Ein ärgerliches Tribunal

Winrich Scheffbuch

Gehalten am 11.08.1991 in der Ludwig-Hofacker Gemeinde Stuttgart

Lukas 18, 9-14

 

Das ist auch ein Gruß an all die, die über die Kassetten mit uns verbunden sind, wir denken ja hier auch immer sehr an die Kranken, die nicht unter uns sein können. Das ist der größte Trost, dass Gottes Gnade mir gilt. Ich bin immer traurig, wenn ich merke, dass Leute sagen: Das Wort „Gnade“ bedeutet mir gar nichts. Das ist ein abgegriffenes Wort. Das ist doch nicht abgegriffen. Wenn der heilige Gott sich nicht schämt, sich zu uns zu bekennen, und die Hand auf unseren kranken, müden, zerbrechenden Leib legt und segnet.

Wir haben heute als Predigttext Lukas 18 Vers 9 bis 14. Die Geschichte kennen Sie alle, sie ist ein Gleichnis, das Jesus erzählt, vom Pharisäer und vom Zöllner. Ein Gleichnis, das uns sehr einleuchtet, aber ich weiß nicht, ob es Ihnen nach der Predigt auch noch so geht. Ich hoffe, nicht.

9 Er sagte aber zu einigen, die  sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies

Gleichnis:

10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

11  Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.

12 Ich faste zweimal in der Woche und  gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.

13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

14 Ich sage euch:  Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Vor ein paar Tagen sagte mir eine Frau, man kann keine Nachrichten mehr im Fernsehen angucken, das nimmt einen alles so mit. Ja, die Frau hat Recht. Das nimmt einen sehr mit. Ich war auch sehr betroffen, als ich eben vor dem Gottesdienst noch hörte, dass heute Nacht ein Sprengstoffanschlag auf die Doulos auf den Philippinen war mit Toten und Verletzten. Es passiert Furchtbares in der Welt. Aber viel in den Nachrichten, das ist ja recht einseitig ausgewählt. Es fällt ja auch, die Herren Nachrichtenredakteure und die Damen dort, die suchen die Nachrichten meist so aus, wie sie die Leute erregen. Denn dann sind die Nachrichten interessant. Wenn sie uns in Bewegung bringen. Und jetzt achten Sie mal darauf, bei all den Nachrichten, die wir so lesen in den Zeitungen und die uns so vorgesetzt werden, da regt sich in uns etwas auf, und wir mit unserem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, haben sie den auch so wie ich? Prima. Da lehnen wir uns auf, nein, diese Schufte, diese Geiselnehmer, ach, wenn ich die mal vor meine Hände kriegen könnte, oh. Unverschämt, diese Türken, wie sie da diese wehrlosen Flüchtlinge bombardieren. Und das geht ja bei uns hinein bis in die Lokalnachrichten, Zeitungen. Also, diese Politiker, was diese wieder für einen Quatsch machen, für einen Unsinn, wie können die da bloß ein Halteverbot hinmachen. Das gibt so viel Staus, warum schalten die die Ampeln so blöde, es erregt uns alles, und wir sehen das. Wahrscheinlich sind wir alle von Geburt aus in unseren Genen vorprogrammiert Oberstaatsanwälte oder wenigstens Verfassungsrichter zu sein. Und die Dinge sehr gründlich zu beurteilen. Wir können alles beurteilen. Wir haben zu allem ein sehr klares, realistisches Urteil. Und wir sehen ganz und schnell die Fehler und die Mängel. Vielleicht ist das aber auch nur so, dass die Zeitungen und die Nachrichtenredaktionen nur das auswählen, was die Leute erregt. Und sie servieren es dann auch so, dass man sich erregt. Sehr einfach, sehr plump, und sehr einseitig. Dass man oft die ganzen Schwierigkeiten gar nicht sieht, in seinem Urteil. Wir in unserem Urteil, wir haben eigentlich bisher in unserem Urteil bisher immer nur zwei Felder ausgespart, wo wir uns kein Urteil anmaßen. Es war über lange Zeit so, dass die Menschen an der einen Stelle nicht wagten, ein Urteil zu fällen, das war gegenüber dem Wort Gottes. Was Gott gesprochen hat, in seinem Wort, das ist Gottes Wort. Doch erkennt man an, ach, der moderne Mensch hat das längst seinem kritischen Urteil unterzogen. Ja, sollen heute die Gebote noch so gelten, wie sie dastehen? Die muss man umformen, die muss man unserem Denken anpassen. Wir sind auch noch die Richter des Wortes Gottes geworden. Das ist ja furchtbar. Und die zweite Stelle, wo lange Zeit ein Tabu war, wo sich keiner mit seinem kühnen Urteil hingewagt hat, das war der heilige Gott selbst. Soll ich als sterblicher Mensch den ewigen Gott richten können? Ach, das ist auch längst vorbei. Der moderne Mensch, der kann Gott richten. Gott. Wie kann Gott das zulassen? Warum passieren in meinem Leben so schreckliche Dinge. Warum ist Gott ungerecht? Wir können sogar beurteilen, ob Gott gerecht oder ungerecht ist, stellen Sie sich mal vor! Der moderne Mensch ist so in seinem ganzen Wesen ein Richtender, ein Urteilender, dass wir uns wirklich anmaßen, das letztgültige Urteil zu sprechen. Ich treffe das bei vielen Gesprächen auch so an, dass ich die Leute frage: Ja, sind Sie sicher, dass Ihr Leben richtig gelebt ist. Ja, ich hab mir nichts vorzuwerfen, und wenn ich mir nichts vorzuwerfen habe, dann ist alles in Ordnung. Ich habe keine Angst. Die Menschen haben die Angst verdrängt vor einem göttlichen Gericht. Da sagen sie mir ganz zutraulich: Also, wenn's so was geben sollte, was ich nicht vermute, dann möchte ich mit dem Chef dann so reden, und im mal ein paar Dinge erzählen. Was, da wird er aber Augen mache, wenn ich dann anfange zu reden, nicht?! Und heute, an diesem Sonntagmorgen, ist es ganz umgedreht. Da werden wir vor den Richterstuhl Jesu gestellt. Jesus ist der ewige Weltenrichter. Und es ist gut, wenn wir sagen können, ich will meinen Mund nicht auftun vor dem großen Gericht Gottes, das er seinem Sohn übergeben hat. Ich möchte nur zeitig lernen, wie dort Gericht gehalten wird. Ich will meine Maßstäbe korrigieren lassen. Und diese Geschichte hat uns Jesus erzählt, weil er uns tatsächlich zurechtrücken will, unsere Meinungen will er verändern. Und sagt: Du, bitte, nimm das mal zur Kenntnis, hör mal her, was ich dir jetzt sagen will. Ich habe meine Predigt heute überschrieben: Das ärgerliche Tribunal. Es überrascht mich nicht, dass Leute sagen, das Wort Gottes, das reibe sich mit unserem Denken, das soll sich ja mit unserem Denken reiben. Dann sind wir richtig dran. Aber das Wort Gottes passt sich nicht unserem Kopf an, sondern wir sollen uns dem Wort Gottes anpassen. Ein ärgerliches Tribunal. Aber wir sind vor dieses Tribunal gestellt, und wir werden gerichtet. Jeder von uns. Unser ganzes Leben ist offenbar. Mit all den Heimlichkeiten, und den verborgenen Dingen, mit dem, was wir verschweigen, und was wir vergessen und verdrängen, alles ist offenbar.

Mein erster Punkt: Unsere Maßstäbe kommen ganz durcheinander.

Jesus erzählt von zwei Männern, die beten. Für uns ist das ungewöhnlich. Männer beten. Sonst beten doch eigentlich nur die Frauen und die Kinder. Aber dass Männer beten, ja, es gibt Männer, die beten. Gott sei Dank. Es ist ja nicht so, dass das nur für die Schwachen ist, sondern die Tätigen, die arbeiten, die werken wollen. Aber dann erzählt Jesus von diesem einen. Sie sehen ihn ganz bestimmt falsch. Das kommt durch die vielen Erzählungen, die Sie schon von diesem Gleichnis gehört haben. Sie müssen Ihr Bild ein wenig verändern und ein wenig überholen lassen. Dieser Mann, von dem Jesus da zuerst erzählt, war ein tadelloser Mann. Ein Mann, so wie wir ihn uns wünschen. Ein Mann, der fleißig arbeitet. Der seine Pflicht erfüllt. Der zuverlässig und wahrhaftig ist, auf den man bauen kann in der Not, und der sich in seiner Freizeit sehr für die Notleidenden engagiert. Darum gibt er auch zehn Prozent seines gesamten Einkommens ab. Er lebt sozial, er lebt auch umweltbewusst. Dass Sie ihn richtig sehen. Ich darf noch hinzufügen, dass ist einer, der als einer der ersten sich ein Kat-Auto kauft. Sehen Sie, und der im Wohngebiet nie über dreißig fährt. Der im Zweifelsfall lieber noch ein paar Kilometer drunter bleibt. So waren diese Leute. Damit sie ja nicht gegen Gesetzesverstöße machen, damit sie ja nur nie einen anderen Menschen verletzen. Und unsere Sympathie gehört ganz bestimmt diesem Mann, sonst wären ja unsere ganzen Maßstäbe nicht mehr in Ordnung. Wenn wir einen wählen wollen bei einer Landtagswahl, das wäre so ein Kandidat, der von allen akzeptiert wird, dem all zustimmen können. Wenn die Kinder einen Vater wünschen, dann so einer. Ein gerechter Vater, ein liebenswerter Vater. Einer, der sich einsetzt, der Zeit hat, der sich kümmert um die anderen. All das wird von Jesu nicht bestritten. Schön, dass der Mann auch noch so kirchlich ist. Und dass er sich um Gott kümmert. Und dass er ein bescheidener Mensch ist, der Gott dankt für die Gaben, die Gott ihm verliehen hat, er weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, und dass er damit nicht angeben kann. Ein wenig weiter steht der andere. Also, wenn es je einen fiesen Typ gegeben hat, einen miesen Charakter, dann war das einer. Ein Schuft. Der hat die anderen ausgebeutet, ganz egoistisch. Und der hat nur danach gefragt, wie er Geld macht. Und alles andere war dem wurscht. Einfach, der konnte über Leichen gehen. Und der betet. Also, das ist ein Skandal. Wenn so ein Mann in die Kirche kommt, der soll sich erst mal bewähren. Der soll erst einmal Beweise seiner Änderung vorlegen, aber so kann man doch nicht heucheln, und dann in die Kirche gehen, und dann ein paar Sprüche machen. Da lehnt sich in uns alles auf. Und das will Jesus. Er will unsere Maßstäbe ein wenig durcheinanderbringen.

Und da sind wir beim zweiten: Worauf kommt alles an?

Es geht nicht um die Frage, wen von den beiden Sie heiraten. Nicht, also, wenn es um die Frage geht, hoffentlich nur den ersten. Wirklich, sonst sind Sie angeschmiert. Überschätzen Sie nicht Ihre Erziehungskräfte in der Ehe. Also, ganz klar, wenn Sie fragen wollen, wer hat besser gelebt, da lässt das Evangelium, die ganze Bibel nie einen Zweifel daran. Der andere war besser. Natürlich ist das ganz klar, das sind die Rechtsgrundsätze des menschlichen Zusammenlebens. Auch nach dem Urteil Jesu. Wer hat richtig gelebt. Der erste hat richtig gelebt. Ja, was will dann Jesus sagen? Er will nur eins sagen, und nur das eine, und sonst haben Sie den Vergleichspunkt nicht richtig: Jener ging hinab gerechtfertigt. Jesus ging es nur um dieses Wort. Jesus hat nie bestritten, dass der andere besser war, der bessere Kamerad, der bessere Kollege, der bessere Familienvater, der bessere Kandidat. Aber wenn es um die Rechtfertigung geht, dann ist der Zöllner besser. Und jetzt müssen wir rausbringen, was das ist. In einem kirchlichen Blatt las ich dieser Tage, wie einer da sagte und meint, das ist für heute kein Thema mehr. Das interessiert keinen Menschen heute. Ich frage: Interessiert Sie das wirklich nicht? Was heißt denn das „gerechtfertigt“? Wie kommt Ihr Leben mit Gott klar? - Wie kommt Ihr Leben mit Gott klar, Sie sind nämlich gar nicht mit Gott klar, Sie sind nämlich mit Gott im Streit. Wir leben mit Gott im Widerspruch. Und wie kriege ich mit Gott mein Leben so hin, dass Gott mich segnen kann? Wie mache ich das? Und um den Punkt geht’s. Da versucht einer, sich selbst zu rechtfertigen. Das kennen wir ja. Das ist ja sehr häufig, dass wir sagen: Ja, nun so schlimm bin ich auch nicht. Und ich hab ja schließlich auch meine guten Seiten. Ich singe im Chor, und ich hab auch eine Spende gegeben. Und ich kann einige Bibelworte auswendig. Und ich habe einen Onkel, der ist in der Mission. Wir haben ja alle so Sachen, wo wir vor Gott auch uns selbst rechtfertigen können. Wir bestreiten gar nicht, dass wir vor Gott Schuldner sind. Wie wollen wir uns rechtfertigen? Und da erzählt Jesus die erschütternde Sache. Dass selbst Menschen, die Ihnen moralisch haushoch überlegen sind, Leute, wie Albert Schweitzer, Mutter Theresa, und so, sich nicht selber rechtfertigen können. Es gibt auf der ganzen Welt niemand, der sich selber rechtfertigen kann. Ist das ein Thema für heute. Sie wissen, dass es die bohrende Frage der Reformation war. Und in unseren Tagen ist das so ein Modespruch in unseren Kirchen geworden, dass gehe heute niemand mehr etwas an und bekümmere niemand mehr. Vielleicht ist das nur ein Zeichen dafür, wie oberflächlich wir leben. Wie wir uns heute schon ganz selbstverständlich selbst rechtfertigen. Wie wir auch von der Verkündigung, auch von der Bibel auch erwarten, dass sie uns bestätigt in unseren Ansichten. Selbst-Rechtfertigung. Und Jesus sagt: Das trägt nicht. Obwohl, und das müssen sie begreifen, dieser Pharisäer wirklich ein Mann war von einem hohen Charakter. Doch, ein Mann, den man bewundern kann, ein ethisch reiner Mann, den man als einen Gerechten beurteilen kann, weil er wirklich nicht so oft die Gebote übertreten hat, wie wir. Aber Jesus sagt: Er ging nicht gerechtfertigt hinunter vom Tempel. Sondern er blieb behaftet bei seiner Schuld. Auch die besten Menschen haben eine Menge Schuld, und es vergeht kein Tag, wo sie nicht alle vielfach sündigen. Und darum ist das die brennende Frage, wie werden Sie denn gerechtfertigt? Wie werden sie denn gerechtfertigt. Und Jesus stellt uns den Zöllner als Vorbild hin. Er stellt uns den nicht als Vorbild hin in dem Sinne, wie wir Geld machen sollten in der Welt. Er stellt ihn uns nicht als Vorbild hin im Sinne auf die Lebensgestaltung, sondern er stellt ihn als Vorbild hin in Sachen Rechtfertigung. Er war der mieseste Typ, tatsächlich, aber er wurde gerechtfertigt. Was hat er denn gemacht? Er schlug an seine Brust. Er sagte: Ich habe gesündigt. Kommt das bei Ihnen vor? Wie würde Ihre Ehe aussehen, wenn Sie zu Ihrer Frau sagen würden: Ich habe heute vielfach mich an dir versündigt. Wenn Lehrer vor ihren Schülern das sagen, wenn Kollegen untereinander das sagen, der Chef zur Sekretärin: Ich hab viel falsch gemacht Ihnen gegenüber. Wenn wir von unserem Stolz uns beugen würden. Aber jetzt geht’s um Gott, dass wir auch vor Gott sagen: Herr, ich bin ein Schuldner vor deinem ewigen Gericht. Das ist ja die brennende Frage für das zwanzigste Jahrhundert, ob das die Christen noch fertigbringen, vielleicht ist deshalb Gott von uns gewichen, vielleicht erleben wir deshalb so wenig von der Gnade Gottes und von seiner Liebe. Wir können das ja sehr gut, was auch die Angeklagten im Gericht können. Fragen Sie mal, die Brüder Rechtsanwälte und die Brüder Richter, wie das hier in den Strafkammern immer läuft, wenn man da einen Schuldigen Kadetten vor dem Gericht stehen hat, dann sagt der: Ja, ich kann ja eigentlich gar nichts dafür, das waren meine Eltern, mein Vater ist unbekannt, meine Mutter hat sich nicht um mich gekümmert, ich bin im Kinderheim aufgewachsen, es war der schlechte Einfluss der Straße, wir können ja die gleiche Sprache auch, dass wir sagen: Das sind ja nicht wir, das ist die Zeit, das ist die Welt, das sind die Einflüsse. Ich bin nur in eine so schwierige Lage gekommen, das waren die Umstände, deshalb konnte ich ja gar nicht anders, und wir reden uns heraus, wir haben für alles eine Ausrede vor Gott. Und Gott behaftet uns doch bei unserer Übertretung. Warum ist es in den Christengemeinden, in den Hauskreisen so stumm geworden über das brennendste Thema, das Jesus ansprechen konnte, das Thema der Sünde, der Schuld, der Übertretung und Verfehlung. Das ist das brennende Thema unter uns. Und der eine Mann mit seiner ganz schrecklichen Vergangenheit, der sagt nur eins: Gott sei mir Sünder gnädig. Und hupps, in dem Augenblick ist er gerechtfertigt. Gibt’s so was? Darum habe ich die Predigt überschrieben: Das ärgerliche Tribunal. Das macht Jesus. Und das will er heute bei Ihnen machen. Er will jetzt Ihre ganze Schuld in des Meeres Tiefe versenken.

Ich bin beim dritten Punkt, der heißt: Nicht ärgern, sondern danken.

Dass Sie nicht sich auflehnen, und sagen: Das gibt’s doch gar nicht, dass Jesus einfach Schuld so auslöscht und vergibt! Im Alten Testament wusste man noch viel von der Gnade Gottes. Ich habe sie heute auch mit dem Eingangswort begrüßt, dass die Gnade Gottes nicht hinfallen kann. Aber trotzdem haben diese Juden sich gestoßen an der unbegreiflichen Güte Jesu zu den Verlorenen. Oft habe ich den Eindruck, dass wir in unserer bürgerlichen Wohlanständigkeit wohl gar nicht begreifen, wie Jesus heute Morgen Menschen herausholt, die in Bindungen der Süchte leben, die im Gefängnis sitzen, die alles im Leben falsch gemacht haben, deren ehe zerbrochen ist, die mit allen im Streit leben. Und mit denen will Jesus, die will er rechtfertigen, gerecht machen, in einem Atemzug, wie kann er denn das überhaupt? Dafür ist Jesus gestorben. Das macht er nicht mit einem Spruch bloß, sondern mit seinem Blut. Jesus stirbt für meine Sünde. Damit ich wirkliche Vergebung empfange und ein Kind Gottes werde und die Befreiung empfange. Wir erleben das ja gegenwärtig im Fernsehen, wie das ist, wenn in der DDR die Altlasten entdeckt werden, also verseuchte Erde, aber noch schlimmer, wenn man dann immer wieder bei einem Minister oder Staatssekretär plötzlich merkt und sagt, der hat eine Stasi-Vergangenheit, und dann, wie kann man bloß so verlogen sein, wie jener, dass der das so lange verheimlicht, neun Monate hat der das verheimlicht. Wer von uns macht das nicht schon seit Jahr und Tag? Wenn der neben Ihnen wüsste, was in Ihrem Leben schon geschehen ist, Sie würden sich ja verkriechen wollen. Wir sind bloß Meister im Verdrängen und im Überspielen. Und darum ist es so wichtig, dass die Altlasten im Gericht Gottes einmal vergeben werden, und dann ausgelöscht werden und nie mehr vorgeholt werden. Die werden, das was man bei Altlasten so schlecht kann, besonders bei den chemischen Umweltsünden, bei unseren Missetaten, die geschehen sind, bei dem Unrecht, das wir anderen zugefügt haben, die sollen ausgelöscht und vergeben werden, so dass sie niemand mehr vorholen kann. Die sollen in des Meeres Tiefe versenkt werden. Ausgelöscht und weg. Und Jesus hat das erzählt, weil er zeigen will, wie endlich ein Leben neu wird. Sonst sind air auch als Christen immer in diesem Wahn, wir wollen unser Leben selber ändern. Sie können's nicht ändern. Und wenn Sie den Menschen etwas vorlügen und so tun, als ob Sie ein wohlanständiger Mensch wären, Sie sind's doch nicht. Wir sind Menschen, die mit Gott im Streit leben, deren Herz sich auflehnt gegen Gottes Ordnung, das ist doch bei Ihnen und bei mir so. Warum sagen wir nicht, nicht bloß, ich habe Übertretungen begangen, sondern, ich bin durch und durch, der Gottes Ordnungen bricht, Herr, sei mir gnädig. Und das ist doch der einzige Trost in meiner Todesstunde, nicht, was ich gewirkt habe, sondern das Blut Jesu Christi macht allen Schaden gut. Und das öffnet mir die Himmelstür. - Es gibt ja in der Welt ein Lied, das sicher am meisten gesungen wird. Amazing Grace. Wunder, O Gnade Gottes wunderbar. Und das hat ein Sklavenhändler gedichtet, nicht, als er Sklavenhändler war, sondern als er sich bekehrt hat. Ein Mann, der im vorigen Jahrhundert, John Newton, diese armen Geschöpfe, schiffsweise hinüberbrachte nach Amerika, die hat sind dann auf dem Sklavenmarkt verkauft worden. Und als er in London durch die Predigt von Jesus getroffen wird, da hat ihn die Gnade Gottes so erschüttert. Solch einen Halunken wie mich liebt Jesus. Ich bin von ihm angenommen. Dieser John Newton war später nur Prediger, ist es im Alter noch geworden in einer kleinen Gemeinde in London, aber hat den Wilberforce genötigt, damals zweiundzwanzig Jahre, der war der jüngste Parlamentarier, und hat gesagt: Du musst ins Parlament, und sagt: Du darfst keine Karriere erklimmen, jetzt kämpfe du gegen das Unrecht in der Welt. An John Newton können Sie das so sehen, wie die Gnade ihn gerade nicht stumm gemacht hat, sondern, das hat ihn bewegt, gerade jetzt für die Gerechtigkeit der Welt zu wirken, aber nicht für diese hochmütige, selbstsichere, überlegene Ehre, sondern, dass Menschen gerettet werden, und das war Wilberforce, der schließlich die Sklaverei abgeschafft hat in England, das ging auf John Newton zurück. Und das Lied, das heute in aller Welt gesungen wird von allen Nationen und Rassen und Sprache, von der wunderbaren Gnade, Gnade Gottes wunderbar, da erzählt John Newton, ich lebte lange in der Dunkelheit, in der Finsternis, und erst als ich das sah, entdeckte ich das, und dann sagt er, und wenn ich zehntausend Jahre in der Ewigkeit bin, dann werde ich immer nur das eine rühmen können, die Gnade Gottes. Sehen sie, dass diese Gnade Gottes Sie bewegen will, Ihnen Befreiung schenkt, jetzt, das, was Jesus Ihnen schenkt in der Vergebung, dass da Ihr Herz umgewandelt wird, das ist die einzig bewegende Kraft, die neue Menschen schafft. Und Paulus erzählt das so oft im Römerbrief. Und sagt: Wo die Sünde mächtig war, wo Menschen ganz tief verstrickt waren in die dunkelsten Machenschaften der Finsternis, da ist die Gnade noch kräftiger geworden. Die kann einen Menschen lösen aus jeder Art der Bindung und Unfreiheit. Sie können das nicht mit Ihrem Willen, mit Ihrer Willenskraft. Die Gnade Gottes kann es nur tun. Und darum ist das so wichtig, dass wir uns nicht stoßen an dieser Geschichte, sondern dass wir Gott danken. Deine Gnade gilt mir und auf deine Gnade will ich bauen. Und in deiner Gnade darf ich mich bergen. Wenn ich nichts mehr kann, und nichts mehr weiß, und nichts mehr fertigbringe, mir genügt das, dass du mich nicht loslässt, Jesus, und dass ich bei dir angenommen bin. Wenn du solch einen Typen, wie diesen miesen Schwarzhändler da, gerecht machst, in einem Augenblick, Herr, dann mach's auch mit mir. Amen.