Das Herz des Samariters

Winrich Scheffbuch

Gehalten am 01.09.1985 in der Ludwig-Hofacker Gemeinde Stuttgart

Lukas 10, 27-37

13.Sonntag nach Trinitatis

 

Ich lese aus Lukas 10 die Verse 25-37 – die Geschichte vom barmherzigen Samariter.

25 Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, stellte Jesus auf die Probe und fragte: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben erbe?

26 Er aber sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du da?

27 Er antwortete: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deiner Kraft und mit all deinem Verstand, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18).

28 Jesus aber sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet; tu das, so wirst du leben.

29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sagte zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?

30 Da erwiderte Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halbtot liegen.

31 Es traf sich aber, dass ein Priester diese Straße hinab zog; und als er ihn sah, ging er vorüber.

32 Ebenso kam auch ein Levit, ein Tempeldiener, zu der Stelle, und als er ihn sah, ging er vorüber.

33 Ein Samaritaner aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, hatte er Erbarmen;

34 ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier, brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.

35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sagte: Pflege ihn; und wenn du etwas mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.

36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist dem zum Nächsten geworden, der unter die Räuber gefallen war?

37 Da antwortete er: Der die Barmherzigkeit an ihm getan hat. Da sagte Jesus zu ihm: So geh hin und mach es ebenso!

 

Heute ist es verbreitet, dass man die Bibel kritisiert. Kaum einer, der sich nicht sein eigenes Urteil macht und sagt, was ihm an der Bibel nicht gefällt, was ihn ärgert. Was seiner Meinung nach herausgestrichen gehört, oder was nicht so wichtig ist. Und besonders bei den Reden Jesu, sogar bei der Bergpredigt ist es ja nicht so, dass sie sich heute einer ungeteilten Sympathie erfreut. Da sagen dann viele: Ach, das darf man heute nicht mehr so eng verstehen, oder: Das passt nicht mehr für unsere Zeit. Sie können an viele Stellen in der Bibel denken, und es wird Ihnen immer einfallen, wie viele heute von den Menschen Kritik üben werden an der Bibel. Nur bei diesem Abschnitt habe ich noch nie Menschen getroffen, der ihn kritisiert. Ich kenne überhaupt keinen Menschen, der an dieser Geschichte etwas auszusetzen hat. Selbst Atheisten sagen: Genau das ist Christentum. Und sie wollen sich ganz mit dieser Geschichte identifizieren. Das ist unsere Sache! Irgendwie hilft es ihnen ja, dass in dieser Geschichte wir Pfarrer ein wenig schlecht wegkommen. Da sagen sie: Natürlich, die Profis, und die Kirchenleute, nicht die haben da bloß ihren Gottesdienst und ihre kultische Ordnung im Kopf, die laufen da vorbei. Aber wir wollen Menschen der Tat sein, ganz bestimmt. Und so hat man den Namen „Samariter“ längst benutzt und viele schmücken sich damit. So wie man einen Ring am Finger trägt, sagt man, ich bin ein Samariter. Er ist mir ziemlich ähnlich. Ich bin ja gut. Und das passt zu mir. Und jeder fühlt sich durch diese Geschichte bestätigt. Und man sagt: Lasst uns unsere Wohltätigkeitsvereine so nennen, lasst uns den Dienst der Unfallhelfer so betiteln. Das ist das, was heute nottut, Leute, die herzhaft anpacken, und das stimmt ja! Das ist ja wirklich not. Nur eine Frage müssen Sie erlauben. Hat Jesus eigentlich so gesprochen, dass er Menschen bestätigt hätte? Hätte nicht auch der Pharisäer Grund gehabt zu sagen: Richtig! Erst gestern habe ich ja wieder meine Werke getan! Und da hätte er aufzählen können, welchem Verein der Wohltätigkeit er seine Spenden gibt. Muss uns das nicht zu denken geben, wenn wir Bibel lesen, ob die Wort Jesu uns treffen. Wie heißt es doch immer im Neuen Testament: Dass es durchfährt ins innerste des Gewissens. Wenn uns das Bibelwort nur bestätigt, das muss ja fromme Leute erschrecken, wenn sie nur da sitzen mit dem Kopf nicken und sagen: Ja, ja! Wie gut ist doch alles bei mir. Dann muss etwas faul sein! Jesus hat uns doch immer reinigen wollen, er hat uns doch beschenken wollen mit seinen Gaben. Wo ist denn hier etwas von den Gaben Jesu drin? Wo will er denn hier beunruhigen? Darum lassen Sie mich noch einmal mit Ihnen jetzt dieses Gleichnis durchgehen und ein wenig genauer drauf achten, als man es bei einem oberflächlichen Lesen tut. Was denn Jesus uns sagen will?

Zuerst: Es ist eine ziemlich extreme, eine krasse Geschichte.

Sie können das gar nicht mehr hören, weil für Sie das Wort „Samariter“ den lieblichsten Klang hat, den überhaupt ein Volksname in dieser Welt haben kann. Aber dabei täuschen sie sich doch ein wenig in dem Charakter dieses wilden Völkleins, das sich nach der Zerstörung Samarias dort oben angesiedelt hat. Es war ein wildes Mischvolk, Streugut der vorüberziehenden Völker, eine Tradition oder ein Volksbewusstsein gab es unter den Samaritern nicht. Und so ist es auch im Lauf der Zeit verweht, es gibt heute zwar noch ein Grüpplein, das sich noch in der Tradition der Religion der Samaritaner sammelt und dort oben auf dem Garizim Opfer bringt, aber das hat wahrscheinlich wenig zu tun mit dem volksmäßigen Abstammen von diesen alten Samaritanern. Und im Neuen Testament ist ja eine Geschichte, die uns den Charakter dieser entziffern ließ. Es muss erschreckend sein. Jesus war mit seinen Jüngern durch dieses samaritanische Land gezogen und hat nur irgendwo eine Absteige gesucht, wo er gegen Bezahlung vielleicht ein Bett kriegt, aber die Leute waren so feindselig, so hundsgemein, dass sie nicht einmal Jesus, den Sohn Gottes, auf einer Luftmatratze aufnehmen wollten. Sie haben ihm die Tür gewiesen, und wir verstehen die Erregung der Jünger, dass sie sagten: Herr, solche Leute muss man vertilgen von der Erde. Samariter haben kein Lebensrecht. Wilde Leute, herzlose Leute, kalte Leute, egoistische Leute. Und das war wirklich so, ich könnte Ihnen genügend Beispiele aus der Zeitgeschichte damals erzählen, um das noch einmal zu illustrieren. Das einzige Beispiel, das wir haben, das von den Samaritern anders redet, ist diese Geschichte Jesu. Ein Samariter! Wie ist das möglich? Da kommt ein Fremder des Wegs. Ihn bindet ja nichts zu dem, der da unter die Mörder gefallen war. Die anderen verachten ihn. Man pflegt mit ihm keinen Umgang. Das sind schlechte Leute, denen man aus dem Weg geht. Aber dieser Samariter ist erfüllt von einer ganz, ganz großen Liebe. Es jammert ihn. Er kann plötzlich mitfühlen und hat ein Herz, wo andere kein Herz haben. Und Liebe ist ja viel, viel mehr, als wir tun. Liebe ist das, woran keiner im Augenblick denket. Das, was jeder übersieht, das sieht Liebe, und das tut Liebe. Das macht dieser Mann. Was ist das bloß für ein extremes Beispiel, das Jesus wählt? Irgendwo einer aus einem verachteten Volk. Der ist ganz anders als alle andern. Der trägt eine Liebe, von der die andern gar nichts wissen. Er hat ein Erbarmen, von dem die andern nichts ahnen. Und er handelt so völlig ungewöhnlich und so groß. Zu allen Zeiten war man zeitknapp, nicht nur heute. Und auch dieser Samariter, der hatte einen dichtgefüllten Terminkalender. Und in der Zeit, als man mit Eseln reiste, waren die Terminkalender noch schwieriger zu dirigieren, weil man nichts herausholen konnte mit 160 auf der Autobahn. Und da war es besonders schlimm, wenn man mit einem Tag in Verzug kam. Sagen sie nicht, das sei nicht so schlimm gewesen. Die Leute wurden damals kaum vierzig Jahre alt. Die Zeit ihres Lebens war noch kostbarer. Und dieser Mann vergisst alles. Alle seine anderen Aufgaben, nichts ist ihm wichtig. Nur den einen hat er vor sich. Diesen, der da unter die Mörder gefallen war, dem gibt er sich ganz hin. Für den verströmt er sich ja, und hat er denn nichts mehr, hat er keine Familie, wartet niemand zu Hause auf ihn, hat er nicht 'n Beruf? Warten nicht seine Angestellten im Geschäft auf ihn. Er kann doch nicht einfach so aussteigen! Lauter Fragen! Aber die muss man stellen, um das Gleichnis richtig zu verstehen. Jetzt muss ich fragen: Welcher Mensch kann denn so handeln? So handelt gar kein Mensch. Natürlich hat doch Jesus in dieser Geschichte sich selbst gezeichnet. Wer handelt denn so, dass er alles verlässt? Und nur den Gestrandeten, Verzweifelten, Ohnmächtigen, dem hilflosen Menschen nahe kommt. Das war ja immer so, dass Jesus  die Worte auf sich gedeutet haben wollte. Besonders, wenn einer, der aus eigener Kraft seine Seligkeit erringen wollte, und er meint, er könne sein eigenes Leben selbst bessern, sich selbst rechtfertigt vor Jesus. Und er ihm zuerst zeigt, und das ist jetzt wichtig, dass sie diese Kurve mitkriegen. Bist du nicht der, der da am Straßenrand liegt. Ist dein Leben nicht auch so wie ein Unfallopfer. Irgendetwas ist in deinem Leben geschehen. Sie haben dich liegen lassen. Ist deine Ehe auseinander gegangen. Haben dich Menschen enttäuscht. Haben sie dich aus der Firma geworfen. Haben die Lehrer dir bescheinigt, dass du nichts kannst. Jetzt liegst du da. Und dann gehen sie alle stolz an dir vorüber. Sie können dir noch Lebensratschläge geben, was man tun muss, aber sie ahnen nicht, wie du psychisch geknackt bist, du kannst ja gar nicht mehr aufstehen. Das Christentum ist doch keine Religion für die starken Helden! Was hat denn Jesus immer wieder gepredigt von den Gescheiterten. Und will er das nicht diesem Schriftgelehrten zeigen, der sich selbst rechtfertigt! Und der die ganze lange Kette seiner guten Werke aufweisen kann. Da steht einer in deinem Leben, den du verachtest. Den du gar nicht sehen willst, er kommt dir vor wie ein Samariter, wie ein Zigeuner, wie ein Fremder. Du kannst den Namen gar nicht hören, Jesus. Weil du so schon allergisch reagierst gegen ihn. Doch er, er kann mitfühlen, er jammert. Ihn bewegt das. Und ihn treibt das um. Ihm lässt das keine Ruhe mehr. Er beugt sich nieder, er vergisst alles andere, er hat kein anderes Ziel, als dir zu helfen, die ganze Sendung Jesu liegt darin, dass er Gescheiterte sucht, und ihnen beistehen will.

Einen zweiten Gedanken: Was ist das Besondere?

Wir können sagen: Die Geschichte ist überwältigend. Diese Geschichte ist extrem und krass, aber die Geschichte ist auch überwältigend, oder, was ist das Besondere? Jetzt wollen wir noch einmal darüber nachdenken, über die Taten des Samariters. Dieses Samariters, der da handelt. Was hat er eigentlich getan? Große Taten waren es nicht. Und wenn heute so viel gesprochen wird, wie wir als Christen einen großen Beitrag zur Erneuerung unserer Gesellschaft leisten müssen. Dies steht da nicht drin. Der Samariter hat keine Programme entworfen, wie man die Gesellschaft verändert. Da steht überhaupt nichts da. Er hat auch keine großen politischen Resolutionen verfasst, wie man das Räuberelend zwischen Jericho und Jerusalem beseitigen kann. Das wäre ja wichtig. Dann wäre ja wenigstens etwas durchgreifend anders geworden. Die Räuber schlagen ja morgen wieder zu. Er hat ja nur an einer kleinen Stelle geholfen, und morgen ist das Elend wieder genauso groß. Das wirft man ja immer wieder der Diakonie der Christen vor, ihr müsst die Strukturen beseitigen. Euer kleines Tun da unten, wo ihr nur die Auswirkungen bekämpft, nützt nichts, ihr müsst das Böse radikal an der Wurzel bekämpfen! Der Samariter tat es nicht. Nichts dagegen, wenn Sie es fertigbringen, oder es könnte sein, dass die Welt in ihrer Art und in ihrer Bosheit stärker bleibt, als Ihr Tun. Was macht denn der Samariter Besonderes? Er beugt sich herunter, nimmt sich etwas Zeit, er versorgt die Wunde. Aber jetzt muss ich mal sagen, sagen Sie, ist das viel? Also wissen Sie, in der heutigen Sprache, Leukoplast draufgeklebt und einen Verband drum gemacht, hat Öl reingenommen, das war irgend so ein, was nimmt man da, ich bin jetzt medizinisch nicht so gebildet, ich möchte nicht, dass da jemand plötzlich Glykol in die Wunde gießt, bloß weil Wein dasteht, aber, äh, wissen sie, irgend, er tut ja bloß so etwas Einfaches. Wein war ein Hausmittel der damaligen Zeit, das man zur Hand hatte, und das mit den zwei Silberlingen, das haben Sie auch schon mal ab und zu ins Opfer geworfen, so wie ich Sie kenne. Das ist ja der Grund, dass so viele Leute sich bestätigt fühlen, und sagen zu dieser Geschichte: Genau wie ich. Der Samariter, das bin ich. Besonderes tut er eigentlich gar nicht. Oder was macht er Besonderes? Er verkauft ja nicht alle seine Güter und schenkt es den Armen. Da sehen Sie, warum die Geschichte so attraktiv ist. Zum Missdeuten! Und doch tut er etwas ganz Besonderes. Das muss man sehen. Er handelt so tief von Herzen, wie es Menschen gar nicht tun können. Außergewöhnlich. Darum, dass er alles eigene verlässt und vergisst. Und denken Sie, das wäre heute gar nicht so außergewöhnlich, da muss ich es Ihnen doch einmal sagen. Wissen Sie, warum wir eine so kühl rechnende, von Gesetzen durchzogene Sozialgesellschaft geworden sind? Selbst unsere kirchliche Diakonie wird immer mehr eingezwängt in Pflichten und Rechten und Gehältern. Wo einst unsere lieben und verehrten Diakonissen nichts fragten nach dem, was sie bekamen, sondern, wo es nur eine Vorbedingung gab, willst du dein ganzes Leben verströmen, in Liebe? Das war wirklich so, und das ist noch bei den älteren Diakonissen so, und vielleicht auch bei manchen anderen, die dort helfen. Liebe, das ist ja viel mehr, als man so gemeinhin tun muss. Darf ich ein Beispiel wählen, das Ihnen viel näher liegt? Wissen sie, dass auch viele christliche Ehen heute in eine Krise hineingeführt sind? Und da merkt man schnell, dass Liebe viel mehr ist als nur das zärtliche Berühren von zwei Menschen. Und wie schwer das für sie sein mag. Ich wollte, dass es jetzt einen Stich in Ihr Herz gibt, und Sie sagen: Ich bin getroffen über diese Geschichte vom Samariter. Kann ich wirklich lieben? Meinen Mann oder meine Frau über alles. Meine Kinder, über alles lieben. Es ist ja kein Geheimnis, dass man nicht erziehen kann in der Liebe. Man kann nur lieben. Unsere Welt ist so arm an Liebe geworden. Weil unsere Herzen so eng sind. Und dann sagen Sie ganz verzweifelt, aber ich kann gar nicht lieben. Ja, Sie haben Recht. Genau da sieht ja Jesus hin. Wir, die wir so gern die Geschichte vom Samariter auf uns beziehen, wir können doch gar nicht lieben. Ich hab ja ein ganz eigensüchtiges Herz. Wenn ich das Geld auf meinem Konto hab, dann zieht es mich auch dorthin, dass ich es hab. Dann frage ich immer, wie ich zu meinem Recht komme, und wie ich mich verwirklichen kann, wie ich die Erfüllung kriege. Wie wenig geschieht da bei uns. Und selbst bei einer christlichen Gemeinde, die Lieder singt vom Tun der Liebe. Und von der Liebe Gottes, die uns treiben soll, und doch, wo die Liebe Gottes in unser Herz ausgeschüttet ist, das Besondere an der Geschichte ist der Samariter, der ein Herz hat. Der nicht rechnet, sondern der einfach aus Liebe schenkt und der alles andere zurückstellt. Und dann erschrecke ich: Was habe ich für ein enges und kleines Herz, was bin ich doch für ein begrenzter Liebender. Darum ein letzter Gedanke. Ich sagte zuerst: Das ist eine außergewöhnliche, eine extreme Geschichte, dann ist es eine überwältigende Geschichte mit der Liebe,

und dann ist es eine Geschichte, die uns nötigt.

Ich könnte mir jetzt denken, wenn man so gründlich über diese Geschichte einmal hergeht, dass dann viele, die sich bisher für die Geschichte so begeistert haben, plötzlich davon abrücken und sagen: Ich will nichts mehr davon wissen. Sie sagen: Das ist ja nur eine Tat gewesen an einem Einzelnen. Was ist schon ein Einzelfall? Und genau da sind Sie an der Stelle, die Jesus meint. Sie können mit Ihrem Leben nur in Ihrem kleinen Rahmen wirken und das ist doch nicht schlecht, das ist groß. Sind Sie Mutter, sind sie Vater, sind Sie in der Familie, wo stehen Sie? Irgendwo in einer Umgebung drin. Das, was unscheinbar scheint, das, was nicht in den Schlagzeilen der Zeitung steht, das, was nicht im Fernsehen kommt, das können bei Gott die großen Taten sein. Darum legt Jesus den Finger bei dem Samariter darauf. Und zeigt dieses Gewaltige. Da ist einer, der gibt sich hin für einen Namenlosen. Er wusste sicher nicht einmal, wie er heißt. Und das hat mich immer beeindruckt bei all den verschiedenen Werken der Diakonie, wenn da Heime gegründet wurden für die Kinder, die von ihren Eltern rausgeworfen wurden. Man müsste Ihnen einmal erzählen, was es heute für Kinderschicksale gibt. Kinder, die bis zum vierten Lebensjahr noch nie Liebe erfahren haben. Und dann sagen: Da will ich meine ganze Kraft reingeben. Die fragen nicht, ob die anderen Kenntnis davon in meinem Lebensaufgabe. Wo haben Sie Ihre Lebensaufgabe der Liebe? Mich beeindruckt das, dass ja in der letzten Zeit manche aus unserer Gemeinde sich sogar senden ließen in einen Liebesdienst irgendwo an Völker in Afrika, von denen sie die Sprache noch nicht einmal sprechen konnten. Nicht als Episode, wie man das macht heutzutage, Dritte-Welt-Tourismus, drei Jahre will ich auch mal ins Ausland. Sondern mein Leben will ich an diese Menschen binden, und wenn meine Gesundheit dabei drauf geht. Die liebe ich. Ob es Wert hat oder nicht, Wert hat nicht, ich liebe sie. Ich liebe diese Menschen. Wenn Sie so Ihre Lebens- und Berufswahl treffen können, ich will lieben. Wenn Sie so von Ihrer Familie, von Ihrem Haus her auf andere zugehen können, Sie sagen, ich kann es nicht. Ich möchte diese Predigt über die Geschichte vom Barmherzigen Samariter einfach beschließen mit einem Schrei. Herr, zieh mich in deine große Gottesliebe hinein. Du hast solch eine Liebe gehabt. Du hast nicht die Nase gerümpft, wenn der Gestank aus den Eiterwunden so schrecklich roch. Du hast geliebt, selbst da, wo ein abscheuliches Lebensschicksal war, selbst da, wo man sagen musste, solch ein liederlicher Charakter, du hast geliebt. Wecke in mir diese Liebe. Hilf mir, dass ich nicht rede über Weltverbesserung zehntausend Kilometer fern von hier, sondern dass ich das sehe, was vor der Türe liegt, und dass ich's tue. Heute! In deiner Liebe. Herr, du kannst das tun, und dann binde mich an diese Liebesaufgabe. Wir Christen sind für die Tat, und wenn Sie diese Liebe nicht leben, ist Ihr Christentum nichts. Auch das soll einmal klar sein. Aber Sie können dorthin nur kommen durch eine Neugeburt. Durch eine wunderbare Vergebung. Dass Jesus Ihr altes, störrisches egoistisches Herz zerstört. Und Ihnen sein Herz gibt. Amen.