Schwert oder Frieden – was hat Jesus gebracht?
Matthäus 10, 34
Predigt Andreas Symank
Freie Evangelische Gemeinde Zürich Helvetiaplatz
Zürich, 16. Februar 2003
„Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die
Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das
Schwert!“ Das steht im Matthäus-Evangelium, Kapitel 10, Vers 34, und gesagt hat
es Jesus Christus.
Jesus war ein Provokateur, ein Herausforderer, ein Aufrüttler. Er hat die unglaublichsten Dinge gesagt –
rätselhafte Dinge, harte Dinge (zu denen, die sich für gut hielten), liebevolle
Dinge (zu denen, die wussten und bereuten, dass sie schlecht waren), Dinge, die
alle Vorstellungen der Leute auf den Kopf stellten, Dinge, die zu einem neuen
Denken und zu einem neuen Verhalten herausforderten.
Eines dieser provozierenden Worte haben wir hier vor
uns: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich
bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert!“ Damit wollen
wir uns heute morgen befassen.
Wieso bin ich gerade auf diese Aussage Jesu
gekommen? Das hat mit der gegenwärtigen weltpolitisch angespannten Lage zu tun,
mit der Konfrontation von Christentum und Islam. Nach dem Terroranschlag auf
die Zwillingstürme in New York haben Menschen in Europa und Amerika (Christen
und andere) auf zahlreiche Stellen im Koran aufmerksam gemacht, die die Muslime
zum Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen auffordern. Das ließen die islamischen
Gelehrten natürlich nicht auf sich sitzen. Sie blätterten ihrerseits in der
Bibel und hielten der Christenheit Verse unter die Nase, wo ebenfalls zum Kampf
aufgerufen wird. Ein solcher Vers ist Matthäus 10,34. Von wegen Jesus, der
Friedensstifter, sagen sie. Jesus, der Schwertkämpfer! Jesus bringt Krieg über
die Welt, nicht Frieden. Er hat es ja selber gesagt.
Hat er das wirklich? Das wollen wir jetzt genauer
untersuchen.
Haben Sie noch im Ohr, wie Jesus seine provozierende
Aussage beginnt? „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu
bringen.“ Aha, das dachten die Leute also: Wenn der Messias kommt, ist Schluss
mit Krieg; dann bricht der große Frieden aus. So dachten nicht nur die
Ahnungslosen und die Halbgebildeten. So dachten auch die Jünger von Jesus (zu
denen redet er hier ja). So dachten sogar die jüdischen Theologen. Wie kamen
denn sie alle dazu, vom Messias Frieden zu erwarten? War das einfach ein
Wunschtraum, fromme Phantasie? Ganz und gar nicht! Diese Erwartung basierte auf
handfesten Ankündigungen, und zwar auf Ankündigungen, die Gott selbst gemacht
hatte.
„Ein Kind ist geboren, der künftige König ist uns
geschenkt! Und das sind die Ehrennamen, die ihm gegeben werden: umsichtiger
Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst. Seine Macht wird weit
reichen, und dauerhafter Frieden wird einkehren.“ Jesaja 9,5.6
„Freu dich, du Zionsstadt!
Jubelt laut, ihr Bewohner Jerusalems!
Seht, euer König kommt zu euch! …
Er schafft die Pferde und Streitwagen ab …
Auch die Kriegsbogen werden zerbrochen.
Er stiftet Frieden unter den Völkern.“
Sacharja 9,9.10
Gott selbst kündigt es an: Der Messias wird Frieden
bringen! Und dann kommt der Messias tatsächlich. Und prompt, noch am Tag der
Geburt, kündigen es die Engel wieder an:
„Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe,
und Frieden auf der Erde für die Menschen,
auf denen sein Wohlgefallen ruht.“
Lukas 2,14
Als Jesus dann an die Öffentlichkeit trat und drei
Jahre lang tätig war, hat er x-mal davon gesprochen, dass er Frieden bringt:
„Was ich euch zurücklasse, ist Frieden: Ich gebe
euch meinen Frieden – einen Frieden,
wie ihn die Welt nicht geben kann.“ Johannes 14,27
„Ich habe euch das alles gesagt, damit ihr in mir
Frieden habt.“ Johannes 16,33
„Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!“
Lukas 7,50; 8,48
Und in den neutestamentlichen
Briefen wird ebenfalls wieder und wieder darauf hingewiesen:
„Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein
Gott des Friedens.“
1. Korinther 14,33
„Christus hat uns allen den Frieden gebracht und hat
Juden und Nichtjuden zu einem einzigen Volk verbunden.“
Epheser 2,14
Fast jeder Brief im Neuen Testament beginnt so: „Wir
wünschen euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus
Christus, unserem Herrn.“
Noch etwas: In der Bergpredigt fordert Jesus von
seinen Anhängern, dass sie Frieden schaffen:
„Glücklich zu preisen sind die, die Frieden stiften,
denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“
Matthäus 5,9
Wenn Jesus diejenigen Söhne Gottes nennt, die
Frieden stiften, wie könnte dann er, der Sohn Gottes par excellence,
zum Schwert greifen und für Unfrieden sorgen?
Also: Die Zuhörer Jesu erwarteten zurecht, dass
Jesus – wenn er der Messias ist – Frieden bringt. Sie erwarteten es nicht nur,
weil das so eine tolle Vorstellung war (endlich keine Kriege und keine Streitigkeiten
mehr, endlich Frieden), sondern weil Gott selbst es so angekündigt hatte und
weil Jesus es bestätigte.
Und mitten in diese Festtagsstimmung, in diese
hochgestimmte Erwartung hinein platzt Jesus, der Provokateur, der Spielverderber:
„Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin
nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert!“ Was meint er wohl
damit?
Wenn wir nur diesen einen Satz hätten: „nicht den
Frieden, sondern das Schwert“, dann könnten wir tatsächlich meinen, Jesus habe
vorgehabt, Kriege zu führen. Und so haben sich manche das auch vorgestellt:
dass der Messias sich zum militärischen Anführer gegen die römischen
Besatzungstruppen macht. Jesus als Feldherr, der Schlachten schlägt!
Aber an dieser Vorstellung stimmt was nicht. Als die
jüdische Regierung eine Schar von bewaffneten Männern losschickt, um Jesus am
Ölberg, im Garten Getsemane, zu verhaften, greift
einer von seinen Begleitern, Petrus, nach seinem Schwert und fängt an, auf die
Gegner loszuschlagen. Und wie reagiert Jesus? Freut er sich über diese
unerwartete Hilfestellung? Ganz im Gegenteil. „Steck dein Schwert zurück!“,
sagt er zu Petrus. „Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durchs Schwert
umkommen.“ (Matthäus 26,52)
Jesus lässt sich festnehmen und vom jüdischen
Gerichtshof verhören. Anschließend wird er an den römischen Gouverneur Pontius
Pilatus überstellt. „Bist du wirklich der König der Juden?“, fragt ihn Pilatus.
„Warum liefert dich dann dein eigenes Volk an mich aus? Was hast du getan?“ Die
Antwort, die Jesus ihm gibt, ist erstaunlich und aufschlussreich: „Du hast
Recht, ich bin ein König. Aber mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Wäre
mein Reich von dieser Welt, dann hätten meine Diener für mich gekämpft, damit
ich nicht den Juden in die Hände falle. Nun ist aber mein Reich nicht von
dieser Erde.“ (Johannes 18,33ff)
Jesus lässt also keinen Zweifel daran: Er wird nicht
mit dem Schwert für seine Sache kämpfen. Und seine Anhänger sollen ebenfalls
nicht mit dem Schwert für seine Sache kämpfen. Jesus führt keinen Krieg, um dem
Evangelium Geltung zu verschaffen. Er versucht nicht, sich mit Waffengewalt
durchzusetzen. Wenn er also zu seinen Jüngern sagt: „Ich bin nicht gekommen, um
Frieden zu bringen, sondern das Schwert“, dann redet er nicht vom Krieg. Er
muss etwas anderes meinen.
Hier erlaube ich mir mal ein kleines Pop-up. Sie wissen bestimmt, was Pop-ups
sind. Pop-ups trifft man auf dem Computer-Bildschirm
an; sie sind sozusagen die elektronische Version von Fußnoten in Büchern. Ich
habe z. B. für meine Übersetzungsarbeit eine CD, auf der sind zahllose
Bibelübersetzungen und Kommentare und Wörterbücher gespeichert. Da lese ich
also am Bildschirm z. B. die Auslegung zu einem bestimmten Bibelvers, und
plötzlich sehe ich hinter einem schwierigen Wort einen kleinen hochgestellten
Buchstaben. Ich klicke ihn mit der Maus an – und prompt öffnet sich ein Fenster
im Fenster, ein bisschen so was wie eine Sprechblase in einem Comic. Und in
diesem Fenster stehen Hintergrund-Infos zu dem betreffenden Wort oder zu dem
schwierigen Gedankengang – Infos, die ich nicht unbedingt wissen muss, aber die
doch nützlich sind und mir helfen, den Vers richtig einzuordnen. Wenn ich das
Fenster wieder anklicke – ups, ist es verschwunden.
Das ist so ein Pop-up, etwas, was aufspringt wie ein
Fenster, bei dem man die Läden aufstößt. Und wenn man die Läden wieder
schließt, ist das Bild wieder weg.
POP-UP
Also nun unsere
elektronische Fußnote. Eben habe ich gesagt, Jesus lehnte es ab, mit dem
Schwert zu kämpfen. Das könnte so klingen, als hätte ich im Irak-Konflikt Stellung
bezogen: Die USA dürfen dort keinen Krieg beginnen. Nein, diese Schlussfolgerung
habe ich nicht gezogen. Wenn Jesus Waffengewalt ablehnt, redet er von seinem
Reich, „einem Reich, das nicht von dieser Welt ist“. Er redet nicht davon, wie
ein irdischer Staat vorgehen soll, um seine Interessen zu wahren und seine
Bürger zu schützen. „Wäre mein Reich von dieser Welt, dann hätten meine Diener
für mich gekämpft!“, sagt er. „Aber mein Reich ist nicht von dieser Welt, und
bei der Durchsetzung geistlicher Ziele haben weltliche Mittel nichts zu
suchen.“
Wenn also jemand behauptet:
Amerika darf keinen Krieg gegen den Irak führen, weil Jesus verboten hat, zum
Schwert zu greifen, dann missbraucht er Jesu Worte. Er wendet sie auf etwas an,
wofür sie nicht bestimmt sind. Anders wäre es, wenn Christen zum Schwert
greifen, um Ungläubige zu bestrafen und Länder für das Evangelium zu erobern
und das Reich Gottes hier auf der Erde zu verwirklichen. Wer das tut, der hat
Jesus gegen sich. Die Kreuzzüge mögen im Namen Gottes geführt worden sein, aber
Gott war trotzdem dagegen. Denn da ging es um sein Reich, und sein Reich ist
nicht von dieser Welt, und wer mit irdischen Waffen dafür kämpfen will, für den
gilt wirklich: „Wer zum Schwert greift, wird durchs Schwert umkommen.“ Irdische
Reiche werden mit irdischen Waffen verteidigt; in Gottes Reich wird mit
geistlichen Waffen gekämpft.
Zurück zu unserem Rätselwort. Wenn Jesus sagt: „Ich
bringe das Schwert“, dann meint er nicht Waffengewalt und Krieg. Wer ihm etwas
anderes unterstellt, unterstellt ihm etwas Falsches. Die Kreuzritter konnten
sich nicht auf diese Aussage berufen; der Islam hat nicht das Recht, das als
Argument gegen Jesus anzuführen. Das Christentum ist keine kriegerische Religion.
Jesus ist kein Feldherr, er ist der Prince of Peace,
der Friedensfürst.
So haben es auch die christlichen Märtyrer aller
Jahrhunderte gesehen. Heute gibt es ja in verschiedenen Religionen zahlreiche
selbsternannte Märtyrer, die in Wirklichkeit schlicht und einfach Terroristen
sind – bis an die Zähne bewaffnete Selbstmordattentäter. Sie nehmen ihren Tod
ganz bewusst in Kauf, um denen, die sie für Feinde halten, Schaden zuzufügen.
Kein christlicher Märtyrer hätte je so etwas getan. Andere mit in den Tod
reißen, um den Feind zu bekämpfen – eine fürchterliche Perversion des
Märtyrergedankens. Nein, die Märtyrer unter den ersten Christen und in allen
späteren Generationen starben, damit andere leben können, oder sie starben, weil
sie überzeugt waren, dass die Treue zu Gott mehr wert ist sogar als das Leben.
Aber zum Schwert zu greifen, um Frieden zu schaffen? Auf diese Idee wäre nie
einer gekommen.
Aber was hat Jesus dann gemeint, wenn er sagte: „Ich
bringe das Schwert“? Um das herauszufinden, müssen wir ihm noch ein bisschen
länger zuhören. Er hat nämlich weitergeredet, und für uns heißt das:
weiterlesen in Matthäus: „Ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu
entzweien, die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer
Schwiegermutter; die eigenen Angehörigen werden zu Feinden.“ (Matthäus
10,35.36)
Daran wird zunächst einmal deutlich: Frieden ist ein
sozialer Begriff. Frieden hat damit zu tun, wie ich mit den anderen Personen in
meinem Umfeld auskomme. Frieden ist ein Beziehungswort; es beschreibt, wie es
um eine Beziehung steht. Zerrüttete Beziehungen bedeuten Unfrieden; harmonische
Beziehungen bedeuten Frieden. Wenn zwei zerstrittene Parteien sich versöhnen,
entsteht Frieden.
Wenn Jesus also vom Schwert redet, denkt er an
Entzweiung – nicht Entzweiung zwischen Völkern, sondern Entzweiung zwischen
einzelnen Menschen.
POP-UP
Dieselbe Rede Jesu ist auch
im Lukas-Evangelium überliefert. Manchmal ist es sehr nützlich, nachzuschlagen
und zu vergleichen. In Lukas 12,51 heißt es: „Meint ihr, ich sei gekommen, um
Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern
Entzweiung.“ Sehen Sie, wie nützlich das ist? Hier steht statt Schwert
Entzweiung. Mit einem Federstrich ist der Mythos beseitigt, Jesus sei gekommen,
um Kriege gegen feindliche Völker zu führen!
Es geht um Entzweiung. Menschen, die sich bis dahin
gut verstanden haben, werden sich fremd. Dicke Freunde werden erbitterte
Feinde. Jesus wählt ein besonders krasses Beispiel: die Familie. Hier haben wir
ihn wieder: Jesus, den Provokateur. Die Familie – das ist doch der Kern und das
Fundament jeder Gesellschaft. Die Familie ist sakrosankt – bei uns im Westen
vielleicht nicht mehr unbedingt, aber dafür umso mehr im Nahen Osten. Wenn
irgendwo Frieden herrschen muss, dann in der Familie. Hier haben wir die
engsten und wichtigsten Beziehungen, die es auf der Erde gibt. Treibe einen
Keil zwischen Mann und Frau, treibe einen Keil zwischen Eltern und Kinder, und
du zerstörst die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens. Nie würde es in der
nahöstlichen Kultur ein Sohn wagen, gegen seinen Vater zu rebellieren. Der
Vater ist der Hausherr; was er sagt, wird gemacht.
Und was sagt Jesus? „Ich bin gekommen, um den Sohn
mit seinem Vater zu entzweien!“ Wie bitte? Das soll der Messias sein, ein
Entzweier statt ein Versöhner? Man hört die Leute förmlich nach Luft schnappen
vor Empörung. „Ich bin gekommen, um die Tochter mit ihrer Mutter zu entzweien
und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.“ Na ja, das mit der
Schwiegermutter und der Schwiegertochter könnten manche noch nachvollziehen –
oder warum gibt es sonst so viele bitterböse Witze über diese Beziehung? (Mir
selbst fällt es allerdings ziemlich schwer, mich da reinzuversetzen;
ich habe die besten Schwiegereltern, die man sich denken kann, und meine Eltern
hätten sich keine liebenwürdigere, tüchtigere und klügere Schwiegertochter
wünschen können. – Vorgestern war Valentinstag; da darf man ruhig mal ein
kleines Kompliment machen.) Aber es soll ja Familien geben, wo es gerade bei
den Schwieger-Beziehungen noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Na ja. Aber
dass Jesus die Gräben noch vertieft, statt sie zuzuschütten – das ist unerhört.
Wie meint er das nur?
Zum Glück hat er immer noch nicht zu Ende
gesprochen. Lesen wir also weiter: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
ist es nicht wert, mein Jünger zu sein, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt
als mich, ist es nicht wert, mein Jünger zu sein.“ (Matthäus 10,37)
Wie bitte? Ich soll Jesus mehr lieben als meine
Mutter, mehr als meine Kinder, mehr als meine Frau? Das ist der Gipfel der
Provokation! Was bildet sich dieser Jesus nur ein? Für wie wichtig hält er sich
denn? Wer ist Jesus, dass er sich über die Familie stellen darf? Wer ist Jesus,
dass er eine solche bedingungslose, absolute Bindung an seine Person fordern
darf? Ist er größenwahnsinnig? Oder ist er wirklich so bedeutend?
Wir kennen die Antwort: Jesus ist Gottes Sohn. Jesus
ist Gott in Person. Er ist nicht einfach ein Mensch unter anderen Menschen. Er
ist Gott und Mensch zu gleich. Und deshalb steht er über allen Menschen.
Beim Frieden geht es um Beziehungen, haben wir
gesagt, Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Was Jesus hier macht, ist
folgendes: Er bringt noch eine Person ins Spiel. Er zeigt uns noch jemand, mit
dem wir in einer harmonischen Beziehung leben müssen, wenn wir wirklich Frieden
haben wollen. Und dieser jemand ist Gott. Gott, der uns in der Person von Jesus
Christus gegenübertritt.
Von allen Personen, mit denen ich Kontakt aufnehmen
kann, ist Gott die wichtigste. Unter allen Beziehungen, die ich pflegen muss,
hat die Beziehung zu Gott absoluten Vorrang.
Nun, wenn alle das so sehen würden, gäbe es da
keinerlei Probleme. Wir alle hätten eine harmonische Beziehung zu Gott und
harmonische Beziehungen zueinander. Wir hätten Frieden mit Gott und Frieden
untereinander. Das sehen aber nicht alle so! Diese Welt ist keine gute Welt;
die Menschen sind keine guten Menschen. Die meisten wollen nichts von Gott
wissen. Sie wollen sich ihm nicht unterstellen. Sie fragen nicht nach seinen
Plänen. Sie wollen nicht hören, dass sie vor ihm schuldig geworden sind. Sie
schauen nach links und nach rechts, sie versuchen mit ihrer Familie
klarzukommen und mit ihren Nachbarn und Kollegen, aber sie schauen nicht nach
oben – vielleicht, weil sie nicht wissen, dass es da oben noch jemand gibt,
vielleicht aber auch gerade, weil sie
es wissen!
Deshalb redet Jesus so provokativ. Er will seine
Zuhörer aufrütteln, damit sie Stellung beziehen. Ihr wollt Frieden? Dann müsst
ihr euch als erstes um Frieden mit Gott
bemühen. Frieden mit der Familie ist wertvoll, aber eines Tages hat es damit
ein Ende. Die Beziehung zu Gott ist eine Beziehung für die Ewigkeit. Wenn die
Beziehung zu Gott nicht geklärt ist, ist das Schuldproblem nicht gelöst. Und
dann werdet ihr die Ewigkeit ohne Gott verbringen. Für immer von Gott getrennt
– das nennt die Bibel Hölle. Für immer mit Gott verbunden – das nennt die Bibel
Himmel. Und deshalb ist die Beziehung zu Gott wichtiger als jede andere
Beziehung.
Jesus hat zur Veranschaulichung die Familie ins
Spiel gebracht. Nehmen wir mal an, eine ganze Familie hört gemeinsam die
Aufforderung von Jesus: „Folgt mir nach!“ Der Sohn begreift den Ernst der Lage,
begreift, dass er Jesus braucht, möchte Frieden mit Gott schließen und legt
sein gesamtes Leben in die Hände von Jesus. Der Vater ist ebenfalls
aufgefordert, aber er macht nicht mit. Er ist zu stolz, er ist nicht bereit,
seine Vergangenheit zu bereinigen und seine Zukunft unter Gottes Führung zu
stellen. Er lehnt ab. Bei seiner Frau ist es genau umgekehrt. Sie ist sofort
von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt: So klar wie Jesus hat sie noch nie
jemand von Gott, dem Vater im Himmel, reden gehört. Die Tochter dagegen ist
sich schnell im klaren, dass sie einiges in ihrer Lebensführung ändern müsste,
und das passt ihr nicht; sie komplimentiert Jesus aus ihrem Leben hinaus.
Fazit: Zwei stehen (bildlich gesprochen) auf und gehen mit Jesus davon; zwei
bleiben sitzen (das sind jetzt buchstäblich die „Sitzenbleiber“).
Mit einem Mal läuft ein Riss durch die Familie!
Vorher waren sie sich alle mehr oder weniger einig. Man lebte gut bürgerlich
und ziemlich anständig. Man tat Recht und scheute niemand. Man hatte Frieden untereinander.
Doch dann wird die Familie mit Jesus konfrontiert, und plötzlich ist sie
entzweit. Bei der wichtigsten Sache des Lebens entscheidet der eine so und der
andere so. Für den Ehemann sind immer noch Frau und Kinder das höchste Gut, die
wichtigsten Bezugspersonen. Bei der Ehefrau hat Jesus den ersten Platz
übernommen.
Genau das meint Jesus, wenn er sagt: „Ich bin nicht
gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert!“ Natürlich liegt Jesus
nichts an der Entzweiung. Natürlich will er keinen Streit in die Familie
tragen. Natürlich will er bestehende gute Beziehungen nicht vergiften. Aber die
Entzweiung ist unvermeidlich, weil der eine sich für Jesus entscheidet und der
andere gegen ihn.
Wo Menschen mit Jesus konfrontiert werden, sind sie
vor die Wahl gestellt. Sie müssen sich entscheiden – für ihn oder gegen ihn.
Und nicht alle entscheiden gleich. Die einen werden ihn annehmen, die anderen
werden ihn ablehnen. So kommt es, dass die Begegnung mit dem Friedensbringer
schlechthin zu Streit und Entzweiung führt.
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Eine interessante kleine
Beobachtung: Wenn ein Mensch Jesus in sein Leben einlässt, macht er die
Schwert-Erfahrung nicht nur mit seiner Umgebung, sondern auch in sich selbst.
Er wird feststellen, dass manche Freunde gegen seine Entscheidung protestieren.
Aber er wird auch entdecken, dass in ihm selbst einiges gegen Gott rebelliert.
Wie heißt es in Hebräer 4,12f? „Gottes Wort ist lebendig und voller Kraft. Das
schärfste beidseitig geschliffene Schwert ist nicht so scharf wie dieses Wort,
das Seele und Geist und Mark und Bein durchdringt und sich als Richter unserer
geheimsten Wünsche und Gedanken erweist. Kein Geschöpf ist vor Gott verborgen;
alles liegt offen und ungeschützt vor den Augen dessen da, dem wir Rechenschaft
geben müssen.“ Die christliche Botschaft sorgt im Innersten des Menschen für
Aufruhr, sie löst einen Krieg der Gedanken und Gefühle aus. Die Bibel ist ein
Schwert, das Gut und Böse trennt. Wer sich Gott öffnet, in dem beginnt ein
lebenslanger Kampf zwischen dem, was Gott gefällt, und dem, was unserer
eigensüchtigen Natur gefällt. Und jedes Mal, wenn wir uns bewusst auf die Seite
Gottes stellen, erleben wir neu den wundervollen Frieden, den er uns gebracht
hat, den Frieden, der auf Vergebung und Versöhnung beruht (Kolosser 1,20).
Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, wie ehrlich Jesus
mit seinen Jüngern ist? Er möchte doch, dass sie zu ihm halten und für ihn
eintreten, aber er verschweigt ihnen nicht, dass das kein Zuckerschlecken wird.
Ihr meint, alle werden mit fliegenden Fahnen zu euch überlaufen, wenn ihr ihnen
das Evangelium verkündet? Da habt ihr euch geschnitten. Widerstand werdet ihr
erleben und Ablehnung, Hass und Verfolgung. „Menschen werden ihre nächsten
Angehörigen dem Henker ausliefern: der Bruder den Bruder und der Vater sein
Kind; und auch Kinder werden sich gegen ihre Eltern stellen und sie töten
lassen. Um meines Namens willen werdet ihr von allen Menschen gehasst werden.
Wer aber bis ans Ende standhaft bleibt, wird gerettet.“ (Matthäus 10,21f) Ihr
werdet nicht auf allgemeine Zustimmung stoßen, es wird nicht zur großen
Verbrüderung aller Menschen kommen, nein, ihr werdet erleben, wie meine
Botschaft Kontroversen auslöst, Entfremdung, Spaltungen, Unfrieden. Dem Frieden
geht das Schwert voraus.
Christen haben durch alle Jahrhunderte hin und in
unserer modernen Zeit mehr als je zuvor Ablehnung erfahren. Sie müssen den
Verlust des Arbeitsplatzes ertragen, Verstoßung und Enterbung durch die
Familie, Ächtung durch die Gesellschaft und schließlich den Märtyrertod. Wir hier
im ehemals christlichen Abendland stellen eine ganz untypische, glückliche
Ausnahme dar.
Aus der Zeit der Christenverfolgung in den ersten
Jahrhunderten der Gemeinde von Jesus gibt es zahlreiche sogenannte
„Märtyrerakten“. Ein besonders bewegender Bericht ist der über die Hinrichtung
von Perpetua in Karthago, 203 n. Chr. Es ist
erschütternd zu lesen, wie ihr Vater versucht, ihre Standfestigkeit zu brechen,
und es zeigt, wie die natürliche Liebe eines Kindes zu seinen Eltern eine noch
größere Anfechtung bedeuten kann als die Todesfurcht.
„Als … mein Vater in seiner
Liebe nicht aufhörte, mir zuzureden, um mich zum Abfall zu bringen, da sagte
ich: ‚Siehst du dieses Gefäß hier, ein Krüglein oder was es ist?’ Er
antwortete: ‚Ich sehe es.’ Darauf sagte ich: ‚Kann man es wohl anders nennen,
als was es ist?’ Und er sagte: ‚Nein.’ – ‚So kann ich mich auch nicht anders
nennen, als was ich bin, eine Christin.’ … Nach einigen Tagen ging das Gerücht,
wir sollten verhört werden. Es kam aber aus der Stadt mein Vater, ganz vom Gram
verzehrt; er stieg zu mir hinauf, um mich zu Fall zu bringen. Er sagte:
‚Tochter, erbarme dich meiner grauen Haare, erbarme dich deines Vaters, wenn du
mich noch für wert hältst, dein Vater zu heißen! Wenn ich dich mit diesen
Händen zu solcher Blüte des Alters aufgezogen habe, so gib mich nicht dem
Spotte der Menschen preis! Blicke auf dein Brüder, blicke auf deine Mutter,
blicke auf dein Kind, das nach deinem Tode nicht wird fortleben können! Beuge
deinen Sinn, richte uns nicht alle zugrunde …’ Das sage er in seiner
väterlichen Liebe. Er küsste mir die Hände, warf sich zu meinen Füßen nieder
und nannte mich unter Tränen nicht mehr Tochter, sondern Frau. Mich schmerzte
das Schicksal meines Vaters, dass er allein von meiner ganzen Familie sich über
meine Leiden nicht freuen würde.’ (H. D. Stöver,
Christenverfolgung im Römischen Reich, Düsseldorf 1982, Seiten 152f)
Übrigens: Jesus hat die Ablehnung durch die Familie
nicht nur seinen Jüngern angekündigt; er hat sie am eigenen Leib erlebt. „Seine
eigenen Brüder glaubten nicht an ihn“, heißt es in Johannes 7,5. In Matthäus
13,57 sagt Jesus: „Ein Prophet gilt nirgends so wenig wie in seiner Heimatstadt
und in seiner eigenen Familie.“ Und in Markus 3,20f wird berichtet, dass seine
Angehörigen einmal versuchten, ihn mit Gewalt nach Hause zu holen, weil sie
überzeugt waren, dass er den Verstand verloren hatte! Ist das nicht beinahe
unbegreiflich? Der edelste, glaubwürdigste, liebevollste Mensch, den es je
gegeben hat, wird von seinen eigenen Verwandten für verrückt erklärt? Wir
denken immer: Ach, wenn Jesus doch persönlich hier wäre! Dann wären alle
bestimmt in Nullkommanichts überzeugte Christen. Ich wäre mir da nicht so
sicher. Die Brüder und Schwestern von Jesus hatten alle Möglichkeiten, ihn zu
beobachten, sich von seiner Autorität und Aufrichtigkeit zu überzeugen – und
doch lehnten sie ihn ab.
Nochmals: Christus hat höchste Priorität. Er kommt
noch vor der Ehefrau, vor dem Ehemann, vor den Kindern, vor den Eltern. Keine
andere Liebe darf so groß sein, dass die Liebe zu Christus darüber in den
Hintergrund tritt.
Nun hat sich also ein Mensch entschlossen, ganz zu
Jesus zu gehören, sogar um den Preis, dass seine Angehörigen das nicht
begreifen und sich gegen ihn stellen. Frage: Zerstört der christliche Glaube
womöglich die sozialen Netze? Reisst er Menschen
auseinander? Geht die Liebe zu Gott auf Kosten der Liebe zu den Mitmenschen?
Ich behaupte: Das Gegenteil ist der Fall! Überlegen
Sie mal: Da wendet sich jemand von seiner Familie ab und Gott zu. Er will ab
jetzt nur noch seinen Willen befolgen. „Herr, was möchtest Du von mir? Wie soll
ich mich gegenüber meiner Familie verhalten?“ Er betet. Er liest in der Bibel.
Und da stößt er z. B. auf folgende Worte von Jesus:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem
Herzen, mit ganzer Hingabe und mit deinem ganzen Verstand!“ Das ist das größte
und wichtigste Gebot. Ein zweites ist ebenso wichtig: „Liebe deine Mitmenschen
wie dich selbst.“ Matthäus 22,37-39
Merken Sie was? Jesus schickt den, der sich von den
Menschen ab- und zu ihm hinwendet, zu den Menschen zurück!
„Wenn sich jemand nicht um seine Angehörigen
kümmert, vor allem um die, die unter einem Dach mit ihm leben, verleugnet er
den Glauben und ist schlimmer als jemand, der nicht an Christus glaubt“ (1.
Timotheus 5,8). „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern! So ist es recht vor dem
Herrn. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“ (Epheser 6,1f). „Ihr
Väter, behandelt eure Kinder nicht zu streng, damit sie nicht entmutigt werden“
(Kolosser 3,21). „Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht rücksichtslos
gegen sie.“ (Kolosser 3,19).
Mit anderen Worten: Die Bibel bindet die
Familienmitglieder so fest wie möglich aneinander in gegenseitiger Liebe und Achtung.
Sie erlaubt nicht, dass jemand die Liebe zu Jesus zum Vorwand nimmt, um seine
sozialen Pflichten zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Gerade der, der Jesus
gehört, hat stärkere Verpflichtungen gegenüber seiner Familie als irgendjemand
sonst.
„Lasst uns allen Menschen Gutes tun, besonders
denen, die durch den Glauben mit uns verbunden sind.“ Galater 6,10
Auch hier wieder: Der christliche Glaube führt nicht
dazu, dass einem die Mitmenschen gleichgültig werden. Im Gegenteil: Gerade der,
der sich intensiv mit Gott beschäftigt, hört von Gott den Befehl: Tu deinen
Mitmenschen Gutes. Gerade der, der sich ganz Gott zu wendet, kann nicht bei
Gott stehen bleiben, sondern wird von ihm in diese Welt zurückgeschickt, um
hier für ihn tätig zu sein. Andere sollen durch ihn Gottes Liebe kennenlernen und fähig werden, gesunde Beziehungen
aufzubauen, bei denen Gott die erste Geige spielt.
Die Bindung an Christus macht nicht weltsüchtig und
nicht weltflüchtig, sondern welttüchtig.
Ist das nicht erstaunlich? Zuerst sieht es so aus,
als zerstöre Jesus die zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber am Ende zeigt
sich: Jesus liegt alles daran, tiefe, echte Beziehungen unter uns Menschen
aufzubauen. Der Weg über Gott scheint zunächst ein Umweg zu sein. Aber er ist
die sicherste Garantie dafür, dass es zu neuen, festen, tiefen Verbindungen
kommt. Das Schwert ist nötig, damit Frieden entsteht. Letztlich ist Jesus eben
doch der Prince of Peace, der Friedensstifter. Er hat
nie ein anderes Ziel verfolgt als einen umfassenden Frieden in seiner
Schöpfung. Und er kennt den richtigen Weg, der an dieses Ziel führt.
Lassen Sie mich das noch am Beispiel der Ehe
veranschaulichen. Wenn zwei sich richtig lieb haben, werden beide sich immer
wieder fragen: Was kann ich tun, damit der andere es so richtig schön hat an
meiner Seite? Sie werden viele Antworten finden: Tüchtig verdienen, damit keine
Geldsorgen aufkommen. Zusammen Sport treiben, damit sie gesund bleiben. Romantische
Abende miteinander verbringen, damit ihre Liebe immer wieder neu auflebt.
Freunde einladen und angeregte Gespräche führen, damit ihre Ehe im wahrsten
Sinn des Wortes beziehungsreicher wird. Alles gute, sinnvolle Überlegungen und
Pläne. Aber es gibt eine Frage, die wichtiger ist als alle anderen: Was kann
ich dazu beitragen, dass meine Frau, mein Mann Gott immer noch besser kennenlernt? Wie kann ich ihm/ihr helfen, Jesus immer noch
lieber zu gewinnen? Das, scheint mir, ist aus der Sicht der Bibel die
wichtigste Frage in der Ehe. Die Ehepartner können nichts Besseres für ihre Ehe
tun, als wenn sie – jeder für sich und beide gemeinsam – ihre Beziehung zu Gott
pflegen. Nichts verbindet so sehr miteinander wie die gemeinsame Beziehung zu
Jesus. Hier liegt das Geheimnis einer guten Ehe: Man blickt sich nicht ständig
gegenseitig in die Augen, sondern blickt miteinander auf Gott. Wenn das Ehepaar
gemeinsam für eine gute Beziehung zu Gott sorgt, sorgt Gott für eine gute Beziehung
des Ehepaars zueinander. Ein Ehebund nach Gottes Plan ist letztlich kein bilaterales
Abkommen, sondern ein Dreierbündnis, und der Dritte im Bund ist der Erste im
Bund. Ein Mann liebt seine Frau dann am allermeisten, wenn Gott ihm noch lieber
ist als sie. Eine Frau kann ihrem Mann keinen größeren Gefallen tun, als wenn
Gott ihr noch wichtiger ist als er. Miteinander lieben sie Gott. Miteinander
setzen sie sich für Gottes Sache ein. Und Gott sorgt dafür, dass es ihnen und
ihrer Ehe gut geht.
Zum Schluss noch einmal die Frage: Was hat Jesus
denn nun gebracht – das Schwert oder den Frieden? Es ist ungefähr dieselbe
Frage wie: Bringt mir ein Zahnarztbesuch Schmerzen oder Wohlbefinden? Unterm
Strich und am Ende natürlich Wohlbefinden. Aber vorher muss ich einiges an
Schmerzen in Kauf nehmen. Es geht nicht anders. Und wenn der Zahnarzt fair ist,
wird er mich warnen: Es wird ziemlich weh tun. Also: Der Zahnarztbesuch bringt
mir beides – erst den Schmerz und dann das Wohlbefinden. Das eine ist das
Mittel, das andere der Zweck. Vielleicht graut mir so vor dem Bohren, dass ich
einfach nicht hingehe. Dann habe ich zwar für den Augenblick Ruhe, aber langfristig
ein viel größeres Elend. Wenn mir das klar ist, beiße ich auf die Zähne (oder
vielmehr: ich reiße den Mund auf) und lasse mich behandeln. Es tut scheußlich
weh, aber nachher habe ich dafür meinen Frieden. Es hat sich gelohnt.
Warum tut ein Zahnarztbesuch weh? Weil meine Zähne
krank sind. Wären sie gesund, dann wäre die Arztvisite das reinste Vergnügen –
Wohlbefinden von A bis Z. Käme Jesus mit seinem Frieden in eine friedliche
Welt, dann wäre alles von vorneherein in Butter. Unsere Welt ist aber keine
friedliche Welt. Wir liegen im Krieg miteinander; wir liegen im Krieg mit uns
selbst; wir liegen im Krieg mit Gott. Die Welt im Kriegszustand. Und nun kommt
Jesus und erklärt dem Krieg den Krieg. Vielen passt das nicht. Deshalb redet er
vom Schwert. Der Frieden muss sich erst einmal durchsetzen. Aber letztlich geht
es Jesus nicht um den Kampf; es geht ihm um den Frieden. Und wir, die wir uns
zu Jesus bekennen, müssen die Konflikte nicht fürchten. Wir dürfen nicht um des
lieben Friedens willen auf eine klare Stellungnahme zu Jesus verzichten. Wir
sollen das Schwert in Kauf nehmen. Auf lange Sicht dürfen wir mit echtem
Frieden rechnen. Weil Jesus bei uns ist, der Friedensfürst, haben wir als
Friedensstifter langfristig die allerbesten Erfolgsaussichten.