das Fürwort "er" (auton) in V. 6 (eis to apokalüphtheenai auton, "dass er ... enthüllt werde") auf den Herrn Jesus Christus bezogen ist. Ihn hat Paulus in K. 1 und 2 im Blickfeld. (Vgl. 1, 6.7: "insofern es ja bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Bedrängung zu vergelten und euch, die ihr bedrängt werdet, mit Ruhe - samt uns - bei der Enthüllung des Herrn Jesus vom Himmel ..."; V. 10A: "wenn er an jenem Tage kommen wird, ..."; K. 2, 1: "... betreffs der Ankunft unseres Herrn, Jesu Christi, und unseres Versammeltwerdens zu ihm....". [Hervorhebungen vom Verf.]) Es geht um seine Enthüllung an seinem Tag, zu seinem Zeitpunkt. Er ist es, dessen Kommen durch die beiden in V. 3 genannten Elemente noch hingehalten wird. Wir erinnern uns, Paulus hätte schreiben können (V. 3 und V. 6): "... denn, er kann nicht enthüllt werden, wenn nicht zuvor der Abfall gekommen ... ist. (...). Ihr wisst nun, was ihn zurückhält, dass er ... enthüllt werde". So wäre deutlicher, dass sich das Pronomen "ihn" bzw. "er" in V. 6 auf Jesus Christus bezieht. Die Schwierigkeit bzw. Zweideutigkeit entsteht dadurch, dass der Apostel den in V. 3 angefangenen Satz nach V. 4 nicht zu Ende führt, sondern V. 5 einschiebt und in V. 6 den Gedankengang von V. 3 mit einem neuen Satz aufgreift. V. 3: "... denn, wenn nicht zuvor der Abfall gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden ist", was dann? Wie geht der Gedanke weiter? Paulus sagt: Der Herr Jesus kann noch nicht enthüllt werden. Darüber hatte ich mit euch bereits gesprochen (V. 5). Ihr wisst also Bescheid. Ihr wisst, was ihn davon zurückhält, dass er zu seinem Zeitpunkt enthüllt werde. Die Thessalonicher sollten sich nicht täuschen lassen, als ob der Tag Christi bereits da wäre, denn, wenn nicht zuvor der Abfall/Aufstand und der Mensch der Sünde gekommen ist, kann er nicht kommen. "Er" kann sich nur auf Christus (bzw. den Tag Christi) beziehen. Man könnte einwenden: Das persönliche Fürwort "er" (V. 6) habe einen direkteren Bezug in Vers 3: den Menschen der Sünde. Von der Grammatik her ist dieses durchaus eine Möglichkeit, aber nicht die einzige. Es kommt nicht selten vor, dass ein Pronomen (Fürwort) nicht einen Bezug zu dem unmittelbar vorhergehenden Wort hat. Hier drei Beispiele: Apostelgeschichte 4, 1-7: "Während sie zum Volk redeten, traten die Priester und der Sicherheitsverantwortliche der Tempelstätte und die Sadduzäer auf sie zu. 2 Die verdross es, dass sie das Volk lehrten ... 3 Und sie legten Hand an sie und setzten sie ins Gefängnis ... 4 Aber viele von denen, die das Wort gehört hatten, glaubten. Und die Zahl der Männer stieg auf etwa fünftausend. 5 Es geschah aber am folgenden Tage, dass ihre Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten sich zu Jerusalem versammelten 6 und Annas ... und alle, die aus hohepriesterlichem Geschlecht waren. 7 Und sie stellten sie in die Mitte ..." (1) Das Pronomen autoon ("ihre") in V. 5 bezieht sich nicht auf eines der unmittelbar zuvor im Text genannten Subjekte, sondern auf das Volk der Juden. (2) Das Pronomen autous ("sie") von V. 7A ("Und sie stellten sie in die Mitte") bezieht sich ebenfalls nicht auf eines der nächstliegenden Subjekte, z.B. "viele" (aus V. 4). Stattdessen geht es hier um die Apostel Petrus und Johannes sowie den durch deren Eingreifen geheilten Menschen (K. 3, 1ff.). (3) 1. Johannes 2, 10-12: "Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht, ... 11 Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Dunkelheit und wandelt in der Dunkelheit ... 12 Ich schreibe euch, Kindlein, weil euch die Sünden vergeben sind wegen seines Namens." Das Pronomen autou ("seines" in V. 12E: "seines Namens") bezieht sich auf Jesus Christus, obwohl er im Abschnitt zuvor gar nicht genannt wurde, sondern bereits in 1. Johannes 1, 3. Würde man das Pronomen "er" in 2. Thessalonischer 2, 6 auf den Menschen der Sünde beziehen, wäre etwas unvermittelt ein neues Thema aufgegriffen, und zwar eines, das mit V. 2 nicht in direktem Zusammenhang steht. Es geht dem Apostel Paulus ja darum, den Thessalonicherchristen Orientierung und Hilfe zu geben, damit sie erkennen, dass die falsche Behauptung, der Tag Christi sei da, keine Grundlage hat. Was den Abfall/Aufstand oder den Menschen der Sünde aufhält, ist für die in V. 2 aufgeworfene Frage nicht von Belang. Der springende Punkt ist vielmehr, was den Tag Christi noch aufhält. "... zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt": Der "eigene Zeitpunkt" ist möglicherweise nicht der des Menschen der Sünde, sondern der des Christus. Zuerst kommen der Abfall und der Mensch der Sünde, dann kommt sein "Zeitpunkt", "sein Tag". (Vgl. 1, 10: "an jenem Tage"; 2, 2: "der Tag des Christus"; vgl. 1. Thessalonischer 5, 4: "der Tag"; Lukas 17, 24: "an seinem Tage".) Bezöge sich das Pronomen "er" in V. 6 nicht auf Christus, so wäre der Bezug nicht eindeutig; es wäre unklar, ob "der Abfall/Aufstand" oder ob "der Mensch der Sünde" gemeint sei. Das hätte Paulus eindeutig machen müssen. Weil er aber wohl weder das eine noch das andere, sondern den Herrn Jesus bzw. seinen Tag und Zeitpunkt meinte, war es nicht nötig zu spezifizieren. Abgesehen davon lesen wir sonst nie von einem speziellen Zeitpunkt, der dem Menschen der Sünde gehöre bzw. bestimmt sei. Von Christi Zeitpunkt hingegen spricht sie mehrmals: 1. Timotheus 6, 14E.15: "... bis zur Erscheinung unseres Herrn, Jesu Christi, 15 die zu ‹seinen› eigenen bestimmten Zeiten (o.: zu seinen eigenen Zeitenpunkten) zeigen wird der selige und alleinige Kraftinhaber, der König der ‹königlich› Regierenden und Herr der Herrschenden ..." Apostelgeschichte 1, 7: "Es ist nicht eure Sache, Zeiten und Zeitpunkte zu kennen, die der Vater in eigener Vollmacht festsetzte ..." Lukas 17, 24: "... so wird auch der Sohn des Menschen sein an seinem Tage ..." Markus 13, 32: "Aber um jenen Tag und die Stunde weiß niemand ... außer dem Vater." (Hervorhebungen vom Verf.) Es passt wohl besser in den Zusammenhang, den Satz "was ihn davon zurückhält, dass er zu seinem eigenen Zeitpunkt enthüllt werde" auf Christus zu beziehen, nicht auf den Menschen der Sünde. Und wie wir im Folgenden sehen werden, wird dies eine heiß umstrittene Frage, nämlich die, wer der "Zurückhaltende" in V. 7 ist, auf eine einfache Weise lösen. 5: Aufschluss über das Geheimnis der Gesetzlosigkeit und den, der die endzeitliche Entwicklung jetzt noch aufhält 2, 7 V. 6-8: "Und ihr wisst nun, was [ihn2 davon] zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem ‹eigenen› Zeitpunkt; 7 denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, nur [muss] der, der jetzt [noch] zurückhält, sich mitten herausbegeben haben [o.: mitten hervorgekommen / entstanden sein]; und dann wird er enthüllt werden, der Gesetzlose, ...." a: Eine Bemerkung Die vorliegenden Verse, vor allem V. 7, gehören wohl zu den schwierigsten der gesamten Heiligen Schrift. Das wird von dem Großteil der Ausleger, die diesen Abschnitt besprochen haben, zugegeben. Die Auffassungen, von dem, was Paulus hier meinte, sind zahlreich. Es ist daher Vorsicht geboten. Natürlich gilt auch die hier dargebotene Auffassung nicht als "der Weisheit letzter Schluss", sondern lediglich als ein Versuch, dem Text gerecht zu werden. Wir bitten den Leser um Barmherzigkeit, Sanftmut und Geduld. Wir sind dankbar für Korrektur, freundliche Kritik und konstruktive Vorschläge, die zu einer befriedigenden Lösung beitragen. Es ist gewinnbringend, wenn Geschwister, die unterschiedliche Auffassungen haben, sich gemeinsam Schulter an Schulter und in demütiger, betender Gesinnung über Gottes Wort beugen. b: Zur Übersetzung von V. 7 2. Thessalonischer 2, 7.8A: "... denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, nur [muss] der, der jetzt [noch] zurückhält, sich mitten herausbegeben haben [o.: mitten hervorgekommen sein]; 8 und dann wird er enthüllt werden, der Gesetzlose ..." V. 7 etwas wörtlicher: "... denn das Geheimnis ist bereits am Wirken, [das] der Gesetzlosigkeit; nur der, der jetzt zurückhält, bis er aus der Mitte geworden / entstanden ist [gr.: ek mesou geneetai] ..." Das Gefüge "... sich mitten herausbegeben" (ek mesou ginesthai) wird üblicherweise mit "aus dem Weg sein / geräumt werden", "beseitigt werden", "aus der Mitte genommen werden", "hinweggetan werden" übersetzt. Andere Übersetzungen haben: "aus der Mitte werden" (Dabhar), "aus der Mitte sein" (Pfleiderer), "aus der Mitte (hervor)kommen / erscheinen" (Marshall, Green, Zeolla); "sich aus der Mitte erheben" (Lofstrom; die "Far Above All"-Version hat: emerge from the arena), "aus der Mitte entstehen" (Newton, Grimm). Unsere Übersetzung "sich mitten herausbegeben / hervorbegeben" soll im Folgenden erläutert werden. I: Zum Wort geneetai Das Verb ginesthai bezeichnet einen Prozess, d. h., einen Prozess hin zu einem Zustand. Die Primärbedeutung ist "werden". Je nach gemeintem Zustand (z. B. durch Orts bzw. Zielbestimmungen signalisiert) kann es auch mit "sich begeben", "gelangen", "kommen", "entstehen" oder sogar "auftreten" übersetzt werden. Geneetai steht der Aktionsart nach in der "Medium"-Form, die Sichform; allerdings spielt der Unterschied zwischen Medium und Passiv bei ginesthai kaum eine Rolle. Bei der Übersetzung des Wortes in 2. Thessalonischer 2, 7 bietet sich die Sichform an: "sich begeben" (wörtlich, "sich heraus/hervorwerden"). Zusammen mit ek mesou könnte man also recht genau übersetzen: "sich mitten herausbegeben (oder hervorbegeben)". II: Zum Ausdruck ek mesou Die Wendung ek mesou (w.: "aus [der] Mitte"; im AT die Übersetzung des hebr. mittooch bzw. miqereb) muss nicht die "Mitte" betonen, sondern kann einfach "mitten aus" bzw. "mitten aus etw. heraus"; "mitten von etw. hervor" bedeuten. Daher wird in der gr. Übersetzung des AT der hebr. Ausdruck mittooch / miqereb oft auch lediglich mit ek (aus) übersetzt. "Aus der Mitte" und "aus" / "aus ... heraus" können also im gr. AT synonym verwendet werden. Die Formel "aus der Mitte" verlangt also nicht notwendigerweise ein Objekt. Der Sinn ist einfach, dass jemand (oder etwas) von dort hervorkommt, wo er (oder es) gewesen war, im Falle von 2. Thessalonischer 2, 7 also: aus der Verborgenheit heraus/hervor. III: Zum Ausdruck ek mesou in Verbindung mit geneetai Newton3 weist darauf hin, dass ek mesou (aus der Mitte) im biblischen Griechisch nur dann den Sinn von "aus der Mitte weg" bekommt, wenn es in Verbindung mit Verben wie airein, exairein, exerchesthai, harpadsein steht, und zwar aufgrund eben dieser Verben (so z. B. in Kolosser 2, 14 und Jesaja 52, 11). Wenn ek mesou aber in Verbindung mit ginesthai (werden, entstehen) steht und sich auf etwas bezieht, das bisher verborgen war, hat es im biblischen Griechisch die Bedeutung "aus der Mitte hervor" bzw. "mitten heraus". (Zur Bedeutung "hervor" für ek mesou vgl. die gr. Üsg. von 1. Mose 25, 7; 1. Mose 4, 15; 4, 33.36; 5, 22-26; 2Kg 9, 2; Psalm 74, 11; 104, 12; Jeremia 49, 19; Sac 6, 1.) IV: Zur Wendung heoos ek mesou geneetai Die wörtliche Übersetzung ist: "bis er/es [sich] aus der Mitte [heraus/hervor] werde". Der Zusammenhang legt nahe, das "aus der Mitte werden" nicht im Sinne eines EntferntWerdens (bzw. SichEntfernens) zu deuten. Wenn die Rede von etwas ist, das verborgen war, bedeutet die Wendung "aus der Mitte werden" schwerlich "aus der Mitte entfernt werden". Was in einem verborgenen Zustand ist, wird nicht "aus der Mitte entfernt", sondern tritt "mitten heraus" bzw. "mitten hervor". Wenn im neutestamentlichen Griechisch in anderen Fällen (unter Verwendung von ginesthai) das Element des Entfernens ausgedrückt wird, geschieht dieses zusammen mit der Präposition apo (weg): Vgl. 1. Petrus 2, 24: "damit wir, den Sünden weggeworden [o.: entzogen / entfernt; gr.: tais hamartiais apogenomenoi], für die Gerechtigkeit leben sollen"; Johannes 9, 22: "dass er aus der Synagogengemeinschaft [weg / hinaus]getan werden sollte [gr.: aposünagoogos geneetai]". V: Zur Übersetzung des gesamten Verses Der V. 7 besteht aus zwei Teilen. Diese sind durch ein Semikolon getrennt. V. 7A: "denn das Geheimnis ist bereits am Wirken, [das] der Gesetzlosigkeit;" V. 7M: "nur der jetzt Zurückhaltende, bis der sich mitten herausbegeben hat;" Der Satz "nur der Zurückhaltende jetzt" bzw. "nur der jetzt Zurückhaltende" hat im Griechischen kein Prädikat. Es besteht die Möglichkeit, "der jetzt Zurückhaltende" als das Subjekt des Nebensatzes "bis er sich mitten heraus begeben hat" aufzufassen. Die Wortstellung lässt sich als "Prolepsis" bzw. "Antizipation" erklären: d. h., zur Hervorhebung kann das Subjekt eines Nebensatzes häufig in der übergeordneten Konstruktion stehen. (Vgl. Kurzgrammatik § 507; Hoffmannvon Siebenthal § 292.) Man kann daher übersetzen: "nur, bis der, der jetzt zurückhält, sich mitten herausbegeben hat".4 Im Anschluss an das "nur" könnte man eine Ellipse (Auslassung) annehmen: Die Rev. Elberfelder Übersetzung fügt daher vor "nur" eine Ergänzung ein: "Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur [offenbart es sich nicht], bis der, welcher jetzt zurückhält, ..."5 Einige Übersetzungen verzichten auf eine Ergänzung, sondern verwenden das Wort "muss", was wohl die bessere und elegantere Lösung ist: "Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken, nur muss der, welcher jetzt zurückhält, ..." (Rev. Schlachter). Die Konkordante Übersetzung: "... nur [muss der] ..., der ... bis jetzt [noch] aufhält ..." Luther 1912: "... nur daß, der ... jetzt aufhält, muß ..." Neue Luther 2009 (La Buona Novella): "... nur dass der, der ... jetzt noch aufhält, ... muss ..." Der letzte Teil von V. 7 ("bis er mitten heraus geworden ist"), kann grundsätzlich beides bedeuten: entweder i. S. v.: "bis er sich wegbegeben hat"; oder i. S. v.: "bis er (aus seiner Verborgenheit) mitten hervorgetreten ist". Was gemeint ist, muss der Zusammenhang entscheiden. Da unmittelbar vorher von einem "Geheimnis" (von etwas, das verborgen ist oder war) die Rede ist, liegt die letztere Deutung näher. Es scheint sich um jemanden zu handeln, der mitten aus der Verborgenheit hervortritt. Möglicherweise verwendete der Apostel Paulus den Begriff ek mesou ginomai (aus der Mitte werden) deshalb, weil er eine Zweideutigkeit mit sich bringt, die hier zutrifft; denn sobald der Zurückhaltende" mitten hervorkommt, ist er nicht mehr ein "Zurückhaltender"; dann ist er als Zurückhaltender weg, d. h., es gibt dann keinen mehr, der zurückhält. VI: Schwierigkeiten mit der traditionellen Übersetzung Wenn gemeint sein soll, dass der Zurückhaltende zuerst "entfernt werden" muss, ehe das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ungehindert wirksam werden kann, bleibt unklar, wer oder was das Zurückhaltende ist. Durch die traditionellen Übersetzungen wird für den heutigen Leser der "Zurückhaltende" zu einem Geheimnis, zu etwas, das nur die von Paulus unterwiesenen Thessalonicherchristen wussten. Mit der traditionellen Übersetzungsweise von V. 7 entstehen Probleme, die in der Auslegungsgeschichte bis heute unlösbar waren.6 Im Fall der oben vorgeschlagenen Übersetzung von ek mesou geneetai lösen sich die Schwierigkeiten auf. Es muss nicht jemand "weggenommen" werden. VII: Verschiedene Meinungen zum "Zurückhaltenden" Die richtige Übersetzung von 2. Thessalonischer 2, 7 hängt mitunter von der Identität des Zurückhaltenden (katechoon) ab. Es ist entscheidend, was bzw. wer zurückhält. Verschiedene Lösungsvorschläge wurden gemacht. a) Das römische Reich Tertullian (ca. 200 n. Chr., De resurrectione carnis, 24) und Chrysostomus (Homiliae 4 zu 2Th) vertraten die Auffassung, der Zurückhaltende sei das römische Reich, vor allem in seiner Rolle als Aufrechterhaltender von Recht und Ordnung (Römer 13, 1-7; Titus 3, 1). Man sagt, Paulus hätte den Zurückhaltenden aus politischen Gründen nicht mit Namen genannt, nämlich um sich vor falscher Auslegung seiner Aussagen zu schützen, als ob der Staat ein Feind der Glaubensgemeinde sei. Die Schwäche dieser Auffassung: Das römische Reich als solches verging im 5. (Westrom) bzw. 15. Jahrhundert n. Chr. (Ostrom), aber die aufhaltende Macht wurde damals nicht entfernt und der Gesetzlose nicht enthüllt. Auch wegen seines Wesens kann es nicht Rom sein. Wenn Rom für Gesetz und Ordnung bekannt war, darf es deswegen nicht idealisiert werden, denn seine Geschichte ist durchzogen von Intrigen, Streitigkeiten und viel Ungerechtigkeit. Das zukünftige neu erstandene römische Reich kann es auch nicht sein, denn eben dieses soll ja das antichristliche Reich sein, ein sehr großes, gesteuert durch Gesetze, Ordnungskräfte und Autoritäten. b) Die menschliche Regierung an sich Eine abgewandelte Form dieser Auffassung: Der Zurückhaltende ist das Prinzip menschlicher Regierung als solches. Aber auch in der Zeit kurz vor Christi Ankunft bestehen Recht und Ordnung fort. Es wird "Könige" geben, und sie werden Königreiche beherrschen. Gemäß den Aussagen der Heiligen Schrift bleiben Autorität und menschliche Regierung bis zur Ankunft Christi bestehen. c) Eine Engelmacht oder ein Erzengel Eine dritte These: Der Zurückhaltende ist ein Engelsfürst, eine Engelmacht bzw. ein Engel.7 Aber es gibt erstens keinen einleuchtenden Grund, warum Paulus den Erzengel nicht namentlich nennen sollte, wie Daniel und Johannes (Offenbarung 12) es tun. Warum redet Paulus so geheimnisvoll? Warum spricht er nicht offen? Zweitens, in den aus Daniel und Offenbarung 12 angeführten Texten geht es nicht um ein Aufhalten/Zurückhalten, sondern um einen Machtkampf. Und drittens: Weshalb muss diese Engelmacht (o. der Engelsfürst) sich entfernen, damit die Gesetzlosigkeit voll zum Ausbruch kommen kann? d) Der Heilige Geist Eine vierte These: Der Zurückhaltende ist der Heilige Geist. Dieser Lösungsvorschlag ist jedoch zu weit hergeholt. Hätte Paulus den Heiligen Geist gemeint, hätte er offen davon sprechen können. Paulus verwendet in V. 6 das sächliche Mittelwort ("das Zurückhaltende") und in V. 7 das männliche ("der Zurückhaltende"); würde er mit dem zurückhaltenden Faktor oder der zurückhaltenden Person den Heiligen Geist meinen, müsste er ihn bereits vorher erwähnt haben, sodass er, ohne ihn zu nennen, sich auf ihn beziehen könnte. Der Geist aber kommt in den Versen vorher nicht vor. (Nb: In 2, 2 ist nicht vom Heiligen Geist die Rede, sondern von einem menschlichen oder dämonischen.) Man hört oft, es sei der in der Gemeinde Jesu wohnende Geist gemeint, und sobald die Gemeinde Jesu entrückt werde, werde der Geist "aus der Mitte" weichen und im Weiteren (in der so gen. "Trübsalszeit") nur noch so wirken wie im AT: an einzelnen Menschen und nur zeitweise, nicht bleibend. Diese These ist aus den soeben genannten Gründen nicht haltbar. Der Geist wurde im Text bisher nicht erwähnt, und es gibt keinen Grund, warum Paulus so geheimnisvoll reden sollte. Zusätzlich ergäben sich Probleme mit der These, dass der Geist als in den Heiligen Wohnender durch die Entrückung der Heiligen weggenommen werde: Zwar ist der Geist in und unter den Entrückten, aber als der allgegenwärtige Gott ist er größer als die weggeraffte Gemeinde. Es ist nicht zwingend, dass der Geist geht, wenn die Gemeinde geht. Der Geist bleibt bei und in den Heiligen wohnend, wo immer sie sind. Solange es Heilige auf Erden gibt, ist er da und wohnt er ihn ihnen. In ihnen "wohnend" war er auch im AT (1. Petrus 1, 11). Als der allgegenwärtige Gott bleibt der Geist auf der Erde, solange sie besteht. Und: Wenn der Heilige Geist in der alttestamentlichen Zeit in derselben Weise "gegenwärtig" war wie in der antichristlichen, so muss er demzufolge auch im AT "der Zurückhaltende" gewesen sein. Aber wenn er damals der Zurückhaltende war, warum sollte er es dann in der so gen. "antichristlichen" Zeit (nach der angenommenen Entrückung) nicht mehr sein? Wenn das Zurückhalten der Gesetzlosigkeit (in der AT- wie in der NT-Zeit) auf die spezielle Gegenwart des Heiligen Geistes zurückzuführen sein soll, er aber in der antichristlichen Zeit ebenso wie im AT gegenwärtig sein soll, wie kann er dann zwar im AT der Zurückhaltende gewesen sein, aber in der antichristlichen Zeit nicht mehr? Hinzu kommt: Warum soll die Zurückhaltung des Bösen überhaupt auf die Gegenwart des Gottesgeistes auf Erden zurückzuführen sein? Warum muss der Geist weggenommen werden, um der Gesetzlosigkeit das volle Ausbrechen zu ermöglichen? Als Gott könnte der Geist doch auch ohne sich zu entfernen mit dem Zurückhalten aufhören und das Signal zum Hervorbrechen der Gesetzlosigkeit geben. Und warum sollte er von der Erde weggenommen werden müssen, um der Gesetzlosigkeit Raum zu schaffen? Nicht die Erde ist in erster Linie der Schauplatz des geistlichen Kampfes, sondern die "himmlischen Bereiche" (Epheser 6, 12). Um diese "Weltbeherrscher der Finsternis" (6, 12) nicht mehr zurückzuhalten, ist es nicht nötig, dass er die Erde verlässt. e) Paulus und seine Heidenmission Eine fünfte These wurde von Cullmann und Munk vertreten8: Bevor das Ende (Markus 13, 10) komme, müsse die Heidenmission des Apostels Paulus vollendet werden (Römer 11, 13-16; 15, 15-29). Aber warum sollte Paulus dann nicht offen davon sprechen? Außerdem erschien, als Paulus schlussendlich seine Mission vollendet hatte, der Gesetzlose nicht. f) Gott Eine sechste These: Gott ist der Zurückhaltende. Diese erscheint sympathisch. Wenn Paulus von den ersten Lesern erwartete, dass sie wussten, wer der Zurückhaltende sei, sollten es vielleicht auch die späteren Leser wissen. Wer der Zurückhaltende ist, müsste dann aus der übrigen heiligen Schrift zu erkennen sein. Gott hält tatsächlich die Geschicke der Völker in der Hand (vgl. Dan 2 und 4). Verschiedene Versuche wurden gemacht, diesen Gedanken mit dem Text in Einklang zu bringen: f1) Erster Versuch: Gott muss sich entfernen, ehe die Gesetzlosigkeit losbrechen kann. Gegen den Gedanken, dass Gott sich selbst entfernen würde, spricht allerdings der Wortlaut. Es wäre eine äußerst befremdende Art, dieses so auszudrücken. Paulus hätte sagen können, dass Gott seine Hand zurückziehen werde, aber kaum, dass Gott sich "aus der Mitte entfernen oder wegbegeben" werde. Und gemäß der Offenbarung ist Gott in der Endzeit keineswegs abwesend. Er ist mitten im Geschehen, bewahrt die Seinen (7, 1ff; 9, 4; 12, 6), sendet warnende Gerichte (K. 8 und 9) und warnende Boten (14, 6ff). Nichts entgleitet seiner Hand. Von einem SichEntfernen Gottes kann also nicht die Rede sein, im Gegenteil: Ruhig bleibt er auf seinem Thron sitzen, wo er auch zuvor saß; und alles, was geschieht, geschieht auf sein Geheiß. (Vgl. 13, 5.7.14.15; 16, 16; Sac 14, 2; Hesekiel 38, 4; 2. Thessalonischer 11.12.) f2) Zweiter Versuch: Gott hält zurück, bis das Geheimnis der Gesetzlosigkeit sich mitten aus der Verborgenheit herausbegeben hat. Dieser Gedanke hat einiges für sich. Wie oben bereits bemerkt, ist das EntferntWerden nicht unbedingt im Text enthalten; man könnte den Ausdruck ek mesou geneetai so auffassen, dass jemand oder etwas sich "mitten herausbegibt". Der Zusammenhang legt nahe, dass es die vorerst noch verborgene Gesetzlosigkeit ist, die sich zuerst herausbegeben muss. Man könnte vom gr. Text her übersetzen: "Das Geheimnis ist bereits am Wirken, [das] der Gesetzlosigkeit; nur [ist] der [da], der jetzt zurückhält, bis es [d. i. das Geheimnis der Gesetzlosigkeit] sich mitten herausbegeben hat", nämlich mitten aus der Verborgenheit heraus. Allerdings bleiben dann einige Fragen offen: Warum sagt Paulus in V. 6 "das, was zurückhält" (w.: das Zurückhaltende), wenn er doch eine Person, Gott, meint? Warum sagt er nicht "der Zurückhaltende" wie in V. 7? Und warum die ungewöhnliche Ausdrucksweise, die befremdende Formulierung? Warum wird Gott nicht erwähnt? Warum sagt Paulus nicht: "Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, nur, Gott hält es noch zurück, bis es mitten hervorgetreten ist"? George E. Ladd schlägt vor: Die Macht Gottes hält den Gesetzlosen zurück, "bis er (der Mensch der Sünde) aus der Mitte hervorkommt". "Er" im Nebensatz bezieht Ladd also auf den Menschen der Sünde, und in V. 8 werde durch sein Hervorkommen der Mensch der Sünde als das enthüllt, was er sei: der Gesetzlose. Ladd übersetzt: "Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, nur da ist einer, der jetzt zurückhält (nämlich Gott), bis er (d. i. der Mensch der Sünde) aus der Mitte entsteht/auftritt/hervorkommt"9. Dieser Vorschlag ist ansprechend. Aber dennoch kann man zu Recht einwenden: Es gibt nichts im Zusammenhang von 2. Thessalonischer 2, das anzeigen könnte, dass Paulus die Macht Gottes meinte. Warum sollte er davon so geheimnisvoll reden? Und der, der zurückhält (V. 7A), ist derselbe, der "sich mitten herausbegibt", denn der Zurückhaltende ist das Subjekt des Verbes "sich herausbegeben"; das ist die natürlichste Art, den Vers zu lesen. Keine der genannten Thesen befriedigt wirklich. In Bezug auf die ersten fünf bleiben vor allem zwei Probleme: . Problem 1: Der Gedanke, dass der Mensch der Sünde zurückgehalten wird, passt nicht recht in den gesamten Textfluss, denn das, was den Antichristus zurückhält, war nicht das Thema im Brief vorher. In V. 6 würde unvermittelt ein neues Subjekt, nämlich das bzw. der Zurückhaltende, eingeführt. . Problem 2: Der, der die Gesetzlosigkeit bzw. den Menschen der Sünde zurückhält, bleibt für spätere Leser ein Geheimnis. Der Zurückhaltende kann nicht mit Sicherheit ausgemacht werden. In Bezug auf die sechste These (Gott als der Zurückhaltende) bleibt die Frage, warum Paulus ihn nicht offen nannte. VIII: Ein Lösungsvorschlag Jakob Grimm (19. Johannesdt.) vertrat die Auffassung, der, der zurückgehalten werde, sei nicht der Antichristus, sondern der Tag Christi bzw. Christus als Wiederkommender.10 Diesem Vorschlag wurde in der Auslegungsgeschichte bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Er ist einfach, liegt auf der Hand, bietet am wenigsten Schwierigkeiten und entspricht dem Textverlauf sehr gut. Er passt genau in den Zusammenhang. In Kürze: Der, der aufgehalten (bzw. zurückgehalten o. gehindert) wird, ist der Herr Jesus bzw. sein Kommen (einschließlich alle endzeitliche Entwicklung bis zur Vollendung hin). Die in V. 3 erwähnte Tatsache, dass zuvor der Abfall ‹und Aufstand› gekommen und der Mensch der Sünde enthüllt worden sein muss, ist "das Zurückhaltende". Der "Mensch der Sünde" als Person ist (solange er noch nicht enthüllt ist) "der Zurückhaltende". Die Tatsache, dass zuvor der Abfall und die Enthüllung des Menschen der Sünde gekommen sein muss, ist das Hindernis für Christi Kommen. Personell betrachtet, ist der Zurückhaltende/Hindernde (V. 7) der "Mensch der Sünde", weil er noch nicht als "der Gesetzlose" enthüllt ist; er muss zuvor aus der Verborgenheit hervorkommen, dann wird er als "der Gesetzlose" offenbart werden (2, 8). Die Gesetzlosigkeit wird damit den Höhepunkt erreichen, - aber nicht lange, denn dann gibt es (im Plan Gottes) nichts mehr, was den Herrn Jesus von seiner Parusie zurückhält. Er wird den Gesetzlosen durch den Hauch seines Mundes vertilgen und durch die Erscheinung seiner Ankunft unwirksam machen. IX: Erweiterte Wiedergabe des Textes Es geht um eine Beruhigung der Thessalonicher in der zuvor angesprochenen Sache, nämlich der Verwirrung und Unruhe stiftenden Lehre, dass der Tag Christi "da" (d. h., unmittelbar bevorstehend) sei. Paulus erklärt ihnen, dass sie nun wissen, was es ist, das den Herrn Jesus davon zurückhält, dass er zu seinem eigenen Zeitpunkt enthüllt werde, "denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken; nur muss der, der jetzt (den Herrn Jesus bzw. den Tag Christi - einschließlich alle weitere endzeitliche Entwicklung) noch zurückhält bzw. hindert (nämlich durch die Tatsache, dass er noch nicht enthüllt ist), sich mitten (aus der Verborgenheit) herausbegeben (sich also in Fleisch und Blut manifestieren); und dann wird er als der Gesetzlose (d. h., als die Gesetzlosigkeit in Person) enthüllt werden, den der Herr Jesus durch den Hauch seines Mundes vertilgen und durch die Erscheinung seiner Ankunft unwirksam machen wird." c: Textbesprechung im Einzelnen V. 7: "... denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, nur [muss] der, der jetzt [noch] zurückhält, sich mitten herausbegeben haben [o.: mitten hervorgekommen sein]; ..." "denn": Was die Ankunft Christi hinhält, ist die Tatsache, dass der Abfall (und Aufstand) noch nicht gekommen und der "Mensch der Sünde" noch nicht enthüllt worden ist. Der Tag Christi kann daher nicht schon da sein (nicht unmittelbar bevorstehen, V. 2.3). Die Thessalonicher wissen, was den Herrn davon abhält, zu erscheinen (V. 6), "denn ...". Das Bindewort "denn" deutet eine Begründung oder Erklärung an. Es handelt sich darum, zu begründen, dass in den Worten des Apostels für die Thessalonicher (V. 3-6) auch wirklich die Beruhigung liegt, die diese Worte bezwecken. Die Begründung, warum die Thessalonicher beruhigt sein können, liegt in der Tatsache, dass die Gesetzlosigkeit gegenwärtig im Verborgenen am Wirken ist und jetzt noch "der Zurückhaltende" da ist. Solange er noch nicht aus der Verborgenheit in die Öffentlichkeit getreten ist, kann nicht davon die Rede sein, dass der Tag Christi da sei. Erst wenn er in die Öffentlichkeit getreten ist, kann davon die Rede sein. Und der Herr wird nicht lange auf sich warten lassen (V. 8). "das Geheimnis ist bereits am Wirken": Der Ausdruck "das Geheimnis der Gesetzlosigkeit" ist gleichzusetzen mit: die Gesetzlosigkeit als Geheimnis, d. h., als verborgene. Die Gesetzlosigkeit war zur Zeit des Apostels Paulus bereits am Wirken, aber im Verborgenen. Die "Apostasie" (V. 3), d. h., das Rebellieren gegen Gott und Abfallen von Gott, gab es bereits damals (1. Timotheus 4, 1), aber es war noch nicht voll ausgebrochen. "das Geheimnis ist bereits am Wirken, [das] der Gesetzlosigkeit": Gesetzlosigkeit war bereits am Wirken, aber der Gesetzlose in Person war noch nicht enthüllt. Warum reißt Paulus den Genitiv "der Gesetzlosigkeit" von dem Hauptwort "Geheimnis" los? Weil dadurch die Betonung mehr auf dem Wort "Geheimnis" zu liegen kommt. Als "Geheimnis" ist die Gesetzlosigkeit das zurückhaltende Element. Solange sie noch lediglich im Verborgenen am Wirken ist, kommt Jesus nicht wieder. Die Gesetzlosigkeit ist gegenwärtig ein "Geheimnis", d. h., sie äußert ihre verderblichen Wirkungen im Verborgenen, für das Auge unsichtbar. Sie strebt aber dahin, sich aus der Verborgenheit herauszubegeben und in ihrer ganzen Verderblichkeit ans Licht zu treten. Aber dieses Ziel wird erst dann erreicht sein, wenn - knapp vor Christi Ankunft - der Mensch der Sünde als "der Gesetzlose" enthüllt worden ist. Eine Metapher zur Verdeutlichung des Geschehens: Unter der Haut eines entzündeten Pickels kommt es zur allmählichen Ansammlung von Eiter; dieser wirkt gleichsam "im Verborgenen" und steuert auf einen Höhe und Wendepunkt zu. Die zunehmend eitrige Entzündung macht sich jedoch anhand bestimmter Symptome von Beginn an bmerkbar (örtlicher Juckreiz, Tastschmerz, Rötung und anwachsende Schwellung). Schließlich tritt nach Abschluss eines notwendigen "Reifeprozesses" der in der Mitte gelagerte, eitrige Pickelinhalt offen zu Tage, wird gleichsam "enthüllt". "... nur [muss] der, der jetzt [noch] zurückhält, ...": Wörtlich lautet es: "nur der jetzt Zurückhaltende, bis er aus der Mitte geworden ist". Das Subjekt des nachfolgenden "bis"-Satzes ("der jetzt [noch] Zurückhaltende") hat Paulus zum Zweck der Hervorhebung vorgezogen. Zieht man es nicht vor, könnte man lesen: "nur, bis der jetzt [noch] Zurückhaltende aus der Mitte geworden ist". Der Sinn ist: "nur, dass der jetzt [noch] Zurückhaltende [erst] aus der Mitte gekommen sein muss", d. h., es muss der, der jetzt noch zurückhält, zuerst hervorgekommen sein. "der, der jetzt [noch] zurückhält": Warum schrieb der Apostel vorher in V. 6 "das Zurückhaltende" (to katechon) und hier in V. 7 "der Zurückhaltende" (ho katechoon)? Vorher werden der Abfall/Aufstand und der Mensch der Sünde zusammen genannt als das, was den Herrn Jesus zurückhält (V. 3). Beide bilden die einheitliche Ursache, die die Ankunft Christi noch hinhält. Der Abfall/Aufstand und der Mensch der Sünde sind lediglich zwei Entwicklungsstufen des einen zurückhaltenden Elementes. Deshalb in V. 6 "das Zurückhaltende". Warum aber in V. 7 "der Zurückhaltende"? Weil es sich zugleich um eine Person handelt, den "Menschen der Sünde" (V. 3), den "Gesetzlosen" (V. 8). Die Gesetzlosigkeit ist im Verborgenen bereits am Wirken, allein, es ist noch nicht so weit, dass die Gesetzlosigkeit (in der Person des Menschen der Sünde bzw. des Gesetzlosen) offen ans Licht getreten ist. Insofern ist er - der Mensch der Sünde - "der jetzt Zurückhaltende", der die gesamte endzeitliche Vollendung am Tag Christi noch aufhält. Er ist noch nicht geoffenbart, und gerade als noch nicht Geoffenbarter hält er Christus zurück - nicht, weil er stärker wäre als Christus, sondern weil Gott nach einem Plan vorgeht: Zuerst kommt A dann B. Solange A noch nicht gekommen ist, kann B nicht kommen. Folglich ist A der Zurückhaltende von B. Sobald A da ist, kann B kommen; ab diesem Zeitpunkt ist A nicht mehr der Zurückhaltende von B. Zuerst kommt die Enthüllung des Menschen der Sünde, dann die Enthüllung Christi. Ehe Christus enthüllt werden kann, muss die Enthüllung des Menschen der Sünde geschehen. Folglich ist der Mensch der Sünde, solange er nicht enthüllt ist, derjenige, der Christus von seinem Kommen zurückhält. Folglich können die Irrlehrer nicht Recht haben, die behaupten, der Tag sei unmittelbar bevorstehend. Mit anderen Worten, Paulus sagt ihnen: Und nun wisst ihr, was den Herrn Jesus noch aufhält, dass er enthüllt werde zu seinem eigenen Zeitpunkt; denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist bereits am Wirken, allein es kann nichts weiter geschehen und der Herr kann nicht eher enthüllt werden, bis der, der ihn jetzt noch aufhält, sich mitten herausbegeben hat, und dann wird er als der Gesetzlose enthüllt werden; erst zu diesem Zeitpunkt wird der Herr kommen, um ihn zu vertilgen ... Es wird also in Sachen Gesetzlosigkeit nichts weiter geschehen, bis der Gesetzlose enthüllt ist. Die Tatsache, dass der Herr jetzt noch aufgehalten wird, soll als Beruhigung dienen für diejenigen in Thessalonich, die durch die Irrlehre von 2, 2 (der Tag Christi sei schon so gut wie da) verwirrt und aufgewühlt worden waren. V. 7M: "... nur, der jetzt [noch] zurückhält, [muss] sich mitten herausbegeben haben" Paulus sagt, mit anderen Worten: Ihr wisst nun, was den Herrn Jesus noch aufhält/hindert, enthüllt zu werden; denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirkt bereits, und wir gehen dem Abfall/Aufstand und der Zeit, in der die Gesetzlosigkeit voll hervorbrechen wird, bereits mit Riesenschritten entgegen; nur, der Herr Jesus wird noch nicht kommen, um dem allem ein Ende zu bereiten; zuvor muss der, der den Herrn jetzt noch aufhält, hervorgekommen sein. Erst dann wird die Gesetzlosigkeit voll losbrechen, indem nämlich der Mensch der Sünde als der Gesetzlose enthüllt wird. Ihn wird der Herr Jesus dann sogleich durch den Hauch seines Mundes und die Erscheinung seiner Ankunft vernichten. Das Wort "zurückhalten" sollte nicht so aufgefasst werden, dass das Böse in sich die Macht hätte, das Kommen des Herrn zurückzuhalten. Das Böse ist nie stärker als der Christus. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass Gott einen Plan hat. Er ist geduldig. Seine Hand wacht über alle endzeitlichen Ereignisse. Er lässt zu, dass das Böse ausreift, sich auf einen Höhepunkt zu entwickelt. Ehe der Mensch der Sünde enthüllt ist, kann Jesus Christus nicht kommen. In diesem Sinne ist der "Mensch der Sünde" der zurückhaltende Faktor. (A (Jetzt): Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist am Wirken. B (der Wendepunkt): Der Gesetzlose wird enthüllt und die Apostasie kommt; d. h., der Aufhaltende kommt aus der Mitte hervor. C (der Zielpunkt): Der Tag Christi, die Enthüllung des Herrn Jesus zu seinem eigenen Zeitpunkt - knapp nach dem Hervortreten des Aufhaltenden, d. h., des Menschen der Sünde. Jetzt ist A, solange bis B eintritt. Dann erst kann C kommen. "... [muss] sich mitten herausbegeben haben": Die Grundbedeutung des Gefüges ek mesou ginesthai (wörtl: aus ‹der› Mitte werden/entstehen/kommen) ist: "sich aus der Mitte von etwas herausbegeben" oder einfach "sich mitten herausbegeben". Je nach Zusammenhang kann das Gefüge verschiedene Bedeutungen annehmen: (1) sich mitten aus [der Welt; o.: aus der Öffentlichkeit; o.: aus dem Leben] begeben; aus dem Leben scheiden, sterben; (so vor allem im späteren Griechisch, vgl. Plutarch u. a.) (2) sich mitten aus [einer Gemeinschaft bzw. aus einem Ort] heraus (und weg) begeben; sich zurückziehen (3) sich mitten aus etwas heraus (und hervor)begeben; aus etwas (z. Bsp. aus dem Verborgenen) heraustreten, (sodass man offenbar wird). Der Zusammenhang macht klar, dass in unserem Text die dritte Bedeutung vorzuziehen ist, denn es handelt sich um etwas Verborgenes, aus welchem der Zurückhaltende heraustritt, sodass er in der Folge enthüllt wird. Vorher ist die Gesetzlosigkeit im Verborgenen am Wirken, nicht sichtbar, ebenso wie der Christus selbst nicht sichtbar am Wirken ist. Paulus spricht vom "Geheimnis". Die Gesetzlosigkeit, insofern sie ein "Geheimnis" ist, ist bereits am Wirken; nur muss der, der den Herrn Jesus jetzt noch zurückhält, sich mitten herausbegeben haben. V. 8: "und dann wird er enthüllt werden, der Gesetzlose" Dann wird der Mensch der Sünde als Gesetzloser enthüllt werden. Er wird sein wahres Gesicht als "der Gesetzlose" zeigen. So lange der Mensch der Sünde nicht enthüllt ist, ist die Gesetzlosigkeit noch als "Geheimnis" tätig. Sie wirkt im Verborgenen, gleichsam als Keim, der sich entwickeln will, zur Vollendung hin drängt. Das Ziel ist, dass der verborgene "Zurückhaltende" als Person, nämlich als "der Gesetzlose" (2, 8) endlich aus der Verborgenheit hervortrete und sich verkörpere. Dahin arbeitet "das Geheimnis der Gesetzlosigkeit" aus allen Kräften. Und dieses Ziel hat es noch zu erreichen. Der Apostel Paulus sagt: Die Gesetzlosigkeit ist im Verborgenen bereits in aller Tätigkeit; nur, der Mensch der Sünde hat sich noch nicht aus der Verborgenheit "herausbegeben". Erst wenn er "sich mitten herausbegeben hat", wird die Gesetzlosigkeit jede Tarnung ablegen und zum Ende jener heilsgeschichtlichen Phase öffentlich ins Sichtbare treten und zwar in dem Mann, der die Gesetzlosigkeit in Person ist. Dann gibt es keinen Faktor mehr, der unseren Herrn davon zurückhält, dass er enthüllt werde zu seinem Zeitpunkt. Dann wird der Herr den Gesetzlosen vertilgen ... V. 8M: "..., den der Herr durch den Hauch seines Mundes vertilgen und durch die Erscheinung seiner Ankunft unwirksam machen wird" Sobald der Gesetzlose sich herausbegeben hat - in Fleisch und Blut ans Licht getreten ist -, ist kein zurückhaltender Faktor mehr da. Dann steht dem Kommen Christi nichts mehr im Wege. Dann ist der Tag Christi da. d: Zusammenfassung Es geht um eine Antwort auf die Irrlehre von V. 2E, dass der Tag Christi "da" sei. Paulus zeigt auf, warum dieses nicht möglich ist. Er zeigt, was der Ankunft Christi im Wege steht, d. h., was vorher geschehen muss und (in diesem Sinne) den Herrn "aufhält": Zum einen muss der Abfall/Aufstand gekommen sein, und zum anderen muss der Mensch der Sünde enthüllt werden. Paulus sagt, dass zu jener Zeit die Gesetzlosigkeit bereits am Wirken wäre, nur halte der noch nicht geoffenbarte "Mensch der Sünde" die Ankunft Christi noch hin. Die Gesetzlosigkeit war bis dato noch nicht personell in Fleisch und Blut offen zutage getreten. Dadurch, dass der "Mensch der Sünde" noch nicht enthüllt war, war der zurückhaltende Faktor weiterhin gegeben. Das Zurückhalten sollte erst enden, sobald diese Person, sich aus der Verborgenheit herausbegeben hat; dann werde die Gesetzlosigkeit in der Person des "Gesetzlosen" verkörpert sein. Und dann werde es nichts mehr geben, das der Parusie Christi hemmend im Wege stehe. B: Über das Gericht des Gesetzlosen 2, 8-12 1: Beschreibung des Gerichts 2, 8 V. 8: "... und dann wird enthüllt werden der Gesetzlose" "Der Gesetzlose" ist die dritte Bezeichnung (nach "Mensch der Sünde" und "Sohn des Verderbens") für diese Person. Sobald der sich aus der Verborgenheit herausbegeben hätte, sagt Paulus, werde der "Gesetzlose" - und mit ihm die Gesetzlosigkeit - enthüllt werden. "..., den der Herr durch den Hauch seines Mundes vertilgen und durch die Erscheinung seiner Ankunft unwirksam machen wird" "Unwirksam machen" bedeutet "tilgen", sodass er nicht mehr zugegen ist. Der Gesetzlose wird durch Christus unschädlich gemacht. Der "Kampf" ist schnell entschieden. Gelassen sagt der Apostel hier: "durch den Hauch seines Mundes"; d. h., mit dem "Mundhauch" werde der Herr eingreifen. Nur ein Hauchen ist nötig, um dem stärksten Feind des Gottesvolkes ein Ende zu bereiten. Exkurs zur Frage der historischen Einordnung Im Jahr 50/51 n. Chr. war die Gesetzlosigkeit noch nicht völlig ausgebrochen. Auch der Abfall der Juden war noch nicht so schlimm wie einige Jahre später (66-70 n. Chr.). Paulus spricht in 2. Thessalonischer 2 von einem Aufstand gegen Gott, der sich steigert. Dieser Aufstand (Rebellion, Abfall) könnte sich auf die Juden zu beziehen. Der Herr Jesus sprach in Matthäus 24, 12 davon, dass die Gesetzlosigkeit sich vermehren und daher die Liebe der Vielen erkalten werde. Zur Zeit der Abfassung des 2Thess-Briefes (50/51 n. Chr.) war "das Geheimnis der Gesetzlosigkeit bereits am Wirken", die Gesetzlosigkeit war im Verborgenen wirksam. Die Bedränger der Heiligen von Thessalonich waren vorwiegend Juden gewesen. (Vgl. Apostelgeschichte 17, 5-9; 1. Thessalonischer 2, 14-16; 2. Thessalonischer 1, 4-9.) Die Situation in Israel bzw. in Jerusalem, wo sich das Tempelheiligtum Gottes, das jüdische Zentralheiligtum, befand, war in der damaligen Zeit eine wichtige Frage. Es ist möglich, dass sich Paulus über diese Fragen in Thessalonich geäußert hat, vor allem über das nahende Gericht über Israel (1. Thessalonischer 2, 16). Könnte es sein, dass Paulus an die Situation in Israel dachte, als er vom Geheimnis der Bosheit schrieb? Mit dem Menschen der Sünde muss nicht eine Einzelperson gemeint sein. Paulus schreibt hier von Ereignissen, die die Thessalonicher damals betrafen. Die Beachtung des historischen Kontextes ist als Auslegungsprinzip unerlässlich. Der legt nahe, dass der Apostel eine spezielle Situation ansprach, die nicht in allzu großer zeitlicher Ferne lag. Wenn Paulus im Jahr 50/51 dermaßen konkret von einem Tempelheiligtum sprach, einem, in das man sich hineinsetzen konnte, so können die Thessalonicher wohl an den physischen Jerusalemer Tempel gedacht haben. Dass Paulus gemeint haben sollte, seine Prophetie betreffe nicht den gegenwärtigen Jerusalemer Tempel, sondern einen dritten, der erst viele Jahrhunderte später erbaut werden sollte, scheint zu weit hergeholt. Jesus hatte vorausgesagt, dass sich die Gesetzlosigkeit bis zum Untergang des Tempels vermehren werde (Matthäus 24, 12). Und Paulus schreibt im Jahr 50/51, dass das Geheimnis der Gesetzlosigkeit bereits am Wirken war. Es könnte damit die Gesetzlosigkeit gemeint sein, die mitunter in der damaligen Christenverfolgung von Seiten der Juden (1. Thessalonischer 2, 14-16) in Thessalonich bestand. Weniger als 20 Jahre später (beginnend mit dem Jahr 66/67 n. Chr.) war die "Gesetzlosigkeit" in Judäa und Jerusalem (und nicht nur dort!) ausgebrochen. Die Zustände im Jerusalemer Tempelbezirk in den Jahren 66-70 n. Chr. waren nach den Aussagen von Josephus Flavius schrecklich und gräuelhaft. Und nach dem Brand Roms (Sommer 64) begann die größte Christenverfolgung seit je. Könnte es sein, dass der Herr dem Apostel Paulus etwas von jenen Zuständen im Voraus geoffenbart hatte? Der Ausdruck "Sohn des Verderbens" ("Mensch der Sünde", "Mensch der Gesetzlosigkeit"; "der Gesetzlose") könnte auch kollektiv aufgefasst werden. (Auch der Ausdruck "Sohn Gottes" kann in gewissen Zusammenhängen - z. B. bei Hos 11, 1 und 1. Mose 4, 22.23 - kollektiv gemeint sein. Hos 11, 1: "Als Israel jung war, da liebte ich ihn, und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen." 1. Mose 4, 22.23: "Und du sollst zum Pharao sagen: ‚So spricht JAHWEH: Mein Sohn, mein erstgeborener, ist Israel, und ich sage dir: Lass meinen Sohn ziehen, damit er mir in Verehrung diene. Und weigerst du dich, ihn ziehen zu lassen,- siehe - so werde ich deinen Sohn, deinen Erstgeborenen, töten.'" Zu vergleichen wären auch die Stellen Jeremia 31, 9 und Psalm 80, 14-18.) Die Stelle, auf die Paulus in 2. Thessalonischer 2, 8 anspielt, ist Jesaja 11, 4M: "Und er wird die Erde schlagen mit dem Stab seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Ehrfurchtslosen töten." Der "Ehrfurchtslose" (der Gesetzlose; der Frevler) scheint dort kollektiv gebraucht zu sein. (Vgl. auch den Begriff des "Gerechten" in Jakobus 5, 6.) In Johannes 17, 12 wird Judas "Sohn des Verderbens" genannt. Der Begriff "Sohn" wird des Öfteren im hebräischen Sinne verwendet. "Sohn" ist in hebräischer/semitischer Sprechweise oft ein bildhafter Ausdruck für Zugehörigkeit (vgl. Lukas 16, 8: "Söhne des Lichts"; 1. Mose 5, 24: "ein Sohn von 500 Jahren"; 1. Mose 15, 3: Der Knecht Abrahams war "Sohn seines Hauses"; Markus 2, 1: Die Hochzeitsgäste sind wörtl. "Söhne des Hochzeitssaals"). Ein verderbtes Israel, repräsentiert durch die jüdische Obrigkeit in Jerusalem, das sich gegen Gott und den Messias zusammenrottet (Psalm 2, 1.2; Apostelgeschichte 4, 21ff), könnte zu einem "Menschen der Sünde" und (wegen seiner Sünde) zu einem "Sohn des Verderbens" (d. h., dem Verderben geweiht) werden. "Mensch der Sünde" könnte ein Ausdruck sein, der dem "neuen Menschen" (Epheser 2, 15; vgl. Galater 3, 28) gegenübersteht. Jesu Aussagen über das "Erkalten" der Liebe könnten einen Bezug haben zu den Zuständen in Israel in der Zeit vor der Zerstörung Jerusalems. Der Herr Jesus scheint in Matthäus 24 nicht von Ereignissen zu sprechen, die 2000 Jahre in der Zukunft lagen, sondern von einer Zeit, die die Generation der Zeitgenossen Jesu (d. i. jenes "böse und ehebrecherische Geschlecht" jener Tage) noch erlebten sollten (Matthäus 24, 34). Auch scheint Paulus nicht von einer Situation zu schreiben, die erst Jahrtausende später eintreten sollte. Eckhard Schnabel (in: Das Neue Testament und die Endzeit, S. 96 und 97) schreibt: "Man darf nicht vergessen, dass Paulus überzeugt war, der ‚Mensch der Gesetzlosigkeit' sei schon aktiv. ... Paulus denkt ... nicht an ... Ereignisse in ferner Zukunft, sondern an Ereignisse, die sich schon in seiner Gegenwart, d. h. nach unserer Zeitrechnung im Jahr 50 n. Chr. anbahnten. ... Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Paulus metaphorisch von einem Menschen der Gesetzlosigkeit spricht, der Gottes Autorität usurpiert, ...". Schnabel denkt dabei vor allem an den römischen Feldherrn Titus, der Jerusalem einnahm. Aber der Herr Jesus könnte sich genausogut auf die Schreckensherrschaft der Zeloten im Tempelbezirk bezogen haben. Das "Geheimnis der Gesetzlosigkeit" (2. Thessalonischer 2, 7) war bereits in den 50er Jahren wirksam und nahm bis zur "Enthüllung" des "Menschen der Sünde" zu. Mit der Enthüllung der "Gesetzlosigkeit" könnte die der Zeloten im Tempelbezirk gemeint sein - oder das gesetzlose Handeln vieler Einwohner Jerusalems in jenen Jahren, z. B. die Einsetzung des unrechtmäßigen Hohen Priesters Phannias. Die rebellischen und gräuelhaften Zeloten errichteten in den Jahren 68-70 im Tempelbezirk eine Schreckensherrschaft. (Das Wort "Tempelheiligtum", griech. naos, könnte - wie in Johannes 2, 20 - hier etwas weiter gefasst sein und einfach den "Tempel" meinen.) Man könnte sogar behaupten, dass sich die Zeloten wie "Gott" ausgaben. Sie maßten sich eine Rolle und Stellung an, die nur Gott gehört. Sie erhoben sich über alles Verehrungswürdige und über Gott selbst. Der Jerusalemer Tempel wurde damals noch der "Tempel Gottes" genannt. Gott hatte bis 70 n. Chr. Israel noch nicht restlos verworfen. Jener Tempel war der Serubabel-Tempel von damals, den zu bauen er selbst befohlen hatte. Und Jerusalem war, als Matthäus etwa im Jahr 60-63 n. Chr. sein Evangelium schrieb, immer noch die "heilige Stadt". (Vgl. Matthäus 4, 5 und 27, 53.) Zurück zum Text (2, 8): Paulus sagt, "ihn", den Gesetzlosen (möglicherweise kollektiv) werde der Herr Jesus durch den Hauch seines Mundes vertilgen/vernichten und durch die Erscheinung seiner Ankunft unwirksam machen. (Vgl. Offenbarung 19, 17ff. Der Ausdruck "Schwert aus seinem Mund" bezieht sich auf sein Gerichtswort.) Die Thessalonicher sollten wissen: Ehe der göttliche Rächer zum Gericht kommt, kommt der "Mensch der Sünde", "der (kollektive) Gesetzlose", der als Sohn des Verderbens schlussendlich ins Verderben fahren wird. Erst danach kommt für die Thessalonicherchristen das vollendete Heil. 2: Weitere Information über die Ankunft des Gesetzlosen und das Gericht der Ungläubigen 2, 9-12 V. 9.10: "..., [ihn], dessen Ankunft nach dem Wirken des Satans ist in aller lügenhaften Kraft und [mit allen lügenhaften] Zeichen und Wundern und in allem Betrug der Ungerechtigkeit unter denen, die ins Verderben gehen, dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen dazu, dass sie gerettet würden." Falsche Propheten tun Wunder. Der Gesetzlose kommt unter Entfaltung von Kraft und von falschen Zeichen und Wundern. Wir lernen: Wo nach Wundern gerufen wird, ist große Vorsicht geboten. Der Feind ist ein Nachahmer des Wahren. V. 10: "... und in allem Betrug der Ungerechtigkeit unter denen, die ins Verderben gehen", d. h., die "umkommen", "verloren gehen"; das sind die, die sich selbst - durch ihre Ablehnung Christus gegenüber - zum Verderben bereitet haben. "dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen dazu, dass sie gerettet würden." Sie kommen um, weil sie ... nicht annahmen. Es wird nicht vorausgesetzt, dass sie nach dem Tode noch annehmen könnten. Nach dem Tode gibt es keine Möglichkeit mehr, Buße zu tun. "die Liebe zur Wahrheit": Es heißt hier nicht lediglich: Sie nahmen die Wahrheit nicht an; sondern: sie nahmen die Liebe zur Wahrheit nicht an. D.h., sie kamen nicht zu dem Punkt, dass sie die Wahrheit liebgewannen. Sie sperrten sich dagegen, sie wollten sie nicht lieben. Zur Liebe muss man sich entscheiden. Man muss sich fragen: "Will ich die Wahrheit lieben oder weiterhin die Lüge lieben?" "Draußen sind die Hunde, die Zauberer, die Hurer, die Mörder, die Götzendiener und jeder, der Lüge liebt und übt" (Offenbarung 22, 15; vgl. 21, 27.) "dazu, dass sie gerettet würden" (o.: "zu ihrer Rettung"): Wer die Wahrheit liebt, kann gerettet werden. Sie hätten gerettet werden können. Es hätte nicht so kommen müssen. Gott hätte sie sehr gerne retten wollen. Aber dann gab es einen Punkt in ihrem Leben, wo sie sich versperrten. Warum konnten sie schließlich nicht gerettet werden? Weil sie sich nicht retten ließen; weil sie die Wahrheit nicht geliebt und im Verstricktsein an die Unwahrheit sich verhärtet hatten. (Vgl. Pharao 1. Mose 9, 13ff. Siehe hierzu auch die Veröffentlichung "Erwählung und Vorherbestimmung", CMV Bielefeld.) V. 11: "Deswegen wird Gott ihnen eine wirksame Irreführung schicken, um das Falsche zu glauben" Gott ist es, der die Irreführung schickt, nicht nur "zulässt". (Übrigens auch die Katastrophen.) Was geschieht, bevor die Irreführung kommt? Zuerst lieben sie nicht die Wahrheit, dann schickt Gott die Irreführung. Wer sich entscheidet, trotz Gottes Werben weiterhin die Lüge zu lieben, dem schickt Gott (als Gericht) eine wirksame Irreführung. Dem, der der Irrlehre anhangen will, lässt Gott seinen Willen. Und es wird ihm zu einem vorlaufenden Gericht. Wir lernen: Irrlehre kann also auch ein Gericht sein. Und viele kippen um! "um das Falsche [o.: die Lüge] zu glauben": Die Folge davon, dass man die Wahrheit nicht liebt, ist, dass man dann das glaubt, was falsch ist. Jeder Mensch glaubt irgendetwas. Der eine glaubt der Wahrheit, der andere der Lüge. Manche von uns tun sich schwer, Irrlehre zu erkennen, weil sie die Heilige Schrift nicht gut genug kennen. Paulus ruft uns auf, Gottes Wort gründlich zu kennen. V. 12: "..., damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern an der Ungerechtigkeit Wohlgefallen hatten." Der Gegenpart zur Wahrheitsliebe ist das Wohlgefallenhaben an der Ungerechtigkeit. Man fühlt sich wohl in dem Verkehrten, Unnatürlichen. Man findet eine Liebe zum Unnatürlichen, zur Entstellung. So ist es z.B. in der Musik mit dem unnatürlichen Takt, in der Kunst mit unnatürlichen Farbzusammenstellungen und Formen [z. B. sind Comics oft Entstellung.] Unser Sinn für Ästhetik hat sich gewandelt. Das sieht man am so genannten "christlichen" Liedgut. Da ist wahre Musik oft entstellt. Das sieht man auch darin, wie Menschen sich schminken, kleiden und frisieren. Wir müssen wieder "wahrhaftig" werden, d. h. uns durch die Wahrheit umgestalten lassen und die Wahrheit wieder liebgewinnen. Wir lernen: Der eine glaubt der Wahrheit, der andere hat Wohlgefallen an der Ungerechtigkeit. Es geht also letztlich darum, was ich liebe. Es geht letztlich um die Frage: Woran finde ich Gefallen? Das war die Entscheidungsfrage in Eden. Und das war die entscheidende Frage im Gesetz. Liebst du Gott von ganzem Herzen oder lässt du in deinem Herzen Götzen aufkommen? Das ist die entscheidende Frage im Evangelium. Jesus fragt: Liebst du mich? (Vgl. Johannes 21, 15ff; Offenbarung 2, 4.) C: Ein Trostwort 2, 13-17 1: Dank 2, 13.14 "Aber wir sind es schuldig, vom Herrn geliebte Brüder, Gott für euch allezeit zu danken, dass Gott sich von Anfang euch wählte ‹und nahm› zum Heil in Heiligung des Geistes und Glauben an die Wahrheit, wozu er euch durch unsere gute Botschaft rief, um die Herrlichkeit unseres Herrn, Jesu Christi, zu erlangen." Paulus sagt, Gott "wählte ‹und nahm›" sich diese Christen "zum Heil". Die vorliegende Stelle ist die einzige, die von einer Erwählung "zum Heil" spricht. Was meint der Apostel damit? Will er sagen, dass Gott gewisse Menschen dazu erwählt hat, dass sie sich bekehren - im Gegensatz zu anderen, die sich nicht bekehren? Und wie geschah diese Erwählung? Was bedeutet "in Heiligung des Geistes" "und im Glauben der Wahrheit"? Wann geschah diese Erwählung? Von welchem Anfang spricht der Apostel? "..., dass Gott euch ... zum Heil sich wählte". Zu welchem Heil? Das Evangelium ist "zum Heil einem jeden, der glaubt" (Römer 1, 16). Die Gläubigen werden "in der Kraft Gottes durch Glauben bewahrt zum Heil" (1. Petrus 1, 5). Christus wird bei seiner Ankunft "zum Heil" denen erscheinen, die auf ihn warten (Hebräer 9, 28). Das Heil, zu dem die gläubigen Thessalonicher erwählt sind, steht im Gegensatz zu dem künftigen Los der Ungläubigen, das in den vorhergehenden Versen (2, 9-12) beschrieben ist. Dort lesen wir zuerst von dem "Menschen der Sünde", dem "Sohn des Verderbens" (V. 3), dem "Gesetzlosen" (V. 9), "dessen Ankunft nach dem Wirken des Satans ist in aller lügenhaften Kraft und [lügenhaften] Zeichen und Wundern 10 und in allem Betrug der Ungerechtigkeit unter denen, die ins Verderben gehen, dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen dazu, dass sie gerettet würden. 11 Deswegen wird Gott ihnen eine wirksame Irreführung schicken, um das Falsche zu glauben, 12 damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern an der Ungerechtigkeit Wohlgefallen hatten." Auf die Ungläubigen wartet das Gericht, aber auf die Thessalonicherchristen das Heil. Zu diesem künftigen "Heil" hat Gott sie sich erwählt. Es steht im Gegensatz zum Los derer, die dem Evangelium nicht gehorchen und daher die "gerechte Vergeltung" (1, 8) zu erwarten haben. Im ersten Brief hatte Paulus geschrieben, dass Gott "uns nicht zum Zorn setzte, sondern um durch unseren Herrn, Jesus Christus, in den Besitz des Heils zu kommen" (1. Thessalonischer 5, 9). So ist also das vollendete Heil das Ziel der Erwählung. Zu diesem rief Gott die Thessalonicher durch das Evangelium, "..., um die Herrlichkeit unseres Herrn, Jesu Christi, zu erlangen." (2. Thessalonischer 2, 14M) Es liegt auf der Hand, dass Paulus mit dem Begriff "Heil" hier in 2, 13 nicht den gegenwärtigen Heilsstand (in welchen man durch Buße und Glauben eintritt) meint, sondern das zukünftige, vollendete Heil. Die Gläubigen haben es als Hoffnungsgut bereits in Christus, aber sie sind noch nicht vollendet. In diesem Sinne steht das Heil, zu welchem Gott sie sich wählte, noch aus. In Römer 8, 24.25 heißt es: "... denn ‹auf› Hoffnung wurden wir gerettet. Aber eine Hoffnung, die man sieht, ist nicht Hoffnung, denn warum erhofft man noch, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, warten wir darauf mit Ausdauer." Paulus nahm viel auf sich, damit die in Christus "Erwählten" das vollendete Heil erlangten, d. h., auch wirklich am Ziel ankämen: "Deswegen erdulde ich alles - der Erwählten wegen, damit auch sie das Heil erlangen, das in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit." (2. Timotheus 2, 10) "... in [der] Heiligung des Geistes" Heiligung ist Absonderung von und Zuordnung zu etwas: Absonderung von der Sünde und dem "gemeinen" Leben und Zuordnung zu Gott. Was hat es mit dieser "Heiligung" auf sich? Wann geschah sie? Wann waren die Thessalonicher geheiligt worden? Paulus sagt, Gott wählte sie "in [der] Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit". Da Paulus die Heiligung vor dem Glauben nennt, könnte er an dieselbe vorauslaufende Heiligung denken, von der Petrus am Anfang seines ersten Briefes (1. Petrus 1, 2) spricht. Sie geschieht durch das zurechtweisende und überführende Wirken des Heiligen Geistes (Johannes 16, 8-11). Gott arbeitet durch seinen Geist an dem Menschen und möchte ihn von Sünde überführen, von der Wahrheit überzeugen und zur Umkehr und zum Glauben bewegen. Es gibt also eine Art "Heiligung", die der Bekehrung vorausgeht. Jeder Mensch macht sich von Gott selbständig, läuft von Gott weg. Gott schickt seinen Geist, der uns aus unserer Einsamkeit und Verirrung herausholt und "heiligt". Er ruft und disponiert uns, stimmt uns ein, macht uns empfänglich. Das ist es wahrscheinlich, was in Apostelgeschichte 13, 48 gemeint ist. Der Heilige Geist sondert uns in gewisser Weise ab. Dieses Absondern nennt die Heilige Schrift "heiligen". Diese Heiligung durch den Geist führt allerdings nicht bei jedem Menschen zur Bekehrung. Man kann dem Wirken des Geistes widerstehen. Das ist leider sehr häufig der Fall. Fest steht: Der Mensch kann sich nur dann bekehren, wenn Gottes Geist zuvor an ihm gewirkt hat, ihn also "heiligte". Das bedeutet, dass zum göttlichen Ruf auch diese vorauslaufende Heiligung gehört. Sie führt nur dann zur Heilswende, wenn der Mensch dem Wirken des Geistes nachgibt, auf Gottes Werben eingeht sich dem Wort Gottes aussetzt. Erst in der persönlichen Heilswende geschieht dann die eigentliche, die entscheidende Heiligung. Da wird der Mensch gereinigt und Gott zugeordnet, sodass er ab jenem Zeitpunkt ganz dem Herrn gehört (1. Korinther 6, 11). Es scheint so, dass Paulus hier von der vorauslaufenden Heiligung spricht. Bei den Thessalonicherchristen führte sie dazu, dass sie sich der Wahrheit stellten und an die Wahrheit glaubten. "... im Glauben an die Wahrheit" Aus ersten Brief des Paulus an die Thessalonicher erfahren wir, dass die Thessalonicher erwählt wurden, als sie zum Glauben an Jesus Christus kamen: "... wissen wir [doch], Brüder, die ihr von Gott geliebt worden seid, um eure Erwählung, dass unsere gute Botschaft nicht in Wort allein zu euch kam, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in viel ‹und› voller Gewissheit ..." (1. Thessalonischer 1, 4.5). Paulus wusste um die Erwählung der Thessalonicher, weil er zugegen gewesen war und miterlebt hatte, wie sie "von den Götzenbildern" umkehrten, "um einem lebenden und wahren Gott Sklavendienst zu leisten und seinen Sohn von den Himmeln zu erwarten" (1. Thessalonischer 1, 9.10A). Durch die Verkündigung der missionarischen Boten Paulus und Silas hatte Gott die Thessalonicher gerufen. Sie hörten, nahmen das gehörte Wort als Gottes Wort auf (2, 13) und glaubten. Zu eben jenem Zeitpunkt geschah die göttliche Erwählung. Durch Buße und Glauben kamen sie "in Christus" hinein. Sobald sie "in Christus" waren, waren sie Erwählte. So war der Zeitpunkt ihrer Versetzung in Christus ihre faktische Erwählung. Paulus wusste um ihre Erwählung, weil er miterlebte, wie sie "in Christus" hinein kamen. "... von Anfang" Nun bleibt noch die Frage, welchen "Anfang" der Apostel meinte, als er schrieb: "... dass Gott euch von Anfang zum Heil sich wählte". Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit: Vor Grundlegung der Welt, also von allem Anfang an. Paulus würde sich demnach auf die vorauskennende Erwählung in der Ewigkeit beziehen. Die Erwählung findet an zwei Stellen statt: zum einen in dem Augenblick der Hinwendung des Menschen zu Christus (d. i. die tatsächliche, historische, faktische, eigentliche Erwählung), zum anderen in der Ewigkeit per Vorauskenntnis. Per göttliche Vorauskenntnis waren wir nämlich bereits vor Grundlegung der Welt Erwählte (d. h. Kostbare, Geschätzte, Geliebte) in Christus. Paulus könnte diesen "Anfang" gemeint haben. Die zweite Möglichkeit: Mit "Anfang" könnte Paulus den Anfang des Evangeliums in Thessalonich gemeint haben, also die Zeit, als das Evangelium nach Thessalonich kam. In 1. Thessalonischer 1, 4.5 verbindet Paulus die Erwählung der Thessalonicher mit ihrer Aufnahme des Evangeliums. Wohlenberg, der diese Auffassung vertritt, schreibt: "... 'dass Gott sie von Anfang an erwählt hat'. Eilato [von aireisthai, Anm. Verf.] schreibt der Apostel hier, nur hier, und nicht etwa ekseleksato (1. Korinther 1, 27f; Epheser 1, 4), eine Verschiedenheit, die doch nicht gleichgültig ist. Denn beide Begriffe sind nicht identisch. Hfm. [v. Hofmann] dürfte das Richtige treffen, wenn er so scheidet: mit eklegesthai werde die Beziehung betont, in welche der Erkorene zum Erkürenden trete, mit aireisthai dagegen die Bestimmung, welche dem Gewählten zu teil werde. Von 'Anfang an': Gleich im Anfang hat Gott das getan. Das wird von manchen Auslegern auf die vorweltliche Erwählung bezogen, als hieße es so viel als 'vor Grundlegung der Welt' oder 'vor der Zeit'. Es kann sich aber nur beziehen entweder auf die Anfangszeit, da das Evangelium in die Welt getreten ist, im Gegensatz zu der noch zu erwartenden Endzeit, oder auf den Anfang der Verkündigung innerhalb der Gemeinde selbst. Letzteres ist das Wahrscheinlichere, weil der Apostel im andern Falle es an einer genaueren Bestimmung nicht hätte fehlen lassen und weil auch die nachher V. 15 folgende Mahnung zum Stehen und Festbleiben auf diese ihre alsbald nach der erstmaligen Verkündigung des Gotteswortes geschehene Aufnahme in den Gnadenbund Gottes zurückweist." Man darf auch nicht vergessen, dass der griechische Begriff für "sich wählte ‹und nahm›" (eilato, von aireisthai) den Gedanken des Nehmens enthält. Dieses erwählende göttliche Nehmen geschah in der persönlichen Heilswende der Thessalonicher. Gott nahm sie sich, als sie seine ausgestreckte Hand ergriffen und zu Christus kamen. Die zweite Möglichkeit ist die wahrscheinlichere. Fazit Das Ziel der Erwählung ist und war von Anfang an das vollendete Heil, das in Christus geschenkte Erbe. Gott will, dass es jeder Mensch erlange. Paulus schreibt, viele nehmen die Liebe zur Wahrheit nicht an und gehen deshalb ins Verderben: "... und in allem Betrug der Ungerechtigkeit unter denen, die ins Verderben gehen, dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen dazu, dass sie gerettet würden" (2. Thessalonischer 2, 10). Die Liebe zur Wahrheit und das Annehmen derselben hätte sie zum "Heil" gebracht. Nun aber gehen sie ins Verderben, weil sie der Wahrheit nicht glauben, sondern "an der Ungerechtigkeit Wohlgefallen haben" (V. 11.12). In V. 13 bringt er Gott gegenüber seine Dankbarkeit in Bezug auf die Thessalonicher zum Ausdruck. Er dankt, dass Gott sie von Anfang der Evangeliumsverkündigung an zu diesem herrlichen zukünftigen Ziel, dem vollendeten "Heil", wählte (und nahm), indem er (anlässlich der Evangeliumsverkündigung) in der (werbenden, vorauslaufenden) "Heiligung" (Absonderung) durch den Geist an ihnen wirkte und indem sie (auf Gottes Ruf hin) an die Wahrheit glaubten. "..., wozu er euch durch unsere gute Botschaft rief, um die Herrlichkeit unseres Herrn, Jesu Christi, zu erlangen." (V.14) V. 13 spricht nicht von einer Erwählung "zur Bekehrung" bzw. "zur Buße"; auch nicht von einer Erwählung zur Heiligung oder zum Glauben. Und Paulus sagt nicht, dass ungläubige Thessalonicher durch göttliche Erwählung gläubig wurden. Es wird hier deutlich, was auch an anderen Stellen der Heiligen Schrift klar zum Ausdruck kommt: Um gerettet (und dadurch "erwählt") zu werden, muss auch der Mensch etwas tun: sich vom Geist Gottes überführen lassen, umkehren, an die Wahrheit glauben. (Vgl. Markus 1, 15; Apostelgeschichte 20, 21). Dazu ruft Gott den Menschen durch das Evangelium auf - mit dem Ziel, dass er die Herrlichkeit erlange. 2: Aufruf, fest zu bleiben 2, 15 In den V. 15-17 werden die Leser ermutigt und aufgerufen: "Steht dann also fest, Brüder, und haltet die Überlieferungen fest, die ihr gelehrt wurdet, sei es durch Wort, sei es durch Brief von uns. Aber unser Herr selbst, Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns liebte und in Gnade ewigen Trost und gute Hoffnung gab, richte eure Herzen auf und festige euch in jedem guten Wort und Werk." "Steht dann also fest, Brüder" Der Wort "also" zeigt, dass Paulus seine Leser unter Berufung auf das eben Gesagte motiviert. "steht ... fest": Vgl. Epheser 6, 15: "in einer Bereitschaft des Evangeliums des Friedens" Gemeint ist die Bereitschaft, in der guten Botschaft des Friedens fest zu bleiben. Der Soldat Christi darf sich nicht zurückdrängen lassen. Er soll fest im Boden stehen, mit "Spikes" an den Schuhen. "und haltet die Überlieferungen fest, die ihr gelehrt wurdet, sei es durch Wort, sei es durch Brief von uns." Die Mittel, wodurch die Gläubigen lernen sollen, sind die mündliche Verkündigung des Wortes Gottes (auf der Grundlage der Heiligen Schrift) und die Briefe der Apostel (d. i. das ganze NT; hinzu kommt auch das AT). 3: Gebet um Trost und Festigung 2, 16.17 "Aber unser Herr selbst, Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns liebte und in Gnade ewigen Trost und gute Hoffnung gab, ..." Es handelt sich um ein Gebet in der dritten Person. a: Der Angebetete: V. 16 I:. Wer er ist Zwei werden angebetet. Interessanterweise wird der Herr Jesus zuerst genannt. . "unser Herr selbst, Jesus Christus" . "und unser Gott und Vater" II:. Was er bisher getan hat "der uns liebte und in Gnade ewigen Trost und gute Hoffnung gab" . Liebe (Er liebte uns) . Gnade (Er beschenkte uns) - In Gnade gab er uns ewigen Trost (gr. parakleessis es bedeutet auch Aufruf, Zuspruch und Aufrichtung): Was ist es, das tröstet? Jesus Christus ist Gottes Trost für uns (Lukas 2, 25; Römer 15, 4; 2. Korinther 1, 3-7). Das Wort Kolosser 2, 2; 1. Thessalonischer 2, 3; 1. Timotheus 4, 13; Hebräer 13, 22; 1. Petrus 5, 12; Judas 3 Der Heilige Geist Apostelgeschichte 9, 31 - In Gnade gab er uns gute Hoffnung. b: Die Bitte: V. 17 "richte eure Herzen auf und festige euch in jedem guten Wort und Werk." . Tröste euch / richte eure Herzen auf . Festige euch .. - in jedem guten Wort - in jedem guten Werk Wie hängen gute Werke mit Festigung zusammen? Sie fördern die Liebe zu Christus und den Heiligen. IV: ABSCHLIEßENDE WORTE 3, 1-15 A: Ein Anliegen bezüglich Gebet 3, 1-5 1: Bitte um Fürbitte 3, 1.2 "Zum Gebliebenen: Betet, Brüder, für uns, damit das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, so wie auch zu euch hin, ..." Wie läuft das Wort Gottes? Von Mund zu Ohr und wieder von Mund zu Ohr. Es muss gesagt (verkündet) werden, damit es weiter läuft. Welches "Wort"? Das, das Paulus verkündete (2, 13). Dieses sollten sie weitergeben. Wir haben es schriftlich. Dieses, d.h. den Inhalt per mündliche Verkündigung und schriftlich die Kopien der Bibel, sollen wir weitergeben. Zusätzlich bezeugen wir, was wir erlebt haben. Aber - Vorsicht! - wir haben nicht die Garantie, dass alles, was wir erleben, vom Heiligen Geist ist. Daher haben wir nur diejenigen persönlichen Erfahrungen weiterzugeben, die nicht im Widerspruch zum Wort Gottes stehen. Heute besteht die Gefahr, dass wir Erfahrungen zu stark betonen und vielleicht sogar über Gottes Wort stellen. Eine weitere Gefahr ist der Pragmatismus: "Hauptsache es funktioniert". "damit das Wort des Herrn laufe": Wie hängt das Laufen des Wortes Gottes mit Beten zusammen? Sehr stark. Würden wir nicht beten, würde das Wort nicht laufen. Es hängt viel vom Beten ab. Aber wir müssen mehr tun als beten, denn, würden wir nicht verkünden (bezeugen), würde das Wort Gottes ebenfalls nicht laufen. V. 2: "..., und damit wir befreit werden von den verkehrten und bösen Menschen, denn nicht aller ist der Glaube [o. die Treue]." Nicht jeder wird gläubig. Warum nicht? Weil nicht jeder glauben will, was Gott sagt. Warum will nicht jeder es glauben? Weil nicht jeder tun will, was Gott sagt, und weil nicht jeder darin treu bleiben will. Paulus sagt nicht, dass es nicht jedem Menschen möglich sei zu glauben. Nein, jeder kann. Und sollte bei jemandem ein Verstockungszustand erreicht sein, so hätte er jedenfalls vorher glauben können. Und jeder weiß, ob er glaubt oder nicht. Das Vertrauen auf den Herrn Jesus setzen, das tut man nicht unbewusst. 2: Zuspruch 3, 3.4 V. 3: "Treu ist aber der Herr, der euch festigen und vor dem Bösen beschützen wird." Nicht jeder ist ein Vertrauender - und "Treuer" (d. h. einer, der Glauben hält; das griech. Wort für "gläubig" kann auch "treu" bedeuten). Aber der Herr ist treu. Ist die Aussage in V. 3 ein Gebet oder eine Verheißung? Der Herr, der gute Hirte, festigt/stärkt (wird auch weiterhin festigen) und beschützt vor Bösem. Wen? Den, der ihm vertraut! Es handelt sich um eine Verheißung für Glaubende. V. 4: "Wir vertrauen aber im Herrn [im Blick] auf euch, dass ihr das, was wir euch anweisen, sowohl tut als auch tun werdet." Wie hängen V. 4 und V. 3 zusammen? Der Herr ist treu und tut das Seinige. Und wir sollen das tun, was der Apostel uns anweist. Es geschieht nicht automatisch. Wie kann Paulus wissen, dass der Herr die Thessalonicher festigen und beschützen wird? Weil er weiß, dass Gott sein Teil tun wird. Das aber schließt nicht aus, dass die Thessalonicher ihr Teil tun sollen. Der Herr bewahrt, wir halten sein Wort fest (2, 15). 3: Gebet 3, 5 "Aber der Herr lenke eure Herzen zur Liebe Gottes ‹und Liebe zu ihm› und zum Verharren bei Christus [o. zum Verharren des Christus]." Das ist das Wichtigste: Den Herrn lieben! Und im Bewusstsein seiner Liebe zu uns wandeln! Und dabei: verharren bei Christus! Wie verharrt man bei Christus? Indem man ihm vertraut, sein Wort liest, mit ihm in Gemeinschaft bleibt, sich zu ihm stellt, mit der Welt keine Kompromisse eingeht. B: Ein Anliegen bezüglich Gemeinschaftsentzug als Gemeindezucht 3, 6-15 1: Anweisung zum Gemeinschaftsentzug 3, 6 "Wir weisen euch aber an, Brüder, im Namen unseres Herrn, Jesus Christus, euch von jedem Bruder zurückzuziehen, der in unordentlicher Weise wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von uns überkam, ..." Warum zurückziehen? Weil es um die Ehre Gottes geht - und um die Bewahrung seiner Gemeinde. 2: Exkurs: Was ist Ziel und Zweck der Zucht? 1. Die Heiligkeit in der Gemeinde muss gewahrt bleiben. Zucht hat einen Erziehungseffekt für die ganze Gemeinde. Ein Schauer der Heiligkeit Gottes, eine gewisse Furcht befällt alle. Apostelgeschichte 5, 11: "Und es kam eine große Furcht auf die ganze Gemeinde und auf alle, die dieses hörten. ... 13 aber von den Übrigen wagte niemand, sich ihnen anzuschließen, sondern das Volk hielt große Dinge auf sie" 1. Timotheus 5, 20: "Die (Ältesten), die sündigen, überführe vor allen, damit auch die anderen Furcht haben") So war es im Gesetz (1. Mose 17, 12.13): "Der Mann, der mit Vermessenheit handelt, dass er ... nicht hört, dieser Mann soll sterben. Und du sollst das Böse aus Israel wegschaffen. Und das ganze Volk soll es hören und sich fürchten und nicht mehr vermessen sein." 2. Der Ruf des Evangeliums und die Kraft des Zeugnisses müssen gewahrt bleiben. (Vgl. Römer 2, 24.) Andernfalls hätten Widersacher Anlass zu übler Rede, und die Ausbreitung des Evangeliums würde gehindert. Titus 2, 5: "... den eigenen Männern untergeordnet, damit das Wort Gottes nicht gelästert werde." 1. Timotheus 6, 1: "die eigenen Herren aller Ehre wert halten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre gelästert werde." 2. Petrus 2, 2: "Und viele werden [sich nach] ihren zerstörerischen [Wegen] ausrichten [und diesen] folgen, deretwegen der Weg der Wahrheit gelästert werden wird". Durch offene Sünde, die in der Gemeinde geduldet wird, wird Gottes Zeugnis in der Welt geschwächt. 3. Der Gefallene soll wiederhergestellt werden. Gemeindezucht hat die Buße (Gesinnungsänderung und praktische Umkehr) und Wiederherstellung des Betreffenden zum Ziel. Galater 6, 1.2: "Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, ihr, die Geistlichen, helft einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht, und achte dabei auf dich selbst, dass nicht auch du versucht werdest. Tragt einer des anderen Lasten und erfüllt auf diese Weise das Gesetz des Christus". 2. Korinther 2, 7.8: "sodass ihr umgekehrter Weise lieber vergeben und aufrichten solltet, damit solcher nicht in übermäßiger Betrübnis verschlungen werde; 8 weshalb ich euch aufrufe, ihn der Liebe zu vergewissern". 1. Korinther 5, 4.5: "damit der Geist gerettet werde am Tag des Herrn Jesus". 1. Korinther 11, 32: "damit wir nicht mitsamt der Welt verurteilt werden" Jede Sünde trennt von Gott und von Mitchristen (Jesaja 59, 1.2; 1. Johannes 1, 7; 2. Korinther 6, 3; Matthäus 18, 15ff). 4. Die Zucht ist ein Mittel, dass es nicht zu weiterer Ausbreitung der Sünde kommt - weder im Leben der betreffenden Person noch im Leben anderer, die sie anstecken könnte. 1. Timotheus 1, 20: "... damit sie durch Zucht unterwiesen werden, nicht zu lästern." Gott nimmt den Betreffenden aus seinem gemeinschaftlichen Schutz heraus und gibt ihn der Züchtigung Satans preis. Auf diese Weise hält Gott die Gemeinde rein. 2. Thessalonischer 3, 14: "... damit er dazu gebracht werde, sich in sich zu kehren". Die Zucht ist für den Betreffenden eine Hilfe. Er muss aufwachen, erkennen, was er tut. Es besteht Ansteckungsgefahr. Sünde frisst um sich wie Krebs (2. Timotheus 2, 17), wie Sauerteig. 1. Korinther 5: V. 2: "Und ihr seid aufgebläht und trauertet nicht vielmehr, damit der, der diese Tat beging, aus eurer Mitte entfernt würde. ... 6 Euer Rühmen ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig säuert? 7 Fegt also den alten Sauerteig aus, damit ihr ein frischer Teig seid, demgemäß wie ihr ungesäuert seid, ... 9 Ich schrieb euch in dem Brief, nicht mit Unzüchtigen Umgang zu pflegen - 10 und ‹zwar› nicht ganz und gar, mit den Unzüchtigen dieser Welt oder mit den Habsüchtigen oder Räuberischen oder Götzendienern, denn dann müsstet ihr aus der Welt hinausgehen. 11 Aber nun schreibe ich euch, nicht Umgang zu pflegen, wenn jemand als Bruder bezeichnet wird und ein Unzüchtiger oder Habsüchtiger oder Götzendiener oder Schmäher oder sich Berauschender oder ein Räuberischer ist, mit einem solchen nicht einmal zu essen; 12 denn was [gehen] mich auch die [an], die außerhalb sind, [sie] zu richten? Richtet ihr nicht die, die drinnen sind? 13 Aber die, die außerhalb sind, richtet Gott. Und entfernt ihr den Bösen aus eurer ‹Mitte›!" Es gibt viele Beispiele. Hier ist ein Jugendleiter, der die Sprache der Welt spricht; hier einer, der "flirtet", der es nicht so ernst nimmt mit dem anderen Geschlecht; dort eine Gemeinde, die duldet, dass ein junger Mann zusammen mit "der Freundin" alleine in den Urlaub fährt. Es kann eine "bittere Wurzel" (Hebräer 12, 15) aufwachsen, durch die viele verunreinigt und versucht werden, es mit der Heiligung nicht mehr so ernst nehmen. 5. Zweck der Zucht ist nicht, eigene Vorstellungen durchzusetzen oder von sich abzulenken oder unangenehme Leute auszuschalten. Es geht immer um das Wohl der Gemeinde. Apostelgeschichte 20, 28-31: "Gebt also ‹stets› Acht auf euch selbst und auf die ganze kleine Herde, in der der Heilige Geist euch zu Aufsehern setzte, um Hirten zu sein für die Gemeinde Gottes, die er sich durch das eigene Blut erwarb, 29 denn dieses weiß ich, dass nach meinem Weggehen schlimme Wölfe zu euch hineinkommen werden und die kleine Herde nicht schonen werden. 30 Auch aus euch selbst werden Männer aufstehen, die Dinge, die verkehrt worden sind, reden werden, um die Jünger wegzuziehen hinter sich her. 31 Darum seid wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht abließ, jeden Einzelnen unter Tränen zu ermahnen." Titus 1, 9-11: "einer, der sich an das treue Wort der Lehre hält, damit er in der gesunden Lehre aufrufen und auch die Widersprechenden zurechtweisen kann; 10 denn es sind viele - und [sie sind] solche, die sich nicht unterordnen - ... 11 denen man den Mund schließen muss, die ganze Häuser zu Fall bringen und schändlichem Vorteil zuliebe lehren, was man nicht [lehren] sollte." 3: Das Vorbild des Apostels 3, 7-9 "denn ihr selbst wisst, wie man uns nachahmen soll, weil wir unter euch nicht unordentlich waren, 8 noch aßen wir ohne Entgelt Brot von jemandem, sondern es war mit Arbeit und Mühe: Bei Nacht und bei Tag waren wir am Werk, um nicht jemandem von euch eine Last zu sein 9 - nicht, dass wir nicht die Berechtigung [dazu] hätten, sondern damit wir uns selbst euch als Vorbild geben könnten, uns nachzuahmen" 4: Eine Grundregel in Bezug auf Arbeit und Essen 3, 10 "denn auch, als wir bei euch waren, gaben wir euch diese Anweisung: Wenn jemand nicht arbeiten will, ..." Beachten wir das Wörtchen "will". Manche wollen, können aber nicht, finden keine Anstellung. Aber sie können Hilfsdienste leisten, Tagesarbeit tun. "... soll er auch nicht essen": Dass wir täglich essen müssen, hat Gott zum Schutz für uns eingerichtet. So sind wir auf ihn angewiesen, um Brot bzw. um Arbeit zum Broterwerb zu bitten. Das bewahrt vor Unnützem und vor Bösem (V. 11). 5: Aufruf zu diszipliniertem Wandel und Fleiß im Tun des Edlen 3, 11-13 V. 11: "... denn wir hören, dass etliche unter euch in unordentlicher Weise wandeln, nichts arbeiten, sondern vielgeschäftig sind ‹und Überflüssiges treiben›." Hier haben wir ein Wortspiel: zuerst: "nichts arbeiten" (meeden ergatsomai), dann: "vielgeschäftig sein" (= periergatsomai, d.h. in falsche Richtung oder in gar keine Richtung "arbeiten"; w.: "umherarbeiten".) V. 12, 13: "Solche weisen wir an und rufen wir durch unseren Herrn, Jesus Christus auf, dass sie mit stillem Wesen arbeiten und ihr eigenes Brot essen. Ihr aber, Brüder, ermattet nicht im Tun des Edlen." Paulus ist deutlich: Wenn du keine Arbeit hast, verbring deine Zeit mit Gutestun. Für Frauen, die keine Kinder (mehr) zu Hause haben, kann es unter Umständen gut sein, einer beruflichen Arbeit nachzugehen (vgl. Sprüche 31); jedenfalls ist arbeiten besser als nichts zu tun oder Nachrede ("Klatsch" und "Tratsch") zu treiben. Noch besser ist es, sich in der Arbeit an Menschen (Kindern, Enkelkindern, Urenkeln oder sonstiger Kinder und Frauenarbeit) einzubringen. 6: Wiederholte Anweisung, sich zurückzuziehen 3, 14.15 V. 14: "Wenn jemand unserem Wort mittels Brief nicht gehorcht, merkt euch diesen ..." Andere Übersetzungen haben "bezeichnet ihn". Es geht wohl darum, ihm besondere Beachtung zu schenken, das Augenmerk besonders auf ihn zu richten. "und habt nicht Umgang mit ihm, ..." Wie sieht das aus? Die letzte Form von Gemeindezucht ist Entzug von Gemeinschaft. Allerdings: Wenn es vorher keine Gemeinschaft gegeben hat, kann man sie nicht entziehen. Der Betreffende muss merken, wie schlimm es ist, nun keine Gemeinschaft mehr zu haben. Damit ist nicht der Entzug einer Mitgliedschaft gemeint. Warum ist es wichtig, dass derjenige öffentlich gekennzeichnet wird? "damit er dazu gebracht werde, sich in sich zu kehren" Er soll erkennen, wohinein er sich manövrieren ließ. V. 15: "..., und betrachtet ihn nicht als einen Feind, sondern ermahnt ihn als einen Bruder." Vgl. 1. Mose 19, 17. D. h., es gibt immer noch Kontakte und Gelegenheit des Sprechens zu ihm. Aber das Thema soll die Buße über seine Sünde und die Wiederherstellung sein. Es versteht sich, dass sich der Umgang mit jemandem, der in öffentlicher Sünde verharrt und Gott nicht gehorchen will, nur darauf beschränkt, dass man ihm hilft, wieder zurechtzukommen. Weiter darf die "Gemeinschaft" nicht gehen. Will er an dem verkehrten Weg festhalten, muss es der gesamten Gemeinde mitgeteilt werden; denn wie sonst könnte die gesamte Gemeinde dem Betreffenden ihre Gemeinschaft entziehen? 7: Exkurs zum Thema "Gemeinschaft" a. Gemeinschaft bedeutet, gemeinsam mit anderen an etwas teilzuhaben. Im Allgemeinen ist Gemeinschaft ein gesellschaftlicher Umgang, ein Zusammenleben; aber Gemeinschaft von Gläubigen ist nicht lediglich eine Partnerschaft oder Interessensgemeinschaft. Alle Christen haben ihr geistliches Leben aus einer gemeinsamen Quelle. Christus hat ihnen sein Leben gegeben. Weil sie ihr Leben aus derselben Quelle haben, sind sie eine Familie. Sie haben einen gemeinsamen Vater. Weil sie eine Familie sind, gehören sie zusammen, leben sie in einem gewissen Maße zusammen. Und wenn sie nicht gerade zusammen sind, so fühlen sich doch zusammengehörig. Wann und wo immer sie sich treffen, leben sie diese Zusammengehörigkeit aus. Wo es möglich ist, führen sie ein Stück ihres Lebens gemeinsam. Gemeinschaft bedeutet daher, ein gemeinsames aus der himmlischen Quelle gewonnenes Leben zu teilen. b. Gemeinschaft haben ist nicht nur, gemeinsam mit anderen an etwas Anteil zu haben (z. B. an Christus), sondern auch, dem anderen Anteil zu geben. Christen teilen ihr Leben mit anderen Christen. Sie lassen andere in der geistlichen Familie am eigenen Leben Anteil haben, weil sie zusammengehören. Sie geben erstens sich selbst, und zweitens, was sie haben. Eigentlich gehört dies zusammen. Wenn ich jemandem von meinem Besitz etwas gebe, gebe ich ihm etwas von mir selbst. Normalerweise ist das, was man besitzt, etwas, wofür man ein Stück Leben eingetauscht hat. Z. B. hat man dafür gearbeitet. Wenn nun ein Christ seinem Bruder von seinem Besitz, z. Bsp. von seiner Gemüsesuppe, Anteil gibt, gibt er ihm ein Stück von seinem Leben. c. Gemeinschaft lebt von der Liebe, ebenso wie die Ehe, die Keimzelle der Gemeinschaft, von der Liebe lebt. Liebe ist die Substanz einer Beziehung. Gemeinschaft lebt auch vom gegenseitigen Vertrauen - wie die Ehe auch. d. Gemeinschaft muss erhalten werden. D. h., man muss etwas tun, um sie köstlich zu erhalten, man muss daran arbeiten (wie in der Ehe auch). Beziehungen muss man pflegen. Sie leben von der Frucht der Liebe: von Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld. Sie leben von der gemeinsamen Zeit miteinander, von gemeinsam Erlebtem, von gemeinsamer Arbeit, gemeinsamem SchulteranSchulterKampf, von der gemeinsamen Aufopferung an Kraft, Gesundheit, Geld, Schlaf und Schweiß - wie die Ehe und die Familie auch. Das macht Gemeinschaft so kostbar. e. Gemeindezucht ist nicht Gemeindeausschluss, sondern Gemeinschaftsentzug. Es gibt ja letztlich nur eine Gemeinde, nur eine Familie Gottes. Wer im Heil ist, gehört dazu. Gemeindeausschluss in diesem Sinne käme einem Ausschluss aus dem Heil gleich. Entzug von Gemeinschaft hingegen ist ein "Hinaustun" aus dem Kreise derer, mit denen man herzlichen Umgang hat. (Vgl. 1. Korinther 5, 9-13; 3. Johannes 10.) Es geht darum, einen Unterschied im Umgang miteinander zu setzen. Die Geschwister werden den Betreffenden zurechtweisen, ermahnen und ihn zur Umkehr auffordern. 2. Thessalonischer 3 ist an die gesamte Gemeinde gerichtet. Wenn nun einer der Thessalonicher den apostolischen Weisungen nicht gehorchen will (d. h. dem Wort Gottes nicht gehorchen will) und in gewisser offener Sünde lebt (wie in 1. Korinther 5, 11 aufgezählt) oder "unordentlich" wandelt (in Bezug auf etwas sein, das dem Zeugnis Christi empfindlich schadet), so muss die Sache offen vor die ganze Gemeinde gebracht werden. Z. B. wenn jemand in Unzucht lebt oder in offensichtlicher Habgier oder Trunksucht, muss die ganze Gemeinde darüber Bescheid wissen, denn nur dann kann sie entsprechend der Aufforderung des Apostels handeln. V: EIN SCHLUSSWORT 3, 16-18 "Aber der Herr des Friedens selbst gebe euch den Frieden durch alles ‹hindurch› und in aller Weise. Der Herr [sei] mit euch allen. Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Das ist das Zeichen in jedem Brief: So schreibe ich. Die Gnade unseres Herrn, Jesu Christi, [sei] mit euch allen. Amen." 1 F. Mache (in: ) schreibt mit Recht: "Wenn also die Juden auf dem Tempelberg einen neuen Tempel errichten wollen, was angesichts der gegenwärtigen Weltlage nicht möglich ist, dann wäre aber ein solcher nur ein Gebäude (hieron), jedoch kein wahres Heiligtum (naos) Gottes, weil dort die Gegenwart Gottes nicht wohnen würde." 2 d. h.: den Herrn Jesus 3 Newton Benjamin Wills, Notes Expository of the Greek of the first chapter of the Romans, London 1856 4 Ein weiteres Beispiel für eine Prolepsis bzw. Antizipation (Vorziehung) zwecks Betonung findet sich in Gal 2,10. Dort heißt es (V. 9M.10): "... gaben sie mir und Barnabas die rechte ‹Hand› der Gemeinschaft, ...10 nur dass wir der Armen gedächten, was ich mich auch befleißigte zu tun." Wörtlich übersetzt lautet V. 10A: "nur der Armen dass wir gedächten, ..." Das Objekt "der Armen" wird zwecks Betonung vorgezogen. 5 Ein ähnlicher Fall einer Ellipse (Auslassung) mit monon (nur, alleine) findet sich in 1Kr 7,39M: "Aber wenn ihr Mann entschlief, ist sie frei, verheiratet zu werden mit wem sie will - nur im Herrn." D. h.: "- nur [soll sie] im Herrn [heiraten]." Ein ähnlicher Fall ist in Gal 6,12 ("... diese nötigen euch, beschnitten zu werden, nur damit sie nicht für das Kreuz Christi verfolgt werden"). 6 Vgl. z. B. L. J. Lietaert Peerbolte, The katechonkatechoon in 2.Thess. 2:6,7, Kampen; NT Vol. 39, Fasc. 2 (1997), S. 138-150 7 z. B. Michael, Off 12,7; Da 8,10-12; 10,13.20.21; 12,1. Vgl: William Arnold III in "The Post Tribulation Rapture" http://www.apostolic.net/biblicalstudies/post/link4.htm. Für den Engelsfürsten Michael als "Zurückhaltenden" argumentiert auch Nicholl, Colin R. in: From Hope to Despair in Thessalonica: Cambridge University Press, 2004, S. 27-53 8 Erwähnt bei F. F. Bruce, 1&2 Thessalonians, Word Biblical Commentary, Bd 45, S 171. 9 Vgl. bei Erickson, Contemporary Options in Eschatology; http://www.bibletruth.cc/the_restrainer.htm 10 Joseph Grimm: "Der katechon des zweiten ThessalonikerBriefes (2. Thess. 2,7), Stadtamhof 1861; www.bibliothek.uniaugsburg.de --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 39