3. Johannes 3: „Ich bin aber sehr
erfreut worden, da die Brüder kamen und zeugten von deiner Wahrheit, wie denn
du wandelst in der Wahrheit.“
Vor
kurzem hatte ich eine Jugendevangelisation in einer bayerischen Großstadt zu
halten. Die Sache war hervorragend vorbereitet. Und so geschah es, dass
schließlich weit über 5000 junge Menschen in der großen Messehalle der
Verkündigung des Evangeliums zuhörten.
Als
ich nach der letzten Versammlung im Nachtschnellzug saß, der mich nach Hause
bringen sollte, und in der Stille mein Neues Testament las, geriet ich an
unseren Text. Da packte mich der seltsame Gegensatz:
Dort
in der Messehalle Tausende – hier ein paar Christen, die einander kennen.
Dort
in der bayerischen Stadt alle Mittel moderner Werbung – hier im Text Christen
unter den Schatten fürchterlicher Verfolgung.
Und
dann begriff ich plötzlich: Wenn wir Christen von heute uns nicht verlieren wollen
an den Geist dieses Massenzeitalters, dann dürfen wir solch ein Bild aus der
Urchristenheit nicht nur ansehen, wie man Altes und Ehrwürdiges ansieht. Dieses
Bild aus der Urchristenheit muss uns Vor-Bild bleiben, nach dem wir uns
ausrichten.
1) Johannes
Wir
finden unseren Text in einem kleinen Brief des Apostels Johannes. Es fällt uns
auf, wie dieser Mann sich um seine Brüder
sorgt.
Johannes
war ein sehr alter Mann geworden. Alle seine Mitapostel waren den Märtyrertod
gestorben. Aber sein Geist ist frisch geblieben. Und so ist er ein Vater im
Glauben für viele geworden. Er nennt sich einfach „der Älteste“.
Eines
Tages bekommt er Besuch von einigen „Brüdern“. Man erzählt sich von dem, was
Jesus getan. Namen werden genannt. Und dann fragt Johannes nach einem Mann
namens Gajus. Wir wissen nichts von diesem Gajus, als dass er durch das Zeugnis
des Johannes zum Glauben gekommen ist. Ein unbekannter Mann, der aus der
heidnischen Welt zu Jesus gefunden hat. Aber wir spüren zwischen den Zeilen,
mit welcher Spannung Johannes nach ihm gefragt hat. Der Gajus konnte ja unter
dem Druck der Verfolgung weich geworden sein. Oder er konnte den Verlockungen
der Welt erlegen sein.
Wir
spüren förmlich, wie dem Johannes ein Stein vom Herzen fällt, als die Brüder
berichten, mit welchem Eifer der Gajus dem Herrn Jesus dient.
Liegt
dem großen Apostel so viel an einem schlichten Bruder? Ja, so viel liegt ihm daran!
Wir
sehen in der Bibel zwei Linien. Da ist zunächst die alte Welt, in der jeder nur sich selbst sucht. Als der heilige Gott
den Adam zur Rede stellt nach dem Sündenfall, sucht der sich zu retten, indem
er sein Weib preisgibt: „Eva verführte mich.“
Und
so geht es weiter: Als der Herr Kain nach seinem Bruder fragt, entgegnet der
frech: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“
Dieser
Geist ist bis in die Kirche gedrungen. Als der verzweifelte Judas zu den Hohenpriestern kommt und ihnen das Verrätergeld zurückgeben
will, zucken sie die Amseln: „Da siehe du zu!“
Diese
Linie beginnt mit Adam und geht bis in die Gegenwart.
Daneben
sehen wir eine neue Linie. Die neue Welt
beginnt mit Jesus.. Der sagt von sich: „Ich bin nicht
gekommen, dass Ich mir dienen lasse, sondern dass ich diene und gebe mein Leben“
– für die Brüder. Und die Gemeinde Jesu hat das Wort gehört: „Ein jeglicher sei
gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ Darum sucht ein Ananias den Verfolger
Saulus. Möchte unter uns das Wort umgehen, das Joseph einst sagte: „Ich suche
meine Brüder!“
2) Die namenlosen Brüder
Jetzt
wollen wir uns die Männer ansehen, die den Johannes aufsuchten. Wir kennen
nicht ihre Namen. Wir wissen nur eins von ihnen, was im 7. Vers dieses Briefes
steht: „Um Jesu Namen willen sind sie ausgezogen.“ Sendboten Jesu, die alles drangaben
und ihr Leben zum Opfer brachten, um Jesus zu dienen.
Was
opfern wir für Jesus?
Damit
keine Verwechslungen entstehen, müssen wir es ganz klar aussprechen: Alle
Opfer, auch die größten, können niemals den Sinn haben, uns vor Gott etwas zu
verdienen. Frieden mit Gott bekommen wir nur durch das Opfer, das Jesus am
Kreuz von Golgatha für uns gebracht hat. Der Glaube rühmt sich nicht der
eigenen Opfer. Er rühmt nur das Opfer Jesu. Am Ende wird ein Christ immer
sagen: „Nichts hab ich zu bringen, / alles, Herr, bist du.“
Aber
nun ist es doch so: Wo man von Herzen gläubig geworden ist, da entbrennt das
Herz für den Herrn, und man wird willig, ihm Opfer zu bringen. Die große
Wendung im Leben des Grafen Zinzendorf erfolgte in der Stunde, als er vor einem
Gemälde des gekreuzigten Heilandes stand und die Schrift las, die der Maler dazugesetzt
hatte: „Das tat ich für dich. Was tust du für mich?“ Da war es dem Grafen, als
stünde er auf dem Hügel Golgatha. Und der erbleichende Mund sagte ihm: „Alles habe
ich für dich getan. Und du?“ Und Zinzendorf musste antworten: „O Herr! Nichts
hab' im für dich getan. Nicht einmal ernst genommen habe ich dich.“ Von dieser Stunde
an wurde sein Leben ein Opfer für Jesus.
Als
Ludwig XIV. die Hugenotten grausam verfolgte, entstand in der Schweiz ein
evangelisches Predigerseminar, das junge Leute zum Zeugnis und zum Sterben
ausbildete. Obwohl alle die jungen Prediger, die über die französische Grenze
geschleust wurden, nach kurzer Zeit getötet wurden oder auf den Galeeren
verkamen, drängten sich junge Christen zur Anmeldung in diesem Todes-Seminar.
So
ähnlich war es mit den Brüdern, von denen unser Text spricht. Und nun steht
Jesus auch vor uns heute. Vielleicht erwartet er, dass wir ihm eine ganz
bestimmte Sünde opfern. Oder Zeit. Oder Geld. Oder vielleicht erwartet er einen
bestimmten Dienst von uns. Er fragt auch uns: „Ich tat viel für dich. Was tust
du für mich?“
3) Gajus
Als
Johannes die erfreuliche Nachricht über Gajus bekommen hat, schreibt er an ihn
diesen kurzen Brief, in dem es heißt: „Ich bin sehr erfreut worden, dass die
Brüder zeugten von deiner Wahrheit, wie du denn wandelst in der Wahrheit.“
Das
ist eine seltsame Ausdrucksweise. Wir würden doch sagen: „Ich freue mich, dass
du im Glauben stehst.“ Oder: „… dass du dich als Christ bewährst.“ Was soll das
heißen: Gajus wandelt in der Wahrheit?
Da
Jesus von sich selbst gesagt hat: „Ich bin die Wahrheit“ ,
könnte die Aussage über Gajus so lauten: „Gajus erweist sich als ein lebendiges
Glied an dem Leibe Jesu Christi.“ Am besten machen wir es uns am Gegensatz
klar, was gemeint ist.
Es
gibt Weinflaschen, die tragen ein wundervolles Etikett. Aber in der Flasche
selbst ist gepantschter Wein. So gibt es auch ein Etikett-Christentum. Das
Etikett sagt „christlich“. Aber dahinter ist nichts zu spüren von einem neuen
Leben, von Buße und Glauben an den Herrn Jesus, von Wiedergeburt und Kraft des
Heiligen Geistes.
Es
gibt ein Wort-Christentum. Da beherrscht man den ganzen christlichen Wortschatz
und kann sogar öffentliche christliche Reden führen. Aber es sind leere Worte,
da die Wirklichkeit des Lebens ihnen nicht entspricht.
Gajus
wandelte in der Wahrheit. Das heißt: Sein Christenstand ist ein Christenstand
der Wirklichkeit. Da ist wirkliche Furcht vor Gott. Da ist wirkliche
Sündenerkenntnis. Da ist wirklicher Heilsglaube. Gott schenke uns auch dies!