Gottes Erbarmen

Winrich Scheffbuch

Gehalten am 11.09.1983 in der Ludwig-Hofacker Gemeinde Stuttgart

Römer 9, 14-33

 

Wir lesen nun weiter von Vers 14 ab, überschrieben Gottes freie Gnadenwahl. Was sollen wir nun dazu sagen, ist denn Gott ungerecht, keineswegs, denn er spricht zu Mose: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. So liegt es nun nicht am Wollen oder Laufen des Menschen, sondern - sie können auch noch hineinschreiben: - allein an Gottes Erbarmen, denn die Schrift sagt zum Pharao, eben dazu habe ich dich bestimmt, dass ich an dir meine Macht erweise, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt wird. So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. Nun sagst du zu mir, warum beschuldigst du uns dann? Vor 2000 Jahren sind die Argumente immer die gleichen geblieben. Warum beschuldigt uns Gott? Wir können doch gar nichts dafür? Wer kann sich seinem Willen widersetzen?

Ja lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Sagt etwa ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu weniger ehrenvollem Gebrauch zu machen?

Weil Gott seinen Zorn zeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld die Gefäße des Zornes ertragen, die zum Verderben bestimmt waren, die haben auch Gnade erfahren. Das tat er, um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit zu erweisen, die er zuvor für die Herrlichkeit bereitet hatte. Dazu hat er uns berufen, nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden. Wie er denn auch durch Hosea spricht: »Ich will das mein Volk nennen, das nicht mein Volk war, und meine Geliebte, die nicht meine Geliebte war« Es soll geschehen, anstatt dass zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht mein Volk, so im Blick auf die Heiden, so sollen sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werden.

Jesaja aber ruft aus über Israel: Wenn die Zahl der Israeliten wie der Sand am Meer sein würde, so wird doch nur ein Rest gerettet werden, denn in Kürze wird der Herr sein Wort vollenden und alles ausrichten auf Erden.

Ebenso hat Jesaja vorausgesagt, wenn sich der Herr Zebaoth Nachkommen übriggelassen hätte, so wären wir wie Sodom geworden und wie Gomorrha. Was wollen wir dazu sagen? Die Heiden, die nicht nach der Gerechtigkeit getrachtet haben, haben die Gerechtigkeit erlangt. Ich rede aber von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.

Israel aber ist dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgejagt, und hat es doch nicht erreicht, warum das? Weil es die Gerechtigkeit nicht aus dem Glauben suchte, sondern aus den Werken.

Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, am Stolperstein, wie geschrieben steht: Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Ärgernisses. Wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden.

 

Herr, jetzt musst du unsere eigenen Gedanken überwinden, und zu uns reden. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,

zum Schwersten gehört vielleicht heute Morgen für manche unter uns, dass sie jetzt an einen lieben Menschen denken. Ich meine jetzt nicht nur, die bangen um das Leben und die Gesundheit eines Menschen, der ihnen sehr viel bedeutet. 

Es ist ja noch eine viel größere Sache, wenn man für einen Menschen empfindet und man spürt, es geht um sein ewiges Heil und um sein ewiges Schicksal. Nicht bloß, dass er auf der Intensivstation ist, dass es ja nur um ein paar Jahre dieses Lebens, nein, ums ewige Schicksal.

Schön, dass sie auch andere dran teilhaben lassen an ihren Schmerzen. Wir wohnen unterm selben Dach.

Wir haben doch nicht den selben Grund, von dem wir letztes mal gehört haben. Gott ist für uns, wer kann jetzt noch gegen uns sein?

Wir wollten das doch den andern schenken, ihnen vermitteln, und wir sind ganz müde geworden. Wir haben geredet und geredet und haben gemerkt, vielleicht haben gerade unsere Worte diesen Menschen abgestoßen und die Liebe, die kann dann bloß noch weinen. Die Frau denkt an ihren Mann jetzt, Eltern an ihre Kinder, Kinder an ihre Eltern. Denn das ist ja eine Tatsache in der Bibel, und die lassen wir uns nicht von denen wegnehmen, die da so leicht daherkommen und sagen, ach, wir werden alle doch irgendwo selig.

Das spüren wir, wie der Apostel Paulus gelitten hat, und der versteht‘s.

Er sagt, was aus meinem Leben wird, ist so unwichtig, wenn ich nur ein paar Leute selig machen könnte. Aber das kann ich ja nicht, ich kann mich ja nicht für die andern irgendwo hin verbannen lassen, ich kann nicht für die anderen stellvertretend in die Hölle gehen.

Denn Paulus treibt die Liebe zum Volk Israel, zu den Juden.

Wenn das die Christen gelesen hätten, Römer 9, wäre viel Schuld nicht geschehen. Weil Christen sich nie lösen dürfen vom Brudervolk der Juden, von Israel, mit denen wir ganz eng verbunden sind. Doch sagt Paulus hier ganz schwere Dinge:

Obwohl sie die tröstlichen Psalmen beten wie wir „Der Herr ist mein Hirte“, obwohl sie die großen Verheißungen Gottes hören, „Es können wohl Berge weichen und Hügel hinfallen...“, haben sie's doch nicht ergriffen. Sie glauben doch auch an den gleichen Herrn Gott.- Noch viel mehr glauben die, die haben den Bund, die haben die fleischliche Nachkommenschaft Abrahams, die haben das Gesetz, die haben den Gottesdienst, die haben die Verheißungen, und  haben‘s nicht erlangt, damit hat sich Paulus nicht mit beruhigen können, und er traf ja immer wieder in der Synagoge mit den Söhnen des Volkes Israels, mit den Töchtern Israels zusammen. Das hat ihn beschäftigt und umgetrieben.

Und das muss uns umtreiben heute, lass das doch weg. Ich stand in einer ganz großen Versuchung: nimm Rücksicht auf die Konfirmanden, denen musst du doch zuerst die einfachen Gründe des Glaubens sagen.

Wir wollen heute in unserer Reihe mit dem Römerbrief fortfahren und wollen das heute miteinander durchsprechen, was geschieht denn da und was können wir denn feststellen? Es gibt nicht nur die großen Erkenntnisse des Glaubens, wie wir sie das letzte Mal gehört haben in diesem unvergleichbaren Abschluss des Kapitels 8 im Römerbrief. Es gibt auch ein Handeln Gottes mit seinen Leuten in der Geschichte. Da müssen wir uns dem stellen.

Ich habe drei Einschnitte, an denen wir uns ein wenig durch diese Fülle hindurchhangeln wollen:

Das erste ist eine ganz schreckliche Tatsache, die uns da verkündigt wird, eine ganz schreckliche Tatsache, eine scheußliche Tatsache, eine ärgerliche, eine, bei der ich aufbegehren wollte, wie sie. Und es ist bestimmt keiner da, der sagt, das kann doch gar nicht wahr sein, wir verlangen von jedem Militärdiktator, dass er gerecht ist. Ist denn Gott gerecht, wenn er so mit den Menschen umspringt? Aber ich muss ihnen die Tatsache sagen.

Wir sollten uns an die Tatsachen halten. Es ist wirklich so, dass Gott ganz verschieden umgeht. Warum sind wir in einem Land der Freiheit geboren und hunderte von Millionen Menschen leben in Ländern der Unfreiheit?

Warum sind Sie in diesem großen Wohlstand geboren und ihre Vorfahren haben gehungert. Warum haben sie eine Arbeitsstelle.

Es gibt Menschen die sind begabt und können lernen, und andere, die muss man pflegen und betreuen, weil sie nicht über die intellektuellen Gaben verfügen, oder über den Leib ... Wir sind völlig verschieden. Das ist doch gar nicht wahr, dass Gott allen gleich gibt! Wer hat denn diese Gleichmacherideologie erfunden? Da können sie sich aufregen, aber wir müssen uns an Tatsachen halten. Ja, aber im Geistlichen muss das doch ganz anders sein! Komischerweise auch nicht. Wenn Sie sich an Tatsachen halten wollen, müssen sie die Geschichten lesen! Warum mutet uns das Paulus heute Morgen zu? Ist doch gar nicht erbaulich!? Damit unsere Gedanken zerbrochen werden, und wir wieder still werden, und hören, was Gott uns zu sagen hat. Er ist Herr über alles. Nun weiß ich, da kommen ein paar daher, die sagen: Du hast heute über die Prädestination gesprochen, über den verborgenen Willen Gottes! Nein, nein, ich werde je mich hüten, über so etwas zu predigen. Ich predige Gottes Wort, und Sie tun gut daran, wenn Sie jetzt einmal alles vergessen, was Sie in ihren großen Belesenheit von Martin Luther über Erasmus und alle die Großen gelesen haben, und halten Sie sich an die Wort der Bibel, dann werden sie gut tun, und Ihr Glaube wird ein sicheres Fundament haben. Vergessen Sie manche Lehre der Menschen und halten sie sich an das Wort der Bibel. Da wird die schreckliche Tatsache verkündet, ich sag es noch einmal, die schreckliche Tatsache verkündigt, dass Gott verschieden handelt an Menschen. Der Jakob war ein zartes Büblein. Wenn‘s nach unserer Wahl gegangen wäre, wir hätten den Esau geliebt. Der war ganz anders: robust und gesund, der war so bräunlich von Natur, ein kräftiger junger Mann, der war naturverbunden. Der streifte durch den Wald. Der war ein Grüner, ein wunderbarer Kerl unserer Zeit. Ein schöner junger Mann, für den man sich begeistern könnte. Er war der Ältere. Es gibt nichts Negatives von unserer Schau her gegen den Esau zu sagen. Aber gegen den Jakob können wir eine Menge sagen. Nicht dass sie meinen, ich wollte den großen Glaubenszeugen Jakob heute Morgen kritisieren, das kann ich mir gar nicht erlauben. Aber wir sollten die Schrift sehr genau lesen. Er hing am Rockschoß seiner Mutter. Er war ängstlich, er wich kaum von den Hütten. Und er hat sich Gott gegenüber manchmal sehr Schofel benommen: Als Gott ihm in Bethel diese wunderbare Himmelsleiter zeigte, da hat er nicht gesagt, Gott ich danke dir! Er hat gesagt: Ja Gott, wenn du das machst, dann will ich mit dir einen Handel machen! Erschütternd! Der Jakob kann nicht mal glauben! Er sagt „wenn“! Bei Gott muss man immer noch machen. Wenn er das wirklich tut, was er sagt. Und wir haben es in unserer Bibelstunde sehr gründlich gelesen: Wo er gemeint hat, er müsste den Laban, seinen Onkel, genauso reinlegen wie der Onkel ihn selbst reingelegt hat. Das müssen Glaubenszeugen nie tun. Gottes Kinder haben andere Methoden.

Als er nachher Esau entgegenzieht, wissen sie, was er gemacht hat? Er hat die Frauen vorauslaufen lassen. Er war der letzte, hat gesagt, wenn es vorne nicht gut geht dann kann ich hinten noch abzwitschern.

Ängstlich, obwohl er die Zusage Gottes gehabt hat. Noch, als er mit dem Mann Gottes rang, am Jabbok! Sie können viel über Jakob sagen, aber eins hat er gehabt: den Segen Gottes!

Ob er in der Wüste lag, und der Esau ihn umbringen will - der Segen Gottes war über ihm! Ob Laban ihn betrügen wollte - der Segen Gottes war über ihm! Ob Esau ihm entgegen zog - der Segen Gottes war über ihm!

Warum? Wieso? Ich versteh' das nicht! Das will ja Gott: dass wir es nicht mehr verstehen! Ja, aber warum nicht wie Esau? Fassen sie zuerst die eine Tatsache: Gott gibt seinen Segen, wie er will! Jetzt müssen sie doch sagen: Warum hat Gott mich, mich so erwählt? Warum hat er mir diese Eltern gegeben? Warum hat er mich in die Gemeinde geführt? Warum hat er mir sein Wort aufgeschlossen?

Ich sehe so viele andere, die lesen die Bibel und verstehen doch nichts, warum hat er mir den Glauben geschenkt. Wir sollten doch stehen bleiben, und das Wunder der Gnade Gottes, der unbegreiflichen Gnade Gottes anbeten! Warum fühlen wir uns immer wieder als den Anwalt der anderen und wollen Gott schulmeistern, als seien wir die Jury? Manchmal sitzt man so im Gottesdienst, wie da beim Fernsehen, wo man so einen Knopf drücken muss, das gefällt mir nicht, das gefällt mir – ja – nein, pro und kontra! Das ist nicht unsere Aufgabe! Wir sollen stille stehen, und das Wunder der Gnade bei uns beobachten, wie bei Jakob.

So hat Gott bei uns gehandelt. Wenn man uns ansieht, liebe Schwestern und Brüder, es gibt viele, viele Menschen in der Welt, die hätten es viel mehr verdient, dass Gott sich ihrer erbarmt, als wir! Kein Stückchen Ruhm darf dabei sein – unverdiente Gnade. Haben sie auch gelacht, wie ihre Oma das immer sagte, Aber verstehen Sie's mal, und sagen es genauso bewegt, wie ihre Eltern, ihren Enkelkindern weiter: Unverdiente Gnade, was Gott an mir getan hat. Damit erkennen wir auch wie Esau. Das ist bei denen, die da immer spekulieren über diese Begriffe „Prädestination“, und den „de servo arbitrio“ - all diese grausamen Dinge! Nie hat Gott einen Menschen zum Bösen angestiftet, fassen Sie das, nirgendwo in der Bibel. Auch den Judas nicht, auch den Esau nicht. Es wird in der Bibel sehr klar erzählt, dass Esau das bekommt, was seine Taten wert sind. Er hat ja seine Erstgeburt weggeschoben. Das hat nicht Gott gemacht. So wie die Menschen an ihrer Sünde sterben, - wir brauchen Gott nicht verklagen. Gott hat das Recht, einem Menschen seine Sünde vorzuhalten, allen Menschen dieser Welt. Aber seine Gnade, die wir empfangen haben, das was er uns gegeben hat, die Begegnung mit ihm, das war sein unbegreifliches sein unfassbares Wunder, ein Geschenk, unverdient. Das steht da. Es war mein erster Punkt: eine schreckliche Tatsache. Ich hätt's viel lieber überschrieben: Das Wunder der unverdienten Gnade, aber dann hätten Sie nicht so zugehört. Wie ich es jetzt machen durfte, da war die Spannung noch ein bisschen größer. Nehmen Sie mir's ab.

Also der erste Punkt diese unverdiente Gnade - eine schreckliche Tatsache – eine tröstliche Tatsache, denn darauf ruht ja mein Heil.

Zweitens: ist Gott im Unrecht? Machen wir noch mal weiter. Paulus macht das ja selbst. Er spürt, wie in der Gemeinde von Rom beim Verlesen diese Briefes es in vielen Herzen kocht. Vielleicht gab es da auch so junge Leute, die besonders empfindsam waren. Und es ist schön, dass junge Leute für Gerechtigkeit empfindsam werden. Unsere Welt, nicht dass sie meinen, das sei gering zu achten, und dann fragen Sie, wie kann das denn Gott eigentlich zulassen? Ist Gott ungerecht?

Da spricht Gott davon, dass er Gefäße hat. Es gibt kostbare Gefäße, die dienen zum Schmuck. Da stellt man die Blumen hinein. Es gibt Pötte, die man zum Aufbewahren der Kartoffeln verwendet, die sind ganz unterschiedlich. Gott handelt verschieden. Wir haben das ja schon behandelt.

Ich muss das kurz einmal noch hier heranziehen, weil das später noch einmal kommt in den nächsten Kapiteln, wo ja die meisten mit ihren Zweifeln und Fragen einsetzen: Wie war das beim Pharao. Hat Gott nicht den Pharao einst beim Auszug der Israeliten aus Ägypten verstockt? Das steht doch wirklich da. Da konnte doch der Pharao gar nichts anders machen. Er war doch ein Werkzeug und stand doch unterm dem Zorn?! Nein nein, wenn sie einmal ganz genau lesen, werden Sie diesen feinen Unterschied beobachten, dass es eine freie Entscheidung des Pharao sehr wohl war, die Kinder Israels ziehen zu lassen. Dann kam der Zorn Gottes auf ihn, und er wurde verstoßen. Erst nach seiner Entscheidung hat er sich verhärtet. Das sage ich nicht, weil ich mich über den Pharao erheben könnte, bei mir ist es ja das Wunder der Gnade nur gewesen. Aber nur damit wir Gott nicht anklagen. Also noch einmal: Es kann nie, nie die Rede davon sein, dass Gott das Böse tut, nie, weil sie haben ein paar Dinge, weil sie darüber kurz beweisen müssen, ich zitiere wieder die Schrift.

Aber das steht in der Schrift drin: Auch wenn Menschen sich gegen Gott stellen, dann kann das den Heilsplan Gottes nicht aufhalten. Dann zeigt Gott seine Macht. Das war doch damals als das auserwählte Volk nicht die Gnade Gottes versteht. Die hätten es doch wissen müssen, die hätten's doch wissen  sollen am Beispiel Jakobs, die hätten's doch wissen sollen über der Geschichte Abrahams. Aber als Jesus, der Messias kam, da haben sie in der großen Distanz ihm gegenübergestanden und dann haben sie Jesus weggeschoben und weggedrückt. Aber Gott hat aus dieser Verwerfung Heil für die Weltvölker gemacht, für die Heiden, und das steht jetzt hier drin Vers 17: Gott hat alle dazu bestimmt. Irgendwie müssen sogar die Atheisten und die Verfolger der Gemeinde noch mithelfen, dass der Plan Gottes zu seinem Ende kommt. Der Heilsplan, in dem Heilsplan steht leider nicht, dass alle selig werden. Sogar nur von Israel wird ein kleiner Rest selig. Und ich bin überzeugt, dass auch alle nicht selig werden, die evangelisch getauft sind, sondern nur ein Rest.

Denn das was in Israel geschehen ist, das wiederholt sich in unserer Volkskirche wohl ganz ähnlich: Dass nicht die namentliche Zugehörigkeit mich auszeichnet, sondern der Gott, der seine Erwählung fest macht im Leben eines Menschen. Er will seine Macht erweisen, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt wird. Pharao, du kannst das nicht stoppen.

Noch einmal: Pharao war nicht genötigt, sich gegen Gott zu wenden, aber wenn ers tut, dann wird Gott weiter gehen. Und wenn heute unsere ganze deutsche Christenheit Gott nicht mehr die Ehre gibt und sein Wort wegwirft, dann wird Gottes Geschichte mit der Welt dennoch weitergehen, auch ohne die deutschen Kirchen. Damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde. Und wenn wir den Missionsauftrag versäumen und wenn wir stumm sind, Gott wird weitergehen. Ist Gott im Unrecht? Nein er hat Gefäße. Mein Leben soll sein Gefäß sein. Aber das wäre furchtbar, wenn der Zorn Gottes sichtbar würde

Ich will jetzt noch ein Wort zu denen sagen, die für ihre Angehörigen, für ihre Lieben, leiden, wie es Paulus in den ersten Versen hier beschreibt: Ich wünschte verflucht zu sein! Noch sind sie nicht Gefäße des Zorns, ich beobachte, wie über ihren Kindern und über ihren Ehegatten Gottes Güte und Gnade sogar noch waltet; obwohl sie auf ganz bösem Wege sind, sind sie noch nicht ganz abgestürzt. Das lässt uns hoffen und warten, auf den Gott, der es allein auf Gnade hin tut. Nicht am Wollen oder Laufen liegt‘s. Es ist nicht so, dass sie es schwerer hätten, weil sie so tief gefallen sind, sondern es geht ja nach der Gnadenordnung Gottes. Dieser Satz steht da: Es liegt nicht an jemandes Laufen oder Wollen und nicht am Können, und nicht am Gutsein und nicht an den Vorteilen, die wir aufzählen können, sondern allein an dem, was Gott tut.

Und da will Gott seine Herrlichkeit an uns erzeigen. Ich weiß, Sie können jetzt nächtelang durchdiskutieren über das, was in diesem Kapitel steht, und es hat schon ganze Generationen gegeben, in der Orthodoxie haben sie sich bekämpft und befehdet über die doppelte Prädestination. Wenn sie auch so töricht sein wollen, dann müssen sie sich die alten Folianten in der Landesbibliothek holen. Wo die ganze dicke Wälzer drüber geschrieben haben und doch an dem einen vorbeigelaufen sind, um das ja alles hier kreist: Ob Gott in unserem Leben mit seiner Gnade zum Ziele kommt, ob mein Leben ein Gefäß wird der Herrlichkeit Gottes. Mehr nicht. Es liegt nicht an meinem Können und Wollen oder Laufen. Jetzt bin ich froh, dass wir den Text heute haben, auch wenn junge Konfirmanden da sind. Dass es nicht drauf ankommt, was ich bin, vor Gott, sondern was er aus mir macht in seiner Gnade.

Darum mein letzter Punkt: Ach, ich hab den zweiten eigentlich auch noch anders überschreiben wollen. Nicht von der Ungerechtigkeit Gottes, sondern es kommt nicht auf unsere Selbstverwirklichung an, sondern, ob Gott sich in unserem Leben verwirklicht - das war mir wichtig - die Herrlichkeit, das Gefäß zubereiten kann.

Das letzte: Wenn nur du die Gnade ergreifst.

Ja auch die andern, darum bin ich mit Leib und Seele Evangelist und Missionar: Weil in Christus ein Evangelist einem jeden Menschen sagt, es kommt nicht darauf an, dass du in der Kirche sitzt, sondern ob du die Gnade Gottes ergreifst, die dir heute angeboten wird. Gnade, dass Gott dir alle Schuld durchstreicht, wie dem verlorenen Sohn, und an sein Vaterherz drückt.

Wir wollen doch nicht die Leute christianisieren, sondern wir wollen sie zu Jesus  führen, dass die Gnade mächtig wird in ihrem Leben. Aber wenn du nur du sie selbst ergreifst. Ich will zu dem reden, heute, der sich dessen nicht klar bewusst ist, ob er die Gnade ergriffen hat. Paulus erwähnt das noch einmal und sagt: Es ist merkwürdig gegangen. Das Volk Israel hatte alle Zusagen Gottes und hat es nicht begriffen. Man kann es Sonntag für Sonntag hören, und da haben es die Juden sich noch in diese Kapseln an die Stirn gebunden. Sie haben es auswendig gelernt und mit ihrem ganz Körper noch einmal dazu genickt - und nicht erfasst.

Das bewegt uns doch. Wir gehören doch mit diesen Juden zusammen. Und bitte lösen sie sich nie vom Schicksal der Juden. Da gehören wir dazu, wie zu unserer Volkskirche. Aber wenn wir das eine immer wieder wissen und begreifen, es kommt nicht darauf an, dass ich dem Namen nach dazugehöre, nicht das ich etwa herunterspule mit meinen Worten, nicht dass ich irgendwo ja dazu sage, der Pfarrer wird schon wissen, wie's recht ist, sondern ob ich persönlich die Gnade ergreife. Ich weiß, dass manche hier immunisiert gemacht worden sind, indem man ihnen gesagt hat, das ist ein pietistisches Evangelium. Das ist es nicht, das ist das Evangelium des Paulus.

Die Heiden haben's erlangt. Nicht alle, paar wenige, und die haben ja dazu gesagt, und da sagt Paulus: Es gibt einen ganz schlimmen Stolperstein, über den stolpern alle, das würden heute viele gar nicht zugeben. Aber sagt das sei so. Man stolpert über den Punkt: Ich werde gerecht allein aus der Gnade Jesu, allein dadurch. Ulrich Parzany hat neulich diesen mutigen Satz gesagt: 80% der Christen Deutschlands sind geheim Moslems. Die leben eine Gesetzesreligion. Die sagen: Ich bin ja so brav, da muss Gott irgendwo ja dazu sagen. Das ist die Anschauung, die sich hindurchzieht durch unsre Kirchen und Gemeinden. Ich bemühe mich, ein anständiger Mensch zu sein. Sicher habe ich ein paar Fehler. Das ist Islam. Christlicher Glaube, so wie ihn Paulus in den Evangelien verkündet hat, und wie ihn Jesus verkündet hat, ist, dass Sünder selig werden, und ich kann das Wort nicht anders sagen, ich muss es sagen. Es liegt nicht am Wort, sondern an der Sache, das wir vor Gott gescheiterte Leute sind, wir können vor Gott nicht stehen, wenn nicht Jesu Opfer für uns reden würde, wenn sein Blut uns nicht gerecht machen würde. Es liegt nicht an meinem Wollen und Laufen, sondern alleine am Erbarmen Gottes. Ich krieg das nicht über mein Tun und nicht, weil ich so eine nette Familie habe, und weil ich so viele Dinge erfüllt habe, in mein Leben, weil ich so lieb bin. Sondern weil Gott für mich starb, wie er für den Schächer starb. Das ist mein Trost und meine Hoffnung und meine Freude. Das musst du ergreifen! Das ist 'n Stolperstein. Das ist ärgerlich, wenn man in einem Laden so eine Treppe hat, die muss man gelb anstreichen, und muss man rot karieren. So machen's die Rundfunkleute, wenn sie hier die Kabel durch die Kirche ziehen. Da machen sie so auffälligen Tesa-Film drauf, dass niemand darüber fällt. Wir sollten das in den Mittelpunkt unserer Verkündigung stellen. Und wir müssen darüber reden und sagen: Da stolpern sie wie in der Reformationszeit, heute genauso drüber, weil man das nicht glaubt. Ach, ich hab doch nichts gegen Jesus! Darum geht’s doch gar nicht. Ob das wieder in unserer Verkündigung und unserem Zeugnis wieder in der Mitte steht. Ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes, und einen Fels des Ärgernisses. Ja, macht denn Gott so Sachen, dass er eine Stufe einbaut, und dann hinsteht und wartet, bis die Leute drüber plumpsen? Das gibt’s doch nicht. Er macht dies, damit wir inne werden sollen, über den fallen, wo andere aufpassen. Nur aus Erbarmen Gottes wird man selig, anders nicht. Das sollte jedem ein Trost sein, die jetzt wieder an ihre Lieben denken: Bei Gott ist nichts unmöglich. Aus Erbarmen seine Gnade allein. Auch nicht ein Teil meines Herzens macht es. Allein Gottes Gnade. Das steht zum Schluss: Da an diesem Stein des Anstoßes, an diesem Stolperstein kann man gerecht werden. Wer drauf achtet, dem wird’s zum Heil. Darin liegt der Unterschied.

Wer an ihn glaubt, an Jesus, vor dem die Werke und das Gutsein nichts mehr gilt, der wird gerettet, der hat das ewige Leben erlangt, der kann fröhlich noch einmal Römer 8 lesen. Gott ist für mich - wer kann denn jetzt noch gegen mich sein? Und der geht bedrückt und traurig nach Hause, weil er auch an Israel denkt, und für Israel betet. Nicht bloß wegen dem Granatfeuer, oder was dort gerade toben mag, sondern: Herr, wecke du doch Israel bald auf! Und dann werden wir zu Betern, zu Missionaren und Evangelisten, die dieses eine Thema weitersagen: Gnade und Erbarmung Gottes, auf das kommt's an, auf nichts sonst. Amen.