Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Ein Blatt aus der Kampfgeschichte des Reiches Gottes

 

2. Könige 2, 23-24: „Und Elisa ging hinauf gen Beth-EI. Und als er auf dem Wege hinanging, kamen kleine Knaben zur Stadt heraus und spotteten sein und sprachen zu ihm: Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, komm herauf! Und er wandte sich um; und da er sie sah, fluchte er ihnen im Namen des Herrn. Da kamen zwei Bären aus dem Walde und zerrissen der Kinder zweiundvierzig.“

 

Die Zeitungen sind voll von Berichten über Unglücksfälle. Da heißt es: „Drei Menschen bei Verkehrsunfall getötet.“ Oder: „Zwei Leute beim Baden ertrunken.“ Oder: „Zehn Mann bei einer Explosion verunglückt.“ „300 Menschen bei Tornado umgekommen.“ „7 Mann im Bergwerk verschüttet.“ Es gibt heute viele Möglichkeiten, sein Leben zu verlieren.

Aber wie seltsam ist doch die Bibel! Sie berichtet von einem Unglück, von dem wir in den Zeitungen nie lesen. „42 junge Männer an Gott verunglückt.“ Wir hören im Text von einem Gottes-Unfall.

Ich weiß: Diese Geschichte hat bei den Feinden der Bibel immer helle Empörung hervorgerufen. „Ein fluchender Prophet! Ein Gott der Liebe, der 42 Kinder umbringt! Das ist ja empörend! Da habt ihr den jüdischen Rachegott!!“

Und den Freunden der Bibel ist diese Geschichte dann eine Verlegenheit. Sie wären froh, wenn sie nicht in der Bibel stünde.

Wie töricht ist beides! Die Bibel ist das Wort der Wahrheit. Sie richtet sich nicht nach unseren Gedanken und Maßstäben. Wir tun vielmehr gut, unsere Gedanken und Maßstäbe nach ihr zu richten. So lasst uns die Geschichte betrachten.

 

1) Der Aufstand der Massen

 

Der Prophet Elisa kommt aus einer gewaltigen Stunde. Er durfte Zeuge sein, wie sein Meister Elia „im Wetter gen Himmel fuhr“. Nun wandert er sehr allein nach Bethel.

O dies Bethel! Es war einst eine Segensstätte. Davon zeugte noch der Name „Haus Gottes“. Doch nun war es der Mittelpunkt des Abfalls vom lebendigen Gott geworden. Hier waren zuerst die Götzenbilder aufgestellt worden, die Israel verdarben. Es ist oft so gewesen: Da, wo einst das Evangelium besonders hell geleuchtet hat, da ist später tiefe Finsternis eingekehrt.

Als Elisa sich Bethel nähert, kommt ihm ein großer Haufe junger Burschen entgegen. Luther übersetzt: „kleine Knaben“. Aber im Hebräischen steht „na'ar“. Mit diesem Wort bezeichnete sich Salomo, als er König geworden war. Da war er aber ein Jüngling. Und dasselbe Wort wird gebraucht für die jugendlichen Ratgeber des Königs Rehabeam. Das waren sicher keine Kinderchen. Und das Wort, das Luther mit „klein“ übersetzt, heißt hier wohl soviel wie „unbedeutend“. Luther folgte in seiner Übersetzung der lateinischen Bibel. Aber wir müssen auf den hebräischen Text zurückgehen.

Es kam also dem Elisa ein Haufe junger Burschen entgegen, die im Leben noch nichts geleistet hatten; die es lediglich gelernt hatten, in Massen pöbelhaft aufzutreten. Wie viele waren es wohl? Wenn nachher 42 umkamen, werden es sicher 80 gewesen sein.

Wie kennen wir diese gefährliche Masse! Da denkt man nicht. Da blökt man nur nach, was der Leithammel vorblökt. Da bedenkt man auch nicht Gottes Taten in der Vergangenheit. Wie hatte Gott sich in Israel bezeugt! Doch diese jungen Leute waren wie Eintagsfliegen, die in den T ag hinein leben.

Lachend und spottend umgaben sie den Elisa. Wie lächerlich kommt er ihnen vor: ein junger Mann, der Gott fürchtet und von Herzen liebt! Darüber war man doch hinaus! So prasselt der Spott auf den Elisa nieder. Ja, Elisa war damals noch ein junger Mann. Darum ist der Spott auch nicht verständlich: „Kahlkopf, komm herauf!“ Nun, vielleicht hatte der junge Elisa eine Glatze. Das gab für die schön ondulierten Jünglinge einen guten Anlass zum Spott.

Aber ich bin nicht überzeugt von der Glatze des Elisa. Im Alten Testament schnitten die Propheten Gottes ihr Haar nicht. Elisa trug sicher das lange Haar der Propheten. Nun wollen die Burschen witzig sein und nennen ihn „Kahlkopf“. Ich habe noch nie erlebt, dass der Spott der Welt über die Knechte Gottes sich durch Geist ausgezeichnet hätte.

„Kahlkopf, komm herauf!“ Das heißt „Wage es nur, zu uns nach Bethel zu kommen! Dann wirst du Schlimmes erleben!“ Hört ihr den Ton der Drohung? Wenn die Masse über Gotteskinder spottet, so steckt immer eine Drohung dahinter: „Wage du es nur nicht, aus unserer Reihe zu treten. Das dulden wir nicht. Hier muss jeder mitsündigen!“

Unter dem Hagel des Spottes steht Elisa. Wie oft haben seitdem Christenleute so stehen müssen! Ein Mensch, in dem der Herr Jesus Christus Gestalt gewonnen hat, kommt nicht unangefochten durch das Bethel dieser Welt.

 

2) Ein vollmächtiger Gottesknecht

 

Das war eine schwere Stunde für den jungen Elisa! Spott ist schwer zu ertragen. Vor dem ist sogar ein Petrus weich geworden.

Der Elisa war lange Zeit mit dem gewaltigen Propheten Elia gewandert. Vor dem hatten die Menschen Respekt. Der war dem jungen Elisa ein starker Halt. Aber nun war der von Gott heimgeholt worden. Wie stand der Elisa nun allein!

Das ist der normale Weg für die, welche Jesus angehören. Zuerst dürfen sie sich an einen erfahrenen Christen anlehnen, wie ein junges Bäumchen einen Pfahl zum Halt bekommt. Aber eines Tages muss man allein stehen. Dann kommt die große Bewährung des Glaubens.

Der Elisa bewährt sich herrlich. Im Text heißt es: „Elisa fluchte ihnen im Namen des Herrn.“ Gerade dieser Satz kommt den unerleuchteten Weltmenschen so anstößig vor. Wir wollen ihn untersuchen.

Zunächst ist gesagt: Elisa ließ sich in keine Verteidigung ein. Er dachte an die ganz große Wahrheit: „Mein ist die Rache, spricht der Herr. Ich will vergelten.“ Und so tat er wie der Sohn Gottes: „Er stellte es dem anheim, der da recht richtet.“ Das sollten wir auch lernen.

Aber es ist noch mehr hinter diesem unheimlichen Satz. Elisa kannte Gottes Wort aus 3. Mose 26. Da sagt Gott zu seinem Volk: „Und wo ihr mir entgegenwandelt und mich nicht hören wollt, so will ich wilde Tiere unter euch senden, die sollen eure Kinder fressen und eure Straßen sollen wüst werden.“

Und nun übergibt der Elisa diese Spötter dem Gericht dieses gewaltigen Gottes. Das ist eine ganz große Tat des Glaubens. Er schreibt Gott nicht vor, wann und wie er richten soll. Er legt nur feierlich die Sache in diese allmächtige Hand.

Das Gegenstück haben wir im Neuen Testament. In der Gemeinde in Korinth war ein Mann, der der Gnade spottete durch leichtsinnigen Ehebruch. Da sagt Paulus: „Ich habe beschlossen, im Namen unseres Herrn Jesu Christi ihn zu übergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf dass sein Geist gerettet werde …“

Augustinus hat einmal gesagt: „Wenn sie Gott nicht lieben wollen, dann müssen sie lernen, ihn zu fürchten.“

Elisa ist wehrlos. Aber seine Macht ist der Herr. Ihm übergibt er feierlich diese Spötter.

Die Gemeinde Jesu ist sehr wehrlos und verspottet in dieser Welt. Aber die Welt möge sich nicht täuschen darüber, wie sehr der Herr dieser Gemeinde zu fürchten ist.

 

3) „Wo soll ich fliehen hin?“

 

Womit Elisa gar nicht rechnen konnte, das geschieht: Es kommen zwei fürchterliche Bären und richten unter den Spöttern ein Blutbad an.

Ich habe mir diese jungen Männer aus Bethel vorgestellt, wie ihnen plötzlich das Spotten vergeht – wie ihnen das Grauen die Stimme verschlägt. Und dann wollen sie fliehen. Aber – wohin? Wohin?

Das ist genau die Frage, die uns beschäftigen sollte. Haben nicht auch wir Gott verachtet? Haben wir nicht seine Gebote unter die Füße getreten? Meint ihr denn, Gottes Gericht käme nicht auch auf uns zu wie auf diese jungen Männer? Wo wollt ihr hinfliehen, wenn Gott eure Sünden an das Licht zieht?

Ich weiß einen Platz, wohin wir fliehen können – wohin wir fliehen sollten, solange es Zeit ist: Das Kreuz Jesu auf Golgatha!

Stellt euch einmal das Unwahrscheinliche vor: Da kommen die fürchterlichen Bären als Gerichtsboten – entsetzt schreien die Betheler Jünglinge auf. Aber da stürzen die Bären auf Elisa zu und zerreißen ihn. Unmöglich?

Nun, dies ist geschehen – auf Golgatha. Da kam Gottes Gericht, und der Richter stellte sich ihm in den Weg und trug das Gericht – auf dass wir Frieden hätten. Welch ein Wunder! Sollten wir nicht jetzt – heute – zum Kreuze fliehen?