U n t e r w e g s n o t i e r t

 

Eine Handreichung für Dienende

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„Wir sind Fremde vor dir

und Beisassen wie alle unsere Väter;

wie ein Schatten sind unsere Tage auf Erden.”

1. Chronik 29, 15

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Nr. 98: Mai, Juni 2016

 

Was sagt die Bibel über Gemeindemitgliedschaft?

 


Grundsätzliches

    Im Grunde besteht kein Unterschied zwischen Gliedschaft der Gemeinde am Ort und der Gemeinde Gottes, dem Leib Christi. In der Schrift ist der, der Glied am Leib Christi ist, Glied der Gemeinde am Ort. Gläubige auf Reisen gehören zu jeder Gemeinde Jesu, zu der sie hinkommen, weil es nur eine einzige Gemeinde Jesu gibt. Gemeinde ist die Schar der Erlösten. Ein Christ gehört immer zur Schar der Wiedergeborenen, wo diese sich auch versammeln. Freilich kann er nicht überall gleich viel Gemeinschaft haben; aber dennoch gehört er zu ihnen, ganz einfach deshalb, weil er ebenso wie sie ein Wiedergeborener ist. Er mag zwar dem Irdischen nach an jenem Ort zu Gast sein, aber er kann nicht Gaststatus haben in der Gemeinde Gottes an irgendeinem Ort. Die Gemeinde ist eine Familie. Zu einer Familie gehört man, oder man gehört nicht zu ihr. Man kann nicht einerseits zur Familie gehören aber andererseits nur Gaststatus in ihr haben.

    Verlässt ein Christ die Gemeinde Gottes, so gibt es keine andere. Daher kommt es – neutestamentlich gesprochen – auf dasselbe hinaus, ob man sagt, jemand hätte den Herrn verlassen, oder er hätte die Gemeinde verlassen. Wer den Herrn verlässt, verlässt das Heil und damit auch die Gemeinde des Heils. Hat also jemand (in diesem ntl. Sinne gesprochen) die Gemeinde verlassen, so ist er somit kein Christ mehr. Wenn er kein Jesus-Nachfolger mehr ist, hat er die Gemeinde Jesu verlassen. Hat er den Herrn Jesus nicht verlassen, so hat er auch die Gemeinde nicht verlassen.

    Ebenso kann es von einem Jesus-Nachfolger nie heißen: „Er ist nicht (oder noch nicht) in der Gemeinde” – denn sobald er ein Jesus-Nachfolger ist, ist er in der Gemeinde. Es mag sein, dass er keine Gemeinschaft pflegt, aber dennoch ist er Teil der Gemeinde. Wenn wir es anders praktizieren oder erleben, haben wir noch nicht richtig verstanden, was neutestamentliche Gemeinde ist.

 

    . Am Pfingsttage und den Tagen danach werden die gezählt, die durch Umkehr hinzugetan werden. Hinzu tut aber nicht der Mensch, sondern der Herr:

    Apostelgeschichte 2, 41.47: „Die also, die sein Wort im Vertrauen aufnahmen, wurden getauft. Und an jenem Tage wurden etwa 3000 Seelen hinzugefügt… priesen dabei Gott und hatten Gunst beim ganzen Volk. Täglich tat der Herr die Gerettetwerdenden zur Gemeinde hinzu.” D. h., als der Herr dabei war, sie zu retten, war er dabei, sie der Gemeinde in Jerusalem hinzuzutun. Es war der Herr, der sie hinzutat.

    Und sie wurden, berichtet Lukas, dem Herrn hinzugefügt (5, 14): „Aber mehr noch wurden Glaubende dem Herrn zugefügt, Mengen von Männern und auch Frauen.” Ebenso in 11, 24: „Und es wurde eine große Menge dem Herrn hinzugetan.”

    In dem Moment, in dem jemand das Wort annahm, Buße tat (d. h.: anderen Sinnes wurde und die Konsequenzen zog) und an Jesus Christus glaubte, nahm der Herr ihn an und in seinen Leib auf. Es war also kein Unterschied zwischen Hinzufügung zum Herrn und Hinzufügung zur Schar der Glaubenden, d. i. zur Gemeinde am Ort. Es bedurfte nicht noch eines zweiten Schrittes, um zur Gemeinde am Ort zu gehören. (Auch hört man in der Heiligen Schrift niemanden sagen: „Ich gehöre zu dieser oder jener Gemeinde.” Das besitzanzeigende Fürwort [z. B. mein, dein, sein, unser] wird in Verbindung mit dem Wort Gemeinde im NT nie erwähnt. Die einzige – und bezeichnende – Ausnahme ist Matthäus 16, 18.)

    Die Gemeinde in Jerusalem nahm zu durch Zunahme der Zahl der Jünger am Ort.

    Apostelgeschichte 6, 1.7: „In jenen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, entstand ein Murren der Griechischen gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden. ... 7 Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem erfuhr eine sehr starke Vermeh-rung. Auch eine große Menge der Priester gehorchte dem Glauben.”

    Mit der Bekehrung von Menschen wuchs die Gemeinde am Ort. Zwischen der Jüngerzahl und der Zahl der Glieder der Gemeinde am Ort bestand also kein Unterschied. Zählte man alle Jünger Christi in Jerusalem, so wusste man, wie viele in der örtlichen Gemeinde waren. Die Begriffe „Gemeinde”, „Gläubige” und „die Menge derer, die dem Herrn zugefügt wurde”, werden auswechselbar gebraucht. Vgl. auch 8, 1 („An jenem Tage entstand eine große Verfol-gung gegen die Gemeinde in Jerusalem.”). Die Gruppe derer, über die die Verfolgung kam, ist gleich der Gruppe derer, die zur Gemeinde in Jerusalem gehörten: die Jünger Jesu in Jerusalem. Sie tragen die Bezeichnung: „die Gemeinde in Jerusalem”.

 

    . Auch in Antiochien ist die Zahl der Gläubigen identisch mit dem Begriff Gemeinde: Apostelgeschichte 11, 20.21.24E.26A: „Es waren aber etliche Männer unter ihnen, Zyprier und Kyrenier, die ... auch zu den Griechischen redeten und ihnen als gute Botschaft den Herrn Jesus verkündeten. 21 Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Zahl glaubte und kehrte um zum Herrn. … Und es wurde eine große Menge dem Herrn hinzugefügt. … 26 ... Ein ganzes Jahr geschah es, dass sie in der Gemeinde versammelt wurden, und sie lehrten eine große [Menschen]menge. In Antiochien war es auch, dass die Jünger zuerst als ‚Christen’ bezeichnet wurden.”

    Alle Bekehrten heißen „Gemeinde”. D. h., diejenigen, die sich in Antiochien bekehren, sind dort auch das, was Gemeinde genannt wird.

 

    . In K. 14 stellen wir fest: Die „Glaubenden” von V. 1, die „Brüder” von V. 2 und die „Jünger” der V. 21 u. 22 heißen in V. 23 „Gemeinde”. Die Christen in der ganzen Gegend von Ikonium bis Derbe heißen abwechselnd „Gläubige”, „Brüder”, „Jünger” und „Gemeinde”. Wenn es dann in 16, 5 heißt: „Die Gemeinden wurden im Glauben gestärkt und nahmen täglich an Zahl zu”, so weiß man, dass es sich beim Zunehmen an „Zahl” um Bekehrungen handelt. D. h., die örtliche Gemeinde nahm an Zahl zu, indem Menschen zum Glauben kamen.

    . Gemeinde besteht aus Bekehrten, solchen, die Gott lieben und sich ihm unterordnen. Das setzt Paulus in Epheser 5, 24 voraus: „So wie die Gemeinde Christus unterordnet wird, so … auch die Frauen … den eigenen Männern.” Die Gemeinde ist Christus unterordnet. Christen lieben Gott (Römer 8, 28) und Christus (1. Korinther 16, 22; Epheser 6, 24). Wo dies nicht der Fall ist, haben wir es nicht mit Gemeinde zu tun. Und wo dies der Fall ist, haben wir Gemeinde.

    Paulus schreibt an die „Gemeinde der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (1. Thessalonicher 1, 1) und dann in V. 9: „… denn sie berichten selbst von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten und wie ihr euch zu Gott von den Götzenbildern wandtet, um einem lebenden und wahren Gott Leibeigenendienst zu leisten.” Paulus nennt diejenigen in Thessalonich, die sich zu Gott bekehrten, „Gemeinde”. Jemand in Thessalonich musste nicht noch Weiteres tun, um zur „Gemeinde der Thessalonicher” (1, 1) zu gehören. Es gab also keine zusätzlichen Auflagen für jene Christen, um Glied der Gemeinde zu werden.

 

    . „Gemeinde” als Bezeichnung für einen Kreis von Christen dürfte dennoch von einer gewissen Einheit sprechen. Darauf könnte ihr Gebrauch in Römer 16, 5 von der Gruppe, die sich im Hause Aquilas traf, hinweisen, während sie in der Anrede des Briefes, K. 1, fehlt. Ausleger haben denn auch vermutet, dieses Fehlen deute hin auf einen der Gründe für den Brief, nämlich, die Einheit der Gläubigen in Rom zu fördern. Ist dem so, so fällt das Mittel auf (der Brief), mit dem der Apostel eine solche Einheit erzielen will, denn diese ist geistlicher Art, nicht organisatorischer.

    . Dass es bei dieser Einheit nicht um eine verfasste (organisierte) geht, dürfte andererseits in Philipper 1, 1 zum Ausdruck kommen. Trotz Erwähnung der Aufseher und Diener, fehlt die Bezeichnung Gemeinde hier ebenfalls. Obwohl es Paulus offensichtlich um vermehrte Einigkeit geht, drückt der Brief im Ganzen doch eine gewisse Zufriedenheit mit den Lesern aus. Wohlenberg (bei Zahn), der sich ausführlich mit dem Fehlen des Begriffes Gemeinde befasst, schreibt: Das Wort fehle zu Gunsten einer Betonung – wie im Brief überhaupt – auf „jeden”, auch im Kreise der Verantwortlichen: Jeder solle wissen, dass er vom Apostel anerkannt sei, und keinem habe er auch nur einen Vorwurf wegen Trägheit in der Fürsorge für ihn zu machen.

 

    . Eine besondere Gemeindemitgliedschaft darf auch nicht abgeleitet werden von der Tatsache, dass das Wort Gemeinde in der Mehrzahl vorkommt. Wenn des Öfteren von „Gemeinden” die Rede ist, heißt das nicht, dass diese wesensmäßig etwas anderes seien als die „Gemeinde”. Gemeinde ist Schar, Gruppe. Wenn also z. B. von den Gemeinden Makedoniens die Rede ist, so sind die verschiedenen Gruppen von Jüngern Jesu in Makedonien gemeint. Man hat hier nicht an organisierte Gruppen mit einer spezifischen „Mitgliedschaft” zu denken – so wenig, wie man beim Wort „Schar” an Mitgliedschaft denkt. Wenn man z. B. sagt: „Eine große Schar von Menschen strömte aus allen Himmelsrichtungen in das Stadion”, so wird niemand meinen, man müsse zuerst „Mitglied” werden, um zu dieser Schar zu gehören.

    Es könnte hier eingewendet werden, der Begriff Gemeinde sei aber ein fester umrissener und hätte doch vereinsähnlichen Charakter. Beim deutschen Wort hat sich tatsächlich dieses Empfinden entwickelt. Wir haben es jedoch 1.) mit Gottes Wort zu tun und 2.) mit einem griechischen Begriff, der vom Wesen der Teilnehmer und nicht vom Mitgliedschaftsgedanken geprägt war.

    Wenn im NT das Mehrzahlwort „Gemeinden” vorkommt, heißt das nicht, dass damit von etwas anderem gesprochen wird als von der einen Gemeinde, dem Leib Christi. Der, der zur Schar der Erlösten in der Welt gehört, gehört auch zur Schar der Erlösten an einem bestimmten Ort, wenn er sich gerade an diesem Ort befindet.

    Ähnliches kann gesagt werden vom Ausdruck „Gemeinde zu/in … [Name des Ortes]”. Wer sich zu einer bestimmten Gemeinde in einer Stadt hält, ist dort nicht in stärkerem Maße „Mitglied” als sonst wo, wo er hinkommt, wenn er auf Reisen ist.

   

    . 1. Korinther 5, 13: „… tut ihr den Bösen weg aus eurer Mitte!” Auch aus diesem Vers kann man nicht eine spezifische Gemeindemitgliedschaft ableiten. Der Begriff „Mitte” setzt nicht „Mitgliedschaft” voraus, sondern Gemeinschaft. „Aus der Mitte zu entfernen”, ist die Aufgabe eines jeden Christen in Korinth (vgl. 1, 2). Paulus wiederholt, was er 5, 2E geschrieben hatte („damit der, der diese Tat verübte, aus eurer Mitte entfernt würde”), und er formuliert die Aufforderung von V. 11 („nun habe ich euch geschrieben, nicht Umgang zu pflegen, wenn jemand als Bruder bezeichnet werde und ein Unzüchtiger … sei”) neu. „Tut ihr den Bösen weg aus eurer Mitte!” (5, 13) bedeutet, dass jeder die christliche Gemeinschaft mit dem Betreffenden abzubrechen hatte.

 

    . Was Paulus in Römer 15, 7 sagt, stimmt mit diesem überein. Christen haben einander anzunehmen, wie Christus sie angenommen hat. Gemeinde entsteht nicht, nachdem Menschen zum Glauben gekommen sind, sondern in dem Moment, da Menschen zum Glauben kommen. Von dem Zeitpunkt an, wo Jesus Christus jemanden angenommen hat, ist derjenige Eigentum Christi und einer von uns.

    Zugehörigkeit zu Christus ist in der ersten Zeit identisch mit Zugehörigkeit zur Gemeinde, ob sie die örtliche oder die allgemeine ist. Die Gemeinde schließt die Zahl aller durch den Glauben Erneuerten ein.

 

    . Gemeinde hat also in diesem Sinne keine „Mitglieder”, wie auch eine Herde keine „Mitglieder” hat. Durch das Wort „Herde” wird bereits eine Gruppe von mehreren Individuen bezeichnet. Ebenso ist es bei dem Wort „Gemeinde”. Sie ist eine Schar von Menschen besonderen Wesens. Sobald man „Schaf” Christi wird, gehört man zur Herde. Sobald man Christ wird, gehört man zur Gemeinde. Folglich ist es überflüssig und von der Bibel her letztlich sogar falsch, von „Gliedern”, im Sinne von „Mitgliedern”, zu sprechen. Wenn Paulus beispielsweise in 1. Korinther 12 Christen als „Glieder” am Leibe Jesu Christi bezeichnet, gehört das zu dem Bild, mit dem er die Gemeinde vergleicht, nämlich mit dem Körper Jesu Christi. Außerhalb dieses Bildes ist der Bibel der Begriff „Glied” mit der Bedeutung „Zugehöriger zur Gemeinde” jedoch fremd.

    Nehmen wir an, an einem Ort, wo bis vor kurzer Zeit das Evangelium völlig fremd war, ist jemand irgendwo auf ein Neues Testament gestoßen, das man begierig zu lesen und herumzureichen begonnen hat, und eine Erweckung ist ausgebrochen. Junge und alte Menschen haben sich bekehrt. Nehmen wir an, ich komme dorthin; ich freue mich über die Erweckung, aber ich teile den Lieben mit: „Ihr braucht Gemeinde”, obwohl sie bereits glückliche Gemeinschaft haben. Ich stelle nun Kriterien auf, die, sagen wir, neunzig Prozent der Bekehrten erfüllen. Nach der Schrift gehören jedoch alle zum Leib Christi, in welchem jeder seine Aufgabe am anderen hat. Indem ich eine formale Mitgliedschaft einführe, führe ich nun einen Riss durch die Gemeinde Jesu an dem entsprechenden Ort ein; denn nicht alle wahren Christen am Ort erfüllen meine spezifischen Kriterien.

    Es wird hiermit deutlich, dass dieses Thema nicht einfach eine Meinungsangelegenheit ist, über die man ruhigen Gewissens verschiedener Auffassung sein kann. Es gibt fast überall Christen am Rande von organisierten Gemeinden, die ungenügende Betreuung erfahren, weil sie irgendwelche von Menschen aufgestellten Mitgliedschaftskriterien nicht erfüllen. Wer geht ihnen nach?

    Wer zu Jesus gehört, gehört zur Gemeinde Gottes, zur örtlichen wie zur universalen. Eine Gemeindezugehörigkeit, die darüber hinausgeht, kennt die Schrift nicht.

    Nach 1. Korinther 12 tragen alle Glieder (Christen) zum Wohl aller Glieder (Christen) bei. Eine zweite Art Gliedschaft, eine „Mitgliedschaft”, hindert dieses. Die Praxis zeigt es.

 

Warum ist zusätzliche Gemeindemitgliedschaft hinderlich?

 

    - Anstatt zur Einheit des Leibes Christi beizutragen, spaltet sie denselben. Sie schafft eine künstliche Grenze, und zwar da, wo Gott keine macht. Das entspricht nicht der Liebe. Zusätzliche Mitgliedschaft schließt alle die aus, die aus irgendwelchen Gründen mit dieser Mitgliedschaft nicht mitmachen. Diese stehen dann „draußen”, obwohl sie (von der Bibel her und vom Heiligen Geist her) „drinnen” sind.

 

    - Mit der Einführung einer zusätzlichen Mitgliedschaft wird der Begriff Gemeinde neu definiert. Aber eine solche „Gemeinde” kennt die Schrift nicht. Zusätzliche Mitgliedschaft verzerrt und stört das Bild von der einen Familie bzw. Herde Gottes. In einer Familie wird man nicht durch ein zusätzliches Ereignis Mitglied, sondern man wird hineingeboren. Im Neuen Testament gab es keine zusätzliche Mitgliedschaft. Wenn jemand in Thessalonich zum Glauben kam, musste er nichts weiteres tun, um zur „Gemeinde der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” zu gehören.

 

    - Die klaren biblischen Grenzen von Draußen und Drinnen werden verwischt. Es kann dann vorkommen, dass welche drinnen sind, die nicht Christen aber Mitglieder sind, und welche draußen, die aber Christen sind. Äußere Zugehörig-keit ist nicht Indiz dafür, wie es um das innere Leben steht. Wen der Herr aufgenommen hat, den haben wir anzuneh-men. Wen er nicht aufgenommen hat, der ist nicht so zu behandeln als gehöre er dazu (vgl. Römer 15, 7; Apostelgeschichte 2, 41.47; 3. Johannes 8; Apostelgeschichte 18, 27; Römer 16, 2; Philipper 2, 29).

 

    - Zusätzliche Gemeindemitgliedschaft fördert das Denken in Denominationen. Man beginnt zu fragen: „Zu welcher Gemeinde gehörst du?” Richtiger wäre: „Mit wem pflegst du (regelmäßige) Gemeinschaft?” Sollten Christen nur mit denen Gemeinschaft haben, die in ihrer Denomination Mitglieder sind?

 

Oft angeführte Gründe für die Einführung einer zusätzlichen Mitgliedschaft sind folgende (Im Anschluss jeweils Gedanken hierzu)

 

    - Sie fördere die Verbindlichkeit der Gemeindeglieder.

 

Dagegen darf man anführen: Die Praxis beweist, dass sie das nicht tut. Oft sind die, die nicht Mitglieder sind, verbindli-cher als die Mitglieder. Gemeinde Jesu ist Familie. Dinge geschehen aus Liebe und Vertrauen – und aus direkter Ver-bindung mit dem Haupt des Leibes, aus Gehorsam zum Herrn. Wo unter Christen dieses nicht (mehr) der Fall ist, ist Buße angezeigt.

 

    - Sie erleichtere die so genannte „Gemeindezucht”.

Das dürfte wohl ein Missverständnis sein, denn biblische „Gemeindezucht” hat nichts mit Mitgliedschaft zu tun, sondern mit Leben. Ihre letzte Form ist Entzug der Gemeinschaft. (Vgl. 1. Korinther 5, 11-13.) Gemeinschaftsentzug ist eine Aktion, nicht eine Listenaustragung.

 

    - Sie verringere die Verantwortung der Ältesten.

 

Dem ist nicht so, denn kein Ältester hat Verantwortung für jeden Besucher der Versammlung. Ein Hirte sorgt für die Herde Christi, und der Herr bestimmt, in welchem Umkreis. Nicht jeder Hirte kann allen Schafen der gesamten Herde nachgehen. Jeder Christ ist aufgerufen, seines Bruders Hüter zu sein. Es versteht sich von selbst, dass ich dem Bruder in der Nähe eine größere Hilfe sein kann und darf als dem Bruder in der Ferne.

 

    - Sie verhindere Mitläufertum.

 

Mitläufer wird es immer geben. Das kann man auch durch die Gemeindemitgliedschaft nicht ändern. Mitläufertum wird aber gedämmt, wenn die Gemeinde ein heiliges Leben führt. In der ersten Gemeinde haben sich Mitläufer nicht allzu lange wohlgefühlt (vgl. Apostelgeschichte 5, 13; 1. Korinther 14, 23; 1. Johannes 2, 19).

 

Entgegen Befürchtungen, die an dieser Stelle gerne auf-kommen wollen, darf gesagt werden: Die Schrift fördert keine Anarchie. Sind wir imstande, es besser zu machen, als unser Herr es uns in seinem Wort mit großer Sorgfalt hat aufzeichnen lassen?

 

– Herbert Jantzen (Auszug aus dem Buch: „Das Wesen der Gemeinde”, mit kl. Ergänzungen von TJ) [Der Artikel soll als Anregung zum Nachdenken betrachtet werden. Für Korrekturen und hilfreiche konstruktive Beiträge sind wir dankbar.]

Zur Datierung der Apokalypse

Üblicherweise geht man davon aus, dass die Offenbarung gegen Ende der Regierungszeit des Kaisers Domitian (81-96), also etwa im Jahr 95, geschrieben wurde. Hauptgrund für die Annahme ist folgendes Zitat von Irenäus (ca. 180-190 n. Chr.):

    „Wir wollen jedoch nicht das Risiko eingehen, uns positiv auszudrücken, welcher der Name des Antichristus sei; denn wenn es notwendig gewesen wäre, dass sein Name in der gegenwärtigen Zeit öffentlich verkündet würde, wäre er [uns] von dem gesagt worden, der auch die Apokalypse [d. i.: die Off, TJ] gesehen hat; denn sie (o. er) ist vor nicht so langer Zeit gesehen worden, sondern fast in unserer Generation, gegen Ende der Herrschaft des Domitian.“ (Adversus Haereses, 5.30.3; lat. Im griechischen Text erhalten bei Eusebius, Kirchengeschichte, 3.18.3; vgl. 5.8.6.)

    Aus dem Zitat geht hervor, dass Irenäus der Meinung war, dass Johannes zur Zeit des Kaisers Domitian noch lebte. Und – je nachdem wie man das Bezugswort zu „gesehen worden“ deutet (entweder „sie“ die Offenbarung;  oder „er“, der Apostel Johannes) könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Offenbarung erst gegen Ende der Regierung des Kaisers Domitian verfasst wurde.

    Aber eindeutig ist es nicht. Eine mögliche Deutung des Zitats könnte sein: „Wir wagen es nicht, uns auf einen Namen des Antichristus festzulegen; denn wenn es für unsere gegenwärtige Zeit nötig gewesen wäre, dass wir seinen Namen kennten, wäre er [uns] von demjenigen bekannt gemacht worden, der die Apokalypse selbst gesehen hat; denn er [Johannes] ist vor nicht allzu langer Zeit [noch lebend] gesehen worden, sondern noch fast in unserer Generation, gegen Ende der Regierungszeit des Domitian.“ D. h., er lebte und lehrte vor nicht langer Zeit noch unter uns, nachdem er (so manche Jahre vorher) das Buch der Offenbarung geschrieben hatte. Er hätte also genug Gelegenheit gehabt, das Rätsel bezüglich des Namens des Antichristus zu ent-hüllen, hätte er es gewollt. Und weil er so lange lebte, nämlich fast bis in unsere Generation, wäre die Erklärung über den Namen des Antichristus bis zu uns erhalten geblieben, hätte er sie jemals gegeben. (Vgl. Th. Schirrmacher zum Irenäus-Zitat in „Frühdatierung der Offenbarung“.)

    Woher Irenäus seine Information hat, wissen wir nicht. Aber es könnte sein, dass sein Informant Domitius Nero mit Nero Domitian verwechselt hatte.

 

    Tatsache ist, dass die syrischen Zeugen (aus dem 6. und 7. Jh. n. Chr.) die Auffassung vertraten, dass Johannes unter Nero auf Patmos war und dort die Offenbarung verfasste.

    In der „syrischen Geschichte des Johannes, des Sohnes des Zebedäus“ heißt es: „Danach, als sich das Evangelium durch die Wirksamkeit der Apostel verbreitete, hörte Nero, der unreine und gemeine und böse König, alles, was sich in Ephesus zugetragen hatte. Und er sandte hin, nahm alles, was der Prokurator besaß und legte an den heiligen Johannes Hand an und trieb ihn in die Verbannung; und er sprach das Urteil aus, dass die Stadt verwüstet werden sollte.“ (W. Wright [Hrsg.]: The Apocryphal Acts of the Apostles, London, 1871, 2. Bd. S. 55-57)

    Eben so erwähnen beide syrischen Versionen der Offenbarung (die des Thomas von Hakel, 616 n. Chr., und die von Polykarpus, ca. 508 n. Chr.) in der Überschrift, dass Johannes unter der Regierungszeit des Kaisers Nero verbannt wurde. Es heißt dort: „Geschrieben in Patmos, wohin Johannes vom Kaiser Nero gesandt wurde.“ (J. Gwynn [Hrsg.], The Apocalypse of St. John in a Syriac Version hitherto unknown, Dublin, 1897, S 1; zit. bei Robinson, S. 235; Quellen bei Gentry, Before Jerusalem fell, S. 106.)

    Klemens von Alexandrien (ca. 150-215) schreibt: „Als er nach dem Tod des Tyrannen von der Insel Patmos nach Ephesus überwechselte, pflegte er, wenn man ihn darum bat, auch in die benachbarten Gegenden der Heiden zu gehen, um an einigen Orten Bischöfe einzusetzen, an anderen ganze Gemeinden zu organisieren ...“ (S. bei Eusebius, Kirchengeschichte, 3.23.5-19).

    Gentry gibt eine Reihe von Kirchenvätern und heidnischen Schriftstellern an, die Nero als den „Tyrannen“ bezeichnen. Der Zusammenhang des Klemenszitates macht es schwierig, sich Johannes als einen 85-jährigen Greis vorzustellen. Im Zusammenhang wird nämlich erwähnt, dass Johannes nach seiner Verbannung weite Reisen unternahm und zu Pferde im vollen Galopp einem jungen Gemeindeleiter nachjagte. Gentry, S. 69-83.

    Im Muratorischen Kanon (170 n. Chr.) heißt es, dass Paulus, „dem Beispiel seines Vorläufers (o. Vorgängers) Johannes folgend, nicht mehr als sieben Briefe an die Gemeinden“ geschrieben hat. Und später: „... und dennoch hat sich Johannes, obwohl er nur an sieben Gemeinden schrieb, in der Apokalypse an alle [d. h.: an alle damaligen Christen] gerichtet.“

    Das Zitat im Zusammenhang: „..., weil der selige Apostel Paulus selbst nach der Regel (o. dem Beispiel/Vorbild) seines Vorgängers Johannes nur an sieben Gemeinden mit Namensnennung schrieb in folgender Ordnung: an die Korinther der erste, an die Epheser der zweite, an die Philipper der dritte, an die Kolosser der vierte, an die Galater der fünfte, an die Thessalonicher der sechste, an die Römer der siebente. ... auch Johannes in der Offenbarung schreibt zwar an sieben Gemeinden, aber redet doch zu allen.“

     Johannes  müsste demnach die Offenbarung vor dem letzten Gemeinde-brief des Paulus geschrieben haben, also vor 63 n. Chr.

    Der Autor von „Der Hirt des Hermas“ (80-85 n. Chr. verfasst) kennt das Buch der Offenbarung. Wenn  die Zeit des Abschreibens und Verbreitens bis Rom (wo der Hirt verfasst wurde) eingerechnet wird, kann die Offenbarung nicht später als anfangs der 80er Jahre (Regierungsantritt des Domitian war im Jahr 81 n. Chr.) verfasst worden sein – sicherlich nicht im Jahre 95.  

    Der Bischof Epiphanius von Salamis (315-403 n. Chr.), Zeitgenosse und Freund von Hieronymus, weist auf die Verbannung des Johannes hin und schreibt, dass sie unter „Claudius Caesar“ stattfand. Johannes habe „in der Zeit des Claudius geweissagt und so (...) das prophetische Wort gemäß der Apokalypse bekannt gemacht.“ (Epiphanius, Haereses, 51:12.33).

    Einige Gelehrte meinen, Epiphanius habe hier den zweiten Namen des Kaisers Nero (Claudius) verwendet. Hort meint, Epiphanius beziehe seine Information von Hippolyt (ca. 170-236 n. Chr.) und meine tatsächlich Nero. Robinson meint, Epiphanius habe Nero Claudius mit Claudius Nero verwechselt. (F.J.A. Hort, The Apoclypse of St. John, London 1908, S. xviii; zit. bei Gentry, S. 104. Moffat, Guthrie und Mounce u.a. stimmen mit dieser Auffassung überein.)

    Andreas von Kappadokien (6. Jh. n. Chr.) zieht eine domitianische Datierung vor, führt aber andere Ausleger seiner Zeit an, welche einige der Prophezeiungen der Offenbarung auf den jüdischen Krieg (66-70 n. Chr.) beziehen. Er gibt Zeug-nis, dass es im 6. Jhdt. „etliche“ anerkannte Kommentatoren gab, die das Buch der Offenbarung vor 70 n. Chr. datierten.

    Theophylakt (1107 n. Chr.) schreibt (im Vorwort zu seinem Kommentar über das Johannes-Evangelium), dass Johannes 32 Jahre nach der Himmelfahrt Jesu auf die Insel Patmos verbannt wurde (d.h., 62 n. Chr., also in der Regie-rungszeit Neros). Aber in seinem Kommentar zu Matthäus 20, 22 erwähnt er eine Verbannung des Johannes unter Kaiser Trajan (98-117), was allerdings unmöglich richtig sein kann.

 

    Theologen wie Hort, Lightfoot und Westcott lehnten ein domitianisches Datum der Offenbarung ab und traten für ein Datum zwischen dem Tod Neros (68) und der Zerstörung Jerusalems (im Jahre 70) ein. Dies war – so nach Hort – die „allgemeine Tendenz des gesamten Kritizismus“ für fast das gesamte 19. Jahrhundert. Im 20. Jhdt. trat man mehr für die domitianische Datierung (95 n. Chr.) ein. Allerdings findet man viele Theo-logen, die am Umdenken sind. Aufsehen erregte der kritische Theologe John A. T. Robinson mit dem Buch „Redating the New Testament“ (1975; dt.: „Wann entstand das Neue Testa-ment?“, Wuppertal, 1986), in dem er belegte, dass das gesamte Neue Testament vor 70 n. Chr. abgeschlos-sen war. Robinson schreibt in d. Fußnote (dt. Übersetzung S. 236): „Jetzt [1975] neigt selbst F.F. Bruce in diese Richtung“ (d. h., in die Richtung, dass die Offenbarung vor 70 n. Chr. geschrieben wurde).

    Schirrmacher führt (bibelkritische und bibeltreue) Vertreter der Frühdatie-rung auf, z. B. Jay E. Adams, The Time is at Hand, 1966; Joseph R. Balyeat. Babylon: The Great City of Revelation, 1991; Wilhelm Bousset, 1983 (1895); David Chilton, Days of Venegance, 1987; David Clark, 1989; Friedrich Düster-dieck, 1877; Johann Gottfried Eichhorn, 1791; Heinrich Ewald, 1828; F. J. A. Hort, 1908; James B. Jordan, 1995; J. Marcellus Kik, An Eschatology of Victory, 1971; J. E. Leonard, Come out of Her, My People, 1991; Friedrich Lücke, 1832; Philip Mauro, Things Which Soon Must Come to Pass, 1984; Johann David Michaelis, Einleitung, 1777; Arthur M. Ogden, The Avenging of the Apostles and Prophets, 1985 (1991); Milton S. Terry, Biblical Apocalyptics, 1988 (1898), und Biblical Hermeneutics, 1984;  Cornelis van der Waal (Vanderwaal), 1971/1981; Karl Wieseler, 1880; Kenneth L. Gentry, 1989; Franz Gotthold Hartwig, 1781/1783; Johann Gottfried Herder, 1893 (1779).

 

Viel wichtiger als das äußere Zeugnis ist das innere.

Mindestens drei Fakten sprechen stark für die frühe Datierung der Offenbarung  (also vor 70 n. Chr.):

 

1. Die Juden in Kleinasien sind zur Zeit der Abfassung immer noch eine Gefahr für die Christen. Sie werden in Offenbarung 2, 9 und 3, 9 zweimal eine „Synagoge des Satans“ genannt und waren die Verfolger der Christen in Kleinasien (vor allem in Smyrna und Philadelphia). Eine derartige Situation ist nach dem Gericht über Israel (66-70 n. Chr.) nicht denk-bar. Gemäß Josephus Flavius wurden, als der römisch-jüdische Krieg begann (Ende 66, Anf. 67 n. Chr.), in den meisten griechischen und römischen Städte außerhalb von Israel die jüdischen Bewohner aus den Städten und Dörfern vertrieben, getötet oder enteignet. Die meisten Diaspora-Juden flohen nach Judäa, um am Krieg teilzunehmen. Das waren bei 3 Millionen (von den etwa 4 Millionen damals lebenden) Juden. In den Jahren und Jahrzehnten nach 70 n. Chr. waren die Juden in keiner Stadt mehr die Mehrheit und nicht in der Lage, die Christen zu verfolgen.

   (Nebenbei: Es ist außerdem recht unsicher, ob es in Thya-tira im Jahr 95 überhaupt eine christliche Gemeinde gab. Wenn man Marcion Glauben schenken darf, gab es keine.)

 

2. Die „Hure“ von K. 17 u. 18 wird in der Offenbarung als „die große Stadt“ bezeichnet. Anfänglich sitzt sie auf dem „Tier“ und lenkt es (17, 3). Aber schlussendlich ist es das Tier, das (im Verein mit den „zehn Königen“) die Hure, die große Stadt, verwüstet, „frisst“ und mit Feuer verbrennt (17, 16 [nach der überwältigenden Mehrheit der griechisch Handschriften]).

    Wer ist diese Hure, diese „große Stadt“?

    Ältere Ausleger dachten an Rom; aber Rom hat nicht die alttestamentlichen Propheten Gottes verfolgt und getötet.

    Das Gericht über diese Stadt wird als Rache für den Tod der Apostel und Propheten vollzogen. In ihr „wurde das Blut von Propheten und Heiligen gefunden und von allen denen, die im Lande (o. auf der Erde) hingeschlachtet wurden“ (18, 20.24 im Vgl. m. Matthäus 23, 34-38 u. Lukas 21, 22). Gott „rächte an ihr das Blut seiner Knechte [und forderte es] von ihrer Hand“ (Offenbarung 19, 2 im Vgl. m. Lukas 11, 50.51). Nun, welche Stadt war es, „die die Propheten tötet und die steinigt, die zu ihr gesandt sind“ (Lukas 13, 34)? – und von der der Herr Jesus sagte, dass es nicht angehe, dass ein Prophet außerhalb von ihr umkomme (13, 33)?

    Im Buch der Offenbarung gibt es nur zwei Städte, die das Prädikat „groß“ bekommen; und diese beiden Städte werden sehr eindrücklich gegenübergestellt: zum einen die heilige Stadt, das neue Jerusalem („die große Stadt“, 21, 10), und zum anderen die große „Babylon“, „die Mutter der Huren und der Gräuel des Landes“ (18, 5; die „große Stadt“, „die in geistlicher Hinsicht ‚Sodom’ und ‚Ägypten’ heißt, wo auch unser Herr gekreuzigt wurde“ 11, 8; 14, 8.20; 16, 19; 17, 18; 18, 10.16.18.19.21). Die große Stadt, in der der Herr gekreuzigt wurde (11, 8) steht im Kontrast zu den „Städten der Heiden“ (16, 19: „die große Stadt wurde gedrittelt; und die Städte der Heiden [Vgl. Matthäus 4, 15E.] fielen“).

    Rom steht nicht im Kontrast zu den Städten der Heiden.

    Der Aufbau des Buches ab K. 4 bis K. 16 (vgl. die drei Siebener-Reihen: Siegel, Posaunen, Schalen) zielt auf einen gewaltigen Höhe- und Schlusspunkt hin. Jene „Hure“, jene „Stadt“, in der der Herr gekreuzigt wurde, steht im Gegensatz zur „Braut“, dem „neuen Jerusalem“.

    Das 7. Siegel führt zu den 7 Posaunen, der 7. Posaunen-stoß kündigt das Gericht der 7 Schalen mit den 7 Plagen an. Von diesen ist die 7. Schale der Höhepunkt (16, 17-21). Sie bringt den Fall der großen Stadt, der Hure „Babylon“. Im Folgenden wird die Stadt und ihr Fall im Detail beschrieben (K. 17.18). (Nb. Es versteht sich, dass in Verbindung mit der Stadt eine „Gesellschaft“ steht.) Der Fall der einen Stadt (der Hure) bringt das Kommen der anderen Stadt (der Braut). Mit dem Gehen der einen Stadt kommt die andere. Die K. 17-22 bilden den Höhepunkt des Buches: Der Fall der Hure und die Herrlichkeit der Braut. Die Verse 17, 1-3 leiten den einen Detailbericht – den über den Fall der Hure – ein, die Verse 21, 9.10 den anderen – den über die Braut.

    Der erste Detailbericht endet mit 19, 9.10, der zweite mit 22, 6-9. Die Parallelen sind verblüffend.

  . Einleitung zur Hure: 17, 1-3: „Und es kam einer der sieben [himmlischen] Boten, die die sieben Schalen hatten, und er sprach mit mir. Komm! sagte er zu mir: Ich werde dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an den vielen Wassern sitzt,  2 mit der die Könige der Erde Hurerei trieben, und es wurden trunken von dem Wein ihrer Hurerei die, die auf der Erde wohnen.  3 Und er trug mich im Geist fort in eine Wüste. Und ich sah eine Frau ...“

  . Einleitung zur Braut: 21, 9.10: „Und es kam zu mir einer der sieben [himmlischen] Boten, die die sieben Schalen hatten voll der sieben letzten Plagen, und er sprach mit mir: Komm! sagte er: Ich werde dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes. 10 Und er trug mich im Geist fort auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem ...“

  . Schluss des Abschnitts über die Hure: 19, 9M.10: „Und er sagt zu mir: Diese sind die wahrhaftigen Worte Gottes. 10 Und ich fiel nieder vor seinen Füßen, ihm zu huldigen. Und er sagt zu mir: Sieh [dich vor! Tu es] nicht! Ich bin ein leibeigener Knecht zusammen mit dir und deinen Brüdern, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an!“

  . Schluss des Abschnitts über die Braut: 22, 6-9: „Und er sagte zu mir: Diese Worte sind treu und wahrhaftig. … Und als ich gehört und gesehen hatte, fiel ich nieder, zu huldigen vor den Füßen des Boten, der mir dieses zeigte. 9 Und er sagt zu mir: Sieh [dich vor! Tu es] nicht!– denn ich bin ein leibeigener Knecht zusammen mit dir und deinen Brüdern, den Propheten, und denen, die die Worte dieses Buches bewahren. Bete Gott an!“

    Die „Hure“ (Vgl. Jesaja 1, 21; Hes 16.) „ist die große Stadt, die die Königsherrschaft über die Könige des Landes (Klg 1, 1) hat.“ Sie ist zur „Witwe” (Offenbarung 18, 7) geworden (Vgl. Klg 1, 1.) - durch die Verwerfung des Königs, ihres Eheherrn.

    Rom hatte nie eine Bundesbeziehung mit Gott gehabt, war nie mit Gott verheiratet, die „Tochter Zion“ jedoch von Anfang an, als Gott sie zu seiner „Ehefrau“ machte (Hes 16; Jeremia 3) und mit ihr in den Bund trat.

    Rom wurde nie (gänzlich) verbrannt oder zerstört. Jerusalem wurde völlig verwüstet, verbrannt und zerstört.

    Fazit: Wenn die Hure Jerusalem ist, muss das Buch der Offenbarung vor 70 n. Chr. geschrieben worden sein.

 

3. Das Buch der Offenbarung wurde zu einer Zeit geschrieben, als eine weltweite Verfolgung unmittelbar bevorstand. (Offenbarung 3, 10: „... werde ich dich auch bewahren vor der Stunde der Prüfung, die im Begriff ist über das ganze Weltreich zu kommen, um die zu prüfen, die auf der Erde wohnen.“)

    Unter Domitian fand keine groß angelegte Christenverfol-gung statt, dafür aber unter Nero, und eine, die weit über die Stadt Rom hinausging. Nach dem Brand Roms (Sommer 64) wurde die Schuld den Christen in die Schuhe geschoben. Damit begann die schrecklichste Verfolgung des 1. Jhdts.

    Unter Domitian ist keine groß angelegte Christenverfol-gung bekannt. (Vgl. John A. T. Robinson, Wann entstand ..., S. 242 ff; F.F. Bruce, S. 410-412; Guthrie, Introduction, S. 950-952; Gentry, Bevor Jerusalem .., S. 286 ff; D. H. van Daalen, A Guide to the Revela-tion, 1986, S. 3; B. Newman, The Fallacy of the Domitian Hypothesis, NT Studies 10, 1962-63, S. 133-139; George E. Ladd, A Commentary on the Revelation of John, S. 8.9. Ladd verweist auch auf Ethelbert Stauffer, Christ and the Ceasars, Philadelphia, 1955, S. 163ff; F.J.A. Hort, The Apokalypse of St. John, London 1908, S. xxiv.)

    Die neronische Christenverfolgung traf das Christentum empfindlich; sie war von großer Grausamkeit, erforderte unzählige Opfer, dezimierte die gesamte Christenheit.

    Die Meinung, dass die Verfolgung in Rom begann und sich dann über das ganze Reich ausbreitete, war die vorherrschende Meinung in der Antike. ... Verfechter dieser Meinung waren (im 19. Jh) z. B. Baldwin, Dodwell, Mosheim. Moses Stuart zitiert in seinem Offenbarungs-kommentar (Revelation, 1845, Bd 1, S. 222ff ) Orosius (Horosius, 400 n. Chr.), einen Zeitgenossen von Hieronymus u. Augustinus: Nero „... verfolgte zuerst die Christen in Rom durch Folterung und Tötung und befahl, dass sie in allen Provinzen mit derselben Verfolgung geplagt werden sollten. Er arbeitete sogar dahin, den Namen der Christen auszulöschen; und er ließ die Apostel Christi, Petrus und Paulus, durch das Schwert töten.“  (Orosius, Historiae VII, 7; vgl. Jost, Geschichte der Israeliten, Bd 2, S. 295ff.320ff; zit. bei Moses Stuart.)

    Der katholische Gelehrte Orazio Marucci erwähnt (in: Manual of Christian Archeology, S. 29) römische und italienische Quellen, die anzeigen, dass die neronische Verfolgung sich „durch das ganze römische Reich ausweitete“, denn „die Christen wurden als Feinde der menschlichen Rasse betrachtet“.

    F. Schaff (Geschichte der christlichen Kirche) zitiert weitere Vertreter dieser Auffassung, z. B. Sulpicius Severius (Chron. II, 28f), Ewald (VI, 627; Commentary on Revelation), C. L. Roth (Werke des Tacitus, VI, 117). Nach Wieseler (in: Christenverfolgungen der Caesaren, S. 11) verbot Nero das Christentum, weil es gefährlich für den Staat war. Eine Inschrift in Pompeij zeugt von blutiger Verfolgung in der Zeit Nero (Kiessling und De Rossi, zit. bei M. Stuart).

    Die Apostelgeschichte macht klar, wer aber die wesentlichen Feinde des Evangeliums und des Christus waren: nicht Rom, sondern das fleischliche Israel, das wegen der Ablehnung der guten Botschaft durch Gott verhärtet wurde. (Römer 11) Vor allem die Zeloten nutzten in der gesamten Diaspora (Zerstreuung im gesamten röm. Reich) die Gelegenheit, sich der „gottes-lästerlichen Abtrünnigen“ zu entledigen. So war ihnen Neros Verfolgung willkommen.

    Der Apostel Petrus bereitete Anfang 64 (o. Ende 63) die Christen in Asia (und alle, die den 1. Petrusbrief lasen) auf eine schwere Leidenszeit vor, die unmittelbar bevorstand: 1. Petrus 1, 6; 3, 18; 4, 1.7.12.17-19; 5, 10. Weniger als ein Jahr danach kam jenes „Gericht“ über das Haus Gottes – auch in Asia.

    1. Petrus 4, 15-19: „Es leide nämlich keiner von euch als Mörder oder Dieb oder Übeltäter ....  16 Wenn [er] aber als Christ [leidet], schäme er sich nicht, verherrliche aber Gott in diesem, das ihm zuteil wurde,  17 weil der Zeitpunkt da ist, an dem Gericht vom Hause Gottes her beginnen sollte; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die der guten Botschaft Gottes im Unglauben ungehorsam sind? 18 Und ‚wenn der Gerechte mit Mühe gerettet wird, wo wird der Ehrfurchtslose und Sünder erscheinen?’“

    5, 10: „Aber der Gott aller Gnade, der uns zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus rief, er selbst mache euch, nachdem ihr ein Weniges (o.: eine kurze ‹Zeit›) gelitten habt, heil ‹und tüchtig›; er festige, stärke, gründe [euch].“

    – Thomas Jettel

Bedenkenswerte Sätze

° Lukas berichtet von drei Worten Jesu am Kreuz: einem Gebet für Heiden (23, 34), einem Wort der Verheißung an einen Bußfertigen (23, 43) und einem Gebet für sich selbst (23, 46). Das Gebet für die heidnischen Soldaten drückt seine Liebe aus, das Wort an den Bußfertigen drückt seine Treue aus, das Gebet für sich selbst drückt seine Hoffnung aus.

° Der Herr schickt Prüfungen, der Satan Versuchungen und die Welt Verfolgungen.

° Die Söhne des Königs sollten sich nicht so verhalten wie die Bettler des Teufels.

° Ich bin lieber das vertrauende Kind eines reichen Vaters als ein Bettler an der Tür weltlicher Menschen. – C. ten Boom

° Manche möchten so nahe an der Kirche wohnen, dass sie die Glocken hören können. Ich möchte lieber eine Rettungsstation im Vorhof der Hölle betreiben. C. T. Studd

Bitte um Fürbitte (Dienste Th. Jettel)

13.-17.5.: Meschede (1. Korinther 8-10; Fasten, Kinder, Mündigkeit)

17.- 22. 5.: Daun (1. Korinther 12-14; Erforschen der Schrift)

23.-29.5.: Blankenheim (1. Korinther 12-14; Kleine Propheten)

13.-19. 6.: Neuwied-Urbach

22.-30.6.: Steinbach (Manitoba, Can)

Ab 3. Juli: Kelowna (Besuch bei Herbert und Carol Jantzen)

31.7.-6.8: Vesperweiler (Wichtige Lektionen aus dem Leben von Isaak und Jakob; ab 1. Mose 25)

    Die stark veränderte und erweiterte 3. Auflage des NT+Ps+Sprüche wird voraussichtlich erst 2017 gedruckt werden.

 


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