1,1 Geschlechtsregister. Manche sehen diesen Ausdruck als Über- schrift zum gesamten Matthäusevangelium an. Im Gr. heißt es wörtlich »Buch der Geschlechterfolge«. Genau dieser Begriff steht auch in 1Mo 5,1 in der LXX. Jesu Christi. Der hebr. Name Jeschua bedeutet »Jahwe ist Rettung«. Christos bedeutet »der Gesalbte« und ist die genaue Entsprechung zum hebr. Wort für »Messias« (Dan 9,25). des Sohnes Davids. Ein messianischer Titel, der als solcher nur in den synoptischen Evangelien verwendet wird (s. Anm. zu 22,42.45). des Sohnes Abrahams. Das führt seine königliche Abstammungslinie bis zum Ursprung des Volkes zurück: zu Gottes Bund mit Abraham (1Mo 12,1-3).
1,2 Für einen Vergleich dieses Stammbaums mit dem Stammbaum bei Lukas s. Anm. zu Lk 3,23-38.
1,3 Tamar. Es ist ungewöhnlich, dass Frauen in Stammbäumen auf- geführt werden. Matthäus nennt fünf: »Tamar« war eine Kanaaniterin, die sich als Prostituierte verstellte und Juda verführte (1Mo 38,13-30). »Rahab« war eine heidnische Hure (Jos 2,1). »Ruth« war eine Moabiterin (Rt 1,3) und somit war es ihren Nachkommen 10 Generationen lang verwehrt, der Versammlung des Herrn beizutreten (5Mo 23,4). »Batseba« (die »Frau des Uria«, V. 6) beging Ehebruch mit David (2Sam 11). Und Maria (V. 16) trug das Stigma vorehelicher Schwangerschaft. Alle diese Frauen sind Gegenstandslektionen über die Wirkungen der Gnade Gottes.
1,5 Salmon zeugte den Boas mit der Rahab … Isai zeugte den König David. Dieser Stammbaum ist nicht vollständig. Zwischen Rahab (die zur Zeit Josuas lebte) und David (V. 6) müssen mehrere zusätzliche Generationen gelegen haben, denn das ist ein Zeitraum von fast 4 Jahrhunderten. Matthäus überspringt in seinem Stammbaum manchmal mehrere Generationen zwischen bekannten Personen, um so die Aufl istung abzukürzen (das ist bei den meisten biblischen Stammbäumen der Fall).
1,8 Joram zeugte den Usija. Vgl. 1Chr 3,10-12. Matthäus über- springt Ahasia, Joas und Amazia und nimmt eine Abkürzung von Joram direkt zu Usija (Asaria). Das scheint er mit Absicht zu tun, um die symmetrische Dreiteilung von V. 17 zu erreichen.
1,11 Josia zeugte den Jechonja. Wiederum überspringt Matthä- us eine Generation zwischen Josia und Jechonja (vgl. 1Chr 3,14-16). Jechonja wird auch Jojakin genannt (2Kö 24,6; 2Chr 36,8) und manchmal Konja (Jer 22,24). Dass Jechonja in diesem Stammbaum vorkommt, bietet ein interessantes Dilemma. Ein über ihn verhängter Fluch schloss jeglichen Nachkommen von ihm vom Thron Davids aus (Jer 22,30). Da Jesus durch Joseph Erbe der königlichen Abstammungslinie war, aber kein tatsächlicher Sohn Josephs und somit kein körperlicher Nachfahre dieser Linie, traf ihn dieser Fluch nicht.
1,12 Schealtiel zeugte den Serubbabel. S. 1Chr 3,17-19, wo über Serubbabel gesagt wird, er sei Nachkomme Pedajas, des Bruders Schealtiels. Sonst wird Serubbabel im AT stets »Sohn des Schealtiel« genannt (z.B. Hag 1,1; Esr 3,2; Neh 12,1). Möglicherweise adoptierte Schealtiel seinen Neffen (s. Anm. zu Hag 2,23). Serubbabel ist in dieser Liste die letzte Person, die auch in einem alttestamentlichen Stammbaum aufgeführt wird.
1,16 Joseph, den Mann der Maria, von welcher Jesus geboren ist. Das ist der einzige Eintrag im ganzen Stammbaum, wo nicht das Wort »zeugte« verwendet wird – einschließlich der Einträge, die ganze Generationen überspringen. Das Pronomen »welcher« ist ein Singular, der sich allein auf Maria bezieht. Diese ungewöhnliche Formulierung des letzten Eintrags unterstreicht die Tatsache, dass Jesus nicht der buchstäbliche Nachkomme Josephs war. Dennoch belegt der Stammbaum Jesu Anspruch auf den Thron Davids als Josephs rechtmäßiger Erbe.
1,17 vierzehn Generationen. Die Bedeutung der Zahl 14 ist nicht klar, aber dieses Interesse an Zahlen – eine typisch hebräische Eigenart – tritt im gesamten Matthäusevangelium zutage. Die systematische Ordnung kann eine Gedächtnishilfe sein. Matthäus zählt Jechonja sowohl in der dritten als auch vierten Gruppe, da er sowohl die letzte Generation vor der babylonischen Gefangenschaft repräsentiert als auch die erste Generation danach.
1,18 verlobt. Die jüdische Verlobung war so verbindlich wie heute die Eheschließung. Eine Aufl ösung der Verlobung erforderte eine Scheidung (V. 19), und das verlobte Paar wurde rechtmäßig als Mann und Frau angesehen (V. 19) – wenngleich sie körperlich noch nicht eins geworden waren. S. Anm. zu Lk 2,5. vom Heiligen Geist schwanger. S. V. 20.23; Lk 1,26-35.
1,19 Joseph … der gerecht war … gedachte sie heimlich zu entlassen. Für diese Art von Ehebruch befahl das Gesetz die Steinigung (5Mo 22,23.24). Josephs Gerechtigkeit bedeutete, dass er auch barmherzig war und daher Maria »nicht der öffentlichen Schande preisgeben wollte«. Der Ausdruck »gerecht sein« bzw. »ein Gerechter« ist ein Hebraismus. Er besagt, dass er ein wahrer Gläubiger und somit durch Glauben gerechtfertigt war, der das Gesetz gewissenhaft befolgte (s. 1Mo 6,9). Sie zu »entlassen« bedeutet, eine rechtmäßige Scheidung zu vollziehen (19,8.9; 5Mo 24,1), was nach jüdischem Brauch erforderlich war, um eine Verlobung zu lösen (s. Anm. zu V. 18).
1,20 ein Engel des Herrn. Das ist eine von nur wenigen solcher Heimsuchungen durch Engel im NT, von denen die meisten im Zusammenhang mit Christi Geburt stehen. Weitere s. 28,2; Apg 5,19; 8,26; 10,3; 12,7-10; 27,23; Offb 1,1. im Traum. Als wollte er den übernatürlichen Charakter des Kommens Christi unterstreichen, hat Matthäus fünf solche von Gott gegebenen Träume überliefert: V. 20; 2,12.13.19.22. Hier sagte der Engel zu Joseph, er solle Maria in sein Haus aufnehmen. 1,21 Jesus. S. V. 25; Lk 1,31. Der Name bedeutet »Retter« (s. Anm. zu V. 1).
1,22 damit erfüllt würde. Nicht weniger als ein Dutzend Mal fi ndet sich in Matthäus ein solcher Erfüllungsvermerk (vgl. 2,15.17.23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,14.35; 21,4; 26,54-56; 27,9.35). Er zitiert über 60-mal das AT; das ist häufi ger als jeder andere Autor im NT, außer Paulus im Römerbrief.
1,23 Jungfrau. Gelehrte disputieren manchmal, ob der hebr. Begriff in Jes 7,14 »Jungfrau« oder »Mädchen« bedeutet. Matthäus zitiert hier aus der LXX, die das eindeutige gr. Wort für »Jungfrau« verwendet (s. Anm. zu Jes 7,14). Damit macht Matthäus, inspiriert vom Heiligen Geist, jedem Zweifel über die Bedeutung der Worte in Jes 7,14 ein Ende. Immanuel. Vgl. Jes 8,8.10.
1,24 nahm seine Frau zu sich. S. Anm. zu Lk 2,5.
1,25 erkannte sie. Eine Umschreibung für Geschlechtsverkehr. S. 1Mo 4,1.17.25; 38,26; Ri 11,39.
2,1 Bethlehem. Ein kleines Dorf in der südlichen Nachbarschaft Je- rusalems. Zu Jesu Zeit erwarteten die hebräischen Gelehrten, dass der Messias in Bethlehem geboren würde (vgl. Mi 5,1; Joh 7,42). in den Tagen des Königs Herodes. Das bezieht sich auf Herodes den Großen. Er war der erste von mehreren bedeutenden, in der Bibel erwähnten Herrschern der herodianischen Dynastie. Dieser Herodes ist der Begründer dieses berühmten Herrschergeschlechts und regierte von 37 – 4 v.Chr. Man meint, er sei ein Idumäer gewesen, ein Nachkomme der Edomiter, die von Esau abstammten. Herodes war grausam und hinterhältig. Er liebte Prunk und große Bauprojekte und viele der beeindruckendsten Ruinen im heutigen Israel stammen aus seiner Zeit. Sein berühmtestes Projekt war der Neubau des Tempels in Jerusalem (s. Anm. zu 24,1). Allein dieses Projekt dauerte mehrere Jahrzehnte und war auch lange nach Herodes’ Tod noch nicht beendet (vgl. Joh 2,20). S. Anm. zu V. 22. Weise aus dem Morgenland. Um wie viele Männer es sich handelte, wird nicht gesagt. Die traditionelle Zahl 3 geht auf die Anzahl der Geschenke zurück, die diese Männer mitbrachten. Sie waren keine Könige, sondern Magier bzw. Astrologen und möglicherweise Anhänger des persischen Zoroastrismus. Ihre Kenntnis der hebräischen Schriften kann auf die Zeit Daniels zurückgeführt werden (vgl. Dan 5,11). die sprachen. Das Partizip Präsens im gr. Text vermittelt den Gedanken fortdauernder Handlung und die Vorstellung, sie seien in der Stadt umhergegangen und hätten jeden gefragt, den sie trafen.
2,2 Stern. Dabei kann es sich nicht um eine Supernova oder eine Planetenkonjunktion gehandelt haben, wie einige moderne Theorien vorschlagen. Das wäre nicht vereinbar mit der Bewegung des Sterns und damit, dass er über einem bestimmten Zielort stehen blieb (vgl. V. 9). Es war viel eher ein übernatürliches Phänomen, vergleichbar mit der Schekina, die das Volk Israel zu Moses Zeit durch die Wüste leitete (2Mo 13,21).
2,4 obersten Priester. Sie bildeten die Tempelhierarchie. Die meis- ten von ihnen waren Sadduzäer (s. Anm. zu 3,7). Schriftgelehrten. In erster Linie Pharisäer, d.h. Autoritäten in der Auslegung des jüdischen Gesetzes. Manchmal werden sie als »Gesetzesgelehrte« bezeichnet (s. Anm. zu Lk 10,25; ein anderes gr. Wort, das Schlachter ebenfalls mit »Schriftgelehrter« übersetzt). Sie waren professionelle Theologen, Experten im Erklären der Anwendung des Gesetzes. Sie wussten genau, wo der Messias geboren werden sollte (V. 5), hatten aber nicht den Glauben, die Magier zum Geburtsort zu begleiten.
2,6 Diese alte Prophezeiung aus Mi 4,14 wurde im 8. Jhdt. v.Chr. geschrieben. Matthäus zitiert die Prophezeiung nicht vollständig; im Original erklärt sie die Gottheit des Messias Israels: »… aus dir soll mir hervorgehen, der Herrscher über Israel werden soll, dessen Ursprung von Anfang, von Ewigkeit her gewesen ist.« ein Herrscher … der mein Volk Israel weiden soll. Dieser Teil des Zitats bezieht sich anscheinend auf die Worte, die Gott an Saul richtete, als in Israel das Königtum eingeführt wurde (2Sam 5,2; 1Chr 11,2). Das gr. Wort für »Herrscher« spricht von starker, sogar strenger Führerschaft. »Weiden« spricht von sanfter Fürsorge. Die Herrschaft Jesu beinhaltet beides (vgl. Offb 12,5).
2,8 damit auch ich komme und es anbete. In Wirklichkeit wollte Herodes das Kind umbringen (V. 13-18), denn er sah es als potentielle Bedrohung seines Thrones an.
2,11 in das Haus. Als die Weisen ankamen, hielten sich Maria und Joseph nicht mehr in einem Stall auf, sondern in einem Haus (vgl. Lk 2,7). das Kind samt Maria, seiner Mutter. Jedes Mal, wenn Matthäus Maria zusammen mit Jesus erwähnt, wird Jesus zuerst genannt und erhält somit den Vorrang (vgl. V. 13.14.20.21). Gold, Weihrauch und Myrrhe. Für einen König angemessene Geschenke (vgl. Jes 60,6). Dass Heiden solche Anbetung darbrachten, hatte auch prophetische Bedeutung (Ps 72,10).
2,12 im Traum. S. Anm. zu 1,20.
2,15 Tod des Herodes.Die historische Forschung datiert seinen Tod auf das Jahr 4 v.Chr. Wahrscheinlich war der Aufenthalt in Ägypten sehr kurz, vielleicht nur ein paar Wochen. Aus Ägypten. Dieses Zitat stammt aus Hos 11,1 (s. Anm. dort) und spricht von Gottes Befreiung Israels aus Ägypten. Matthäus deutet an, dass Israels Zeit in Ägypten eine bildhafte Prophezeiung war, im Gegensatz zur verbalen Prophezeiung wie die in V. 6; vgl. 1,23. Eine solche bildhafte Prophezeiung nennt man »Typus«. Typen sind allesamt in Christus erfüllt war der fünfte Statthalter von Judäa. Herodes Antipas ist der Herodes, der häufi g in den Evangelien vorkommt. Er ließ Johannes den Täufer umbringen (14,1-12) und verhörte Christus in der Nacht vor der Kreuzigung (Lk 23,7-12).
2,23 dass er ein Nazarener genannt werden wird. Nazareth ist eine unbedeutende Stadt 90 km nördlich von Jerusalem, die nicht gerade angesehen war. Sie wird im AT nirgends erwähnt. Man hat vorgeschlagen, »Nazarener« beziehe sich auf das hebr. Wort für »Spross« in Jes 11,1. Andere meinen, der Ausdruck »was durch die Propheten gesagt ist« beziehe sich auf mündliche Prophezeiungen, die im AT nicht aufgezeichnet sind. Eine wahrscheinlichere Erklärung ist, dass Matthäus das Wort »Nazarener« als Synonym benutzt für jemanden, der verachtet oder verabscheuungswürdig ist, denn so wurden die Menschen aus dieser Gegend häufi g charakterisiert (vgl. Joh 1,46). Ist das der Fall, dann dachte Matthäus hier u.a. an die Prophezeiungen wie Ps 22,7-9; Jes 49,7; 53,3.
3,1 Johannes der Täufer. Vgl. Mk 1,2-14; Lk 1,5-25.57-80; 3,3- 20; Joh 1,6-8.19-39. in der Wüste von Judäa. Das Gebiet westlich vom Toten Meer, eine absolut kahle Wüste. Hier waren auch bedeutende Gemeinschaften der jüdischen Sekte der Essener angesiedelt. In der Bibel gibt es jedoch keinerlei Hinweis darauf, dass Johannes irgendeine Verbindung zu den Essenern gehabt habe. Johannes hat wohl im Norden dieses Gebiets gepredigt, nahe bei der Mündung des Jordan ins Tote Meer (V. 6). Das war eine ganze Tagesreise von Jerusalem entfernt. Das scheint nicht die passende Gegend zu sein, um die Ankunft eines Königs anzukündigen. Doch zu Gottes Wegen passt es vollkommen (1Kor 1,26-29).
3,2 Tut Buße. Das ist mehr als nur ein intellektuelles Umdenken, mehr als bloße Reue oder Gewissensbisse. Unter Buße verstand Johannes eine radikale Abkehr von der Sünde, die unausweichlich sichtbar wurde in der Frucht der Gerechtigkeit (V. 8). Jesu erste Predigt begann mit derselben Aufforderung (4,17). Für eine Erklärung über das Wesen von Buße s. Anm. zu 2Kor 7,8-11. das Reich der Himmel. Dieser Begriff ist einzigartig für das Matthäusevangelium. Matthäus verwendet das Wort Himmel als Umschreibung für den Namen Gottes aus Rücksicht auf die Skrupel der jüdischen Leser (vgl. 23,22). Überall sonst in der Bibel wird dieses Reich »das Reich Gottes« genannt. Beide Begriffe bezeichnen den Bereich der Herrschaft Gottes über die Seinen. Derzeit stellt sich dieses Reich dar in der himmlischen, geistlichen Herrschaft über die Herzen der Gläubigen (Lk 17,21); und eines Tages wird es als buchstäbliches irdisches Reich aufgerichtet werden (Offb 20,4-6). ist nahe herbeigekommen. Das Reich ist in einem gewissen Sinn bereits Wirklichkeit, doch in seinem vollsten Sinn wartet es noch auf seine künftige Erfüllung.
3,3 geredet wurde durch den Propheten Jesaja. Der Dienst des Johannes war vor langer Zeit angekündigt worden, nämlich in Jes 40,3 (s. Anm. dort). Alle 4 Evangelien zitieren diese Schriftstelle als Prophezeiung, die auf Johannes den Täufer hinweist (s. Anm. zu Lk 3,6).
3,4 ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gür- tel. Praktische und haltbare Kleidungsstücke, die weder bequem noch modisch waren. Johannes erinnert in seinem Erscheinungsbild an Elia (2Kö 1,8) – und die Israeliten erwarteten Elia vor dem Tag des Herrn (Mal 3,23). Heuschrecken. Sie waren als Nahrung vom Gesetz erlaubt (3Mo 11,22).
3,6 getauft. Das Symbol der Taufe des Johannes wurzelte wahr- scheinlich in den Reinigungsriten des AT (vgl. 3Mo 15,13). Die Taufe wurde schon seit langer Zeit an heidnischen Proselyten vollzogen, die ins Judentum aufgenommen wurden. Somit war die Taufe des Johannes ein aussagekräftiges Symbol für Buße. Wer sich als Jude von Johannes taufen ließ, bekannte, dass er wie ein Heide war und dass er es nötig hatte, auf innere, wahrhaftige Weise ein Angehöriger des Volkes Gottes zu werden. Wenn man bedenkt, wie verhasst die Heiden den Juden waren, war das ein höchst erstaunliches Bekenntnis. Das Volk tat Buße im Vorausblick auf das Kommen des Messias. Die Taufe des Johannes hat eine etwas andere Bedeutung als die christliche Taufe (vgl. Apg 18,25). Die christliche Taufe änderte den Sinn des Ritus; denn sie symbolisiert vielmehr die Identifi kation des Gläubigen mit Christus in seinem Tod, seiner Grablegung und seiner Auferstehung (Röm 6,3-5; Kol 2,12).
3,7 Pharisäern und Sadduzäern. S. Anm. zu Joh 3,1. Die Pharisäer waren eine kleine gesetzliche Sekte (mit etwa 6.000 Anhängern) von Juden, die bekannt waren für ihr strenges Festhalten an den zeremoniellen Feinheiten des Gesetzes. Der Name »Pharisäer« bedeutet »Abgesonderte«. Jesus setzte sich mit den Pharisäern fast durchweg konfrontativ auseinander. Er tadelte sie, weil sie durch menschliche Traditionen Aussagen der Bibel aufhoben (15,3-9) und insbesondere für ihre Heuchelei (15,7.8; 22,18; 23,13.23.25.29; Lk 12,1). Die Sadduzäer hingegen leugneten alles Übernatürliche und darum auch die Auferstehung der Toten (22,23) und die Existenz von Engeln (Apg 23,8). Im Gegensatz zu den Pharisäern verwarfen sie menschliche Traditionen und schmähten Gesetzlichkeit. Sie akzeptierten nur die 5 Bücher Mose, den Pentateuch. Vornehmlich waren sie wohlhabende, aristokratische Angehörige aus dem Stamm der Priester, und zur Zeit von Herodes herrschten sie über den Tempel (s. Anm. zu 2,4), obwohl sie noch weniger zahlreich waren als die Pharisäer. Pharisäer und Sadduzäer hatten wenig gemein. Die Pharisäer waren Ritualisten, die Sadduzäer Rationalisten. Die Pharisäer waren gesetzestreu, die Sadduzäer liberal. Die Pharisäer sonderten sich ab; die Sadduzäer waren kompromissbereite Realpolitiker. Als Gegner Jesu Christi waren sie jedoch vereint (22,15.16.23.34.35). Johannes bezeichnete sie öffentlich als tödliche Schlangen. zukünftigen Zorn. S. Anm. zu Lk 3,7. Johannes verkündete im Grunde nichts anderes als das aus dem AT vertraute Thema vom kommenden Zorn am Tag des Herrn (z.B. Hes 7,19; Zeph 1,18; s. Einleitung zu Joel: Historische und lehrmäßige Themen). Dieser Tadel muss die jüdischen Führungspersonen besonders schmerzlich getroffen haben, denn sie dachten, der Zorn Gottes sei nur den Nichtjuden aufgespart.
3,8 Früchte, die der Buße würdig sind. S. Anm. zu V. 2. Die Buße selbst ist kein Werk, aber Werke sind ihre unausweichliche Frucht. In der Schrift gehören Buße und Glaube untrennbar zusammen. Buße bedeutet Abkehr von der eigenen Sünde, Glaube bedeutet Hinwendung zu Gott (vgl. 1Th 1,9). Buße und Glaube sind wie zwei Seiten einer Medaille. Deshalb sind beide mit der Bekehrung verbunden (Mk 1,15; Apg 3,19; 20,21). Die Buße selbst ist hingegen genauso wenig ein »Werk« wie Glaube (s. Anm. zu 2Tim 2,25).
3,9 Abraham zum Vater. S. Joh 8,39-44. Sie glaubten, sie seien geistlich in Sicherheit, allein weil sie Nachkommen Abrahams und somit Angehörige von Gottes erwähltem Volk waren. Doch Abrahams wirkliche Nachkommen sind die, die denselben Glauben haben wie er (vgl. Röm 4,16). Und nur »die aus Glauben sind, die sind Söhne Abrahams« (Gal 3,7.29). S. Anm. zu Lk 3,8.
3,10 schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Unum- kehrbares Gericht stand bevor (s. Anm. zu 11,3). 3,11 Hier werden drei Arten von Taufe angeführt: 1.) mit Wasser zur Buße. Die Taufe des Johannes symbolisierte Reinigung (s. Anm. zu V. 6); 2.) mit Heiligem Geist. Jeder, der an Jesus Christus glaubt, ist mit Heiligem Geist getauft (1Kor 12,13); 3.) mit … Feuer. Weil Feuer in diesem ganzen Zusammenhang immer als Mittel zum Gericht verwendet wird (V. 10.12), muss es hier offenbar um eine Gerichtstaufe für die Unbußfertigen gehen.
3,12 Wurfschaufel. Ein Gerät, mit dem Getreide in die Luft gewor- fen wurde, sodass der Wind die Spreu wegblies.
3,14 Johannes aber wehrte ihm. Die Taufe des Johannes sym- bolisierte Buße, und Johannes meinte, das sei nicht angebracht für den Einen, den er als das fl eckenlose Lamm Gottes kannte (vgl. Joh 1,29).
3,15 so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Christus identifi zierte sich hier mit Sündern. Später sollte er ihre Sünden tragen und seine vollkommene Gerechtigkeit sollte ihnen angerechnet werden (2Kor 5,21). Diese Taufhandlung war ein notwendiger Bestandteil der Gerechtigkeit, die er für Sünder erwarb. Dieses sein erstes öffentliches Erscheinen ist auch reich an Bedeutung: 1.) Die Taufe ist ein Bild auf seinen Tod und seine Auferstehung (vgl. Lk 12,50); 2.) deshalb stellt sie sinnbildlich auch die Bedeutung der christlichen Taufe dar (s. Anm. zu V. 6); 3.) sie war seine erste öffentliche Identifi kation mit denen, deren Sünden er später trug (Jes 53,11; 1Pt 3,18); 4.) sie war eine öffentliche Bestätigung, dass er der Messias war, was direkt aus dem Himmel bezeugt wurde (s. Anm. zu V. 17).
3,16 Jesus … Geist Gottes … eine Stimme vom Himmel. Hier treten eindeutig alle 3 Personen der Dreieinigkeit zutage. S. Anm. zu Lk 3,22. Der Befehl des Vaters, auf seinen Sohn zu hören, und die Bestätigung durch den herabfahrenden Heiligen Geist (s. Anm. zu 12,31) eröffneten offi ziell den Dienst Christi.
3,17 mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Diese Erklärung aus dem Himmel ist eine Kombination von Aussagen aus Ps 2,7 und Jes 42,1. Diese Prophezeiungen müssen denen, die den Messias erwarteten, gut bekannt gewesen sein. Vgl. 17,5; Mk 1,11; 9,7; Lk 3,22; 9,35.
4,1 vom Geist … geführt, damit er vom Teufel versucht wür- de. Gott selbst führt niemals in Versuchung (Jak 1,13). Hier jedoch bedient Gott sich – wie bei Hiob – für seine souveränen Zwecke der Versuchung durch Satan. Christus wurde in allem versucht (Hebr 4,15; 1Joh2,16); Satan versuchte ihn mit der »Lust des Fleisches« (V. 2.3), der »Lust der Augen« (V. 8.9) und dem »Hochmut des Lebens« (V. 5.6).
4,2 40 Tage und 40 Nächte. Auch Mose verzichtete »vierzig Tage und vierzig Nächte« auf Essen und Trinken (5Mo 9,9); Elia fastete ebenso lange (1Kö 19,8). S. Anm. zu 12,40.
4,3 Wenn du Gottes Sohn bist. Das konditionale »wenn« bedeu- tet in diesem Fall »weil«. Satan bezweifelte keineswegs die Identität Jesu, doch der Teufel wollte ihn dazu bewegen, gegen Gottes Absicht zu handeln und sich der göttlichen Macht zu bedienen, die er in seiner Erniedrigung abgelegt hatte (vgl. Phil 2,7).
4,4 Es steht geschrieben. Alle drei Antworten Jesu an den Teufel stammen aus dem 5. Buch Mose. Diese erste Antwort stammt aus 5Mo 8,3, wo es heißt, dass Gott Israel hungern ließ, um sie mit Manna zu speisen. Sie sollten lernen, ihm zu vertrauen, dass er für sie sorgte. Somit lässt sich dieser Vers direkt auf die Situation Jesu anwenden und ist eine passende Antwort auf Satans Versuchung. von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes hervorgeht. Eine wichtigere Nahrungsquelle als Brot ist das Wort Gottes, denn es stillt unsere geistlichen Bedürfnisse auf eine Weise, die uns ewigen Nutzen bringt. Brot verschafft uns hingegen nur zeitweilige Erleichterung von körperlichem Hunger.
4,5 die Zinne des Tempels. Das war wahrscheinlich ein Flachdach mit einem Säulenvorbau an der südöstlichen Ecke des Tempelkomplexes, der den Tempelberg deutlich überragte. Von da fi el seine wuchtige Stützmauer tief hinunter ins Kidrontal, dem jüdischen Historiker Josephus nach fast 140 m tief.
4,6 denn es steht geschrieben: … damit du deinen Fuß nicht etwa an einen Stein stößt. Man beachte, wie auch Satan die Bibel anführt (Ps 91,11.12) – allerdings verdreht er ihren Sinn: mit einer Aussage, die uns lehrt, Gott zu vertrauen, will er Christus dazu bewegen, Gott zu versuchen.
4,7 Wiederum steht geschrieben. Der Herr antwortet wiederum mit einem Vers aus Israels Wüstenerfahrungen (5Mo 6,16). Er erinnert an die Erfahrung in Massa, wo die murrenden Israeliten den Herrn auf die Probe stellten und zornig forderten, Mose solle für Wasser sorgen, wo es keines gab (2Mo 17,2-7). 4,9 will ich dir geben. Satan ist der »Fürst dieser Welt« (Joh 12,31; 14,30; 16,11) und der »Gott dieser Weltzeit« (2Kor 4,4). Die ganze Welt liegt in seiner Macht (1Joh 5,19). Das wird in Dan 10,13 illustriert (s. Anm. dort). Dort werden dämonische Mächte als Beherrscher des persischen Reiches identifi ziert und ein Dämon als Fürst von Persien bezeichnet.
4,10 Denn es steht geschrieben. Eine freie Wiedergabe des Herrn von 5Mo 6,13.14. Auch hier geht es um Israels Wüstenerfahrungen. Wie das Volk Israel wurde auch Christus in die Wüste geführt, um erprobt zu werden (vgl. 5Mo 8,2). Im Gegensatz zu ihnen bestand er jeden Teil der Prüfung.
4,11 Engel traten hinzu und dienten ihm. So wurde gerade der Vers, den Satan verdrehen wollte – Psalm 91,11.12 – auf Gottes Weise und zu Gottes vollkommenem Zeitpunkt erfüllt.
4,12 dass Johannes gefangengesetzt worden war. Johannes wurde verhaftet, weil er Herodes Antipas offen getadelt hatte. S. 14,3.4.
4,13 er verließ Nazareth. Zwischen V. 12 und 13 ist einige Zeit verstrichen. Jesu Aufenthalt in Nazareth endete abrupt, als die Bewohner Nazareths ihn heftig ablehnten und zu ermorden versuchten (s. Lk 4,16-30). Kapernaum. Er ließ sich nieder in dieser bedeutenden Stadt an der Handelsroute am Nordufer des Sees Genezareth. Kapernaum war die Heimatstadt von Petrus und Andreas (V. 18), Jakobus und Johannes (V. 21) und Matthäus (9,9). Ein Vergleich der Evangelien zeigt, dass Christus in Kapernaum bereits im größeren Umfang gewirkt hatte (s. Anm. zu Lk 4,23).
4,15 Galiläa der Heiden. Dieser Name war schon zu Jesajas Zeit in Gebrauch, denn Galiläa lag auf der Route, durch die alle Heiden nach Israel ein- und ausreisten. Zur Zeit Jesu war Galiläa bereits ein bedeutendes Zentrum der römischen Besatzung. Die von Matthäus zitierte Prophezeiung stammt aus Jes 8,23; 9,1. S. Jes 42,6.7.
4,17 Von da an begann Jesus zu verkündigen. Der Beginn seines öffentlichen Wirkens. Zu beachten ist, dass seine Botschaft deckungsgleich war mit der Predigt von Johannes dem Täufer. Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen. S. Anm. zu 3,2. Die einleitenden Worte dieser ersten Predigt setzen den Ton für Jesu ganzes irdisches Wirken (vgl. Lk 5,32). Buße war in allen seinen öffentlichen Predigten ein ständig wiederkehrendes Thema. Und in seinem letzten Auftrag an die Apostel befahl er ihnen, ebenfalls Buße zu predigen (Lk 24,47).
4,18 zwei Brüder. Jesus war Petrus und Andreas schon vorher be- gegnet, nämlich in der Nähe von Bethabara am Jordan, wo Andreas (und vielleicht auch Petrus) sich Johannes dem Täufer als Jünger angeschlossen hatte (Joh 1,35-42). Sie verließen Johannes und folgten eine Zeit lang Jesus, bevor sie wieder nach Kapernaum zur Fischerei zurückkehrten. Vielleicht waren sie während Jesu früherem Wirken in Kapernaum dorthin zurückgekehrt (s. Anm. zu Lk 4,23). Hier berief er sie, ihm langfristig als Jünger zu folgen.
4,21 Jakobus, den Sohn des Zebedäus. Weil dieser Jakobus in der Bibel ausschließlich im Zusammenhang mit seinem Bruder Johannes erwähnt wird, ist er leicht zu unterscheiden von den anderen neutestamentlichen Männern dieses Namens. Sein Märtyrertod durch Herodes Agrippa I. war der Beginn einer Zeit schwerer Verfolgung in der Urgemeinde (Apg 12,2). Für Information über andere, die Jakobus hießen, s. Anm. zu 10,2; Einleitung zu Jakobus: Autor und Abfassungszeit.
4,23 lehrte … verkündigte … heilte. Die drei Hauptaspekte von Christi öffentlichem Wirken.
4,24 Syrien. Das Gebiet nordöstlich von Galiläa.
4,25 Gebiet der Zehn Städte. Wörtl. »Dekapolis«. Eine Konfö- deration von 10 hellenisierten Städten, die südlich von Galiläa und größ tenteils östlich des Jordans lagen. Dieser Städtebund war kurz nach Pompejus’ Invasion in Palästina gebildet worden (ca. 64 v.Chr.), um die gr. Kultur in der semitischen Region zu bewahren. Diese Städte waren natürlich heidnische Festungen.
5,1 – 7,29 Die Bergpredigt leitet eine Reihe von 5 bedeutenden Reden Jesu im Matthäusevangelium ein (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). Diese Predigt ist eine meisterhafte Auslegung des Gesetzes und ein vollmächtiger Angriff auf die Gesetzlichkeit der Pharisäer. Sie schließt mit einem Aufruf zu wahrem Glauben und Heil (7,13-29). Christus erklärt die volle Bedeutung des Gesetzes und zeigt, dass die Forderungen des Gesetzes menschlich gesehen unmöglich erfüllt werden können (vgl. 5,48). Die richtige Anwendung des Gesetzes hinsichtlich der Errettung ist folgende: Es schließt jeden möglichen Weg menschlicher Verdienste aus und zeigt dem Sünder, dass er zur Errettung allein von der Gnade Gottes abhängig ist (vgl. Röm 3,19.20; Gal 3,23.24). Christus ergründete die Tiefen des Gesetzes und zeigte, dass dessen wahre Forderungen weit über die augenscheinliche Bedeutung der Worte hinausgehen (5,28.39.44). Er stellt einen höheren Maßstab auf, als die fl eißigsten Schüler des Gesetzes bisher erkannt hatten (5,20). S. Anm. zu Lk 6,17-49. 5,1 als er sich setzte. Die Rabbiner lehrten üblicherweise im Sitzen (vgl. 13,1.2; 26,55; Mk 4,1; 9,35; Lk 5,3; Joh 6,3; 8,2). S. Anm. zu Lk 4,20.
5,3 Glückselig. Das Wort bedeutet wörtl. »glücklich, froh, voll Glück«. Hier spricht es von mehr als nur oberfl ächlichen Glücksgefühlen. Jesus beschrieb das von Gott verliehene Wohlergehen, das nur den Gläubigen gehört. Die Seligpreisungen zeigen, dass der Weg zu himmlischem Segen dem Weg entgegengesetzt ist, auf dem die Welt ihr Glück sucht. Die Welt meint, Glück fi nde sich in Reichtum, Vergnügen, Überfl uss, Freizeit und dergleichen. Doch genau das Gegenteil ist wahr. Mit den Seligpreisungen beschreibt der Herr den Charakter wahren Glaubens. die geistlich Armen. Das Gegenteil von Selbstzufriedenheit und Unabhängigkeit. Dieser Ausdruck spricht von der Demut, einzugestehen, dass man ohne Gott geistlich bankrott ist. Er trifft auf solche zu, die sich bewusst sind, dass sie ohne die Gnade Gottes verloren sind (vgl. 9,12; Lk 18,13). S. Anm. zu 19,17. ihrer ist das Reich der Himmel. S. Anm. zu 3,2. Zu beachten ist, dass die Wahrheit der Errettung aus Gnade in diesem ersten Vers der Bergpredigt ganz klar vorausgesetzt wird. Jesus lehrte, dass das Reich eine Gnadengabe für solche ist, die ihre eigene geistliche Armut empfi nden.
5,4 die Trauernden. Das Trauern über Sünde, d.h. die geistliche Trauer, die zur Buße und zum Heil führt. Eine solche Trauer wird einem später nicht leid tun (2Kor 7,10). Der »Trost« ist der Trost der Vergebung und Errettung (vgl. Jes 40,1.2).
5,5 die Sanftmütigen. Sanftmut ist das Gegenteil von Unbe- herrschtheit. Sanftmut ist keine Schwachheit, sondern höchste Selbstbeherrschung durch den Heiligen Geist (vgl. Gal 5,23). Dass »die Sanftmütigen das Land erben« werden, ist ein Zitat aus Ps 37,11. S. Anm. zu V. 9-11.
5,6 nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten. Das ist das Gegenteil der Selbstgerechtigkeit der Pharisäer und spricht von solchen, die nicht ihre eigene Gerechtigkeit aufrichten wollen, sondern vielmehr ein Verlangen haben nach Gottes Gerechtigkeit (Röm 10,3; Phil 3,9). Was sie suchen, wird sie erfüllen, d.h. es wird ihren Hunger und Durst nach einer rechten Beziehung zu Gott stillen.
5,7 sie werden Barmherzigkeit erlangen. Das Umgekehrte gilt ebenfalls. Vgl. Jak 2,13.
5,8 sie werden Gott schauen. Nicht nur mit den Augen des Glau- bens, sondern in der Herrlichkeit des Himmels. Vgl. Hebr 12,14; Offb 22,3.4.
5,9 Friedfertigen. S. V. 44.45 zu weiteren Angaben über diese Eigenschaft.
5,10 die … verfolgt werden. Vgl. Jak 5,10.11; 1Pt 4,12-14. S. Anm. zu Lk 6,22.
5,13 Wenn aber das Salz fade wird, womit soll es wieder salzig gemacht werden? Salz ist sowohl ein Konservierungsmittel als auch ein Geschmacksverstärker. Jesus denkt hier zweifellos in erster Linie an die konservierende Eigenschaft des Salzes. Reines Salz kann seinen Geschmack oder seine Wirksamkeit nicht verlieren, aber das Salz aus dem Toten Meer ist mit Kalk und anderen Mineralien verunreinigt und kann einen faden Geschmack haben oder als Konservierungsmittel unbrauchbar sein. Solche Mineralsalze eigneten sich lediglich noch dafür, Fußwege von Unkraut freizuhalten.
5,16 euer Licht leuchten. Ein gottesfürchtiges Leben ist ein über- zeugendes Zeugnis von der rettenden Macht Gottes. Das verschafft Gott Ehre. Vgl. 1Pt 2,12.
5,17 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Wir dürfen nicht denken, Jesu Lehre in den folgenden Versen wollte den moralischen Gehalt des alttestamentlichen Gesetzes verändern, aufheben oder ersetzen. Er gab weder ein neues Gesetz noch modifi zierte er das alte, sondern erklärte die wahre Bedeutung von Moses Moralgesetz und dem übrigen AT. »Das Gesetz und die Propheten« bedeutet die Gesamtheit der alttestamentlichen Schriften und nicht deren rabbinische Auslegungen. erfüllen. Das bedeutet Erfüllung im selben Sinn, wie Prophezeiungen erfüllt werden. Christus zeigte, dass er die Erfüllung des Gesetzes in all seinen Aspekten ist. Er erfüllte das Moralgesetz, indem er es vollkommen einhielt. Er erfüllte das Zeremonialgesetz, weil er die Verkörperung alles dessen war, worauf die Vorbilder und Symbole des Gesetzes hindeuteten. Und er erfüllte das richterliche Gesetz, indem er Gottes vollkommene Gerechtigkeit personifi zierte (vgl. 12,18.20).
5,18 Bis Himmel und Erde vergangen sind … bis alles ge- schehen ist. Hier betont Christus sowohl die Inspiration als auch die bleibende Autorität der ganzen Schrift. Er bestätigte insbesondere die völlige Irrtumslosigkeit und absolute Autorität des AT als Wort Gottes bis zum letzten Jota und Strichlein. Das heißt wiederum (s. Anm. zu V. 17) nicht, dass das NT das AT verdrängte oder aufhöbe. Es erklärt und erfüllt es vielmehr. So sind in Christus alle zeremonialen Forderungen des mosaischen Gesetzes erfüllt und müssen vom Christen nicht mehr befolgt werden (Kol 2,16.17). Damit wird aber kein Jota oder Strichlein getilgt. Die zugrunde liegenden Wahrheiten dieser Schriftstellen bleiben. Ja, durch das Evangelium sind die in ihnen verborgenen Geheimnisse erst richtig ans Licht getreten. nicht ein Buchstabe noch ein einziges Strichlein. Ein »Jota« ist der kleinste hebr. Buchstabe, das Jod; es ist nur ein kleiner Haken, nicht viel mehr als ein Apostroph oder Akzent. Das »Strichlein« ist eine kleine Erweiterung an einem hebr. Buchstaben, vergleichbar mit den Serifen (den kleinen »Füßchen«) moderner Schriften.
5,19 wird der Kleinste genannt werden … wird groß genannt werden. Jeder Verstoß gegen Gottes Gesetz macht den Übertreter klein im Reich Gottes, und das bedeutet so viel wie außerhalb des Reiches und unter der Verdammnis zu sein (vgl. Gal 3,10-12). Wer sich an Gottes Gesetz hält, ist groß, und das heißt so viel wie im Reich und im Stand des Heils zu sein. Die Gleichnisse vom Unkraut (13,24-30) und vom Fischernetz (13,47-50) zeigen, dass es im äußerlich sichtbaren Reich Echte und Unechte geben wird (vgl. 7,21-27). Der »Kleinste« bezieht sich auf solche, die gerichtet und hinausgeworfen werden (13,30.41.42.49.50), während die »Großen« drinnen bleiben und belohnt werden (V. 43).
5,20 Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht übertrifft. Jesus ruft seine Jünger zu einer radikaleren Heiligkeit als die der Pharisäer. Der Pharisaismus stutzte die Forderungen des Gesetzes, indem er das Augenmerk hauptsächlich auf äußeren Gehorsam richtete. In den folgenden Versen entfaltet Jesus die volle moralische Bedeutung des Gesetzes und zeigt, dass die Gerechtigkeit des Gesetzes innerliche Übereinstimmung mit seinem Geist forderte und nicht lediglich formale Buchstabentreue. so werdet ihr gar nicht in das Reich der Himmel eingehen. Diese Bedingung ist eine unüberwindliche Schranke zur Errettung aus Werken. Die Bibel lehrt immer wieder, dass Sünder nur eine befl eckte und unvollkommene Gerechtigkeit wirken können (z.B. Jes 64,5). Deshalb ist die einzige Gerechtigkeit, durch die Sünder gerechtfertigt werden können, Gottes eigene Gerechtigkeit, die er denen zurechnet, die glauben (1Mo 15,6; Röm 4,5).
5,21 Ihr habt gehört … Ich aber sage euch. S. V. 27.31.33.38.43. Die Zitate stammen aus 2Mo 20,13; 5Mo 5,17. Jesus änderte bei keiner der angeführten Bibelstellen die Bedingungen des Gesetzes. Vielmehr korrigierte er das, was sie »gehört« hatten – nämlich das rabbinische Verständnis des Gesetzes (s. Anm. zu V. 38).
5,22 Raka! Wörtl. »Hohlkopf!« Jesus sagt hier, dass beleidigende Worte auf den gleichen Drang (Zorn oder Hass) zurückgehen, der zu Mord führt. Die innere Haltung ist das, was das Gesetz in Wirklichkeit verbietet, und deshalb birgt eine Beleidigung die gleiche Art moralischer Schuld wie der vollzogene Mord. höllischen Feuer. Das Wort »Hölle« bezieht sich auf das Hinnomtal im Südwesten Jerusalems. Ahas und Manasse erlaubten während ihrer Regierungszeit Menschenopfer in diesem Tal (2Chr 28,3; 33,6) und deshalb wurde es »Tal des Schlachtens« oder »Würgetal« genannt (Jer 19,6). Zur Zeit Jesu war es eine Müllgrube, wo ständig Feuer brannte, und war somit ein passendes Bild für das ewige Feuer.
5,25 Sei … bald geneigt. Der Herr verlangt, dass man eifrig, ak- tiv und unverzüglich Versöhnung anstreben soll, auch wenn es Opfer fordert. Es ist besser, Unrecht zu erleiden, als zuzulassen, dass Christus verunehrt wird, weil Brüder sich streiten (1Kor 6,7). Widersacher. Der Gegner in einem Rechtsstreit. Gefängnis. Das Schuldner-Gefängnis, wo der Häftling arbeiten konnte, um sich das Geld zum Abbezahlen der Schuld zu verdienen.
5,27 Ein Zitat aus 2Mo 20,14; 5Mo 5,18.
5,29 reiß es aus und wirf es von dir. Der Herr empfi ehlt nicht Selbstverstümmelung (das wäre kein Heilmittel gegen die Begierde, die in Wirklichkeit ein Problem des Herzens ist). Er zeigt mit dieser drastischen Übertreibung, wie schlimm Begierde und Lust sind. Es geht darum, dass es »besser« wäre (V. 30), ein Körperglied zu verlieren, als die ewigen Folgen der Schuld einer solchen Sünde zu tragen. Weil Sünde solche Folgen hat, muss sie radikal behandelt werden.
5,31 Es ist auch gesagt. S. Anm. zu 5Mo 24,1-4. Die Rabbinen leg- ten diese Schriftstelle sehr liberal aus. In 5Mo 24,1-4 sahen sie lediglich eine Anweisung, wie man bei einer Scheidung die lästige Schreibarbeit zu erledigen hatte (s. Anm. zu 19,7). Daher hatten sie irrtümlich gefolgert, Männer könnten sich von ihren Frauen aus jedem beliebigen Grund scheiden lassen. Sie mussten ihnen nur einen »Scheidebrief« schreiben. Mose hatte das jedoch als Zugeständnis eingeräumt, um die geschiedene Frau zu schützen (s. Anm. zu 19,7-9) und nicht um Scheidung unter allen Umständen zu rechtfertigen
5,32 ausgenommen wegen Unzucht. S. Anm. zu 19,9. Bei Ehe- bruch war Scheidung erlaubt. Lk 16,18 muss im Licht dieses Verses verstanden werden. macht, dass sie die Ehe bricht. Unter der Annahme, dass Geschiedene wieder heiraten. Ist die Scheidung nicht durch Ehebruch begründet, dann ist jede Wiederheirat Ehebruch, weil Gott die Scheidung nicht anerkennt. Für weitere Erläuterungen zur Scheidung s. Anm. zu 1Kor 7,15.
5,33 Du sollst nicht falsch schwören. Das wird gelehrt in 3Mo 19,12; 4Mo 30,3; 5Mo 23,22.24.
5,34 dass ihr überhaupt nicht schwören sollt. Vgl. Jak 5,12. Das sollte nicht verstanden werden als allgemeines Verbot aller Eide unter allen Umständen. Gott selbst bestätigt eine Verheißung mit einem Eid (Hebr 6,13-18; vgl. Apg 2,30). Christus selbst sprach unter Eid (26,63.64). Und das Gesetz schrieb unter bestimmten Umständen Eide vor (z.B. 4Mo 5,19.21; 30,2.3). Was Christus hier verbietet, ist das leichtfertige, profane Schwören in der Alltagssprache. In der damaligen Kultur wurden solche Schwüre häufi g für betrügerische Zwecke verwendet. Um das Vertrauen ihrer Opfer zu gewinnen, schworen manche Juden »beim Himmel«, »bei der Erde«, »bei Jerusalem« oder »beim eignen Kopf« (V. 34-36), allerdings nicht bei Gott, weil sie hofften, so dem göttlichen Gericht für ihre Lüge zu entgehen. Der Herr will, dass unsere Worte immer so wahr sind, als stünden wir unter einem Eid (V. 37).
5,38 Auge um Auge. Das Gesetz legte dieses Prinzip fest, um die Vergeltung auf das zu beschränken, was gerecht war (2Mo 21,24; 3Mo 24,20; 5Mo 19,21). Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Vergeltung dem Vergehen entsprach. Das Gesetz wollte nicht persönliche Racheakte sanktionieren. Wiederum änderte der Herr das Gesetz nicht (s. Anm. zu V. 17.18), sondern erklärte ihre Bedeutung und bestätigte es damit.
5,39 Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen. Wie in V. 38 geht es hier um persönliche Vergeltung und nicht um Verbrechen oder militärische Aggression. Der Herr lehrte, dass wir in folgenden Fällen auf Vergeltung verzichten sollen: bei Angriffen gegen die eigene Würde (V. 39), bei Gerichtsprozessen zur persönlichen Bereicherung (V. 40), bei Übergriffen auf die persönliche Freiheit (V. 41), bei Verstößen gegen das Besitzrecht (V. 42). Hier soll der Jünger Jesu auf persönliche Rechte volllständig verzichten.
5,41 nötigt. Dieses Wort spricht von Zwang oder Gewalt. Ein neu- testamentliches Beispiel dafür ist Simon von Kyrene, der von römischen Soldaten »genötigt« bzw. »gezwungen« wurde, Jesu Kreuz zu tragen (27,32).
5,43 Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind has- sen. Die erste Hälfte dieser Aussage stammt aus dem mosaischen Gesetz (3Mo 19,18); der zweite Teil ist die Erklärung und Anwendung dieses AT-Gebots durch die Schriftgelehrten und Pharisäer. Jesu Anwendung war genau entgegengesetzt und führte zu einem höheren Maßstab: Nächstenliebe sollte auch solchen Nächsten gelten, die Feinde sind (V. 44). Das war wiederum keine neue Erfi ndung, denn auch das AT lehrte, dass Gottes Volk seinen Feinden Gutes tun sollte (Spr 25,21).
5,44 Liebt eure Feinde … damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel seid. Das lehrt klar und deutlich, dass Gottes Liebe sich auch zu seinen Feinden erstreckt. Diese umfassende Liebe Gottes zeigt sich in den Segnungen, die Gott allen Menschen ohne Unterschied erteilt. In der Theologie nennt man das die allgemeine Gnade. Sie muss unterschieden werden von der ewigen Liebe Gottes zu seinen Erwählten (Jer 31,3), aber dennoch ist sie ein aufrichtiges Wohlwollen (vgl. Ps 145,9).
5,46 Zöllner. Untreue Israeliten, die von den Römern angeworben wurden, um von anderen Juden Steuern einzutreiben. Das nutzten sie zu ihrer persönlichen Bereicherung aus. »Zöllner« war die stehende Bezeichnung für die übelste Sorte von Menschen. Vgl. 9,10.11; 11,19; 18,17; 21,31; Mk 2,14-16; Lk 5,30; 7,25.29.34; 18,11-13. Matthäus war einst ein solcher Zöllner gewesen (s. Anm. zu 9,9; Mk 2,15).
5,48 sollt ihr vollkommen sein. Christus stellt einen unerreichba- ren Maßstab auf. Dieses Wort fasst zusammen, was das Gesetz forderte (Jak 2,10). Obwohl dieser Maßstab unerreichbar ist, kann Gott ihn nicht herabsetzen, ohne seine eigene Vollkommenheit zu kompromittieren. Dem vollkommenen Gott kann kein unvollkommener Maßstab genügen. Die wunderbare Wahrheit des Evangeliums ist, dass Christus diesen Maßstab der Gerechtigkeit zu unseren Gunsten vollkommen erfüllt hat (s. Anm. zu 2Kor 5,21).
6,1 Hier führt Christus den Gedanken aus 5,20 weiter und zeigt, wie unvollkommen die Gerechtigkeit der Pharisäer war. Dazu deckt er ihre Heuchelei auf bei ihren »Almosen« (V. 1-4); beim »Beten« (V. 5-15) und »Fasten« (V. 16-18). All das sollte der Ehre Gottes und nicht der Zurschaustellung der eigenen Gerechtigkeit dienen.
6,2 Heuchler. Dieses Wort stammt aus dem gr. Theater und bezeich- net einen Schauspieler mit einer Maske. Im NT bezeichnet der Begriff üblicherweise einen nicht wiedergeborenen Menschen, der sich selber täuscht. Sie haben ihren Lohn schon empfangen. Vgl. V. 5.16. Ihr ganzer Lohn ist, dass sie von Menschen gesehen werden. Gott belohnt Heuchelei nicht, sondern bestraft sie (vgl. 23,13-23).
6,4 der ins Verborgene sieht. Vgl. V. 6.18; Jer 17,10; Hebr 4,13. Gott ist allwissend.
6,7 plappern. Gebete sollen nicht nur aufgesagt werden, und wir sollen unsere Worte nicht gedankenlos wiederholen, als seien sie Formeln mit automatischer Wirkung. Diese Anweisung verbietet jedoch nicht das ernsthafte, ausdauernde Gebet (s. Anm. zu Lk 11,1-8).
6,9 auf diese Weise beten. Vgl. Lk 11,2-4. Dieses Gebet ist keine Liturgie, sondern ein Muster. Bemerkenswert ist seine Kürze, Schlichtheit und Klarheit. Drei der sechs Bitten beziehen sich auf Gott (V. 9.10) und die anderen drei auf menschliche Bedürfnisse (V. 11-13).
6,10 Dein Wille geschehe. Gebet muss sich immer zuallererst frei- willig Gottes Absichten, Plänen und seiner Ehre unterwerfen. S. Anm. zu 26,39. 6,12 vergib uns unsere Schulden. Die Parallelstelle (Lk 11,4) verwendet ein Wort, das »Sünde« bedeutet. Daher geht es in diesem Zusammenhang um geistliche Schulden. Sünder sind Schuldner Gottes, weil sie seine Gebote übertreten haben (s. Anm. zu 18,23-27). Diese Bitte ist das Herzstück des Gebets, das, was der Herr in den unmittelbar darauf folgenden Worten betont (V. 14.15; vgl. Mk 11,25).
6,13 führe uns nicht in Versuchung. Vgl. Lk 22,40. Gott versucht den Menschen nicht (Jak 1,13), aber er prüft ihn und setzt ihn zuweilen den Angriffen Satans aus, wie es bei Hiob und Petrus der Fall war (Lk 22,31.32). Diese Bitte drückt den Wunsch des Gläubigen aus, die Gefahren der Sünde überhaupt zu meiden. Gott kennt unsere Bedürfnisse, bevor wir ihn bitten (V. 8) und er verheißt, dass er uns nie über Vermögen versuchen wird. Er verheißt auch einen Ausweg aus der Versuchung, der häufi g in Ausharren besteht (1Kor 10,13). Doch die richtige Haltung des Gläubigen ist in jedem Fall jene, die in dieser Bitte zum Ausdruck kommt.
6,15 wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. Das soll nicht heißen, dass Gott denen die Rechtfertigung entzieht, die bereits die freie Vergebung empfangen haben, die er allen Gläubigen gibt. Vergebung in diesem Sinne – die bleibende und vollständige Tilgung der Schuld und Sündenstrafe – gehört allen, die in Christus sind (vgl. Joh 5,24; Röm 8,1; Eph 1,7). Doch die Bibel lehrt auch, dass Gott seine Kinder züchtigt, wenn sie ungehorsam sind (Hebr 12,5-7). Der Gläubige soll seine Sünden bekennen, um so die tägliche Reinigung zu empfangen (1Joh1,9). Diese Vergebung ist keine Wiederholung der gesamten Reinigung vom Verderben der Sünde, die sich bei der Rechtfertigung vollzieht, sondern ein schlichtes Waschen von den weltlichen Verunreinigungen der Sünde. Sie ist nicht wie ein Ganzkörperbad, sondern wie eine Fußwaschung (vgl. Joh 13,10). Es ist diese Art Vergebung, die Gott dem Christen nicht gewährt, wenn er anderen nicht vergibt (vgl. 18,23-35).
6,16 Wenn ihr aber fastet. Diese Aussage setzt voraus, dass Fasten ein normaler Bestandteil des persönlichen geistlichen Lebens ist (vgl. 1Kor 7,5). Fasten ist verbunden mit Trauer (9,14.15), Gebet (17,21), Barmherzigkeit (Jes 58,3-6) und dem Suchen nach Gottes Willen (Apg 13,2.3; 14,23).
6,20 Schätze. Wir sollen keine irdischen Reichtümer anhäufen. Je- sus gebietet uns, die fi nanziellen Mittel für himmlische und ewige Zwecke einzusetzen. S. Anm. zu Lk 16,1-9.
6,22 Ein Argument vom Geringeren zum Größeren. Der Ver- gleich ist einleuchtend. Wenn das Auge krank ist, kann kein Licht hereinkommen und der Mensch ist im Dunkeln. Wie viel schlimmer ist es, wenn nicht nur das Auge, sondern das Innere des Menschen krank ist, sodass die Dunkelheit von innen kommt und sich auf den ganzen Menschen auswirkt. Der Herr verurteilt die oberfl ächliche Religiosität, die das Herz des Menschen in Finsternis beließ. S. Anm. zu Lk 11,34.
6,24 Mammon. Irdische, materielle Reichtümer, insbesondere Geld. S. Anm. zu Lk 16,13.
6,26 euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Das ist keine Einladung zu sündiger Faulheit (Spr 19,15). Auch Vögel sind nicht faul. Doch Gott ist es, der sie mit Nahrung versorgt.
6,27 seiner Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen. Dieser gr. Ausdruck kann auch bedeuten, seine Körpergröße um eine Elle zu steigern (so NKJV).
6,29 Salomo in all seiner Herrlichkeit. Die Herrlichkeit und der Prunk von Salomo waren weltberühmt. Vgl. 2Chr 9.
6,30 ihr Kleingläubigen. Vgl. 8,26; 14,31; 16,8; 17,20. Damit tadelte der Herr immer wieder seine schwachen Jünger.
6,32 Heiden. D.h. die Menschen, die nicht dem Volk der Verhei- ßungen angehörten und sich damit außerhalb des Segensbereiches Gottes befanden. Vgl. Eph 4,17-19.
6,33 Reich Gottes. Dasselbe wie das Reich der Himmel. S. Anm. zu 3,2. Der Begriff bezeichnet die Sphäre des Heils. Jesus drängte seine Zuhörer, nach dem Heil zu trachten – denn darin sollten sie die volle Fürsorge Gottes fi nden. Vgl. Röm 8,32; Phil 4,19; 1Pt 5,7.
7,1 Richtet nicht. Wie aus dem Kontext hervorgeht, ist das kein Verbot jeglichen Urteilens (V. 16). Es gibt ein gerechtes Urteilen, wenn wir sorgfältig und umsichtig vorgehen (Joh 7,24). Überkritische, pedantische, selbstgerechte und sonstige ungerechte Urteile sind verboten. Aber um die folgenden Gebote zu erfüllen, ist es nötig, Hunde und Schweine (V. 6) von den eigenen Brüdern zu unterscheiden (V. 3-5).
7,6 Gebt das Heilige nicht den Hunden. Dieses Prinzip ist der Grund, weshalb Jesus keine Wunder für Ungläubige tat (13,58). Wir halten uns daran aus Scheu vor den heiligen Dingen und nicht aus Verachtung von Hunden und Schweinen. Hier ist kein Widerspruch zu 5,44. Jener Vers regelt den Umgang mit persönlichen Feinden (s. Anm. dort); hier haben wir hingegen eine Anleitung, wie wir dem Evangelium treu bleiben können gegenüber Menschen, die die Wahrheit hassen.
7,11 ihr, die ihr böse seid. Der Herr setzt die Lehre von der Ver- derbtheit des Menschen voraus (s. Anm. zu Römer 1,18 – 3,20). wie viel mehr. Wenn schon irdische Väter ihren Söhnen geben, was sie brauchen (V. 9.10), wird Gott dann seinen Söhnen nicht geben, was sie erbitten (V. 7.8)? S. Anm. zu Jak 1,17.
7,12 tut auch ihr ihnen ebenso. Varianten der »Goldenen Regel« existierten bereits vor Christus in den rabbinischen Schriften und sogar im Hinduismus und Buddhismus. Sie alle formulieren die Regel als negierenden Befehl, wie z.B. die Version von Rabbi Hillel: »Was dir selbst verhasst ist, tue auch niemand anderem an.« Jesus machte einen positiven Befehl aus der Regel und bereicherte ihre Bedeutung. Dieser Imperativ ist eine prägnante Zusammenfassung der wesentlichen ethischen Prinzipien des Gesetzes und der Propheten.
7,13 Dieser letzte Abschnitt der Bergpredigt ist eine Anwendung des Evangeliums. Hier fi nden wir zwei Pforten, zwei Wege, zwei Ziele und zwei Gruppen von Menschen (V. 13.14); zwei Baumarten und zwei Fruchtsorten (V. 17-20); zwei Gruppen im Gericht (V. 21-23); und zwei verschiedene Bauherren, die auf zwei unterschiedlichen Grundlagen bauen (V. 24-28). Christus zieht eine klare Trennlinie zwischen dem Weg zum Untergang und dem Weg zum Leben. 7,13 Sowohl die enge als auch die weite Pforte werden für Ein- gänge ins Reich Gottes gehalten. Zwei Wege werden den Menschen angeboten. Die enge Pforte ist der Weg des Glaubens, allein durch Christus, ein schmaler und genau vorgegebener Weg. Sie repräsentiert wahre, gottgemäße Errettung, die zum ewigen Leben führt. Die weite Pforte umfasst alle Religionen, die sich stets auf Werke und Selbstgerechtigkeit gründen. Sie weiß nichts von einem ausschließlichen Weg (vgl. Apg 4,12), aber sie führt nicht in den Himmel, sondern in die Hölle.
7,14 der Weg ist schmal. Christus hat immer wieder betont, wie schwer es ist, ihm zu folgen (10,38; 16,24.25; Joh 15,18.19; 16,1-3; vgl. Apg 14,22). Die Errettung ist allein aus Gnade, aber sie ist nicht einfach. Sie erfordert Erkenntnis der Wahrheit, Buße, Unterwerfung unter Christus als Herrn und den Willen, ihm und seinem Wort zu gehorchen. S. Anm. zu 19,16-28.
7,15 falschen Propheten. Sie verführen nicht, indem sie sich als Schafe ausgeben, sondern als Hirten auftreten. Sie werben für die breite Pforte und den breiten Weg. Schafskleidern. Vielleicht eine Anspielung auf die Wollkleidung, die für Hirten charakteristisch war.
7,16 An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. S. Anm. zu 3,8. Falsche Lehre ist nicht imstande, das Fleisch im Tod zu halten. Deshalb kann man falsche Propheten an fehlender Heiligkeit erkennen. Vgl. 2Pt 2,12-22.
7,21 Nicht jeder, der … sagt … sondern wer … tut. Die Frucht- losigkeit dieser Art von Glauben offenbart dessen wahren Charakter (vgl. V. 20). Glaube, der lediglich etwas sagt, aber es nicht tut, ist in Wirklichkeit Unglaube. Jesus sagt damit nicht, dass Werke zur Errettung beitragen, sondern dass wahrer Glaube stets die Frucht guter Werke hervorbringen wird. Das ist genau die Kernaussage von Jak 1,22-25; 2,26.
7,22 haben wir nicht … geweissagt … Dämonen ausgetrieben … viele Wundertaten vollbracht? Zu beachten ist, dass diese Menschen nicht mit leeren Händen dastehen. Sie berufen sich vielmehr auf bemerkenswerte Zeichen und Wunder. Und tatsächlich galt ihre ganze Zuversicht diesen Werken. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Werke, so spektakulär sie auch gewesen sein mögen, nicht echt waren. Wer keinen echten Glauben hat, kann niemals wahre gute Werke hervorbringen. Ein schlechter Baum kann keine guten Früchte tragen (V. 18). 7,23 Gesetzlosen. Jede Sünde ist Gesetzlosigkeit (1Joh3,4), d.h. Rebellion gegen das Gesetz Gottes (vgl. 13,41).
7,24 Das Haus repräsentiert das Glaubensleben, der Regen gött- liches Gericht. Nur wer auf der Grundlage des Gehorsams gegenüber Gottes Wort baut, steht fest. Dieses Wort ruft auf zu Buße, Verwerfen der Werkgerechtigkeit und Vertrauen auf die Gnade Gottes, die durch seine barmherzige Vorsorge rettet. S. Anm. zu Jak 1,22-25.
7,29 nicht wie die Schriftgelehrten. Die Schriftgelehrten zitierten andere Quellen, um ihrer Lehre Autorität zu verleihen; der Herr hingegen hatte von sich aus Autorität (28,18). Diese Frage der Autorität war ein Hauptstreitpunkt zwischen Jesus und den Juden, denn sie fühlten sich in ihrer Autorität angegriffen. S. Anm. zu 21,23. Vgl. Mk 1,22; 11,28-33; Lk 4,32; 20,2-8; Joh 12,49.50; 14,10.
8,1 von dem Berg herabstieg. Vgl. 5,1.
8,2 wenn du willst. Er zweifelte nicht an Jesu Macht, sondern nur an seinem Willen (vgl. Mk 1,40-45).
8,4 dass du es niemand sagst. Öffentliches Aufsehen wegen sol- cher Wunder hätte Jesu Dienst behindert und die Aufmerksamkeit des Volkes von seiner Botschaft abgelenkt. Markus berichtet, dass genau das geschah. In seiner Begeisterung über das Wunder war dieser Mann ungehorsam und in der Folge musste Christus sein Wirken von der Stadt in die Wildnis verlagern (Mk 1,45). das Opfer, das Mose befohlen hat. Zwei Vögel; der eine wurde getötet und der andere freigelassen (3Mo 14,4-7). ihnen zum Zeugnis. D.h. den Priestern.
8,5 Kapernaum. S. Anm. zu 4,13. Hauptmann. Ein Offi zier in der römischen Armee, der 100 Männer befehligte (vgl. V. 9). Lukas berichtet, dass der Hauptmann durch Mittelsleute an Jesus herantrat (Lk 7,3-6), weil er sich für unwürdig hielt (V. 8; vgl. Lk 7,7). Matthäus erwähnt die Vermittler nicht.
8,8 ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach kommst. Die jüdische Überlieferung lehrte, dass ein Jude sich zeremoniell verunreinigte, wenn er das Haus eines Heiden betrat (vgl. Joh 18,28). Der Hauptmann war zweifellos mit diesem Gesetz vertraut und meinte, er könne Jesus das nicht zumuten. Er hatte auch genug Glauben zu wissen, Jesus könne seinen Knecht durch ein bloßes Wort heilen (s. Anm. zu V. 10).
8,10 Einen so großen Glauben habe ich in Israel nicht gefun- den! Dieser Hauptmann hatte etwas von der unumschränkten Autorität des Herrn verstanden (V. 8.9). Selbst einige der Jünger sahen nicht so klar (vgl. V. 26).
8,11 Viele … vom Osten und vom Westen. Im Reich Got- tes werden sich Heiden, zusammen mit Abraham, des Heils und des Segens Gottes erfreuen (vgl. Jes 49,8-12; 59,19; Mal 1,11; Lk 13,28.29).
8,12 die Kinder des Reiches. Das Volk der Hebräer, die leiblichen Erben Abrahams. hinausgeworfen. Das genaue Gegenteil der rabbinischen Auffassung, die besagte, dass es im Reich Gottes ein großes Festmahl mit Abraham und dem Messias gäbe – zu dem ausschließlich Juden geladen seien. Heulen und Zähneknirschen. S. Anm. zu 22,13. Vgl. 24,51; 25,30; Lk 13,28. Dieser Ausdruck beschreibt die ewigen Qualen der Menschen in der Hölle.
8,13 wie du geglaubt hast. Manchmal gingen die Heilungen des Herrn einher mit Glauben (in diesem Fall jedoch nicht auf Seiten des Geheilten, wie in 9,2; 15,28); bei anderen Gelegenheiten kam es nicht auf Glauben an (V. 14-16; Lk 22,51).
8,16 Besessene. wörtlich »Dämonisierte«, inwendig von einem Dämon beherrscht. Bei allen Fällen von Besessenheit, die Christus heilte, handelte es sich um tatsächliche Innewohnung von Dämonen, die den Körper ihrer Opfer völlig beherrschten, sodass sie sogar aus ihnen sprachen (Mk 5,5-9), ihnen den Verstand raubten (Joh 10,20), sie gewalttätig (Lk 8,29) oder stumm machten (Mk 9,17-22).
8,17 durch den Propheten Jesaja gesagt. S. Anm. zu Heilung und Erlösung bei Jes 53,4.5. Matthäus zitierte diese Schriftstelle aus Jesaja. Christus trug die Schuld und den Fluch der Sünde (vgl. Gal 3,13). Jesu Erlösungswerk garantiert sowohl körperliche Heilung als auch den letztendlichen Sieg über den Tod, allerdings wird das erst am Ende verwirklicht werden (1Kor 15,26).
8,18 ans jenseitige Ufer. Das Ostufer des Sees Genezareth.
8,19 ein Schriftgelehrter. Als Schriftgelehrter brach dieser Mann mit den anderen Schriftgelehrten, da er öffentlich seine Bereitwilligkeit erklärte, Jesus zu folgen. Dennoch wusste Jesus offenbar, dass er nicht die Kosten überschlagen und das Leiden und die Mühen der Nachfolge bedacht hatte.
8,20 der Sohn des Menschen. S. Anm. zu Mk 2,10; Joh 1,51. Das ist der Name, den Jesus für sich selbst am häufi gsten verwendet. In den Evangelien kommt er 83-mal vor und wird dabei stets von Jesus selbst gebraucht. Es war ein messianischer Titel (Dan 7,13.14) mit offensichtlichem Bezug auf die Menschheit und Erniedrigung Christi. Doch spricht er ebenso von seiner ewigen Herrlichkeit, wie Dan 7,13.14 zeigt (vgl. 24,27; Apg 7,56).
8,21 erlaube mir, zuvor hinzugehen und meinen Vater zu begraben. Das bedeutet nicht, dass der Vater des Mannes bereits gestorben war. Der Ausdruck »ich muss meinen Vater begraben« war eine übliche Redewendung, die bedeutete: »Lass mich warten, bis ich mein Erbe empfangen habe«. 8,22 lass die Toten ihre Toten begraben. Lass die Welt (die geistlich Toten) sich um die weltlichen Dinge kümmern.
8,24 es erhob sich ein großer Sturm. Der See Genezareth liegt mehr als 200 m unter dem Meeresspiegel. Nördlich davon erhebt sich der Berg Hermon auf 2.800 m und von Mai bis Oktober fallen häufi g starke Winde durch ihre engen Schluchten in diese Senke und können ganz plötzlich gewaltige Stürme erregen. er aber schlief. Unmittelbar bevor die Jünger eines der erhabensten Erweise seiner Gottheit sahen, bot sich ihnen ein bewegendes Bild seiner Menschheit. Der Herr war so müde, dass nicht einmal das heftige Schaukeln des Bootes ihn aufweckte, während die Jünger befürchteten, zu versinken (V. 25).
8,26 ihr Kleingläubigen. S. Anm. zu 6,30. Stille. Vgl. Ps 65,8; 89,10.
8,27 dass ihm selbst die Winde und der See gehorsam sind. Das war ein überzeugender Beweis seiner Gottheit (vgl. Ps 29,3.4; 89,10; 93,4; 107,25-29).
8,28 Gebiet der Gergesener. Einige Texte lesen »Gadarener« (vgl. Mk 5,1; Lk 8,26). Das war eine kleine Stadt am See gegenüber von Tiberias, vielleicht an der Stelle des heutigen Dorfes Khersa (Kursi). Dort befi nden sich einige antike Gräber, und das Ufer fällt steil zum Wasser hinab. Das trifft genau auf die Beschreibung des Geländes in diesem Bericht zu. zwei Besessene. Mk 5,2 und Lk 8,27 erwähnen nur einen der beiden. Offenbar war der eine auffälliger als der andere.
8,29 um uns vor der Zeit zu quälen. Offensichtlich erkannten die Dämonen nicht nur, dass Jesus Gott war, sondern wussten auch, dass Gott einen Tag bestimmt hatte, an dem Jesus sie als Richter verurteilen würde. Ihre Eschatologie war sachlich korrekt, doch die Wahrheit zu wissen ist eine Sache – sie zu lieben ist eine andere (vgl. Jak 2,19).
8,30 große Herde Schweine. Mk 5,13 fügt hinzu, dass die Herde 2.000 Schweine umfasste. Eine so große Herde unreiner Tiere zeigt, dass in dieser Region hauptsächlich Heiden lebten. Außerdem ist es ein Hinweis darauf, dass es sich um eine große Anzahl von Dämonen handelte (vgl. Mk 5,9).
8,31 die Dämonen baten ihn. Lk 8,31 berichtet, dass sie baten, nicht in den Abgrund geschickt zu werden, d.h. in die Unterwelt, ins Gefängnis der gebundenen, einst ungehorsam gewordenen Engel (s. Anm. zu 2Pt 2,4; Jud 6). Sie wussten, Jesus hätte, wenn er wollte, die Macht und das Recht, sie dorthin zu schicken.
8,34 baten sie ihn … wegzugehen. Vielleicht schmerzte sie der fi nanzielle Verlust der verendeten Schweine, wahrscheinlicher aber ist, dass es gottlose Leute waren, welche die Nähe solcher geistlichen Macht nicht aushielten (vgl. Mk 5,14.15). 9,1 seine Stadt. Kapernaum (s. Anm. zu 4,13). Jesus hatte sich dorthin begeben, um eine Zeit lang den Volksmengen aus dem Weg zu gehen (8,18).
9,2 deine Sünden sind dir vergeben. Da der Mann auf einem Bett gebracht wurde, war er offenbar schwer gelähmt. Dass Jesus ihm Vergebung zuspricht, kann ein Hinweis darauf sein, dass die Lähmung eine direkte Folge der eigenen Sünde des Mannes war. Vgl. Joh 9,1-3; s. Anm. zu Lk 5,20-26.
9,3 Dieser lästert! Das wäre bei jedem Menschen ein wahres Urteil, außer beim fl eischgewordenen Gott. Denn das Recht, zu vergeben, hat nur derjenige, gegen den gesündigt worden ist. Mit diesen Worten beanspruchte der Herr deshalb eindeutig göttliche Autorität.
9,4 da Jesus ihre Gedanken sah. Vgl. 12,25; Joh 2,24. Obgleich der Herr Jesus sich selbst erniedrigte (Phil 2,4-8) und in seiner Fleischwerdung darauf verzichtete, seine göttlichen Vorrechte unabhängig zu gebrauchen (Joh 5,30), war er dennoch völlig Gott und somit allwissend. S. Mk 13,32; Lk 2,52.
9,5 Was ist denn leichter. Es ist sicher leichter, zu behaupten, man habe Vollmacht, Absolution zu erteilen, als vor aller Augen vorzuführen, dass man die Macht hat zu heilen. Christus bewies sein Vollmacht zu vergeben, indem er den Mann unverzüglich von seiner Lähmung heilte. Wenn er das scheinbar Schwierigere vermochte, dann vermochte er auch das scheinbar Leichtere. Doch in Wirklichkeit war die Vergebung der Sünden die schwierigere Aufgabe, denn diese Vergebung verlangte, dass Jesus am Ende sein Leben dahingab.
9,9 an der Zollstätte sitzen. Hier sehen wir, wie demütig Mat- thäus war. Er verheimlicht seine Vergangenheit nicht und redet sich nicht heraus. In Mk 2,14 und Lk 5,27 steht sein ursprünglicher Name Levi, doch Matthäus selbst verwendete den Namen, unter dem man ihn kannte, seit er Jünger Jesu war (vgl. Mk 3,18; Lk 6,15). Zöllner gehörten zu den am meisten verachteten Menschen der damaligen Gesellschaft. Sie sammelten in die eigene Tasche (vgl. Lk 19,8), während sie die von Rom erhobene Steuer einzogen. So waren sie nicht nur Diebe, sondern dazu Verräter der jüdischen Nation (s. Anm. zu 5,46; Mk 2,15).
9,11 Zöllnern. S. Anm. zu 5,46.47.
9,12 Starken … Kranken. Die Pharisäer hielten sich für stark, d.h. in religiöser Hinsicht für rein und gesund. Die Ausgestoßenen wussten, dass das auf sie nicht zutraf. Selbstgerechte können nicht errettet werden.
9,13 Geht aber hin und lernt, was das heißt. Dieser Ausdruck wurde üblicherweise als Tadel für solche verwendet, die etwas nicht wussten, was sie eigentlich hätten wissen müssen. Jesus zitiert Hos 6,6 (vgl. 1Sam 15,22; Mi 6,6-8). Dieser Vers sagt, dass die sittlichen Forderungen des Gesetztes Vorrang haben vor den zeremoniellen Forderungen. Die Pharisäer betonten die zeremoniellen Aspekte des Gesetzes auf Kosten der inneren, ewigen und moralischen Vorschriften. Dabei wurden sie herzlos, kritiksüchtig und selbstgerecht und schauten auf andere herab. Dieselbe Kritik wiederholt der Herr in 12,7.
9,14 Jünger des Johannes. Lukas berichtet, dass die Pharisäer diese Frage stellten (s. Anm. zu Lk 5,33; vgl. Mk 2,18-20). Offensichtlich waren einige Pharisäer noch anwesend, als die Johannesjünger kamen. Vielleicht haben beide Gruppen diese Frage gestellt. fasten … die Pharisäer so viel. Vgl. Lk 18,12.
9,15 dann werden sie fasten. S. Anm. zu 6,17. Es war wie an ei- nem Hochzeitsfest: solange Christus unter ihnen weilte, war die Freude der Jünger viel zu groß, als dass sie hätten fasten mögen. Fastenzeiten sind Zeiten des Kummers und des Schreiens zum Herrn.
9,16 einen Lappen von neuem Tuch auf ein altes Kleid. Neue Textilien halten auf altem Material nicht. Ebenso wenig kann man die Wahrheit des Neuen Bundes auf die alten Formen des Gesetzes auffl icken.
9,17 neuen Wein in alte Schläuche. Junger Wein gärt; dabei bildet sich Druck, der die Weinschläuche dehnt. Ein alter Weinschlauch ist nicht mehr elastisch; er würde reißen und den Wein verschütten. Jesus lehrte mit diesem Vergleich, dass die Formen alter Rituale, wie die Fastengebote der Pharisäer und Johannesjünger, nicht für den neuen Wein der Zeit des Neuen Bundes geeignet waren (vgl. Kol 2,17). Mit beiden Illustrationen (V. 16.17) sagte der Herr, dass das Fasten und die anderen rituellen Praktiken der Pharisäer nicht zum Evangelium gehören. 9,18 Vorsteher. Jairus (Mk 5,22; Lk 8,41) war Synagogenvorsteher.
9,20 zwölf Jahre blutfl üssig. Das Leiden dieser Frau war nicht nur unangenehm, sondern machte sie außerdem ständig kultisch unrein (vgl. 3Mo 15,25-27). Sie wurde von allen gemieden, sogar von der eigenen Familie, und sie war von Synagoge und Tempel ausgeschlossen. den Saum seines Gewandes. Vgl. 14,36. Wahrscheinlich eine der Quasten, die an den vier Ecken des Gewandes befestigt waren, um dessen Träger beständig an Gottes Gebote zu erinnern (4Mo 15,38-40; 5Mo 22,12).
9,22 hat dich gerettet. Das kann auch übersetzt werden mit »hat dich geheilt«.
9,23 die Pfeifer und das Getümmel. Typische Trauerbräuche der damaligen Zeit (vgl. 2Chr 35,25). Zur Bestattung gehörten professionelle Klageweiber, die unter Nennung des Namens des Verstorbenen sowie anderer neulich verstorbener Angehöriger laut jammerten. Das Ergebnis war ein chaotisches Stimmengewirr.
9,24 es schläft. Jesus sagte damit nicht, der Tod des Mädchens sei eine Fehldiagnose, sondern prophezeite, dass sie wieder leben werde. Ähnliches sagte er über den Tod des Lazarus (Joh 11,11) – und musste dann den Jüngern erklären, dass er bildhaft sprach (Joh 11,14). Schlaf ist im NT eine Bezeichnung für den Tod (vgl. 1Kor 11,30; 15,51; 1Th 5,10). sie lachten ihn aus. Wie schnell wandelte sich ihr bezahlter Dienst des Klagens zu Spott!
9,27 Sohn Davids. Vgl. 1,1; 12,23; 21,9.15. Ein messianischer Titel (s. Anm. zu 1,1). S. 20,29-34 für ein auffallend ähnliches und doch separates Ereignis.
9,29 nach eurem Glauben. S. Anm. zu 8,13.
9,30 Seht zu, dass es niemand erfährt. S. Anm. zu 8,4.
9,34 Obersten der Dämonen. Die Pharisäer hatten Jesu Macht zur Genüge gesehen, um zu wissen, dass es Gottes Kraft war. Doch in ihrem mutwilligen Unglauben sagten sie, seine Kraft komme vom Teufel. S. Anm. zu 12,24; vgl. 25,41; Mk 3,22; Lk 11,15.
9,35 jede Krankheit und jedes Gebrechen. In einem beispiello- sen Heilungsdienst verbannte Jesus jegliche Krankheit. Damit bezeugte er eindrücklich seine Gottheit – und das macht seine Ablehnung durch die Juden umso verwerfl icher S. Anm. zu 12,15.
9,36 empfand er Mitleid. Wörtl. »wurde er innerlich bewegt«. Weil Jesus Mensch war, hatte er gegenüber Sündern solche Regungen menschlichen Mitgefühls. Er wurde von Mitgefühl »bewegt«. Gott hingegen ist unveränderlich und ist nicht dem Kommen und Gehen unterschiedlicher Gefühle unterworfen (4Mo 23,19). Aber Christus, der vollkommen Mensch war und alle menschlichen Regungen besaß, wurde einige Male sogar zu Tränen bewegt angesichts der Not von Sündern (Lk 19,41; s. Anm. zu Lk 13,34). Gott selbst drückte durch die Propheten entsprechendes Mitgefühl aus (2Mo 33,19; Ps 86,15; Jer 8,23; 13,17; 14,17). ermattet und vernachlässigt. Die geistlichen Nöte der Menschen brauchten noch dringender Abhilfe als alle körperlichen Gebrechen.Dazu waren weitere Arbeiter erforderlich (V. 37).
9,37 Ernte. Vgl. Lk 10,1.2. Der Herr sprach von der geistlichen Ernte von Seelen, die errettet werden.
9,38 Darum bittet. Das bestätigte die Tatsache, dass die Gebete der Gläubigen an der Erfüllung von Gottes Plänen beteiligt sind.
10,1 Jünger … Apostel. »Jünger« bedeutet »Schüler« oder »Lehr- ling«, d.h. jemand, der von einem anderen unterrichtet wird. »Apostel« sind qualifi zierte Repräsentanten, die mit einem Auftrag ausgesandt werden. Beide Begriffe betonen unterschiedliche Aspekte ihrer Berufung. 10,1 gab ihnen Vollmacht. S. Anm. zu 2Kor 12,12. Jesus verlieh den Aposteln seine Macht, um dadurch klar zu zeigen, dass er und sein Reich sowohl über die natürliche und geistliche Welt erhaben sind, als auch über die Folgen der Sünde und das Wirken Satans. Das war eine beispiellose Machtdemonstration, wie sie in der gesamten Heilsgeschichte noch nie vorgekommen war. Die Zeichen und Wunder verkündigten, dass der Messias gekommen war, und sie bestätigten die Apostel, die sein Evangelium verkündigten. Diese Macht war ein Vorausblick auf die Macht, die Christus in seinem irdischen Reich ausüben wird, wenn Satan gebunden (Offb 20) und der Fluch über die Schöpfung weggenommen ist (Jes 65,20-25).
10,2 Die Namen der zwölf Apostel. Die 12 werden stets in glei- cher Reihenfolge aufgeführt (vgl. Mk 3,16-19; Lk 6,13-16; Apg 1,13). Petrus wird immer als erster genannt. Die Liste besteht aus 3 Gruppen zu 4 Aposteln. Die 3 Untergruppen stehen immer in derselben Reihenfolge, und der erste Name in jeder Untergruppe ist stets derselbe, wenngleich die Anordnung innerhalb der Untergruppen leicht voneinander abweichen kann. Und Judas Ischariot wird immer als letzter genannt. Petrus … Andreas; Jakobus … und Johannes. Die erste Vierergruppe ist uns am vertrautesten. Diese zwei Brüderpaare waren allesamt Fischer; sie bildeten einen inneren Kreis der Jünger und waren dem Herrn oft am nächsten (s. Anm. zu 17,1). Jakobus, der Sohn des Alphäus. Im NT gibt es vier Männer namens Jakobus: 1.) der Apostel Jakobus, der Bruder des Johannes (s. Anm. zu 4,21); 2.) der hier erwähnte Jünger, der auch der »jüngere Jakobus« genannt wird (Mk 15,40); 3.) Jakobus, der Vater des Judas (nicht des Ischariot, Lk 6,16) und 4.) Jakobus, der Halbbruder des Herrn (Gal 1,19; Mk 6,3), der den Jakobusbrief schrieb. Letzterer spielte auch eine führende Rolle in der ersten Gemeinde in Jerusalem (Apg 12,17; 15,13; Gal 1,19).
10,3 Lebbäus, mit dem Beinamen Thaddäus. An anderer Stelle wird er Judas, Sohn des Jakobus, genannt (Lk 6,16; Apg 1,13).
10,4 Simon, der Kananiter. Die besseren Handschriften lesen »Ka- naanäer«; so hießen die Zeloten, die entschlossen waren, die römische Herrschaft in Palästina zu stürzen. In Apg 1,13 wird er »Simon der Zelot« genannt. Bevor Simon zu Christus kam, gehörte er wahrscheinlich den Zeloten an. S. Anm. zu Mk 3,18.
10,5 – 11,1 Dieser Abschnitt ist die zweite von fünf bedeutenden Reden des Herrn im Matthäusevangelium (s. Einleitung: Historische und theologische Themen). 10,5 Begebt euch nicht auf die Straße der Heiden. Christus verbot den Jüngern nicht, zu Heiden oder Samaritern zu predigen, wenn sie ihnen unterwegs begegneten, aber sie mussten ihre Botschaft zuerst dem Bundesvolk bringen (vgl. Röm 1,16).
10,6 verlorenen Schafen des Hauses Israel. Vgl. 15,24; Jer 50,6. Jesus engte diese Priorität noch weiter ein, als er sagte, das Evangelium gelte nur denen, die sich ihrer geistlichen Not bewusst sind (9,13) und wissen, dass sie einen Arzt brauchen (Lk 5,31.32).
10,7 nahe herbeigekommen. S. Anm. zu 3,2.
10,8 Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es. Je- sus verlieh ihnen die Macht, Kranke zu heilen und Tote aufzuerwecken. Hätten sie ihre Dienste um Geld angeboten, wären sie reich geworden. Doch das hätte die Botschaft der Gnade verdunkelt, die zu verkündigen Christus sie gesandt hatte. Deshalb untersagte er ihnen, Geld für ihren Dienst zu nehmen. Sie durften aber Unterstützung annehmen, die ihre Grundbedürfnisse deckten, denn ein Arbeiter ist solcher Unterstützung wert (V. 10).
10,9 S. Anm. zu Lk 9,3. Die Einschränkung ihrer Ausrüstung galt einzig und allein für diesen speziellen Auftrag. S. Lk 22,36, wo Christus bei einer späteren Aussendung ganz andere Anweisungen erteilte. Hier ging es darum, dass sie lernten, dem Herrn zu vertrauen, dass er für sie sorgte. Das tat er durch die Freigebigkeit der Menschen, denen sie dienten. Und die den Segen ihres Dienstes empfi ngen, sollten lernen, die Diener Christi zu unterstützen. Vgl. 1Tim 5,18.
10,13 Friede. Das entspricht dem hebr. Wort »Schalom« und be- zeichnet Wohlfahrt, Wohlstand und Segen.
10,14 eure Worte hören. Vorrangig war die Verkündigung, dass der König gekommen und sein Reich nahe war. Die Botschaft war die Hauptsache. Die Zeichen und Wunder sollten die Botschaft als echt erweisen. schüttelt den Staub von euren Füßen. Für Juden war es üblich, den Staub von ihren Füßen zu schütteln, wenn sie aus heidnischen Regionen heimkehrten. Das war ein Ausdruck der Verachtung. Als Paulus und Barnabas aus Antiochia vertrieben wurden (Apg 13,51), taten sie das als sichtbaren Protest und als Zeichen dafür, dass sie den Ort als so übel ansahen wie heidnisches Land.
10,15 Sodom und Gomorra. Diese Städte und ihre ganze Umge- gend wurden ohne Vorwarnung und mit größter Strenge gerichtet. S. Anm. zu 1Mo 19,1-29.
10,16 Wölfe. Eine Beschreibung falscher Propheten, die die wahren Propheten verfolgen und die Gemeinde zerstören wollen (vgl. 7,15; Lk 10,3; Apg 20,29). S. Anm. zu Lk 10,3.
10,17 ausliefern. Ein technischer Begriff, der in diesem Zusammen- hang bedeutet, einen Häftling der Bestrafung zu übergeben. Die Verfolgung von Gläubigen ist oft offi zielle Politik von Regierungen gewesen. Verfolgungen sind eine Gelegenheit, die Wahrheit des Evangeliums zu bezeugen. Vgl. Joh 16,1-4; 2Tim 4,16.
10,19 sorgt euch nicht. S. Anm. zu Lk 12,11.
10,21 Diese Verse haben eindeutig eine eschatologische Bedeu- tung, die über den direkten Auftrag an die Jünger hinausgeht. Die Verfolgungen, die Jesus beschreibt, gehören offenbar in die Drangsalszeit vor Christi Wiederkunft, auf welche in V. 23 angespielt wird.
10,22 Wer aber ausharrt bis ans Ende. S. Anm. zu 24,13. 10,24 nicht über. Wenn der Lehrer (Christus) leidet, werden auch seine Schüler leiden. Wenn sie den Herrn (Christus) lästern, werden sie auch seine Sklaven verfl uchen. Das ist eine Verheißung von Verfolgung. Vgl. Joh 15,20.
10,25 Beelzebul. Diese Gottheit der Philister stand in Verbindung mit satanischem Götzendienst. Der Name wurde für Satan gebraucht, den Obersten der Dämonen (s. Anm. zu 2Kö 1,2; Lk 11,15).
10,28 fürchtet vielmehr den. Gott ist es, der den Menschen in der Hölle verdirbt. Vgl. Lk 12,5. Verfolger können nur den Körper antasten.
10,29 ohne euren Vater. D.h. nicht lediglich »ohne sein Wissen«. Der Herr lehrte, dass Gott in seiner Fürsorge die Zeiten und Umstände solch unbedeutender Ereignisse lenkt, wie z.B. den Tod eines Spatzen. Sogar die Anzahl der Haare auf dem Kopf untersteht seinem souveränen Willen (V. 30). Anders gesagt: Die Fürsorge Gottes lenkt sogar die kleinsten Einzelheiten und die vergänglichsten Dinge.
10,32 sich zu mir bekennt. Wer Christus als Herrn im Leben oder nötigenfalls auch im Sterben bekennt, den wird der Herr vor Gott als sein Eigentum anerkennen. S. Anm. zu 13,20; 2Tim 2,10-13.
10,33 S. Anm. zu Lk 12,9.
10,34 nicht … Frieden … sondern das Schwert. Das Ergebnis des Evangeliums ist zwar Frieden mit Gott (Joh 14,27; Röm 8,6), doch bringt das Evangelium häufi g Konfl ikt. Die Bekehrung zu Christus kann zu Spannungen in der Familie führen (V. 35.36), zu Vertreibung und sogar zum Tod. Wer dem Herrn Jesus nachfolgt, muss willig sein, solche Nöte zu erleiden (V. 32.33.37-39). Christus wird zwar »Friedefürst« genannt (Jes 9,5), doch will er uns nicht der Illusion überlassen, er berufe uns zu einem konfl iktfreien Leben.
10,35 Ein Zitat aus Mi 7,6.
10,38 sein Kreuz auf sich nimmt. Hier erwähnt der Herr Je- sus das Wort »Kreuz« zum ersten Mal gegenüber seinen Jüngern (s. Anm. zu 16,21). Bei diesem Ausdruck müssen sie an einen grausamen, schmachvollen Tod gedacht haben (s. Anm. zu 27,31). Der Herr forderte von ihnen völlige Hingabe – sogar bis hin zum körperlichen Tod – und machte diesen Ruf zur vollständigen Lebensübergabe zum Bestandteil der Botschaft, die sie anderen zu verkündigen hatten. Derselbe Aufruf zu einer Hingabe an Christus auf Leben oder Tod wird wiederholt in 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23; 14,27. Wer in diesem selbstverleugnenden Glauben zu Christus kommt, wird wahres und ewiges Leben fi nden (V. 39).
10,40 Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf. Christus lebt in den Seinen. Sie kommen in seinem Namen als seine Botschafter (2Kor 5,20). Deshalb werden sie so behandelt werden, wie er behandelt wurde (vgl. 18,5; 25,45; Lk 9,48).
10,41 weil er ein Prophet ist … weil er ein Gerechter ist. Das ist eine Erweiterung des Prinzips aus V. 40. Wer die Gesandten des Herrn aufnimmt, nimmt ihn auf (vgl. 25,40).
10,42 Geringen. Gläubige. S. Anm. zu 18,3-10; 25,40.
11,1 in ihren Städten. D.h. in Galiläa. Gleichzeitig waren auch die Jünger in den jüdischen Städten in der Umgegend Galiläas im Einsatz (10,5.6).
11,3 Bist du derjenige, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Johannes der Täufer hatte Christus als den Einen vorgestellt, der fl ammendes Gericht bringen und »die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen« würde (3,12). Die Wendung der Ereignisse verwirrte ihn: Er war verhaftet worden und Christus übte in Galiläa – fern von Jerusalem, der Stadt des Königs – nicht Gericht, sondern heilte die Menschen, fand dort aber keine ganz herzliche Aufnahme (vgl. 8,34). Johannes fragte sich, ob er die Agenda des Herrn missverstanden hatte. Es wäre falsch, diese Frage als wankenden Glauben zu deuten (V. 7).
11,4 berichtet dem Johannes. Jesus sandte die Johannesjünger als Augenzeugen vieler Wunder zu Johannes zurück. Offenbar tat er diese Wunder vor ihren Augen. So konnten sie Johannes berichten, selber den Beweis dafür gesehen zu haben, dass er wirklich der Messias ist (vgl. Jes 29,18.19; 35,5-10). Man beachte, dass er Johannes keine weitere Erklärung gab, da er genau wusste, wie stark dessen Glaube war (vgl. 1Kor 10,13).
11,10 Ein Zitat aus Mal 3,1.
11,11 der Kleinste … ist größer als er. Johannes war größer als die Propheten des Alten Testaments, weil er das, was sie lediglich vorausgesagt hatten, mit eigenen Augen gesehen hatte und an der Erfüllung sogar beteiligt war (V. 10.13; vgl. 1Pt 1,10.11). Doch alle Gläubigen nach Golgatha sind noch größer, weil sie am vollen Verständnis und der Erfahrung dessen teilhaben, was Johannes bloß schattenhaft voraussah: das tatsächliche Erlösungswerk Christi.
11,12 leidet das Reich der Himmel Gewalt. Von Anfang seines Wirkens an erweckte Johannes der Täufer heftige Reaktionen. Nachdem er bereits verhaftet worden war, fi el er schließlich der Brutalität des Herodes zum Opfer. Doch das Reich Gottes kann niemals durch menschliche Gewalt unterworfen oder aufgehalten werden. Wo Matthäus schreibt: »Gewalttuende reißen es an sich« (wörtl. nach dem gr. Text), sagt Lukas: »Jedermann drängt mit Gewalt hinein« (Lk 16,16). Daher kann man die Bedeutung dieses Verses etwa so wiedergeben: »Das Reich drängt unaufhaltsam voran, und nur die Unaufhaltsamen drängen hinein«. Erneut zeigt der Herr, wie schwer es ist, ins Reich Gottes einzugehen (s. Anm. zu 7,13.14). 11,14 Er ist der Elia. D.h. er ist die Erfüllung von Mal 3,23.24 (s. 17,12.13). Die Juden wussten, dass Elia nicht gestorben war (vgl. 2Kö 2,11). Das bedeutet nicht, dass Johannes der zurückgekehrte Elia war. Johannes selbst stritt ab, Elia zu sein (Joh 1,21); doch er war im Geist und in der Kraft Elias gekommen (Lk 1,17). Wenn sie geglaubt hätten, wäre Johannes für sie die Erfüllung der Elia-Weissagung gewesen. S. Anm. zu Mk 9,13; Offb 11,5.6.
11,16 Kindern gleich. S. Anm. zu Lk 7,32.
11,19 isst und trinkt. S. Anm. zu Lk 7,34.
11,21 Wehe dir, Chorazin … Bethsaida! Beide Städte befanden sich in der Nähe von Kapernaum nicht weit vom Nordufer des Sees Genezareth. Tyrus … Zidon. Phönizische Städte am Ufer des Mittelmeers. Die Prophezeiung über die Zerstörung von Tyrus und Zidon (Hes 26-28) ging bis in alle Einzelheiten in Erfüllung.
11,22 erträglicher. Ein Hinweis darauf, dass im ewigen Gericht das Strafmaß der Größe des Vergehens entsprechen wird (s. Anm. zu 10,15; Mk 6,11; Lk 12,47.48; Hebr 10,29).
11,23 Kapernaum … erhöht … hinabgeworfen. Der Herr hatte Kapernaum als seine Heimatstadt erwählt, und deshalb stand ihr ein schwereres Urteil bevor. Kurioserweise ist nichts darüber berichtet, dass die Bewohner dieser Stadt jemals Jesus verspottet oder verhöhnt, aus der Stadt getrieben oder sein Leben bedroht hätten. Doch die Sünde dieser Stadt – Gleichgültigkeit gegenüber Christus – war größer als Sodoms Unmoral (vgl. 10,15).
11,25 Weisen und Klugen …Unmündigen. Das ist nicht ohne Ironie gesagt, denn die führenden Juden werden als Weise und Kluge bezeichnet, die Nachfolger Jesu hingegen als Unmündige (vgl. 18,3-10) – doch Gott hat diesen Jüngern die Wahrheit über den Messias und sein Evangelium geoffenbart. Vgl. 13,10-17.
11,26 so ist es wohlgefällig gewesen vor dir. Vgl. Lk 10,21.22. Das ist ein starkes Bekenntnis zur Souveränität Gottes über alle Menschengeschäfte. Im folgenden Vers behauptete Christus, dass ihm die Aufgabe gegeben ist, den Willen Gottes auszuführen. Diese Behauptung wäre gotteslästerlich, wenn Jesus weniger wäre als Gott.
11,28 Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Hier haben wir ein Echo auf die erste Seligpreisung (5,3). Es ist eine offene Einladung an alle Hörer. Sie ist allerdings so formuliert, dass nur diejenigen auf die Einladung eingehen werden, die von ihrer geistlichen Hoffnungslosigkeit niedergedrückt und vom eigenen Versuchen, sich durch Gesetzeswerke zu retten, beschwert sind. Die Menschheit ist in ihrer sündigen Rebellion so hartnäckig, dass alle Sünder ohne Ausnahme sich weigern, ihre geistliche Armut anzuerkennen, wenn Gott sie nicht in seiner Souveränität geistlich erweckt. Deshalb ist unsere Errettung, wie Jesus in V. 27 sagt, das souveräne Werk Gottes. Doch die Wahrheit der göttlichen Gnadenwahl aus V. 27 widerspricht nicht der freien Einladung an alle in V. 28-30.
11,29 so werdet ihr Ruhe fi nden. D.h. Ruhe von den unaufhörli- chen, fruchtlosen Versuchen, sich durch Gesetzeswerke selbst zu retten (vgl. Hebr 4,1-3.6.9-11). Das spricht von einer dauerhaften Ruhe durch die Gnade Gottes, die unabhängig von Werken ist (V. 30).
12,2 was am Sabbat zu tun nicht erlaubt ist. In Wirklichkeit war Ährenpfl ücken am Sabbat durch keinerlei Gesetz verboten. Verboten war Arbeit für Gewinn. Der Bauer durfte am Sabbat nicht ernten, aber der Wanderer durfte mit der Hand sammeln, um seinen Hunger zu stillen (5Mo 23,26).
12,3 Er aber sagte. In den V. 3-8 sagt der Herr, dass die Sabbat- gebote die lebensnotwendigen Verrichtungen (V. 3.4), den Gottesdienst (V. 5.6) oder Werke der Barmherzigkeit nicht untersagten (V. 7.8). Er bestätigte, dass der Sabbat zum Wohl des Menschen und zu Gottes Ehre gegeben wurde. Der Ruhetag war nie als versklavendes Joch für das Volk Gottes gedacht (Mk 2,27). S. Anm. zu Lk 6,9.
12,4 die Schaubrote. Das geweihte Brot aus dem Heiligtum. Es waren 12 Brotlaibe, die jeden Sabbat frisch gebacken und üblicherweise nur von den Priestern gegessen wurden (3Mo 24,5-9). Gott nahm an Davids Verhalten keinen Anstoß, als David und seine Männer von diesen Broten aßen, weil sie Hunger hatten (1Sam 21,5-7). S. Anm. zu Mk 2,26; Lk 6,30.
12,5 den Sabbat entweihen und doch ohne Schuld sind. D.h. die Priester müssen am Sabbat ihre Arbeit tun. Das beweist, dass manche Aspekte der Sabbatgebote keine unumstößlichen moralischen Prinzipien sind, sondern nur Vorschriften von zeremonieller Bedeutung.
12,6 der größer ist als der Tempel. Das war ein unverhülltes Be- kenntnis zur Gottheit. Der Herr Jesus war Gott in Menschengestalt – weit mehr als ein Gebäude, das Gott lediglich besuchte.
12,7 Barmherzigkeit und nicht Opfer. Ein Zitat aus Hos 6,6. S. Anm. zu 9,13.
12,8 der Sohn des Menschen ist Herr auch über den Sab- bat. Christus hat das Recht, nicht allein die von Menschen gemachten Sabbatregeln aufzuheben, sondern auch den Sabbat selbst – der zur Anbetung Gottes gedacht war. Auch das war ein unmissverständliches Bekenntnis seiner Gottheit – und das weckte sofort die heftige Empörung der Pharisäer (V. 14).
12,10 Darf man am Sabbat heilen? Die jüdische Überlieferung verbot ärztliche Versorgung am Sabbat, ausgenommen in lebensbedrohlichen Situationen. Doch kein Gebot aus dem AT untersagte am Sabbat das Verabreichen von Heilmitteln oder andere Werke der Barmherzigkeit. Gutes zu tun ist immer erlaubt.
12,15 er heilte sie alle. S. Anm. zu 9,35. Während der gesamten Zeit des AT gab es niemanden, der vergleichbare Kraft zur Heilung manifestierte. Heilungen waren im AT äußerst selten. Christus befand es für gut, seine Gottheit durch Heilungen, Totenauferweckungen und Dämonenaustreibungen zu erweisen. Das demonstrierte nicht nur die Macht des Messias über das Sichtbare und Unsichtbare, sondern auch Gottes Erbarmen über den von der Sünde geschlagenen Menschen. S. Anm. zu Joh 11,35.
12,16 befahl ihnen, dass sie ihn nicht offenbar machen soll- ten. S. Anm. zu 8,4. Christus versucht hier wahrscheinlich jedem falschen Eifer zu wehren, der aus ihm einen Helden und Eroberer machen wollte, was der falschen Messiaserwartung der Schriftgelehrten entsprach (s. Anm. zu V. 18).
12,18 Siehe, mein Knecht. Die Verse 18-21 zitieren Jes 42,1-4 und zeigen, dass der Messias (im Gegensatz zu den typischen Erwartungen der Rabbiner des 1. Jhdts.) nicht mit politischem Anspruch, mit militärischer Macht und mit Gepränge kommen würde, sondern in Sanftmut und Demut, und dass er sogar den »Heiden Gerechtigkeit verkünden« würde.
12,19 nicht streiten noch schreien. Vom Messias war vorausge- sagt, dass er keinen Aufstand anfachen und nicht mit Gewalt nach der Macht greifen würde.
12,20 das geknickte Rohr … den glimmenden Docht. Aus Rohr fertigten Hirten ihre Flöten. Hatten sie einen Knick bekommen, musste man sie wegwerfen. Ein glimmender Docht konnte kein Licht mehr spenden. Diese Dinge stehen für Menschen, die in den Augen der Welt unbrauchbar sind. Christus »zerbrach« oder »löschte« solche Menschen nicht aus, sondern heilte sie und richtete sie auf. Das veranschaulicht sein Mitgefühl für die Ärmsten der Verlorenen. Er kam nicht, um die Starken für einen Aufstand zu rekrutieren, sondern um den Schwachen Barmherzigkeit zu erweisen. Vgl. 1Kor 1,26-29.
12,23 Sohn Davids. S. Anm. zu 1,1.
12,24 Beelzebul. S. Anm. zu 10,25. Auch nachdem Jesus seine Gottheit auf so vielfältige und eindeutige Weise erwiesen hatte, erklärten die Pharisäer, er sei vom Teufel. Das war genau das Gegenteil von der Wahrheit – und sie wussten das (s. Anm. zu V. 31; vgl. 9,34; Mk 3,22; Lk 11,15).
12,28 das Reich Gottes zu euch gekommen. Genau das war die Wahrheit. Der König war in ihrer Mitte mit allen Erweisen seiner souveränen Macht. Er demonstrierte vor ihren vor Augen seine Gewalt, Satan und seine Dämonen zu binden (V. 29).
12,31 die Lästerung des Geistes. Hier verurteilt Jesus die Sünde der Pharisäer, dass sie mutwillig etwas verwarfen, wovon sie wussten, dass es von Gott war (vgl. Joh 11,48; Apg 4,16). Sie konnten nicht leugnen, dass die Werke, die der Heilige Geist durch Jesus tat, wirklich geschehen waren. So schrieben sie sie Satan zu, obwohl sie wussten, dass es Gottes Wirken war (V. 24; Mk 3,22).
12,32 dem wird vergeben werden. Wer nie die göttliche Kraft und Gegenwart des Herrn Jesus erlebt hat, kann ihn aus Unwissenheit ablehnen und später doch Vergebung erlangen – sofern der Unglaube echter Buße Platz macht. Selbst einem Pharisäer wie Saulus von Tarsus konnte vergeben werden, obwohl er »gegen den Sohn des Menschen geredet« und seine Jünger verfolgt hatte – weil sein Unglaube auf Unwissenheit beruhte (1Tim 1,13). Wer jedoch weiß, dass sein Anspruch wahr ist und ihn dennoch ablehnt, sündigt »gegen den Heiligen Geist«, denn es ist der Heilige Geist, der von Christus zeugt und uns seine Wahrheit offenbart (Joh 15,26; 16,14.15). Diese Pharisäer waren Augenzeugen seiner Wunder, kannten die Wahrheit seiner Aussagen und lästerten dennoch den Heiligen Geist. Für sie war keine Vergebung möglich, denn sie hatten die größtmögliche Offenbarung bereits verworfen. S. Anm. zu Hebr 6,4-6; 10,29.
12,36 von jedem unnützen Wort. Auch die scheinbar unbedeu- tendste Sünde – sogar ein Ausrutscher der Zunge – genügt, um den Menschen der ewigen Pein auszuliefern (vgl. Jak 3,6). Kein Verstoß gegen Gottes Heiligkeit ist belanglos, und daher wird jeder über alle derartigen Gedankenlosigkeiten Rechenschaft ablegen müssen. Nichts verrät die faule Art des Baumes so zuverlässig wie die faule Frucht der Sprache (V. 33.35). Die Ottern wurden an ihrem gifttriefenden Rachen erkannt, und dies wiederum verriet ihr böses Herz (V. 34; vgl. Lk 6,45). Jeder Mensch wird nach seinen Werken gerichtet werden, weil diese Werke den Zustand seines Herzens offenbaren.
12,38 wir wollen von dir ein Zeichen sehen. Sie erhofften sich ein Zeichen von astronomischer Größe (Lk 11,16). Stattdessen gibt Jesus ihnen ein »Zeichen« aus der Schrift. S. Anm. zu 16,1; 21,21.
12,39 Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht. Damit ist geistlicher Ehebruch gemeint, d.h. Untreue gegenüber Gott (vgl. Jer 5,7.8).
12,40 drei Tage und drei Nächte. Ein Zitat aus Jon 2,1. Diese Ausdrucksweise wurde gewöhnlich gewählt, wenn man die prophetische Bedeutung einer Zeitspanne unterstreichen wollte. Ein Ausdruck wie »vierzig Tage und vierzig Nächte« (s. Anm. zu 4,2) kann manchmal lediglich eine Dauer von mehr als einem Monat bezeichnen. »Drei Tage und drei Nächte« war eine nachdrückliche Art, »drei Tage« zu sagen. Nach jüdischer Zählweise verstand man darunter eine Zeitspanne, die mindestens Teile von 3 Tagen umfasste. Wenn Christus also an einem Freitag gekreuzigt wurde und am ersten Wochentag auferstand, würde das nach hebräischer Zählweise 3 Tage und 3 Nächte ergeben. Einige haben aufwendige Berechnungen erstellt, um nachzuweisen, Christus sei an einem Mittwoch oder Donnerstag gestorben, weil sie meinen, so müsse man die buchstäbliche Bedeutung dieser Worte verteidigen. Aber das ist an den Haaren herbeigezogen. Der damalige Sprachgebrauch braucht diese Sorte Erklärung nicht. S. Anm. zu Lk 13,32.
12,41 Männer von Ninive … taten Buße. S. Jon 3,5-10. Die Er- weckung in Ninive nach der Predigt von Jona gehört zu den bemerkenswertesten geistlichen Erweckungen, die die Welt jemals erlebt hat. Bisweilen wird behauptet, die Umkehr der Leute von Ninive habe nicht zum rettenden Glauben geführt, weil die Stadt innerhalb einer Generation zu ihrem früheren Heidentum zurückkehrte (vgl. Nah 3,7.8). Doch aus diesen Worten Jesu wird deutlich, dass es echte Bekehrungen waren. Erst die Ewigkeit wird zeigen, wie viele Seelen aus dieser einen Generation ins Reich Gottes eingingen.
12,42 Königin des Südens. S. 1Kö 10,1-13. Die Königin von Sche- ba kam, um Salomos Herrlichkeit zu sehen (s. Anm. zu 6,29) und bekam dabei die Herrlichkeit von Salomos Gott zu sehen (1Kö 10,9).
12,45 es wird zuletzt mit diesem Menschen schlimmer als zu- erst. Das Problem ist hier, dass der böse Geist das Haus »leer« vorfand (V. 44). Das ist jemand, der versucht, sich moralisch zu bessern, ohne dass der Heilige Geist in ihm wohnt. Besserung ohne Wiedergeburt taugt nicht und führt stets zum Rückfall ins frühere Verhalten.
12,46 Brüder. Die Halbbrüder von Jesus. Matthäus bringt sie ausdrücklich mit Maria in Verbindung und sagt damit, dass es keine Vettern oder Josephs Söhne aus einer früheren Ehe waren, wie einige Kirchenväter wissen wollten. Sie werden in allen Evangelien erwähnt (Mk 3,31; Lk 8,19-21; Joh 7,3-5). Matthäus und Markus nennen die Namen von 4 Brüdern Jesu und sagen, dass er auch Schwestern hatte (13,55; Mk 6,3). 12,48.49 Jesus lehnte seine irdische Familie nicht ab (vgl. Joh 19,26.27), sondern er unterstrich den Vorrang und die ewige Gültigkeit geistlicher Beziehungen (vgl. 10,37). Schließlich brauchten auch seine eigenen Familienangehörigen ihn als ihren Retter (vgl. Joh 7,5).
12,50 wer den Willen meines Vaters … tut. Das bedeutet nicht Errettung aus Werken. Wer den Willen Gottes tut, zeigt damit, dass er aus Gnade errettet ist. S. Anm. zu 7,21-27.
13,1 Dieser Abschnitt ist die dritte von 5 Reden im Matthäus- evangelium (s. Einleitung: Historische und theologische Themen).
13,3 in Gleichnissen. Gleichnisse waren im Judentum eine üb- liche Form der Unterweisung. Das gr. Wort für »Gleichnis« kommt in der LXX 45-mal vor. Ein Gleichnis ist ein längerer Vergleich, der häufi g in Form einer Geschichte erzählt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt seines Wirkens hatte Jesus viele Analogien verwendet (vgl. 5,13-16). Im Zusammenhang seiner Lehre war deren Bedeutung stets recht eindeutig. Gleichnisse erfordern aber eine tiefergehende Erklärung (vgl. V. 36) und Jesus benutzte sie, um die Wahrheit vor Ungläubigen zu verbergen, während er sie seinen Jüngern verdeutlichte (V. 11.12). Bei seinem weiteren Dienst in Galiläa sprach Jesus zu den Volksmengen von nun an nur noch in Gleichnissen (V. 34). Mit diesem Verschleiern der Wahrheit vor den Ungläubigen handelte Jesus sowohl richterlich als auch barmherzig. Es war ein »Gericht«, weil es die Ungläubigen in der Finsternis beließ, die sie so liebten (vgl. Joh 3,19), doch es war »Barmherzigkeit«, weil sie das Licht bereits verworfen hatten und somit jede weitere Offenbarung von Wahrheit nur noch mehr Verdammnis aufgehäuft hätte. S. Anm. zu V. 13.
13,4 an den Weg. Die Felder waren von Wegen begrenzt, die von Fußgängern festgetreten und von der Sonne gehärtet waren.
13,5 felsigen Boden. Sehr dünnes Erdreich oberhalb einer Fels- schicht. Von oben sah der Boden fruchtbar aus, doch fehlte es an Tiefe, um Wurzeln zu treiben und Wasser zu erreichen (V. 21).
13,7 Dornen. Unkraut, dessen Wurzeln auch noch nach dem Pfl ü- gen im Boden verblieben.
13,11 euch gegeben ist. Hier bestätigt Jesus ganz klar, dass die Fähigkeit zum Begreifen geistlicher Wahrheiten eine Gnadengabe Gottes ist, die er souverän den Erwählten verleiht (V. 11). Die Ungläubigen kommen hingegen nicht in diesen Genuss. Sie ernten die natürlichen Konsequenzen ihres eigenen Unglaubens und ihrer Rebellion: geistliche Blindheit (V. 13). die Geheimnisse des Reiches der Himmel. »Geheimnisse« sind jene Wahrheiten, die in allen früheren Zeitaltern verborgen waren und im NT offenbart wurden. S. Anm. zu 1Kor 2,7; 4,1; Eph 3,4.5. Viele Lehren des NT werden als »Geheimnisse« bezeichnet (z.B. Röm 11,25; 1Kor 15,51; Eph 5,32; 6,19; Kol 1,26.27; 2Th 2,7; 1Tim 3,9.16).
13,13 weil sie sehen und doch nicht sehen. Hier will Matthäus wohl sagen, dass ihr Unglaube die Ursache für ihre geistliche Blindheit ist. Lk 8,10 betont jedoch, dass Gott die Wahrheit aktiv vor diesen Ungläubigen verbirgt (»den anderen aber in Gleichnissen, damit sie sehen und doch nicht sehen und hören und doch nicht verstehen« – vgl. Jes 6,9). Natürlich ist beides wahr. Doch sollten wir nicht meinen, Gott verblende sie, weil er irgendwie Gefallen an ihrem Verderben habe (vgl. Hes 33,11; s. Anm. zu 23,37). Dieses richterliche Verblenden kann als Akt der Barmherzigkeit verstanden werden: Ihre Verdammnis sollte nicht noch gemehrt wurden (s. Anm. zu V. 3). 13,14.15 Ein Zitat aus Jes 6,9.10 (s. Anm. dort).
13,17 Viele … haben zu sehen begehrt. Vgl. Joh 8,56; 1Pt 1,9-12.
13,19 das Wort vom Reich. Die Botschaft, wie man in Gottes Reich gelangt und somit in die Sphäre des Heils. Dieses Wort ist das Evangelium (vgl. »Wort der Versöhnung« in 2Kor 5,19). der Böse. Satan. Vgl. 1Joh 5,19. Das Evangelium durchdringt diese Seelen nicht und verschwindet von der Oberfl äche ihres Verstandes. Das wird hier mit dem Feind beschrieben, der es wegnimmt.
13,20 felsigen Boden. Manche Menschen entscheiden sich emoti- onal und oberfl ächlich für die Errettung in Christus, aber diese Entscheidung ist nicht echt. Sie bleiben interessiert, solange es kein Opfer kostet, und geben dann Christus preis. S. Anm. zu 1Joh 2,19.
13,22 Unter die Dornen gesät. Solche Menschen treffen eine oberfl ächliche Entscheidung ohne wahre Buße. Sie schaffen es nicht, mit Geldliebe und Weltliebe zu brechen (Jak 4,4; 1Joh 2,15-17; s. Anm. zu 19,16-22).
13,23 das gute Erdreich. So wie es 3 Böden gibt, denen Frucht und damit die Errettung fehlt, so gibt es 3 Arten von gutem, Frucht bringenden Boden. Nicht alle Gläubigen sind gleich fruchtbar, aber alle sind fruchtbar (vgl. 7,16; Joh 15,8).
13,25 Unkraut. Wahrscheinlich Lolch; das ist ein Unkraut, das von Weizen kaum zu unterscheiden ist, bis die Ähre reift. Lolch auf das Weizenfeld eines anderen zu säen, war eine Taktik, mit der ein Bauer die Lebensgrundlage eines Feindes zerstören konnte. Das ist ein Bild für Satans Bemühungen, die Gemeinde zu verheeren. Er mischt seine Kinder unter Gottes Kinder und somit ist es für Gläubige manchmal unmöglich, falsche Christen von wahren zu unterscheiden. Das Gleichnis wird in V. 36-43 erklärt.
13,32 ein Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten. Die Senfpfl anzen in Palästina sind große Sträucher, die bis 4 m groß werden können. Für Vögel reicht das sicherlich aus, um darin zu nisten. Das ist zweifellos eine Parallele zu mehreren Stellen im Alten Testament wie Hes 17,23; 31,6; Dan 4,18. In diesen Abschnitten wird prophezeit, dass das Reich Gottes auch Heiden umfassen wird.
13,33 Das Reich der Himmel gleicht einem Sauerteig. Hier wird das Reich als Hefe dargestellt, die sich still vermehrt und alles durchdringt, womit sie in Berührung kommt. Die Lektion daraus ist dieselbe wie beim Gleichnis vom Senfkorn. Da Sauerteig in der Bibel fast immer ein Symbol für Böses ist (s. Anm. zu Mk 8,15), meinen einige Ausleger, er müsse auch hier diese Bedeutung haben. Der Sauerteig sei ein böser Einfl uss im Innern des Reiches. Das verdreht jedoch Jesu tatsächliche Worte und widerspricht dem Zusammenhang, in dem er wiederholt das Reich selbst als den durchdringenden Einfl uss beschreibt.
13,34 ohne Gleichnis redete er nicht zu ihnen. Bei seinem wei- teren Wirken in Galiläa lehrte Jesus in der Öffentlichkeit nur noch in Gleichnissen.
13,35 durch den Propheten gesagt. Der »Prophet« war in diesem Fall der Psalmist. S. Ps 78,2.
13,37 Der den guten Samen sät. Der wahre Sämann des Sa- mens der Errettung ist der Herr selbst. Er allein kann die umgestaltende Kraft ins Herz geben. Er ist der Eine, der Sünder rettet, und zwar durch die Verkündung und das Zeugnis von Gläubigen (Röm 10,14).
13,43 leuchten wie die Sonne. Vgl. Dan 12,3. Die Gläubigen leuchten bereits, da sie den Geist Christi und die herrliche Botschaft des Evangeliums haben (5,16; 2Kor 4,3-7). In der Herrlichkeit des Reiches Christi und in der himmlischen Ewigkeit werden wir noch heller leuchten (Röm 8,16-23; Phil 3,20.21; Offb 19,7-9).
13,44 Diese beiden Gleichnisse haben eine identische Bedeu- tung. Beide beschreiben die Erlösung als etwas, was vor den meisten Menschen verborgen ist (s. Anm. zu V. 11), das aber einen solchen Wert hat, dass die Menschen, denen die Erlösung offenbart wird, bereitwillig alles aufgeben, um sie zu besitzen.
13,47 Netz. Damals wurde u.a. mit einem großen, mit Gewichten versehenen Netz gefi scht, das über den Grund des Sees gezogen wurde. Wenn es an Land gebracht wurde, musste sein vielfältiger Inhalt sortiert werden. Ebenso umfasst das sichtbare Reich Gottes – die Sphäre der bekennenden Gläubigen – echte und falsche Christen, die beim Gericht aussortiert werden. 13,49 Engel. Sie dienen Gott beim Gericht (vgl. V. 41; 2Th 1,710).
13,52 der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt. Die Jünger sollten nicht das Alte zugunsten des Neuen verwerfen. Vielmehr sollten sie die neuen Erkenntnisse, die sie aus Jesu Gleichnissen gewonnen hatten, im Licht der alten Wahrheiten verstehen und umgekehrt.
13,54 seine Vaterstadt. D.h. Nazareth.
13,55 seine Brüder. S. Anm. zu 12,46. Da Joseph in keinem dieser Berichte vorkommt, ist anzunehmen, dass er nicht mehr lebte.
13,57 Ein Prophet … in seinem Vaterland. Das ist ein altes Sprichwort. Seine Familie kannte Jesus zu gut, wie er noch ein Knabe und ein junger Mann aus ihrer eigenen Stadt war. Daraus schlossen sie, dass er nichts Besonderes sein könne. Vers 58 zeigt die traurige Folge (vgl. Mk 6,4).
13,58 er tat dort nicht viele Wunder. S. Anm. zu Mk 6,5.
14,1 Über die Ermordung von Johannes dem Täufer wird auch berichtet in Mk 6,14-29; vgl. Lk 9,7-9. 14,1 Herodes. S. Anm. zu 2,22. Hier handelt es sich um Herodes Antipas, den Herrscher über Galiläa. Vierfürst. Einer von vier Herrschern einer geteilten Region. Nach dem Tod von Herodes dem Großen wurde Palästina unter seinen Söhnen aufgeteilt. An anderer Stelle bezeichnet Matthäus Herodes als »König« (V. 9), weil das der Titel war, unter dem er unter den Galiläern bekannt war.
14,3 Herodias, der Frau seines Bruders Philippus. Herodias war die Tochter von Aristobul, einem weiteren Sohn Herodes des Großen. Mit ihrer Eheschließung mit Philippus heiratete Herodias also den Bruder ihres eigenen Vaters. Herodes Antipas (ebenfalls Onkel von Herodias) überredete Herodias, ihren Mann (seinen Bruder) zu verlassen und ihn zu heiraten (Mk 6,17). Das war Inzest sowie ein Verstoß gegen 3Mo 18,16. Johannes war empört, dass ein Regent in Israel eine solche Sünde öffentlich beging, und tadelte Herodes (V. 4). Dafür wurde er inhaftiert und später umgebracht (Mk 6,14-29).
14,6 die Tochter der Herodias. Salome, die Tochter von Herodias und Philippus. Dem jüdischen Historiker Josephus zufolge heiratete sie einen weiteren Sohn Herodes des Großen (den Bruder ihres eigenen Vaters und den Onkel ihrer Mutter) und verschlimmerte somit die inzestuösen Verwicklungen in dieser Familie.
14,8 von ihrer Mutter angeleitet. S. Anm. zu V. 6.
14,9 um des Eides willen. Wenn ein Versprechen mit einem be- stimmten Eid gegeben worden war, galt es als heilig und unantastbar (s. Anm. zu 5,34), insbesondere wenn es von einem herrschenden Monarchen gegeben worden war. Herodes war weithin für seine Doppelzüngigkeit bekannt und machte sich daher gewiss keine Sorgen um seine Ehrlichkeit, sondern mehr um sein eigenes Ansehen. Er wollte sich vor seinen Gästen nicht blamieren.
14,12 begruben ihn. Seine Jünger begruben ihn in einer Höhle (Mk 6,29).
14,13 die Volksmenge … folgte ihm … zu Fuß nach. Sie legten lange Fußmärsche zurück, um an den Landeplatz seines Bootes zu gelangen.
14,14 erbarmte sich. Wörtl. »wurde innerlich bewegt«. S. Anm. zu 9,36.
14,16 Gebt ihr ihnen zu essen. Jesus wusste, dass sie nicht genug Lebensmittel hatten, um der Menge zu essen zu geben. Die Jünger sollten das aber offen aussprechen, damit der Bericht deutlich bezeugt, dass Jesus durch seine Macht ein Wunder wirkte (V. 17.18). S. 16,9.10.
14,24 litt Not von den Wellen. S. Anm. zu 8,24.27.
14,25 vierte Nachtwache. 3.00 – 6.00 Uhr morgens.
14,33 du bist Gottes Sohn. Vgl. 27,43.54.
14,34 Genezareth. Eine Stadt am NW-Ufer des nach ihr benann- ten Sees Genezareth.
14,36 den Saum seines Gewandes. S. Anm. zu 9,20.
15,2 die Überlieferung der Alten. Eine Ansammlung außerbib- lischer Gesetze, die nur mündlich überliefert waren und erst aus der Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft stammten. Später, gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., wurden diese Gesetze in der Mischna aufgeschrieben. Im mosaischen Gesetz gab es kein Gebot über das Händewaschen vor dem Essen, außer für die Priester, die sich vor dem Verzehr der heiligen Opfergaben waschen mussten (3Mo 22,6.7).
15,3 übertretet. In V. 4-6 wird gezeigt, dass die Sünde darin be- stand, dass man sich mit klugen Argumenten von der Pfl icht befreite, die Eltern zu ehren. Die Gebote Gottes waren eindeutig (zitiert aus 2Mo 20,12; 21,17; 5Mo 5,16). Aber um diese Gebote zu umgehen, behaupteten manche, sie könnten ihre Eltern nicht fi nanziell unterstützen, weil sie einen bestimmten Geldbetrag Gott geweiht hätten, der ja schließlich größer sei als die Eltern. Die Rabbinen hatten diese Ausnahme von den Geboten Moses gebilligt und damit Gottes Gesetz für nichtig erklärt (V. 6).
15,6 so habt ihr das Gebot Gottes um eurer Überlieferung willen aufgehoben. S. Anm. zu Mk 7,13.
15,8 Ein Zitat aus Jes 29,13.
15,11 was aus dem Mund herauskommt, das verunreinigt den Menschen. Das Volk konnte sich zeremoniell verunreinigen (unter dem Alten Bund), wenn sie etwas Unreines aßen. Wenn sie jedoch etwas Sündiges sagten, verunreinigten sie sich moralisch (vgl. Jak 3,6). Hier unterscheidet der Herr klar zwischen den zeremoniellen Aufl agen des Gesetzes einerseits und dessen unumstößlichem Moralmaßstab andererseits. Zeremonielle Verunreinigung konnte mit zeremoniellen Mitteln behoben werden; doch moralische Verunreinigung verdirbt die Seele des Menschen.
15,14 Lasst sie. Dieses schwere Urteil ist eine Form des Zornes Gottes. Es zeigt, dass Gott die Verurteilten preisgibt. In Röm 1,18-32 heißt es, dass Gott Menschen »dahingibt« (s. Anm. dort). Vgl. Hos 4,17.
15,15 dieses Gleichnis. D.h. V. 11. Das »Gleichnis« ist überhaupt nicht schwer zu verstehen, doch fi el es auch den Jüngern schwer, es anzunehmen. Sogar Jahre später war es für Petrus noch schwierig zu akzeptieren, dass alle Speisen rein sind (Apg 10,14).
15,22 Sohn Davids. S. Anm. zu 1,1.
15,24 verlorenen Schafen des Hauses Israel. S. Anm. zu 10,6.
15,26 das Brot der Kinder. Die verlorenen Schafe des Hauses Israel mussten die Speise zuerst bekommen, dann erst die kleinen »Hunde« (s. Anm. zu 10,5). Christus benutzte hier ein Wort, das ein Haustier bezeichnet. Was er zu dieser Frau sagt, darf nicht als hart oder herzlos verstanden werden. In Wirklichkeit entlockte er ihr damit ein Bekenntnis ihres Glaubens (V. 27).
15,29 kam an den See von Galiläa. Er kam von der Gegend nördlich von Tyrus nach Zidon und schlug dann einen weiten Bogen um das Ostufer des Sees Genezareth und gelangte so ins Zehnstädtegebiet (Mk 7,31), eine vorwiegend heidnische Gegend. Diese Route wählte er vielleicht, um das Herrschaftsgebiet von Herodes Antipas zu umgehen (vgl. 14,1.2). Die folgenden Ereignisse müssen sich im Zehnstädtegebiet zugetragen haben (s. Anm. zu 4,25).
15,33 Woher sollen wir … so viele Brote nehmen? Es verwun- dert nicht, dass der Herr die Jünger »Kleingläubige« nennt (8,26; 14,31; 16,8; 17,20), da sie diese Frage stellten, obwohl sie kurz zuvor die Speisung der 5.000 erlebt hatten (14,13-21).
15,34 S. Anm. zu 14,16. Wiederum ließ der Herr sie um des schriftli- chen Zeugnisses willen bekennen, über wie wenig Nahrungsmittel sie in Anbetracht der riesigen Volksmenge verfügten. Dadurch wird deutlich, dass die Speisung ein Wunder und damit ein Erweis der Gottheit Jesu war.
15,38 4 000. Christus beendete sein Wirken in Galiläa mit der Spei- sung der 5000 (14,13-21). Hier beendet er sein Wirken in der heidnischen Region mit einer Speisung von 4000. Sein Wirken in Jerusalem beendete er später im Obersaal mit einem Mahl mit seinen zwölf Jüngern.
16,1 ein Zeichen aus dem Himmel. S. Anm. zu 12,38. Diesmal tadelte Jesus sie, weil sie so gierig nach himmlischen Zeichen ausschauten, dass sie nicht einmal die offensichtlichen Zeichen der Zeit deuten konnten. Dann verwies er sie auf dasselbe Zeichen, das er ihnen bereits zuvor genannt hatte: das Zeichen des Propheten Jona (V. 4; vgl. 12,39).
16,2 Ihre Methode der Wettervorhersage war denkbar einfach, doch ihr Urteilsvermögen bezüglich geistlicher Dinge erreichte nicht einmal dieses Niveau. In ihrer Mitte war der seit langem verheißene und erwartete Messias – und sie weigerten sich, ihn anzuerkennen.
16,6 Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer. Als Jesus vor die- sem gefährlichen Einfl uss warnte, dachten die Jünger, er spreche von Backwaren. Wiederum erinnerte der Herr daran, dass er für reichlich Brot gesorgt hatte und dass sie das Brot der Pharisäer nicht brauchten. Wie schnell vergaßen sie doch die Wunder. S. Anm. zu 13,33.
16,12 Lehre der Pharisäer und Sadduzäer. Hier ist der Sauerteig der Pharisäer ihre »Lehre«. In Lk 12,1 ist es ihre »Heuchelei«. Diese beiden Dinge gehören untrennbar zusammen. Der gefährlichste Einfl uss der führenden Juden war eine pragmatische Lehre, die den Weg für Heuchelei ebnete. Äußerlichkeiten, Rituale und der äußere Schein waren ihnen enorm wichtig, die Dinge des Herzens hingegen vernachlässigten sie. Wieder und wieder rügte der Herr ihre Heuchelei. S. Anm. zu 23,25.
16,13 Cäsarea Philippi. Ein Gebiet etwa 40 km nördlich von Galiläa am Fuß des Hermon. Dieses Cäsarea darf nicht verwechselt werden mit dem gleichnamigen Ort, den Herodes der Große am Mittelmeer gebaut hatte.
16,16 des lebendigen Gottes. Ein alttestamentlicher Name für Jahwe (z.B. 5Mo 5,26; Jos 3,10; 1Sam 17,26.36; 2Kö 19,4.16; Ps 42,3; 84,3; Dan 6,27; Hos 2,1). Er verdeutlicht den Gegensatz zu den toten und stummen Götzen (Jer 10,8; 18,15; 1Kor 12,2).
16,17 Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart. Der Herr hatte stets mit feinen Anspielungen auf alttestamentliche Weissagungen seinen messianischen Anspruch angedeutet. Außerdem hatte er diesen Anspruch durch Wunderwerke untermauert. Er hatte Petrus und den Aposteln nie ausdrücklich gesagt, wer er wirklich ist. Gott, der Vater, hatte Petrus die Augen für die volle Bedeutung dieser Fingerzeige auf Jesu Identität geöffnet und Petrus geoffenbart, wer Jesus wirklich ist. Anders ausgedrückt: Gott hatte das Herz des Petrus geöffnet für eine tiefere Erkenntnis Christi durch Glauben. Petrus äußerte nicht nur eine intellektuelle Auffassung, wer Jesus sei, sondern legte ein Bekenntnis seines persönlichen Glaubens ab. Das war möglich, weil Gott ihm ein neues Herz gegeben hatte.
16,18 auf diesen Felsen. Die gr. Form von Petrus, Petros, bedeutet »kleiner Stein« (Joh 1,42). Jesus machte hier ein Wortspiel mit dem Begriff petra, der einen Felsblock bezeichnet (vgl. 7,24.25). Da das NT zur Genüge verdeutlicht, dass Christus sowohl der Grund der Gemeinde ist (Apg 4,11.12; 1Kor 3,11), als auch ihr Haupt (Eph 5,23), wäre es falsch zu sagen, der Herr habe hier eine dieser Rollen auf Petrus übertragen. In einem gewissen Sinne hatten die Apostel eine grundlegende Aufgabe beim Bau der Gemeinde (Eph 2,20), doch die Rolle des Primats steht nicht Petrus zu, sondern ist allein Christus vorbehalten. Somit werden Jesu Worte hier am besten als simples Wortspiel verstanden: Aus dem Mund des »kleinen Steins« kam eine Wahrheit von der fundamentalen Bedeutung eines Felsblocks. Petrus selbst erläutert dieses Bild in seinem 1. Brief: Die Gemeinde besteht aus »lebendigen Steinen« (1Pt 2,5), die wie Petrus bekennen, dass Jesus der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes. Und Christus selbst ist der »Eckstein« (1Pt 2,6.7). Gemeinde. Matthäus ist das einzige Evangelium, in dem dieser Begriff vorkommt (s.a. 18,17). Christus nannte sie »meine Gemeinde« und betonte damit, dass allein er ihr Architekt, Baumeister, Eigentümer und Herr ist. Das gr. Wort für Gemeinde bedeutet »Herausgerufene«. Gott hatte von Anfang der Heilsgeschichte an seine aus Gnade Erlösten versammelt. Doch die einzigartige Gemeinde, die zu bauen er verheißen hatte, begann an Pfi ngsten mit dem Kommen des Heiligen Geistes, durch den der Herr die Gläubigen in seinen Leib, die Gemeinde, taufte (s. Anm. zu Apg 2,14; 1Kor 12,12.13). die Pforten des Totenreiches. Das Totenreich (gr. »Hades«) ist der Ort, wo die Geister der verstorbenen Ungläubigen bestraft werden. Die Eingangstür in den Hades ist der Tod. Daher sind »die Pforten des Hades« ein jüdischer Ausdruck für den Tod. Sogar der Tod, die letzte Waffe Satans (vgl. Hebr 2,14.15), kann die Gemeinde nicht aufhalten. Das Blut der Märtyrer hat sogar das Wachstum der Gemeinde an Zahl und geistlicher Kraft beschleunigt.
16,19 die Schlüssel des Reiches der Himmel. Zeichen der Auto- rität. Hier verleiht Christus Petrus (und im weiteren Sinne allen anderen Gläubigen) die Autorität zu erklären, was im Himmel gebunden und was gelöst ist. Das ist ein Echo auf die Verheißung aus Joh 20,23, wo Christus seinen Jüngern die Autorität gibt, den Menschen die Sünden zu vergeben oder zu behalten. Das alles muss im Kontext von Matth 18,1517 verstanden werden, wo Christus spezifi sche Anweisungen erteilt, wie in der Gemeinde mit Sünde umzugehen ist (s. Anm. zu 18,15). Letztlich bedeuten diese Schriftstellen, dass jede rechtmäßige Gruppe von Gläubigen, die in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes handelt, mit Autorität erklären kann, ob jemandem vergeben ist oder nicht. Die Autorität der Gemeinde ist nicht, diese Dinge zu bestimmen, sondern auf der Grundlage des Wortes Gottes das Urteil des Himmels zu verkünden. Wenn die Gläubigen solche Urteile aufgrund der Schrift treffen, können sie sicher sein, dass sie mit dem Himmel übereinstimmen. Anders gesagt: Was immer sie auf Erden »binden« oder »lösen«, ist im Himmel bereits »gebunden« oder »gelöst«. Wenn die Gemeinde sagt, der unbußfertige Mensch ist noch in Sünde gebunden, erklärt die Gemeinde damit das, was Gott über diesen Menschen sagt. Wenn die Gemeinde anerkennt, dass ein bußfertiger Mensch von der Sünde befreit worden ist, stimmt Gott zu.
16,20 dass sie niemand sagen sollten. S. Anm. zu 8,4; 12,16.
16,21 Von da an. An dieser Stelle beginnt ein neuer Schwerpunkt im Matthäusevangelium. Matthäus lenkt die Aufmerksamkeit weg von Jesu öffentlichem Wirken auf seine persönlichen Unterweisungen an die Jünger, die einen neuen, düsteren Unterton annehmen. Die Jünger hatten ihren Glauben an ihn als Messias bekannt. Von nun an bereitete er sie auf seinen Tod vor. S. Anm. zu 20,19.
16,23 Weiche von mir, Satan! Die Schärfe dieses Tadels steht im krassen Gegensatz zu Jesu lobenden Worten in V. 17-19. Der Herr sagte damit, dass Petrus hier ein Sprachrohr Satans war. Jesu Tod gehörte zum souveränen Plan Gottes (Apg 2,23; 4,27.28). »Dem Herrn gefi el es, ihn zu zerschlagen« (Jes 53,10). Christus war mit der ausdrücklichen Bestimmung gekommen, als Sühneopfer für die Sünde zu sterben (Joh 12,27). Und wer seinen Auftrag zu verhindern versuchte, tat das Werk Satans.
16,24 nehme sein Kreuz auf sich. S. Anm. zu 10,38.
16,26 als Lösegeld. Wenn ihm im Gericht die Augen aufgehen über die Hölle und die ewige Pein seiner verlorenen Seele, womit will er dann seine Seele aus der Verdammnis zurückkaufen? Mit nichts.
16,27 kommen … vergelten. Für die Gläubigen wird eine Zeit der Belohnung kommen (1Kor 4,5; 2Kor 5,8-10; Offb 22,12). Hier spricht der Herr jedoch vom Lohn der Gottlosen, dem unwiderbringlichen und ewigen Gericht (Röm 2,5-11; 2Th 1,6-10).
16,28 Es stehen einige hier. In allen 3 synoptischen Evangelien verheißt Jesus dies unmittelbar vor seiner Verklärung (Mk 9,1-8; Lk 9,27-36). Außerdem kann das Wort für »Reich« mit »königliche Pracht« übersetzt werden. Daher ist die natürlichste Erklärung dieser Verheißung die Verklärung, die »einige« der Jünger – Petrus, Jakobus und Johannes – nur 6 Tage später sehen sollten (s. Anm. zu 17,1).
17,1 nach sechs Tagen. Die genaue Angabe der Zeitspanne ist für Matthäus ungewöhnlich. Er will wohl die Verbindung herstellen zwischen Jesu Verheißung in 16,28 und dem jetzt folgenden Ereignis. Auch Markus gibt sechs Tage an (Mk 9,2); Lukas jedoch zählt wahrscheinlich den Tag des Bekenntnisses des Petrus am Anfang und den Tag der Verklärung Christi am Ende dieser Zeitspanne mit und schreibt daher »etwa acht Tage« (Lk 9,28). Petrus, den Jakobus und … Johannes. Diese 3 bilden den inneren Kreis der Jünger, die Christus am nächsten standen (s. Anm. zu 10,2). Sie werden häufi g allein zusammen mit Christus gesehen (26,37; Mk 5,37; 13,3).
17,2 verklärt. Christus wurde so verwandelt, dass die Jünger ihn in seiner Herrlichkeit sehen konnten.
17,3 Mose und Elia. Sie repräsentierten das Gesetz und die Pro- pheten. Diese beiden Teile des AT sagten Christi Tod voraus. Lukas schreibt, dass die drei sich über dieses Thema unterredet haben (Lk 9,31).
17,4 drei Hütten. Zweifellos eine Anspielung auf die Hütten, die beim Laubhüttenfest errichtet wurden und in denen die Israeliten sieben Tage lang wohnten (3Mo 23,34-42). Petrus wäre gern dort auf dem Berg geblieben.
17,5 auf ihn sollt ihr hören! Petrus irrte, als er Mose und Elia auf eine Ebene mit Christus stellte. Christus war gerade der Eine, auf den Elia und Mose hingewiesen hatten. Die Stimme des Vaters unterbrach Petrus (V. 5), »als er noch redete«. Die Botschaft vom Himmel war dieselbe wie bei der Taufe des Herrn (3,17).
17,6 fi elen sie auf ihr Angesicht. Eine übliche Reaktion auf die Erkenntnis, dass der heilige Gott des Universums gegenwärtig ist. Vgl. Jes 6,5; Hes 1,28; 1Kor 14,25; Offb 1,17.
17,9 Sagt niemand von dem Gesicht. S. Anm. zu 8,4 und 12,16.
17,10 Warum … dass zuvor Elia kommen müsse? Weil es in Mal 3,23.24 so vorausgesagt war. S. Anm. zu 11,14.
17,12 dass Elia schon gekommen ist. S. Anm. zu 11,14. Die Obersten der Juden hatten Johannes den Täufer nicht erkannt (im Gegensatz zu den Jüngern, V. 13). Johannes war im Geist und in der Kraft Elias gekommen – und die Obersten hatten ihn umgebracht. Dem Messias stand Ähnliches bevor.
17,17 O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Vers 20 zeigt, dass der Herr damit die Jünger und ihren schwachen Glauben meinte (s. Anm. zu 15,33).
17,19 Warum konnten wir ihn nicht austreiben? Als Christus die Jünger aussandte (10,6-8), beauftragte er sie ausdrücklich, derartige Wunder zu tun. Weniger als ein Jahr später versagten sie da, wo sie einst erfolgreich gewesen waren. Christus erklärte dieses Versagen mit mangelndem Glauben (V. 20). Dieser Mangel bestand nicht in fehlender Freimütigkeit, denn sie waren ja überrascht, dass sie den Dämon nicht austreiben konnten. Das Problem bestand wahrscheinlich im Versäumnis, Gott statt ihre eigene Begabung zum Gegenstand ihrer Freimütigkeit zu machen (s. Anm. zu V. 20).
17,20 Glauben … wie ein Senfkorn. Wahrer Glaube, wie Christus ihn defi niert, beinhaltet stets die Unterwerfung unter Gottes Willen. Was er hier lehrt, hat nichts mit »Positivem Denken« zu tun. Er sagte, dass Gott sowohl die Quelle als auch der Inhalt allen echten Glaubens ist – selbst wenn der Glaube so schwach und winzig ist wie ein Senfkorn. Und »bei Gott ist kein Ding unmöglich« (Lk 1,37). S. a. Anm. zu 21,21. nichts würde euch unmöglich sein. Hier äußert Christus den erklärenden Gedanken, der in 1Joh 5,14 ausdrücklich ergänzt wird: Was wir bitten, muss »nach seinem Willen« sein.
17,21 außer durch Gebet und Fasten. Auch diese Aussage weist darauf hin, dass das zugrunde liegende Problem darin bestand, dass die Jünger nicht Gott zum Inhalt ihres Glaubens machten (s. Anm. zu V. 19.20). Die besten Handschriften enthalten diesen Vers jedoch nicht.
17,22 wird … ausgeliefert werden. Durch Judas Ischariot. S. Anm. zu 26,47.50. 17,24 Tempelsteuer. Eine Steuer von einem halben Schekel (das entspricht etwa dem Lohn für zwei Arbeitstage). Sie wurde jährlich von jedem männlichen Israeliten ab 20 Jahren eingesammelt, um den Tempel instand zu halten (2Mo 30,13.14; 2Chr 24,9). Da Könige ihren eigenen Söhnen keine Steuern auferlegten, war Jesus als Sohn Gottes von der Steuer befreit (V. 26). Doch um Anstoß zu vermeiden, zahlte er die Steuer für sich und Petrus (V. 27). Vgl. Röm 13,1-7; Tit. 3,1; 1Pt 2,13-17.
18,1 Dieser Abschnitt ist die vierte von fünf Reden, um die Matthäus sein Evangelium anordnet (s. Einleitung: Historische und theologische Themen). Thema dieser Rede ist, dass die Gläubigen Kindern gleichen müssen.
18,3 werdet wie die Kinder. Damit beschreibt Jesus die Bekeh- rung. Wie in den Seligpreisungen wird der Glaube beschrieben als die schlichte und vertrauensvolle Abhängigkeit derer, die hilfl os und mittellos sind. Bekehrte haben wie Kinder keine Errungenschaften oder Leistungen vorzuweisen, die sie anbieten oder mit denen sie sich Anerkennung verschaffen könnten.
18,5 ein solches Kind. Damit sind hier nicht buchstäbliche Kin- der gemeint, sondern Kinder im Sinne von V. 3.4 (Bekehrte, die sich wie Kinder erniedrigt haben), d.h. wahre Gläubige (V. 6). S. Anm. zu 10,42; 19,14. aufnimmt. S. Anm. zu 10,41.
18,6 Mühlstein. Wörtl. heißt es »Mühlstein eines Esels«; das ist ein Stein, der so groß ist, dass man einen Esel brauchte, um ihn zu drehen. Unter Heiden war das eine Form der Hinrichtung und deshalb war sie für Juden besonders abstoßend.
18,7 Wehe der Welt. Es ist zu erwarten, dass die Menschen die- ser Welt den Christen Leid zufügen, sie zu Fall bringen und zu Sünde verführen. Dafür werden sie gerichtet werden. Doch sollte es nicht vorkommen, dass Mitgläubige andere Gläubige zu Sünde verführen, sei es direkt oder indirekt. Es wäre ihnen besser, tot zu sein Vgl. Röm 14,13.19.21; 15,2; 1Kor 8,13.
18,8 so haue sie ab … reiß es aus. S. Anm. zu 5,29.
18,10 keinen dieser Kleinen verachtet. D.h. einen anderen Gläu- bigen abweisen oder gering schätzen, indem man ihn unfreundlich oder gleichgültig behandelt. Ihre Engel. Das bedeutet nicht, jeder Gläubige habe einen persönlichen Schutzengel. »Engel« ist hier kollektiv; es bedeutet, dass diese Wesen allgemein den Gläubigen dienen. Von diesen Engeln sagt der Herr, dass sie »allezeit« das Angesicht Gottes sehen. So hören sie Gottes Anweisungen, wie sie den Gläubigen im Notfall helfen sollen. Es ist eine ernste Sache, einen Mitgläubigen geringschätzig zu behandeln, wenn wir bedenken, wie sehr Gott und die heiligen Engel um das Wohlergehen der Gläubigen besorgt sind.
18,14 verloren geht. Dieses Wort muss nicht das völlige und ewi- ge Verderben bedeuten, sondern kann (wie in diesem Zusammenhang) vielmehr geistlichen Schaden bezeichnen. Diese Aussage bedeutet nicht, dass Gottes Kinder jemals im ewigen Sinne verloren gehen könnten (vgl. Joh 10,28).
18,15 Die Anweisungen für Gemeindezucht in V. 15-17 müssen im Licht des Gleichnisses vom verlorenen Schaf (V. 12-14) gelesen werden. Ziel dieses Prozesses ist die Wiederherstellung. Im Erfolgsfall hat man »seinen Bruder gewonnen«. Schritt eins ist, ihn »unter vier Augen« zurechtzuweisen.
18,16 Hört er aber nicht. D.h. wenn er unbußfertig bleibt, muss Schritt zwei folgen: »Nimm noch einen oder zwei mit dir«, um das Prinzip aus 5Mo 19,15 zu erfüllen.
18,17 sage es der Gemeinde. Wenn er immer noch die Buße verweigert, erfordert Schritt drei, dass die Sache der ganzen Gemeinde vorgelegt wird (V. 17), damit alle in liebevoller Weise die Versöhnung des Bruders anstreben können. Wenn aber auch das scheitert, muss der Sünder gemäß Schritt vier ausgeschlossen werden, d.h. von der Gemeinde »wie ein Heide und ein Zöllner« angesehen werden (s. Anm. zu 5,46). Dabei geht es nicht nur um die Bestrafung des Sünders oder darum, ihm gänzlich aus dem Weg zu gehen, sondern ihn als schädlichen und hinderlichen Einfl uss aus der Gemeinschaft der Gemeinde zu entfernen und ihn nunmehr nicht als Bruder, sondern als Ungläubigen zu betrachten, der evangelisiert werden muss. Letztlich ist die Sünde, derentwegen er ausgeschlossen wurde, die Unbußfertigkeit seines verhärteten Herzens.
18,18 auf Erden binden … im Himmel gebunden. S. Anm. zu 16,19.
18,19 Wenn zwei von euch auf Erden übereinkommen. Diese Verheißung gilt in Bezug auf die Gemeindezucht, die in V. 15-17 beschrieben wurde. »Zwei von euch« bezieht sich auf die zwei oder drei Zeugen aus Schritt zwei des ganzen Vorgehens (s. Anm. zu V. 15).
18,20 zwei oder drei. Nach jüdischer Tradition sind mindestens zehn Männer erforderlich (ein sog. minjan), um eine Synagoge zu bilden oder auch nur öffentliches Gebet abzuhalten. Christus verheißt hier hingegen, sogar in der Mitte einer noch kleineren Schar gegenwärtig zu sein: »zwei oder drei« Zeugen, die sich in seinem Namen zum Zweck der Gemeindezucht versammeln (s. Anm. zu V. 15).
18,21 Bis siebenmal. Petrus dachte, er sei damit bereits großzügig. Unter Bezug auf mehrere Verse aus Amos (1,3.6.9.11.13) lehrten die Rabbinen, es sei anmaßend und unnötig, jemandem mehr als dreimal zu vergeben, da Gott Israels Feinden nur dreimal vergeben hat.
18,22 siebzigmal siebenmal. Unzählige Male. S. Anm. zu Lk 17,4.
18,23 Knechten. Aufgrund der hohen Geldbeträge waren diese »Knechte« wahrscheinlich Provinzstatthalter, die dem König eingenommene Steuergelder schuldeten.
18,24 10 000 Talente. Das ist eine unvorstellbare Geldsumme. Das »Talent« war die größte Währung und »zehntausend« bedeutete in der Alltagssprache eine unbegrenzte Zahl.
18,25 ihn … zu verkaufen. Könige beglichen einen Teil des Ver- lusts durch den Verkauf der Familienangehörigen in die Sklaverei.
18,27 erließ ihm die Schuld. Ein Bild für die großzügige, barmher- zige Vergebung Gottes gegenüber einem bittenden Sünder, der mit einer unbezahlbaren Schuld vor ihm steht. Vgl. Kol 2,14.
18,28 100 Denare. Etwa drei Monatslöhne. Nach normalen Maß- stäben kein unerheblicher Betrag, aber eine lächerliche Summe im Vergleich zu dem, was dem Knecht erlassen worden war.
18,29 Habe Geduld mit mir, so will ich dir alles bezahlen! Vgl. V. 26. Der freigesprochene Knecht hörte die gleiche Bitte, mit der er selber an seinen Herrn herangetreten war, hatte aber kein Erbarmen (V. 30).
18,31 Mitknechte … wurden sehr betrübt. Fehlende Bereit- schaft zu vergeben ist den unbeteiligten Mitgläubigen ein Anstoß. Doch am meisten beleidigt sie Gott, der deshalb unversöhnliche Kinder schwer züchtigt (V. 32-34). S. Anm. zu V. 34; vgl. 6,15.
18,34 voll Zorn. Weil Gott heilig und gerecht ist, antwortet er auf Sünde stets mit Zorn. Das gilt auch für die Sünden seiner Kinder (vgl. Hebr 12,5-11). Folterknechten. Das sind keine Henker. Das Bild beschreibt harte Zuchtmaßnahmen, aber keine endgültige Verdammnis. alles … was er ihm schuldig war. Die ursprüngliche Schuld war unbezahlbar und der Mann war immer noch mittellos. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass dem Knecht wiederum die ganze alte Schuld aufgebürdet wurde, die ihm bereits vergeben worden war. Vielmehr sollte er seine jetzige Schuld so lange büßen, bis er bereit wäre, anderen zu vergeben.
19,1 das Gebiet von Judäa jenseits des Jordan. Das Gebiet öst- lich des Jordan hieß Peräa. Eigentlich gehörte es nicht zu Judäa, aber das Herrschaftsgebiet von Herodes dem Großen hatte beide Regionen umfasst und daher wurde auch dieses Gebiet allgemein als Judäa bezeichnet. Christus wirkte hier nur einige wenige Monate. Von Peräa aus trat er die letzte Reise nach Jerusalem an, unmittelbar vor der Leidenswoche (20,17-19).
19,3 Ist es … erlaubt. Zwischen den Rabbinen Schammai und Hillel (beide fast Zeitgenossen Jesu) bestand eine hitzig diskutierte Meinungsverschiedenheit bezüglich dieser Frage. Die Anhänger Schammais legten das Gesetz streng aus und erlaubten einem Mann nur dann die Scheidung von seiner Frau, wenn sie des Ehebruchs schuldig war. aus irgendeinem Grund. Die Anhänger Hillels vertraten eine sehr pragmatische Ansicht und erlaubten dem Mann, eine Frau aus beliebigem Grund zu entlassen.
19,4 Ein Zitat aus 1Mo 1,27; 5,2. Es war gleichzeitig ein Echo auf die Frage aus Mal 2,15: »Und hat er sie nicht eins gemacht …?« (vgl. V. 6). 19,5 Ein Zitat aus 1Mo 2,24 (s. Anm. dort).
19,7 Warum hat denn Mose befohlen, ihr einen Scheidebrief zu geben? Die Pharisäer legten 5Mo 24,1-4 falsch aus. Diese Verse waren kein »Gebot« zur Scheidung, sondern eine Einschränkung der Wiederheirat nach einer Scheidung. Mose erkannte Scheidung zwar als rechtmäßig an, wenn ein Mann an seiner Frau »etwas Schändliches gefunden hat« (5Mo 24,1; d.h. nach Jesu Deutung in V. 9 eine sexuelle Sünde), doch Mose hat die Scheidung nicht »befohlen«. S. Anm. zu 5Mo 24,1-4.
19,8 Mose hat euch … erlaubt, eure Frauen zu entlassen. Die Betonung liegt zweifellos auf dem Wort »erlaubt«. Somit stellt sich der Herr eindeutig auf die Seite der Schule Rabbi Schammais (s. Anm. zu V. 3). wegen der Härtigkeit eures Herzens. Dieser Ausdruck unterstreicht die Wahrheit, dass die Scheidung nur eine letzte Zufl ucht ist, wenn der Partner unbußfertig in sexueller Sünde lebt (V. 9).
19,9 Unzucht. Dieser Begriff umfasst alle sexuellen Sünden. Sowohl hier als auch in 5,32 räumt der Herr diese Ausnahmeklausel ein und erlaubt dem unschuldigen Partner bei einer solchen Scheidung, wieder zu heiraten, ohne das Stigma zu tragen, »im Ehebruch zu leben«. S. Anm. zu 5,31.32.
19,10 so ist es nicht gut, zu heiraten. Die Jünger hatten die bindende Natur der Ehe richtig verstanden und sahen auch den hohen Maßstab des Herrn, der Scheidung nur unter äußersten Umständen erlaubte. 19,12 der fasse es. Da nicht alle damit umgehen können (V. 11), schreibt Christus hier keine Ehelosigkeit vor. Vielmehr macht er sie zu einer Sache der persönlichen Wahl – abgesehen von solchen, die körperlich nicht heiratsfähig sind, sei dies von Geburt an oder durch den Eingriff Fremder. Wieder andere fi nden, es sei für sie aus praktischen Gründen für das Reich Gottes vorteilhaft, nicht zu heiraten (s. Anm. zu 1Kor 7,7-9). Doch in keiner Weise sagt Christus, die Ehelosigkeit sei der Ehe überlegen (vgl. 1Mo 2,18; 1Tim 4,3).
19,14 solcher. Diese Kinder waren zu jung, um persönlich zu glau- ben. S. Lk 18,15, wo Lukas sie als »Kindlein« bezeichnet. Daher ist es umso bedeutsamer, dass Christus sie als Veranschaulichung hinstellte für solche, denen »das Reich des Himmels« gehört (vgl. 18,1-4). Mk 10,16 sagt auch, dass er sie »segnete«. Gott erweist oft denen besondere Gnade, die wegen des Alters oder wegen geistiger Beschränktheit zum Glauben oder mutwilligen Unglauben unfähig sind (vgl. Jon 4,11). In Jer 19,4 werden sie »Unschuldige« genannt. Das heißt nicht, dass sie keine Erbschuld hätten und nicht durch Adams Sünde verdorben wären (s. Anm. zu Röm 5,12-19), sondern vielmehr, dass sie nicht im selben Sinne verantwortbar sind wie solche, die vorsätzlich und mit Bedacht sündigen. Jesu Aussage lehrt hier, dass Gottes Gnade sich in großzügiger Weise zu Kindern erstreckt. Wenn ein Kind stirbt, wird es daher durch die Souveränität Gottes von neuem geboren und wird ins Reich Gottes aufgenommen. Das geschieht nicht, weil das Kind den Himmel verdient, sondern weil Gott in seiner Gnade beschlossen hat, es zu erlösen. S. Anm. zu 2Sam 12,23; Mk 10,14.
19,16 Guter Meister. Das ist nicht unbedingt eine Anerkennung der Gottheit Christi. Der junge Mann meinte einfach, dass Christus gerecht und ein Lehrer von Gott sei, der offensichtlich ewiges Leben hatte und ihm daher sagen könnte, wie auch er ewiges Leben bekommen könne.
19,17 Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott al- lein! Jesus leugnete damit nicht seine eigene Gottheit, sondern lehrte den jungen Mann, dass alle Sünder sind außer Gott. Der schwerwiegendste geistliche Mangel des jungen Mannes war sein Widerwille, seinen eigenen geistlichen Bankrott zu bekennen. S. Anm. zu 5,3; vgl. Lk
18,11 Willst du aber in das Leben eingehen, so halte die Gebote! Das ist natürlich nicht das Evangelium, sondern das Gesetz. Bevor Jesus ihm den Weg zum Leben zeigte, zeigte er ihm den Maßstab, den Gott anlegt. Außerdem wollte er ihm klarmachen, wie aussichtslos es ist, Errettung durch eigene Werke zu suchen. Das hätte dem jungen Mann eigentlich das Eingeständnis abnötigen sollen, dass es unmöglich ist, das Gesetz zu halten (so antworteten die Jünger in V. 25), doch stattdessen erklärte er selbstsicher, unter diesen Bedingungen sei er für den Himmel qualifi ziert.
19,18 Das sind fünf von den sechs Geboten der zweiten Tafel. Sie alle betreffen zwischenmenschliche Beziehungen (vgl. 2Mo 20,1216; 5Mo 5,16-20). S. Anm. zu 22,40. Christus ließ das zehnte Gebot aus, welches Begierde verbietet, und fügte 3Mo 19,18 hinzu, das eine Zusammenfassung aller Gebote der zweiten Tafel ist. Vgl. Röm 13,1-10.
19,20 Das habe ich alles gehalten. Der selbstgerechte junge Mann gab nicht zu, dass er ein Sünder ist. S. Anm. zu 9,13.
19,21 geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen. Auch hier nannte der Herr nicht die Bedingungen zur Errettung, sondern stellte vielmehr das Herz des jungen Mannes ins Licht. Seine Weigerung, dieser Aufforderung zu gehorchen, offenbarte zwei Dinge: 1.) Er hatte nicht das ganze Gesetz gehalten, denn er liebte sich selbst und seine Besitztümer mehr als seinen Nächsten (vgl. V. 19); 2.) Ihm fehlte wahrer Glaube, denn dazu gehört die Bereitschaft, auf Jesu Anweisung hin alles aufzugeben (16,24). Der Herr lehrte nicht die Errettung durch Philanthropie, sondern forderte von diesem jungen Mann, dass er ihn an die erste Stelle setzt. Der junge Mann bestand den Test nicht (V. 22). komm, folge mir nach. Das war die Antwort auf die Frage des jungen Mannes in V. 16. Es war ein Ruf zum Glauben. Wahrscheinlich hatte der junge Mann nie einen solchen Aufruf gehört oder etwas Ähnliches erwogen. Weil er seinen Besitz zu sehr liebte, stieß er sich an der Forderung des Herrn, über sein Leben zu verfügen. So ging er im Unglauben davon.
19,24 Kamel durch ein Nadelöhr. D.h. es ist unmöglich, dass je- mand aus eigenem Verdienst errettet wird. Da man Reichtum als Beweis für den Segen Gottes ansah und die Reichen mehr Almosen geben konnten, wurde allgemein angenommen, Reiche seien die wahrscheinlichsten Kandidaten für den Himmel (s. Anm. zu Mk 10,25). Jesus machte diese Auffassung zunichte – und damit auch die Ansicht, man könne sich genügend Gunst bei Gott verdienen, um Eingang in den Himmel zu fi nden. S. Anm. zu V. 25.
19,25 Wer kann dann überhaupt gerettet werden? Das war nun genau die richtige Frage. Sie zeigt, dass sie Jesu Botschaft begriffen hatten (s. Anm. zu V. 17). Errettung ist nur durch die Gnade Gottes möglich (V. 26). S. Anm. zu Röm 3,9-20; Gal 3,10-13; Phil 3,4-9.
19,27 wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Pe- trus weist darauf hin, dass sie bereits das getan hatten, was Jesus von dem reichen Jüngling verlangt hatte (V. 21). Sie hatten sich auf ein Leben aus Glauben mit Christus eingelassen. Beachtenswert ist, dass der Herr Petrus nicht tadelte, weil er Lohn erwartete (vgl. Offb 22,12).
19,28 Wiedergeburt. Hier hat dieser Begriff nicht seine übliche the- ologische Bedeutung der persönlichen Wiedergeburt (vgl. Tit 3,5). Vielmehr sprach Jesus von den »Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, wovon Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von alters her geredet hat« (Apg 3,21). Das bezieht sich auf das irdische Reich Gottes, wie es in Offb 20,1-15 beschrieben wird. Dann werden die Gläubigen mit Christus »auf dem Thron sitzen« (Offb 3,21) und richten. Regieren. Vgl. 1Kor 6,2.3.
19,30 Ersten werden Letzte, und Letzte werden Erste sein. Diese Aussage bedeutet, dass am Ende alle gleich sind. Diese Wahrheit wird durch das nun folgende Gleichnis erläutert (s. Anm. zu 20,16).
20,1 um Arbeiter … einzustellen. Das war in der Erntezeit üblich. Tagelöhner standen vom Morgengrauen an auf dem Marktplatz und hofften, für einen Tag Arbeit angeheuert zu werden. Die Arbeitszeit begann um sechs Uhr morgens und dauerte bis sechs Uhr abends.
20,2 einen Denar für den Tag. Ein gerechter Lohn für einen gan- zen Arbeitstag (s. Anm. zu 22,19).
20,3 dritte Stunde. neun Uhr morgens. Sie standen müßig herum, weil niemand sie angeheuert hatte (V. 7).
20,4 was recht ist. Da sie auf Arbeit so erpicht waren, handelten diese Männer nicht einmal einen festgelegten Lohn aus.
20,6 elfte Stunde. D.h. fünf Uhr nachmittags. Diese Männer hatten fast den ganzen Tag verzweifelt auf Arbeit gewartet. Sie nahmen alles an, was ihnen geboten wurde.
20,8 bei den Letzten anfängst, bis zu den Ersten. Das ist der Schlüssel, um das Gleichnis zu verstehen (s. Anm. zu V. 16).
20,13 ich tue dir nicht unrecht. Jeder Arbeiter erhielt den vollen Tageslohn. Das schockierte sie (V. 9-11). Der Arbeitgeber verhielt sich großzügig gegenüber den Tagelöhnern, denen er mehr gezahlt hatte, als sie verdienten. Das war kein Affront gegen diejenigen, denen er den vollen Tageslohn für einen vollen Tag Arbeit auszahlte, denn das war genau das, was sie anfänglich vereinbart hatten. Der Weingärtner hatte das Vorrecht, seine Großzügigkeit auf alle auszuweiten (V. 15; vgl. Röm 9,15).
20,16 die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten. Anders gesagt: Am Ende sind alle gleich. Gleichgültig wie lange der einzelne Arbeiter gearbeitet hatte, erhielt jeder einen vollen Tageslohn. Ebenso wird der Schächer am Kreuz den vollen Segen des Himmels genießen, und zwar zusammen mit denen, die ihr ganzes Leben Christus gedient haben. So ist die Gnade Gottes (s. Anm. zu 19,30).
20,17 nach Jerusalem hinaufzog. Hier begann sein Weg zum Kreuz.
20,19 kreuzigen. Zum dritten Mal sagt Jesus seinen Jüngern seinen Tod voraus (s. Anm. zu 16,21; vgl. 17,22.23). Außerdem hatten drei seiner Jünger bei der Verklärung Jesus mit Mose und Elia über seinen Tod sprechen hören (Lk 9,31). Diesmal nannte er jedoch einige zusätzliche Einzelheiten.
20,20 Mutter der Söhne des Zebedäus. Mk 10,35 sagt, dass Jakobus und Johannes die Frage aus V. 21 selber stellten. Das ist kein Widerspruch. Entweder haben alle drei zusammen diese Frage gestellt oder, was wahrscheinlicher ist, sie hatten vorher untereinander darüber diskutiert und jeder fragte Jesus persönlich.
20,21 Sprich, dass diese meine beiden Söhne. Offensichtlich durch Jesu Verheißung in 19,28 angespornt, baten Jakobus und Johannes ihre Mutter, ihren egoistischen Wunsch dem Herrn vorzutragen. So etwas kam unter den Jüngern immer wieder vor (vgl. 18,1.4; 23,11; Mk 9,34, Lk 9,46; 22,24.26), sogar noch am Tisch beim letzten Abendmahl.
20,22 Ihr wisst nicht, um was ihr bittet! Die größte Ehre und Herrlichkeit wird denen zuteil, die am meisten um Christi willen leiden. den Kelch trinken, den ich trinke. Den Kelch des Zornes Gottes (s. Anm. zu 26,39; Mk 14,36; Lk 22,42; Joh 18,11). Taufe, womit ich getauft werde. Das Eintauchen des Herrn in tiefstes Leiden (vgl. Lk 12,50). Die in diesem Vers und in V. 23 erwähnte Taufe ist jedoch in den besten Handschriften nicht belegt.
20,23 Ihr werdet zwar. Jakobus wurde um Christi willen enthaup- tet (Apg 12,2) und Johannes gefoltert und nach Patmos verbannt (Offb 1,9). denen es von meinem Vater bereitet ist. Gott allein hat das bestimmt.
20,24 wurden sie unwillig. Zweifellos aus Neid. Wenn sich ihnen die Gelegenheit geboten hätte, dann hätten auch sie den Herrn um die besten Posten im Reich gebeten. S. Anm. zu V. 21.
20,25 In diesem reichen Text lehrte der Herr, dass Größe und Führung unter Jüngern anders aussehen. Heidnische Führer herrschen in diktatorischer Manier und verwenden fl eischliche Macht und Autorität. Gläubige sollen das Gegenteil tun: Sie führen, indem sie dienen und sich selbst für andere aufopfern, wie Jesus es tat.
20,28 sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. Das mit »für« übersetzte Wort bedeutet »an Stelle von« und unterstreicht damit die stellvertretende Natur des Opfers Christi. Ein »Lösegeld« ist ein Preis, der gezahlt wird, um einen Sklaven oder Gefangenen loszukaufen. Bei der Erlösung wird kein Preis an Satan gezahlt. Vielmehr wird das Lösegeld Gott bezahlt, um seine Gerechtigkeit zu befriedigen und seinen Zorn gegen Sünde zu stillen. Der geforderte Preis war Jesu eigenes Leben, das er als blutiges Sühneopfer darbrachte (vgl. 3Mo 17,11; Hebr 9,22). Dies also ist die Bedeutung des Kreuzes: Christus trug an unserer Stelle die göttliche Strafe für die Sünde (vgl. Jes 53,4.5; s. Anm. zu 2Kor 5,21). Die Schläge des Zorns Gottes anstelle von Sündern zu erleiden, das war der »Kelch«, von dem er sagte, er müsse ihn trinken, und das war die Taufe, die er erleiden musste (V. 22).
20,29 von Jericho auszogen. S. Anm. zu V. 30.
20,30 zwei Blinde. Mk 10,46 und Lk 18,35 erwähnen nur einen einzigen Blinden und beide sagen, jene Begegnung habe sich nicht zugetragen, als Christus aus Jericho wegging, sondern als er sich dieser Stadt näherte (V. 29). Die Schwierigkeiten sind recht einfach aufzulösen: Es waren zwei Blinde; aber Bartimäus (Mk 10,46) war der Sprecher der beiden, und daher erwähnen Lk und Mk nur ihn (s. Anm. zu 8,28). Außerdem gab es zwei Jerichos: eines auf dem Ruinenhügel der untergegangenen Stadt (diese Ruinen sind heute noch zu sehen) und ganz in der Nähe die andere, bewohnte Stadt Jericho. So ist Jesus möglicherweise aus dem alten Jericho heraus und ins neue Jericho hi neingegangen. Oder es kann sein, dass die Ereignisse aus teleskopischer Perspektive beschrieben werden, sodass Christus den Blinden zum ersten Mal begegnete, als er in die Stadt hineinging, die Heilung jedoch erst stattfand, als er die Stadt wieder verließ. Sohn Davids. S. Anm. zu 1,1.
21,1 Bethphage. Eine kleine Stadt in der Nähe von Bethanien am Südosthang des Ölbergs. Sie wird in der Bibel ausschließlich im Zusammenhang mit Christi triumphalem Einzug in Jerusalem erwähnt (Mk 11,1; Lk 19,29).
21,3 wenn euch jemand etwas sagt. Markus berichtet, dass tat- sächlich genau das geschah (Mk 11,5.6). Da Jesus gerade erst in Bethphage angekommen war (V. 1), hätte er keine Gelegenheit gehabt, das Bereitstellen dieser Tiere zu veranlassen. Doch wusste er genau, wo die Tiere waren und wie der Besitzer reagieren würde. Diese detaillierte Vorkenntnis offenbart seine göttliche Allwissenheit.
21,5 einem Füllen, dem Jungen des Lasttiers. Ein exaktes Zitat aus Sach 9,9 (vgl. Jes 62,11). Die präzise Erfüllung dieser messianischen Prophezeiung kann den jüdischen Volksmengen nicht entgangen sein, denn sie reagierten mit Lobesrufen und Ehrentiteln, die nur dem Messias gebühren (s. Anm. zu V. 9).
21,7 die Eselin und das Füllen. Matthäus erwähnt als einziger Evangelist die Eselstute; hingegen sagen alle Evangelisten, dass es ein Jungtier war (Joh 12,14) bzw. weisen darauf hin, dass bisher niemand auf ihm geritten war (Mk 11,2; Lk 19,30). Das Muttertier wurde wahrscheinlich deshalb mitgeführt, damit das Füllen bereitwillig seinen Dienst tat. setzten ihn darauf. D.h. auf die Kleidungsstücke. Christus ritt auf dem jungen Esel (Mk 11,7).
21,8 breiteten ihre Kleider aus auf dem Weg. Kleider auf dem Weg auszubreiten, war eine alte Form der Huldigung, die nur königlichen Hoheiten vorbehalten war (vgl. 2Kö 9,13). Das legt nahe, dass das Volk seinen Anspruch als König der Juden anerkannte.
21,9 Hosianna. Die buchstäbliche Wiedergabe eines hebr. Aus- drucks, der in Ps 118,25 übersetzt wird mit »Herr, hilf« (oder: »Herr, rette!«). Gepriesen sei. Ein Zitat aus V. 26 des gleichen Psalms. Daraus und aus dem messianischen Titel »Sohn Davids« wird deutlich, dass die Volksmenge den messianischen Anspruch Jesu anerkannte (s. Anm. zu 1,1). Das Datum seines Einzugs war Sonntag, der 9. Nisan 30 n.Chr.; das ist genau 483 Jahre nach dem Dekret von Artaxerxes aus Dan 9,24-26 (s. Anm. dort).
21,12 trieb alle hinaus. Das war die zweite Tempelreinigung durch den Herrn. Joh 2,14-16 beschreibt ein ähnliches Ereignis zu Beginn seines öffentlichen Wirkens. Zwischen diesen beiden bestehen bestimmte Unterschiede. Bei der ersten Tempelreinigung stellten Bedienstete des Tempels Jesus sofort zur Rede (s. Anm. zu V. 23; vgl. Joh 2,18); bei der zweiten Tempelreinigung berichtet hingegen kein Evangelist von einer solchen Konfrontation. Stattdessen beschreiben alle Synoptiker, wie Jesus sich an alle Anwesenden wandte (V. 13) und den Vorfall sogar als Gelegenheit zum öffentlichen Lehren nutzte (Mk 11,17; Lk 19,46.47). die im Tempel verkauften und kauften. Jesus beschuldigte sowohl Händler als auch Kunden, dass sie den Tempel entweihten. Zu den Handelswaren gehörten »Tauben« und andere Opfertiere (vgl. Joh 2,14). Wechsler. Da römische Münzen und andere Fremdwährungen nicht für Tempelopfer angenommen wurden, brauchte es Scharen von Wechslern. Offenbar verlangten sowohl Händler als auch Wechsler solche Wucherpreise, dass der Marktplatz vor dem Tempel zur »Räuberhöhle« verkam (V. 13). Dieser Handel fand auf dem »Vorhof der Heiden« statt. Das war eine große Fläche von mehreren Hektar auf dem Tempelberg.
21,13 Es steht geschrieben. Jesus zitiert zwei Prophezeiungen aus dem AT: Jes 56,7 (»Mein Haus soll ein Bethaus für alle Nationen genannt werden«) und Jer 7,11 (»Ist denn dieses Haus, das nach meinem Namen genannt ist, in euren Augen zu einer Räuberhöhle geworden?«).
21,15 Kinder. Wörtl. Knaben. Die zum Passahfest in Jerusalem ver- sammelte Menge umfasste auch eine große Zahl 12-jähriger Burschen, die sich auf ihr Bar Mizwah vorbereiteten und ihr erstes Passah feiern sollten. So hatte es auch Jesus selbst als 12-Jähriger getan (s. Anm. zu Lk 2,42).
21,16 Ja! Habt ihr noch nie gelesen. Jesu Antwort an die ent- rüsteten Hohenpriester und Schriftgelehrten gipfelte in einem unüberhörbaren Bekenntnis seiner Gottheit. Er zitierte Ps 8,3, wo Gott »Lob« dargebracht wird. Mit diesem Vers verdeutlichte er, dass die Anbetung, die Gott »aus dem Mund der Unmündigen« verordnet hat, ihm galt. So beanspruchte er das Recht, als Gott angebetet zu werden.
21,19 auf der Stelle. Das ist ein relativer Ausdruck. Der Baum er- starb zwar sogleich, doch Mk 11,14.20 (s. Anm. dort) zufolge konnte man erst am nächsten Tag sehen, dass er verdorrt war. Die Verfl uchung war nicht ein impulsiver Ausdruck der Enttäuschung, sondern der Herr erteilte damit eine göttliche Gegenstandslektion. In der Bibel ist der Feigenbaum oft ein Symbol für Israel (Hos 9,10; Joel 1,7), und der fruchtlose Feigenbaum symbolisiert häufi g das Gericht Gottes über Israel, welches das Volk aufgrund seiner geistlichen Fruchtlosigkeit erleidet (s. Anm. zu 3,8). Trotz seiner Fülle an geistlichen Vorrechten war das Volk fruchtlos (Jer 8,13; Joel 1,12). Daher illustriert die Verfl uchung des Feigenbaums Gottes Gericht über das irdische Israel, weil es so beschämend fruchtlos war, was sich nirgends so deutlich zeigte wie in der Verwerfung des Messias. Mit einem Gleichnis lehrte Jesus eine ähnliche Lektion (Lk 13,6-9).
21,21 Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt. Das setzt voraus, dass die erbetene Sache wirklich Gottes Wille ist (s. Anm. zu 17,20), denn nur von Gott gegebener Glaube ist derart frei von Zweifeln (vgl. Mk 9,24). so wird es geschehen. Ein Wunder solch kosmischen Ausmaßes war genau das, was die Schriftgelehrten und Pharisäer von Christus gefordert hatten, er jedoch stets abgelehnt hatte (s. Anm. zu 12,38). Hier sprach er bildhaft über die unermessliche Kraft Gottes, die im Leben derer wirksam wird, die wahren Glauben haben.
21,23 In welcher Vollmacht tust du dies? Diese Frage bezieht sich sowohl auf sein öffentliches Lehren als auch auf seine Wunder. Vielleicht dachten sie außerdem an seine Tempelreinigung vom Vortag (s. Anm. zu V. 12). wer hat dir diese Vollmacht gegeben? Sie waren gezwungen anzuerkennen, dass er über irgendeine Quelle unleugbarer Autorität verfügte. Für Täuschungen waren seine Wunder zu offensichtlich und zu zahlreich. Auch seine Lehre hatte eine solche Kraft und Klarheit, dass seine Worte, für alle offenkundig, von göttlicher Vollmacht waren (s. Anm. zu 7,29).
21,25 Woher war die Taufe des Johannes? Jesus fi ng die füh- renden Juden in ihrer eigenen Falle. Zweifellos hatten sie gehofft, er würde mit der Behauptung antworten, seine Autorität stamme direkt von Gott (wie er es bereits viele Male getan hatte – vgl. Joh 5,19-23; 10,18). Dann hätten sie ihn der Gotteslästerung beschuldigt und diese Anklage als Berechtigung genommen, ihn umzubringen – wie sie es bereits mehrfach versucht hatten (Joh 5,18; 10,31-33). Hier stellte er jedoch eine Gegenfrage, die sie in ein unlösbares Dilemma brachte, denn Johannes wurde vom ganzen Volk in Ehren gehalten. Doch konnten sie dessen Dienst nicht bestätigen, ohne sich selbst zu verurteilen. Stritten sie aber ab, dass Johannes von Gott gesandt war, mussten sie die Reaktion des Volkes fürchten (V. 26). Auf diese Weise stellte Jesus sie bloß. Sie hatten selber keinerlei Autorität, ihn auszuforschen. S. Anm. zu Lk 20,5.
21,31 Wer von diesen beiden hat den Willen des Vaters getan? Jesus zwang sie, gegen sich selbst zu zeugen. Die Pointe des Gleichnisses war, dass das Tun wichtiger ist als das Sagen (vgl. 7,21-27; Jak 1,22). Das mussten sie anerkennen, doch verurteilten sie damit sich selbst. Dass bußfertige Zöllner und Huren eher ins Reich Gottes eingehen als religiöse Schauspieler, war im Dienst des Herrn ein immer wiederkehrendes Thema (s. Anm. zu 5,20), und das erboste die führenden Juden.
21,32 Weg der Gerechtigkeit. Der Weg von Buße und Glauben, durch den Gott dem Glaubenden die Gerechtigkeit zurechnet (s. Anm. zu Röm 3,21). Zöllner und Huren. S. Anm. zu 5,46; 9,9; Mk 2,15. Der Abschaum der jüdischen Gesellschaft – für den die Hohenpriester und Ältesten offen ihre Verachtung zeigten – fand das Heil, die selbstgerechten Führer des Volkes jedoch nicht. Vgl. Röm 10,3.
21,33 einen Weinberg … eine Kelter. S. Jes 5,2. Jesus spielte eindeutig auf diesen alttestamentlichen Vers an, der den führenden Juden vertraut gewesen sein muss. Der Weinberg ist in der Bibel ein übliches Symbol für die jüdische Nation. Der Besitzer steht für Gott, der den Weinberg mit großer Sorgfalt anlegte und dann an Weingärtner verpachtete, die hier die jüdischen Führer repräsentieren.
21,34 seine Knechte. D.h. die Propheten des AT.
21,35 schlugen den einen, den anderen töteten sie, den dritten steinigten sie. Matthäus kombiniert und vereinfacht häufi g Einzelheiten (s. Anm. zu V. 19; 8,28; 20,30). Aus dem Bericht von Markus erfahren wir, dass im Gleichnis drei verschiedene Knechte einzeln kamen. Die Pächter »schlugen« den ersten, »steinigten« den zweiten und »ermordeten« den dritten (Mk 12,2-5). So behandelten die führenden Juden viele Propheten des AT (1Kö 22,24; 2Chr 24,20.21; 36,15.16; Neh 9,26; Jer 2,30).
21,37 meinem Sohn. Der Sohn steht für den Herrn Jesus Christus, den sie umbrachten (V. 38.39). So zogen sie sich das Gericht Gottes zu (V. 41).
21,41 den Weinberg anderen Weingärtnern verpachten. Wie- derum verurteilten die jüdischen Führer sich selbst (s. Anm. zu V. 31). Ihr Urteil über die bösen Weingärtner war zugleich das Urteil des Herrn über sie (V. 43). Das Reich und alle geistlichen Vorrechte Israels sollten nun »anderen Weingärtnern« übergeben werden, d.h. der Gemeinde (V. 43), die vornehmlich aus Heiden besteht (vgl. Röm 11,11).
21,42 Der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Das be- zieht sich auf Jesu Kreuzigung. Die Wiedereinsetzung des »Ecksteins« weist voraus auf seine Auferstehung. zum Eckstein. Dem fl üchtigen Blick scheint dieses Zitat aus Ps 118,22.23 keinen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Gleichnis zu haben. Doch es stammt aus einem messianischen Psalm. Mit diesem Zitat verdeutlichte Jesus, dass der ermordete und aus dem Weinberg geworfene Sohn zugleich der »Eckstein« in Gottes Heilsplan war.
21,43 einem Volk … das dessen Früchte bringt. Die Gemeinde. S. Anm. zu V. 41. Petrus bezeichnete die Gemeinde als »ein heiliges Volk« (1Pt 2,9).
21,44 auf diesen Stein. Für Ungläubige ist Christus ein »Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses« (Jes 8,14; 1Pt 2,8). Und der Prophet Daniel beschrieb ihn als einen »Stein ohne Handanlegung«, der auf die Reiche der Welt stürzt und sie zermalmt (Dan 2,44.45). Ob nun ein Tongefäß auf einen Felsen stürzt oder der Felsen auf das Gefäß fällt – das Ergebnis bleibt sich gleich. Diese Aussage verdeutlicht, dass sowohl Feindseligkeit als auch Gleichgültigkeit gegenüber dem Messias zum Untergang führen. Wer sich einer dieser beiden Dinge schuldig macht, steht unter dem göttlichen Gericht.
21,45 erkannten sie, dass er von ihnen redete. Indem Jesus sie an solch vertraute messianische Bildersprache erinnerte (V. 42-44), stellte er den Hohenpriestern und Pharisäern unmissverständlich vor Augen, was er meinte.
22,2 gleicht einem König, der für seinen Sohn das Hochzeits- fest veranstaltete. In Lk 14,16-23 erzählte Jesus ein ähnliches, aber etwas anderes Gleichnis. Hier in Matthäus war das Festmahl ein Hochzeitsfest für den Königssohn. Daher ist die Gleichgültigkeit (V. 5) und Ablehnung (V. 6) der Geladenen eine noch größere persönliche Provokation des Königs. Außerdem wurden die Botschafter des Königs in diesem Fall sogar misshandelt und umgebracht. Das ist eine ungeheure Schmähung der Güte des Königs.
22,4 sandte er nochmals andere Knechte. Das zeigt Gottes Ge- duld und Nachsicht gegenüber denen, die ihn vorsätzlich verschmähen. Er lädt sie weiterhin ein, obwohl sie seine Güte bereits ignoriert oder abgewiesen haben.
22,7 wurde er zornig. Schließlich ist seine große Geduld am Ende und er verurteilt sie. zündete ihre Stadt an. Das von Jesus beschriebene Gericht blickt voraus auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. Bei diesem Inferno wurde sogar der aus gewaltigen Felsquadern gebaute Tempel in Schutt und Asche gelegt. S. Anm. zu 23,36; 24,2; Lk 19,43.
22,9 ladet zur Hochzeit ein, so viele ihr fi ndet! Ein Bild für das unentgeltliche Angebot des Evangeliums, das an alle ohne Unterschied ergeht (vgl. Offb 22,17).
22,11 kein hochzeitliches Gewand. Alle waren ausnahmslos zum Festmahl geladen. Es war also nicht so, dass dieser Mann einfach jemand war, der sich über alle Etikette hinwegsetzte. Tatsächlich waren alle Gäste eilends von den »Kreuzungen und Straßen« zusammengetrommelt worden und so konnte von niemandem erwartet werden, in schicklicher Kleidung zu erscheinen. Das bedeutet, dass die Festkleidung vom König selbst zur Verfügung gestellt wurde. Dass dieser Mann keine passende Kleidung trug, zeigt daher, dass er absichtlich die Kleider abgelehnt hatte, die der König ihm in seiner großzügigen Fürsorge bereitgestellt hatte. Diese Frechheit gegen den König war tatsächlich eine schlimmere Beleidigung als bei den Leuten, die die Einladung ausgeschlagen hatten. Die Unverschämtheit geschah in der direkten Gegenwart des Königs. Dieses Bild repräsentiert damit solche, die sich äußerlich mit dem Reich identifi zieren, sich als Christen bekennen, zu einer sichtbaren Gemeinde gehören, aber das Kleid der Gerechtigkeit ablehnen, das Christus ihnen anbietet (vgl. Jes 61,10), und stattdessen versuchen, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (vgl. Röm 10,3; Phil 3,8.9). Sie sind zu stolz, ihre eigene geistliche Armut zuzugeben (s. Anm. zu 5,3) und verweigern daher die bessere Kleidung, die der König in seiner Gnade anbietet. Damit versündigen sie sich in schlimmer Weise gegen seine Güte.
22,12 Er aber verstummte. D.h. er hatte keine Ausrede.
22,13 die äußerste Finsternis. Das beschreibt die Finsternis, die am weitesten vom Licht entfernt ist, eben die äußerste Finsternis. Heulen und Zähneknirschen. Das spricht von untröstlichem Kummer und unaufhörlichen Qualen. Mit diesem Ausdruck beschrieb Jesus üblicherweise die Hölle (vgl. 13,42.50; 24,51).
22,14 viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Diese Berufung wird manchmal als »allgemeine Berufung« bezeichnet (oder als »äußere Berufung«). Sie ist eine Aufforderung zu Buße und Glauben und in der Botschaft des Evangeliums inbegriffen. Diese Berufung ergeht an alle, die das Evangelium hören. »Viele« hören es; nur »wenige« antworten darauf (s. der Vergleich zwischen »vielen« und »wenigen« in 7,13.14). Die Hörer, die dem Ruf folgen, sind die »Auserwählten«. In den paulinischen Briefen bezieht sich das Wort »Berufung« normalerweise auf Gottes unwiderstehlichen Ruf, der nur an die Erwählten ergeht (Röm 8,30). Sie wird »wirksame Berufung« (oder »innere« Berufung) genannt. Die wirksame Berufung ist das übernatürliche Wirken Gottes, das zu ihm hinzieht und von dem Jesus in Joh 6,44 spricht. Hier geht es um eine allgemeine Berufung und dieser Ruf ergeht an alle, die das Evangelium hören. Dieser Ruf ist das bekannte »wer da will« des Evangeliums (vgl. Offb 22,17). Hier haben wir das rechte Gleichgewicht zwischen der Verantwortung des Menschen und der Souveränität Gottes: Die »Berufenen«, die die Einladung ablehnen, lehnen sie willentlich ab und deshalb ist es vollkommen gerecht, dass sie vom Reich ausgeschlossen werden. Die »Erwählten« kommen nur deshalb ins Reich, weil Gott sie in seiner Gnade berufen und zu sich gezogen hat.
22,16 Herodianern. Eine jüdische Partei, die die von Rom begüns- tigte Dynastie des Herodes unterstützte. Die Herodianer waren im Gegensatz zu den Pharisäern keine religiöse Gruppierung, sondern eine politische Partei, die wahrscheinlich größtenteils aus Sadduzäern bestand (einschließlich der Tempelobrigkeit). Im Gegensatz zu ihnen hassten die Pharisäer das römische Regiment und den herodianischen Einfl uss. Dass sich diese Gruppierungen gemeinsam verschworen, um Jesus in eine Falle zu locken, verdeutlicht, welche Bedrohung beide Gruppen in ihm sahen. Herodes selbst wünschte den Tod Jesu (Lk 13,31), und die Pharisäer arbeiteten schon am Plan, ihn umzubringen (Joh 11,53). So versuchten beide Gruppen mit vereinten Kräften ihr gemeinsames Ziel zu erreichen.
22,17 Ist es erlaubt, dem Kaiser die Steuer zu geben oder nicht? Bei dieser Frage ging es um die Kopfsteuer, die einen Denar pro Jahr und Person betrug (s. Anm. zu V. 19). Solche Abgaben waren ein Teil der schweren Steuern, die Rom auferlegte. Da diese Gelder für die Finanzierung der Besatzungskräfte benutzt wurden, waren den Juden sämtliche römischen Steuern verhasst. Doch die Kopfsteuer war die allerverhassteste; denn mit ihr sagte Rom, dass sie sogar die Menschen besaß, während die Juden sich selbst und ihre Nation als Eigentum Gottes ansahen. Daher war es bedeutsam, dass sie Christus insbesondere über die Kopfsteuer befragten. Hätte er ihre Frage mit »nein« beantwortet, hätten die Herodianer ihn des Verrats gegen Rom beschuldigt. Hätte er mit »ja« geantwortet, hätten die Pharisäer ihm Untreue gegenüber dem jüdischen Volk vorwerfen können, und er hätte die Gunst der Volksmengen verloren.
22,19 Denar. S. Anm. zu Mk 12,16. Eine Silbermünze im Wert eines Tagessolds eines römischen Legionärs. Die Münzen wurden unter der Autorität des Kaisers geprägt, denn nur er konnte Gold- oder Silbermünzen herausgeben. Zur Zeit Jesu wurde der Denar von Kaiser Tiberius herausgegeben. Auf der einen Seite war sein Gesicht aufgeprägt; auf der anderen war er in priesterlichen Gewändern auf seinem Thron abgebildet. Für die Juden waren solche Bildnisse Götzendienst, den das zweite Gebot untersagte (2Mo 20,4). Daher waren diese Steuern und diese Münzen den Juden ein zwiefaches Ärgernis.
22,21 Des Kaisers … Gottes. Die Münze trug das Bild des Kaisers; der Mensch hingegen trägt das Bild Gottes (1Mo 1,26.27). Der Christ muss im Herrschaftsbereich des Kaisers dem Kaiser Gehorsam »zollen« (Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17), doch das, »was Gottes ist«, gehört nicht dem Kaiser und soll nur Gott gegeben werden. Damit erkannte Christus das Recht des Kaisers an, Steuern zu bestimmen und einzufordern und machte es zur Pfl icht des Christen, sie zu zahlen. Doch er sagte nicht (wie manche meinen), der Kaiser habe die alleinige oder höchste Autorität im sozialen oder politischen Bereich. Letztlich gehören alle Dinge Gott (Röm 11,36; 2Kor 5,18; Offb 4,11), einschließlich des Bereichs, in dem der römische Kaiser oder irgendein anderer irdischer Herrscher Autorität ausübt.
22,23 keine Auferstehung. S. Anm. zu 3,7.
22,24 soll sein Bruder dessen Frau zur Ehe nehmen. Das be- zieht sich auf das Gesetz der Levirats-Ehe in 5Mo 25,5-10 (s. Anm. dort). Dieses Gesetz sollte dafür sorgen, dass ein Geschlecht nicht ausstarb und dass Witwen nicht allein gelassen wurden.
22,30 wie die Engel Gottes im Himmel. Die Sadduzäer glaubten nicht an Engel (s. Anm. zu 3,7), deshalb deckt Jesus hier einen weiteren Irrglauben von ihnen auf. Engel sind unsterbliche Wesen, die sich nicht vermehren und daher nicht zu heiraten brauchen. »In der Auferstehung« werden die Gläubigen dieselben Eigenschaften haben. 22,32 nicht ein Gott der Toten. Das Argument (aus dem Pentateuch, denn die Sadduzäer akzeptierten nur Mose als Autorität – s. Anm. zu 3,7) basierte auf dem ausdrücklichen Präsens des »Ich bin« aus 2Mo 3,6. Dieses leicht zu übersehende, aber sehr bedeutsame Argument brachte die Sadduzäer zum Schweigen (V. 34). S. Anm. zu Mk 12,26.
22,35 ein Gesetzesgelehrter. Ein Schriftgelehrter, dessen Spezial- gebiet die Auslegung des Gesetzes war. S. Anm. zu 2,4; Lk 10,25.
22,36 S. Anm. zu Mk 12,28.
22,37 Herzen … Seele … Denken. Mk 12,30 fügt noch »mit dei- ner ganzen Kraft« hinzu. Das Zitat stammt aus 5Mo 6,5 und gehört zum Schemá (hebr. für »höre!« – 5Mo 6,4). Dieser Vers in 5Mo sagt »Herzen … Seele … Kraft«. In einigen Handschriften der LXX ist »Verstand« hinzugefügt. Mit der Verwendung dieser verschiedenen Begriffe sollen nicht einzelne Fähigkeiten des Menschen unterschieden werden; sie besagen, dass eine vollständige Liebe gefordert wird.
22,39 Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Das ist ein Zitat aus 3Mo 19,18. Im Gegensatz zu einigen modernen Interpretationen ist das keine Berechtigung oder gar Aufforderung zur Selbstliebe. Vielmehr vermittelt dieses Gebot genau denselben Gedanken wie die »Goldene Regel«, nur in anderen Worten (s. Anm. zu 7,12). Es fordert den Gläubigen auf, anderen gleich viel Liebe entgegenzubringen, wie er für sich selber wünscht.
22,40 das ganze Gesetz und die Propheten. D.h. das gesamte AT. Damit ordnet Jesus die moralische Verantwortung des Menschen in zwei Kategorien ein: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Dieselben beiden Kategorien gliedern auch die Zehn Gebote: In den ersten vier geht es um Liebe zu Gott und in den zweiten sechs um Nächstenliebe.
22,42 Was denkt ihr. Ein Ausdruck, den Christus häufi g als Ein- leitung für eine Frage verwendete, mit der er jemanden auf die Probe stellen wollte (V. 17; 17,25; 18,12; 21,28; 26,66). In diesem Zusammenhang hatten die Pharisäer, Herodianer, Sadduzäer und Schriftgelehrten ihn allesamt bereits versucht. Nun hatte auch er eine Testfrage an sie. Davids. S. Anm. zu 1,1. »Sohn Davids« war zu Jesu Zeit der gebräuchlichste messianische Titel. Ihre Antwort zeigte, dass für sie der Messias lediglich ein Mensch war, doch Jesus bezeugte mit seiner Antwort einmal mehr seine Gottheit. S. Anm. zu V. 45. 22,43 im Geist. D.h. unter Inspiration durch den Heiligen Geist (vgl. Mk 12,36).
22,44 Ein Zitat aus Ps 110,1.
22,45 Wenn also David ihn Herr nennt. David hätte einen bloß menschlichen Nachkommen nicht mit »Herr« angesprochen. Jesus diskutierte hier nicht, ob »Sohn Davids« ein angemessener Titel für den Messias ist. Schließlich beruht der Titel auf dem, was über den Messias im AT offenbart ist (Jes 11,1; Jer 23,5), und er wird in 1,1 als messianischer Titel verwendet (s. Anm. dort). Doch der Herr verdeutlichte, dass der Titel »Sohn Davids« bei weitem nicht alles ausdrückte, wer der Messias ist, nämlich zugleich der »Sohn Gottes« (Lk 22,70). Die unausweichliche Schlussfolgerung ist, dass Jesus hier erklärte, dass er Gott ist.
23,2 Moses Stuhl. Dieser Ausdruck ist gleichbedeutend mit dem Lehrstuhl an einer Universität. Auf »Moses Stuhl zu sitzen« bedeutete die höchste Lehrautorität, um das Volk im Gesetz zu unterweisen. Der Ausdruck kann auch übersetzt werden mit: »Sie haben sich selbst auf Moses Stuhl gesetzt«, dass sie also nur sich selbst diese Autorität angemaßt hatten. Die Priester und Leviten waren tatsächlich legitimiert, über Fragen des Gesetzes zu entscheiden (5Mo 17,9), doch die Schriftgelehrten und Pharisäer waren über den Rahmen jeder legitimen Autorität hinausgegangen und hatten dem Wort Gottes menschliche Überlieferung hinzugefügt (15,3-9). Dafür verurteilte Jesus sie (V. 8-36).
23,3 haltet und tut. D.h. insoweit es dem Wort Gottes entspricht. Die Pharisäer banden gern »schwere Bürden« (V. 4) von unbiblischen Traditionen zusammen und erlegten sie anderen auf. Diese Gesetzlichkeit verurteilte Jesus ausdrücklich.
23,5 Gebetsriemen. Lederne Riemen mit Kästchen, die ein Stück Pergament enthielten, auf denen in 4 Spalten 2Mo 13,1-10; 11-16; 5Mo 6,4-9 und 11,13-21 geschrieben war. Sie wurden von Männern beim Gebet getragen – eins mitten auf der Stirn und eins auf dem linken Arm oberhalb des Ellenbogens. Die Verwendung von Gebetsriemen basierte auf einer überwörtlichen Auslegung von Bibelstellen wie 2Mo 13,9.10 und 5Mo 6,8. Offensichtlich machten die Pharisäer ihre Lederriemen, an denen die Gebetskästchen befestigt waren, besonders breit, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. die Säume an ihren Gewändern. D.h. die Quasten. Jesus selbst trug sie (s. Anm. zu 9,20) und daher verurteilte er nicht die Quasten an sich, sondern nur die Gesinnung, die Quasten länger zu machen, damit sie den Anschein besonderer Frömmigkeit vermittelten.
23,8 Rabbi … Vater … Meister. Hier verurteilt Jesus nicht Titel an sich, sondern Stolz und Anmaßung. Paulus spricht häufi g von »Lehrern« in der Gemeinde und bezeichnet sich selber als »Vater« der Korinther (1Kor 4,15). Offenbar verbietet das auch nicht den Erweis von Respekt (vgl. 1Th 5,11.12; 1Tim 5,1). Christus untersagt lediglich den Gebrauch solcher Bezeichnungen als geistliche Titel oder in einem demonstrativen Sinne, indem man Menschen eine unangemessene geistliche Autorität zuschreibt, als wären sie selbst anstatt Gott die Quelle der Wahrheit
23,13 die lasst ihr nicht hinein. Die Pharisäer hatten Gottes Gerechtigkeit verworfen und versuchten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (Röm 10,3). Dementsprechend lehrten sie auch andere, es ihnen gleichzutun. Ihre Gesetzlichkeit und Selbstgerechtigkeit verhüllten nur die enge Pforte, durch die allein man ins Reich Gottes gelangt (s. Anm. 7,13.14).
23,14 Dieser Vers fehlt in den ältesten erhaltenen Handschriften des Matthäusevangeliums, fi ndet sich jedoch bei Markus. S. Anm. zu Mk 12,40.
23,15 Proselyten. Ein heidnischer Konvertit zum Judentum. S. Apg 6,5. Sohn der Hölle. Jemand, dessen ewiges Schicksal die Hölle ist.
23,16 das gilt nichts. Eine willkürliche Unterscheidung der Pha- risäer, die ihnen die scheinheilige Berechtigung gab, ungestraft zu lügen. Wenn jemand »beim Tempel« schwor (oder beim Altar, V. 18, oder beim Himmel, V. 22), wurde sein Eid nicht als verbindlich angesehen. Wenn er aber »beim Gold des Tempels« schwor, konnte er sein Wort nicht brechen, ohne den Strafen des jüdischen Gesetzes unterworfen zu sein. Unser Herr machte deutlich, dass Schwören bei diesen Dingen dasselbe ist wie Schwören bei Gott selbst. S. Anm. zu 5,34.
23,23 die Minze und den Anis und den Kümmel verzehntet. Das waren keine landwirtschaftlichen Produkte, die verzehntet werden mussten (3Mo 27,30), sondern lediglich Gartenkräuter. Doch die Pharisäer wogen pedantisch den Zehnten von jedem Kraut ab und zählten vielleicht sogar jeden einzelnen Anis-Samen. Jesus verurteilte hier jedoch nicht in erster Linie das Einhalten der Feinheiten des Gesetzes. Das Problem war vielmehr, dass sie »das Wichtigere im Gesetz vernachlässigten«: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Glauben. Das sind die moralischen Prinzipien, die dem ganzen Gesetz zugrunde liegen. Sie waren mit ihrer Konzentration auf die Nebensächlichkeiten und Äußerlichkeiten zufrieden, widersetzten sich jedoch vorsätzlich der geistlichen Bedeutung des Gesetzes. Er sagte ihnen, sie sollten sich diesen wichtigeren Dingen widmen und zugleich »jenes nicht lassen«.
23,24 die Mücke aussiebt, das Kamel aber verschluckt. Man- che Pharisäer siebten ihre Getränke durch ein feines Tuch, um ja nicht versehentlich eine Mücke zu verschlucken. Die Mücke war das kleinste aller unreinen Tiere (3Mo 11,4).
23,25 das Äußere … reinigt. Dass den Pharisäern die Äußerlich- keiten das Wichtigste war, war der Kern ihres Irrtums. Wer trinkt schon gern aus einem Becher, der außen blank, aber innen schmutzig ist? Doch die Pharisäer lebten so, als wäre die äußere Erscheinung wichtiger als die innere Wirklichkeit. Das war das Wesen ihrer Heuchelei und Jesus tadelte sie immer wieder dafür (s. Anm. zu 5,20; 16,12).
23,27 getünchten Gräbern. Gräber wurden regelmäßig ge- tüncht, damit man sie nicht übersah. Wenn man versehentlich ein Grab berührte oder darauf trat, wurde man zeremoniell unrein (4Mo 19,16). Ein frisch getünchtes Grab sah von außen strahlend weiß und sauber aus und war zudem manchmal noch reich geschmückt. Doch im Innern war es voller Fäulnis und Verwesung. Ähnliches sagt Jesus in Lk 11,44.
23,30 wir hätten uns nicht mit ihnen … schuldig gemacht. Eine lächerliche Behauptung ihrer eigenen Gerechtigkeit, wo sie doch bereits die Ermordung des Messias planten (vgl. Joh 11,47-53).
23,34 Propheten und Weise und Schriftgelehrte. D.h. die Jün- ger sowie die Propheten, Evangelisten und Hirten, die ihnen folgten (vgl. Eph 4,11).
23,35 Abels … Zacharias. Der erste und letzte Märtyrer des AT. des Sohnes Barachias. (s. Sach 1,1). Das AT berichtet nicht, wie er starb. In 2Chr 24,20.21 fi nden wir jedoch den Tod eines anderen Sacharja, des Sohnes Jojadas. Er wurde auf dem Tempelvorhof gesteinigt, genau wie Jesus es hier sagt. Die besten Handschriften des Matthäusevangeliums lesen alle »Zacharias (bzw. Sacharjas), des Sohnes Barachias« (obwohl in Lk 11,51 der Vater nicht genannt ist). Einige meinten, der Sacharja in 2Chr 24 sei in Wirklichkeit ein Enkel Jojadas gewesen und sein Vater habe ebenfalls Barachias geheißen. Doch können wir Jesu Worte ohne Schwierigkeiten einfach so nehmen, wie sie sind und sein unfehlbares Zeugnis annehmen, dass der Prophet Sacharja zwischen Tempel und Altar ermordet wurde, ganz ähnlich wie der frühere Sacharja als Märtyrer starb.
23,36 dieses Geschlecht. Historisch gesehen war dies die Gene- ration, die die völlige Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70 n.Chr. erlebte. Seine Klage über Jerusalem und die Ankündigung, dass Gott den Tempel der Verwüstung überlassen würde (V. 37.38), zeigen, dass der Herr hier vom Gericht der Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr. sprach. S. Anm. zu 22,7; 24,2; Lk 19,43.
23,37 habe ich … wollen … aber ihr habt nicht gewollt! Gott ist absolut souverän und somit völlig imstande, das geschehen zu lassen, was immer er wünscht (vgl. Jes 46,10), einschließlich der Errettung jedes Menschen, den er zum Heil erwählt (Eph 1,4.5). Dennoch äußert er zuweilen einen Wunsch über etwas, das er durch seine Souveränität nicht zur Erfüllung bringt (vgl. 1Mo 6,6; 5Mo 5,29; Ps 81,14; Jes 48,18). Derartige Äußerungen deuten in keiner Weise auf eine Einschränkung der Souveränität Gottes hin oder dass er sich verändert habe (4Mo 23,19). Doch offenbaren diese Aussagen wesentliche Aspekte des Charakters Gottes: Er ist voller Mitgefühl, aufrichtig gut zu allen, ersehnt das Gute und nicht das Böse und hat daher keinen Gefallen am Verderben des Gottlosen (Hes 18,32; 33,11). Während einerseits Gottes Souveränität uneingeschränkt gilt, müssen wir andererseits seine Aufforderungen an die Verworfenen zur Buße als ernst gemeinte Appelle verstehen – und seine Güte gegenüber dem Gottlosen als echte Barmherzigkeit, die den Sünder zur Buße erwecken soll (Röm 2,4). Die von Christus hier (und an ähnlichen Stellen wie z.B. in Lk 19,41) gezeigte Gefühlsregung kommt aus der Tiefe seines Herzens. Alle Emotionen Christi müssen in völliger Harmonie mit seinem göttlichen Willen stehen (vgl. Joh 8,29). Deshalb sollten wir diese Klage nicht als bloßen Ausdruck seiner Menschlichkeit verstehen.
23,38 euer Haus wird euch verwüstet gelassen werden. Ein paar Tage zuvor hatte Christus den Tempel als »Haus« seines Vaters bezeichnet (21,13). Doch der Segen und die Herrlichkeit Gottes waren von Israel gewichen (s. 1Sam 4,21). Als Christus vom Tempel wegging (24,1), ging die Herrlichkeit Gottes mit ihm fort. In Hesekiel 11,23 beschreibt Hesekiel seine Vision von der Schekina, der Herrlichkeits-Wolke, die damals vom Tempel wich. Sie verließ den Tempel und stand auf dem Ölberg (s. Anm. zu 24,3; Lk 19,29). Das ist exakt dieselbe Route, die auch Christus hier einschlägt (vgl. 24,3).
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26.
24,1 – 25,46 Dieser Abschnitt ist die letzte von fünf Reden im Matt- häusevangelium (s. Einleitung: Historische und theologische Themen). Sie ist als Ölbergrede bekannt und enthält einige der wichtigsten prophetischen Aussagen der ganzen Bibel. 24,1 die Gebäude des Tempels. Der Bau dieses Tempels wurde unter Herodes dem Großen im Jahr 20 v.Chr. begonnen (s. Anm. zu 2,1), und er war immer noch nicht fertiggestellt, als die Römer ihn 70 n.Chr. zerstörten (s. Anm. zu V. 2). Zur Zeit Jesu gehörte der Tempel zu den beeindruckendsten Gebäuden der Welt. Er war aus massiven Steinblöcken gebaut, die mit Gold verziert waren. Einige Steine im Tempelkomplex maßen 12 x 3,5 x 3,5 m und waren so genau behauen, dass sie sich vollkommen aneinander fügten. Die Tempelgebäude bestanden aus glänzendem weißen Marmor und die gesamte Ostmauer des großen Hauptkomplexes war mit Goldplatten bedeckt, die die Morgensonne widerstrahlten und so ein weithin sichtbares Schauspiel boten. Die Konstrukteure des Herodes hatten mit Hilfe von mächtigen Stützmauern und gewölbten Kammern auf der Südseite und südöstlichen Ecke den gesamten Tempelberg vergrößert. Dadurch wurde der ausgedehnte Vorhof auf dem Tempelberg verdoppelt. Der ganze Tempelkomplex war in jeder Hinsicht überwältigend. Das Gespräch der Jünger in diesem Vers war vielleicht eine Reaktion auf Jesu Aussage in 23,38. Zweifellos wunderten sie sich, wie eine derart eindrucksvolle Stätte »verwüstet gelassen« werden könne.
24,2 kein Stein auf dem anderen. Diese Aussage erfüllte sich im Jahr 70 n.Chr. wortwörtlich. Der römische Heerführer Titus baute große Holzgerüste um die Mauern des Tempelkomplexes, stapelte Holz und andere brennbare Materialien darauf und setzte sie in Brand. Die Hitze des Feuers war so groß, dass die Steine barsten. Anschließend wurden die Trümmer gesiebt, um das geschmolzene Gold zurückzugewinnen, und die Steine der verbleibenden Ruinen wurden »abgebrochen« und ins Kidrontal geworfen. S. Anm. zu 22,7; Lk 19,43.
24,3 Ölberg. Der Hügel gegenüber dem Tempel auf der Ostseite des Kidrontals (s. Anm. zu Lk 19,29). Dieser Punkt bietet den besten Rundblick über Jerusalem. Am Fuß dieses Berges ist der Garten Gethsemane (s. Anm. zu 26,36). das Zeichen deiner Wiederkunft. Lk 19,11 berichtet, dass die Jünger immer noch »meinten, das Reich Gottes würde unverzüglich erscheinen«. Die Zerstörung des Tempels (V. 2) passte nicht in ihr eschatologisches Bild. Deshalb baten sie Jesus, ihnen dieses Problem zu erklären. Jesus beantwortete ihre Fragen in umgekehrter Reihenfolge: Zuerst beschrieb er das prophetische Zeichen für seine Wiederkunft (eigentlich eine ganze Reihe von Zeichen) in V. 4-35 und ging dann ab V. 36 auf ihre Frage ein, wann diese Ereignisse stattfi nden werden. Als sie ihn nach seiner Wiederkunft fragten (gr. parousia; wörtl. »Gegenwart«), dachten sie nicht an ein zweites Kommen vom Himmel in ferner Zukunft. Sie dachten an das siegreiche Auftreten des Messias und meinten, das müsste jetzt kurz bevorstehen. Obwohl sie wussten, dass Jesus seinem Tod entgegenging – was er ihnen mehrmals angekündigt hatte (s. Anm. zu 20,19) –, konnten sie sich nicht seine Himmelfahrt und die lange Zwischenzeit der Gemeinde vorstellen. Der Herr verwendete jedoch in der Endzeitrede das Wort parousia im technischen Sinne als Hinweis auf seine Wiederkunft.
24,6 es ist noch nicht das Ende. Falsche Propheten sowie Kriege und Kriegsgerüchte charakterisieren das ganze jetzige Zeitalter, werden jedoch am Ende zunehmen (vgl. 2Tim 3,13).
24,8 Wehen. Das griechische Wort bedeutet eigentlich »Geburts- wehen«. Hungersnöte, Erdbeben und Konfl ikte haben stets das Leben in dieser gefallenen Welt geprägt. Doch der Herr bezeichnete diese Dinge als den »Anfang« der Geburtswehen: Gegen Ende dieses Zeitalters würden diese Dinge sich verschärfen und so die baldige Ankunft des Messias ankündigen, der eine sündige Menschheit richten und seine tausendjährige Herrschaft aufrichten wird. Vgl. 1Th 5,3; Offb 6,1-17; 8,1-9,21; 16,1-21; s. Anm. zu V. 14.
24,9 preisgeben. S. Anm. zu 10,17.
24,10 werden viele Anstoß nehmen. Wörtl. »zu Fall gebracht werden«. Damit sind bekennende Gläubige gemeint, die abfallen und sich durch geistlichen Verrat sogar gegenseitig bekämpfen. Wer in solcher Weise abfällt, zeigt, dass er niemals ein wahrer Gläubiger war (s. Anm. zu V. 13).
24,13 Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet wer- den. Vgl. 10,22. Die Erretten sind diejenigen, die ausharren – und nicht jene, deren Liebe erkaltet (V. 12). Das bedeutet nicht, dass unser Ausharren unsere Errettung gewährleistet. Die Schrift lehrt überall genau das Gegenteil: Gott ist es, der als Bestandteil seines Heilswerkes unser Ausharren wirkt. Wahre Gläubige werden »in der Kraft Gottes bewahrt durch den Glauben zu dem Heil« (1Pt 1,5). Die Garantie unseres Ausharrens gründet sich auf die Verheißung des Neuen Bundes. Gott sagt: »Ich will meine Furcht in ihr Herz geben, dass sie nicht mehr von mir weichen sollen« (Jer 32,40). Die bloßen Bekenner, die von Christus abfallen, beweisen durch ihr Abfallen, dass sie von Anfang an keine wahren Gläubigen waren (1Joh 2,19). Dass Gott unser Ausharren bewirkt, heißt nicht, dass wir passiv bleiben. Er bewahrt uns »durch den Glauben« (1Pt 1,5), d.h. durch unseren Glauben. Die Schrift ruft uns manchmal auf, an unserem Glauben festzuhalten (Hebr 10,23; Offb 3,11), und sie warnt uns vor dem Abfallen (Hebr 10,26-29). Solche Ermahnungen stellen nicht die vielen Verheißungen in Abrede, dass wahre Gläubige ausharren werden (Joh 10,28.29; Röm 8,38.39; 1Kor 1,8.9; Phil 1,6). Vielmehr gehören diese Warnungen und Appelle zu den Mitteln, die Gott benutzt, um unser Ausharren im Glauben zu bewirken. Es fällt auf, dass Warnungen und Verheißungen in der Schrift oft nebeneinander stehen. Wenn z.B. Judas die Gläubigen auffordert: »Bewahrt euch in der Liebe Gottes« (Jud 21), weist er sie kurz danach auf Gott hin, »der mächtig ist, euch ohne Straucheln zu bewahren« (Jud 24).
24,14 in der ganzen Welt verkündigt. Trotz allen bevorstehenden Drangsalen – der Verführung durch Irrlehrer, den Kriegen, Verfolgungen, Naturkatastrophen, dem Abfall von Christus und allen Hindernissen für die Verbreitung des Evangeliums – wird die frohe Botschaft schließlich bis in jeden Winkel der Erde vordringen. Gott fehlt es nie an Zeugen und er wird, wenn nötig, das Evangelium vom Himmel verkündigen (vgl. Offb 14,6). und dann wird das Ende kommen. »Das Ende« bedeutet die letzten, heftigsten Geburtswehen (s. Anm. zu V. 8). So charakterisiert Christus die große Drangsalszeit, die nun in den folgenden Versen beschrieben wird.
24,15 Gräuel der Verwüstung. S. Anm. zu Dan 9,27; 11,31. Die- ser Ausdruck bezog sich ursprünglich auf die Entweihung des Tempels durch König Antiochus Epiphanes im 2. Jhdt. v.Chr. Antiochus fi el 168 v.Chr. in Jerusalem ein, machte aus dem Tempel ein Zeus-Heiligtum und opferte sogar Schweine auf dem Altar. Jesus hatte jedoch eindeutig einen zukünftigen »Gräuel der Verwüstung« im Blick. Einige meinen, diese Prophezeiung habe sich im Jahr 70 n.Chr. erfüllt, als Titus Jerusalem und den Tempel zerstörte (s. Anm. zu V. 2). Paulus sah die Erfüllung jedoch als ein zukünftiges Ereignis (2Th 2,3.4) – ebenso wie Johannes (Offb 13,14.15) –, das stattfi nden wird, wenn der Antichrist während der künftigen Drangsalszeit ein Bildnis in den Tempel stellt. Deshalb blicken Jesu Aussagen hier über die Ereignisse des Jahres 70 n.Chr. hinaus auf eine Zeit noch heftigerer weltweiter Katastrophen, die seiner Wiederkunft unmittelbar vorausgehen (vgl. V. 29-31).
24,16 auf die Berge. Wahrscheinlich ist damit das Gebiet südöst- lich von Jerusalem gemeint, insbesondere die Umgegend des Toten Meeres, wo es viele Höhlen und Zufl uchtsstätten gibt. Hier versteckte David sich vor Saul (1Sam 24,1). Dazu gehört auch das Bergland von Moab und Edom.
24,21 große Drangsal. Die Beschreibung »wie bis jetzt keine ge- wesen ist und auch keine mehr kommen wird« und die darauf folgende Schilderung belegen, dass es hier um eine noch zukünftige Zeit geht, in der Gott seinen Zorn auf die Erde gießt (s. Anm. zu Offb 7,14). Die Beschreibungen der anschließenden Katastrophen erinnern an die Gerichte der Zornesschalen in Offb 16 und an das darauf folgende Erscheinen des Herrn in Offb 19 (s. Anm. zu V. 30).
24,22 wenn jene Tage nicht verkürzt würden. Würden die Drangsale dieser Zeit länger dauern, »würde kein Fleisch gerettet werden«, d.h. niemand würde überleben. Doch »um der Auserwählten willen« (damit die Erlösten nicht mehr leiden, als sie ertragen können), wird die Zeit »verkürzt«, d.h. kurz vor der völligen Vernichtung beendet. Sowohl Dan 7,25 als auch Offb 12,14 (s. Anm. dort) legen nahe, dass die tatsächliche Zeit, während der »das Tier« die Welt terrorisieren kann, auf 3 1/2 Jahre begrenzt ist.
24,24 um, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verfüh- ren. Das besagt eindeutig, dass eine solche Verführung nicht möglich ist (Joh 10,4.5).
24,26 glaubt es nicht. Niemand sollte die Behauptung selbst er- nannter Messiasse ernst nehmen; denn niemand wird die Wiederkunft Christi übersehen oder verpassen (V. 27.28).
24,28 sammeln sich die Geier. Weil über dem Aas die Geier krei- sen, kann man aus großer Entfernung erkennen, wo sich Aas befi ndet (vgl. Hi 39,27-30). Ebenso wird die Wiederkunft Christi für alle, nah und fern, erkennbar sein. Dasselbe besagt auch der Blitz in V. 27. Das Bild von kreisenden Aasgeiern spricht auch vom Gericht, das bei der Wiederkunft Jesu fallen wird (Offb 19,21).
24,29 wird die Sonne verfi nstert werden. Solche Phänomene gehören zu den Weissagungen über den Tag des Herrn (s. Jes 13,9.10; Hes 32,7.8; Joel 2,10; 3,4; 4,15; Am 8,9). Die endgültige Erfüllung dieser Prophezeiung fi ndet während der Regierungszeit des »Tieres« statt (Offb 6,12.13; 8,12).
24,30 das Zeichen des Menschensohnes. D.h. der Sohn des Men- schen selbst ist das Zeichen. Die hier beschriebenen Ereignisse stimmen genau mit den Beschreibungen in Dan 7,13 und Offb 19,11-21 überein. werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen. D.h. wehklagen wegen ihrer Rebellion. Insbesondere wird Israel beklagen, dass es den Messias verworfen hat (vgl. Sach 12,10-12).
24,31 von einem Ende des Himmels bis zum anderen. Alle Er- wählten vom Himmel und von der Erde werden zusammengebracht und vor Christus versammelt. Das ist der Höhepunkt der Weltgeschichte und der Auftakt zur tausendjährigen Herrschaft Christi (vgl. Offb 20,4).
24,32 Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis. Wenn die Zweige des Feigenbaums »Blätter treiben«, ist der Sommer nicht mehr fern. Und wenn die letzten Geburtswehen einsetzen (s. Anm. zu V. 14), ist Christi Wiederkunft »nahe vor der Tür« (V. 33).
24,34 Dieses Geschlecht. Das kann sich nicht auf die Generation beziehen, die zur Zeit Jesu lebte, denn »dies alles« geschah nicht zur ihrer Lebzeit: der Gräuel der Verwüstung (V. 15), die Verfolgungen und Gerichte (V. 17-22), die falschen Propheten (V. 23-26), die Zeichen am Himmel (V. 27-29), Christi Wiederkunft (V. 30) und die Sammlung der Erwählten (V. 31). Am ehesten meinte der Herr mit »diesem Geschlecht« die Generation, die zu der Zeit lebt, wenn die letzten schweren Geburtswehen beginnen (s. Anm. zu V. 14). Das würde auch zur Lektion des Feigenbaums passen: Es ist nur eine kurze Zeitspanne, in der »dies alles« geschehen wird (s. Anm. zu V. 32).
24,35 Himmel und Erde werden vergehen. Vgl. Jes 24,18-20. S. Anm. zu 2Pt 3,10-13.
24,36 Tag … und Stunde. S. Anm. zu Mk 13,32. Die Jünger woll- ten die genaue Zeit erfahren, aber dieses Wissen stand ihnen nicht zu (Apg 1,7). Stattdessen betont Christus die Notwendigkeit von Glauben, Wachsamkeit, treuer Verwalterschaft und ständiger Bereitschaft. Das sind die Lektionen, die er in den nun folgenden Gleichnissen lehrt.
24,37 in den Tagen Noahs. Der Herr will hier nicht so sehr die Gottlosigkeit der Zeit Noahs hervorheben (1Mo 6,5), sondern viel mehr die vergänglichen Dinge, die die Menschen damals in Beschlag nahmen (»Essen und Trinken, Heiraten und Verheiraten«, V. 38), als plötzlich das Gericht über sie hereinbrach. Sie waren durch Noahs Predigt gewarnt worden (2Pt 2,5) sowie durch die Arche selbst, die ein Zeugnis für das bevorstehende Gericht war. Doch machten sie sich über solche Dinge keine Gedanken und wurden daher unerwartet aus ihrem alltäglichen Treiben herausgerissen und dem Gericht Gottes übergeben.
24,40 die eine wird genommen. D.h. er wird im Gericht weg- genommen (vgl. V. 39), genau wie es bei der Sintfl ut geschah (»dahinraffte«, V. 39). Das bezieht sich eindeutig nicht auf die Entrückung der Gläubigen, die in 1Th 4,16.17 beschrieben wird.
24,43 der Dieb. So wie niemand weiß, wann der Dieb kommt, so kennt auch niemand die Stunde, wann der Herr wiederkommt oder wann der Tag des Herrn sein wird (vgl. 1Th 5,2; 2Pt 3,10). Doch der Gläubige soll allezeit bereit sein.
24,44 zu einer Stunde, da ihr es nicht meint. Die nun folgenden Gleichnisse lehren die Jünger Jesu, bereit zu sein für den Fall, dass er früher kommt als erwartet (V. 43-51) und ebenfalls bereit zu sein für den Fall, dass er länger verzieht als erwartet (25,1-13).
24,45 Der böse Knecht steht für einen Ungläubigen, der sich weigert, die Verheißung der Wiederkunft Christi ernst zu nehmen (vgl. 2Pt 3,4). Obwohl er ein Ungläubiger ist (wie seine Bestrafung zeigt – s. Anm. zu 22,13), ist er dennoch vor Christus verantwortlich für seine Zeit. Jesus lehrte hier, dass jeder Mensch auf der Welt alles, was er hat, von Gott anvertraut bekommen hat – sein Leben, seine natürlichen Fähigkeiten, seinen Wohlstand, seinen Besitz –, und dass er darüber Rechenschaft ablegen muss, wie er diese Dinge eingesetzt hat.
24,51 Heulen und Zähneknirschen. S. Anm. zu 22,13.
25,1 Das Gleichnis von den 10 Jungfrauen lehrt, wie wichtig es ist, unter allen Umständen für die Wiederkunft Christi bereit zu sein, auch wenn er länger verzieht als erwartet. Denn wenn er wiederkommt, dann werden die Unvorbereiteten keine zweite Chance haben (V. 11.12). 25,1 zehn Jungfrauen. D.h. Brautjungfern. Die Hochzeitsfeier be- gann beim Eintreffen des Bräutigams im Haus der Braut, wo sich die beiden dem Trauungsritual unterzogen. Danach folgte eine Prozession, bei welcher der Bräutigam die Braut zu seinem Haus führte, um dort die Festlichkeiten zu vollenden. Für eine nächtliche Hochzeit wurden für die Prozession »Lampen« benötigt (eigentlich waren es Fackeln).
25,14 Das Gleichnis von den Talenten illustriert die Tragik vergeudeter Gelegenheiten. Der Mann, der auf die Reise geht, ist Christus, und die Knechte stehen für bekennende Gläubige, die ihr je verschiedenes Maß an Verantwortung bekommen haben. Was von ihnen verlangt wird, ist Treue (s. Anm. zu V. 23); und das Gleichnis lehrt, dass alle, die treu sind, auch mehr oder weniger fruchtbar sind. Der ganz fruchtlose Mensch wird als Heuchler entlarvt und der Verdammnis übergeben (V. 30).
25,15 Talente. Ein Talent war nicht eine besondere Münze, sondern ein Gewicht. Ein Talent Gold war daher mehr wert als ein Talent Silber. Ein Talent Silber (das mit »Geld« übersetzte Wort in V. 18 bedeutet wörtl. »Silber«) war eine beträchtliche Geldsumme. Die heutige Bedeutung des Begriffs »Talent« als natürliche Begabung ist darauf zurückzuführen, dass dieses Gleichnis falsch angewendet wurde, nämlich auf den verantwortlichen Umgang mit den eigenen natürlichen Begabungen.
25,23 zur Freude deines Herrn. Sowohl der Knecht mit den fünf als auch der mit den zwei Talenten empfi ngen beide genau denselben Lohn. Das weist darauf hin, dass der Lohn nicht nach den Ergebnissen bemessen wird, sondern nach der Treue.
25,24 ein harter Mann. Mit seiner Beschreibung schimpft er seinen Herrn einen grausamen und unbarmherzigen Menschen, der das »erntet und sammelt«, worauf er keinen Besitzanspruch hat. Der faule Knecht steht nicht für einen echten Gläubigen, denn es ist offensichtlich, dass er seinen Herrn nicht wirklich kannte.
25,26 Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät … habe. Der Herr wiederholt den Vorwurf des Knechts gegen ihn, aber das heißt nicht, dass er dieser Beschreibung zustimmt. Es sollte der Knecht einfach durch seine eigenen Worte verurteilt werden. Wenn der Knecht wirklich geglaubt hätte, dass der Herr ein solcher Mann ist, dann hätte er umso mehr Grund gehabt, nicht faul zu sein. Sein Vorwurf gegen den Herrn entschuldigte nicht seine Faulheit – selbst wenn der Vorwurf berechtigt gewesen wäre.
25,29 wer hat, dem wird gegeben werden. S. 13,12. Die Em- pfänger der Gnade Gottes erben zusätzlich zum ewigen Leben unermesslichen Segen (vgl. Röm 8,32). Wer hingegen den Reichtum der Güte, Nachsicht und Geduld Gottes verachtet (Röm 2,4) und diese Segnungen in der Erde vergräbt und stattdessen an den erbärmlichen und vergänglichen Gütern dieser Welt hängt, wird am Ende alles verlieren, was er hat (vgl. 6,19; Joh 12,25).
25,30 äußerste Finsternis … Heulen und Zähneknirschen. S. Anm. zu 22,13.
25,31 wird er auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen. Das spricht von der irdischen Herrschaft Christi, die in Offb 20,4-6 beschrieben ist. Das hier in V. 32-46 geschilderte Gericht ist nicht das Gericht am großen weißen Thron von Offb 20,11-15, sondern ein Gericht, das vor dem Tausendjährigen Reich stattfi ndet. Dieses Gericht betrifft offenbar nur solche, die zur Zeit der Wiederkunft Jesu auf der Erde leben. Es wird manchmal als »Gericht der Nationen« bezeichnet, doch seine Urteilssprüche richten sich nicht an Nationen als ganze, sondern an die Einzelpersonen in diesen Nationen (vgl. V. 46). 25,32.33 Schafe. Das sind Gläubige (10,16; Ps 79,13; Hes 34). Sie bekommen den Platz »zu seiner Rechten« zugewiesen; das ist der bevorzugte Platz. Böcke. Das sind Ungläubige, die verworfen und dem Ort der Unehre übergeben werden.
25,34 das euch bereitet ist. Diese Formulierung unterstreicht, dass ihre Errettung nicht durch die in V. 35.36 beschriebenen Taten verdient wurde, sondern eine Gnadengabe Gottes ist. Gott hat sie vor »Grundlegung der Welt« erwählt und zur Heiligkeit verordnet (Eph 1,4) und vorherbestimmt, zur Gleichgestalt Christi verwandelt zu werden (Röm 8,29). Daher sind die guten Taten, die in V. 35.36 gelobt werden, nicht die Wurzel ihrer Errettung, sondern deren Frucht. Die Werke sind nicht die Grundlage für ihren Einlass ins Reich, sondern lediglich sichtbarer Ausdruck der Gnade Gottes in ihrem Leben. Sie sind objektive Kriterien für das Gericht, denn sie sind der sichtbare Beleg für rettenden Glauben (vgl. Jak 2,14-26).
25,40 meiner geringsten Brüder. Damit sind insbesondere ande- re Jünger gemeint. Manche wenden diesen Ausdruck auf das nationale Israel an; andere generell auf Menschen in Not. Doch Christus lobt hier jene »zu seiner Rechten« (V. 34) insbesondere dafür, wie sie seine Boten aufgenommen haben. S. Anm. zu 18,5.
25,46 ewige Strafe … ewige Leben. In beiden Fällen wird dasselbe gr. Wort verwendet. Die Bestrafung der Ungläubigen ist genauso endlos wie der Segen der Gerechten. Die Verlorenen erhalten weder eine zweite Chance noch werden sie vernichtet. Die Pein der Ungerechten wird in der ganzen Bibel beschrieben als »ewiges Feuer« (V. 41); »unauslöschliches Feuer« (3,12); »ewige Schmach und Schande« (Dan 12,2); ein Ort, »wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt« (Mk 9,44-49); ein Ort der »Qualen« und der »Flamme« (Lk 16,23.24); als »ewiges Verderben« (2Th 1,9); ein Ort der Qualen mit »Feuer und Schwefel«, wo »der Rauch ihrer Qual aufsteigt von Ewigkeit zu Ewigkeit« (Offb 14,10.11); und als ein »Feuer- und Schwefelsee«, in welchem die Verlorenen »gepeinigt werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit« (Offb 20,10). Hier weist Jesus selbst darauf hin, dass nicht nur der Rauch und die Flammen, sondern auch die Strafe selbst ewig sein werden. Die Ungerechten werden für immer dem Zorn und Grimm Gottes unterworfen sein. Sie erleiden unter vollem Bewusstsein die Schande und Schmach sowie die Schmerzen eines sie anklagenden Gewissens – zusammen mit dem brennenden Zorn eines Gottes, gegen den sie gesündigt haben – und das für alle Ewigkeit. Sogar die Hölle wird die vollkommene Gerechtigkeit Gottes anerkennen (Ps 76,11); die Verlorenen werden dort wissen, dass ihre Strafe gerecht ist und dass allein sie die Schuld dafür tragen (vgl. 5Mo 32,3-5).
26,2 Passah. Das war der von Gott dazu erwählte Zeitpunkt, dass Christus sterben sollte. Christus war das Gegenbild, auf welches das Passahlamm schon immer hingedeutet hatte. Der Herr war den Mordversuchen seiner verschworenen Feinde bisher stets entgangen (Lk 4,29.30; Joh 5,18; 10,39), doch nun war seine Stunde gekommen (s. Anm. zu V. 5). Das wahre Lamm Gottes sollte die Sünde der Welt wegnehmen (Joh 1,29).
26,3 Kajaphas. Kajaphas war Hoherpriester von 18 bis 36 n.Chr. Das war für das Amt eines Hohenpriesters ungewöhnlich lange. Diese lange Amtszeit legt nahe, dass er eine gute Beziehung sowohl zu Rom als auch zur Dynastie des Herodes hatte. Er war der Schwiegersohn seines Vorgängers Hannas (Joh 18,13; s. Anm. zu Lk 3,2). Er bestimmte über den Tempel und schlug zweifellos persönlichen Gewinn aus dem dort betriebenen schamwürdigen Handel (s. Anm. zu 21,12). Seine Feindseligkeit gegen Jesus war offenkundig sehr persönlicher Natur und besonders böswillig. An allen Stellen, wo er in der Bibel auftritt, sucht er Jesus zu töten.
26,5 Nicht während des Festes. Die führenden Juden, die Jesus schon seit langem hatten umbringen wollen, beschlossen, ihren Anschlag auf eine politisch günstigere Zeit zu verschieben. Das vermochten sie aber nicht, denn die von Gott bestimmte Zeit war gekommen (s. Anm. zu V. 2.18.54).
26,6 Simons des Aussätzigen. Dieser Simon wird sonst nirgends in der Schrift erwähnt. Wahrscheinlich hatte Jesus ihn vom Aussatz geheilt, denn Aussätzige wurde als unrein betrachtet und durften daher keinen Umgang mit anderen haben und nicht einmal in Städten leben. S. Anm. zu 3Mo 13,2 für eine Erläuterung von Aussatz.
26,7 mit einer alabasternen Flasche voll kostbaren Salböls. Markus nennt ihren Wert: »mehr als dreihundert Denare« (s. Anm. zu Mk 14,5). Das war nahezu ein Jahreslohn. Auch das teure Gefäß wurde zerbrochen (Mk 14,3), so dass diese Handlung die Frau noch mehr kostete. »Alabaster« war eine feine ägyptische Marmorart, aus der man feine Behälter für kostbare Parfüme herstellte. Johannes berichtet uns, dass es sich bei dieser Frau um Maria handelte, die Schwester von Martha und Lazarus (Joh 12,3). Martha und Maria bereiteten also offensichtlich eine Mahlzeit für Simon den Aussätzigen. Matthäus und Markus schreiben, dass sie seinen Kopf salbte. Johannes fügt hinzu, dass sie seine Füße salbte und mit ihrem Haar trocknete. Von einer Frau, die den Herrn Jesus auf ähnliche Weise verehrt, ist in Lk 7,36-38 berichtet; doch aufgrund der Unterschiede von Zeit, Ort und anderen Einzelheiten ist es klar, dass es sich um zwei verschiedene Begebenheiten handelt.
26,8 wurden sie unwillig. Johannes schreibt, dass Judas der Sprecher dieses Protests war, und zwar aus heuchlerischen Gründen (Joh 12,4-6). Die anderen Jüngern erkannten seine Heuchelei nicht und schlossen sich dem Protest an. N das Gartengrab (alternative Stätten) von R am von M a izpa Bethesda Pilatus spricht Teiche das Urteil Golgatha und das Gartengrab Prätorium von Emmaus (traditionelle Stätten) TemPrpeedlrigeti nuignudng M I S H N E Temp Königliche Palast des Halle Palast Herodes Antipas Szutar dZtemita Jueesru deOs BHeE roR dSesT A D T Theater Haus des Kajaphas (?) Petrus verleugnet Jesus Obersaal – U N T E R STeT icA hD T K I D R Siloah letztes Abendmahl Es g Essenertor Tor der Weigerung Wassertor Tage und e Jerus von Bethlehem H I N N O M T A L zu re Die Ereignisse der Triumphaler Einzug am Palmsonntag Passionswoche trugen sich in Jerusalem zu und von Bethanien btreiugmanpnheanle mmi tE Jineszuu g am Palmsonntag. Diese Karte zeigt die Einzelheiten jener Woche. Nach seiner Auferstehung erschien Jesus seinen Jüngern und 500 Ölberg pel weiteren Gläubigen jedoch im gesamten Gebiet Judäas Garten Gethse- und Galiläas. mane – Jesus wird verhaftet »Zinne des Tempels« Gihonquelle O N T A L geschah aber, als sich die e seines Heimgangs erfüllten er sein Angesicht nach salem richtete, um dorthin eisen … (Lk 9,51) kannter, wahrscheinlich ein Diener des Mannes, dem das Haus mit dem »Obersaal« gehörte, wo sie das Passahmahl aßen (Mk 14,15; Lk 22,12). Jesus hatte diese Vorkehrungen offenbar heimlich getroffen, um einen vorzeitigen Verrat zu verhindern. Hätte Judas im Voraus gewusst, wo das Mahl stattfi nden sollte, dann hätte er sicherlich die Hohenpriester und Ältesten darauf aufmerksam gemacht (s. V. 14-16). Doch nichts dergleichen sollte geschehen, bevor »die Zeit gekommen war«. All das zeigt, dass der Herr alle Einzelheiten seiner Kreuzigung souverän in seinen Händen hielt (s. Anm. zu V. 5.54). 26,20 setzte er sich. Wörtl. »lehnte er sich zurück« (s. Anm. zu Mk 14,18; vgl. Joh 13,25).
26,26 Nehmt, esst! Das ist mein Leib. Jesus machte aus dem letzten Passah das erste Mahl des Herrn. Er selbst ist die Erfüllung beider symbolischer Feiern: Er wird bildhaft repräsentiert sowohl durch das Passahlamm als auch durch das Brot und den Kelch des Gemeinschaftsmahls. Seine Aussage »das ist mein Leib« konnten die anwesenden Jünger an jenem Abend unmöglich buchstäblich verstanden haben. S. Anm. zu Lk 22,19.
26,28 mein Blut, das des neuen Bundes. Bündnisse wurden mit dem Blut eines Opfertieres bestätigt und besiegelt (1Mo 8,20; 15,9.10). Diese Worte Jesu sind die Erfüllung dessen, was Mose in 2Mo 24,8 sagte. Das Blut des Neuen Bundes ist kein Tierblut, sondern Christi eigenes Blut, das er zur Sündenvergebung vergossen hat. S. Anm. zu Jer 31,3134; Hebr 8,1-10,18; 8,6.
26,29 im Reich meines Vaters. In seinem irdischen, d. h. im Tau- sendjährigen Reich (s. Lk 22,18.29.30).
26,30 Lobgesang. Wahrscheinlich Ps 118. Der Talmud bezeichnet die Psalmen 113-118 als das Hallel (Lobpreis-Psalmen) Ägyptens. Diese Psalmen wurden beim Passah gesungen (s. Anm. zu Ps 113-118).
26,31 Anstoß nehmen. S. V. 56. Dasselbe gr. Wort wie Jesus es in
24,10 werden viele Anstoß nehmen. Wörtl. »zu Fall gebracht werden«. Damit sind bekennende Gläubige gemeint, die abfallen und sich durch geistlichen Verrat sogar gegenseitig bekämpfen. Wer in solcher Weise abfällt, zeigt, dass er niemals ein wahrer Gläubiger war (s. Anm. zu V. 13). 24,10 verwendete, wo er den Abfall und geistlichen Verrat in der Endzeit ankündigte. Hier meinte der Herr hingegen nicht vollständigen und endgültigen Abfall. In einem Augenblick fl eischlicher Furcht verleugneten sie Christus (V. 34), doch er betete, dass ihr Glaube nicht aufhören werde (Lk 22,32; Joh 17,9-11). Dieses Gebet wurde erhört. Der Vers, den Jesus hier zitierte, ist Sach 13,7 (s. Anm. dort).
26,32 will ich euch nach Galiläa vorangehen. S. Anm. zu 28,7.
26,34 ehe der Hahn kräht. Markus fügt »zweimal« hinzu. Der Hahn beginnt etwa um 3.00 Uhr morgens zu krähen (vgl. Mk 13,35). Obwohl Petrus und alle Jünger beteuerten, dass sie Christus niemals verleugnen würden (V. 33.35), erfüllte sich diese Prophezeiung nur wenige Stunden später (V. 74.75; Mk 14,66-72).
26,36 Gethsemane. Wörtl. »Ölpresse«. Ein häufi ger Treffpunkt Jesu und seiner Jünger (Joh 18,1). Auch heute noch befi ndet sich dort ein Garten mit sehr alten Olivenbäumen. Da Judas mit der Gewohnheit Jesu vertraut war, konnte er Jesus dort fi nden, obwohl Christus seine Pläne nicht im Voraus bekannt gegeben hatte.
26,38 tief betrübt bis zum Tod. Seine Angst hatte nichts mit menschlicher Furcht oder den körperlichen Qualen des Kreuzes zu tun. Er war so betrübt, weil er in wenigen Stunden den Kelch trinken musste, der gefüllt war von Gottes Zorn über die Sünde (s. Anm. zu V. 39).
26,39 dieser Kelch. Vgl. V. 42. Ein Kelch ist im AT häufi g das Sym- bol für Gottes Zorn über Sünde (Jes 51,17.22; Jer 25,15-17.27-29; Kla 4,21.22; Hes 23,31-34; Hab 2,16). Am folgenden Tag sollte Christus »die Sünden vieler tragen« (Hebr 9,28) – und der Zorn Gottes in seiner ganzen Fülle sollte auf ihn niedergehen. Das war der Preis für die Sünde, die er trug, und er zahlte ihn vollständig. Sein Leidensschrei in 27,46 verrät, wie bitter der Zorneskelch war, den er trinken musste. nicht wie ich will, sondern wie du willst. Das verweist nicht etwa auf einen Konfl ikt zwischen den Personen Gottes, sondern offenbart vielmehr eindrücklich, wie Christus als Mensch seinen Willen in allen Dingen freiwillig dem Vater unterstellte, eben so, dass es keinen Konfl ikt zwischen dem Willen Gottes und seinem Willen gab. S. Joh 4,34; 6,38; 8,29; Phil 2,8. S. Anm. zu Joh 5,30.
26,41 das Fleisch ist schwach. Dieses Wort zeugt von rührendem Mitgefühl. Christus war selber vollkommen mit dem Gefühl menschlicher Schwachheit vertraut (Hebr 4,15) – jedoch ohne Sünde. Gerade in diesem Augenblick focht er einen Kampf gegen menschliche Gefühle, die zwar an sich nicht sündig waren, aber dem Willen Gottes unterworfen werden mussten, wenn Sünde vermieden werden sollte. S. Anm. zu V. 39.
26,47 Judas, einer der Zwölf. S. V. 14. Alle vier Evangelisten be- zeichnen Judas so (Mk 14,10.43; Lk 22,47; Joh 6,71). Nur einmal wird ein anderer Jünger so bezeichnet (Joh 20,24). Wahrscheinlich verwendeten die Evangelisten diesen Ausdruck, um die Hinterlist seiner Tat zu betonen – insbesondere hier, inmitten des Verrats.
26,48 S. Anm. zu Mk 14,44.54.
26,50 Freund. Nicht das übliche gr. Wort für »Freund«, sondern ein anderer Begriff, der »Kamerad« bedeutet.
26,51 einer von denen. Johannes identifi ziert den Schwertkämpfer als Petrus und das Opfer als Malchus (Joh 18,10). Petrus hatte gewiss nicht auf das Ohr gezielt, sondern auf den Kopf. Nur Lukas erwähnt, dass Jesus Malchus’ Ohr heilte (s. Anm. zu Lk 22,51).
26,52 durch das Schwert umkommen. Die Aktion des Petrus war eine Selbstschutzmaßnahme. So ungerecht die Verhaftung Jesu auch war, hatte Petrus keinerlei Recht, das Gesetz in seine eigene Hand zu nehmen, um diesem Geschehen Einhalt zu gebieten. Jesus wiederholte mit seiner Antwort das Prinzip aus 1Mo 9,6: »Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden.« Das ist eine Bestätigung, dass die Todesstrafe eine angemessene Strafe für einen Mörder ist.
26,53 mehr als zwölf Legionen. Eine römische Legion umfasste 6.000 Soldaten. Somit wären »mehr als zwölf Legionen« über 72.000 Engel. In 2Kö 19,35 tötete ein einzelner Engel über 185.000 Männer in einer einzigen Nacht. So viele Engel entsprächen einer gewaltigen Armee. S. Anm. zu Lk 2,13.
26,54 die Schriften erfüllt. Gott selbst hatte sogar die kleinsten Einzelheiten des Todes Jesu vorausbestimmt (Apg 2,23; 4,27.28). Mit seinem Sterben vollendete Christus seine Unterwerfung unter den Willen des Vaters (s. Anm. zu V. 39). Jesus selbst war vollkommen Herr der Lage (Joh 10,17.18). Doch es war nicht Jesus allein, sondern jeder in seiner Umgebung – einschließlich seiner Feinde –, die alle Einzelheiten der alttestamentlichen Prophezeiungen präzis erfüllten. Die Ereignisse demonstrieren die Souveränität Gottes. S. Anm. zu V. 2, 1,22; 5,18; 27,50.
26,57 Hohenpriester Kajaphas. S. Anm. zu V. 3. Aus Joh 18,13 wissen wir, dass Christus zuerst zu Hannas gebracht wurde (dem früheren Hohenpriester und Schwiegervater des Kajaphas). Dann wurde er gefesselt zum Haus des Kajaphas geführt (Joh 18,4). Die Verschwörung war gut geplant, so dass »die Schriftgelehrten und Ältesten« (der Sanhedrin, s. Anm. zu V. 59) bereits im Haus des Kajaphas versammelt und bereit waren, Jesus zu verhören. Es war irgendwann zwischen Mitternacht und dem ersten Hahnenschrei (V. 74). Ein solches Verhör war aus mehreren Gründen illegal: Ein Verhör wegen eines Verbrechens durfte nicht nachts abgehalten werden (s. Anm. zu 27,1); und ein Verhör, das zur Todesstrafe führte, durfte nur in der Öffentlichkeit auf dem Tempelgelände stattfi nden. S. Anm. zu 27,2 für eine vollständigere Chronologie der Ereignisse, die zur Kreuzigung führten.
26,59 der Hohe Rat. S. Anm. zu Joh 3,1. Der große Sanhedrin war das oberste Gericht Israels. Er bestand aus 71 Männern, denen der Hohepriester vorstand. Sie trafen sich täglich im Tempel, um Gericht zu halten, außer am Sabbat und an anderen Feiertagen. Sie hatten nicht das Recht, die Todesstrafe auszuführen (Joh 18,31), doch bei Stephanus ließen sie sich nicht von seiner Steinigung abhalten (Apg 6,12-14; 7,58-60). Offenbar ignorierten die römischen Statthalter solche Vorfälle bisweilen, wenn es politisch als ratsam erschien. Bei dieser Verhandlung waren die Männer, die Jesus verhörten, die gleichen, die sich gegen ihn verschworen hatten (vgl. Joh 11,47-50).
26,60 sie fanden keines. Obwohl viele zu einem Meineid bereit waren, konnte der Sanhedrin keine Anklage fi nden, die glaubwürdig genug war, um Jesus rechtmäßig zu verurteilen. Offenbar konnten die »falschen Zeugen« untereinander nicht übereinstimmen.
26,61 den Tempel Gottes zerstören. S. Joh 2,19-21. Diese Zeu- genaussage war eine Verzerrung dessen, was Jesus gemeint hatte. Mk 14,58 gibt diese Zeugenaussage detaillierter wieder.
26,63 Ich beschwöre dich. S. Anm. zu 5,34. Kajaphas versuchte, Jesu Schweigen zu brechen (V. 62). Der Schwur sollte Jesus rechtlich zu einer Antwort verpfl ichten. Seine Antwort (V. 64) zeigt, dass er den Schwur akzeptierte.
26,64 Diese Schilderung stammt aus Ps 110,1 und Dan 7,13.
26,65 Da zerriss der Hohepriester seine Kleider. Das war nor- malerweise ein Ausdruck der Trauer (2Kö 19,1; Hi 1,20; Jer 36,24). Dem Hohenpriester war es untersagt, seine Kleider zu zerreißen (3Mo 10,6; 21,10) – der Talmud machte jedoch eine Ausnahme bei Hohenpriestern, die Zeugen einer Gotteslästerung wurden. Die Betrübnis des Kajapahs war gespielt und damit genauso unecht wie die Anklage der Gotteslästerung; in Wirklichkeit rieb er sich innerlich die Hände, dass er jetzt etwas gefunden hatte, worauf er seine Anklagen gründen konnte (V.67).
26,74 fi ng er an, sich zu verfl uchen und zu schwören. D.h. er rief Gott als seinen Zeugen an und erklärte: »Ich kenne diesen Menschen nicht!« und sagte mit einem Fluch, Gott möge ihn töten, wenn seine Worte nicht wahr wären. Alle vier Evangelien berichten über die Verleugnung des Petrus.
26,75 Und Petrus erinnerte sich. Lk 22,61 berichtet, dass ihn der Herr in diesem Augenblick anblickte, und das verstärkte die Scham des Jüngers noch. »Er ging hinaus« – entfernte sich offenbar von Kajaphas’ Haus – »und weinte bitterlich«. Dieser Bericht erinnert uns nicht nur an unsere eigene Schwachheit, sondern auch an den Reichtum der Gnade Gottes (s.a. Joh 21,15-19).
27,1 Als es aber Morgen geworden war. Der Sanhedrin wartete bis zum Tagesanbruch, um das offi zielle Urteil zu verkünden (vgl. 26,66). So respektierte man pro forma in diesem einen Punkt die Regel, dass Kriminalprozesse nicht nachts stattfi nden durften (s. Anm. zu 26,57).
27,2 lieferten ihn … Pilatus aus. Jesus wurden zwei Prozesse ge- macht: der religiöse jüdische und der säkulare römische. Rom behielt sich das Recht vor, die Todesstrafe zu verhängen (s. Anm. zu 26,59). Deshalb mussten die Juden Jesus den römischen Behörden übergeben, damit diese das Todesurteil aussprachen und vollstreckten. Das Hauptquartier des Pilatus war in Cäsarea an der Mittelmeerküste. Zu den Passahfeierlichkeiten weilte er jedoch in Jerusalem und führte daher selber den Prozess (s. Anm. zu Mk 15,1). Christus wurde vor Pilatus gebracht (V. 2-14) und dann zu einem weiteren Verhör vor Herodes geführt (Lk 23,6-12). Anschließend kam er zu Pilatus zurück und wurde endgültig verhört und zum Tod verurteilt (V. 15-26).
27,3 reute es ihn. Judas spürte den Stachel seiner Schuld, aber das war keine echte Buße. Es gibt eine von Gott gewirkte Betrübnis, die zur Buße führt, doch die Reue des Judas war anderer Natur. Das wird an seinem Selbstmord deutlich (V. 5). Vgl. 2Kor 7,10.
27,5 erhängte sich. S. Anm. zu Apg 1,18.
27,9 durch den Propheten Jeremia gesagt. Eigentlich stammt das Zitat aus Sach 11,12.13. Der hebr. Kanon gliederte sich in drei Teile: Gesetz, Psalmen und Propheten (vgl. Lk 24,44). In der Reihenfolge der »Propheten« stand meistens Jeremia zuerst, und daher wurden die Propheten manchmal insgesamt mit seinem Namen bezeichnet.
27,11 Du sagst es. Diese Worte sagte Jesus wahrscheinlich direkt nach dem Dialog von Joh 18,34-36.
27,25 Sein Blut komme über uns. Die Juden nahmen die Schuld für die Hinrichtung Jesu auf sich und schoben sie nicht auf die Römer. Vgl. 21,38.39.
27,26 geißeln. Die Peitsche, mit der gegeißelt wurde, bestand aus mehreren Lederriemen an einem Holzgriff. Am Ende jedes Riemens waren Metall- oder Knochenstücke befestigt. Das Opfer wurde an den Handgelenken hoch über dem Kopf an einen Pfosten gefesselt, sodass die Rückenhaut straff war. Ein geübter Geißelschläger konnte buchstäblich die Haut vom Rücken schälen und die Muskeln aufreißen, manchmal sogar die Nieren oder andere innere Organe freilegen. Die Geißelung konnte tödlich sein.
27,27 Prätorium. Die Residenz des Pilatus in Jerusalem. Wahr- scheinlich befand es sich in der Burg Antonia, die an die Nordwestecke des Tempels angrenzte. »Die Kriegsknechte des Statthalters« gehörten zur »Schar« (Kohorte). Das war eine Einheit von etwa 600 Soldaten, die zum Dienst des Statthalters (Pilatus) abgeordnet waren, solange dieser sich in Jerusalem aufhielt.
27,28 Purpurmantel. Wörtl. »scharlachfarbener Mantel«, obgleich Mk 15,17 und Joh 19,2 von Purpur sprechen. Dass Mt hier »Scharlach« als Farbe nennt, legt nahe, dass der Mantel eine Farbe zwischen königlichem Purpur und dem helleren Scharlach gehabt haben muss und unter den Kleidungsstücken, die die Soldaten auftreiben konnten, der traditionellen Tracht eines Königs am nächsten kam. Das Wort für »Mantel« bezeichnet ein Soldatengewand. Es gehörte zweifellos einem der Soldaten.
27,29 ein Rohr in die rechte Hand. Sie drückten ihm zum Spott ein Zepter in die Hand und wählten darum etwas Zerbrechliches.
27,30 spuckten sie ihn an. S. Jes 50,6. schlugen ihn auf das Haupt. Ein Rohr, das lang genug war für ein Narren-Zepter, war auch fest genug, um heftige Schmerzen zu verursachen, etwa wie ein Besenstil. Joh 19,3 sagt, dass sie ihn auch mit ihren Fäusten schlugen.
27,31 um ihn zu kreuzigen. Die Römer hatten die Kreuzigung als Hinrichtungsart von den Persern, Phöniziern und Karthagern übernommen. Die römische Kreuzigung bezweckte einen langsamen, qualvollen Tod. Die römischen Henker hatten die Kunst perfektioniert, ihr Opfer möglichst lange am Leben zu halten. Manchmal hingen die Gekreuzigten so lange, dass sie bei lebendigem Leib von Raubvögeln oder anderen Raubtieren gefressen wurden. Die meisten hingen tagelang am Kreuz, bevor sie an Erschöpfung oder traumatischem Fieber starben, verdursteten oder – was am wahrscheinlichsten war – erstickten. Wenn die Beine nicht mehr das Körpergewicht tragen konnten, wurde das Zwerchfell derart eingedrückt, dass der Gekreuzigte nicht mehr atmen konnte. Deshalb beschleunigte das Brechen der Beine den Tod (Joh 19,31-33), aber in Jesu Fall war das nicht nötig. Die Hände wurden üblicherweise am Handgelenk angenagelt und die Füße durch den Rist oder die Achillessehne (dabei wurde manchmal für beide Füße nur ein Nagel verwendet). Diese Wunden waren nicht tödlich, aber die dadurch verursachten Schmerzen wurden von Stunde zu Stunde unerträglicher. Das Besondere an der Kreuzigung war vor allem die Schmach, die damit verbunden war (Gal 3,13; 5,11; Hebr 12,2). Dazu gehörte die Demütigung, sein eigenes Kreuz tragen zu müssen, das bis zu 100 kg wiegen konnte. Gewöhnlich begleitete ein Trupp von vier Soldaten den Sträfl ing durch die Menschenmengen hin zum Ort der Kreuzigung. Ein Schild mit der Anklageschrift wurde dem Verurteilten um den Hals gehängt.
27,32 Kyrene. Eine Stadt in Nordafrika. Jesus war von der Geiße- lung offenbar derart geschwächt, dass er sein Kreuz nicht mehr tragen konnte – ein ergreifendes Bild seiner Menschheit, in welcher er Anteil hatte an allen menschlichen Schwachheiten, ausgenommen die Sünde (Hebr 4,15).
27,33 Golgatha war ein Hügel, der entweder die Form eines Schä- dels hatte oder so genannt wurde, weil sich dort wegen der Kreuzigungen Schädel anhäuften. Die Evangelien sagen nichts von einem Hügel. In Lk 23,33 steht das griechische Wort kranion, von kranos, der Schädel.
27,34 Essig mit Galle. Oder »Wein mit Galle«. »Galle« bedeutet hier einfach etwas Bitteres. Mk 15,23 identifi ziert diese Substanz als Myrre, ein Betäubungsmittel. Die Juden hatten die auf Spr 31,6 gegründete Gewohnheit, den Gekreuzigten ein schmerzlinderndes Mittel zu verabreichen, das mit Wein vermischt war. Als Christus es geschmeckt hatte, trank er es nicht, obwohl er Durst litt. Dadurch wären seine Sinne betäubt worden, bevor er das Werk vollbracht gehabt hätte. Die Minderung der körperlichen Schmerzen hätte wahrscheinlich nicht die Wirksamkeit seines Erlösungswerkes beeinträchtigt (s. Anm. zu 26,38.39). Doch brauchte er für die noch bevorstehenden Stunden seine volle Geistesgegenwart. Er musste bei klarem Verstand und wach sein, um u.a. dem sterbenden Schächer zu dienen (Lk 23,43).
27,35 teilten sie seine Kleider. Die Kleider des Opfers waren ge- wöhnlich die Beute der Henker. Joh 19,23.24 berichtet ausführlicher darüber. Dieses Detail wurde in Ps 22,19 vorausgesagt.
27,37 Inschrift seiner Schuld. Zu den Unterschieden in den Über- lieferungen dieser Inschrift s. Anm. zu Lk 23,38 (vgl. Mk 15,26). Da dieses Schild »über seinem Haupt« angebracht wurde, hatte das Kreuz wohl die vertraute Form mit einem Fortsatz oberhalb des Querbalkens und nicht die T-Form, die ebenfalls gebräuchlich war.
27,38 Räuber. Dieses Wort bezeichnet einen Aufrührer und Stra- ßenräuber. Gewöhnliche Diebe wurden üblicherweise nicht gekreuzigt. Hier handelt es sich wahrscheinlich um Anhänger von Barabbas.
27,40 den Tempel zerstörst und in drei Tagen aufbaust. S.
26,61 den Tempel Gottes zerstören. S. Joh 2,19-21. Diese Zeu- genaussage war eine Verzerrung dessen, was Jesus gemeint hatte. Mk 14,58 gibt diese Zeugenaussage detaillierter wieder. 26,61 Sie hatten ihn missverstanden, denn »er sprach vom Tempel seines Leibes« (Joh 2,21). Er stieg nicht »vom Kreuz herab«, allerdings nicht, weil es etwa nicht in seiner Macht gestanden hätte (Joh 10,18). Der Beweis dafür, dass er der Sohn Gottes war, sollte drei Tage später erfolgen (s. Anm. zu 12,40), als er mit dem wieder aufgerichteten Tempel (d.h. seinem Leib) zurückkehrte.
27,42 wir wollen ihm glauben. S. Anm. zu 12,38; 16,1.
27,45 von der sechsten Stunde an … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 bis 15.00 Uhr. Die Kreuzigung begann um 9.00 Uhr (s. Anm. zu Mk 15,25; Lk 23,44).
27,46 Eli, Eli, lama sabachthani. »Eli« ist Hebr.; die anderen Wor- te sind Aramäisch (Mk 15,34 nennt den ganzen Ausruf in Aramäisch). Dieser Aufschrei ist eine Erfüllung von Ps 22,2 und eine von vielen erstaunlichen Parallelen zwischen diesem Psalm und den Einzelheiten der Kreuzigung (s. Anm. zu Ps 22). In diesem Augenblick erlitt Christus den ganzen Jammer des Verlassenseins, weil der Zorn Gottes auf ihn als Sündenträger niederging (s. Anm. zu 26,39).
27,50 gab den Geist auf. Aus freiem Willen. S. Joh 10,18. S. Anm. zu 26,54.
27,51 der Vorhang im Tempel. Das ist der Vorhang, der den Zu- tritt ins Allerheiligste verwehrte (2Mo 26,33; Hebr 9,3). Dass der Vorhang zerriss, zeigte, dass der Weg in die Gegenwart Gottes nun durch einen neuen und lebendigen Weg für alle offen war (Hebr 10,19-22). Dass er »von oben bis unten« zerriss, konnte kein Mensch getan haben, sondern nur Gott.
27,52 Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt. Allein Matthäus berichtet von diesem Wunder. Über diese Auferstandenen wird nichts weiteres gesagt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie längere Zeit auf der Erde geblieben sind. Offenbar erhielten sie verherrlichte Leiber. Sie »erschienen vielen« (V. 53), was genügt, um die Realität dieses Wunders zu belegen. Dann fuhren sie zweifellos in die Herrlichkeit auf. Das ist eine Art Vorwegnahme von 1Th 4,16.
27,54 der Hauptmann. S. Anm. zu 8,5. die, welche mit ihm. Wahrscheinlich die Soldaten unter seinem Befehl. Mk 15,39 nennt den Hauptmann als denjenigen, der das Bekenntnis aussprach, doch offensichtlich sprach er auch für seine Männer. Ihre »Furcht« zeugt von Sündenbewusstsein, und das Wort »wahrhaftig« weist auf Gewissheit und Überführtsein hin, also auf wahren Glauben. In diesen Männern erfüllte sich Jesu Gebet aus Lk 23,34. Ihre Reaktion steht im scharfen Gegensatz zur Verhöhnung von V. 39-44.
27,56 Maria Magdalena. Jesus hatte sie von sieben Dämonen be- freit (Lk 8,2); die andere Maria (die »Frau des Klopas«, Joh 19,25 – ein anderer Name des Alphäus) war die Mutter des Apostels Jakobus, des Kleineren (Mk 15,40; s. Anm. zu 10,2). die Mutter der Söhne des Zebedäus. Salome (Mk 15,40), die Mutter von Jakobus und Johannes. Aus Joh 19,26 erfahren wir, dass Maria, die Mutter Jesu, ebenfalls beim Kreuz war und vielleicht abseits von diesen Dreien stand. Sie »sahen von ferne zu« (V. 55), als hätten sie es einerseits nicht ertragen, seinen Leiden zuzuschauen, aber andererseits auch nicht ertragen, ihn alleinzulassen.
27,57 Joseph. Mk 15,43 und Lk 23,50.51 identifi zieren ihn als Mit- glied des Sanhedrins (s. Anm. zu 26,59), obwohl Lukas sagt, dass er bei der Verurteilung Jesu »ihrem Rat und Tun nicht zugestimmt hatte«. Diese beiden jüdischen Führer, Joseph und Nikodemus (Joh 19,39), bestatteten Jesus in Josephs eigenem »neuem Grab« (V. 60). Damit erfüllten sie exakt die Prophezeiung aus Jes 53,9. Arimathäa. Eine Stadt etwa 35 km nordwestlich von Jerusalem.
27,62 Am anderen Tag. Der Sabbat. Rüsttag. Das war der Frei- tag.
28,1 als der erste Tag der Woche anbrach. Der Sabbat endete offi ziell mit dem Sonnenuntergang am Samstagabend. Zu dieser Zeit konnten die Frauen Gewürze kaufen und zubereiten (Lk 24,1). Das hier beschriebene Ereignis geschah am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang am Sonntag, dem ersten Wochentag. die andere Maria. Die Mutter von Jakobus dem Kleineren (s. Anm. zu 27,56).
28,2 ein großes Erdbeben. Das zweite Erdbeben in Verbindung mit Christi Tod (27,51). Es war wohl auf das Gebiet unmittelbar um das Grab herum beschränkt, als »ein Engel« auf übernatürliche Weise »den Stein vom Eingang hinwegwälzte«. Das tat er nicht, um den Herrn herauszulassen – denn wenn er von den Toten auferstehen konnte, brauchte er auch keine Hilfe, um aus dem Grab zu kommen –, sondern um die Frauen und die Apostel hereinzulassen (V. 6).
28,4 wurden wie tot. Offenbar hatten sie durch das, was sie gese- hen hatten, vor Angst das Bewusstsein verloren. Dass der Engel erschien, gerade als die Frauen eintrafen, war ihnen der erste Hinweis, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war.
28,6 Kommt her, seht den Ort, wo der Herr gelegen hat! S. Anm. zu Lk 24,4 zur weiteren Reihenfolge der Ereignisse, wie sie sich aus den vier Evangelien ergibt.
28,7 dort werdet ihr ihn sehen. S. V. 10.16; 26,32; Joh 21,1- 14. Das bedeutet nicht, dass sie ihn vorher nicht sehen sollten. Die Apostel begegneten ihm mehrmals, bevor sie ihn in Galiläa sahen (Lk 24,15.34.36; Joh 20,19.26). Doch die wichtigste Erscheinung des Auferstandenen fand in Galiläa statt, wo »er von über 500 Brüdern auf einmal gesehen wurde« (1Kor 15,6). S. Anm. zu V. 16. 1,1 Anfang … dem Sohn Gottes. Diese Aussage kann man am besten als Markus’ Titel für sein Evangelium ansehen. Der historische Bericht der Evangeliums-Botschaft begann mit Johannes dem Täufer (vgl. Mt 11,12; Lk 16,16; Apg 1,22; 10,37; 13,24). Evangeliums. Die gute Nachricht über das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, von dem die vier Evangelien die schriftlichen Aufzeichnungen sind (s. Einleitung zu den Evangelien). Jesus Christus. »Jesus« ist die gr. Form des hebr. Namens Josua (»der HERR ist Rettung«); »Christus« (»der Gesalbte ») ist das gr. Äquivalent des hebr. Wortes Messias. »Jesus« ist der menschliche Name des Herrn (vgl. Mt 1,21; Lk 1,31); »Christus« deutet sein Amt als Herrscher des zukünftigen Reiches Gottes an (Dan 9,25.26). Sohn Gottes. Eine Bestätigung der Gottheit Jesu, die seine einzigartige Beziehung zum Vater hervorhebt (vgl. 3,11; 5,7; 9,7; 13,32; 15,39; s. Anm. zu Joh 1,34). 1,2 Wie geschrieben steht. Ein Ausdruck, der im NT für gewöhnlich zur Einleitung eines atl. Zitates dient (vgl. 7,6; 9,13; 14,21.27; Mt 2,5; 4,4.6.7; Lk 2,23; 3,4; Joh 6,45; 12,14; Apg 1,20; 7,42; Röm 3,4; 8,36; 1Kor 1,31; 9,9; 2Kor 8,14; 9,9; Gal 3,10; 4,22; Hebr 10,7; 1Pt 1,16). in den Propheten. Ein originalgetreues gr. Manuskript gibt an: »in dem Propheten Jesaja«. Markus’ Zitat stammt ursprünglich aus den beiden atl. Stellen (Mal 3,1; Jes 40,3), wodurch wahrscheinlich der Ausdruck »den Propheten« zu erklären ist, der sich in einigen Handschriften fi ndet. Alle Evangelien stellen den Dienst von Johannes dem Täufer vor, indem sie Jes 40,3 zitieren (vgl. Mt 3,3; Lk 3,4; Joh 1,23). Meinen Boten. Johannes war der von Gott verheißene Bote, der gesandt wurde, um den Weg des Messias zu bereiten. Im Altertum reisten die Gesandten des Königs vor ihm her, um auszukundschaften, dass die Straßen für ihn sicher zu bereisen sind und um seine Ankunft bekannt zu machen. 1,4 Johannes. Ein gängiger jüdischer Name in ntl. Zeiten; er ist das gr. Pendant zu dem hebr. Namen »Johanan« (vgl. 2Kö 25,23; 1Chr 3,15; Jer 40,8) und bedeutet »der Herr ist gnädig«. Johannes’ Name wurde seinem Vater Zacharias von dem Engel Gabriel gegeben, während er als Priester im Tempel diente (Lk 1,13). Seine Mutter, Elisabeth, ebenso eine Nachkommin Aarons (Lk 1,5), war eine Verwandte von Maria, der Mutter Jesu (Lk 1,36). Als der letzte Prophet des AT und der von Gott verfügte Vorläufer des Messias (s. Anm. zu V. 2) war Johannes der Ausklang der atl. Geschichte und Prophetie (Lk 16,16) und zugleich der Anfang der historischen Aufzeichnung des Evangeliums von Jesus Christus. Es überrascht nicht, dass Jesus Johannes als den größten Menschen bezeichnete, der bis zu seinem Kommen gelebt hat (Mt 11,11). in der Wüste. Das trostlose, dürre Gebiet zwischen Jerusalem und dem Toten Meer (s. Anm. zu Mt 3,1). taufte. Als unverkennbares Merkmal des Dienstes des Johannes unterschied sich seine Taufe von den rituellen jüdischen Waschungen insofern, dass es eine einmalige Handlung war. Die Juden führten in ähnlicher Weise eine einmalige Waschung bei den Proselyten aus den Nationen durch, die symbolisierte, dass sie den wahren Glauben angenommen hatten. Dass Juden an einem solchen Ritus teilnahmen, war ein erstaunliches Eingeständnis, dass sie, obgleich sie zum Bundesvolk Gottes gehörten, es ebenso wie die Heiden nötig hatten, zu Gott in Buße und Glauben zu kommen. eine Taufe der Buße. Eine Taufe, die aus wahrer Buße hervorging. Es war der Dienst von Johannes, Israel zur Buße zu rufen und es dadurch für das Kommen des Messias vorzubereiten. Die Taufe rief keine Buße hervor, sondern war ihr Ergebnis (vgl. Mt 3,7.8). Buße ist weit mehr als eine bloße Sinnesänderung. Sie ist das Abwenden von der Sünde hin zu Gott (vgl. 1Th 1,9), woraus sich eine gerechte Lebensweise ergibt. Echte Buße ist ein Werk Gottes im menschlichen Herzen (Apg 11,18). Eine Besprechung über das Wesen der Buße fi ndet sich in der Anm. zu 2Kor 7,9-12. zur Vergebung der Sünden. Der Taufritus von Johannes diente nicht zur Vergebung der Sünden (s. Anm. zu Apg 2,38; 22,16); er war nur das äußere Bekenntnis und die Veranschaulichung wahrer Buße, welche zur Vergebung führt (vgl. Lk 24,47; Apg 3,19; 5,31; 2Kor 7,10). 1,5 das ganze Land Judäa und die Bewohner von Jerusalem. Nach Jahrhunderten ohne die Stimme eines Propheten in Israel (Maleachi hatte mehr als 400 Jahre zuvor prophezeit) erzeugte der Dienst von Johannes ein hohes Maß an Interesse. Judäa. Der südlichste Teil des von Juden bewohnten Gebiets (Samaria und Galiläa waren die anderen) in den Tagen Jesu. Er reichte etwa von Bethel im Norden bis Beerscheba im Süden, und vom Mittelmeer im Westen bis zum Toten Meer und zum Jordan im Osten. Innerhalb der Grenzen Judäas lag die Stadt Jerusalem. Jordan. Palästinas bedeutendster Fluss fl ießt durch den Grabenbruch des Jordan aus dem Hulesee (der in der Neuzeit trocken gelegt wurde), nördlich des Sees von Galiläa bis nach Süden zum Toten Meer. Nach der Tradition begann Johannes seinen Taufdienst in den Furten nahe Jericho. bekannten. Das Sündenbekenntnis bei der Taufe bedeutete, sich mit Gott auf eine Seite gegen sich selbst zu stellen. Johannes taufte niemanden, der nicht seine Sünden bekannte und Buße tat. 1,6 Kamelhaaren … ledernen Gürtel. Die traditionelle Kleidung eines Wüstenbewohners, die zwar robust, aber weder modisch noch bequem war. Die Kleidung Johannes’ muss seine Zuhörer wohl an Elia erinnert haben (vgl. 2Kö 1,8), den sie vor dem Kommen des Messias erwarteten (Mal 3,23; vgl. Mt 17,10-13). Heuschrecken und wilden Honig. Nach den Speisevorschriften des AT war es erlaubt »Heuschrecken« zu essen (3Mo 11,21.22). »Wilden Honig« konnte man in der Wüste häufi g fi nden (5Mo 32,13; 1Sam 14,25-27). Johannes’ entsagende Ernährungsweise stimmte mit seinem Status als lebenslanger Nasiräer überein (vgl. Lk 1,15; in Bezug auf Nasiräer, s. Anm. zu 4Mo 6,2-13) 1,7 verkündigte. Johannes war der Bote Jesu, der gesandt war, um sein Kommen auszurufen (s. Anm. zu V. 4). ich bin nicht würdig, ihm gebückt seinen Schuhriemen zu lösen. Die niedrigste Aufgabe, die ein Sklave ausführen konnte. Johannes drückte seine Demut anschaulich aus. 1,8 wird euch mit Heiligem Geist taufen. Dies geschieht, wenn ein Mensch zum Glauben an Christus kommt (s. Anm. zu Apg 1,5; 8,16.17; 1Kor 12,13). 1,9 in jenen Tagen. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt während des Taufdienstes von Johannes am Jordan. Nazareth. Ein unbedeutendes Dorf (wird im AT nicht erwähnt, ebenso wenig bei Josephus oder im Talmud) etwa 100 km nördlich von Jerusalem, mit einem nicht sehr vorteilhaften Ruf (vgl. Joh 1,46). Jesus lebte dort vor seinem öffentlichen Auftreten in Israel. von Johannes … taufen ließ. Trotz der Einwände des Johannes (vgl. Mt 3,14), der für das sündlose Lamm Gottes (Joh 1,29) keine Notwendigkeit für eine Taufe der Buße sah (s. Anm. zu V. 4.5; zur Erklärung, weshalb Jesus getauft wurde, s. Anm. zu Mt 3,15). 1,10 sogleich. Um seinen schnellen Erzählungsstil beizubehalten (s. Einleitung zu den Evangelien), benutzt Markus dieses Adverb häufi ger als die anderen drei Verfasser der Evangelien zusammen. Dieses erste Auftreten bereitet die Bühne für die hör- und sichtbaren Zeichen, die der Taufe Jesu folgten. den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Das war sehr wahrscheinlich die symbolische Bevollmächtigung für den Dienst Jesu (Jes 61,1). S. Anm. zu Mt 3,16. 1,11 Die Erklärung des Vaters dürfte die Zuhörer an die messianischen Prophetien von Ps 2,7 und Jes 42,1 erinnert haben. 1,12 sogleich. S. Anm. zu V. 10. Die Versuchung Jesu folgte direkt auf seine Taufe. treibt ihn der Geist. Vom Geist veranlasst, wird Jesus mit dem Teufel konfrontiert und unternimmt den ersten Schritt, um dessen böses Reich zu Fall zu bringen (vgl. 1Joh 3,8). Obwohl Gott niemanden versucht (Jak 1,13), gestattet er es dem Teufel in seiner Souveränität manchmal, seine Kinder zu versuchen (z.B. Hi; Lk 22,31.32). in die Wüste hinaus. Der genaue Ort, an dem Jesus dem Teufel begegnete, ist nicht bekannt. Es war höchstwahrscheinlich die gleiche Wüste, in der Johannes lebte und diente (s. Anm. zu V. 4), oder das trostlose Gebiet weiter südlich oder die dürre arabische Wüste jenseits des Jordan. 1,13 40 Tage. Möglicherweise ist dies eine Erinnerung an die 40-jährige Wüstenwanderung Israels (4Mo 14,33; 32,13). Matthäus und Lukas fügen hinzu, dass Jesus in dieser Zeit keine Nahrung zu sich nahm. Auch Mose (zweimal in 5Mo 9,9.18) und Elia (1Kö 19,8) fasteten die gleiche Zeitspanne. Satan. Hergeleitet vom hebr. Wort, das »Widersacher« bedeutet. Da der Herr keine gefallene Natur besaß, war die Versuchung Jesu kein innerer emotionaler oder psychologischer Kampf, sondern ein äußerer Angriff von einem Wesen mit einer eigenherrlichen Persönlichkeit. wilden Tieren. Eine Einzelheit, die einzig bei Markus beschrieben wird, und Jesu Einsamkeit und völlige Isolation von anderen Menschen hervorhebt. Engel dienten ihm. Vgl. Ps 91,11.12. Die Zeitform des gr. Verbs »dienen« lässt vermuten, dass die Engel Jesus während seiner ganzen Versuchung dienten. 1,14 Johannes war gefangengenommen. Er wurde in den Kerker geworfen, da er Herodes Antipas zurechtgewiesen hatte wegen seiner inzestuösen Ehe mit seiner Nichte Herodias (s. Anm. zu 6,17-29). kam Jesus nach Galiläa. Aus Judäa (Mt 4,12; Lk 4,13; Joh 4,3). Ebenso wie Matthäus und Lukas geht Markus von der Versuchung Jesu direkt zum Anfang seines Dienstes in Galiläa über und überspringt seinen dazwischen liegenden Dienst in Judäa (Joh 2,13-4,4). Galiläa war das nördlichste und bevölkerungsreichste von Juden bewohnte Gebiet. das Evangelium … Gottes. Die gute Nachricht der Errettung sowohl über Gott als auch von ihm (s. Anm. zu Röm 1,1; vgl. Röm 15,16; 1Th 2,2.8.9; 1Tim 1,11; 1Pt 4,17). 1,15 Die Zeit ist erfüllt. Nicht Zeit im chronologischen Sinn, sondern die Zeit für das entscheidende Handeln Gottes. Mit der Ankunft des Königs war eine neue Ära im Handeln Gottes mit den Menschen angebrochen. S. Anm. zu Gal 4,4. das Reich Gottes. Gottes souveräne Herrschaft im Bereich der Errettung; gegenwärtig in den Herzen seiner Kinder (Lk 17,21), und in Zukunft in dem eigentlichen irdischen Königreich (Offb 20,4-6). nahe. Da der König anwesend war. Tut Buße und glaubt. Buße (s. Anm. zu V. 4) und Glauben (s. Anm. zu Röm 1,16) sind die Reaktionen, die Gott vom Menschen auf sein Gnadenangebot der Errettung verlangt (vgl. Apg 20,21). 1,16 See von Galiläa. Auch bekannt als der See von Kinneret (4Mo 34,11), der See Genezareth (Lk 5,1) und der See Tiberias (Joh 6,1). Ein großer Frischwassersee mit einer Ausdehnung von 21 km Länge und 12 km Breite, sein Spiegel liegt 212 m unter dem des Mittelmeeres (wodurch er das tiefl iegendste Frischwasser-Reservoir der Welt ist). Am See von Galiläa war ein fl orierendes Fischgewerbe beheimatet. Simon und … Andreas. Das erste von zwei Brüderpaaren, das Jesus in seine Nachfolge berief. Ebenso wie Jakobus und Johannes waren sie Fischer. Da Andreas bereits ein Nachfolger Johannes des Täufers war (Joh 1,40), ist es gut möglich, dass dies auch auf Petrus zutraf. Nach der Verhaftung von Johannes waren sie offensichtlich wieder zum Fischfang zurückgekehrt (s. Anm. zu V. 14). Sie waren Jesus bereits begegnet und hatten einige Zeit mit ihm verbracht (s. Anm. zu Mt 4,18), wurden an dieser Stelle aber aufgerufen, ihm ständig zu folgen. Netz. Ein Seil bildete einen Kreis von ca. 2,70 m Durchmesser, an dem ein Netz befestigt war. Es konnte von Hand ins Wasser geworfen werden und anschließend mittels langer, schwerer Taue eingeholt werden, die mit dem Netz verbunden waren. 1,17 Folgt mir nach. Wird in den Evangelien hinsichtlich der Jüngerschaft oftmals verwendet (Mk 2,14; 8,34; 10,21; Mt 4,19; 8,22; 9,9; 10,38; 16,24; 19,21; Lk 9,23.59.61; 18,22; Joh 1,43; 10,27; 12,26). Menschenfi schern. Evangelisation war die Hauptabsicht, die Jesus bei der Berufung der Apostel verfolgte, und sie bleibt der zentrale Auftrag seines Volkes (vgl. Mt 28,19.20; Apg 1,8). 1,18 folgten ihm nach. D.h. sie wurden seine ständigen Jünger (s. Anm. zu V. 16). 1,19 Jakobus … Johannes. Das zweite Brüderpaar von Fischern, das von Jesus berufen wurde (s. Anm. zu V. 16). Ihre Mutter und die Mutter Jesu waren möglicherweise Schwestern (vgl. 15,40; Mt 27,55.56 mit Joh 19,25). Wenn das zutrifft, waren sie Jesu Cousins. 1,20 Tagelöhnern. Das weist darauf hin, dass das Fischfangunternehmen des Zebedäus blühte und er ein einigermaßen wohlhabender Mann war (vgl. Joh 18,15). 1,21 Kapernaum. Eine blühende Stadt des Fischfangs am Nordwest-Ufer des Sees von Galiläa. Kapernaum war als Stadt bedeutender als Nazareth; sie lag an einer Hauptverkehrsroute und beheimatete eine römische Garnison. Jesus machte diese Stadt nach seiner Zurückweisung in Nazareth (Mt 4,13; Lk 4,16-31) zu seinem Hauptquartier (vgl. 2,1). Synagoge. Der Ort, an dem sich die Juden zum Gottesdienst versammelten (»Synagoge« ist eine Transliteration des gr. Wortes, welches »zusammenführen« bedeutet). Synagogen entstanden in der babylonischen Gefangenschaft nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. Sie dienten als Orte zur Anbetung und Belehrung. Jesus lehrte oftmals in den Synagogen (vgl. V. 39; 3,1; 6,2), ebenso wie Paulus (vgl. Apg 13,5; 14,1; 17,1). lehrte. Markus erwähnt häufi g, dass Jesus lehrte (vgl. 2,13; 4,1.2; 6,2.6.34; 10,1; 11,17; 12,35; 14,49). 1,22 Vollmacht. Das vollmächtige Lehren Jesu, indem er das Wort Gottes sprach, stand in scharfem Kontrast zu dem der Schriftgelehrten (Experten in den Schriften des AT), die ihre Autorität größtenteils auf der von anderen Rabbinern gründeten. Jesu direktes, persönliches und kraftvolles Lehren war ihrer Erfahrung so fremd, dass diejenigen, die ihn hörten, »erstaunt« waren (vgl. Tit 2,15). 1,23 ein Mensch … der schrie. Satan und seine Dämonen widersetzten sich dem Wirken Jesu während seines ganzen Dienstes, den Höhepunkt fi nden wir am Kreuz. Aber Jesus triumphierte immer über ihre vergeblichen Bemühungen (vgl. Kol 2,15), überzeugend veranschaulichte er das durch seinen endgültigen Sieg bei der Auferstehung. unreinen Geist. D.h. er war moralisch unrein. Der Ausdruck wird im NT austauschbar mit »Dämon« gebraucht. S. Anm. zu 5,2. 1,24 Was haben wir mit dir zu tun? Oder möglicherweise: »Warum mischst du dich ein?« Der Dämon war sich sehr bewusst, dass er und Jesus zu zwei radikal verschiedenen Reichen gehörten und folglich nichts gemeinsam hatten. Dass der Dämon das Pluralpronomen »wir« verwendete, lässt darauf schließen, dass er für alle Dämonen sprach. Jesus, du Nazarener. S. Anm. zu V. 9. der Heilige Gottes. Vgl. Ps 16,10; Dan 9,24; Lk 4,34; Apg 2,27; 3,14; 4,27; Offb 3,7. Erstaunlicherweise bestätigte der Dämon die Sündlosigkeit und Gottheit Jesu – Wahrheiten, die in Israel viele nicht anerkannten und auch heute noch nicht anerkennen. 1,25 Verstumme. Jesus wollte aus dem dämonischen Bereich kein Zeugnis über die Wahrheit, um dem Vorwurf keine Angriffsfl äche zu bieten, dass er mit dem Teufel im Bunde sei (vgl. 3,22; Apg 16,16-18). 1,27 Mit Vollmacht. S. Anm. zu V. 22. Jesus hatte absolute Vollmacht in seinem Handeln und in seinen Worten (Mt 28,18). 1,29 Jakobus und Johannes. Nur Markus erwähnt ihre Anwesenheit bei der Heilung von Petrus’ Schwiegermutter. das Haus des Simon und Andreas. Ursprünglich kamen die beiden Brüder aus Bethsaida (Joh 1,44), sie waren aber nach Kapernaum gezogen, als Jesus dort sein Hauptquartier errichtete (s. Anm. zu V. 21). 1,30 Simons Schwiegermutter. Paulus bestätigt ebenfalls, dass Petrus verheiratet war (1Kor 9,5). Dass seine Schwiegermutter mit Petrus und seiner Frau zusammenlebte, ist vielleicht eine Andeutung, dass ihr Ehemann gestorben war. Fieber. Sowohl der Umstand, dass sie zu krank war, um das Bett zu verlassen, als auch Lukas’ Beschreibung des Fiebers als eines »heftigen Fiebers« (Lk 4,38), lassen vermuten, dass sie schwer – ja sogar lebensbedrohlich – erkrankt war. 1,32 Als … die Sonne untergegangen war. Dies markierte das Ende des Sabbat und die mit ihm verbundenen Einschränkungen. Das rabbinische Gesetz verbot ausdrücklich jegliches Tragen von Lasten (wie z.B. Tragbahren) am Sabbat. brachten sie. Der Bericht von Jesu Heilung des Besessenen in der Synagoge und der Schwiegermutter des Petrus war eine Sensation in Kapernaum und ließ bei anderen leidenden Menschen Hoffnung aufkommen. 1,34 er … ließ die Dämonen nicht reden. S. Anm. zu V. 25; 3,11.12. sie kannten ihn. Die Dämonen besitzen eine vollkommen orthodoxe Theologie (Jak 2,19), aber obwohl sie die Wahrheit kennen, lehnen sie sie ab, ebenso wie ihren Ursprung, Gott. 1,36 Simon und die, welche bei ihm waren. Das erste Mal in den Evangelien, dass Petrus die Führung ergreift. Wer bei Petrus war, wird nicht aufgeführt, obschon Andreas, Jakobus und Johannes wahrscheinlich dazu gehörten. 1,37 Nachdem sie Jesus eifrig gesucht hatten (V. 36), baten ihn Petrus und die anderen erregt, nach Kapernaum zurückzukehren, um aus der Aufregung Kapital zu schlagen, die durch die vorangegangenen nächtlichen Heilungen entstanden war. 1,39 in ganz Galiläa. Markus’ knappe Aussage fasst eine Predigtreise zusammen, die Wochen gedauert haben muss – oder sogar Monate (vgl. Mt 4,23.24). 1,40-45 Markus berichtet von einer der vielen Heilungen Jesu während seines in V. 39 zusammengefassten Dienstes in Galiläa. Die Heilung des Aussätzigen betont die wunderwirkende Macht Jesu über Krankheit, denn Aussatz war eine der gefürchtetsten Krankheiten des Altertums. 1,40 Aussätziger. Aussätzige wurden als zeremoniell unrein angesehen und von der Gesellschaft ausgestoßen (3Mo 13,11). Während der atl. Ausdruck für Aussatz andere Hautkrankheiten mit einschließt (s. Anm. zu 3Mo 13,2), wird dieser Mann wohl tatsächlich Aussatz gehabt haben (Lepra), andernfalls wäre seine Heilung nicht eine derartige Sensation gewesen (V. 45). 1,41 erbarmte. Nur Markus berichtet von der emotionalen Reaktion Jesu auf das schreckliche Elend des Aussätzigen. Das gr. Wort taucht nur in den synoptischen Evangelien auf und wird (mit Ausnahme der Gleichnisse) nur im Zusammenhang mit Jesus gebraucht. rührte ihn an. Anders als die Rabbiner, die Aussätzige mieden aus Furcht, selbst zeremoniell verunreinigt zu werden, drückte Jesus sein Mitgefühl in einer körperlichen Berührung aus. 1,44 sage niemand etwas. Die anschließende Publizität würde Jesu Fähigkeit zum Dienst nur behindern (wie es tatsächlich auch geschah, vgl. V. 45) und die Aufmerksamkeit von seiner Botschaft ablenken. Vgl. 3,12; 5,43; 7,36; s. Anm. zu Mt 8,4. geh hin, zeige dich dem Priester. Der »Priester« war derjenige, der gerade den Tempeldienst ausführte. Jesus befahl dem geheilten Aussätzigen, die Verordnungen des ATs hinsichtlich der Reinigung von Aussätzigen zu befolgen (3Mo 14,1-32). Bis die geforderten Opfer nicht gebracht waren, blieb der Mann zeremoniell unrein. ihnen zum Zeugnis. Die Annahme der Opfer des Mannes durch den Priester würde eine öffentliche Bestätigung seiner Heilung und Reinigung sein. 1,45 es vielfach zu verkündigen. Nur das Markus-Evangelium erwähnt den Ungehorsam des gereinigten Aussätzigen, a
27,37 Inschrift seiner Schuld. Zu den Unterschieden in den Über- lieferungen dieser Inschrift s. Anm. zu Lk 23,38 (vgl. Mk 15,26). Da dieses Schild »über seinem Haupt« angebracht wurde, hatte das Kreuz wohl die vertraute Form mit einem Fortsatz oberhalb des Querbalkens und nicht die T-Form, die ebenfalls gebräuchlich war. 27,37 Der König der Juden. Da Pilatus Jesus wiederholt für absolut unschuldig erklärt hatte (Lk 23,4.14.15.22), ordnete er diese Inschrift an. Ganz gleich, ob es Pilatus’ Absicht war, Jesus zu verspotten oder ihn zu ehren, er wollte damit auf jeden Fall die jüdischen Autoritäten beleidigen, die ihm so viel Schwierigkeiten bereitet hatten. Als die aufgebrachten jüdischen Führer forderten, dass die Inschrift verändert würde, lehnte Pilatus das frei heraus ab (s. Anm. zu Joh 19,22). Ein Vergleich aller vier Evangelien ergibt die folgende vollständige Inschrift: DIES IST JESUS, DER NAZARENER, DER KÖNIG DER JUDEN. S. Anm. zu Lk 23,38. 15,27 zwei Räuber. Sie hatten sich wahrscheinlich mit Barabbas an dem Aufstand beteiligt (s. Anm. zu V. 7), da Raub nach römischem Recht kein Kapitalverbrechen war. 15,28 Mit der Errichtung des Kreuzes Jesu zwischen den beiden Räubern (V. 27), beabsichtigte Pilatus möglicherweise eine weitere Beleidigung der Juden, indem er andeutete, dass ihr König nichts anderes als ein gewöhnlicher Krimineller war. Gottes Absicht damit war jedoch die Erfüllung der Prophetie (vgl. Jes 53,12). 15,29 schüttelten den Kopf. Eine Geste der Verachtung und des Spottes (vgl. 2Kö 19,21; Ps 22,8; 44,15; 109,25; Jer 18,16; Kla 2,15). der du den Tempel zerstörst und in drei Tagen aufbaust. Die Vorübergehenden wiederholten die falsche Anklage, die während des Prozesses gegen Jesus vor Kaiphas vorgebracht war (14,58). Die Anklage ergab sich durch ein falsches Verständnis der Worte Jesu aus Joh 2,19-21. 15,32 Christus. S. Anm. zu 1,1. steige … vom Kreuz herab. Eine letzte Forderung nach einem Wunder von den ungläubigen jüdischen Autoritäten (vgl. 8,11). Ihre Behauptung, dass sie dann sehen und glauben würden, war falsch, da sie später dem noch größeren Wunder der Auferstehung Christi auch nicht glauben wollten. die, welche mit ihm gekreuzigt wurden. Die beiden Räuber schlossen sich der Schmähung Jesu an, obschon einer von ihnen später Buße tat (Lk 23,40-43). 15,33 sechste Stunde. Mittags nach jüdischer Zeiteinteilung, zur Hälfte der sechs Stunden, die Jesus am Kreuz aushalten musste (s. Anm. zu V. 25). Finsternis. Ein Kennzeichen göttlichen Gerichts (vgl. Jes 5,30; 13,10.11; Joel 2,1.2; Am 5,20; Zeph 1,14.15; Mt 8,12; 22,13; 25,30). Das geographische Ausmaß der Finsternis ist nicht bekannt, obgleich die Aufzeichnungen der Kirchenväter andeuten, dass es über Judäa hinausreichte. bis zur neunten Stunde. Gemeint ist 3 Uhr nachmittags. 15,34 Eloi, Eloi, lama sabachthani? Die aramäischen Worte aus Ps 22,2. Matthäus, der diesen Ausruf auch festgehalten hat, gibt ihn in Hebräisch wieder (Mt 27,46). Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Schmerzlich empfand Jesus seine Trennung vom Vater, die sich daraus ergab, dass Gott seinen Zorn über ihm ausgoss – dem Stellvertreter von uns Sündern (s. Anm. zu 2Kor 5,21). 15,35 Elia. Weiterer Spott, der in Wirklichkeit meinte: »Lasst den Vorläufer kommen und diesen so genannten Messias retten« (s. Anm. zu Lk 1,17). 15,36 Essig. Das Griechische lässt auch die Möglichkeit offen, dass es saurer Wein mit Wasser gewesen sein könnte. Dies Getränk wurde normalerweise von Soldaten und Arbeitern getrunken. Wahrscheinlich sollte dadurch nur sein Leiden verlängert werden. ein Rohr. Ein YsopZweig (Joh 19,29). 15,37 stieß einen lauten Schrei aus. Angesichts seiner enormen Schmerzen bewies Jesus eine erstaunliche Stärke; sein Schrei zeigte, dass sein Leben nicht langsam aus ihm wich, sondern dass er es freiwillig ließ (Joh 10,17.18). Christi Worte fi nden sich in Lk 23,46. 15,38 der Vorhang im Tempel riss … entzwei. Der riesige Vorhang, der das Allerheiligste vom restlichen Heiligtum trennte (2Mo 26,31-33; 40,20.21; 3Mo 16,2; Hebr 9,3). Es bedeutete, dass der Weg zur Gegenwart Gottes durch den Tod seines Sohnes frei gemacht war. 15,39 Hauptmann. Der befehlshabende römische Offi zier bei der Kreuzigung. Hauptleute (Centurionen) waren das Rückgrat der römischen Armee und befehligten 100 Soldaten. Der Hauptmann hatte schon viele Gekreuzigte sterben sehen, aber niemanden wie Jesus. Die Stärke, die er zum Zeitpunkt seines Todes besaß und die sich in seinem lauten Aufschrei äußerte (V. 37), war von einem Gekreuzigten gänzlich unbekannt. Zusammen mit dem zeitgleichen Erdbeben beim Tod Christi (Mt 27,51-54) überzeugte es den Hauptmann, dass Jesus »wahrhaftig … Gottes Sohn« war. Laut Überlieferung kam dieser Mann zum Glauben (s. Anm. zu Mt 27,54). 15,40 Einige dieser Frauen standen zuvor schon unter dem Kreuz (Joh 19,25-27). Da sie es nicht ertragen konnten, Jesus aus der Nähe leiden zu sehen, schauten sie mittlerweile »von ferne zu«. Ihre teilnahmsvolle Treue stand in scharfem Kontrast zu den Jüngern, die mit der Ausnahme von Johannes nirgends zu sehen waren. Maria Magdalena. Sie kam aus dem Dorf Magdala vom Westufer des Sees von Galiläa, woher sie auch ihren Namen hatte. Lukas erwähnt, dass Jesus sieben Dämonen von ihr ausgetrieben hatte (Lk 8,2). Sie wird für gewöhnlich als erste der Frauen in der Nachfolge Jesu aufgeführt, was andeuten könnte, dass sie ihre Führerin war. Maria, die Mutter des jüngeren Jakobus und des Joses. Sie wird von den anderen Marias durch den Zusatz des Namens ihres Sohnes unterschieden. Der »jüngere Jakobus« (in Mt 10,2 »Jakobus, der Sohn des Alphäus« genannt) war einer der Zwölf. Salome. Die Frau des Zebedäus (Mt 27,56) und Mutter von Jakobus und Johannes (s. Anm. zu 10,35). 15,41 viele andere. Sie waren bei Jesus seit den Tagen seines Dienstes in Galiläa. Sie reisten mit ihm und den Jüngern und versorgten sie (vgl. Lk 8,2.3). 15,42 Rüsttag. Freitag, der Tag vor dem Sabbat (Samstag). 15,43 Joseph von Arimathia. »Arimathia«, im AT als Rama oder Ramatajim-Zofi m bekannt (Geburtsort von Samuel, 1Sam 1,1.19; 2,11), lag etwa 25-30 km nordwestlich von Jerusalem. Joseph war ein angesehenes Mitglied des »Hohen Rats« (oder auch Sanhedrin, s. Anm. zu 14,43), der sich gegen die Verurteilung Jesu ausgesprochen hatte (Lk 23,51). Reich Gottes. S. Anm. zu 1,15. wagte es. Pilatus ist wahrscheinlich nicht sehr erfreut gewesen, ein Mitglied des Hohen Rates zu sehen, nachdem sie ihn dazu gedrängt hatten, einen Unschuldigen zu kreuzigen. Außerdem würde Josephs öffentliches Bekenntnis zu Jesus den Zorn der anderen Mitglieder des Hohen Rates auf sich ziehen. bat um den Leib Jesu. Obwohl zum Tode verurteilte Häftlinge nach römischem Recht den Anspruch auf ein Begräbnis verwirkt hatten, wurden ihre Körper normalerweise ihren Angehörigen überlassen, wenn diese darum baten; doch Jesu Mutter war dafür emotional zu erschöpft. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Brüder und Schwestern in Jerusalem waren, und seine engsten Freunde, die Jünger, waren gefl ohen (außer Johannes, der sich um Maria kümmern sollte; Joh 19,26.27). In Abwesenheit der engsten Vertrauten Jesu, bat Joseph Pilatus mutig um den Leib Jesu. 15,44 Pilatus … wunderte sich. Gekreuzigte schwebten oft tagelang zwischen Leben und Tod, deshalb war Pilatus überrascht, dass Jesus bereits nach sechs Stunden gestorben war. Bevor er Joseph den Leib Jesu gab, erkundigte sich Pilatus bei dem verantwortlichen »Hauptmann« (s. Anm. zu V. 39), um sich den Tod bestätigen zu lassen. 15,45 überließ er dem Joseph den Leib. Nach der Bestätigung des Todes durch den Hauptmann, gewährte Pilatus Joseph den Leib Jesu. Damit erklärten die Römer Jesus offi ziell für tot. 15,46 wickelte ihn in die Leinwand. Die Juden balsamierten Tote nicht ein, sondern wickelten sie in parfümierte Grabtücher (s. Anm. zu 16,1). Nikodemus, ein weiteres angesehenes Mitglied des Hohen Rates (vgl. Joh 7,50), half Joseph, den Leichnam herzurichten (Joh 19,39.40). Diese Männer, die ihre Treue zu Jesus zu seinen Lebzeiten geheim gehalten hatten, traten bei seiner Grablegung nun öffentlich in Erscheinung. Wohingegen die Jünger, die Jesus öffentlich nachgefolgt waren, sich versteckten (Joh 20,19). ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dies »Grab« lag in der Nähe von Golgatha (Joh 19,42). Matthäus fügt hinzu, dass es Josephs eigenes Grab war (Mt 27,60); Lukas und Johannes erwähnen, dass zuvor noch niemand darin begraben wurde (Lk 23,53; Joh 19,41). 16,1 der Sabbat war vorüber. Der Sabbat endete am Samstag offi ziell bei Sonnenuntergang; anschließend konnten die Frauen die Gewürze kaufen. Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome. S. Anm. zu Mt 27,56. Lukas erwähnt, dass auch Johanna und andere Frauen dort waren (Lk 24,10; vgl. 15,41). Gewürze. Die Frauen kauften zu den bereits vorbereiteten Gewürzen noch weitere hinzu (vgl. Lk 23,56; Joh 19,39.40). salben. Im Gegensatz zu den Ägyptern balsamierten die Juden ihre Toten nicht ein. Das Salben war ein Akt der Liebe, um den Gestank eines verwesenden Körpers zu überdecken. Dass die Frauen am dritten Tag nach der Grablegung kamen, um Jesu Körper zu salben, zeigte, dass sie ebenso wie die Jünger nicht mit seiner Auferstehung aus den Toten rechneten (vgl. 8,31; 9,31; 10,34). 16,2 als die Sonne aufging. Joh 20,1 sagt, dass Maria Magdalena das Grab aufsuchte, als es noch dunkel war. Sie war den anderen Frauen möglicherweise vorausgegangen oder sie hatten sich im Dunklen gemeinsam auf den Weg gemacht und erreichten das Grab nach Sonnenaufgang. 16,3 Wer wälzt uns den Stein. Nur Markus berichtet diese Unterhaltung auf dem Weg zum Grab. Die Frauen erkannten, dass keine Männer bei ihnen waren, um den schweren Stein (V. 4) vom Eingang des Grabes wegzubewegen. Da sie zuletzt am Freitagabend am Grab waren, wussten sie nicht, dass der Stein versiegelt wurde und Wachen aufgestellt waren, denn das geschah am Samstag (Mt 27,62-66). 16,4 der Stein war weggewälzt. Nicht um Jesus herauszulassen, sondern um die Zeugen hineinzulassen. Das Erdbeben, das sich ereignete, als der Engel den Stein beiseite wälzte (Mt 28,2), betraf womöglich nur die Umgegend des Grabes, da die Frauen anscheinend nichts davon mitbekamen. 16,5 gingen in das Grab hinein. Die äußere Kammer, die von der Grabkammer durch einen kleinen Zugang getrennt war. einen jungen Mann … mit einem langen, weißen Gewand bekleidet. Der Engel, der den Stein weggerollt hatte (Mt 28,2), war mittlerweile in der Grabkammer. Lukas berichtet, dass sich zwei Engel im Grab befanden; Matthäus und Markus konzentrierten sich auf den redenden Engel (ähnliche Beispiele, s. Anm. zu 10,46). 16,6 Jesus den Nazarener, den Gekreuzigten. Die inspirierte Darstellung lässt keinen Zweifel darüber, wer sich im Grab befunden hatte. Der Gedanke einiger Ungläubiger, dass die Frauen ein falsches Grab aufsuchten, ist lächerlich. er ist auferstanden. Die Auferstehung Christi ist eine der zentralen Wahrheiten des christlichen Glaubens (1Kor 15,4) und die einzig einleuchtende Erklärung für ein leeres Grab. Selbst die jüdischen Führer bestritten die Tatsache des leeren Grabes nicht, sondern erdachten sich die Geschichte, dass die Jünger den Leichnam Jesu gestohlen hatten (Mt 28,11-15). Der Gedanke, dass die ängstlichen (Joh 20,19) und zweifelnden (V. 16,11.13; Lk 24,10.11) Jünger die römische Abordnung irgendwie überwältigten und den Leib Jesu stahlen, ist absurd. Dass sie es taten, während die Wachen schliefen, ist sogar noch grotesker. Mit Sicherheit hätten die Jünger durch die Beseitigung des schweren Steines vor der Öffnung des Grabes wenigstens einen Soldaten aufgeweckt. Und überhaupt, wie hätten die Wachen wissen können, was geschah, während sie doch schliefen? Viele andere sündige Theorien wurden in den Jahrhunderten erfunden, um das leere Grab wegzuerklären – jede von ihnen ist gleichermaßen vergeblich. 16,7 und dem Petrus. Petrus wurde nicht wegen seiner Führungsposition unter den Jüngern hervorgehoben, sondern um ihm zu versichern, dass er trotz seiner Verleugnung Jesu noch zu ihnen gehörte. er euch nach Galiläa vorangeht … wie er euch gesagt hat. S. Anm. zu 14,28. Der mangelnde Glaube der Jünger ließ sie nur langsam auf diese Worte reagieren; sie brachen erst nach Galiläa auf (Mt 28,7.16), nachdem Jesus ihnen wiederholt in Jerusalem erschienen war (vgl. Lk 24,13-32; Joh 20,19-31). 16,8 fürchteten. Sie waren von der Furcht einfl ößenden Erscheinung des Engels und dem Geheimnis der Auferstehung überwältigt. 16,9-20 Außerbiblische Beweise deuten stark an, dass diese Verse ursprünglich nicht zum Markus-Evangelium gehörten. Während die Mehrheit der gr. Handschriften sie enthält, fehlen sie in den ältesten und verlässlichsten. Es existierte auch ein kürzerer Schluss, den der Text allerdings nicht enthält. Einige Handschriften, in denen die Passage zu fi nden ist, erwähnen, dass sie in älteren Manuskripten fehlte; anderen ist hingegen die Anmerkung beigefügt, dass der Text für nicht echt erachtet wird. Die Kirchenväter des 4. Jhdt., Eusebius und Hieronymus, erwähnten, dass nahezu alle ihnen verfügbaren gr. Handschriften die Verse 9-20 nicht enthielten. Die inneren Beweise dieser Passage sprechen ebenso stark gegen Markus’ Verfasserschaft. Der Übergang zwischen V. 8 und 9 ist abrupt und ungünstig. Der gr. Partikel »als«, mit dem V. 9 beginnt, lässt auf eine Fortsetzung der vorhergehenden Erzählung schließen. Das Folgende führt die Geschichte der Frauen in V. 8 jedoch nicht weiter, sondern beschreibt, wie Christus Maria Magdalena erschienen ist (vgl. Joh 20,11-18). Der maskuline Partikel in V. 9 lässt »er« als Bezugswort erwarten, doch Satzgegenstand von V. 8 sind die Frauen. Obwohl sie schon dreimal erwähnt wurde (V. 1; 15,40.47), stellt V. 9 Maria Magdalena vor, als wäre es das erste Mal. Falls Markus V. 9 geschrieben haben sollte, ist es darüber hinaus merkwürdig, dass er erst jetzt erwähnt, dass Jesus ihr sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Der Engel sagte, dass Jesus seinen Nachfolgern in Galiläa begegnen werde, doch die in den Versen 9-20 beschriebenen Erscheinungen fi nden allesamt im Gebiet von Jerusalem statt. Zum Schluss: Das Auftauchen einer bedeutenden Anzahl gr. Wörter in diesen Versen, die bei Markus nirgendwo zuvor zu fi nden sind, deutet an, dass sie nicht von Markus stammen. Die Verse 9-20 stellen einen frühen (sie waren den Kirchenvätern des 2. Jhdt. Irenäus, Tatian und eventuell Justin dem Märtyrer bekannt) Versuch zur Vervollständigung des Markus-Evangeliums dar. Obwohl sie größtenteils Wahrheiten zusammenfassen, die anderswo in der Schrift gelehrt werden, sollten die Verse 9-20 immer mit dem Rest der Schrift verglichen werden; keine Lehre sollte ausschließlich auf ihnen beruhen. Da es trotz all dieser Überlegungen hinsichtlich der wahrscheinlichen Unzuverlässigkeit dieses Abschnittes möglich ist, falsch zu liegen, ist es gut, sich über die Bedeutung der 1,1-4 Diese 4 Verse sind ein einziger Satz im gepfl egten Stil eines griechischen Klassikers. Bei gr. Geschichtswerken war es ein solcher Prolog üblich. Nach diesem formalen Vorwort wechselte Lukas zu einem schlichteren Erzählstil, der wahrscheinlich dem vertrauten Stil der LXX folgte. 1,1 viele. Obwohl Lukas unter der Inspiration des Heiligen Geistes schrieb und direkte Offenbarungen von Gott empfi ng, würdigte er die Werke anderer (s. Anm. zu V. 2), die sich die Mühe gemacht hatten, Begebenheiten aus dem Leben Jesu niederzuschreiben. Alle diese Quellen sind seit langem verloren gegangen, außer die inspirierten Evangelien. Da Matthäus und Markus höchstwahrscheinlich vor dem Lukasevangelium geschrieben wurden, nehmen manche an, dass einer der beiden oder sogar beide Evangelisten zu den Quellen gehört, die Lukas für seine Nachforschungen benutzte. Außerdem ist bekannt, dass Lukas viele direkte Augenzeugen persönlich kannte, die das Leben und Wirken des Herrn selber miterlebt hatten. Und es ist möglich, dass zu seinen Quellen auch mündliche Überlieferungen gehörten. Über 60% des Stoffes in Markus wird in Lukas wiederholt, und Lukas hält sich eng an die von Markus vorgegebene Reihenfolge der Ereignisse (s. Einleitung zu Markus: Herausforderungen für den Ausleger, das synoptische Problem). abzufassen. Wörtl. »der Reihe nach aufzustellen«. Lukas wollte das Wirken Christi in autoritativer, logischer und thematischer Reihenfolge wiedergeben (nicht immer streng chronologisch – V.3). unter uns. D.h. in unserer Generation. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, dass Lukas selber Augenzeuge des Lebens Jesu war (s. Anm. zu V. 2.). völlig erwiesen. D.h. dass sich in Christus die messianischen Verheißungen des AT erfüllt haben. 1,2 Augenzeugen und Diener des Wortes. Die wichtigsten Quellen waren die Apostel selbst, die das Leben und die Lehre Jesu weitervermittelten. Das taten sie sowohl mündlich als auch mittels geschriebener Erinnerungen, die Lukas zur Verfügung standen. Jedenfalls behauptet Lukas nirgends, selber Augenzeuge gewesen zu sein. Doch erklärt er, dass er Tatsachen berichtet, die sich auf sorgfältige Nachforschungen stützen (s. Anm. zu V. 3). 1,3 von Anfang an. Das könnte vom Anfang des Lebens Jesu auf der Erde bedeuten. Das Wort kann aber auch »von oben« heißen (Joh 3,31; 19,11; Jak 3,15). In V. 2 steht für »von Anfang an« ein anderes gr. Wort, archê. Daher versteht man die Aussage am besten so, dass Lukas irdische Quellen als Material verwendete, aber bei seinen Nachforschungen und beim Schreiben vom Himmel geleitet wurde. Es wird deutlich, dass er seinen Bericht als autoritativ ansah (s. Anm. zu V. 4). genau nachgegangen. Das Lukasevangelium war das Ergebnis gewissenhafter Untersuchungen. Lukas hatte wie sonst niemand in der Urgemeinde die Fähigkeiten und die Möglichkeit, Augenzeugen des Wirkens Jesu zu befragen und ihre Berichte zu verifi zieren. Damit verbrachte er über zwei Jahre, während Paulus in Cäsarea inhaftiert war (Apg 24,26.27). In dieser Zeit konnte er viele Apostel und Augenzeugen des Wirkens Jesu aufsuchen und befragen. Wir wissen z.B., dass er Philippus traf (Apg 21,8), der zweifellos zu den Quellen des Evangelisten gehört. Auf seinen Reisen durch Kleinasien hat er möglicherweise auch den Apostel Johannes getroffen. Johanna, die Frau von Herodes’ Verwalter, wird nur im Lukasevangelium erwähnt (s. Anm. zu 8,3; vgl. 24,10) und muss daher persönlich mit ihm bekannt gewesen sein. Lukas beschreibt außerdem detailliert Herodes’ Umgang mit Christus, was in den anderen Evangelien fehlt (13,31-33; 23,7-12). Diese Einzelheiten erfuhr Lukas zweifellos von Johanna (oder von jemand in einer ähnlichen Position). Sein Bericht ist jedenfalls »genau«, weil er unter göttlicher Offenbarung und Inspiration des Heiligen Geistes schrieb (1Tim 3,16.17; 2Pt 1,19-21). der Reihe nach. Sein Bericht ist vorwiegend chronologisch angeordnet, doch hält er sich nicht starr an die zeitliche Reihenfolge. vortreffl ichster. Dieser Titel wurde als Anrede für Statthalter verwendet (Apg 23,26; 24,3; 26,25); er war den Honoratioren vorbehalten. Daher können wir annehmen, dass Theophilus zu ihnen zählte. 1,4 Gewissheit. Man beachte den Anspruch der Autorität. Obwohl Lukas andere Quellen verwendete (V. 3), maß er seinem Evangelium eine höhere Zuverlässigkeit und Autorität bei als den nicht inspirierten Quellen. unterrichtet. Theophilus war in apostolischer Überlieferung unterwiesen worden, vielleicht sogar von Paulus persönlich. Doch dieses schriftliche Evangelium besiegelte die Gewissheit dessen, was er gehört hatte. 1,5 Herodes. Herodes der Große. S. Anm. zu Mt 2,1. Zacharias. Dieser Name bedeutet wörtl. »Jahwe hat erinnert«. Abteilung Abijas. Die Priesterschaft des Tempels bestand aus 24 Abteilungen, von denen jede zweimal jährlich den Tempeldienst versah (1Chr 24,4-19). Die Abteilung Abijas war die achte (1Chr 24,10). Töchtern Aarons. D.h. sowohl der Ehemann als auch seine Frau gehörten dem priesterlichen Stamm an. 1,6 beide gerecht vor Gott. D.h. sie waren Gläubige, die in Gottes Augen gerechtfertigt waren. Dieser Ausdruck ist eine deutliche Entsprechung zur paulinischen Lehre. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. 1,7 unfruchtbar … in fortgeschrittenem Alter. Das wurde allgemein als Zeichen der Missgunst Gottes angesehen. S. Anm. zu V. 25. 1,8 als seine Abteilung an die Reihe kam. D.h. seine Abteilung erfüllte gerade einen der zwei jährlichen Dienstzeiten (s. Anm. zu V. 5). 1,9 das Los, dass er … räuchern sollte. Eine hohe Ehre (2Mo 30,7.8; 2Chr 29,11). Da es so viele Priester gab, wurden die meisten von ihnen nie zu dieser Aufgabe berufen, und niemand durfte diesen bedeutsamen Dienst zweimal tun. Für Zacharias war das zweifellos der absolute Höhepunkt seines Lebens als Priester. Der Weihrauch wurde ständig in Brand gehalten und befand sich direkt vor dem Vorhang, der das Heilige vom Allerheiligsten trennte. Der Priester war im Heiligtum allein und opferte den Weihrauch jeden Morgen und jeden Abend, während die übrigen Priester und das anbetende Volk außerhalb des Heiligtums im Gebet warteten (V. 10). 1,12 Furcht. Die normale – und angemessene – Reaktion (12,5), wenn jemand eine göttliche Heimsuchung erlebt (Ri 6,22; 13,22; Mk 16,5; s. Anm. zu Offb 1,17). Lukas widmet dieser Furcht besonderes Augenmerk; er erwähnt häufi g Furcht in der Gegenwart Gottes und seines Wirkens (vgl. V. 30.65; 2,9.10; 5,10.26; 7,16; 8,25.37.50; 9,34.45; 23,40). 1,13 dein Gebet. Das Gebet um Nachkommen (s. Anm. zu V. 7; vgl. V. 25). Johannes. Wörtl. »Jahwe hat Gnade erwiesen«. 1,14 Freude und Frohlocken. Die Markenzeichen des messianischen Reiches (Jes 25,9; Ps 14,7; 48,12). Freude ist ein durchgängiges Motiv im Lukasevangelium (vgl. V. 44.47.58; 2,10; 6,23; 8,13; 10,17-21; 13,17; 15,5-10.22-32; 19,6.37; 24,52). 1,15 Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken. Das war ein Hauptstück im Gelübde des Nasiräers (4Mo 6,1-21) und wurde von Zacharias wahrscheinlich als solches verstanden. Ein solches Gelöbnis war meistens zeitlich begrenzt, doch Simson (Ri 16,17) und Samuel (1Sam 1,11) waren ihm von Geburt an unterworfen. Die Ausdrucksweise erinnert hier an die Anweisungen, die der Engel den Eltern Simons gab (Ri 13,4-7). Hier wird jedoch nichts davon gesagt, dass man Johannes die Haare nicht schneiden dürfe. Es kann sein, dass Lukas dieses Detail einfach ausgelassen hat, um seine heidnische Leserschaft nicht mit den Einzelheiten des jüdischen Gesetzes zu belasten. schon von Mutterleib an. Das erinnert an Jeremia (Jer 1,5). Ein anschauliches Beispiel für Gottes Souveränität in der Errettung. 1,17 im Geist und in der Kraft Elias. Elia war, wie Johannes der Täufer, bekannt für sein mutiges, kompromissloses Einstehen für das Wort Gottes, selbst vor einem ruchlosen Monarchen (vgl. 1Kö 18,17-24; Mk 6,15). Die letzten beiden Verse des AT (Mal 3,23.24) kündigen an, dass Elia vor dem Tag des Herrn zurückkehren werde (S. Anm. zu Mt 3,4; 11,14; Mk 9,11.12), um die Herzen der Väter umzuwenden. Ein Zitat aus Mal 3,24, das zeigt, dass Johannes der Täufer diese Prophezeiung erfüllt hat. bereiten. Möglicherweise eine Anspielung auf Jes 40,3-5 (s. Anm. zu 3,4; Mt 3,3). 1,18 Woran soll ich das erkennen? Auch Abraham bat in einer ähnlichen Situation um ein Zeichen (1Mo 15,8). Das Zeichen, das Zacharias erhielt, war auch ein sanfter Tadel für seinen Zweifel (V. 20). 1,19 Gabriel. Wörtl. »Gottesheld«. Gabriel erscheint auch in Dan 8,16; 9,21 (s. Anm. dort). Er ist einer von zwei Engeln, deren Namen in der Bibel genannt werden; der andere ist Michael (Dan 10,13.21; Jud 9; Offb 12,7). 1,21 verwunderten sich, dass er so lange im Tempel blieb. Zacharias sollte lediglich Weihrauch darbringen und dann wieder herauskommen, um den üblichen Segen aus 4Mo 6,23-27 über das draußen wartende Volk zu sprechen. Das Gespräch mit dem Engel führte zu einer Verzögerung. 1,23 die Tage seines Dienstes. Eine Woche. S. Anm. zu V. 5. in sein Haus. Im Bergland von Judäa (V. 39). 1,24 verbarg sich. Wahrscheinlich, um sich aus tiefer Dankbarkeit ganz dem Herrn zu weihen. 1,25 meine Schmach. Kinderlosigkeit war in einer Kultur, wo Segen an Geburtsrechte und familiäre Abstammung geknüpft war, eine Schmach. Unfruchtbarkeit konnte gelegentlich ein Zeichen der Missgunst Gottes sein (3Mo 20,20.21), aber das war nicht immer der Fall (vgl. 1Mo 30,23; 1Sam 1,5-10). Doch Unfruchtbarkeit war stets ein gesellschaftliches Stigma. 1,26 Im sechsten Monat. D.h. im sechsten Schwangerschaftsmonat von Elisabeth. Nazareth. S. Anm. zu Mt 2,23. 1,27 einer Jungfrau. Die Wichtigkeit der Jungfrauengeburt kann nicht genug betont werden. Ein richtiges Verständnis der Fleischwerdung Jesu hängt von der Wahrheit ab, dass er von einer Jungfrau geboren wurde. Sowohl Lukas als auch Matthäus schreiben ausdrücklich, dass Maria bei der Empfängnis Jesu Jungfrau war (s. Anm. zu Mt 1,23). Der Heilige Geist bewirkte die Empfängnis auf übernatürliche Weise (s. Anm. zu V. 35; Mt 1,18). Die Natur der Empfängnis Christi bezeugt sowohl seine Gottheit als auch seine Sündlosigkeit. verlobt. S. Anm. zu Mt 1,18.19. 1,28 Begnadigte. Dieser Ausdruck wird in Eph 1,6 für alle Gläubigen verwendet (manche übersetzen dort »angenommen«). Dieses Wort beschreibt Maria als Empfängerin – und nicht als Spenderin – der Gnade Gottes. 1,30 Fürchte dich nicht. Dasselbe sagte Gabriel zu Zacharias (V. 13). S. Anm. zu V. 12. 1,31 Jesus. S. Anm. zu Mt 1,1.21. 1,32 wird groß sein. Dasselbe wurde von Johannes dem Täufer verheißen. Der folgende Titel bezeugt hingegen die Besonderheit des Herrn Jesus: Sohn des Höchsten. Vgl. V. 76, wo Johannes der Täufer »Prophet des Höchsten« genannt wird. Der gr. Begriff, den Lukas für den »Höchsten« verwendet, ist in der LXX die Übersetzung des hebr. Titels »Gott, der Allerhöchste«. Da ein Sohn stets die Eigenschaften des Vaters trägt, bedeutete es Gleichheit, wenn man jemanden als »Sohn« einer bestimmten Person bezeichnete. Hier erklärt der Engel Maria, dass ihr Sohn Gott, dem Allerhöchsten, gleich sein werde. seines Vaters David. S. Anm. zu Mt 9,27. Über die Abstammung Marias war Jesus Davids leiblicher Nachkomme. Davids »Thron« war ein Symbol für das messianische Reich (vgl. 2Sam 7,13-16; Ps 89,27-30). 1,33 über das Haus Jakobs in Ewigkeit. Das betont sowohl den jüdischen Charakter des Tausendjährigen Reiches als auch das ewige Fortbestehen der Herrschaft Christi über alle. S. Anm. zu Jes 9,6; Dan 2,44. 1,34 von keinem Mann weiß. D.h. sie hatte keine eheliche Beziehung zu einem Mann. Maria verstand, dass der Engel von einer sofortigen Empfängnis sprach. Sie und Joseph befanden sich aber noch in der langen Verlobungszeit (s. Anm. zu Mt 1,18) vor dem Vollzug der Ehe. Sie stellte ihre Frage nicht aus Zweifel oder Unglauben, sondern aus Verwunderung. Deshalb tadelte der Engel sie nicht wie zuvor Zacharias (V. 20). 1,35 Der Heilige Geist wird über dich kommen. Das war keine Vereinigung zwischen göttlichen und menschlichen Wesen wie in heidnischen Mythologien, sondern ein Schöpfungsakt des Heiligen Geistes. 1,36 Elisabeth, deine Verwandte. Es ist sehr nahe liegend und wahrscheinlich, dass der Stammbaum von 3,23-28 Marias Abstammung zeigt (s. Anm. zu 3,23). Dann war sie ein direkter Nachkomme Davids (s. Anm. zu V. 32). Elisabeth war jedoch ein Nachkomme Aarons (s. Anm. zu V. 5). Daher muss Maria über ihre Mutter mit Elisabeth verwandt gewesen sein. Ihre Mutter musste demnach ein Nachkomme Aarons sein. So war Maria also von ihrer väterlichen Seite ein Nachkomme Davids. 1,38 mir geschehe nach deinem Wort. Maria befand sich nun in einer äußerst peinlichen und heiklen Lage. Da sie mit Joseph verlobt war, sah sie sich dem Schandmal der vorehelichen Schwangerschaft ausgesetzt. Joseph wusste, dass das Kind nicht von ihm war. Ihr war klar, dass sie des Ehebruchs bezichtigt würde, und darauf stand Steinigung (5Mo 22,13-21; vgl. Joh 8,3-5). Doch sie unterwarf sich bereitwillig und demütig dem Willen Gottes. 1,41 mit Heiligem Geist erfüllt. D.h. vom Heiligen Geist beherrscht, der Elisabeth bei ihrem bemerkenswerten Lobpreis leitete. S. Anm. zu V. 43.44.67. 1,43 die Mutter meines Herrn. Dieser Ausdruck ist kein Lob auf Maria, sondern ein Lob auf das Kind, das sie im Leib trug und ein Ausdruck der Zuversicht Elisabeths, dass Marias Kind der langerwartete Messias sein würde – den sogar David seinen »Herrn« genannt hatte (vgl. 20,44). Es ist bemerkenswert, wie gut Elisabeth die Bedeutung der Situation verstand, insbesondere wenn man bedenkt, welch geheimnisvolle Atmosphäre über all diesen Ereignissen lag (vgl. 2,19). Sie begrüßte Maria nicht skeptisch, sondern mit großer Freude. Sie verstand, was die Reaktion des Kindes in ihrem Schoß bedeutete. Und sie begriff anscheinend die einzigartige Bedeutung des Kindes in Marias Schoß. All dies muss dem erleuchtenden Wirken des Heiligen Geistes zugeschrieben werden (V. 41). 1,44 hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Auch das Ungeborene war, wie seine Mutter, vom Heiligen Geist erfüllt (vgl. V. 15.41). Seine Reaktion war wie die Reaktion Elisabeths auf übernatürliche Weise vom Geist Gottes bewirkt (s. Anm. zu V. 41). 1,46-55 Marias Magnifi kat (das ist das erste Wort in der lateinischen Übersetzung; s. Anm. zu V. 68-79; 2,29-32) steckt voller Anspielungen und Zitate aus dem AT. Es zeigt, dass Marias Herz und Sinn vom Wort Gottes erfüllt waren. Das Magnifi kat wiederholt Aussagen aus den Gebeten der Hanna, der Mutter Samuels, z.B. 1Sam 1,11 und 2,1-10. Diese Verse enthalten außerdem zahlreiche Anspielungen auf das Gesetz, die Psalmen und die Propheten. Der ganze Abschnitt ist eine detaillierte Auflistung der Bundesverheißungen Gottes. 1,47 meinen Retter. Maria nannte Gott ihren »Retter«, was zweierlei zeigt: Sie hatte erkannt, dass sie einen Retter braucht und sie kannte Gott als ihren persönlichen Retter. Weder hier noch an anderer Stelle der Bibel fi ndet sich ein Hinweis, dass Maria sich für »unbefl eckt (ohne Erbsünde) empfangen« und daher »sündlos« hielt. Genau das Gegenteil ist der Fall: Ihre Sprache hier ist typisch für jemanden, dessen einzige Hoffnung auf Errettung durch die Gnade Gottes ist. Nichts in diesem Abschnitt unterstützt die Ansicht, Maria selbst sollte verehrt werden. S. Anm. zu V. 46-55. 1,48 Niedrigkeit. Die Eigenschaft Marias, die am hellsten aus diesem Abschnitt hervorstrahlt, ist ihr tiefes Bewusstsein von Niedrigkeit. Magd. Ein weiblicher Sklave. 1,56 etwa drei Monate. Maria kam bei Elisabeth an, als diese im sechsten Monat schwanger war (V. 26). Somit blieb sie offenbar bis zur Geburt von Johannes dem Täufer. ihr Haus. Zu dieser Zeit war Maria mit Joseph immer noch lediglich verlobt und lebte noch nicht in seinem Haus (vgl. Mt 1,24). 1,59 am achten Tag. Dem Gebot Gottes zufolge (1Mo 17,12; 3Mo 12,1-3; vgl. Phil 3,5), war es Brauch, dem Kind bei der Beschneidung seinen Namen zu geben. Bei dieser Feier kamen die Familie und Freunde zusammen, die hier die Eltern drängten, dem Kind den »Namen seines Vaters« zu geben. Das war wahrscheinlich eine Geste des Respekts gegenüber Zacharias. 1,60 Nein. Elisabeth hatte von Zacharias schriftlich alles erfahren (V. 63), was der Engel Gabriel ihm gesagt hatte. 1,62 winkten aber seinem Vater. Da Zacharias nicht sprechen konnte, dachten die Priester, die die Beschneidung durchführten, er sei nicht nur stumm, sondern auch taub. 1,65 Furcht. S. Anm. zu V. 12. ganzen Bergland von Judäa. D.h. in Jerusalem und dem umliegenden Bergland. Der Ruf Johannes des Täufers breitete sich bereits von seiner Geburt an aus (V. 66). 1,67 mit Heiligem Geist erfüllt. S. Anm. zu V. 41. Jedesmal, wenn Lukas sagt, jemand sei vom Heiligen Geist erfüllt, ist das Ergebnis immer eine vom Heiligen Geist gewirkte Anbetung. Vgl. Eph 5,18-20. 1,68-79 Dieser Abschnitt ist als Benedictus bekannt (das erste Wort von V. 68 in der lateinischen Übersetzung; s. Anm. zu V. 46-55; 2,2932). Wie das Magnifi kat Marias ist es voll alttestamentlicher Anspielungen und Zitate. Bevor Zacharias im Tempel mit Stummheit geschlagen wurde (V. 20), hätte er eigentlich in Lobpreis ausbrechen sollen (s. Anm. zu V. 21). Daher ist es sehr passend, dass dieses inspirierte Lob die ersten Worte aus seinem Mund nach Wiederherstellung seiner Sprache waren. 1,69 Horn des Heils. Ein im AT üblicher Ausdruck (2Sam 22,3; Ps 18,3; vgl. 1Sam 2,1). Das Horn ist ein Symbol für Stärke (5Mo 33,17). Diese Worte sollten eindeutig nicht Johannes den Täufer erhöhen. Da sowohl Zacharias als auch Elisabeth aus dem Haus Levi stammten (s. Anm. zu V. 5), war das im Hause Davids aufgerichtete Horn nicht Johannes, sondern jemand größeres als er (Joh 1,26.27). Die Verse 76-79 sprechen von der Aufgabe des Johannes. 1,72 seinen heiligen Bund. D.h. des Bundes mit Abraham (V. 73) samt seiner Verheißung der Errettung aus Gnade. S. Anm. zu 1Mo 12,1-3. 1,76 Prophet des Höchsten. S. Anm. zu V. 32. 1,77 Vergebung ihrer Sünden. Sündenvergebung ist das Herzstück des Heils. Gott errettet Sünder aus der Trennung von ihm und vor der ewigen Hölle allein dadurch, dass er ihre Sünden sühnt und vergibt. S. Anm. zu Röm 4,6-8; 2Kor 5,19; Eph 1,7; Hebr 9,22. 1,78 Aufgang. Oder »Sonnenaufgang«. Eine Bezeichnung des Messias (vgl. Jes 9,1; 60,1-3; Mal 3,20; 2Pt 1,19; Offb 22,16). 1,80 in der Wüste. In der Wüstenregion östlich von Jerusalem lebten mehrere asketische Gemeinschaften, u.a. die bekannte QumranGemeinschaft, die uns die Qumran-Rollen hinterlassen hat. Die Eltern von Johannes waren bei seiner Geburt bereits alt und übergaben ihn vielleicht jemandes Fürsorge, der mit einer solchen Gemeinschaft verbunden war. In ähnlicher Weise weihte Hanna Samuel dem Herrn, indem sie ihn Eli anvertraute (1Sam 1,22-28). In der Bibel fi nden sich jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass Johannes einer solchen Gemeinschaft angehörte. Im Gegenteil wird er vielmehr als Einzelgänger im Geist des Elia dargestellt (s. Anm. zu V. 17). 2,1 Kaiser Augustus. Gajus Octavius (so sein bürgerlicher Name) war Großneffe, Adoptivsohn und hauptsächlicher Erbe von Julius Cäsar. Die römische Regierung wurde vor und nach dem Tod Cäsars im Jahr 44 v.Chr. ständig von Machtkämpfen zerrüttet. Octavius stieg 31 v.Chr. zu unbestrittener Macht auf, als er seinen letzten verbliebenen Feind Antonius in einer Militärschlacht bei Actium besiegte. Im Jahr 29 v.Chr. erklärte der römische Senat Octavius zum ersten Kaiser Roms. Zwei Jahre später ehrten sie ihn mit dem Titel »Augustus« (»Erhabener; Ehrwürdiger«, was auf religiöse Verehrung hindeutet). Roms republikanische Regierung war damit praktisch abgeschafft und Augustus erhielt höchste militärische Macht. Er regierte bis zu seinem Tod im Alter von 76 Jahren (14 n.Chr.). Unter seiner Herrschaft dominierte das Römische Reich den gesamten Mittelmeerraum und so begann eine Zeit großen Wohlstands und relativen Frieden (die sog. Pax Augustana). Unter seinem Befehl sollte »der ganze Erdkreis sich schätzen (registrieren) lassen«. Das war keine einmalige Volkszählung; vielmehr begann mit diesem Erlass ein Zyklus von Einschreibungen, die alle 14 Jahre stattfi nden sollten. Palästina war zuvor von der römischen Volkszählung ausgenommen gewesen, weil die Juden nicht in der römischen Armee antreten mussten und die Volkszählung in erster Linie dazu diente, junge Männer zum Militärdienst zu rekrutieren (und zum Erfassen aller römischen Bürger). Diese neue, uneingeschränkte Volkszählung sollte angeblich jedes Volk nach Familien und Stämmen zählen (deshalb musste Joseph, vom Stamm Juda, in die Heimatstadt seiner Vorväter zurückkehren – s. Anm. zu V. 3). Besitz- und Einkommenswerte wurden bei dieser Registrierung nicht erfasst. Doch schon bald darauf verwendete man die Namen und Bevölkerungsstatistiken aus dieser Zählung, um Kopfsteuern zu erheben (s. Anm. zu Mt 22,17). Seither waren den Juden Volkszählungen als unliebsames Symbol der römischen Unterdrückung verhasst. S. Anm. zu V. 2. 2,2 als Kyrenius Statthalter in Syrien war. Eine genaue Datierung dieser Volkszählung ist problematisch. Es ist bekannt, dass Publius Sulpicius Quirinius (oder Kyrenius) von 6-9 n.Chr. Statthalter von Syrien war. Eine gut dokumentierte Volkzählung fand in Palästina im Jahr 6 n.Chr. statt. Josephus berichtet, dass sie eine gewalttätige Revolte der Juden auslöste (Lukas erwähnt sie in einem Zitat Gamaliels in Apg 5,37). Quirinius war für die Durchführung dieser Volkszählung verantwortlich und spielte außerdem eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung des anschließenden Aufstandes. Bei dieser Volkszählung kann es sich jedoch nicht um die handeln, die Lukas hier meint, denn sie fand mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tod des Herodes statt (s. Anm. zu Mt 2,1) und damit viel zu spät, als dass zur Zeitangabe des Lukas passen könnte (vgl. 1,5). Angesichts der akribischen Sorgfalt des Historikers Lukas wäre es unvernünftig, ihm einen solchen Anachronismus zu unterstellen. Und tatsächlich hat die Archäologie Lukas Recht gegeben. Ein Steinfragment, das 1764 in Tivoli (bei Rom) entdeckt wurde, weist eine Inschrift zu Ehren eines römischen Politikers auf, der unter Augustus zweimal Statthalter von Syrien und Phönizien war. Der Name des Beamten befi ndet sich nicht auf dem Fragment, aber unter den von ihm aufgezählten Meriten fi nden sich Details, die unseres Wissens auf niemand anders zutreffen als auf Quirinius. Somit war er zweimal Statthalter von Syrien. Er war wahrscheinlich zur selben Zeit militärischer Statthalter, als Varus der Geschichtsschreibung zufolge dort ziviler Statthalter war. Was die Datierung der Volkszählung betrifft, erwähnen einige antike Dokumente aus Ägypten eine weltweite Zählung im Jahr 8 v.Chr. Doch auch dieses Datum ist nicht unproblematisch. Die Gelehrten nehmen allgemein an, dass 6. v.Chr. das frühestmögliche Datum für die Geburt Jesu ist. Offenbar hatte Augustus die Volkszählung im Jahr 8 v.Chr. befohlen, doch in Palästina konnte sie erst zwei bis vier Jahre später durchgeführt werden. Grund dafür sind möglicherweise politische Spannungen zwischen Rom und Herodes. Deshalb kann das genaue Jahr der Geburt Jesu nicht mit letzter Gewissheit bestimmt werden, doch war es wahrscheinlich nicht früher als 6 v.Chr. und mit Sicherheit nicht später als 4 v.Chr. Die Leser des Lukasevangeliums waren mit der politischen Geschichte jener Zeit vertraut und konnten aus seinen Angaben zweifellos ein äußerst genaues Datum ableiten. 2,3 eigene Stadt. D.h. der Ursprungsort des Stammes, dem man angehörte. 2,4 Nazareth … Bethlehem. Sowohl Joseph als auch Maria waren Nachkommen Davids und gingen deshalb in die Heimatstadt ihres Stammes in Judäa, um sich registrieren zu lassen. Das war eine anstrengende Reise von etwa 120 km durch bergiges Gebiet. Diese Reise war vor allem für die hochschwangere Maria äußerst beschwerlich. Vielleicht waren sie und Joseph sich bewusst, dass eine Geburt in Bethlehem die Prophezeiung aus Mi 5,1 erfüllen würde. 2,5 angetrauten. S. Anm. zu Mt 1,18. Matthäus 1,24 sagt, dass Joseph »seine Frau zu sich nahm«, nachdem der Engel Joseph im Traum dazu aufgefordert hatte, d.h. er nahm sie in sein Haus auf. Doch vollzogen sie die Ehe erst nach der Geburt Jesu (Mt 1,25). Daher waren sie eigentlich noch immer verlobt. 2,7 Erstgeborenen. Maria hatte später noch andere Kinder. S. Anm. zu Mt 12,46. Windeln. Textilstreifen, mit denen die Mutter den Säugling stramm einwickelte. Sie bewahrten den Säugling davor, seine empfi ndliche Gesichtshaut und die Augen mit den eigenen Fingernägeln zu verletzen, und sie stärkten, so meinte man, die Gliedmaßen des Kindes. In einigen orientalischen Kulturen ist das auch heute noch Brauch. Fehlten Windeln, war das ein Zeichen von Armut oder mangelhafter elterlicher Fürsorge (Hes 16,4). Krippe. Ein Futtertrog für Tiere. Auf diesen kleinen Hinweis gründet die Vorstellung, Jesus sei in einem Stall geboren, was die Bibel nirgends sagt. Einer alten Überlieferung zufolge war seine Geburtsstätte eine Höhle (die möglicherweise Tieren Schutz bot). Eine nähere Beschreibung der Geburtsstätte fi ndet sich in der Bibel jedoch nicht. weil für sie kein Raum war in der Herberge. Womöglich weil viele Leute in ihre Vaterstadt zurückkehrten, um sich bei der Volkszählung registrieren zu lassen. 2,8 Hirten. Bethlehem lag nahe bei Jerusalem und die Juden, die dort im Tempel opfern wollten, bezogen die nötigen Schafe zum Großteil aus dieser Gegend. Die umliegenden Hügel waren hervorragendes Weideland und die Hirten arbeiteten hier das ganze Jahr über Tag und Nacht. Daher lässt sich aus der Tatsache, dass Hirten draußen auf den Wiesen waren, keine Schlussfolgerung über die Jahreszeit machen. 2,10 Fürchtet euch nicht. S. Anm. zu 1,12; vgl. 1,65. 2,11 der Retter. Das ist eine von nur zwei Stellen in den Evangelien, wo Christus als »Retter« bezeichnet wird. Die andere Stelle ist Joh 4,42, wo Leute aus Sychar ihn als »Retter der Welt« bekannten. Christus. »Christus« ist das gr. Wort für »Messias« (s. Anm. zu Mt 1,1). Herr. Das gr. Wort kann »Meister« bedeuten, wird aber auch als Übersetzung des Bundesnamens Gottes im AT verwendet. Hier (und bei den meisten seiner Vorkommen im NT) wird es im letzteren Sinne verwendet, als Titel Gottes. Stadt Davids. D.h. Bethlehem, die Stadt, wo David geboren wurde – und nicht die »Davidsstadt« am Südhang des Bergs Zion (vgl. 2Sam 5,7-9). 2,13 Heerscharen. Dieser Begriff bezeichnete ein Heerlager. Auch Christus beschrieb Engel in Mt 26,53 mit einem Bild aus dem Militärwesen (s. Anm. dort). Offb 5,11 legt nahe, dass die Anzahl der Heerscharen von Engeln für den menschlichen Verstand unergründlich ist. Beachtenswert ist, dass die himmlischen Heerscharen hier eine Botschaft von Frieden und Wohlgefallen überbrachten (V. 14). 2,14 in der Höhe. D.h. im Himmel. Frieden. Das darf man nicht als universale Verkündigung von Frieden für die ganze Menschheit verstehen. Vielmehr ist Frieden mit Gott eine Folge der Rechtfertigung (s. Anm. zu Röm 5,1). den Menschen [Gottes] Wohlgefallen. Das gr. Wort für »Wohlgefallen« kommt auch in 10,21 vor. Die Verbform desselben Wortes wird in 3,22 und 12,32 verwendet. Es bezeichnet stets Gottes souveränes Wohlwollen. Deshalb wäre eine bessere Übersetzung: »Frieden für die Menschen, auf denen Gottes souveränes Wohlwollen ruht.« Der Friede Gottes ist keine Belohnung für Menschen mit gutem Willen, sondern eine Gnadengabe für diejenigen, die Gegenstand seines Wohlwollens sind. 2,18 alle, die es hörten, verwunderten sich. Verwunderung über die Geheimnisse von Christi Worten und Werken ist einer der roten Fäden im Lukasevangelium. Vgl. V. 19.33.47.48; 1,21.63; 4,22.36; 5,9; 8,25; 9,43-45; 11,14; 20,26; 24,12.41. S. Anm. zu V. 20. 2,20 priesen und lobten Gott. Lukas berichtet oft über eine solche Reaktion. Vgl. V. 28; 1,64; 5,25.26; 7,16; 13,13; 17,15-18; 18,43; 19,37-40; 23,47; 24,52.53. 2,21 acht Tage. S. Anm. zu 1,59. 2,22 Reinigung. Eine Frau, die einen Sohn zur Welt gebracht hatte, war für 40 Tage unrein (bei einer Tochter doppelt so lange – 3Mo 12,25). Danach musste sie ein einjähriges Lamm und eine Taube opfern (3Mo 12,6). War sie arm, konnte sie stattdessen auch zwei Tauben opfern (3Mo 12,8). Marias Opfertiere zeigen, dass sie und Joseph arm waren (V. 24). nach Jerusalem. Von Bethlehem aus eine Reise von etwa 10 km. um ihn dem Herrn darzustellen. Die Weihe des Erstgeborenen war ebenfalls vom mosaischen Gesetz vorgeschrieben (V. 23, vgl. 2Mo 13,2.12-15). 2,24 ein Paar Turteltauben. S. Anm. zu V. 22. Ein Zitat aus 3Mo 12,8. 2,25 Simeon. Er kommt nur hier in der Bibel vor. Trost Israels. Ein messianischer Titel, der offenbar abgeleitet war von Versen wie Jes 25,9; 40,1.2; 66,1-11. 2,26 vom Heiligen Geist die Zusage empfangen. Obwohl die Messiaserwartung in Israel sehr angespannt war (vgl. 3,15) und trotz der vielen alttestamentlichen Prophezeiungen, die von seinem Kommen sprachen, war es nur eine Hand voll Juden, welche die Bedeutung von Christi Geburt erkannten. Die meisten von ihnen, einschließlich Simeon, empfi ngen eine Botschaft von Engeln oder eine andere besondere Offenbarung, die ihnen die Erfüllung der AT-Prophezeiungen erklärte. 2,29-32 Simeons Psalm ist als das Nunc Dimittis bekannt; das sind die ersten beiden Worte der lateinischen Übersetzung (s. Anm. zu 1,4655; 1,68-79). Er ist der vierte von fünf Lobpreispsalmen, die Lukas in seine Erzählung von der Geburt Jesu aufgenommen hat (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen) und ein ergreifender Ausdruck des außergewöhnlichen Glaubens von Simeon. 2,30 dein Heil. D.h. der Eine, der sein Volk von seinen Sünden erlösen wird. 2,31 allen Völkern. D.h. allen Nationen, Sprachen und Stämmen (vgl. Offb 7,9), sowohl Israel als auch den Heiden (V. 32). 2,34 zum Fall und zum Auferstehen vieler in Israel. Für diejenigen, die ihn ablehnen, ist er ein Stein des Anstoßes (1Pt 2,8); doch wer ihn annimmt, den wird er aufrichten (Eph 2,6). Vgl. Jes 8,14.15; Hos 14,10; 1Kor 1,23.24. widersprochen. Das ist eine Synekdoche. Simeon erwähnte nur die verbalen Angriffe auf Christus, doch umfasste dieser Ausdruck mehr als das: Israels Ablehnung und Verwerfung des Messias, den Hass des Volkes gegen ihn und seine Kreuzigung. S. Anm. zu V. 35. 2,35 ein Schwert. Das war zweifellos ein Hinweis auf den künftigen Schmerz, den Maria beim Anblick ihres unter schrecklichen Qualen sterbenden Sohnes erleiden würde (Joh 19,25). damit aus vielen Herzen die Gedanken geoffenbart werden. Die Verwerfung des Messias (s. Anm. zu V. 34) sollte ans Licht bringen, wie weit die Juden in ihrem Herzen von Gott abgefallen waren. 2,36 eine Prophetin. Das bezeichnet eine Frau, die das Wort Gottes redet. Hanna war keine Quelle der Offenbarung, sondern eine Lehrerin des AT. Das AT nennt nur drei prophezeiende Frauen: Mirjam (2Mo 15,20), Debora (Ri 4,4) und Hulda (2Kö 22,14; 2Chr 34,22). Eine weitere Frau, Noadja, war offensichtlich eine falsche Prophetin, die Nehemia zu seinen Feinden zählt. Jes 8,3 bezeichnet die Frau des Propheten Jesaja als »Prophetin«, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Jesajas Gattin selber prophezeit hätte. Vielleicht wird sie so genannt, weil das Kind, das sie geboren hatte, einen prophetischen Namen erhielt (Jes 8,3.4). Dass die Frau Jesajas so betitelt wurde, zeigt zudem, dass der Titel »Prophetin« nicht unbedingt einen fortwährenden Dienst prophetischer Offenbarungen fordert. Die rabbinische Tradition bezeichnet auch Sarah, Hanna, Abigail und Esther als Prophetinnen (offenbar um zusammen mit Mirjam, Debora und Hulda die Zahl 7 zu erreichen). Im NT prophezeiten die Töchter von Philippus (s. Anm. zu Apg 21,9). 2,37 eine Witwe von etwa 84 Jahren. Das bedeutet wahrscheinlich nicht, dass sie seit 84 Jahren Witwe, sondern dass sie eine 84-jährige Witwe war. Wäre sie nämlich seit 84 Jahren und im Anschluss an eine 7-jährige Ehe (V. 35) verwitwet, dann wäre sie mindestens 104 Jahre alt gewesen. wich nicht vom Tempel. Sie lebte offenbar im Tempelbezirk. Im äußeren Vorhof gab es mehrere solcher Quartiere für Priester. Wegen ihres ungewöhnlichen Status als Prophetin hatte Hanna wohl die Erlaubnis, dort dauerhaft zu leben. 2,39 kehrten sie zurück nach Galiläa. Lukas lässt den Besuch der Magier und die Flucht nach Ägypten aus (Mt 2,1-18). Das Thema der frühen Verwerfung Jesu, die in Matthäus so hervorgehoben wird (s. Einleitung zu Matthäus: Historische und lehrmäßige Themen), steht bei Lukas nicht im Mittelpunkt. 2,41 Passahfest. S. Anm. zu 2Mo 23,14-19. Das Passah war ein eintägiges Fest und direkt darauf folgte das einwöchige Fest der ungesäuerten Brote (s. Anm. zu Mt 26,17). 2,42 als er zwölf Jahre alt war. Die Bar-Mitzvah-Feier (wenn ein jüdischer Knabe ein »Sohn des Gesetzes« wurde) fand im Alter von 13 Jahren statt. Daher feierten die meisten Jungen ihr erstes Fest mit 12, um sich auf diesen rituellen Übergang zum Erwachsenendasein vorzubereiten. S. Anm. zu Mt 21,15. 2,43 blieb der Knabe Jesus in Jerusalem. In krassem Gegensatz zu den apokryphen Evangelien mit ihren fantasievollen Sagen über Wunder und übernatürliche Großtaten des jugendlichen Jesus, schildert dieser einzige biblische Bericht über die Jugend des Herrn ihn als gewöhnliches Kind einer gewöhnlichen Familie. Er blieb weder aus Mutwillen noch aus Ungehorsam in Jerusalem zurück, sondern dieser Vorfall beruhte auf einem Irrtum auf Seiten seiner Eltern (V. 44). 2,44 den Reisegefährten. Joseph und Maria reisten offenbar mit einer großen Reisegesellschaft von Freunden und Verwandten aus Nazareth. Zweifellos gingen Hunderte von Juden aus ihrer Ortschaft zu diesem Fest. Zwischen den Männern und Frauen in einer solchen Gruppe lag vielleicht ein gewisser Abstand und so dachte jeder Elternteil, das Kind sei beim anderen. 2,46 nach drei Tagen. Das bedeutet wahrscheinlich nicht, dass sie ihn drei Tage lang in Jerusalem suchten. Offenbar merkten sie am Ende des ersten Reisetages, dass er fehlte. Die Rückreise nach Jerusalem erforderte einen weiteren Reisetag und die Suche nach ihm kostete ihnen den Großteil eines dritten Tages. zuhörte und sie befragte. Er war völlig ehrerbietig und nahm die Rolle eines Schülers ein. Doch bereits in diesem jungen Alter legte er mit seinen Fragen eine Weisheit an den Tag, die die Lehrer beschämte. 2,48 warum hast du uns das getan? Marias Worte haben einen Unterton von Verärgerung und Tadel. Das ist für eine Mutter in einer solchen Situation völlig normal, doch in diesem Fall war es unangebracht. Weder hatte er sich vor ihnen versteckt noch sich ihrer Autorität widersetzt. Vielmehr hatte er genau das getan, was ein Kind unter solchen Umständen tun würde (wenn seine Eltern es stehen gelassen hat): Er ging zu einem sicheren, öffentlichen Platz in die Gegenwart vertrauenswürdiger Erwachsener, wo seine Eltern ihn voraussichtlich suchen würden (V. 49). dein Vater. D.h. Joseph, der sein rechtmäßiger Vater war. 2,49 was meines Vaters ist. Ein Gegensatz zu Marias Worten »dein Vater« in V. 48. Seine Antwort war in keiner Weise frech, sondern offenbart sein aufrichtiges Erstaunen darüber, dass sie nicht wussten, wo sie ihn suchen sollten. Das zeigt auch, dass er sich schon in diesem jungen Alter seiner Identität und seines Auftrags bewusst war. 2,51 untertan. Seine Beziehung zu seinem himmlischen Vater beeinträchtigte nicht seine Pfl icht gegenüber seinen irdischen Eltern. Das Befolgen des fünften Gebots gehörte wesentlich zu seinem vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Gesetz, das er zu unseren Gunsten erfüllte (Hebr 4,4; 5,8.9). Er musste aller Gerechtigkeit Genüge tun (s. Anm. zu Mt 3,15). 2,52 Jesus nahm zu. Als Jesus Mensch wurde, hörte er nicht auf, Gott zu sein und legte seine göttlichen Eigenschaften nicht ab. Vielmehr nahm er eine Menschennatur an (nicht anstatt, sondern zusätzlich zu seiner Gottheit) und unterstellte den Gebrauch seiner göttlichen Eigenschaften dem Willen des Vaters (Joh 5,19.30; 8,28; Phil 2,5-8). Deshalb war seine Allwissenheit manchmal offenkundig (Mt 9,4; Joh 2,24.25; 4,17.18; 11,11-14; 16,30) und andere Male war sie hinter seiner Menschennatur verborgen, weil es der Wille des Vaters war (Mk 13,32). Daher war Christus dem normalen menschlichen Wachstumsprozess unterworfen und wuchs physisch, mental, geistlich und gesellschaftlich. S. Anm. zu Mk 13,32. 3,1 im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius. Aufgrund der Art und Weise, wie Tiberius an die Macht kam, ist es schwierig, dieses Datum exakt zu bestimmen. Als der römische Senat Augustus zum Kaiser erklärte (s. Anm. zu 2,1), tat der Senat das unter der Bedingung, dass seine Macht mit seinem Tod endet und nicht auf einen Erben übergeht. Der Grundgedanke war dabei, dass nicht der Kaiser selbst, sondern der Senat den Thronfolger wählen sollte. Augustus umging diese Hürde jedoch: Er ernannte einen Mitregenten und plante, diesem die kaiserlichen Vollmachten nach und nach zu übertragen. Als der erste von ihm erwählte Nachfolger starb, entschied Augustus sich für seinen Schwiegersohn Tiberius, den er adoptierte und im Jahr 4 n. Chr. zu seinem Erben machte (Augustus konnte Tiberius nicht leiden, aber er hoffte, über ihn seine Macht auf seine Enkel übertragen zu können). Tiberius wurde 11 n.Chr. zum Mitregenten eingesetzt und wurde dann mit dem Tod des Augustus am 19. August 14 n.Chr. alleiniger Herrscher. Wenn Lukas seine Chronologie von der Einsetzung von Tiberius zum Mitregenten berechnet hat, dann wäre das 15. Jahr das Jahr 25 oder 26. Zählte Lukas aber vom Tod des Augustus, würde das entsprechende Datum zwischen den 19. Aug. 28 und dem 18. Aug. 29 liegen. Ein weiterer Umstand erschwert die genaue Datierung: Die Juden zählten die Regierungszeit eines Herrschers vom nächsten jüdischen Neujahrsfest nach der Thronbesteigung. Wenn Lukas also die jüdische Zählweise verwendete, würde sich ein noch etwas späteres Datum ergeben. Pontius Pilatus … Herodes … Philippus. S. Anm. zu Mt 2,22. Lysanias. Regent über das Gebiet nordwestlich von Damaskus. Die Geschichtsschreibung sagt praktisch nichts über ihn. 3,2 unter den Hohenpriestern Hannas und Kajaphas. S. Anm. zu Apg 4,6. Josephus zufolge war Hannas Hoherpriester von 615 n.Chr. Dann wurde er von den römischen Machthabern abgesetzt. Dennoch blieb er de facto an der Macht. Das ist daraus ersichtlich, dass fünf seiner eigenen Söhne sowie Kajaphas, sein Schwiegersohn, zu seinen Nachfolgern gehörten (s. Anm. zu Mt 26,3). Zur von Lukas beschriebenen Zeit war Kajaphas der eigentliche Hohepriester, aber Hannas beherrschte dieses Amt noch immer. Das ist klar ersichtlich aus der Tatsache, dass Christus nach seiner Gefangennahme zuerst zu Hannas gebracht wurde und dann zu Kajaphas (s. Anm. zu Mt 26,57). Wüste. S. Anm. zu Mt 3,1. 3,3 Taufe der Buße. S. Anm. zu Mt 3,6. zur Vergebung der Sünden. D.h. um die Vergebung, die auf die Buße hin bereits empfangen worden war, zu symbolisieren und zu bezeugen (s. Anm. zu Apg 2,38). 3,4 macht seine Pfade eben. Ein Zitat aus Jes 40,3-5 (s. Anm. dort). Wenn ein Monarch durch die Wüste reiste, zog ihm eine Arbeitertruppe voraus, die dafür sorgte, dass der Weg frei war von Buckeln und Schlaglöchern, die die Reise erschwert hätten. Im geistlichen Sinn rief Johannes das Volk Israel auf, ihre Herzen für die Ankunft ihres Messias zu bereiten. 3,6 alles Fleisch. D.h. Heiden wie Juden (s. Anm. zu 2,31). Alle vier Evangelien zitieren Jes 40,3 (Mt 3,3; Mk 1,3; Joh 1,23). Nur Lukas fügt V. 5.6 hinzu. Er verwendet einen bekannten Text aus Jesaja, um sein Thema hervorzuheben: die universale Gültigkeit des Evangeliums (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger). 3,7 kommenden Zorn. Möglicherweise ein Hinweis auf die bevorstehende Zerstörung Jerusalems. Der Ausdruckt weist aber über jede irdische Katastrophe hinaus auf die endzeitliche Ausgießung des Zornes Gottes am Tag des Herrn und insbesondere auf das letzte Gericht, wo der Zorn Gottes der gerechte Lohn aller Unbußfertigen sein wird (vgl. Röm 1,18; 1Th 1,10; Hebr 10,27). S. Anm. zu Mt 3,7. 3,8 Abraham … Kinder zu erwecken. Die wahren Kinder Abrahams sind nicht bloß leibliche Nachkommen, sondern diejenigen, die seinen Glauben nachahmen und dem Wort Gottes vertrauen wie er (Röm 4,11-16; 9,8; Gal 3,7). Wer auf seine leibliche Abstammung vertraut, setzt sein Vertrauen auf etwas anderes als Gott, und das geistlich fatal (vgl. Joh 8,39-44). Steinen. Vgl. 19,40. Die Bildersprache bezieht sich womöglich auf alttestamentliche Verse wie Hes 11,19; 36,26. Gott kann in seiner Souveränität ein Herz aus Stein in ein glaubendes Herz verwandeln. Wenn er will, kann er aus unbelebten Körpern Kinder Abrahams machen, so gut wie aus Heiden mit steinernen Herzen (vgl. Gal 3,29). 3,9 die Axt an die Wurzel. S. Anm. zu Mt 3,10. 3,11 zwei Hemden. Von diesen Kleidungsstücken konnte man nur eines gleichzeitig tragen. Johannes betonte immer noch das unmittelbare Bevorstehen des Gerichts. Jetzt war es unangebracht, einen Überfl uss an Gütern zu horten. 3,12 Zöllner. S. Anm. zu Mt 5,46. 3,14 Kriegsleute. Das waren zweifellos Angehörige der römischen Besatzungstruppen, die bei den Juden wegen ihrer Brutalität und ihres Heidentums verhasst waren. Vielleicht waren gerade diese Soldaten dazu abbestellt, die Zöllner bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen (V. 12). Dass solche Leute auf die Predigt reagierten, zeigt die große Wirkung des Täufers besonders auf Randsiedler des Gemeinwesens (vgl. Mt 21,31.32). Misshandelt niemand. Hier und in V. 13 fordert Johannes keinen klösterlichen Lebensstil oder mystische Askese, sondern Integrität und Charakter in den praktischen Dingen des Alltags. Vgl. Jak 1,27. 3,16 taufe. S. Anm. zu Mt 3,11. Schuhriemen. Das Lösen der Schuhriemen war die niedrigste Aufgabe eines Sklaven; es geschah vor dem Waschen der Füße (s. Anm. zu Joh 13,5). 3,17 Worfschaufel. S. Anm. zu Mt 3,12. 3,19 getadelt … wegen Herodias. S. Anm. zu Mt 14,3. 3,20 Johannes ins Gefängnis warf. Das geschah eigentlich wesentlich später, während des öffentlichen Wirkens des Herrn (Joh 3,2224; Mt 14,1-12). Doch Lukas ordnet seinen Stoff über Johannes den Täufer nicht chronologisch, sondern thematisch (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 3,21 getauft. S. Anm. zu Mt 3,15. (als er) betete. Nur Lukas erwähnt, dass Jesus betete. Gebet ist eines der Themen von Lukas (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). 3,22 Heilige Geist. S. Anm. zu Mt 3,16.17. In diesem Vers sind alle 3 Personen der Dreieinheit unterscheidbar. Das ist ein starker Beweis gegen die Irrlehre des Modalismus, der besagt, Gott sei nur eine einzige Person, die sich auf drei verschiedene Weisen (Modi) manifestiere, jedoch stets nur auf eine Weise gleichzeitig. in leiblicher Gestalt. D.h. materiell und für alle sichtbar (vgl. Mt 3,16; Joh 1,32). wie eine Taube. Ein Bild für Sanftmut (Mt 10,16). mein geliebter Sohn. S. Anm. zu Mt 3,17. 3,23-38 Lukas’ Stammbaum verläuft aufwärts von Jesus zu Adam; Matthäus hingegen geht abwärts von Abraham auf Joseph. Bei Lukas weicht der ganze Abschnitt von Joseph bis David stark von der Version des Matthäus ab. Die beiden Stammbäume sind leicht miteinander vereinbar, wenn wir in Lukas den Stammbaum Marias, in Matthäus hingegen den Stammbaum Josephs annehmen. Somit gehört Jesus über seinen rechtlichen Vater Joseph der königliche Abstammungslinie an; und über Maria ist er ein leiblicher Nachkomme Davids. Im Gegensatz zu Matthäus (s. Anm. zu Mt 1,3) enthält der Stammbaum des Lukas keine Frauen; sogar Maria selbst fehlt. Joseph war durch seine Heirat ein Sohn »des Eli« (Eli hatte keine eigenen Söhne) und wird hier in V. 23 als Repräsentant der Generation Marias angeführt. Mose selbst liefert in 4Mo 27,1-11 und 36,1-12 Beispiele für eine solche Ersetzung. Die Männer von Eli (V. 23) bis Resa (V. 27) kommen nirgends sonst in der Bibel vor. Serubbabel und Schealtiel (V. 27) sind hier die beiden einzigen Namen, die sich auch im Stammbaum des Matthäus zwischen David und Jesus fi nden. Für eine Erklärung s. Anm. zu Hag 2,23; Mt 1,12. 3,23 ungefähr 30 Jahre alt. Lukas bestimmte damit wahrscheinlich kein exaktes, sondern ein annäherndes Alter. Es war üblich, dass der Dienst eines Propheten (Hes 1,1), Priesters (4Mo 4,3.35.39.43.47) oder Königs (1Mo 41,46; 2Sam 5,4) mit dreißig anfi ng. wie man meinte. Die Tatsache der Jungfrauengeburt hat Lukas bereits erklärt (1,34.35); hier erklärte er noch einmal, dass Joseph nicht der eigentliche Vater Jesu war. 4,1 vom Geist in die Wüste geführt. S. Anm. zu Mt 4,1. 4,2 40 Tage vom Teufel versucht. Offenbar umfasste die Versuchung Christi die vollen 40 Tage seines Fastens (s. Anm. zu Mt 4,2). Sowohl Matthäus als auch Lukas geben einen zusammenfassenden Bericht von nur drei konkreten Versuchungen. Bei Lukas ist die Reihenfolge der letzten beiden Versuchungen anders als bei Matthäus. Gelegentlich ordnet Lukas seinen Stoff nicht in zeitlicher, sondern in logischer Reihenfolge (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). Möglicherweise wollte Lukas seine Beschreibung der Versuchungen Jesu am Tempel in Jerusalem beenden (vgl. V. 9). Das ist im Bericht des Lukas ein besonders wichtiger Ort (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). 4,3-13 S. Anm. zu Mt 4,3-10. 4,4 Jesus zitierte 5Mo 8,3. 4,8 Jesus zitierte 5Mo 6,13. 4,10.11 Satan zitierte Ps 91,11.12. 4,12 Jesus zitierte 5Mo 6,16. 4,13 eine Zeit lang. Satans Versuchungen Christi waren hier nicht zu Ende, sondern dauerten sein ganzes Wirken über fort (vgl. Hebr 4,15) und gipfelten im Garten Gethsemane (22,39-46). 4,14 kehrte … zurück nach Galiläa. Die synoptischen Evangelien schweigen weitgehend zu Jesu Wirken zwischen seiner Taufe und seiner Rückkehr nach Galiläa, doch Johannes beschreibt den Dienst Jesu in Jerusalem und Judäa (Joh 2,12-4,1) recht ausführlich. Aufgrund dieses vorherigen Wirkens verbreitete sich die Kunde von ihm schnell. 4,15 Synagogen. S. Anm. zu Mk 1,21. 4,16 kam nach Nazareth. In V. 23 (s. Anm. dort) schreibt Lukas, dass Christus bereits zuvor in Kapernaum gewirkt hatte. Doch Lukas stellt diese Episode absichtlich an den Anfang seines Berichts von Jesu öffentlichem Dienst. Das ist ein Beispiel dafür, dass Lukas die Begebenheiten eher logisch als zeitlich anordnet (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). nach seiner Gewohnheit. Nazareth war seine Heimatstadt; daher war er allen Synagogenbesuchern gut bekannt. 4,18 weil er mich gesalbt hat. D.h. der Heilige Geist selber war die Salbung (V. 1.14). 4,19 das angenehme Jahr des Herrn. Oder: »das Jahr der Gunst des Herrn«. Der von Jesus verlesene Abschnitt war Jes 61,1.2. Er hörte mitten in V. 2 auf zu lesen. Die zweite Hälfte des Verses prophezeit das Gericht am Tag der Rache Gottes. Da sich dieser Teil des Verses auf das zweite Kommen des Messias bezieht, las Jesus ihn nicht. 4,20 setzte sich. Für einen Lehrer war es üblich, dass er die Schrift aus Respekt im Stehen vorlas (V. 16) und demütig im Sitzen lehrte. S. Anm. zu Mt 5,1. 4,21 Heute ist diese Schrift erfüllt. Damit gab er sich eindeutig als der Messias aus, der diese Prophezeiung erfüllte. Sie verstanden genau, was er sagen wollte, doch konnten sie diesen hohen Anspruch nicht annehmen aus dem Munde eines Mannes, den sie so als den Sohn des Zimmermanns kannten (V. 22; vgl. Mt 13,55). 4,23 Kapernaum. Christus war für seine Wunderwerke, die er in Kapernaum getan hatte, anscheinend schon bekannt geworden. Die Bibel nennt nur wenige Einzelheiten aus dem ersten Jahr seines öffentlichen Wirkens. Den größten Teil unseres Wissens über diese Monate beziehen wir aus dem Johannesevangelium. Dort lesen wir aber, dass Christus während dieser Zeit hauptsächlich in Judäa wirkte. In Joh 2,12 ist jedoch ein kurzer Besuch Jesu in Kapernaum erwähnt, ohne dass weitere Details genannt werden. Joh 4,46-54 beschreibt, wie Jesus in Kana den Sohn eines königlichen Beamten heilte, der krank in Kapernaum lag. Außerdem wissen wir, dass Christus bereits einige seiner Jünger berufen hatte, die vom Nordufer des Sees Genezareth stammten (Joh 1,35-42; s. Anm. zu Mt 4,18). Möglicherweise hatte er diese Gegend während des ersten Jahres seines Dienstes mehrmals aufgesucht. Jedenfalls war er lange genug dort gewesen, um Wunder zu tun, und sein Ruf hatte sich in ganz Galiläa verbreitet (vgl. V. 14). 4,25-27 Sowohl die Witwe von Zarepta (1Kö 17,8-24) als auch Naeman, der Syrer (2Kö 5), waren Heiden. Beiden lebten zu Zeiten, da Israels Glaube darniederlag. Jesus vermerkt, wie Gott alle Witwen und Aussätzigen in Israel überging und seine Gnade stattdessen zwei Heiden erwies. Gottes Liebe zu Heiden und Verachteten ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durchs Lukasevangelium zieht (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). 4,28 voll Zorn. Hier erwähnt Lukas zum ersten Mal eine feindliche Reaktion auf das Wirken Jesu. Der Zorn der Nazarener wurde offensichtlich ausgelöst durch die Andeutung des Herrn, dass Gott seine Gnade womöglich den Juden vorenthalten und stattdessen den Heiden erweisen würde. 4,30 ging mitten durch sie hindurch. Wie der Herr entkam, war offenbar ein Wunder. Es war die erste von mehreren ähnlichen Begebenheiten, bei denen Jesus verhinderte, dass das Volk in ihn tötete, bevor seine Stunde gekommen war (vgl. Joh 7,30; 8,59; 10,39). 4,32 Vollmacht. S. Anm. zu Mt 7,29. 4,33 Dämons. S. Anm. zu Mt 8,16. 4,34 der Heilige Gottes. Die Dämonen erkannten Christus stets sofort (vgl. V. 41; 8,28; Mt 8,29; Mk 1,24; 3,11; 5,7) 4,38 Simons Schwiegermutter. Petrus war verheiratet (vgl. 1Kor 9
25,12 Offenbar bestand niemals eine Beziehung zwischen ihnen und dem Herrn, obgleich sie sich eingebildet hatten, den Hausherrn zu kennen (V. 26). Trotz ihres Protests wiederholte er seine Leugnung ausdrücklich in V. 27. 13,28 das Heulen und das Zähneknirschen. S. Anm. zu Mt 22,13. 13,29 sie werden kommen. Jesus nannte Menschen aus allen 4 Himmelsrichtungen und machte damit klar, dass auch Heiden zum himmlischen Gastmahl geladen seien. Das widersprach der rabbinischen Lehre, entsprach aber dem AT (Ps 107,3; Jes 66,18.19; Mal 1,11). S. Anm. zu 2,31; Mk 13,27. 13,30 Letzte … Erste … Erste … Letzte. S. Anm. zu Mt 20,16. In diesem Zusammenhang bildet diese Aussage einen Gegensatz zwischen Juden (die »Ersten«) und Heiden (die »Letzten«). S. Anm. zu 14,11. 13,31 reise ab von hier. Herodes Antipas regierte in Galiläa und Peräa (s. Anm. zu Mt 2,22). Christus war wahrscheinlich unterwegs nach Peräa oder wirkte dort bereits (s. Anm. zu V. 22). Die Pharisäer – die selber keine Freunde von Herodes waren – warnten Christus vielleicht deshalb, weil sie hofften, auf die Warnung vor Herodes würde ihm zum Schweigen bringen, oder er würde nach Judäa und damit unter die Jurisdiktion des Sanhedrins zurückkehren. 13,32 diesem Fuchs. Manche meinen, diese Ausdrucksweise sei schwer zu vereinbaren mit 2Mo 22,27; Pred 10,20 und Apg 23,5. Jene Verse beziehen sich jedoch auf die Sprache des Alltags. Propheten wurden als Sprachrohr Gottes oft dazu beauftragt, Führungspersonen öffentlich zu rügen (vgl. Jes 1,23; Hes 22,27; Hos 7,3-7; Zeph 3,3). Da Jesus mit göttlicher Vollmacht sprach, hatte er jedes Recht, Herodes so zu bezeichnen. In rabbinischen Schriften war der »Fuchs« häufi g eine Bezeichnung für jemanden, der hinterlistig und zugleich wertlos war. Die Pharisäer, die vor der Macht des Herodes zitterten, müssen über die Kühnheit. Jesu gestaunt haben. heute und morgen, und am dritten Tag. Dieser Ausdruck beschreibt keinen buchstäblichen 3-Tages-Plan, sondern bedeutet nur, dass Christus seinen göttlichen Zeitplan einhielt. Solche Ausdrücke sind in den semitischen Sprachen typisch; sie wollen meist nicht wörtlich verstanden werden. S. Anm. zu Mt 12,40. am Ziel. D.h. er wird sterben und sein Werk vollenden. Vgl. Hebr 2,10; Joh 17,4.5; 19,30. Herodes drohte ihm mit dem Tod, doch niemand konnte Christus vor der von Gott bestimmten Zeit töten (Joh 10,17.18). 13,33 es geht nicht an. Natürlich starben nicht alle Märtyrer in Jerusalem. Johannes der Täufer wurde wahrscheinlich in Tiberias im Palast des Herodes enthauptet. Es handelte sich wohl um eine Redensart, so wie das Sprichwort in 4,24 und Mt 13,57. Die Ironie ist unüberhörbar: Die meisten Propheten des AT wurden nicht von ausländischen Feinden umgebracht, sondern von Juden. Lukas führt diese Redensart an, um einmal mehr an sein Thema zu erinnern: Die Reise des Herrn nach Jerusalem und zum Kreuz (s. Anm. zu 9,51). 13,34 Jerusalem, Jerusalem. Das Bild von der Henne mit ihren Küken spricht von Gottes Fürsorge. Diese bewegenden Worte nehmen die Tränen des Herrn vorweg, die er über das unbußfertige Jerusalem weinte, als er vor seinem Tod zum letzten Mal vor ihren Toren stand (19,41). Zu diesen Gefühlsregungen des Herrn s. Anm. zu Mt 9,36. habe ich … wollen … und ihr habt nicht gewollt! Der Kummer des Herrn über das Ende Jerusalems widerspricht nicht die Tatsache, dass er souverän über allem Geschehen steht. Die Wahrheit von Gottes Souveränität sollte man auch nicht dazu missbrauchen, die Aufrichtigkeit seines Mitgefühls zu hinterfragen. S. Anm. zu Mt 23,37. 13,35 Der Herr tat diesen Ausruf zu einem früheren Zeitpunkt als der in Mt 23,37-39 mitgeteilte. Dort ist der Tempel der Ort des Geschehens, wo Christus während der letzten Tage vor der Kreuzigung wirkte. Der Wortlaut der beiden Klagen ist dennoch praktisch identisch. Hier in Lukas prophezeit Christus dieselbe Botschaft, die er später als ein Endgericht verkündet. Gepriesen sei. Ein Zitat aus Ps 118,26. 14,1 Sabbat. S. Anm. zu 13,10. Lukas berichtet häufi ger von Heilungen am Sabbat als alle anderen Evangelisten. Offenbar erwies Christus seine Barmherzigkeiten bevorzugt am Sabbat. beobachteten sie ihn. Der Pharisäer lud Christus nicht aus lauteren Motiven zum Essen ein. 14,2 wassersüchtiger. Eine Krankheit, bei der sich Flüssigkeit im Gewebe und in den Hohlräumen des Körpers ansammelt und die oft zu einem Nieren- oder Leberleiden oder auch zu Krebs führt. 14,3 Gesetzesgelehrten. D.h. Schriftgelehrte. S. Anm. zu 10,25. Ist es erlaubt. Jesus hatte wiederholte Male Heilungen am Sabbat verteidigt, und seine Argumente hatten die Widersacher stets zum Schweigen gebracht (vgl. 6,9.10; 13,14-17). Hier und in 6,9 fragte er die Schriftgelehrten im Voraus, ob es rechtmäßig ist, am Sabbat zu heilen. Und sie konnten immer noch keinen überzeugenden Grund angeben, warum Heilen gegen das Sabbatgebot verstoßen solle (vgl. V. 6). 14,5 sein Esel oder Ochse. Vgl. 13,15; Mt 12,11.12. Schon die natürliche Humanität (ganz zu schweigen von wirtschaftlichen Gründen) lehrte sie, Tieren am Sabbat zu helfen. Sollten für Menschen in Not etwa nicht dieselben Prinzipien gelten? 14,7 die ersten Plätze. D.h. die besten Sitzplätze am Tisch. Vgl. 11,43; Mt 23,6. 14,11 Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Jesus liebte solche Paradoxe (vgl. 9,24; 13,30 17,33; 18,14; Mt 23,11.12). Mit dieser Aussage verdeutlichte er, worauf er in V. 8-10 hinaus wollte (vgl. Spr 25,6.7. 14,12 lade nicht deine Freunde noch deine Brüder … ein. Das ist natürlich kein absolutes Verbot, Freunde oder Verwandte zum Essen einzuladen. In V. 26 verwendete Christus eine ähnliche Übertreibung. In semitischen Sprachen sind solche Ausdrücke üblich; sie geben der Aussage Nachdruck. Jesus sagt damit, dass es kein Ausdruck wahrer Nächstenliebe ist, wenn man die eigenen Freunde und Verwandten einlädt. Gleichzeitig tadelt er solche, die ihre Gastfreundschaft nur »reichen Nachbarn« erweisen und wissen, dass sich ihre Gäste verpfl ichtet fühlen, sich zu revanchieren. Vgl. 5Mo 14,28.29. 14,14 vergolten werden bei der Auferstehung. Mit einem Schatz im Himmel (vgl. 18,22). 14,15 wer das Brot isst im Reich Gottes. Der Mann vertrat wahrscheinlich die übliche Auffassung, dass nur Juden zum himmlischen Festmahl geladen seien (s. Anm. zu Mt 8,12). Christus antwortete mit einem Gleichnis über die Berufung von Heiden. 14,16 ein großes Mahl. Dieses Gleichnis entspricht zwar in vielerlei Hinsicht dem Gleichnis in Mt 22,2-14 und lehrt dieselbe Lektion, ist aber nicht dasselbe. Das Gleichnis in Mt 22 wurde in einer anderen Situation gelehrt und unterscheidet sich in einigen wichtigen Einzelheiten. lud viele dazu ein. Offenbar schlug niemand die Einladung aus. Der Gastgeber hatte jeden Grund zu erwarten, dass alle Geladenen tatsächlich kommen würden. 14,17 den Geladenen. Die Gäste einer Hochzeit (die eine ganze Woche dauern konnte) erhielten eine vorläufi ge Einladung mit einer ungefähren Zeitangabe. Wenn schließlich die vielen Vorbereitungen abgeschlossen waren, wurden die Eingeladenen informiert, dass das Fest nun beginnen könne. Die im Voraus eingeladenen Gäste repräsentieren das Volk Israel, denen im AT das Kommen des Messias angekündigt worden war, damit sie sich dafür bereit hielten. 14,18 entschuldigen. Alle Entschuldigungen riechen nach Unaufrichtigkeit. Man erwirbt kein Grundstück, ohne es sich vorher anzusehen. Und hatte man es schon gekauft, hatte man keine Eile, es zu inspizieren. Dazu hätte man auch nach dem Gastmahl noch Zeit gehabt. Genauso (V. 19) kauft man keine Ochsen, ohne sie zuvor auszuprobieren. Der frisch Vermählte (V. 20) brauchte keine Dienstaufträge anzunehmen und musste nicht in den Krieg zu ziehen (5Mo 24,5), hatte aber keinen berechtigten Grund, solche Anlässe auszuschlagen. 14,21 die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden. Solche Menschen wurden von den Pharisäern als unrein und unwürdig verachtet. Die religiösen Führer verurteilten Jesus für seine Kontakte zu Prostituierten und Zöllnern (vgl. 5,29.30; 15,1; Mt 9,10.11; 11,19; 21,31.32; Mk 2,15.16). 14,22 es ist aber noch Raum da! Gottes Bereitwilligkeit, Sünder zu retten, ist größer als die Bereitwilligkeit von Sündern, sich retten zu lassen. 14,23 an die Landstraßen und Zäune. Offensichtlich eine Beschreibung für heidnische Länder. nötige sie hereinzukommen. Nicht gewaltsam oder durch Zwang, sondern durch eindringliche Überredung. 14,24 keiner jener Männer, die eingeladen waren. D.h. derer, die abgesagt haben. Da Israel die Einladung ausschlug, wurde das Volk vom Festmahl ausgeschlossen. Der Urteilsspruch des Herrn besiegelte ihre eigene Entscheidung. Die meisten Juden wurden im Jahr 70 n.Chr. von den Römern umgebracht. S. Anm. zu Mt 22,7; 23,36; 24,2. 14,25 eine große Volksmenge. Jesus wollte nicht große Menschenmengen um sich scharen, sondern wahre Jünger machen (s. Anm. zu 13,23). Er passte seine Botschaft nie den Vorlieben der Mehrheit an, sondern nannte unmissverständlich die Kosten der Jüngerschaft. Hier stellt er gewichtige Bedingungen, die die Halbherzigen abhielten. 14,26 hasst. Die ähnliche Aussage in Mt 10,37 ist der Schlüssel, um diese schwierige Aufforderung zu verstehen. Das hier geforderte »hassen« bedeutet eigentlich weniger lieben. Der Herr forderte von seinen Jüngern eine Hingabe an ihn, die ihre Zuneigung zu allen anderen Dingen und Menschen – einschließlich ihres eigenen Lebens – wie Hass erscheinen lässt. S. 16,13; 1Mo 29,30.31 für einen ähnlichen Gebrauch des Wortes »hassen«. 14,27 sein Kreuz trägt. Freiwillig. Das entspricht dem Gedanken aus V. 26, sein eigenes Leben zu hassen. S. Anm. zu 9,23; Mt 10,38; vgl. Mk 8,34. 14,28 berechnet die Kosten. Die Volksmengen waren wohlwollend, aber unentschieden. Der Herr schraubte deswegen seine Forderung nicht herunter, sondern setzte die Kosten der Jüngerschaft vielmehr so hoch wie möglich an (V. 26.27.33). Damit ermutigte er sie zu einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, bevor sie sich bereit erklärten, ihm zu folgen. Vgl. 9,57-62. 14,33 allem entsagt. Nur wer bereitwillig die Kosten berechnet (V. 28-32) und alles, was er hat, ins Reich Gottes investiert, ist würdig, hineingelassen zu werden. Dabei geht es um viel mehr als nur Verzicht auf materielle Güter, nämlich um bedingungslose Lebensübergabe. Ein Jünger darf keine Sonderrechte beanspruchen und kann keine Bedingungen stellen. Sie dürfen an keiner Lieblingssünden festhalten, keinen irdischen Besitz ansammeln und keinen heimlichen Vorlieben frönen. Sie müssen sich ihm vorbehaltlos ausliefern. S. Anm. zu 9,23-26. 14,34 Das Salz ist gut. S. Anm. zu Mt 5,13; Mk 9,50. Dieses Bild verwendete Christus mindestens drei Mal. 15,1 Zöllner und Sünder. S. Anm. zu 14,21; Mt 5,46; 21,32. Trotz der schwierigen Bedingungen, die Jesus in seiner Botschaft nannte (14,25-35), wurden die von der Gesellschaft Verstoßenen zu ihm gezogen, während die religiösen Würdenträger mehr und mehr entschlossen waren, ihn umzubringen. Vgl. 1Kor 1,26-29. 15,2 murrten. wörtl. »murrten gründlich«. Jesus antwortete auf ihr Murren mit drei Gleichnissen, mit denen er die Freude Gottes über bußfertige Sünder beschreibt. Dieser nimmt Sünder an. Diese Aussage ist der Schlüssel für die folgende Trilogie von Gleichnissen. Christus schämte sich nicht, als »Freund von Zöllnern und Sündern« bekannt zu sein (7,34). 15,4 geht dem verlorenen nach. Die ersten beiden Gleichnisse beschreiben Gott, wie er die Initiative ergreift und dem Sünder nachgeht. Die Rabbinen lehrten, Gott nehme nur solche Sünder an, die ernsthaft genug nach Vergebung suchen, doch in diesem Gleichnis ist Gott derjenige, der den Sünder sucht (s. Anm. zu 19,10). Im Orient war der Hirte für jedes einzelne Schaf verantwortlich. Er war von seinem Herrn verpfl ichtet darauf zu achten, dass kein Schaf verloren ging, sich verletzte oder umkam (vgl. Mt 18,11-14). 15,5 nimmt er es auf seine Schulter. Das Bild eines liebevollen Hirten. Vgl. Joh 10,11; Ps 24,1. mit Freuden. Die Freude über das Wiederfi nden des Verlorenen ist das herausragendste Merkmal aller drei Gleichnisse (V. 7.10.32). 15,7 Freude sein im Himmel. Das bezieht sich auf Gottes eigene Freude. Auf der Erde wurde seitens der Pharisäer gemurrt (V. 2), aber Gott und die Engel waren voller Freude (V. 10). die keine Buße brauchen. Das sind solche, die sich selber für gerecht halten (vgl. 5,32; 16,15; 18,9). 15,8 Drachmen. Die Drachme war eine griechische Münze, die etwa dem Wert des römischen Denars entsprach (s. Anm. zu Mt 22,19). zündet … ein Licht an. Das typische Ein-Zimmer-Haus hatte keine Fenster. kehrt das Haus. Eine Veranschaulichung für die Gründlichkeit der Suche. 15,11.12 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist das bekannteste und beliebteste aller Gleichnisse Jesu und ist zugleich eines der längsten und detailliertesten. Im Gegensatz zu den anderen Gleichnissen vermittelt es mehrere Lektionen. Der verlorene Sohn ist ein Beispiel für echte Buße. Der ältere Bruder verdeutlicht die Verdorbenheit der Pharisäer in ihrer Selbstgerechtigkeit, Voreingenommenheit und Gleichgültigkeit gegenüber bußfertigen Sündern, und der Vater repräsentiert Gott, der schnell zur Vergebung bereit ist und die Umkehr des Sünders ersehnt. Das Hauptmerkmal ist jedoch, wie in den beiden vorigen Gleichnissen, die Freude Gottes und des Himmels über die Buße eines Sünders. 15,12 Gib mir, Vater, den Teil des Vermögens, der mir zufällt! Eine herzlose Bitte, mit der der Sohn dem Vater sagte, er wünschte, er wäre schon tot. Er hatte keinen Anspruch auf sein Erbe, solange der Vater noch lebte. Doch der Vater kam der Bitte großzügig nach und händigte dem Sohn sein Erbe vollständig aus. Da dem älteren Bruder als Erstgeborenem ein doppelter Erbteil zustand (5Mo 21,17), betrug das Erbe für den jüngeren Sohn ein Drittel des gesamten Vermögens des Vaters. Das ist ein Bild für alle Sünder, die durch die Schöpfung Gott zum Vater haben, aber ihre Möglichkeiten und Vorrechte vergeuden, jede Beziehung zu Gott verweigern und sich stattdessen für ein Leben sündiger Selbstverwirklichung entscheiden. 15,13 packte … alles zusammen. Der jüngere Sohn setzte das Erbe offenbar in liquide Mittel um, verließ seinen Vater und zog von dannen, um ein Leben der Sünde zu führen. ausschweifendem Leben. Es war nicht nur verschwenderisch, sondern auch unmoralisch (V. 30). Das gr. Wort für »ausschweifend« bedeutet »zügellos«. 15,15 die Schweine zu hüten. Für die jüdischen Zuhörer war das die schlimmste Schande, die man sich vorstellen konnte, denn Schweine galten als die unreinsten der unreinen Tiere. 15,16 begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten. Schoten vom Johannisbrotbaum, mit denen Schweine gefüttert wurden. Für Menschen waren sie praktisch unverdaulich. Anders ausgedrückt: Er ernährte sich nur deshalb nicht vom Schweinefutter, weil er es nicht konnte. niemand gab sie ihm. Oder »niemand gab ihm etwas«. Er konnte sich nicht einmal durch Betteln ernähren. Seine Situation hätte nicht verzweifelter sein können. Damit symbolisiert er den von Gott getrennten, hilfl osen und verzweifelten Sünder. 15,17 Er kam aber zu sich selbst. D.h. er kam zu Sinnen. Als sein sündiges Leben ihn ganz bankrott gemacht und an den Rand des Abgrundes gebracht hatte, kam er zur Einsicht. In diesem Zustand war er ein Kandidat für die Errettung (s. Anm. zu Mt 5,3-6). 15,18 Ich will … zu ihm sagen. Er dachte gründlich darüber nach, was er sagen sollte und überschlug die Kosten seiner Umkehr (V. 19). gesündigt gegen den Himmel. Eine Umschreibung dafür, dass er gegen Gott gesündigt hatte. Er erkannte nicht nur die Hoffnungslosigkeit seiner Situation, sondern verstand auch die Schwere seines Vergehens gegenüber dem Vater. 15,20 sah ihn sein Vater. Der Vater hatte offenbar auf seinen Sohn gewartet und nach seiner Rückkehr Ausschau gehalten. er lief. Mit aller Deutlichkeit zeigt der Vater seine Freude über die Rückkehr seines Sohnes. Das ist eine der großartigen Eigenschaften Gottes, die ihn von allen falschen, von Menschen erfundenen Göttern unterscheiden. Er ist weder gleichgültig noch feindlich gesinnt, sondern in seinem Wesen ein Retter, der wünscht, dass Sünder zur Buße kommen und der sich freut, wenn sie tatsächlich umkehren. S. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10. Von 1Mo 3,8 bis Offb 22,17, vom Sündenfall bis zur Vollendung, war und ist Gott bemüht, Sünder zu retten und freut sich jedes Mal, wenn ein Sünder Buße tut und sich zu ihm bekehrt. 15,21 Der Sohn hatte seine sich zurechtgelegten Worte der Buße noch nicht zu Ende geredet, als der Vater ihn unterbrach und seine Vergebung zusprach. Das veranschaulicht, wie gerne Gott vergibt. 15,22 der Vater sprach. Ohne ein einziges Wort des Tadels für die Vergangenheit zeigt der Vater seine ganze Liebe zu seinem Sohn und seine Freude darüber, dass nun gefunden ist, was verloren war. Alle Geschenke des Vaters verdeutlichen einen besonderen Aspekt der Wiederannahme seines Sohnes: Festgewand. Es war dem Ehrengast vorbehalten. Ring. Ein Symbol der Autorität. Schuhe. Sklaven trugen üblicherweise keine Schuhe; so zeigte der Vater, dass er den einst Verlorenen vorbehaltlos wieder als Sohn angenommen hatte.. 15,23 das gemästete Kalb. Das war nur für ganz besondere Anlässe vorgesehen, für ein Opfer oder ein großes Freudenfest. Alle Einzelheiten aus V. 22.23 symbolisieren den reichen Segen der Errettung (vgl. Eph 1,3; 2,4-7). 15,25 älterer Sohn. Er symbolisiert den Pharisäer, den heuchlerischreligiösen Menschen, der am Wohnort des Vaters bleibt (im Tempel), aber kein Sündenbewusstsein, keine Liebe zum Vater (sonst hätte er sich mit ihm gefreut) und kein Interesse an der Umkehr von Sündern hat. 15,28 Da wurde er zornig. Das entspricht dem Murren der Schriftgelehrten und Pharisäer (V. 2). 15,29 habe nie dein Gebot übertreten. Das ist unwahrscheinlich angesichts der offenen Geringschätzung des Sohnes gegenüber seinen Vater (die er dadurch zeigt, dass er sich nicht mit dem Vater freuen will). Diese Aussage offenbart das offenkundige Problem aller religiösen Heuchler. Sie erkennen ihre Sündigkeit nicht und wollen nicht Buße tun (s. Anm. zu Mt 9,12.13; 19,16-20). Die Bemerkung des älteren Sohnes riecht nach demselben Geist wie die Worte der Pharisäer in 18,11. mir hast du nie einen Bock gegeben. Antrieb zu all den Jahren des Dienstes im Vaterhaus war offensichtlich nur die Erwartung, etwas zu bekommen. Das selbstgerechte Gebaren des älteren Sohnes war gesellschaftlich eher akzeptiert als die Zügellosigkeit seines Bruders; dabei entehrt es den Vater gleichermaßen und verlangt ebenfalls Buße. 15,30 dieser dein Sohn. Ein Ausdruck tiefer Missgunst (vgl. »dieser Zöllner« in 18,11). Er konnte sich nicht überwinden, ihn »meinen Bruder« zu nennen. 15,31 alles, was mein ist, das ist dein. Das Erbe war bereits ausgeteilt worden (V. 12). Alles, was der Vater hatte, war bereits buchstäblich in den Besitz des älteren Sohnes übergegangen. Doch der ältere Sohn war sogar neidisch auf die Liebe, die der Vaters dem verlorenen Sohn erwies. Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten leichten Zugang zu allen Reichtümern der Wahrheit Gottes. Sie verbrachten ihr Leben mit den heiligen Schriften und dem öffentlichen Gottesdienst, aber in Wirklichkeit hatten sie sich nie einen der Schätze angeeignet, deren sich der bußfertige Sünder erfreuen kann. 15,32 Du solltest aber fröhlich sein und dich freuen. Eine Zusammenfassung der Aussage aller drei Gleichnisse. dein Bruder. S. Anm. zu V. 30. 16,1 Haushalter. Ein Haushalter oder Verwalter war ein vertrauenswürdiger Diener, der meistens in der Familie geboren war und der über die Verwaltung und Verteilung der Güter des Haushalts verfügte. Er sorgte für die das Essen der anderen Diener und verwaltete die Mittel seines Herrn zum Wohlergehen der anderen. Er handelte als Vertreter seines Herrn und hatte Vollmachten zu Geschäften in dessen Namen. seine Güter verschleudere. Mit dem Motto der Verschwendung knüpft dieses Gleichnis an das vorangegangene an. Wie der verlorene Sohn aus Kap. 15 machte sich dieser Verwalter schuldig, indem er die ihm verfügbaren Mittel vergeudete. Im Gegensatz zum verlorenen Sohn war er jedoch so klug, dafür zu sorgen, dass er wegen seiner Verschwendung künftig nicht verlassen und mittellos dastünde. 16,2 du kannst künftig nicht mehr Haushalter sein. Es war unklug vom Hausherrn, dem Diener anzukündigen, dass er ihn entlassen werde, denn das brachte ihm noch weitere Verluste ein. Offenbar dachte er, der Diener sei kein Betrüger, sondern einfach inkompetent. Das wäre eine Erklärung für seine Reaktion in V. 8. 16,3 Graben kann ich nicht. D.h. er hielt sich für körperliche Arbeit für nicht geeignet. 16,4 Ich weiß, was ich tun will. Er gewährte den Schuldnern seines Herrn beträchtliche Nachlässe, woraufhin diese bereitwillig die verbleibenden Beträge zahlten. in ihre Häuser aufnehmen. Da er ihre Schulden bei seinem Herrn verringerte, schuldeten sie ihm eine Gegenleistung und waren verpfl ichtet, ihn in ihre Häuser aufzunehmen, wenn er aus dem Haus seines Herrn geworfen würde. 16,6 schnell. Das war geheime Aktion ohne Genehmigung des Herrn. Als Komplize machte der Schuldner sich am Betrug des Verwalters mitschuldig. 16,8 der Herr lobte den ungerechten Haushalter. Obwohl er übers Ohr gehauen worden war, lobte er die Schlauheit des Verwalters. Seine Bewunderung für die kriminelle Raffi nesse des bösen Verwalters zeigt, dass auch er ein böser Mensch war. Das gefallene Herz des Sünders bewundert die Schlauheit des Bösewichts (Ps 49,20). Es fällt auf, dass alle Charaktere in diesem Gleichnis ungerecht, skrupellos und bestechlich sind. klüger. D.h. die meisten Ungläubigen sind in ihrer weltlichen Lebensweise klüger als manche Gläubige (»Kinder des Lichts«, vgl. Joh 12,36; Eph 5,18) in Bezug auf die Dinge Gottes. 16,9 ungerechten Mammon. D.h. Geld. Der ungerechte Verwalter benutzte das Geld seines Herrn, um sich irdische Freunde zu erwerben; Gläubigen solle das Geld ihres himmlischen Herrn so verwenden, dass sie Freunde für die Ewigkeit gewinnen – indem sie in das Evangelium investieren, um Sündern zum Heil verhelfen. Wenn sie im Himmel eintreffen (»die ewigen Hütten«), werden diese einstigen Sünder sie dort freudig empfangen. Christus rechtfertigte nicht die Unehrlichkeit des Mannes, sondern bezeichnete ihn treffend als »ungerecht« (V. 8). Er verwendete ihn lediglich als Illustration, um zu verdeutlichen, dass sogar die gottlosesten Kinder dieser Welt klug genug sind, um für Tage der Not vorzusorgen. Gläubige sollten noch viel klüger sein, denn sie verwalten nicht nur irdische, sondern ewige Güter. Vgl. 12,33; Mt 6,19-21. 16,10 Wer im Geringsten treu ist. Wahrscheinlich ein bekanntes Sprichwort. Vgl. 19,17; Mt 25,21. 16,11 das Wahre. Treues Verwenden der irdischen Güter wird oft mit dem Sammeln von himmlischen Schätzen verknüpft (vgl. 12,33; 18,22; Mt 16,19-21). 16,12 fremden Gut. Das bezieht sich auf Gott und auf die Verwaltung seines Geldes durch die Gläubigen, denen es anvertraut ist. 16,13 Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon! Viele Pharisäer lehrten, man könne ganz gut dem Gewinn und Gott ergeben sein (V. 14). Das ging Hand in Hand mit der verbreiteten Auffassung, irdischer Reichtum sei ein Zeichen für Gottes Segen. Daher wurden Reiche als von Gott Begünstigte angesehen (s. Anm. zu Mt 19,24). Christus hat zwar Reichtum nicht an sich verdammt, aber er verurteilte sowohl Liebe zum Reichtum als auch Hingabe an den Mammon. Zu Geldliebe s. Anm. zu 1Tim 6,9.10.17-19. 16,15 sich selbst rechtfertigen. Die Pharisäer glaubten, ihre eigene Gütigkeit würde sie rechtfertigen (vgl. Röm 10,3). Genau das ist die Defi nition von »Selbstgerechtigkeit«. Doch Jesus erklärte, dass ihre Gerechtigkeit unecht und nur äußerer Schein war. Um vor Menschen gerecht zu erscheinen, mag sie ausgereicht haben, aber nicht vor Gott, denn er kannte ihre Herzen. Immer wieder rügte Christus ihre Gewohnheit, die Bestätigung durch Menschen zu suchen (vgl. Mt 6,2.5.16; 23,28). 16,16 bis auf Johannes. Das Wirken Johannes des Täufers bezeichnete den Wendepunkt der Heilsgeschichte. Bis dahin waren die großen Wahrheiten über Christus und sein Reich in den Vorbildern und Schatten des Gesetzes verborgen und in den Schriften der Propheten verheißen (vgl. 1Pt 1,10-12). Doch Johannes der Täufer stellte den König selbst vor (s. Anm. zu Mt 11,11). Die Pharisäer, die sich für Experten im Gesetz und in den Propheten hielten, verkannten die Bedeutung des Einen, auf den das Gesetz und die Propheten hinwiesen. jedermann drängt sich mit Gewalt hinein. Vgl. Jer 29,13. Während die Pharisäer Christus eifrig bekämpften, gingen Sünder scharenweise in sein Reich ein. Dieser Ausdruck lässt an Gewaltanwendung denken. Gemeint ist wahrscheinlich der Eifer, mit dem Sünder von ganzem Herzen danach strebten, ins Reich zu gelangen (s. Anm. zu 13,24; Jes 55,6.7; Mt 11,12). 16,17 als dass ein einziges Strichlein des Gesetzes falle. Damit niemand meinte, mit der Aussage aus V. 16 hebe er das Gesetz und die Propheten auf, fügte er diese Anmerkung hinzu (s. Anm. zu Mt 5,18). Die großen moralischen Prinzipien des Gesetzes, die ewigen Wahrheiten in den Vorbildern und Symbolen des Gesetzes und die Verheißungen der Propheten bleiben allesamt in Kraft und werden durch die Botschaft vom Reich nicht annulliert. 16,18 bricht die Ehe. D.h. wenn die Scheidung keinen rechtmäßigen Grund hatte. Lukas gibt Jesu Lehre über Scheidung verkürzt wieder und betont dabei nur das Wesentliche. Der vollständigere Bericht bei Matthäus macht klar, dass Jesus Scheidung erlaubte, wenn der Ehepartner Ehebruchs begangen hatte. S. Anm. zu Mt 5,31.32; 19,3-9. Das widersprach der rabbinischen Lehre, die Männern erlaubte, sich von ihren Frauen aus fast jedem Grund scheiden zu lassen (Mt 19,3). 16,20 Lazarus. Eindeutig nicht der Lazarus in Joh 11 (der zu einem späteren Zeitpunkt starb). Dieser Bettler ist die einzige Person in den Gleichnissen Jesu, die er namentlich bezeichnet. Deshalb hat man vermutet, dass es sich hier nicht um ein Gleichnis, sondern um einen Tatsachenbericht handelt. Wie dem auch sei, verwendet Christus diese Geschichte wie alle anderen Gleichnisse, um eine Lektion zu vermitteln, diesmal an die Adresse der Pharisäer. Der Reiche in diesem Gleichnis wird in der theologischen Literatur manchmal Dives genannt (lat. »der Reiche«). 16,21 Die Brocken, die vom Tisch fi elen, die Geschwüren und die Hunde die Rede war machen diesen Armen in den Augen der Pharisäer besonders abstoßend. Für sie bewiesen alle diese Dinge die Missgunst Gottes. Einen derartigen Menschen hätten sie nicht nur als unrein, sondern als von Gott verworfen taxiert. 16,22 Abrahams Schoß. Derselbe Begriff (der in der Bibel nur hier vorkommt) wird im Talmud für den Himmel verwendet. Der Grundgedanke ist, dass Lazarus einen Ehrenplatz direkt neben Vater Abraham bekam. 16,23 im Totenreich. Die Vorstellung, dass ein Reicher vom Himmel ausgeschlossen wird, muss für die Pharisäer unerhört gewesen sein (s. Anm. zu Mt 19,24). Besonders provozierend war der Gedanke, dass ein Bettler, der die Abfälle vom Tisch des Reichen gegessen hatte, den Ehrenplatz neben Abraham bekam. Das gr. Wort für »Totenreich«, den Aufenthaltsort der Verstorbenen, ist hades. In der LXX ist dieses Wort die Übersetzung des hebr. Begriffs Scheol, der den Wohnort der Toten allgemein bezeichnete, ohne dabei speziell zwischen gerechten und ungerechten Seelen zu unterscheiden. Im NT bezieht sich der »Hades« jedoch stets auf den Aufbewahrungsort der Verlorenen vor dem endgültigen Gericht in der Hölle. Das Bild, das Jesus hier verwendete, passte zur verbreiteten, aber falschen rabbinischen Vorstellung, dass der Scheol zwei Teile hatte, nämlich einen für die Seelen der Gerechten und den anderen für die Seelen der Gottlosen, der vom anderen Teil durch eine unüberwindbare Kluft getrennt war. Es gibt jedoch keinen Grund zur manchmal geäußerten Annahme, »Abrahams Schoß« bezeichne ein zeitweiliges Gefängnis für die Seelen der Gerechten des AT, die erst dann in den Himmel geführt wurden, nachdem ihre Sünden durch das Werk am Kreuz tatsächlich gesühnt worden waren. Die Schrift lehrt durchweg, dass die Geister der verstorbenen Gerechten sofort in die Gegenwart Gottes eingehen (vgl. 23,43; 2Kor 5,8; Phil 1,23). Und das Erscheinen von Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung (9,30) widerspricht der Vorstellung, dass sie in einem Teilbereich des Scheols gefangen waren, bis Christus sein Werk vollendet hatte. 16,24 ich leide Pein. Christus beschrieb den Hades als einen Ort, wo die unaussprechlichen Qualen der Hölle bereits begonnen haben. Zu diesen Leiden gehören ein unauslöschliches Feuer (s. Anm. zu Mt 25,46), ein anklagendes Gewissen, das gespeist wird von unauslöschlichen Erinnerungen an verpasste Gelegenheiten (V. 25) und eine bleibende, unumkehrbare Trennung von Gott und von allem Guten (V. 26). 16,27 in das Haus meines Vaters sendest. Der Reiche hatte sogar in der Hölle noch eine herablassende Haltung gegenüber Lazarus und forderte Abraham immer wieder auf, ihn zu »senden«, um ihm zu dienen (vgl. V. 24). Die Flammen der Hölle können Sünden nicht sühnen und Sünder nicht von ihrer Verdorbenheit reinigen (vgl. Offb 22,11). 16,29 Sie haben Mose und die Propheten. D.h. das AT. 16,31 so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen. Ein schlagender Beweis, dass die Bibel völlig hinreichend ist, um Unglauben zu überwinden. Das Evangelium selbst ist die Kraft Gottes zur Errettung (Röm 1,16). Da Unglaube im Kern kein verstandesmäßiges, sondern ein moralisches Problem ist, kann keine noch so große Sammlung faktischer Beweise den Unglauben in Glauben verwandeln. Doch das offenbarte Wort Gottes hat in sich die Kraft, Glauben zu bewirken (vgl. Joh 6,63; Hebr 4,12; Jak 1,18; 1Pt 1,23). 17,1 Anstöße. Wörtl. »Fallen«. S. Anm. zu Mt 18,7. 17,2 ein großer Mühlstein. Wörtl. »der Mühlstein eines Esels«. S. Anm. zu Mt 18,6. Kleinen. Gläubige, Gottes Kinder unter seiner Fürsorge. S. Anm. zu Mt 18,5. 17,3 weise ihn zurecht. Der Christ hat die Pfl icht, einen Bruder oder eine Schwester, die sündigt, darauf aufmerksam zu machen. S. Anm. zu Mt 18,15. 17,4 siebenmal am Tag. D.h. gleichgültig wie oft er sündigt und Buße tut. S. Anm. zu Mt 18,21.22. Die Zahl sieben war nicht als Grenze gedacht (vgl. Ps 119,164). Ganz im Gegenteil: Christus sagte damit, dass Vergebung unbegrenzt gewährt werden soll (vgl. Eph 4,32; Kol 3,13). 17,5 Mehre uns den Glauben. Wörtl. »gib uns mehr Glauben«. Angesichts des hohen Maßstabs, den Jesus für sie aufstellte, fühlten sie sich unzulänglich. 17,6 Glauben … wie ein Senfkorn. S. Anm. zu Mt 17,20. 17,7-10 Die Lektion dieses Gleichnisses besagt, dass ein Diener keinen besonderen Lohn zu erwarten hatte, wenn er seine bloße Pfl icht erfüllte. Die Forderungen, die Christus in V. 1–4 aufstellte, erschienen den Jüngern vielleicht unerreichbar, doch waren sie das bloße Minimum für einen Diener Christi. Wer gehorcht, sollte nicht meinen, sein Gehorsam verdiene außerordentlichen Lohn. 17,10 unnütze Knechte. D.h. keiner besonderen Ehre würdig. 17,11 als er nach Jerusalem reiste … durch das Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa. Lukas nennt keinen Grund für diesen Umweg, doch ein Vergleich der Evangelien gibt Aufschluss. Offenbar liegt zwischen V. 10 und 11 ein längerer Zeitraum. Die Auferweckung des Lazarus bei Bethanien in der Nähe von Jerusalem (Joh 11) fällt wahrscheinlich in diese Zeit. Joh 11,54 besagt, dass Christus nach der Auferweckung des Lazarus in »eine Stadt namens Ephraim« ging, die sich nördlich von Jerusalem nahe der Grenze zu Samarien befand, um den Autoritäten zu entgehen, die ihn umbringen wollten. Von dort aus reiste er offenbar nochmals durch Samarien und Galiläa nach Norden, vielleicht um in Galiläa Freunde und Familienangehörige zu treffen, die zum Passah nach Jerusalem pilgern wollten. Von dort wäre er dann auf der üblichen Route südwärts über Jericho (18,35) nach Jerusalem gereist S. Anm. zu 9,51; 13,22. 17,12 aussätzige. Diese Männer waren zeremoniell unrein und somit gezwungen, außerhalb der Ortschaft zu leben (3Mo 13,46; 4Mo 5,2.3). Das Gesetz verlangte, dass sie sich auf Distanz hielten, und daher mussten sie laut rufen, um sich mit ihm zu verständigen. Zu einer Beschreibung von Aussatz s. Anm. zu 3Mo 13,2. 17,13 erbarme dich über uns. Vgl. 16,24; 18,38.39; Mt 9,27; 15,22; 17,15; 20,31; Mk 10,47.48. Das war die übliche Bitte solcher, die sich nach Heilung sehnten. 17,14 zeigt euch den Priestern. Um als rein erklärt zu werden (3Mo 13,2.3; 14,2-32). während sie hingingen. Die Heilung geschah spontan und war sofort sichtbar, vollzog sich jedoch erst, nachdem sie seinem Befehl gehorcht hatten. 17,15 Einer aber von ihnen kehrte wieder um. Seine Reaktion erinnert an das Verhalten von Naeman (2Kö 5,15). Die anderen, die möglichst schnell rein erklärt werden wollten, um ins normale gesellschaftliche Leben zurückzukehren, gingen offenbar direkt zum Priester weiter und dachten nicht daran, dem Herrn zu danken. 17,16 das war ein Samariter. Da Jesus die Aussätzigen zum Priester schickte, waren sie vermutlich Juden. Weil alle zeremoniell unrein waren, war es diesem Samariter erlaubt, sich ihnen anzuschließen, doch als sie geheilt waren, teilten sie seine Dankbarkeit nicht. 17,18 dieser Fremdling. In den Augen des Herrn waren Samariter weder besser noch schlechter als andere Heiden. S. Anm. zu Joh 4,4. 17,19 hat dich gerettet. Oder »geheilt«. Vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34. 17,20 wann das Reich Gottes komme. Vielleicht war diese Frage spöttisch gemeint, da sie bereits überzeugt waren, er sei nicht der Messias. kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Die Pharisäer glaubten, der Triumph des Messias würde unmittelbar sein. Sie erwarteten, dass er bei seiner Ankunft Rom besiegen und das Reich aufrichten werde. Doch das Programm des Herrn war ein ganz anderes. Er leitete einen Zeitabschnitt ein, in dem das Reich Gottes zunächst nur in den Herzen der Menschen aufgerichtet ist, und zwar durch den Glauben an den Erretter (V. 21; vgl. Röm 14,17). Dieses Reich beschränkt sich weder auf eine spezielle geographische Region noch ist es sinnlich wahrnehmbar. Es sollte still, unsichtbar und ohne den üblichen Glanz und Prunk kommen, der sonst die Ankunft eines Königs begleitet. Jesus sagte nicht, dass damit die alttestamentlichen Verheißungen des irdischen Reiches aufgehoben seien. Das irdische Reich Gottes wird in der Zukunft noch offenbar werden (Offb 20,1-6). 17,21 mitten unter euch. D.h. in den Herzen der Gläubigen. Die Anrede kann sich schwerlich auf die Pharisäer allgemein beziehen. 17,22 Es werden Tage kommen. Die Einleitung eines kurzen Abschnitts, der einige Parallelen zur Ölbergrede von Mt 24.25 hat. da ihr begehren werdet, einen einzigen der Tage des Menschensohnes zu sehen. D.h. seine leibhaftige Gegenwart herbeiwünschen. Das spricht von der Sehnsucht nach seiner Wiederkunft, bei der er alle Dinge wiederherstellen wird (vgl. Offb 6,9-11; 22,20). 17,23.24 S. Anm. zu Mt 24,26.27. 17,25 muss er viel leiden. Weil es der souveräne Plan Gottes war, dass er als Stellvertreter für Sünder sterben sollte. Vgl. 9,22; 18,31-33; 24,25.26; Mt 16,21; Mk 8,31. 17,26.27 S. Anm. zu Mt 24,37.38. 17,28 in den Tagen Lots. D.h. das Gericht brach plötzlich herein und riss die Menschen mitten aus ihren täglichen Geschäften (1Mo 19,24.25). Nichts von dem, was Jesus als typisch für die Zeit Noahs oder Lots anführt, ist an sich sündig. Doch die Menschen waren von den Dingen dieses Lebens derart in Beschlag genommen, dass sie nicht bereit waren, als das Gericht kam. 17,31 auf dem Dach. Das typische Haus hatte ein Flachdach, auf das man über Außentreppe gelangte. Die Gefahr wird so groß sein, dass keine Zeit mehr ist, ins Haus herabzusteigen um seine Sachen zu holen, sondern sofort fl iehen muss. 17,32 Lots Frau kam auf der Schwelle der Errettung um. Sie hing so sehr an ihrem Sodom, dass sie stehen blieb und zurückschaute. So wurde sie vom Gericht überwältigt, bevor sie die Zufl uchtsstätte erreicht hatte (1Mo 19,26). 17,33 S. Anm. zu 14,11. 17,34-36 S. Anm. zu Mt 24,40.41. 17,37 S. Anm. zu Mt 24,28. 18,1 allezeit zu beten. Ein häufi ges Thema in den Paulusbriefen (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger). Vgl. Röm 1,9; 12,12; Eph 6,18; 1Th 5,17; 2Th 1,11. nicht nachlässig zu werden. D.h. angesichts der Drangsale und Nöte des Lebens und der Anzeichen für das herannahende Gericht (das in der vorausgegangenen Rede beschrieben wurde). 18,2 der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute. Dieser Mann war ganz gottlos. Christus beschrieb ihn als »ungerecht« (V. 6), genau wie der Verwalter in 16,8. Der Richter soll hier nicht Gott repräsentieren; er bildet vielmehr einen Gegensatz zu ihm. Wenn sogar ein Ungerechter auf beharrliche Bitten eingeht, wird dann Gott, der gerecht und zugleich liebevoll und barmherzig ist, nicht umso bereitwilliger Gebete erhören? 18,5 mich plagt. Wörtl. »mich unter das Auge schlägt«. Was der Richter nicht aus Mitgefühl für die Witwe oder aus Achtung vor Gott tun wollte, das tat er, weil er ihr unaufhörliches Bitten leid war. 18,6 Hört, was der ungerechte Richter sagt! D.h. hört auf die Pointe der Geschichte, nämlich dass Gott, der stets gerecht handelt und voller Mitgefühl für notleidende Gläubige ist, die Seinen gewisslich erhören wird, wenn sie ihn um Hilfe anrufen (V. 7). 18,8 schnell. Vielleicht zögert er die Erhörung hinaus, aber das hat stets seinen guten Grund (vgl. 2Pt 3,8.9), und wenn er handelt, schafft er den Seinen schleunig ihr Recht. wird er auch den Glauben fi nden. Man muss vermuten, dass bei seiner Wiederkunft wahrer Glaube nur selten anzutreffen sein wird. Ganz ähnlich war es zur Zeit Noahs (17,26), als nur acht Seelen errettet wurden. Die Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkunft wird geprägt sein von Verfolgung, Abfall und Unglauben (Mt 24,9-13.24). 18,9 Dieses Gleichnis ist reich an Wahrheiten über die Lehre der Rechtfertigung aus Glauben. Es veranschaulicht vollkommen, wie ein Sünder, der keine eigene Gerechtigkeit vorweisen kann, vor Gott sofort als gerecht erklärt werden kann, wenn er bußfertigen Glauben hat. Das Gleichnis richtet sich an Pharisäer, die auf ihre eigene Gerechtigkeit vertrauten (V. 10.11). Wer auf eigene innewohnende Gerechtigkeit setzt, kann nur auf Verdammnis hoffen (vgl. Röm 10,3; Phil 3,9), denn keine menschliche Gerechtigkeit – nicht einmal die Gerechtigkeit der strengsten Pharisäer – kann dem Maßstab Gottes genügen (Mt 5,48). Die Bibel lehrt einheitlich, dass der Sünder nur dann gerechtfertigt wird, wenn ihm Gottes vollkommene Gerechtigkeit zugerechnet wird (vgl. 1Mo 15,6; Röm 4,4.5; 2Kor 5,21; Phil 3,4-9). Allein auf dieser Grundlage konnte der Zöllner errettet werden (und das gilt für jeden Sünder). 18,12 faste zweimal in der Woche. Damit fastete er mehr, als die Bibel irgendwo forderte (s. Anm. zu 5,33). Als der Pharisäer seine eigenen Werke hervorkehrte, bewies es, dass er seine ganze Hoffnung darauf setzte, dass er nicht so böse war wie die anderen. Ihm fehlte jeder Sinn für seine eigene Unwürdigkeit und Sünde. Vgl. V. 18-21; Mt 19,17-20. S. Anm. zu 17,7-10. 18,13 Die Demut des Zöllners ist an seiner ganzen Haltung und an seinem Tun zu erkennen. Der Mann hatte gelernt, die furchtbare Wirklichkeit seiner eigenen Sünde zu sehen. Das demütigte ihn und trieb ihn in die Buße. Er ist Punkt für Punkt das Gegenteil des Pharisäers. O Gott, sei mir Sünder gnädig! Seine einzige Hoffnung war die Gnade Gottes. Das ist das Ziel, das das Gesetz anstrebt; dorthin will es jeden Sünder führen (vgl. Röm 3,19.20; 7,13; Gal 3,22-24). 18,14 gerechtfertigt. d.h. vor Gott als gerecht erklärt vermöge einer zugerechneten Gerechtigkeit (s. Anm. zu V. 9). 18,17 wie ein Kind. S. Anm. zu Mt 18,3. 18,18-30 S. Anm. zu Mt 19,16-29; Mk 10,17-30. 18,20 Ein Zitat aus 2Mo 20,12-16; 5Mo 5,16-20. 18,31 alles … was durch die Propheten über den Sohn des Menschen geschrieben ist. Z.B. Ps 22; 69; Jes 53; Dan 9,26; Sach 13,7. 18,32 den Heiden ausgeliefert. Mit jeder Ankündigung seines Todes (vgl. 9,22.44; 12,50; 13,32.33; 17,25) wurde Christus deutlicher. Hier erwähnt er zum ersten Mal, dass er an die Heiden ausgeliefert werden würde. 18,33 wird er wieder auferstehen. Christus hatte bereits vorausgesagt, dass er am dritten Tag auferstehen würde (9,22). Doch die Jünger begriffen es nicht, und als er tatsächlich auferstanden war, waren sie überrascht (24,6). 18,34 sie verstanden nichts. Die Zwölf erfassten die ganze Wahrheit von Christi Tod und Auferstehung nicht. Grund dafür war vielleicht, dass sie ihre geliebten Vorstellungen über den Messias und seine Herrschaft auf der Erde nicht aufgeben wollten (vgl. Mt 16,22; 17,10; Apg 1,6). 18,35 Jericho. S. Anm. zu Mk 10,46. Blinder. Eigentlich waren dort zwei Blinde. Der eine sprach wahrscheinlich für beide. S. Anm. zu Mt 20,30. 18,38 Sohn Davids. Damit bestätigte er, dass er Jesus als Messias und König anerkannte. S. Anm. zu Mt 9,27. 18,42 hat dich gerettet. Oder »hat dich geheilt« (vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34). 19,2 Oberzöllner. S. Anm. zu Mt 5,46. Zachäus überwachte wahrscheinlich einen großen Zollbezirk und ließ andere Zöllner für ihn arbeiten. Jericho war ein fl orierendes Handelszentrum und daher war Zachäus mit Sicherheit ein wohlhabender Mann. Es fällt auf, dass Lukas nur ein Kapitel zuvor die Begebenheit mit dem reichen Jüngling beschrieb und dort die Aussage des Herrn festhielt: »Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes hineinkommen« (18,24). Hier zeigt Jesus, dass bei Gott nichts unmöglich ist (vgl. 18,27). 19,3 Volksmenge. Christus reiste wahrscheinlich mit einer großen Pilgergruppe zum Passahfest nach Jerusalem. Bei dieser Volksmenge handelte es sich wahrscheinlich um Menschen aus Jericho, die die Straßen säumten, um ihn vorbeigehen zu sehen. Zweifellos hatten sie von der kürzlich geschehenen Auferweckung von Lazarus in Bethanien gehört, das weniger als 25 km entfernt lag (Joh 11). Diese Tatsache sowie sein Ruf als Heiler und Lehrer brachte die ganze Stadt in Bewegung, als bekannt wurde, dass er im Anzug sei. 19,4 Maulbeerbaum. Oder Sykomore. Ein kräftiger Baum mit niedrigen, ausladenden Ästen. Ein kleinwüchsiger Mensch konnte auf einen Ast klettern und so über der Straße liegen. Für jemanden vom Rang des Zachäus’ war das eine unwürdige Haltung, aber er wollte Christus unbedingt sehen. 19,5 muss ich in deinem Haus einkehren. Das war keine Bitte, sondern ein Befehl und das einzige Mal in den Evangelien, dass Jesus sich selbst als Gast bei jemanden einlud (vgl. Jes 65,1). 19,6 mit Freuden. Es hätte einem Sünder und Zöllner (s. Anm. zu Mt 5,46) auch peinlich sein können, dass der vollkommene und sündlose Sohn Gottes bei ihm einkehren wollte. Doch das Herz des Zachäus war vorbereitet. 19,7 murrten sie alle. Sowohl die religiöse Elite als auch das Volk hassten Zachäus. Sie konnten nicht verstehen, welche möglicherweise berechtigte Absicht Jesus hätte haben können, diesen notorischen Sünder zu besuchen. In ihrem blinden Stolz hätten sie es auch nicht verstehen wollen. Jesus war gekommen, das Verlorene zu suchen und zu retten (V. 10). S. Anm. zu 15,2. 19,8 gebe ich es vierfältig zurück. Die Bereitschaft zur Wiedergutmachung bewies, dass die Bekehrung des Zachäus echt war. Das war nicht etwa die Bedingung, sondern die Frucht seiner Errettung. Wenn man auf unlautere Weise zu Geld gekommen war, verlangte das Gesetz, dass man das unrecht Erworbene und einen Fünftel dazu erstattete (3Mo 5,24; 4Mo 5,6.7). Somit tat Zachäus mehr als erforderlich. Einen vierfachen Ersatz forderte das Gesetz nur dann, wenn ein Tier gestohlen oder getötet worden war (2Mo 21,37). Wurde das Tier lebendig wieder gefunden, war nur eine doppelte Erstattung nötig (2Mo 22,3). Doch Zachäus verurteilte sein eigenes Verbrechen mit besonderer Härte und erkannte damit an, dass er so schuldig war wie der übelste Räuber. Da er wahrscheinlich einen Großteil seines Vermögens durch Betrug erlangt hatte, nahm er damit eine kostspielige Verpfl ichtung auf sich. Obendrein verschenkte er noch die Hälfte seiner Güter an die Armen. Doch Zachäus hatte gerade unermessliche geistliche Schätze entdeckt und machte sich nichts aus dem Verlust materieller Reichtümer (s. Anm. zu 14,28; Mt 13,44-46). Er bildet damit einen krassen Gegensatz zum reichen Jüngling aus 18,18-24. 19,9 ein Sohn Abrahams. Ein geborener Jude, für den Christus als Retter kam (vgl. Mt 1,21; 10,6; 15,24; Joh 4,22). 19,10 der Sohn des Menschen. S. Anm. zu Mt 8,20. um zu suchen und zu retten, was verloren ist. Das Hauptthema des Lukasevangeliums. Vgl. 5,31.32; 15,4-7.32; s. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10. 19,11 sie meinten. Die Jünger nahmen immer noch irrtümlicherweise an, Christus würde bald sein irdisches Reich in Jerusalem aufrichten (s. Anm. zu 17,20). 19,12 ein fernes Land. Könige in römischen Provinzen wie Galiläa und Peräa reisten tatsächlich nach Rom, um ihr Königreich in Empfang zu nehmen. Die gesamte herodianische Dynastie war in ihrer Herrschermacht von Rom abhängig und Herodes der Große selbst war nach Rom gereist und hatte dort sein Reich erhalten. Dieses Gleichnis zeigt, wie Christus kurze Zeit später wegging, um sein Reich zu empfangen, und dass er eines Tages zurückkehren wird, um zu herrschen. Es ähnelt dem Gleichnis der anvertrauten Talente (Mt 25,14-30), doch gibt es einige bedeutende Unterschiede (s. Anm. zu V. 13). Das Gleichnis in Mt gehört zur Ölbergrede (s. Anm. zu Mt 24,1-25,46); das Gleichnis hier erzählte Jesus auf dem Weg von Jericho hinauf nach Jerusalem (vgl. V. 28). 19,13 Pfunde. Gr. mina, eine gr. Geldeinheit (s. Anm. zu 15,8), die etwas mehr betrug als drei Monatslöhne. Ein Pfund war ein Sechzigstel eines Talents, was bedeutet, dass den 10 Knechten in diesem Gleichnis eine bedeutend kleinere Geldsumme anvertraut wurde als den drei Knechten im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30). 19,14 schickten ihm eine Gesandtschaft nach. Genau das war mit Archelaus geschehen (s. Anm. zu Mt 2,22), dem Sohn Herodes des Großen, als er nach Rom ging, um sich zum Tetrarchen von Judäa ernennen zu lassen. Eine Delegation von Juden reiste mit einer Protest hinter ihm her nach Rom zum Kaiser Augustus (s. Anm. zu 2,1). Doch dieser lehnte ihren Einspruch ab und machte Archelaus trotzdem zum König. Daraufhin errichtete Archelaus seinen Palast in Jericho, nicht weit von der Stelle, wo Jesus dieses Gleichnis lehrte. Archelaus war so unfähig und despotisch, dass Rom ihn kurzerhand absetzte und durch eine Reihe von Prokuratoren ersetzte, von denen Pontius Pilatus der fünfte war. Mit diesem Gleichnis kündigte Jesus an, dass die Juden im Begriff waren, dasselbe im geistlichen Sinne mit ihrem Messias zu tun. 19,15-27 S. Anm. zu Mt 25,14-30. 19,15 als er wiederkam. Ein Bild für Christi Wiederkunft auf die Erde. Erst dann wird sein Reich auf dieser Erde vollständig offenbar werden. S. Anm. zu 17,20. 19,17 im Geringsten treu. S. Anm. zu V. 13. Wer relativ geringe Gaben und Möglichkeiten hat, ist genauso verantwortlich, sie treu einzusetzen, wie solche, die viel mehr bekommen haben. über zehn Städte. Diese große Belohnung steht in keinem Verhältnis zu den zehn anvertrauten Pfunden. Außerdem fällt auf, dass der Lohn entsprechend dem Fleiß des Dieners ausfi el: Der Knecht, der zehn Pfunde gewonnen hatte, erhielt zehn Städte, der fünf Pfunde erwirtschaftet hatte, fünf Städte (V. 19) usw. 19,21 ich fürchtete dich. Eine Angst, die nicht aus Liebe oder Achtung erwuchs, sondern aus Geringschätzung für den Meister (s. Anm. zu Mt 25,24). Hätte er seinen Meister wirklich geachtet, dann hätte eine rechte Furcht nicht Faulheit, sondern vielmehr Fleiß bewirkt. 19,22 Wusstest du. S. Anm. zu Mt 25,26. Das bedeutet nicht, dass das »Wissen« des Knechtes der Wahrheit entsprach. Doch sein behauptetes Wissen reichte aus, um ihn zu verurteilen. So wird es den Gottlosen am Tag des Gerichts ergehen. 19,26 S. Anm. zu Mt 25,29. 19,27 jene meine Feinde. Diese repräsentieren die Juden, die aktiven Widerstand gegen Christus leisteten. erschlagt sie vor mir. Das spricht von unerbittlichem, gewaltsamen Gericht und kann sich auf die Zerstörung Jerusalems beziehen (s. Anm. zu Mt 24,2). 19,28 hinauf nach Jerusalem. Der Weg von Jericho nach Jerusalem war ein steiler Aufstieg mit 1.200 m Höhenunterschied auf etwa 32 km Länge. Hier beginnt die letzte Etappe der langen Reise, die in 9,51 begonnen hatte (s. Anm. dort). 19,29 Bethphage. S. Anm. zu Mt 21,1. Bethanien. Hier hielt Jesus sich oft während seiner Besuche in Jerusalem auf. S. Anm. zu 10,38. Berg, welcher Ölberg heißt. Der Hauptgipfel eines Höhenzugs, der östlich des Kidrontals, gegenüber dem Tempel, nord-südwärts verlief. Der Name stammt von den dichten Olivenhainen, die einst den Berg bedeckten. S. Anm. zu Mt 24,3. 19,30-36 S. Anm. zu Mt 21,1-8; Mk 11,1-8. 19,30 ein Füllen. Die anderen Evangelien sprechen von einem Eselsfüllen (vgl. Sach 9,9) und Mt berichtet, dass auch das Muttertier mitgeführt wurde (s. Anm. zu Mt 21,6). auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. S. Anm. zu Mk 11,2. 19,36 breiteten sie ihre Kleider aus. S. Anm. zu Mt 21,8; Mk 11,8. Lukas übergeht die abgeschnittenen Palmzweige, die Matthäus und Markus erwähnen. 19,37 die ganze Menge der Jünger. Zweifellos waren viele Menschen in dieser Menge keine wahren Jünger. Wundertaten. Aus Joh 12,17.18 erfahren wir, dass insbesondere die Nachricht von der Auferweckung des Lazarus viele bewegt hatte, zu kommen, um Jesus zu sehen. 19,38 Gepriesen sei der König. Mit diesem Zitat aus Ps 118,26 feierten sie Jesus als den Messias. S. Anm. zu Mt 21,9. Friede im Himmel. Nur Lukas erwähnt dieses Wort, das an die Botschaft der Engel in 2,14 erinnert. 19,39 weise deine Jünger zurecht. Die Pharisäer stießen sich daran, dass die Leute Jesus in dieser Weise priesen. Sie forderten ihn auf, er solle ihnen Einhalt gebieten. 19,40 dann würden die Steine schreien. Damit bezeugte er eindeutig seine Gottheit. Vielleicht bezieht sich diese Aussage auf Hab 2,11. Die Bibel spricht oft von unbelebten Dingen der Natur, die Gott preisen. Vgl. Ps 96,11; 98,7-9; 114,7; Jes 55,12. Vgl. auch die Worte von Johannes dem Täufer in Mt 3,9 und die Erfüllung von Jesu Aussage in Mt 27,51. 19,41.42 Nur Lukas berichtet, dass Jesus über Jerusalem weinte. Mindestens zwei weitere Male war Christus über Jerusalem betrübt (13,34; Mt 23,37). Die Tränen scheinen nicht zum triumphalen Einzug zu passen, doch sie beweisen, dass Jesus wusste, wie oberfl ächlich die Herzen berührt waren. Daher war er trotz allem bekümmert, während er in die Stadt einritt. Die gleiche Volksmenge sollte kurz darauf schreiend seine Kreuzigung verlangen (23,21). 19,43 dich ringsum einschließen und … bedrängen. Vgl. 21,20. Das ist exakt die Methode, die Titus verwendete, als er Jerusalem im Jahr 70 n.Chr. belagerte. Er umzingelte die Stadt am 9. April und riegelte sie von der Außenwelt ab. So hielt er Tausende von Juden gefangen, die zum Passah und zum Fest der ungesäuerten Brote kurz davor nach Jerusalem gekommen waren. Die Römer zogen einen geschlossenen Wall um die Stadt und hungerten die Bewohner allmählich aus. So hielten die Römer die Stadt den Sommer über belagert und eroberten sie Stück um Stück. Anfang September fi el die Stadt. 19,44 dem Erdboden gleich machen. Das wurde buchstäblich erfüllt. Die Römer zerstörten die Stadt vollständig, einschließlich des Tempels, der Wohnhäuser und der Menschen. Männer, Frauen und Kinder wurden zu Zehntausenden niedergemetzelt. Die wenigen Überlebenden wurden gefangen weggeführt und fi elen den Spielen im römischen Circus Maximus und den Gladiatorenkämpfen zum Opfer. weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. Das bedeutet, dass Jerusalems völlige Zerstörung Gottes Gericht dafür war, dass sie ihren Messias nicht erkannt und angenommen hatten, als er zu ihnen kam (vgl. 20,13-16; Joh 1,10.11). 19,45.46 Hier vertrieb Jesus zum zweiten Mal die Händler aus dem Tempel; es ist ein anderes Ereignis als das aus Joh 2,14-16. Er zitiert Jes 56,7. S. Anm. zu Mt 21,12. 19,47 obersten Priester. S. Anm. zu Mt 2,4. Sie beherrschten den Tempel. Schriftgelehrten. Meistens Pharisäer, Experten in Gesetz und Überlieferung. Vornehmsten des Volkes. Prominente jüdische Laien, die im Tempel Einfl uss hatten. Als Jesus in den Tempel ging und dort wirkte, drang er ins Zentrum der gegen ihn gerichteten Opposition ein. trachten danach, ihn umzubringen. Vgl. 22,2; Mt 26,3.4; Joh 5,1618; 7,1.19.25. 20,1 an einem jener Tage. Wahrscheinlich der Dienstag der Leidenswoche. Der triumphale Einzug war am Sonntag und die Tempelreinigung am Montag. Die Ereignisse in diesem Kapitel passen in der Chronologie der Leidenswoche am besten auf den Dienstag. Dieses Kapitel beschreibt eine Reihe sorgfältig geplanter Angriffe aus Jesus durch die führenden Juden. die obersten Priester und die Schriftgelehrten samt den Ältesten. S. Anm. zu 19,47. Jede dieser Gruppen spielte eine besondere Rolle bei den verschiedenen nun folgenden Angriffen. Auch war jede Gruppe im Sanhedrin vertreten, dem jüdischen Hohen Rat (s. Anm. zu Mt 26,59). Das lässt vermuten, dass der Hohe Rat sich bereits versammelt und beschlossen hatte, gegen Jesus vorzugehen. Die Juden griffen ihn mit einer Reihe gezielter Fragen an, um ihn in eine Falle zu locken (s. Anm. zu V. 2.22.33). 20,2-8 S. Anm. zu Mt 21,23.25. 20,2 Das war die erste einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Die Frage wurde von den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten gestellt, die offensichtlich Repräsentanten des Sanhedrins waren. S. Anm. zu V. 22.33. 20,5 Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Johannes hatte unmissverständlich bezeugt, dass Jesus der Messias war. War Johannes ein Prophet und waren seine Aussagen somit wahr, hätten sie sein Zeugnis über Christus glauben sollen. Andererseits wäre es für die Pharisäer politisch töricht gewesen, die Rechtmäßigkeit von Johannes dem Täufer anzugreifen oder seine Autorität als Prophet Gottes in Abrede zu stellen. Johannes war beim Volk ungeheuer beliebt und zudem ein Märtyrer, den der verhasste Herodes umgebracht hatte. Hätten die Pharisäer die Vollmacht des Johannes in Frage gestellt, hätten sie einen Volkshelden angegriffen. Davor wussten sie sich zu hüten und redeten sich deshalb damit heraus, dass sie es nicht wüssten (V. 6). 20,8 So sage ich euch auch nicht. Jesus deckte die Heuchelei ihrer Frage auf und demaskierte ihre bösen Motive. Er vergeudete an ihnen keine Wahrheit (vgl. Mt 7,6). 20,9-19 S. Anm. zu Mt 21,33-45; Mk 12,1-12. 20,9 dem Volk. Nur Lukas erwähnt, dass dieses Gleichnis nicht allein an die führenden Juden, sondern an das ganze Volk gerichtet war. 20,13 meinen Sohn senden, den geliebten. Sowohl Lukas als auch Markus erwähnen diesen Ausdruck, der verdeutlicht, dass der Sohn in diesem Gleichnis Christus repräsentiert (s. Anm. zu Mt 21,37). 20,16 diese Weingärtner umbringen. Das beschreibt wahrscheinlich die Zerstörung Jerusalems (s. Anm. zu 19,43). den Weinberg anderen geben. S. Anm. zu 21,24. Das sei ferne! Nur Lukas berichtet von dieser ablehnenden Reaktion der Zuhörer. Die Reaktion zeigt, dass sie die Bedeutung des Gleichnisses verstanden. 20,17 Ein Zitat aus Ps 118,22. 20,18 Jeder, der auf diesen Stein fällt … auf wen er aber fällt. S. Anm. zu Mt 21,44. Der Ausdruck war ein Zitat aus Jes 8,13-15. In diesen alttestamentlichen Versen ist Jahwe der Stein. Wie so viele andere Stellen im AT, die sich auf Christus beziehen, beweist auch diese, dass Christus der fl eischgewordene Jahwe ist. 20,20 Aufpasser. Oder »Spione«. Dass die führenden Juden zu solchen Mitteln griffen, verdeutlicht ihre Verzweifl ung. Sie konnten keinen einzigen berechtigten Anklagepunkt gegen ihn fi nden (vgl. 6,7; 11,53.54; Mt 22,15; 26,59.60). des Statthalters. Pilatus, der wegen des bevorstehenden Passahs und Festes der Ungesäuerten Brote in Jerusalem war (s. Anm. zu Mt 27,2). 20,21-26 S. Anm. zu Mt 22,16-22; Mk 12,13-17. 20,22 Das war die zweite einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Pharisäern und Herodianern gestellt (Mk 12,13). S. Anm. zu V. 2.33. 20,24 Wessen Bild. Das Bildnis auf dem Denar war ein Hauptgrund, weshalb die Juden die Kopfsteuer verabscheuten. Sie behaupteten, es sei ein Verstoß gegen das Gebot, sich keine Bilder zu machen, und da der Kaiser eine Stellung beanspruchte, die einer Gottheit gleichkam, war das Steuerzahlen eine unrechtmäßige Verehrung. Vielen galt es als Götzendienst. S. Anm. zu Mt 22,19; Mk 12,16. 20,25 gebt doch dem Kaiser. Christus erkannte damit an, dass alle Bürger neben ihren Pfl ichten gegenüber Gott auch Pfl ichten gegenüber dem Staat haben – und er bestätigte, dass es rechtens ist, zwischen diesen beiden Bereichen zu unterscheiden (s. Anm. zu Mt 22,21; Mk 12,17). 20,27-38 S. Anm. zu Mt 22,23-32; Mk 12,18-27. 20,27 Sadduzäer. S. Anm. zu Mt 3,7. 20,28 soll dessen Bruder die Frau nehmen. Das entsprach dem Gesetz der Leviratsehe aus 5Mo 25,5 (s. Anm. zu Mt 22,24). 20,33 Das war die dritte einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Sadduzäern gestellt (V. 27). S. Anm. zu V. 2.22. Mt 22,34-40 und Mk 12,28-34 berichten von einer letzten Frage von einem Schriftgelehrten. Lukas lässt sie in seinem Bericht aus. 20,36 den Engeln gleich. D.h. wie die Engel pfl anzen sie sich nicht fort (s. Anm. zu Mt 22,30). 20,37 bei [der Stelle von] dem Dornbusch. 2Mo 3,1-4,17. In dieser alttestamentlichen Stelle gab Gott sich Mose zu erkennen als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wobei er die Gegenwartsform verwendete. Er sagte nicht, dass er ihr Gott war, sondern sagte »ICH BIN« ihr Gott, was zeigt, dass ihre Existenz nicht mit ihrem Tod aufgehört hatte. 20,38 ihn leben alle. Nur Lukas überliefert diesen Ausdruck. Alle Menschen – ob sie nun von ihrem irdischen Körper getrennt sind oder nicht – leben immer noch und werden ewig leben. Niemand wird beim Tod vernichtet (vgl. Joh 5,28-30). 20,39 Meister, du hast gut geantwortet! Christus hatte ein schlagkräftiges Argument für die Auferstehung der Toten geliefert. In diesem Punkt waren die Pharisäer mit ihm einig und widersprachen den Sadduzäern. Dieser Schriftgelehrte war trotz seines Hasses auf Christus über seine Antwort beglückt. 20,40 sie getrauten sich nicht mehr, ihn etwas zu fragen. Je mehr Fragen er beantwortete, desto deutlich wurde es, dass seine Weisheit und Autorität denen der Schriftgelehrten und Pharisäer weit überlegen war. Vgl. Mt 22,46; Mk 12,34. 20,41-44 Nachdem die führenden Juden es aufgegeben hatten, ihm Fragen zu stellen, drehte Christus den Spieß um und stellte ihnen eine Frage. S. Anm. zu Mt 22,42-45; Mk 12,35-37. 20,42 Ein Zitat aus Ps 110,1. 20,45-47 S. Anm. zu Mk 12,38-40. 21,1 Opferkasten. Im Vorhof der Frauen standen 13 Kästen mit trichterförmigen Öffnungen. An jedem Kasten sagte eine Aufschrift etwas über die jeweilige Verwendung des Geldes und dementsprechend wurden Opfergaben gegeben. 21,2 arme Witwe. Der gr. Begriff bezeichnet eine extreme Armut. Diese Frau war ganz verarmt und so wäre es für sie naheliegender gewesen, um Almosen zu bitten, als Almosen zu gegeben. Scherfl ein. Die kleinste Kupfermünze, die in Palästina in Gebrauch war und einen Wert von etwa einem Viertelpfennig hatte. Doch das war der ganze Lebensunterhalt dieser Frau (V. 4). S. Anm. zu Mk 12,42. 21,3 hat mehr eingelegt. D.h. verhältnismäßig mehr, gemessen an ihren Mitteln, und daher auch mehr in den Augen Gottes. 21,4 von ihrem Überfl uss. Was diese Leute gaben, war für sie kein Opfer. 21,5 schönen Steinen. S. Anm. zu Mt 24,1; Mk 13,1. Weihegeschenken. Reiche hatten Goldskulpturen, goldene Plaketten und andere Schätze für den Tempel gespendet. Herodes hatte einen etwa 1,8 m hohen goldenen Weinstock mit Trauben aus goldenen Beeren gestiftet. Die Weihegeschenke waren an den Mauern und im Säulengang angebracht. Zusammen ergaben sie einen Schatz von unvorstellbarem Wert, der von den Römern geplündert wurde, als sie den Tempel zerstörten (V. 6). 21,6-17 S. Anm. zu Mt 24,2-10; Mk 13,2-11. 21,8 Lauft ihnen nun nicht nach! Vgl. 17,23. S. Anm. zu Mt 24,26. 21,9 das Ende. S. Anm. zu Mt 24,6.14. 21,11 Zeichen vom Himmel. Die Parallelstellen in Mt 24,7 und Mk 13,8 enthalten diesen Ausdruck nicht. Vgl. V. 25. S. Anm. zu Mk 13,25. 21,13 Gelegenheit zum Zeugnis. Prüfungen sind stets Gelegenheiten (Jak 1,2-4), und Verfolgung bietet oft eine Möglichkeit zum vermehrten Zeugnis. 21,14 eure Verteidigung nicht vorher überlegen. S. Anm. zu 12,11. 21,18 kein Haar. Vgl. V. 16. Das ist keine Verheißung der Bewahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit, sondern eine Garantie, dass sie keine Verluste für die Ewigkeit erleiden werden. Gott ist souverän und wird die Seinen daher selber bewahren. S. Anm. zu Joh 10,28.29. 21,19 Die wahre Bedeutung dieses Verses scheint zu sein: »Durch Ausharren erlangt ihr die Errettung«, was sich auf die endgültige Errettung bezieht, nämlich die Verherrlichung. S. Anm. zu Mt 24,13. 21,20 Jerusalem von Kriegsheeren belagert. S. Anm. zu 19,43. Ein Vergleich mit Mt 24,15.16 und Mk 13,14 legt nahe, dass dieses Zeichen eng verbunden ist mit »dem Gräuel der Verwüstung« (s. Anm. zu Mt 24,15; Dan 9,27; 11,31). Eine Vorerfüllung dieses Zeichens von Jerusalem unter Belagerung geschah im Jahr 70 n.Chr., doch die eigentliche Erfüllung steht noch bevor. 21,21 auf die Berge. S. Anm. zu Mt 24,16; Mk 13,14. 21,22 Rache. Gottes gerechte Vergeltung für Sünde. 21,23 den Schwangeren und den Stillenden. S. Anm. zu Mk 13,17. 21,24 die Zeiten der Heiden. Die Ausdruck (auch: »die Zeit der Nationen«) kommt nur in Lk vor und bezeichnet die Zeitspanne von Israels Wegführung nach Babylon (ca. 586 v.Chr.; vgl. 2Kö 25) bis zur Wiederherstellung Israels im Tausendjährigen Reich (Offb 20,1-6). In dieser Zeitspanne wird Jerusalem nach dem Ratschluss Gottes von Heiden beherrscht, bedroht oder zertreten. Sie ist außerdem gekennzeichnet von reichen geistlichen Vorrechten für die heidnischen Nationen (vgl. Jes 66,12; Mal 1,11; Mt 24,14; Mk 13,10). 21,25 es werden Zeichen geschehen. Die hier beschriebenen himmlischen Zeichen und Wunder geschehen unmittelbar vor der Wiederkunft Christi. S. Anm. zu Mt 24,29. 21,27 kommen. Ein Zitat aus Dan 7,13. S. Anm. zu Mt 24,30.31; Mk 13,26.27. Vgl. 2Th 1,7-10; Offb 19,11-16. 21,28 erhebt eure Häupter. Die furchtbaren Drangsale und Zeichen, die die Endzeit kennzeichnen, führen beim wahren Gläubigen zu einer gesteigerten Erwartung sowie zu großer Freude und letztendlichem Triumph. Erlösung. Die zukünftige Vollendung der Erlösung, wenn die Erlösten für immer mit Christus vereint sein werden. 21,29-33 S. Anm. zu Mt 24,32-36; Mk 13,29-32. 21,34 jener Tag. Der Tag seiner Wiederkunft. S. Anm. zu Mt
24,37 in den Tagen Noahs. Der Herr will hier nicht so sehr die Gottlosigkeit der Zeit Noahs hervorheben (1Mo 6,5), sondern viel mehr die vergänglichen Dinge, die die Menschen damals in Beschlag nahmen (»Essen und Trinken, Heiraten und Verheiraten«, V. 38), als plötzlich das Gericht über sie hereinbrach. Sie waren durch Noahs Predigt gewarnt worden (2Pt 2,5) sowie durch die Arche selbst, die ein Zeugnis für das bevorstehende Gericht war. Doch machten sie sich über solche Dinge keine Gedanken und wurden daher unerwartet aus ihrem alltäglichen Treiben herausgerissen und dem Gericht Gottes übergeben. 24,37 Wenn Christus von seiner Wiederkunft spricht, mahnt er stets zu Wachsamkeit (vgl. 12,37-40; Mt 25,13; Mk 13,33-37). 21,36 wachet jederzeit und bittet. S. Anm. zu 18,1. dass ihr gewürdigt werdet. Ältere Handschriften lesen: »dass ihr Kraft haben möget«. 21,37 tagsüber. D.h. während der Tage dieser letzten Woche in Jerusalem.
22,1 das man Passah nennt. S. Anm. zu Mt 26,17. Das Passahfest dauerte nur einen Tag; darauf folgte das Fest der Ungesäuerten Brote (3Mo 23,5.6). Die gesamte Festzeit konnte mit einem dieser beiden Namen bezeichnet werden (vgl. V. 7).
22,2 gleicht einem König, der für seinen Sohn das Hochzeits- fest veranstaltete. In Lk 14,16-23 erzählte Jesus ein ähnliches, aber etwas anderes Gleichnis. Hier in Matthäus war das Festmahl ein Hochzeitsfest für den Königssohn. Daher ist die Gleichgültigkeit (V. 5) und Ablehnung (V. 6) der Geladenen eine noch größere persönliche Provokation des Königs. Außerdem wurden die Botschafter des Königs in diesem Fall sogar misshandelt und umgebracht. Das ist eine ungeheure Schmähung der Güte des Königs. 22,2 obersten Priester und Schriftgelehrten. S. Anm. zu 19,47;
20,1 um Arbeiter … einzustellen. Das war in der Erntezeit üblich. Tagelöhner standen vom Morgengrauen an auf dem Marktplatz und hofften, für einen Tag Arbeit angeheuert zu werden. Die Arbeitszeit begann um sechs Uhr morgens und dauerte bis sechs Uhr abends. 20,1 denn sie fürchteten das Volk. Deshalb verschworen sie sich heimlich und hofften, ihn nach den Festtagen umbringen zu können, wenn Jerusalem nicht mehr so voller Pilger sein würde (vgl. V. 6; Mt 26,4.5; Mk 14,1.2). Doch die folgenden Ereignisse liefen nicht nach ihrem eigenen, sondern nach Gottes Zeitplan ab (s. Anm. zu Mt 26,2).
22,3 fuhr aber der Satan in Judas. D.h. Judas wurde vom Satan selbst besessen. Satan erlangte offenbar zweimal die direkte Herrschaft über Judas: Einmal unmittelbar bevor er seinen Verrat mit den Hohenpriestern verabredete und ein zweites Mal beim Letzten Abendmahl (Joh 13,27), unmittelbar bevor er den Verrat ausführte.
22,4 sandte er nochmals andere Knechte. Das zeigt Gottes Ge- duld und Nachsicht gegenüber denen, die ihn vorsätzlich verschmähen. Er lädt sie weiterhin ein, obwohl sie seine Güte bereits ignoriert oder abgewiesen haben. 22,4 Hauptleuten. D.h. der Tempelwache. Das waren levitische Si- cherheitskräfte.
22,5 kamen überein, ihm Geld zu geben. Mt 26,15 berichtet von 30 Silberstücken. Das war der Preis eines Sklaven (2Mo 21,32).
22,7 wurde er zornig. Schließlich ist seine große Geduld am Ende und er verurteilt sie. zündete ihre Stadt an. Das von Jesus beschriebene Gericht blickt voraus auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. Bei diesem Inferno wurde sogar der aus gewaltigen Felsquadern gebaute Tempel in Schutt und Asche gelegt. S. Anm. zu 23,36; 24,2; Lk 19,43. 22,7 der Tag der ungesäuerten Brote. D.h. der erste der Fest- tage (s. Anm. zu Mt 26,17). Die Juden aus Galiläa feierten das Passah am Donnerstagabend (s. Einleitung zu Johannes: Herausforderungen für den Ausleger); daher wurden die Lämmer am Nachmittag dieses Tages geschlachtet. Jesus und die Jünger aßen das Passahmahl an diesem Abend kurz nach Sonnenuntergang (als das Passahfest offi ziell begann). Die Juden aus Judäa hingegen feierten Passah einen Tag später, am Freitag.
22,8 Petrus und Johannes. Sie werden nur bei Lk identifi ziert. Geht hin, bereitet. Das war eine umfangreiche Aufgabe. Sie mussten das Passahlamm zur Opferung in den Tempel bringen und die Vorbereitungen für ein Abendessen für dreizehn Personen treffen (V. 14). Doch Jesus selbst hatte bereits die wichtigsten Vorkehrungen für das Abendmahl getroffen und der Eigentümer des Obersaals kümmerte sich für sie um viele Details. S. Anm. zu Mt 26,18.
22,10 ein Mensch … der einen Wasserkrug trägt. Wahrschein- lich gehörte das zur Vorbereitung des Abendmahls. Wasser zu tragen war normalerweise Aufgabe der Frauen, deshalb würde ein Mann mit einem Wasserkrug auffallen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Wasserkrug so etwas wie ein verabredetes Zeichen war. Dass Christus wusste, was der Mann in dem Augenblick tun würde, da die Jünger ihn zu sehen bekommen sollten, beweist seine göttliche Allwissenheit.
22,12 Er aber verstummte. D.h. er hatte keine Ausrede. 22,12 einen großen, mit Polstern ausgelegten Obersaal. Einer von vielen solcher Räume, die man in Jerusalem mieten konnte. Sie dienten ausdrücklich dem Zweck, Pilgern einen Platz zum Begehen der Feste zu bieten. Zur Einrichtung gehörte ein großer Esstisch und alle notwendigen Utensilien zum Zubereiten und Servieren eines Abendmahls.
22,14 viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Diese Berufung wird manchmal als »allgemeine Berufung« bezeichnet (oder als »äußere Berufung«). Sie ist eine Aufforderung zu Buße und Glauben und in der Botschaft des Evangeliums inbegriffen. Diese Berufung ergeht an alle, die das Evangelium hören. »Viele« hören es; nur »wenige« antworten darauf (s. der Vergleich zwischen »vielen« und »wenigen« in 7,13.14). Die Hörer, die dem Ruf folgen, sind die »Auserwählten«. In den paulinischen Briefen bezieht sich das Wort »Berufung« normalerweise auf Gottes unwiderstehlichen Ruf, der nur an die Erwählten ergeht (Röm 8,30). Sie wird »wirksame Berufung« (oder »innere« Berufung) genannt. Die wirksame Berufung ist das übernatürliche Wirken Gottes, das zu ihm hinzieht und von dem Jesus in Joh 6,44 spricht. Hier geht es um eine allgemeine Berufung und dieser Ruf ergeht an alle, die das Evangelium hören. Dieser Ruf ist das bekannte »wer da will« des Evangeliums (vgl. Offb 22,17). Hier haben wir das rechte Gleichgewicht zwischen der Verantwortung des Menschen und der Souveränität Gottes: Die »Berufenen«, die die Einladung ablehnen, lehnen sie willentlich ab und deshalb ist es vollkommen gerecht, dass sie vom Reich ausgeschlossen werden. Die »Erwählten« kommen nur deshalb ins Reich, weil Gott sie in seiner Gnade berufen und zu sich gezogen hat. 22,14 als die Stunde kam. D.h. der Sonnenuntergang, mit dem das Passahfest offi ziell begann (s. Anm. zu V. 7). setzte er sich. D.h. legte sich auf die Polster.
22,15 Mich hat herzlich verlangt. Vgl. Joh 13,1. Er wollte sie auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen sollte.
22,16 Herodianern. Eine jüdische Partei, die die von Rom begüns- tigte Dynastie des Herodes unterstützte. Die Herodianer waren im Gegensatz zu den Pharisäern keine religiöse Gruppierung, sondern eine politische Partei, die wahrscheinlich größtenteils aus Sadduzäern bestand (einschließlich der Tempelobrigkeit). Im Gegensatz zu ihnen hassten die Pharisäer das römische Regiment und den herodianischen Einfl uss. Dass sich diese Gruppierungen gemeinsam verschworen, um Jesus in eine Falle zu locken, verdeutlicht, welche Bedrohung beide Gruppen in ihm sahen. Herodes selbst wünschte den Tod Jesu (Lk 13,31), und die Pharisäer arbeiteten schon am Plan, ihn umzubringen (Joh 11,53). So versuchten beide Gruppen mit vereinten Kräften ihr gemeinsames Ziel zu erreichen. 22,16 erfüllt. Mit dem Tod Jesu am folgenden Tag wurden die Sym- bole des Passahmahls erfüllt. Das Passah war sowohl ein Gedächtnismahl an die Befreiung aus Ägypten als auch ein prophetische Vorschattung auf das Opfer Christi. 22,17 er nahm den Kelch. Lukas erwähnt zwei Kelche (vgl. V. 20). Am Passah-Seder wurden vier Kelche mit verdünntem Rotwein unter den Anwesenden geteilt. Dieser Kelch war der erste dieser vier (der Kelch der Danksagung) und leitete die Einsetzung des Herrenmahls ein (s. Anm. zu 1Kor 10,16). Er markierte das Ende der Zeit des gemeinsamen Essens und Trinkens mit den Jüngern, das zum Passah gehörte (V. 18; vgl. 5,34.35; Mt 9,15; 26,29; s. Anm. zu Mk 14,25). 22,19 Das ist mein Leib. Das Brot repräsentierte seinen Leib (vgl. die Formulierung in 8,11: »Der Same ist das Wort Gottes«; ebenso V. 20). Solche bildhafte Sprache ist für das Hebräische typisch. Hier wurde weder ein eucharistisches Wunder der Transsubstantiation eingeführt noch konnten seine Jünger die Symbolik dieser Aussage missverstehen, denn sein tatsächlicher, noch nicht zerbrochener Leib war direkt vor ihren Augen. S. Anm. zu Mt 26,26. das tut. Damit begründete er die Beobachtung dieses Mahls als Verordnung für die Anbetung in der Gemeinde (s. Anm. zu 1Kor 11,23-26). zu meinem Gedächtnis. Das Passah hatte auf das damals noch zukünftige Opfer Jesu hingedeutet. Doch Christus machte aus dem Seder eine gänzlich andere Zeremonie: eine Gedächtnisfeier, die auf seinen Erlösungstod zurückblickt. 22,20 auch den Kelch. Das ist der dritte (der Kelch der Segnung) der vier Kelche bei der Passahfeier (s. Anm. zu 1Kor 10,16). nach dem Mahl. Vgl. 1Kor 11,25. Diese beiden Verse sind in ihrer Form praktisch identisch. Paulus schrieb, er habe seine Information über dieses Ereignis vom Herrn selbst empfangen (1Kor 11,23). Dieser Kelch ist der neue Bund. Der Kelch repräsentiert eindeutig nur den Neuen Bund (s. Anm. zu V. 19).
22,21 Des Kaisers … Gottes. Die Münze trug das Bild des Kaisers; der Mensch hingegen trägt das Bild Gottes (1Mo 1,26.27). Der Christ muss im Herrschaftsbereich des Kaisers dem Kaiser Gehorsam »zollen« (Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17), doch das, »was Gottes ist«, gehört nicht dem Kaiser und soll nur Gott gegeben werden. Damit erkannte Christus das Recht des Kaisers an, Steuern zu bestimmen und einzufordern und machte es zur Pfl icht des Christen, sie zu zahlen. Doch er sagte nicht (wie manche meinen), der Kaiser habe die alleinige oder höchste Autorität im sozialen oder politischen Bereich. Letztlich gehören alle Dinge Gott (Röm 11,36; 2Kor 5,18; Offb 4,11), einschließlich des Bereichs, in dem der römische Kaiser oder irgendein anderer irdischer Herrscher Autorität ausübt. 22,21 die Hand dessen, der mich verrät, ist mit mir. Lukas ordnet die Einzelheiten des Abendmahls nicht in zeitlicher, sondern in thematischer Reihenfolge (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). Matthäus und Markus platzieren die Ankündigung des Verrats vor dem Austeilen von Brot und Kelch; nur Lukas platziert es danach. Nur Joh 13,30 berichtet über den Weggang des Judas aus dem Obersaal, aber Johannes erwähnt dafür Brot und Wein nicht. Daher ist es schwierig, durch einen Vergleich zu bestimmen, ob Judas den Obersaal vor oder nach dem Abendmahl verlassen hat. Allerdings scheint die Beschreibung des Lukas zu besagen, dass Judas tatsächlich beim Mahl dabei war. Wenn das stimmt, macht das seine Heuchelei und sein Verbrechen nur umso schändlicher (vgl. 1Kor 11,27-30).
22,22 wie es bestimmt ist. Jede Einzelheit der Kreuzigung Christi unterstand dem souveränen Walten Gottes und geschah im Einklang mit seinem ewigen Ratschluss. Vgl. Apg 2,23; 4,26-28. aber wehe. Dass der Verrat des Judas zum Plan Gottes gehörte, befreit Judas nicht von der Schuld an seinem Verbrechen, auf das er sich willentlich eingelassen hatte. Gottes Souveränität ist nie eine Ausrede für die Schuld des Menschen.
22,24 soll sein Bruder dessen Frau zur Ehe nehmen. Das be- zieht sich auf das Gesetz der Levirats-Ehe in 5Mo 25,5-10 (s. Anm. dort). Dieses Gesetz sollte dafür sorgen, dass ein Geschlecht nicht ausstarb und dass Witwen nicht allein gelassen wurden. 22,24 ein Streit. Vgl. 9,46; Mt 20,20-24. Dieser Streit war vielleicht die Ausgangssituation für die Fußwaschung (Joh 13,1-20). Der Disput zeigt, wie sehr die Frage nach der Größe das Denken der Jünger bestimmte und wie wenig sie von all dem begriffen hatten, was der Herr sie gelehrt hatte.
22,25 Wohltäter. Vgl. Mt 20,25. Diesen Titel verwendeten die heidnischen Herrscher sowohl in Ägypten als auch in Syrien. Allerdings war er eine höchst unpassende Bezeichnung. Damit wollten die Herrscher sich selbst als große Gönner ihres Volkes darstellen, während viele »Wohltäter« in Wirklichkeit große Tyrannen waren.
22,26 der Dienende. Vgl. Mt 20,26-28. Offensichtlich bezieht er sich damit auf die Fußwaschung (s. Anm. zu V. 24). Christus selbst ist in seinem gesamten Wirken das Vorbild für diese dienende Haltung (V. 27; vgl. Phil 2,5-8).
22,28 meinen Anfechtungen. Das ganzes Leben und Wirken Christi war voller Versuchungen (4,1-13); Entbehrungen (9,58); Sorgen (19,41); und Nöte (V. 44), ganz zu schweigen von den Leiden am Kreuz, von denen er wusste, dass sie nun bevorstanden.
22,29 so übergebe ich euch ein Königtum. Der Herr bestätigte die Erwartung der Jünger auf ein künftiges irdisches Reich. Es sollte zwar nicht in der Zeit und auf die Weise kommen, wie sie es erhofft hatten, doch er bestätigte die Verheißung, dass ein solches Reich tatsächlich aufgerichtet wird. Außerdem sollten sie eine führende Rolle in diesem Reich einnehmen (V. 30; vgl. Mt 19,28).
22,30 wie die Engel Gottes im Himmel. Die Sadduzäer glaubten nicht an Engel (s. Anm. zu 3,7), deshalb deckt Jesus hier einen weiteren Irrglauben von ihnen auf. Engel sind unsterbliche Wesen, die sich nicht vermehren und daher nicht zu heiraten brauchen. »In der Auferstehung« werden die Gläubigen dieselben Eigenschaften haben. 22,32 nicht ein Gott der Toten. Das Argument (aus dem Pentateuch, denn die Sadduzäer akzeptierten nur Mose als Autorität – s. Anm. zu 3,7) basierte auf dem ausdrücklichen Präsens des »Ich bin« aus 2Mo 3,6. Dieses leicht zu übersehende, aber sehr bedeutsame Argument brachte die Sadduzäer zum Schweigen (V. 34). S. Anm. zu Mk 12,26. 22,30 die zwölf Stämme Israels zu richten. An der Formulierung ist zu erkennen, dass es sich um eine Verheißung bezüglich des Tausendjährigen Reiches handelt. S. Anm. zu Offb 20,4. 22,31 Simon, Simon. Die Wiederholung des Namens (vgl. 10,41; Apg 9,4) gibt der Warnung zusätzlichen Ernst. Christus selbst hatte Simon den Namen Petrus gegeben (6,14), aber hier greift er wieder auf seinen alten Namen zurück – vielleicht um das fl eischliche Selbstvertrauen des Petrus umso deutlicher zu tadeln. Außerdem zeigt der Zusammenhang, dass Petrus möglicherweise einer der Wortführer im Streit aus V. 24 war. Satan hat euch begehrt. Wenngleich diese Warnung speziell an Petrus gerichtet war, so waren die anderen Jünger darin ebenso eingeschlossen. Das Pronomen steht im Plural (»euch«). zu sichten wie den Weizen. Das Bild ist sehr treffend: Es verdeutlicht, dass solche Versuchungen zwar unliebsam sind, doch eine notwendige läuternde Wirkung haben.
22,32 ich aber habe für dich gebetet. Nun spricht der Herr Petrus in der Einzahl an (»dich«) an (s. Anm. zu V. 31). Obgleich er für sie alle gebetet hat (Joh 17,6-19), sichert er hier Petrus persönlich sein Gebet zu und verheißt ihm den letztendlichen Sieg und ermutigt Petrus sogar, die anderen zu ermutigen. dass dein Glaube nicht aufhöre. Petrus selbst versagte kläglich, doch sein Glaube wurde nicht ausgelöscht (vgl. Joh 21,18.19).
22,34 geleugnet. Diese Voraussage der Verleugnung des Petrus traf Jesus offenbar im Obersaal (vgl. Joh 13,38). Mt 26,34 und Mk 14,30 berichten von einem zweiten, fast identischen Wort auf dem Ölberg auf dem Weg zum Garten Gethsemane (vgl. Mt 26,30ff; Mk 14,26ff).
22,35 ein Gesetzesgelehrter. Ein Schriftgelehrter, dessen Spezial- gebiet die Auslegung des Gesetzes war. S. Anm. zu 2,4; Lk 10,25. 22,35 Als ich euch aussandte. Vgl. 9,3; 10,4.
22,36 S. Anm. zu Mk 12,28. 22,36 Aber jetzt. Bei der früheren Aussendung hatte der Herr in seiner Souveränität dafür gesorgt, dass ihnen nichts fehlte. Doch von jetzt an sollten sie mit normalen Mitteln für ihren Lebensunterhalt und ihre Sicherheit sorgen. Der Geldbeutel, die Tasche und das Schwert sind bildhafte Beschreibungen dieser Mittel (wobei das Schwert kein Symbol für Angriff, sondern für Verteidigung ist). Doch sie verstanden seine Worte irrtümlicherweise wörtlich (V. 38).
22,37 Herzen … Seele … Denken. Mk 12,30 fügt noch »mit dei- ner ganzen Kraft« hinzu. Das Zitat stammt aus 5Mo 6,5 und gehört zum Schemá (hebr. für »höre!« – 5Mo 6,4). Dieser Vers in 5Mo sagt »Herzen … Seele … Kraft«. In einigen Handschriften der LXX ist »Verstand« hinzugefügt. Mit der Verwendung dieser verschiedenen Begriffe sollen nicht einzelne Fähigkeiten des Menschen unterschieden werden; sie besagen, dass eine vollständige Liebe gefordert wird. 22,37 Ein Zitat aus Jes 53,12.
22,38 zwei Schwerter. Das waren kurze, dolchartige Waffen und eher Messer als Schwerter. In jener Kultur war es nicht ungewöhnlich, solche Waffen mit sich zu führen. Außer als Waffe im Kampf hatten sie eine vielfältige praktische Verwendung. Es ist genug! D.h. genug von diesem Gerede (vgl. V. 51).
22,39 Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Das ist ein Zitat aus 3Mo 19,18. Im Gegensatz zu einigen modernen Interpretationen ist das keine Berechtigung oder gar Aufforderung zur Selbstliebe. Vielmehr vermittelt dieses Gebot genau denselben Gedanken wie die »Goldene Regel«, nur in anderen Worten (s. Anm. zu 7,12). Es fordert den Gläubigen auf, anderen gleich viel Liebe entgegenzubringen, wie er für sich selber wünscht. 22,39 Ölberg. S. Anm. zu 19,29; Mt 24,3. Es folgten ihm aber auch seine Jünger. Mt 26,36.37 und Mk 14,32.33 nennen weitere Einzelheiten. Er verließ die meisten der Jünger am Eingang zum Garten Gethsemane und nahm nur Petrus, Jakobus, und Johannes mit sich in den Garten, um dort zu beten.
22,40 das ganze Gesetz und die Propheten. D.h. das gesamte AT. Damit ordnet Jesus die moralische Verantwortung des Menschen in zwei Kategorien ein: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Dieselben beiden Kategorien gliedern auch die Zehn Gebote: In den ersten vier geht es um Liebe zu Gott und in den zweiten sechs um Nächstenliebe. 22,40 an den Ort. Gethsemane. S. Anm. zu Mt 26,36; Mk 14,32. Betet. Er hatte sie bereits gewarnt – und Petrus besonders –, dass eine enorme Versuchung bevorstand (V. 31). Leider verklangen sowohl diese Warnung als auch seine Aufforderung zum Gebet unbeachtet.
22,41 ungefähr einen Steinwurf weit. D.h. in Hörweite. Sein Ge- bet war unter anderem auch zu ihrem Segen (vgl. Joh 11,41.42). 22,42 diesen Kelch. D.h. den Kelch des Zornes Gottes (vgl. Jes 51,17.22; Jer 25,15-17.27-29; Kla 4,21.22; Hes 23,31-34; Hab 2,16). nicht mein … Wille. Vgl. Mt 26,39; Joh 4,34; 5,30; 6,38; 8,29. Das bedeutet nicht, es habe ein Konfl ikt bestanden zwischen dem Willen des Vaters und dem Willen des Sohnes. Dass er vor diesem Kelch des Zornes Gottes zurückschreckte, war vielmehr ein völlig normaler Ausdruck seines Menschseins (s. Anm. zu Mt 26,39). Doch obwohl der Kelch für ihn so entsetzlich war, nahm er ihn bereitwillig an, weil das der Wille des Vaters war. In diesem Gebet unterwarf er sein ganzes menschliches Empfi nden bewusst und freiwillig dem vollkommenen Willen des Vaters. Somit bestand weder zwischen dem Vater und dem Sohn ein Konfl ikt noch zwischen der Gottheit Christi und seinem menschlichen Empfi nden.
22,43 Die Einzelheiten dieses Verses werden nur von Lukas, dem Arzt, überliefert.
22,44 Ein Zitat aus Ps 110,1. 22,44 wie Blutstropfen. Das lässt den gefährlichen Zustand ver- muten, der bekannt ist als Hämatidrosis, bei dem Blut in die Schweißdrüsen gelangt. Er kann verursacht werden durch extreme Angst oder körperliche Belastung. Die Kapillargefäße unter der Haut erweitern sich und platzen und so vermischt das Blut sich mit dem Schweiß. Christus selber sagte, dass er in seiner Angst an der Schwelle des Todes stand (s. Anm. zu Mt 26,38; Mk 14,34; vgl. Hebr 12,3.4).
22,45 Wenn also David ihn Herr nennt. David hätte einen bloß menschlichen Nachkommen nicht mit »Herr« angesprochen. Jesus diskutierte hier nicht, ob »Sohn Davids« ein angemessener Titel für den Messias ist. Schließlich beruht der Titel auf dem, was über den Messias im AT offenbart ist (Jes 11,1; Jer 23,5), und er wird in 1,1 als messianischer Titel verwendet (s. Anm. dort). Doch der Herr verdeutlichte, dass der Titel »Sohn Davids« bei weitem nicht alles ausdrückte, wer der Messias ist, nämlich zugleich der »Sohn Gottes« (Lk 22,70). Die unausweichliche Schlussfolgerung ist, dass Jesus hier erklärte, dass er Gott ist. 22,45 schlafend vor Traurigkeit. Vgl. 9,32. Die emotionale Belas- tung ermüdete die Jünger ebenso wie Christus. Sie reagierten jedoch mit Resignation und gaben einem fl eischlichen Verlangen nach. So folgten sie ihrer unmittelbaren Müdigkeit, anstatt wach zu bleiben und um Kraft zu bitten, wie Christus ihnen befohlen hatte (V. 40). Alle Gründe für ihr anschließendes Versagen lassen sich aus ihrem Verhalten im Garten Gethsemane aufzeigen.
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand.
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden.
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden. 22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden. 22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73). 22,61 der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Nur Lukas berichtet von diesem Blickkontakt zwischen Jesus und Petrus. Das verwendete Verb beschreibt ein Schauen, bei dem man den Angeschauten mit den Augen fi xiert. Dass Jesus Petrus sehen konnte, lässt annehmen, dass die Männer, die Jesus festhielten, ihn bereits in den Hof geführt hatten, um ihn zu schlagen (V. 63). erinnerte sich Petrus. S. Anm. zu Mt 26,75; Mk 14,72.
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden. 22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73). 22,61 der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Nur Lukas berichtet von diesem Blickkontakt zwischen Jesus und Petrus. Das verwendete Verb beschreibt ein Schauen, bei dem man den Angeschauten mit den Augen fi xiert. Dass Jesus Petrus sehen konnte, lässt annehmen, dass die Männer, die Jesus festhielten, ihn bereits in den Hof geführt hatten, um ihn zu schlagen (V. 63). erinnerte sich Petrus. S. Anm. zu Mt 26,75; Mk 14,72. 22,63 verspotteten und misshandelten ihn. Lukas bietet keine Einzelheiten vom erstem Verhör des Herrn bei Kajaphas, wie es in Mt 26,59-68 und Mk 14,55-65 überliefert ist. Die hier beschriebene Misshandlung fand offenbar nach diesem ersten Verhör statt, bevor der Sanhedrin sich zu seiner offi ziellen Verhandlung versammeln konnte (V. 66).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden. 22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73). 22,61 der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Nur Lukas berichtet von diesem Blickkontakt zwischen Jesus und Petrus. Das verwendete Verb beschreibt ein Schauen, bei dem man den Angeschauten mit den Augen fi xiert. Dass Jesus Petrus sehen konnte, lässt annehmen, dass die Männer, die Jesus festhielten, ihn bereits in den Hof geführt hatten, um ihn zu schlagen (V. 63). erinnerte sich Petrus. S. Anm. zu Mt 26,75; Mk 14,72. 22,63 verspotteten und misshandelten ihn. Lukas bietet keine Einzelheiten vom erstem Verhör des Herrn bei Kajaphas, wie es in Mt 26,59-68 und Mk 14,55-65 überliefert ist. Die hier beschriebene Misshandlung fand offenbar nach diesem ersten Verhör statt, bevor der Sanhedrin sich zu seiner offi ziellen Verhandlung versammeln konnte (V. 66). 22,66 als es Tag geworden war. Gerichtsverhandlungen die nachts abgehalten wurden, sah man als unrechtmäßig an, daher wartete der Sanhedrin pfl ichtbewusst bis zum Tagesanbruch, um das Urteil auszusprechen, über das sie ohnehin bereits übereingekommen waren (vgl. Mt 26,66; Mk 14,64).
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand. 22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3). 22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44). 22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51). 22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54). 22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57). 22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15). 22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17). 22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden. 22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73). 22,61 der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Nur Lukas berichtet von diesem Blickkontakt zwischen Jesus und Petrus. Das verwendete Verb beschreibt ein Schauen, bei dem man den Angeschauten mit den Augen fi xiert. Dass Jesus Petrus sehen konnte, lässt annehmen, dass die Männer, die Jesus festhielten, ihn bereits in den Hof geführt hatten, um ihn zu schlagen (V. 63). erinnerte sich Petrus. S. Anm. zu Mt 26,75; Mk 14,72. 22,63 verspotteten und misshandelten ihn. Lukas bietet keine Einzelheiten vom erstem Verhör des Herrn bei Kajaphas, wie es in Mt 26,59-68 und Mk 14,55-65 überliefert ist. Die hier beschriebene Misshandlung fand offenbar nach diesem ersten Verhör statt, bevor der Sanhedrin sich zu seiner offi ziellen Verhandlung versammeln konnte (V. 66). 22,66 als es Tag geworden war. Gerichtsverhandlungen die nachts abgehalten wurden, sah man als unrechtmäßig an, daher wartete der Sanhedrin pfl ichtbewusst bis zum Tagesanbruch, um das Urteil auszusprechen, über das sie ohnehin bereits übereingekommen waren (vgl. Mt 26,66; Mk 14,64). 22,67 Bist du der Christus? Der Sanhedrin stellte ihm dieselben Fragen, die man ihm bereits im nächtlichen Verhör gestellt hatte, und seine Antworten waren im Grunde dieselben (vgl. V. 67-71; Mt 26,6366; Mk 14,61-64).
23,1 die ganze Versammlung. Der ganze Sanhedrin, etwa 70 Männer. Mindestens ein Ratsmitglied, Joseph von Arimathia, stimmte ihrer Verurteilung nicht zu (V. 50-52). führten ihn vor Pilatus. S. Anm. zu Mt 27,2.
23,2 Moses Stuhl. Dieser Ausdruck ist gleichbedeutend mit dem Lehrstuhl an einer Universität. Auf »Moses Stuhl zu sitzen« bedeutete die höchste Lehrautorität, um das Volk im Gesetz zu unterweisen. Der Ausdruck kann auch übersetzt werden mit: »Sie haben sich selbst auf Moses Stuhl gesetzt«, dass sie also nur sich selbst diese Autorität angemaßt hatten. Die Priester und Leviten waren tatsächlich legitimiert, über Fragen des Gesetzes zu entscheiden (5Mo 17,9), doch die Schriftgelehrten und Pharisäer waren über den Rahmen jeder legitimen Autorität hinausgegangen und hatten dem Wort Gottes menschliche Überlieferung hinzugefügt (15,3-9). Dafür verurteilte Jesus sie (V. 8-36). 23,2 abhalten will, dem Kaiser die Steuern zu zahlen. Das war eine vorsätzliche Lüge. Mitglieder des Sanhedrins hatten Jesus öffentlich darüber befragt (wobei sie gehofft hatten, ihn beim Volk in Missgunst zu bringen) und er hatte ausdrücklich das Recht des Kaisers bestätigt, Steuern zu verlangen (20,20-25). Er behauptet, er sei Christus, der König. Damit wollten sie indirekt sagen, er führe eine aufrührerische Absicht gegen Rom im Schilde. Das war eine weitere Lüge.
23,3 haltet und tut. D.h. insoweit es dem Wort Gottes entspricht. Die Pharisäer banden gern »schwere Bürden« (V. 4) von unbiblischen Traditionen zusammen und erlegten sie anderen auf. Diese Gesetzlichkeit verurteilte Jesus ausdrücklich. 23,3 Du sagst es. In Joh 18,33-37 ist die Antwort des Herrn auf diese Frage ausführlicher überliefert.
23,4 keine Schuld. Die jüdischen Führer versuchten zwar ver- zweifelt, ihn anzuklagen, doch Pilatus war sich gewiss, dass Jesus kein Aufrührer war. Aber das aufgebrachte Volk schüchterte ihn ein und so fürchtete er sich, Jesus freizusprechen. Die Auskunft, dass Jesus ein Galiläer war, erleichterte ihn, denn damit hatte er eine Ausrede und konnte ihn zu Herodes schicken (V. 5.6).
23,7 Herrschaftsgebiet des Herodes. S. Anm. zu 13,31. sandte er ihn zu Herodes. Herodes war zum Fest nach Jerusalem gekommen und Pilatus nutzte diese Gelegenheit, sich aus einer politischen Klemme zu befreien, indem er Jesus zu seinem Rivalen sandte. S. Anm. zu V. 12.
23,8 Rabbi … Vater … Meister. Hier verurteilt Jesus nicht Titel an sich, sondern Stolz und Anmaßung. Paulus spricht häufi g von »Lehrern« in der Gemeinde und bezeichnet sich selber als »Vater« der Korinther (1Kor 4,15). Offenbar verbietet das auch nicht den Erweis von Respekt (vgl. 1Th 5,11.12; 1Tim 5,1). Christus untersagt lediglich den Gebrauch solcher Bezeichnungen als geistliche Titel oder in einem demonstrativen Sinne, indem man Menschen eine unangemessene geistliche Autorität zuschreibt, als wären sie selbst anstatt Gott die Quelle der Wahrheit 23,8 hätte ihn schon längst gern gesehen. Das Interesse des Herodes an Christus wurde dadurch geschürt, dass Jesus ihn an seinen verstorbenen Kritiker Johannes den Täufer erinnerte (vgl. 9,7-9). Einmal hatte Herodes offenbar gedroht, Jesus umzubringen (13,31-33), doch da Christus sich mehr in Judäa aufhielt als in Galiläa und Peräa (wo Herodes herrschte), war der König nur von Neugier getrieben.
23,9 gab ihm keine Antwort. Bei all den verschiedenen Verhören Jesu war Herodes der einzige, dem er jedes Gespräch verweigerte. Vgl. Mt 7,6. Herodes hatte die Wahrheit längst verworfen, als Johannes der Täufer sie ihm sagte. Somit wäre es zwecklos gewesen, hätte der Herr ihm geantwortet. Vgl. Jes 53,7; Ps 38,14.15; 39,2.3.10; 1Pt 2,23.
23,11 Kriegsleuten. Seinen Sicherheitskräften. verachtete. Hero- des nahm die Begegnung mit Christus und die Anklagen gegen ihn zur Gelegenheit, sich zur Belustigung von Pilatus einen Scherz zu erlauben (V. 12). ein Prachtgewand. Oder »glänzendes Gewand«. Wahrscheinlich ein anderes Gewand als das aus Mt 27,28, welches ein Militärmantel war. Hier war es ein elegantes Königsgewand. Wahrscheinlich war es ein Stück aus der Garderobe des Herodes, auf das er verzichten konnte.
23,12 Freundschaft. Sie gründete sich auf ihre gemeinsame unge- rechte und feige Behandlung Jesu.
23,13 die lasst ihr nicht hinein. Die Pharisäer hatten Gottes Gerechtigkeit verworfen und versuchten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (Röm 10,3). Dementsprechend lehrten sie auch andere, es ihnen gleichzutun. Ihre Gesetzlichkeit und Selbstgerechtigkeit verhüllten nur die enge Pforte, durch die allein man ins Reich Gottes gelangt (s. Anm. 7,13.14). 23,13 rief … zusammen. Pilatus wollte Christus für unschuldig er- klären (V. 14) und beabsichtigte, sein Urteil möglichst öffentlich auszusprechen. Zweifellos erwartete er, dass er damit die ganze Angelegenheit zu den Akten legen könne. 23,14.15 Pilatus und Herodes stimmten in dem Urteil überein (vgl. 1Tim 6,13).
23,16 das gilt nichts. Eine willkürliche Unterscheidung der Pha- risäer, die ihnen die scheinheilige Berechtigung gab, ungestraft zu lügen. Wenn jemand »beim Tempel« schwor (oder beim Altar, V. 18, oder beim Himmel, V. 22), wurde sein Eid nicht als verbindlich angesehen. Wenn er aber »beim Gold des Tempels« schwor, konnte er sein Wort nicht brechen, ohne den Strafen des jüdischen Gesetzes unterworfen zu sein. Unser Herr machte deutlich, dass Schwören bei diesen Dingen dasselbe ist wie Schwören bei Gott selbst. S. Anm. zu 5,34. 23,16 will ich ihn züchtigen. Vgl. V. 22. Obwohl Pilatus feststellte, dass er keines Vergehens schuldig war, wollte er ihn geißeln lassen, nur um die Juden zufrieden zu stellen. Doch auch diese äußerst schwere Strafe (s. Anm. zu Mt 27,26) konnte sie nicht zufriedenstellen.
23,17 Er musste ihnen … einen freigeben. Weil es ein alter jüdi- scher Brauch war (Joh 18,39). Die Römer achteten diese Tradition.
23,18 Barabbas. S. Anm. zu Mk 15,7.
23,21 kreuzige ihn! Die Kreuzigung war die schmerzhafteste und schändlichste Hinrichtungsform der Römer. S. Anm. zu Mt 27,31.
23,22 zum dritten Mal. Pilatus bezeugte immer wieder ausdrück- lich die Unschuld Jesu (V. 4.14.15). Damit verurteilte er nicht nur die Juden, die den Tod Jesu verlangten, sondern auch sich selbst, weil er den Retter ohne Grund dem Tod übergab.
23,24 die Mücke aussiebt, das Kamel aber verschluckt. Man- che Pharisäer siebten ihre Getränke durch ein feines Tuch, um ja nicht versehentlich eine Mücke zu verschlucken. Die Mücke war das kleinste aller unreinen Tiere (3Mo 11,4). 23,24 entschied Pilatus. Pilatus’ Reaktion zeigt, wie inkonsequent er war. Sein Wunsch, aus politischen Gründen die Gunst der Juden zu gewinnen, war größer als sein Wunsch, Jesus freizulassen (vgl. V. 20). Der Bericht in Joh 18,39 – 19,16 nennt wesentlich mehr Einzelheiten, wie Pilatus zu der Entscheidung kam, Jesus trotz allem zu verurteilen.
23,26 Simon von Kyrene. Alle drei synoptischen Evangelien erwäh- nen Simon. S. Anm. zu Mt 27,32; Mk 15,21.
23,28 Ihr Töchter Jerusalems. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass diese Frauen Jünger Jesu waren. Vielleicht waren sie professionelle Klageweiber, die bei jüdischen Todesfällen obligatorisch waren (s. Anm. zu Mt 9,23) und wahrscheinlich auch bei besonderen Hinrichtungen ihr Klagegeschrei erhoben. weint vielmehr über euch selbst. Die Entgegnung des Herrn war eine prophetische Warnung. Nur Lukas hat diese Worte überliefert.
23,29 Glückselig sind die Unfruchtbaren. Es wird eine Zeit kom- men, da kinderlose Frauen glücklich geschätzt werden, weil sie keine Kinder haben, deren Tod sie beklagen müssen.
23,30 wir hätten uns nicht mit ihnen … schuldig gemacht. Eine lächerliche Behauptung ihrer eigenen Gerechtigkeit, wo sie doch bereits die Ermordung des Messias planten (vgl. Joh 11,47-53). 23,30 sagen. Ein Zitat aus Hos 10,8. Vgl. Offb 6,16.17; 9,6.
23,31 grünen Holz … dürren. Das war wohl ein bekanntes Sprich- wort, das hier wahrscheinlich bedeutet: Wenn die Römer schon eine solche Gräueltat an Jesus verübten (das »grüne Holz« – jung, stark und voller Leben), was würden sie dann erst mit der jüdischen Nation tun (dem »dürren Holz« – alt, unfruchtbar und reif zum Gericht)?
23,32 zwei andere … Übeltäter. S. Anm. zu Mt 27,38; Mk 15,27.
23,33 Schädelstätte. In der lateinischen Bibel steht hier Calvaria, was das lat. Äquivalent zu Golgatha ist. S. Anm. zu Mt 27,33; Mk 15,22. kreuzigten. S. Anm. zu Mt 27,31.
23,34 Propheten und Weise und Schriftgelehrte. D.h. die Jün- ger sowie die Propheten, Evangelisten und Hirten, die ihnen folgten (vgl. Eph 4,11). 23,34 vergib ihnen. D.h. seinen Peinigern, sowohl den Juden als auch den Römern (vgl. Apg 7,60). Eine Frucht dieses Gebets ist die Errettung tausender Menschen am Pfi ngsttag in Jerusalem (Apg 2,41). denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie waren sich der vollen Bedeutung ihrer Freveltat nicht bewusst. Sie erkannten ihn nicht als ihren Messias (Apg 13,27.28). Sie waren blind für das Licht der göttlichen Wahrheit, »denn wenn sie sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt« (1Kor 2,8). Doch ihre Unwissenheit bedeutete sicherlich nicht, dass sie Vergebung verdienten. Vielmehr war ihre geistliche Blindheit an sich schon ein Erweis ihrer Schuld (Joh 3,19). Doch das Gebet des Herrn in gerade dem Augenblick, da sie ihn am schändlichsten behandelten, ist ein Ausdruck der grenzenlosen Barmherzigkeit und Gnade Gottes. warfen das Los. S. Anm. zu Mt 27,35; Mk 15,24.
23,35 Abels … Zacharias. Der erste und letzte Märtyrer des AT. des Sohnes Barachias. (s. Sach 1,1). Das AT berichtet nicht, wie er starb. In 2Chr 24,20.21 fi nden wir jedoch den Tod eines anderen Sacharja, des Sohnes Jojadas. Er wurde auf dem Tempelvorhof gesteinigt, genau wie Jesus es hier sagt. Die besten Handschriften des Matthäusevangeliums lesen alle »Zacharias (bzw. Sacharjas), des Sohnes Barachias« (obwohl in Lk 11,51 der Vater nicht genannt ist). Einige meinten, der Sacharja in 2Chr 24 sei in Wirklichkeit ein Enkel Jojadas gewesen und sein Vater habe ebenfalls Barachias geheißen. Doch können wir Jesu Worte ohne Schwierigkeiten einfach so nehmen, wie sie sind und sein unfehlbares Zeugnis annehmen, dass der Prophet Sacharja zwischen Tempel und Altar ermordet wurde, ganz ähnlich wie der frühere Sacharja als Märtyrer starb. 23,35 spotteten. Vgl. Ps 22,7.8.17-19.
23,36 dieses Geschlecht. Historisch gesehen war dies die Gene- ration, die die völlige Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70 n.Chr. erlebte. Seine Klage über Jerusalem und die Ankündigung, dass Gott den Tempel der Verwüstung überlassen würde (V. 37.38), zeigen, dass der Herr hier vom Gericht der Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr. sprach. S. Anm. zu 22,7; 24,2; Lk 19,43. 23,36 Essig. Vgl. Ps 69,22; s. Anm. zu Mt 27,34.
23,38 euer Haus wird euch verwüstet gelassen werden. Ein paar Tage zuvor hatte Christus den Tempel als »Haus« seines Vaters bezeichnet (21,13). Doch der Segen und die Herrlichkeit Gottes waren von Israel gewichen (s. 1Sam 4,21). Als Christus vom Tempel wegging (24,1), ging die Herrlichkeit Gottes mit ihm fort. In Hesekiel 11,23 beschreibt Hesekiel seine Vision von der Schekina, der Herrlichkeits-Wolke, die damals vom Tempel wich. Sie verließ den Tempel und stand auf dem Ölberg (s. Anm. zu 24,3; Lk 19,29). Das ist exakt dieselbe Route, die auch Christus hier einschlägt (vgl. 24,3). 23,38 eine Inschrift. Alle vier Evangelisten erwähnen diese In- schrift, doch jeder gibt eine etwas andere Variante wieder. Sowohl Lukas als auch Johannes (19,20) schreiben, dass die Inschrift auf Griechisch, Lateinisch und Hebräisch war. Daher geben die vier Evangelien möglicherweise einfach verschiedene Übersetzungen der Inschrift wieder. Noch wahrscheinlicher ist, dass alle vier Evangelisten die Inschrift verkürzt und sinngemäß wiedergeben, wobei jeder einen anderen Teil der vollständigen Inschrift auslässt. Alle vier stimmen mit Markus überein, dass die Inschrift besagte: Der König der Juden (Mt 27,37; Mk 15,26; Joh 19,19). Lukas stellt »dies ist« voran und Matthäus beginnt mit »dies ist Jesus«. Johannes beginnt mit »Jesus von Nazareth«. Wenn man alle Varianten zusammenfügt, ergibt sich als vollständige Inschrift: »Dies ist Jesus von Nazareth, der König der Juden«.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43).
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14).
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4).
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4). 23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51).
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4). 23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51). 23,51 auf das Reich Gottes wartete. D.h. er glaubte an den An- spruch Jesu. Joh 19,38 bezeichnet ihn als geheimen Jünger.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4). 23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51). 23,51 auf das Reich Gottes wartete. D.h. er glaubte an den An- spruch Jesu. Joh 19,38 bezeichnet ihn als geheimen Jünger. 23,53 ein in Felsen gehauenes Grab. Joseph war wohlhabend und hatte das Grab zweifellos für seine eigene Familie errichtet, doch es war bisher ungenutzt geblieben. Dass Christus dort begraben wurde, war eine wunderbare Erfüllung von Jes 53,9.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4). 23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51). 23,51 auf das Reich Gottes wartete. D.h. er glaubte an den An- spruch Jesu. Joh 19,38 bezeichnet ihn als geheimen Jünger. 23,53 ein in Felsen gehauenes Grab. Joseph war wohlhabend und hatte das Grab zweifellos für seine eigene Familie errichtet, doch es war bisher ungenutzt geblieben. Dass Christus dort begraben wurde, war eine wunderbare Erfüllung von Jes 53,9. 23,54 Rüsttag. Der Freitag vor dem Sabbat.
23,39 Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen. Der öf- fentliche Lehrdienst des Herrn war vorbei. Er zog sich von der Nation Israel zurück und wird sich ihr erst in der Zukunft wieder zuwenden, wenn das Volk ihn als Messias anerkennt (Röm 11,23-26). Dann zitierte Christus Ps 118,26. 23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen. 23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu. 23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43). 23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel. 23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen. 23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51. 23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14). 23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides. 23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4). 23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51). 23,51 auf das Reich Gottes wartete. D.h. er glaubte an den An- spruch Jesu. Joh 19,38 bezeichnet ihn als geheimen Jünger. 23,53 ein in Felsen gehauenes Grab. Joseph war wohlhabend und hatte das Grab zweifellos für seine eigene Familie errichtet, doch es war bisher ungenutzt geblieben. Dass Christus dort begraben wurde, war eine wunderbare Erfüllung von Jes 53,9. 23,54 Rüsttag. Der Freitag vor dem Sabbat. 23,55 sahen … wie sein Leib hineingelegt wurde. Joh 19,39 zufolge brachte Nikodemus hundert Pfund Gewürze und Aloe (die er wahrscheinlich beschafft hatte, während Joseph mit Pilatus um den Leib Jesu verhandelte) und er und Joseph wickelten den Leichnam mit den Gewürzen in Leintücher. Diese Frauen aus Galiläa kannten die Judäer Joseph und Nikodemus wahrscheinlich nicht. Schließlich hatten beide Männer mit den führenden Juden zu tun, die sich gemeinsam gegen Jesus verschworen hatten (V. 50; Joh 3,1). Deshalb »kehrten sie zurück« (d.h. sie gingen nach Hause), um ihre eigenen Gewürze und Duftstoffe zu bereiten (V. 56). Der Leichnam Jesu musste vor Sonnenuntergang (der Sabbatbeginn) im Grab untergebracht sein und so wurden sie mit der Einbalsamierung nicht rechtzeitig fertig. Mk 16,1 sagt, dass sie noch weitere Gewürze kauften, »als der Sabbat vorüber war«, d.h. am Samstag nach Sonnenuntergang. Dann kehrten sie am Sonntagmorgen mit den Gewürzen zum Grab zurück (24,1), in der Erwartung, die Aufgabe zu Ende zu führen, die durch den beginnenden Sabbat unterbrochen worden war.
24,1 – 25,46 Dieser Abschnitt ist die letzte von fünf Reden im Matt- häusevangelium (s. Einleitung: Historische und theologische Themen). Sie ist als Ölbergrede bekannt und enthält einige der wichtigsten prophetischen Aussagen der ganzen Bibel. 24,1 die Gebäude des Tempels. Der Bau dieses Tempels wurde unter Herodes dem Großen im Jahr 20 v.Chr. begonnen (s. Anm. zu 2,1), und er war immer noch nicht fertiggestellt, als die Römer ihn 70 n.Chr. zerstörten (s. Anm. zu V. 2). Zur Zeit Jesu gehörte der Tempel zu den beeindruckendsten Gebäuden der Welt. Er war aus massiven Steinblöcken gebaut, die mit Gold verziert waren. Einige Steine im Tempelkomplex maßen 12 x 3,5 x 3,5 m und waren so genau behauen, dass sie sich vollkommen aneinander fügten. Die Tempelgebäude bestanden aus glänzendem weißen Marmor und die gesamte Ostmauer des großen Hauptkomplexes war mit Goldplatten bedeckt, die die Morgensonne widerstrahlten und so ein weithin sichtbares Schauspiel boten. Die Konstrukteure des Herodes hatten mit Hilfe von mächtigen Stützmauern und gewölbten Kammern auf der Südseite und südöstlichen Ecke den gesamten Tempelberg vergrößert. Dadurch wurde der ausgedehnte Vorhof auf dem Tempelberg verdoppelt. Der ganze Tempelkomplex war in jeder Hinsicht überwältigend. Das Gespräch der Jünger in diesem Vers war vielleicht eine Reaktion auf Jesu Aussage in 23,38. Zweifellos wunderten sie sich, wie eine derart eindrucksvolle Stätte »verwüstet gelassen« werden könne. 24,1 brachten die wohlriechenden Gewürze. S. Anm. zu 23,55. Die Frauen erwarteten nicht, Christus als Auferstandenem zu begegnen, sondern hatten einfach vor, den Leichnam fertig einzubalsamieren. S. Anm. zu Mk 16,1.
24,2 kein Stein auf dem anderen. Diese Aussage erfüllte sich im Jahr 70 n.Chr. wortwörtlich. Der römische Heerführer Titus baute große Holzgerüste um die Mauern des Tempelkomplexes, stapelte Holz und andere brennbare Materialien darauf und setzte sie in Brand. Die Hitze des Feuers war so groß, dass die Steine barsten. Anschließend wurden die Trümmer gesiebt, um das geschmolzene Gold zurückzugewinnen, und die Steine der verbleibenden Ruinen wurden »abgebrochen« und ins Kidrontal geworfen. S. Anm. zu 22,7; Lk 19,43. 24,2 den Stein von dem Grab weggewälzt. Mt 28,2-4 berich- tet, dass ein Erdbeben geschah und ein Engel den Stein wegrollte. Die römischen Wachen wurden vor Angst ohnmächtig. Markus, Lukas und Johannes erwähnen die Wachen nicht. Das heißt, dass sie wahrscheinlich fl ohen, nachdem sie aufgewacht waren und das leere Grab sahen.. Kurz darauf müssen die Frauen am Grab eingetroffen sein. 24,4 zwei Männer. Engel. Nur Lukas erwähnt beide (s. Anm. zu Mk 16,5). Markus spricht nur von dem einen, der für beide sprach. Solche geringfügigen Unterschiede in den Evangelienberichten sind alle erklärbar. Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse der Auferstehung, die aus allen vier Evangelien zusammengestellt wurde: Als die Frauen sahen, dass der Stein vom Grab weggerollt war, gingen sie ins Grab hinein und stellten fest, dass es leer war (V. 3). Während sie noch im Grab waren, erschienen plötzlich die Engel (V. 4; Mk 16,5). Der Engel, der das Wort führte, erinnerte sie an die Verheißungen des Herrn (V. 6-8) und schickte die Frauen dann zu Petrus und den anderen Jüngern, um ihnen zu berichten, dass Jesus auferstanden war (Mt 28,7.8; Mk 16,7.8). Die Frauen befolgten diese Aufforderung (V. 9-11). Die Jünger waren zunächst skeptisch (V. 11), liefen aber zum Grab. Johannes kam zuerst dort an (Joh 20,4), aber Petrus ging als erster tatsächlich ins Grab (Joh 20,6). Sie sahen, dass die Leinentücher unversehrt, aber leer dort lagen, was bewies, dass Jesus auferstanden war (V. 12; Joh 20,6-8). Sofort darauf gingen die Jünger weg (V. 12; Joh 20,10). Inzwischen kehrte Maria Magdalena zum Grab zurück und stand weinend davor, als plötzlich Christus ihr erschien (Joh 20,11-18). Das war seine erste Erscheinung (Mk 16,9). Irgendwann kurz darauf erschien er auch den anderen Frauen auf dem Weg (Mt 28,9.10). Später an diesem Tag erschien er zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (V. 13-32) sowie dem Petrus (V. 34). Für eine chronologische Aufl istung aller Erscheinungen des Auferstandenen s. Anm. zu V. 34.
24,6 es ist noch nicht das Ende. Falsche Propheten sowie Kriege und Kriegsgerüchte charakterisieren das ganze jetzige Zeitalter, werden jedoch am Ende zunehmen (vgl. 2Tim 3,13). 24,6 wie er zu euch redete … in Galiläa. S. Anm. zu 9,22; 18,31- 33.
24,9 preisgeben. S. Anm. zu 10,17. 24,9 allen übrigen. D.h. den anderen Jüngern, die größtenteils aus Galiläa stammten und die zum Passah in Jerusalem waren.
24,10 werden viele Anstoß nehmen. Wörtl. »zu Fall gebracht werden«. Damit sind bekennende Gläubige gemeint, die abfallen und sich durch geistlichen Verrat sogar gegenseitig bekämpfen. Wer in solcher Weise abfällt, zeigt, dass er niemals ein wahrer Gläubiger war (s. Anm. zu V. 13). 24,10 verwendete, wo er den Abfall und geistlichen Verrat in der Endzeit ankündigte. Hier meinte der Herr hingegen nicht vollständigen und endgültigen Abfall. In einem Augenblick fl eischlicher Furcht verleugneten sie Christus (V. 34), doch er betete, dass ihr Glaube nicht aufhören werde (Lk 22,32; Joh 17,9-11). Dieses Gebet wurde erhört. Der Vers, den Jesus hier zitierte, ist Sach 13,7 (s. Anm. dort). 24,10 Maria Magdalena. S. Anm. zu 8,2. Sie war die erste, die Jesus als Auferstandenen sah (Mk 16,9; Joh 20,11-18). S. Anm. zu V. 4. Johanna. Ihr Ehemann war der Verwalter von Herodes. S. Anm. zu 8,3. Maria, die Mutter des Jakobus. S. Anm. zu Mt 27,56. die übrigen. Frauen, die nirgends näher identifi ziert werden (vgl. 23,49.55).
24,11 Märchen. Die Kunde der Auferstehung erschien ihnen als Unsinn.
24,12 Petrus … lief. Johannes lief zusammen mit Petrus und kam sogar als erster am Grab an (Joh 20,4). leinenen Tücher. Die leere Hülle der Tücher, in denen der Leichnam gelegen hatte.
24,13 Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet wer- den. Vgl. 10,22. Die Erretten sind diejenigen, die ausharren – und nicht jene, deren Liebe erkaltet (V. 12). Das bedeutet nicht, dass unser Ausharren unsere Errettung gewährleistet. Die Schrift lehrt überall genau das Gegenteil: Gott ist es, der als Bestandteil seines Heilswerkes unser Ausharren wirkt. Wahre Gläubige werden »in der Kraft Gottes bewahrt durch den Glauben zu dem Heil« (1Pt 1,5). Die Garantie unseres Ausharrens gründet sich auf die Verheißung des Neuen Bundes. Gott sagt: »Ich will meine Furcht in ihr Herz geben, dass sie nicht mehr von mir weichen sollen« (Jer 32,40). Die bloßen Bekenner, die von Christus abfallen, beweisen durch ihr Abfallen, dass sie von Anfang an keine wahren Gläubigen waren (1Joh 2,19). Dass Gott unser Ausharren bewirkt, heißt nicht, dass wir passiv bleiben. Er bewahrt uns »durch den Glauben« (1Pt 1,5), d.h. durch unseren Glauben. Die Schrift ruft uns manchmal auf, an unserem Glauben festzuhalten (Hebr 10,23; Offb 3,11), und sie warnt uns vor dem Abfallen (Hebr 10,26-29). Solche Ermahnungen stellen nicht die vielen Verheißungen in Abrede, dass wahre Gläubige ausharren werden (Joh 10,28.29; Röm 8,38.39; 1Kor 1,8.9; Phil 1,6). Vielmehr gehören diese Warnungen und Appelle zu den Mitteln, die Gott benutzt, um unser Ausharren im Glauben zu bewirken. Es fällt auf, dass Warnungen und Verheißungen in der Schrift oft nebeneinander stehen. Wenn z.B. Judas die Gläubigen auffordert: »Bewahrt euch in der Liebe Gottes« (Jud 21), weist er sie kurz danach auf Gott hin, »der mächtig ist, euch ohne Straucheln zu bewahren« (Jud 24). 24,13 zwei von ihnen. Sie gehörten offensichtlich nicht zu den elf Jüngern. In V. 18 erfahren wir, dass einer von ihnen Kleopas hieß. Emmaus. Dieser Ort wird nirgends sonst in der Bibel erwähnt. Seine Lage ist nicht bekannt, doch die Tradition besagt, es sei eine heute unter dem Namen Kubeibeh bekannte Stadt etwa 11 km nordwestlich von Jerusalem.
24,16 auf die Berge. Wahrscheinlich ist damit das Gebiet südöst- lich von Jerusalem gemeint, insbesondere die Umgegend des Toten Meeres, wo es viele Höhlen und Zufl uchtsstätten gibt. Hier versteckte David sich vor Saul (1Sam 24,1). Dazu gehört auch das Bergland von Moab und Edom. 24,16 Ihre Augen aber wurden gehalten. Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten.
24,18 Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem. Die Kreu- zigung Jesu hatte sich bereits in ganz Jerusalem so herumgesprochen, dass die zwei entsetzt waren, dass er davon offenbar nichts wusste.
24,21 große Drangsal. Die Beschreibung »wie bis jetzt keine ge- wesen ist und auch keine mehr kommen wird« und die darauf folgende Schilderung belegen, dass es hier um eine noch zukünftige Zeit geht, in der Gott seinen Zorn auf die Erde gießt (s. Anm. zu Offb 7,14). Die Beschreibungen der anschließenden Katastrophen erinnern an die Gerichte der Zornesschalen in Offb 16 und an das darauf folgende Erscheinen des Herrn in Offb 19 (s. Anm. zu V. 30). 24,21 Wir aber hofften. Sie hatten auf ein sofortiges irdisches Reich gehofft. Als Jesus gekreuzigt wurde, rangen sie offenbar mit Zweifeln, ob er wirklich der Messias war, der zur Herrschaft kommen sollte. Doch hielten sie ihn immer noch für einen wahren Propheten (V. 19). der dritte Tag. Vielleicht schwingt in diesen Worten ein leichter Hoffnungsschimmer mit. Ihnen waren bereits Gerüchte über seine Auferstehung zu Ohren gekommen (V. 22-24). Vielleicht erinnerte sich Kleopas an die Verheißungen des Herrn aus 9,22 und 18,33. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er auf diese Weise sein Erstaunen ausdrückte, dass dieser Fremde noch nicht die Neuigkeit kannte, die während der letzten drei Tage in Jerusalem in aller Munde gewesen war. 24,24 etliche der Unsrigen. Petrus und Johannes (s. Anm. zu V. 12). ihn selbst aber haben sie nicht gesehen. Das stimmte. Kleopas und sein Begleiter wussten offenbar noch nichts davon, dass Jesus Maria Magdalena erschienen war (s. Anm. zu V. 4).
24,26 glaubt es nicht. Niemand sollte die Behauptung selbst er- nannter Messiasse ernst nehmen; denn niemand wird die Wiederkunft Christi übersehen oder verpassen (V. 27.28). 24,26 Musste nicht. D.h. »war das nicht notwendig?«. Die Pro- phezeiungen im AT sprachen oft von einem leidenden Knecht Jahwes (s. Anm. zu V. 27).
24,27 bei Mose und bei allen Propheten. Vers 44 nennt eine dreifache Unterteilung der Bibel, hier steht eine Kurzform, die dasselbe besagt. in allen Schriften. Gemäß der unergründlichen Weisheit der Vorsehung Gottes ist uns nicht überliefert, wie Jesus die messianischen Prophezeiungen des AT auslegte. Doch seine Auslegung umfasste zweifellos eine Erklärung des alttestamentlichen Opfersystems, denn dieses war voller Vorbilder und Symbole auf sein Leiden und Sterben. Außerdem wird er sie auf die wichtigsten prophetischen Abschnitte über die Kreuzigung hingewiesen haben, wie z.B. Ps 16,9-11; 22; 69; Jes 52,14-53,12; Sach 12,10; 13,7. Darüber hinaus hat er ihnen sicherlich die wahre Bedeutung von Bibelstellen erklärt wie 1Mo 3,15; 4Mo 21,69; Ps 16,10; Jer 23,5.6; Dan 9,26, sowie zahllose weitere messianische Prophezeiungen, insbesondere solche, die auf seinen Tod und seine Auferstehung hinweisen.
24,30 das Zeichen des Menschensohnes. D.h. der Sohn des Men- schen selbst ist das Zeichen. Die hier beschriebenen Ereignisse stimmen genau mit den Beschreibungen in Dan 7,13 und Offb 19,11-21 überein. werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen. D.h. wehklagen wegen ihrer Rebellion. Insbesondere wird Israel beklagen, dass es den Messias verworfen hat (vgl. Sach 12,10-12). 24,30 nahm er das Brot. Ein gewöhnlicher Ausdruck, der bedeu- tet, ein Mahl gemeinsam einzunehmen (V. 35).
24,31 von einem Ende des Himmels bis zum anderen. Alle Er- wählten vom Himmel und von der Erde werden zusammengebracht und vor Christus versammelt. Das ist der Höhepunkt der Weltgeschichte und der Auftakt zur tausendjährigen Herrschaft Christi (vgl. Offb 20,4). 24,31 wurden ihnen die Augen geöffnet. Von Gott. Bis zu die- sem Augenblick hatte Gott sie in seiner Souveränität daran gehindert, Jesus zu erkennen (vgl. V. 16). Sein Auferstehungsleib war verherrlicht und sah anders aus als vorher (s. die Beschreibung durch Johannes in Offb 1,13-16). Das erklärt sicherlich, warum selbst Maria ihn zuerst nicht erkannte (vgl. Joh 20,14-16). Doch hier war es Gott, der sie aktiv daran hinderte, ihn zu erkennen, bis er sie verließ. er verschwand vor ihnen. Sein Auferstehungsleib war zwar real und greifbar (Joh 20,27) und er konnte damit sogar normale Nahrung aufnehmen (V. 42.43), aber dennoch hatte er bestimmte Eigenschaften, die zeigen, dass es ein verherrlichter Leib war, der auf geheimnisvolle Weise anders war (vgl. 1Kor 15,35-54; Phil 3,21). Christus konnte leiblich erscheinen und wieder verschwinden, wie wir es in dieser Begebenheit sehen. Sein Leib konnte feste Gegenstände durchdringen, wie z.B. die Grabtücher (s. Anm. zu V. 12) oder die Wände und Türen eines verschlossenen Raums (Joh 20,19.26). Er konnte offenbar große Entfernungen in einem kurzen Augenblick zurücklegen, denn als diese Jünger wieder in Jerusalem ankamen, war Christus bereits dem Petrus erschienen (V. 34). Dass er leibhaftig in den Himmel auffuhr, zeigt, dass sein Auferstehungsleib bereits für den Himmel bestimmt war. Und doch war es sein Leib – derselbe Leib, der im Grab gelegen hatte und der dort fehlte und der sogar noch seine Erkennungszeichen trug wie die Wundmale der Nägel (Joh 20,25-27). Er war weder ein Geistwesen noch eine körperlose Erscheinung.
24,34 Dieses Geschlecht. Das kann sich nicht auf die Generation beziehen, die zur Zeit Jesu lebte, denn »dies alles« geschah nicht zur ihrer Lebzeit: der Gräuel der Verwüstung (V. 15), die Verfolgungen und Gerichte (V. 17-22), die falschen Propheten (V. 23-26), die Zeichen am Himmel (V. 27-29), Christi Wiederkunft (V. 30) und die Sammlung der Erwählten (V. 31). Am ehesten meinte der Herr mit »diesem Geschlecht« die Generation, die zu der Zeit lebt, wenn die letzten schweren Geburtswehen beginnen (s. Anm. zu V. 14). Das würde auch zur Lektion des Feigenbaums passen: Es ist nur eine kurze Zeitspanne, in der »dies alles« geschehen wird (s. Anm. zu V. 32). 24,34 dem Simon erschienen. Vgl. 1Kor 15,5-8. Die Bibel erwähnt mindestens zehn verschiedene Erscheinungen Christi zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt. Er erschien folgenden Personen: 1.) Maria Magdalena am Grab (Mk 16,9; Joh 20,11-18); 2.) den Frauen auf dem Weg (Mt 28,9.10); 3.) den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (V. 13-32); 4.) Petrus (V. 34); 5.) zehn der elf Jünger, wobei Thomas fehlte (V. 36-43; Mk 16,14; Joh 20,19-25); 6.) acht Tage später den elf Jüngern einschließlich Thomas (Joh 20,26-31); 7.) sieben Jüngern am Ufer des Sees Genezareth (Joh 21,1-25); 8.) mehr als fünfhundert Jüngern, wahrscheinlich auf einem Berg in Galiläa (1Kor 15,6; s. Anm. zu Mt 28,16); 9.) Jakobus (1Kor 15,7); und 10.) den Aposteln bei der Himmelfahrt (Apg 1,3-11). Nach seiner Himmelfahrt erschien er Paulus (1Kor 15,8). Seine nächste Erscheinung wird in Herrlichkeit sein (Mt 24,30).
24,36 Tag … und Stunde. S. Anm. zu Mk 13,32. Die Jünger woll- ten die genaue Zeit erfahren, aber dieses Wissen stand ihnen nicht zu (Apg 1,7). Stattdessen betont Christus die Notwendigkeit von Glauben, Wachsamkeit, treuer Verwalterschaft und ständiger Bereitschaft. Das sind die Lektionen, die er in den nun folgenden Gleichnissen lehrt. 24,36 trat Jesus selbst in ihre Mitte. Die Türen waren geschlos- sen und verriegelt (Joh 20,19). S. Anm. zu V. 31.
24,39 Seht an meinen Händen und meinen Füßen. Er zeigte ihnen die Nägelmale, um ihnen zu beweisen, dass er es wirklich war. Vgl. Joh 20,27.
24,41 S. Anm. zu V. 31. Vgl. Apg 10,41.
24,44 zu einer Stunde, da ihr es nicht meint. Die nun folgenden Gleichnisse lehren die Jünger Jesu, bereit zu sein für den Fall, dass er früher kommt als erwartet (V. 43-51) und ebenfalls bereit zu sein für den Fall, dass er länger verzieht als erwartet (25,1-13). 24,44 im Gesetz Moses und in den Propheten und den Psal- men. D.h. im ganzen AT. S. Anm. zu V. 27.
24,45 Der böse Knecht steht für einen Ungläubigen, der sich weigert, die Verheißung der Wiederkunft Christi ernst zu nehmen (vgl. 2Pt 3,4). Obwohl er ein Ungläubiger ist (wie seine Bestrafung zeigt – s. Anm. zu 22,13), ist er dennoch vor Christus verantwortlich für seine Zeit. Jesus lehrte hier, dass jeder Mensch auf der Welt alles, was er hat, von Gott anvertraut bekommen hat – sein Leben, seine natürlichen Fähigkeiten, seinen Wohlstand, seinen Besitz –, und dass er darüber Rechenschaft ablegen muss, wie er diese Dinge eingesetzt hat. 24,45 Da öffnete er ihnen das Verständnis. Zweifellos belehrte er sie aus dem Alten Testament, wie er es zuvor auf dem Weg nach Emmaus getan hatte (s. Anm. zu V. 27). Doch der Hauptgedanke dieses Ausdrucks ist der, dass er ihren Verstand übernatürlich erleuchtete, damit sie die Wahrheiten verstanden, die er ihnen erklärte. Einst konnten sie es nicht verstehen (9,45), doch jetzt sahen sie es klar und deutlich (vgl. Ps 119,18; Jes 29,18.19; 2Kor 3,14-16).
24,46 Dieser Abschnitt enthält mehrere Gedanken, die zu Be- ginn der Apostelgeschichte wiederholt werden. Dazu gehören Jesu Leiden und Auferstehung (V. 46; Apg 1,3); die Botschaft von Buße und Sündenvergebung (V. 47; Apg 2,38); die Jünger als seine Zeugen (V. 48; Apg 1,8); die Verheißung vom Vater (V. 49; Apg 1,4); das Verweilen in Jerusalem (V. 49; Apg 1,4) und der Beginn der dortigen Evangeliumsverkündigung (V. 47; Apg 1,8); Kraft vom Himmel (V. 49; Apg 1,8); die Himmelfahrt Jesu (V. 51; Apg 1,9-11); die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem (V. 52; Apg 1,12) und ihr Zusammenkommen im Tempel (V. 53; Apg 2,46). 24,46 So steht es geschrieben. Im AT. S. Anm. zu V. 27. 24,47 Das war »der Missionsbefehl« (vgl. Mt 28,19.20; Mk 16,15). 24,49 die Verheißung meines Vaters. D.h. der Heilige Geist (Joh 14,26; 15,26; vgl. Joel 3,1.2; Apg 2,1-4). 1,1-18 Diese Verse bilden den Prolog, in dem viele der grundlegenden Themen angekündigt werden, die Johannes im weiteren Verlauf behandelt, besonders das Hauptthema, dass »Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist« (V. 12-14.18; vgl. 20,31). Wir fi nden hier mehrere Schlüsselbegriffe (z.B. Leben, Licht, Zeugnis, Herrlichkeit), die im ganzen Evangelium wiederholt auftauchen. Der Rest des Evangeliums führt das Thema des Prologs weiter aus, wie das ewige »Wort« Gottes, Jesus der Messias und Sohn Gottes, Fleisch wurde und unter den Menschen diente, so dass alle, die an ihn glauben, errettet würden. Obwohl Johannes den Prolog mit dem einfachsten Vokabular des NTs abfasste, besitzen die enthaltenen Wahrheiten größtmögliche Tiefe. Sechs grundlegende Wahrheiten über Christus als den Sohn Gottes werden im Prolog vermittelt: 1.) die ewige Existenz Christi (V. 1-3); 2.) die Fleischwerdung Christi (V. 4.5); 3.) der Vorläufer Christi (V. 6-8); 4.) der unerkannte Christus (V. 9-11); 5.) der allmächtige Christus (V. 12.13); und 6.) die Herrlichkeit Christi (V. 14-18). 1,1 Im Anfang. Dies steht im Gegensatz zu 1Joh1,1, wo Johannes einen ähnlichen Ausdruck verwendet (»von Anfang«), um sich auf den Beginn des Dienstes Jesu und das Predigen seines Evangeliums zu beziehen. Hier jedoch fi ndet sich eine Parallele zu 1Mo 1,1, wo der gleiche Ausdruck benutzt wird. Johannes verwendete den Ausdruck im absoluten Sinne, um von dem Anfang des zeitlichen materiellen Universums zu sprechen. war. Das Verb hebt die ewige Existenz des »Wortes« hervor – die ewige Existenz Jesu Christi. Bevor es das Universum gab, existierte die zweite Person der göttlichen Dreieinheit, d.h. er existierte schon immer (vgl. 8,58). Dieses Wort wird im Gegensatz zu dem in V. 3 verwendeten Ausdruck »was entstanden ist« benutzt, womit ein Anfang in der Zeit angedeutet wird. Aufgrund des Hauptthemas des Johannes, dass Jesus Christus ewiger Gott ist, die zweite Person der göttlichen Dreieinheit, enthält sein Evangelium keinen Stammbaum wie bei Matthäus und Lukas. In Bezug auf sein Menschsein besaß Jesus einen menschlichen Stammbaum, hinsichtlich seiner Gottheit jedoch nicht. das Wort. Johannes leiht sich den Begriff »Wort« nicht nur aus dem Vokabuklar des ATs, sondern auch aus der gr. Philosophie. Dort wurde der Begriff im Wesentlichen ohne Bezug auf eine Person verwendet und deutete auf einen »göttlichen Grund« hin, auf etwas »Geistiges« oder auch auf »Weisheit«. Johannes füllte den Begriff jedoch ausschließlich mit alttestamentlicher und christlicher Bedeutung (z.B. 1Mo 1,3, wo das Wort Gottes die Welt erschuf; Ps 33,6; 107,20; Spr 8,27, wo Gott sich durch sein Wort in der Schöpfung, in seiner Weisheit und in der Errettung machtvoll darstellt) und bezog es auf eine Person, auf Jesus Christus. Der Gebrauch in der gr. Philosophie bildet somit nicht den Hintergrund in Johannes’ Gedanken. Der Begriff »Wort« dient absichtlich als eine Art Brückenwort, um nicht nur Juden zu erreichen, sondern auch die unerretteten Griechen. Johannes wählte diesen Begriff, da er sowohl Juden als auch Griechen vertraut war. das Wort war bei Gott. Das Wort war als die zweite Person der Dreieinheit seit aller Ewigkeit in vertrauter Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. Doch obwohl das »Wort« den Glanz des Himmels und die Ewigkeit mit dem Vater genoss (Jes 6,1-13; vgl. 12,41; 17,5), gab es seinen himmlischen Status bereitwillig auf, nahm Menschengestalt an und erlitt den Kreuzestod (s. Anm. zu Phil 2,6-8). war Gott. Der gr. Satzbau betont, dass das Wort das ganze Wesen und alle Merkmale der Gottheit besaß – d.h., dass Jesus, der Messias, vollkommen Gott war (vgl. Kol 2,9). Sogar in seiner Menschwerdung, als er sich selbst entleerte, hörte er nicht auf, Gott zu sein, stattdessen nahm er eine reale menschliche Natur und einen menschlichen Körper an und verzichtete freiwillig darauf, die Merkmale seiner Gottheit in Unabhängigkeit von seinem Menschsein auszuüben. 1,3 Alles ist durch dasselbe entstanden. Durch Jesus Christus hat Gott, der Vater, das ganze Universum geschaffen (Kol 1,16.17; Hebr 1,2). 1,4.5 Leben … Licht … Finsternis. Johannes macht den Leser mit gegenüberstellenden Themen bekannt, die im ganzen Evangelium auftauchen. »Leben« und »Licht« sind Eigenschaften des »Wortes«, die nicht nur die Personen der Gottheit gemeinsam haben (5,26), sondern auch die Menschen, die das Evangelium von Jesus Christus annehmen (8,12; 9,5; 10,28; 11,25; 14,6). Johannes benutzt das Wort »Leben« etwa 36-mal in seinem Evangelium, weitaus häufi ger als in jedem anderen Buch des NTs. In erweitertem Sinne bezieht es sich nicht nur auf physisches und zeitliches Leben, welches der Sohn der geschaffenen Welt durch seine Beteiligung an der Schöpfung verliehen hat (V. 3), sondern insbesondere auch auf das geistliche und ewige Leben, das durch den Glauben an ihn geschenkt wird (3,15; 17,3; Eph 2,5). In der Schrift sind »Licht« und »Finsternis« sehr vertraute Bilder. In intellektueller Hinsicht spricht »Licht« von der biblischen Wahrheit, während »Finsternis« für Irrtum oder Unwahrheit steht (vgl. Ps 119,105; Spr 6,23). Im moralischen Sinne meint »Licht« Heiligkeit oder Reinheit (1Joh1,5), wohingegen sich »Finsternis« auf Sünde oder Missetat bezieht (3,19; 12,35.46; Röm 13,11-14; 1Th 5,4-7; 1Joh1,6; 2,8-11). »Finsternis« besitzt eine spezielle Bedeutung hinsichtlich des Teufels (und seines dämonischen Gefolges), der über die gegenwärtige Welt des geistlich Bösen herrscht (1Joh5,19). Er ist »der Fürst, der in der Luft herrscht«, der geistliche Finsternis und Rebellion gegen Gott verursacht (Eph 2,2). Johannes verwendet den Begriff »Finsternis« 14-mal (achtmal in seinem Evangelium und sechsmal in 1Joh) – da es insgesamt nur 17-mal im NT vorkommt, erscheint es beinahe wie ein exklusives Wort des Johannes. Bei Johannes haben »Licht« und »Leben« ihre spezielle Bedeutung in Bezug auf Jesus Christus, dem »Wort« (V. 9; 9,5; 1Joh1,5-7; 5,12.20). 1,5 begriffen. Das Wort »bezwungen« würde der Bedeutung dieses Ausdrucks im Kontext näher kommen. Finsternis ist nicht in der Lage, das Licht zu überwältigen oder zu besiegen. So wie eine einzige Kerze einen dunklen Raum einnehmen kann, werden die Mächte der Finsternis durch die Person und den Kreuzestod des Sohnes bezwungen (vgl. 19,11a). 1,6 von Gott gesandt. Als Vorläufer Jesu sollte Johannes von ihm zeugen als dem Messias und Sohn Gottes. Mit dem Dienst des Johannes endeten die »400 Jahre des Schweigens« zwischen dem Ende des ATs und dem Beginn der ntl. Zeit, in denen Gott sich nicht offenbarte. Johannes. Der Name »Johannes« bezieht sich in diesem Evangelium immer auf Johannes den Täufer, niemals auf den Apostel Johannes. Der Verfasser dieses Evangeliums nennt ihn lediglich »Johannes« ohne den Zusatz »der Täufer« und unterscheidet sich dadurch von den anderen Evangelien, in denen diese zusätzliche Bezeichnung als Identifi zierung gebraucht wird (Mt 3,1; Mk 1,4; Lk 7,20). Zudem gibt sich der Apostel Johannes (oder der Sohn des Zebedäus) im Evangelium nirgendwo direkt mit seinem Namen zu erkennen, obwohl er einer der drei engsten Weggefährten Jesu war (Mt 17,1). Ein solches Auslassen ist ein starkes Argument für die Verfasserschaft des Apostels Johannes und dafür, dass seine Leser sehr wohl wussten, dass er das Evangelium abfasste, welches seinen Namen trägt. Weitere Informationen über Johannes den Täufer fi nden sich in Mt 3,1-6; Mk 1,2-6; Lk 1,5-25.57-80. 1,7 Zeugnis … Zeugnis zu geben. Den Ausdrücken »Zeugnis« oder »Zeugnis geben« wird in diesem Evangelium eine besondere Aufmerksamkeit zuteil; sie geben die Gerichtssprache des ATs wieder, wo die Wahrheit einer Sache durch mehrere Zeugen bestätigt werden musste (8,17.18; vgl. 5Mo 17,6; 19,15). Nicht nur Johannes der Täufer bezeugte, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes sei (V. 19-34; 3,27-30; 5,35), es gab zudem noch weitere Zeugen: 1.) die samaritische Frau (4,29); 2.) die Werke Jesu (10,25); 3.) der Vater (5,32-37); 4.) das AT (5,39.40); 5.) die Volksmenge (12,17) und 6.) der Heilige Geist (15,26.27). damit alle durch ihn glaubten. »Ihn« bezieht sich nicht auf Christus, sondern auf Johannes, der das Mittel zum Zeugnis über Christus war. Die Absicht dieses Zeugnisses war, dass die Menschen an Jesus Christus als den Erretter der Welt glauben würden. 1,8 Nicht er war das Licht. Während Johannes der Täufer der Übermittler des Glaubens war, ist Jesus Christus der Gegenstand des Glaubens. Obgleich die Person und der Dienst Johannes des Täufers äußerst wichtig war (Mt 11,11), war er lediglich der Vorläufer, der das Kommen des Messias ankündigte. Viele Jahre nach Johannes’ Dienst und Tod gab es noch immer Menschen, die seine untergeordnete Rolle nicht verstanden hatten (Apg 19,1-3). 1,9 Das wahre Licht … sollte in die Welt kommen. In der Fußnote der unrevidierten sowie auch der revidierten Elberfelder Bibel wird folgende mögliche Übersetzung wiedergegeben: »Das jeden Menschen, der in die Welt kommt, erleuchtet.« Die Aussage in der Luther-Bibel entspricht dieser Fußnote. Die Übersetzung – die sich im laufenden Text der beiden Elberfelder Bibeln und auch in der hier verwendeten Schlachter Bibel fi ndet – ist jedoch ebenso möglich, da sich die Worte »sollte in die Welt kommen« in grammatikaler Hinsicht sowohl auf »Licht« als auch auf »jeden Menschen« beziehen kann. Hierdurch wird die Menschwerdung Jesu Christi betont (V. 14; 3,16). welches jeden Menschen erleuchtet. Durch Gottes souveräne Macht besitzt jeder Mensch genügend Licht, um verantwortlich zu sein. Gott hat dem Menschen in der Schöpfung und im menschlichen Gewissen das von Gott Erkennbare geoffenbart. Die Folge der allgemeinen Offenbarung Gottes ist jedoch nicht die Errettung, sondern entweder die Hinführung zum vollkommenen Licht Jesu Christi oder in die Verdammung derer, die dieses »Licht« verwerfen (s. Anm. zu Röm 1,19.20; 2,12-16). Das Kommen Jesu Christi war die Erfüllung und Verkörperung des Lichtes, welches Gott in das Herz des Menschen gelegt hatte. die Welt. Der elementare Sinn dieses gr. Wortes, das u.a. die Bedeutung von »Zierde« oder »Verzierung« beinhaltet, wird in 1Pt 3,3 mit dem Wort »Schmuck« wiedergegeben. Im NT kommt es insgesamt 185-mal vor, wobei Johannes eine besondere Vorliebe für diesen Ausdruck hatte und ihn 78-mal in seinem Evangelium, 24mal in den drei Johannesbriefen und dreimal in der Offenbarung gebrauchte. Johannes verleiht ihm unterschiedliche Bedeutungen: 1.) das physikalische geschaffene Universum (V. 9; vgl. V. 3; 21,24.25); 2.) die allgemeine Menschheit (3,16; 6,33.51; 12,19) und 3.) das von Satan beherrschte unsichtbare geistliche System des Bösen und alles, was im Widerstand zu Gott, seinem Wort und seinem Volk steht (3,19; 4,42; 7,7; 14,17.22.27.30; 15,18.19; 16,8.20.33; 17,6.9.14; vgl. 1Kor 1,21; 2Kor 4,4; 2Pt 1,4; 1Joh5,19). Die letzte Bedeutung stellt den neuen und wichtigen Gebrauch des Ausdrucks im NT dar, der im JohannesEvangelium überwiegt. In den meisten Fällen hat dies Wort bei Johannes einen entschieden negativen Unterton. 1,11 sein Eigentum … die Seinen. »Sein Eigentum« bezieht sich auf die Menschheit im Allgemeinen, während der Ausdruck »die Seinen« für das jüdische Volk steht. Weil das »Wort« der Schöpfer ist, gehört ihm die Welt als Eigentum; doch die Welt erkannte ihn wegen ihrer geistlichen Blindheit nicht einmal (vgl. ebenso V. 10). Johannes verwendet den Ausdruck »die Seinen« in einem engergefassten Sinn, um sich auf Jesu menschliche Abstammung, auf das jüdische Volk, zu beziehen. Obwohl sie die Schriften besaßen, die von seiner Person und seinem Kommen erzählten, nahmen die Juden ihn nicht auf (Jes 65,2.3; Jer 7,25). Die Verwerfung des verheißenen Messias durch die Juden wird im JohannesEvangelium besonders betont (12,37-41). 1,12.13 Diese Verse stehen im Kontrast zu V. 10.11. Johannes schwächt die radikale Verwerfung des Messias ab durch die Hervorhebung eines gläubigen Überrestes. Es ist wie eine Vorschau auf das gesamte Buch, da die ersten zwölf Kapitel die Verwerfung Christi darstellen, während Kap. 13-21 sich auf den gläubigen Überrest konzentrieren, der ihn aufnahm. 1,12 Allen aber, die ihn aufnahmen … denen, die an seinen Namen glauben. Der zweite Satzteil beschreibt den ersten. Ihn, der das Wort Gottes ist, aufzunehmen, bedeutet, seine Ansprüche anzuerkennen, ihm zu glauben und sich ihm folglich in Treue zu ergeben. gab. Das Wort betont die Gnade Gottes, die das Geschenk der Errettung beinhaltet (vgl. Eph 2,8-10). Anrecht. Jene, die Jesus, »das Wort«, aufnehmen, erhalten das Recht, den erhabenen Titel »Kinder Gottes« führen zu dürfen. seinen Namen. Der Name bezeichnet den Charakter der Person. S. Anm. zu 14,13.14. 1,13 aus Gott. Die Seite Gottes bei der Errettung: Letzten Endes ist es nicht der Wille eines Menschen, der zur Errettung führt, sondern der Wille Gottes (vgl. 3,6-8; Tit 3,5; 1Joh2,29). 1,14 das Wort wurde Fleisch. Obwohl Christus, da er Gott ist, nicht geschaffen wurde und ewig existiert (s. Anm. zu V. 1), betont das Wort »wurde«, dass er Menschengestalt annahm (vgl. Hebr 1,1-3; 2,1418). Das ist mit Sicherheit die tiefgründigste aller Wahrheiten, denn sie bedeutet, dass der Unendliche zu etwas Endlichem wurde; der Ewige wurde der Zeit unterworfen; der Unsichtbare wurde sichtbar; der Übernatürliche beschränkte sich auf das Natürliche. In der Menschwerdung hörte er jedoch nicht auf, Gott zu sein, sondern wurde zu Gott im Fleisch, gemeint ist unverminderte Gottheit in der Gestalt eines Menschen (1Tim 3,16). wohnte. Eig.: »ein Zelt aufschlagen« oder »in einem Zelt leben«. Der Ausdruck erinnert an das Zelt im AT, wo Gott seinem Volk begegnete, bevor der Tempel gebaut wurde (2Mo 25,8). Es wurde das »Zelt der Begegnung« genannt (2Mo 33,7; »Zelt des Zeugnisses« – LXX), wo »der HERR aber mit Mose von Angesicht zu Angesicht redete, wie ein Mann mit seinem Freunde redet« (2Mo 33,11). Im NT wollte Gott, indem er Mensch wurde, unter seinem Volk in weitaus persönlicherer Weise wohnen. Als das Zelt im AT fertig war, erfüllte die Herrlichkeitswolke des Herrn das ganze Bauwerk (2Mo 40,34; vgl. 1Kö 8,10). Als das »Wort« Fleisch wurde, war die herrliche Gegenwart der Gottheit in ihm verkörpert (vgl. Kol 2,9). wir sahen seine Herrlichkeit. Obwohl die menschliche Gestalt seine Gottheit verschleiert haben mochte, erhalten wir in den Evangelien einen Einblick in seine göttliche Majestät. Auf dem Berg der Verklärung sahen die Jünger etwas von seiner Herrlichkeit (Mt 17,18). Christi Herrlichkeit wurde nicht nur in sichtbarer Weise angedeutet, sondern auch in geistlicher Hinsicht. Sie sahen, wie er Wesensmerkmale Gottes zeigte (Gnade, Güte, Barmherzigkeit, Weisheit, Wahrheit etc.; vgl. 2Mo 33,18-23). eine Herrlichkeit als … vom Vater. Jesus zeigte in seiner Gottheit die gleiche wesenhafte Herrlichkeit wie der Vater. Sie sind eins in ihrem Wesen (vgl. 5,17-30; 8,19; 10,30). Eingeborenen. Der Ausdruck »Eingeborenen« ist eine falsche Übersetzung des gr. Wortes. Das Wort stammt nicht von dem Begriff, der »zeugen« bedeutet, sondern beinhaltet vielmehr den Gedanken »des einzig Geliebten«. Deshalb trägt er die Idee von vollkommener Einzigartigkeit in sich, einer Liebe wie für keinen anderen. Durch dies Wort betont Johannes den einzigartigen Charakter der Beziehung zwischen Gott, dem Vater, und Gott, dem Sohn (vgl. 3,16.18; 1Joh4,9). Es deutet nicht die Herkunft an, sondern vielmehr die einmalige Stellung; so wurde es z.B. für Isaak gebraucht (Hebr 11,17), der Abrahams zweiter Sohn war (Ismael war der Erstgeborene; vgl. 1Mo 16,15 mit 1Mo 21,2.3). voller Gnade und Wahrheit. Johannes hatte wahrscheinlich 2Mo 33.34 im Sinn. In dieser Begebenheit bat Mose, dass Gott ihm seine Herrlichkeit zeigen möge. Der Herr erwiderte Mose, er werde all seine »Güte« an ihm vorbeiziehen lassen, und als er vorüberzog, erklärte Gott: »Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue« (2Mo 33,18.19; 34,5-7). Diese Merkmale der Herrlichkeit Gottes heben die Güte des Wesens Gottes hervor – besonders in Bezug auf die Errettung. Jesus zeigte als Jahwe im AT (
24,4 kommt Maria Magdalena früh, als es noch fi nster war, zum Grab. Vielleicht erschien Jesus zuerst Maria Magdalena, weil er ihr diese Gnade durch seine persönliche und liebevolle Treue erweisen wollte, die doch eine so schreckliche Vergangenheit hinter sich hatte. Sicherlich lag der Grund auch in ihrer tiefen Liebe zu ihm, dass sie vor allen anderen am Grab erschien. Der Zweck ihres Kommens bestand darin, die Vorbereitungen der Grablegung des Leibes Jesu abzuschließen; deshalb brachte sie weitere Spezereien zur Salbung des Leichnams (Lk 24,1). 20,2 dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte. Gemeint ist der Verfasser Johannes. Sie haben … genommen. Obschon Jesus seine Auferstehung mehrfach vorausgesagt hatte, war es mehr als sie zu diesem Zeitpunkt glauben konnte. Es würde »vieler sicherer Kennzeichen« (Apg 1,3) der Begegnung mit ihm bedürfen, damit sie glauben konnten. 20,5-7 sah die leinenen Tücher daliegen. Es bestand ein Unterschied zwischen der Auferweckung des Lazarus (11,44) und der Auferstehung Jesu. Lazarus kam aus dem Grab, während er noch mit Grabtüchern umwickelt war, wohingegen Jesu Körper, trotz seiner physischen Existenz, verherrlicht und in der Lage war, die Grabtücher hinter sich zurückzulassen, in ähnlicher Weise wie er später in einen verschlossenen Raum trat (s. V. 19.20; vgl. Phil 3,21). die leinenen Tücher … das Schweißtuch. Der Zustand dieser Gegenstände deutete nicht auf Kampf hin, nicht auf ein eiliges Auswickeln des Körpers durch Grabräuber, die den Körper sowieso nicht ausgewickelt hätten, da der Transport des eingewickelten Körpers an einen anderen Ort viel leichter und angenehmer gewesen wäre. Alle Begegnungen lassen darauf schließen, dass den Körper niemand weggenommen hatte, sondern dass er durch die Grabtücher hindurch entwich und sie im Grab zurück ließ. 20,8 der andere Jünger. Johannes sah die Grabtücher und wurde durch sie überzeugt, dass er auferstanden war. 20,9 sie verstanden die Schrift noch nicht. Aber zu diesem Zeitpunkt verstanden weder Petrus noch Johannes, dass die Schrift sagte, Jesus werde auferstehen (Ps 16,10). Dies macht der Bericht von Lk deutlich (24,25-27.32.44-47). Jesus hatte seine Auferstehung vorhergesagt (2,17; Mt 16,21; Mk 8,31; 9,31; Lk 9,22), aber sie konnten es nicht begreifen (Mt 16,22; Lk 9,44.45). Während Johannes sein Evangelium schrieb, hatte sich in der Gemeinde ein Verständnis der atl. Prophezeiung über die Auferstehung des Messias entwickelt (vgl. »noch nicht«). 20,11-13 weinte. Marias Gefühl der Trauer und des Verlustes hatte sie möglicherweise zum Grab zurückgeführt. Anscheinend war sie Petrus und Johannes noch nicht wieder begegnet und wusste daher nichts von der Auferstehung (s. V. 9). 20,12 zwei Engel. Lk (24,4) beschreibt die beiden. Mt (28,2.3) und Mk (16,5) berichten nur von einem. Johannes erwähnt die Engel, um aufzuzeigen, dass der Körper nicht von Grabräubern weggenommen wurde. Es war das Wirken der Macht Gottes. 20,14 wusste nicht, dass es Jesus war. Der Grund, weshalb Maria Jesus nicht erkannte, ist unklar. Möglicherweise, weil ihre Augen verweint waren (V. 11). Vielleicht aber auch, weil ihre lebendigen Erinnerungen an Jesu verletzten Körper noch in ihr nachwirkten und seine Erscheinung nach der Auferstehung so ganz anders war, dass sie ihn nicht erkennen konnte. Eventuell konnte sie ihn ebenso wenig erkennen wie die beiden Emmaus-Jünger, weil Jesus sich ihr noch nicht offenbar gemacht hatte (s. Lk 24,16). 20,16 Maria! Was auch immer der Grund gewesen sein mag, dass sie Jesus nicht erkennen konnte, in dem Moment, als er »Maria« rief, erkannte sie ihn sofort. Das erinnert an Jesu Worte: »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach« (10,27; vgl. 10,3.4). 20,17 Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren. Aus Furcht ihn wieder zu verlieren, wollte Maria sich an seine physische Gegenwart klammern. Jesu Hinweis auf seine Himmelfahrt lässt erkennen, dass er nur vorübergehend bei ihnen sein würde, und obschon sie verzweifelt wünschte, er möge bei ihr bleiben, war ihm dies nicht möglich. Jesus war nur 40 Tage bei ihnen und fuhr dann in den Himmel auf (Apg 1,3-11). Nachdem er zum Vater gegangen war, sandte er den Heiligen Geist (»den Beistand«), so dass sie sich nicht verlassen fühlen mussten (s. Anm. zu 14,18.19). meinen Brüdern. Die Jünger wurden »Knechte« oder »Freunde« genannt (15,15), aber nicht »Brüder« – bis zu diesem Zeitpunkt. Diese neue Beziehung zu Christus wurde durch das stellvertretende Kreuzeswerk Jesu ermöglicht (Röm 8,14-17; Gal 3,26.27; Eph 1,5; Hebr 2,10-13). 20,19 an jenem Tag. S. Anm. zu V. 1. die Türen verschlossen waren. Das gr. Wort deutet an, dass die Türen aus Angst vor den Juden verschlossen waren. Da die religiöse Obrigkeit ihren Führer hatte töten lassen, erwarteten sie berechtigterweise, Jesu Schicksal könne ihr eigenes werden. Friede sei mit euch! S. Anm. zu 14,27; 16,33. Jesu Begrüßung ergänzt seinen Ausruf »es ist vollbracht«, denn sein Werk am Kreuz brachte Frieden zwischen Gott und seinen Kindern (Röm 5,1; Eph 2,14-17). 20,20 Jesus bewies, dass der ihnen Erschienene der gleiche war wie der Gekreuzigte (vgl. Lk 24,39). 20,21 Dieser Auftrag baut auf Joh 17,18 auf. S. Mt 28,19.20. 20,22 Da die Jünger den Heiligen Geist erst in ca. 40 Tagen, also zu Pfi ngsten empfi ngen (Apg 1,8; 2,1-3), muss diese Aussage als eine Zusicherung seitens Jesu verstanden werden, dass der Heilige Geist kommen werde. 20,23 S. Anm. zu Mt 16,19; 18,18. Dieser Vers gibt Christen nicht die Vollmacht, Sünden zu vergeben. Jesus sagte, dass der Gläubige aufgrund des Werkes Christi von der Sicherheit der Sündenvergebung durch den Vater sprechen kann, wenn ein Sünder Buße getan hat und dem Evangelium glaubt. Der Gläubige kann auch mit Bestimmtheit sagen, dass die Sünden derer nicht vergeben sind, die die Botschaft der Vergebung Gottes durch den Glauben an Christus nicht annehmen. 20,24-26 Thomas wurde bereits als treu aber pessimistisch dargestellt. Jesus tadelt Thomas nicht, sondern zeigt ihm stattdessen den Beweis seiner Auferstehung. Jesus berührte liebevoll seinen Schwachpunkt (2Tim 2,13). Thomas’ Reaktion beweist, dass Jesus die Jünger eindringlich von seiner Auferstehung überzeugen musste; sie waren keine leichtgläubigen Menschen, die geneigt waren, an eine Auferstehung zu glauben. Sie hätten die Auferstehung nicht erfunden, da sie sogar widerwillig an sie glaubten, als sie ihre Beweise sahen. 20,28 Mein Herr und mein Gott! Mit diesen Worten erklärte Thomas seinen festen Glauben an die Auferstehung und folglich die Gottheit Jesu, dem Messias und Sohn Gottes (Tit 2,13). Dies ist das größte Bekenntnis, das ein Mensch machen kann. Thomas’ Bekenntnis kann als der passende Höhepunkt der Schreibabsicht des Johannes gelten (s. V. 30.31). 20,29 Jesus sah die Zeit voraus, in der ein solch handfester Beweis, wie ihn Thomas erhielt, nicht mehr verfügbar sein würde. Nachdem Jesus für immer zum Vater aufgefahren war, glaubten alle Christen, ohne den auferstandenen Herrn gesehen zu haben. Jesus verkündete denen einen besonderen Segen, die ohne das dem Thomas gewährte Vorrecht glauben würden (1Pt 1,8.9). 20,30.31 Diese Verse stellen das Ziel und die Absicht dar, mit der Johannes das Evangelium schrieb (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 21,1-25 Der Epilog oder Anhang zum Johannes-Evangelium. Während 20,30.31 den Abschluss des vierten Evangeliums bilden, bieten die Informationen am Ende seiner Arbeit ein Gegengewicht zu seinem Prolog in 1,1-18. Der Epilog beschäftigt sich im Grunde genommen mit fünf Fragen, die in Kap. 20 unbeantwortet blieben. 1.) Wird Jesus nicht mehr in direkter Weise für die Seinen sorgen (vgl. 20,17)? Diese Frage wird in V. 1-14 beantwortet. 2.) Was geschah mit Petrus? Petrus hatte Christus dreimal verleugnet und fl oh anschließend. Petrus wurde das letzte Mal in 20,6-8 gesehen, wo er und Johannes das leere Grab erblickten, aber nur Johannes glaubte (20,8). Diese Frage wird in V. 15-17 beantwortet. 3.) Was wird aus der Zukunft der Jünger, jetzt, wo sie ohne ihren Meister sind? Diese Frage beantwortet V. 18.19. 4.) Sollte Johannes sterben? Jesus gibt die Antwort in V. 20-23. 5.) Warum berichtet das JohannesEvangelium nicht von anderen Dingen, die Jesus tat? Johannes beantwortet das in V. 24.25. 21,1 See von Tiberias. Ein anderer Name für den See von Galiläa, den nur Johannes verwendete (s. 6,1). 21,2 Simon Petrus. In allen Aufl istungen der Apostel steht er an erster Stelle, was auf seine Führungsposition in der Gruppe schließen lässt (z.B. Mt 10,2). 21,3 Ich gehe fi schen! Die plausibelste Erklärung, weshalb Petrus und die anderen zum Fischen an den See von Galiläa gingen, ist, dass sie der Anordnung des Herrn gehorchten, ihn in Galiläa zu treffen (Mt 28,16). Während sie auf Jesu Eintreffen warteten, gingen Petrus und die anderen auf Fischfang, womit sie früher ihren Lebensunterhalt verdient hatten. 21,4 Dies könnte eine weitere Begebenheit gewesen sein, in der der Herr sich von seinen Jüngern nicht erkennen ließ (20,14.15; vgl. Lk 24,16). 21,7 der Jünger, den Jesus lieb hatte. Johannes erkannte schon bald, dass der Fremde der auferstandene Herr war, da nur er eine solch übernatürliche Kenntnis und Macht besaß (V. 6). Spontan sprang Petrus ins Wasser, um den Herrn zu erreichen. 21,8 etwa 200 Ellen. Ungefähr 90 m vom Ufer entfernt. 21,9 Fisch … und Brot. Anscheinend hatte der Herr dieses Frühstück bereitet, so wie er die Volksmengen mit Nahrung versorgt hatte (6,1-13). 21,11 153 . Dass Johannes die genaue Zahl nennt, stützt die Tatsache, dass er als Verfasser ein Augenzeuge der von ihm geschilderten Ereignisse war (1Joh1,1-4). Dass Jesus hier für den Fisch sorgte, deutet an, dass er sich auch weiterhin um die Bedürfnisse seiner Jünger kümmern würde (s. Phil 4,19; Mt 6,25-33). 21,14 das dritte Mal. Das bezieht sich nur auf das Erscheinen des Herrn im Johannes-Evangelium, das erste Mal fi nden wir in 20,19-23 und das zweite in 20,26-29. 21,15-17 Die Bedeutung dieser Verse hängt vom Gebrauch zweier Synonyme für Liebe ab. Wenn zwei Synonyme im Kontext in unmittelbarer Nähe stehen, wird ein geringfügiger Unterschied in der Bedeutung hervorgehoben. Als Jesus Petrus fragte, ob er ihn liebt, benutzte er ein Wort für Liebe, das vollkommene Hingabe andeutet. Petrus erwiderte mit einem Wort für Liebe, das seine Zuneigung für Jesus erkennen lässt, aber nicht unbedingt seine vollkommene Hingabe. Dies tat er nicht, weil er diese größere Liebe nicht zum Ausdruck bringen wollte, sondern weil er ungehorsam gewesen war und den Herrn in der Vergangenheit verleugnet hatte. Vielleicht konnte er jetzt nicht behaupten, dass er eine solche Hingabe hat, da sein bisheriges Leben diesen Anspruch nicht bezeugte. Jesus machte Petrus die Notwendigkeit einer unerschütterlichen Hingabe deutlich, indem er ihn wiederholt fragte, ob ihm seine größte Liebe galt. Die entscheidende Botschaft ist hier, dass Jesus von seinen Nachfolgern vollkommene Hingabe fordert. Ihre Liebe für ihn muss größer sein als ihre Liebe zu allem anderen. Jesus konfrontierte Petrus mit 1,1 ersten Bericht. Das Lukasevangelium (Lk 1,1-4; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Dieser Bericht beschrieb das Leben und die Lehrtätigkeit Jesu bis zu seiner Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt (Lk 24,51). Theophilus. Der ursprüngliche Empfänger dieses Buches. S. Anm. zu Lk 1,3. alles, was Jesus anfi ng zu tun und zu lehren. Jesus hatte die Jünger durch Wort und Tat in allem unterwiesen, was notwendig war, um sein Werk fortzuführen. Am Kreuz hatte er das Erlösungswerk vollendet, doch die Verkündigung der Herrlichkeit dieser Erlösung stand noch ganz am Anfang. 1,2 aufgenommen. Christi Himmelfahrt zum Vater (vgl. Lk 24,51). Lukas beschreibt mit diesem Ausdruck noch drei weitere Male (V. 9.11.22) das Ende des irdischen Wirkens des Herrn (vgl. Joh 6,62; 13,1.3; 16,28; 17,13; 20,17). die er erwählt hatte. In seiner Souveränität erwählte der Herr die Apostel zum Heil und zum Dienst (vgl. Joh 6,70; 15,16). durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte. Der Heilige Geist war die Kraftquelle für Jesu irdisches Wirken (vgl. Mt 4,1; 12,18; Mk 1,12; Lk 3,22; 4,1.14.18) und für den Dienst der Apostel (vgl. Lk 24,49; Joh 14,16.17; 16,7). Mit »Befehl« sind hier autoritative Wahrheiten des NT gemeint, die den Aposteln geoffenbart wurden (vgl. Joh 14,26; 16,13-15). 1,3 erwies er sich … durch viele sichere Kennzeichen. Vgl. Joh 20,30; 1Kor 15,5-8. Um den Aposteln Freimütigkeit für die Verkündigung seiner Botschaft zu verleihen, betrat Jesus einen verschlossenen Raum (Joh 20,19), zeigte seine Kreuzigungs-Wundmale (Lk 24,39) und aß und trank mit den Jüngern (Lk 24,41-43). 40 Tagen. Das ist die Zeitspanne zwischen Jesu Tod und Himmelfahrt, während der er den Aposteln und anderen Gläubigen immer wieder erschienen ist (1Kor 15,5-8) und somit überzeugende Beweise für seine Auferstehung lieferte. Reich Gottes. Vgl. 8,12; 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31. Hier bezieht sich dieser Ausdruck auf die Sphäre des Heils, auf das von Gnade bestimmte Reich der göttlichen Herrschaft über die Herzen der Gläubigen (s. Anm. zu 1Kor 6,9; Eph 5,5; vgl. 17,7; Kol 1,13.14; Offb 11,15; 12,10). Das Reich Gottes war das vorherrschende Thema bei Jesu Wirken auf der Erde (vgl. Mt 4,23; 9,35; Mk 1,15; Lk 4,43; 9,2; Joh 3,3-21). 1,4 als er mit ihnen zusammen war. Die alternative Lesart »als er mit ihnen aß« wird bevorzugt (vgl. 10,41; Lk 24,42.43). Dass Jesus aß, ist ein weiterer Beweis für seine leibhaftige Auferstehung. die Verheißung des Vaters abzuwarten. Jesus verhieß mehrfach, dass Gott ihnen seinen Heiligen Geist senden werde (Lk 11,13; 24,49; Joh 7,39; 14,16.26; 15,26; 16,7; s. Anm. zu Joh 20,22). 1,5 Johannes hat mit Wasser getauft. S. Anm. zu 2,38; Joh 1,33. mit Heiligem Geist getauft werden. Die Apostel mussten bis zum Pfi ngsttag warten, doch seit diesem bedeutenden Ereignis werden alle Gläubigen bei der Errettung mit dem Heiligen Geist getauft (s. Anm. zu 1Kor 12,13; vgl. Röm 8,9; 1Kor 6,19.20; Tit 3,5.6). nicht lange nach diesen Tagen. Gottes Verheißung wurde nur 10 Tage später erfüllt. 1,6 stellst du in dieser Zeit für Israel die Königsherrschaft wieder her? Die Apostel glaubten immer noch, dass die irdische Form des messianischen Reiches bald aufgerichtet würde (vgl. Lk 19,11; 24,21). Außerdem wussten sie, dass in Hes 36 und Joel 2 der Beginn des Reiches mit dem Kommen des von Jesus verheißenen Heiligen Geistes verknüpft ist. 1,7 Dieser Vers zeigt, dass die Erwartung der Apostel eines buchstäblichen, irdischen Reiches das widerspiegelte, was Christus gelehrt und was das AT vorausgesagt hatte. Andernfalls hätte er sie in diesem wichtigen Aspekt seiner Lehre korrigiert. Zeiten oder Zeitpunkte. Diese beiden Begriffe bezeichnen Merkmale, Zeitperioden und Ereignisse der irdischen Königsherrschaft Christi, die mit seiner Wiederkunft beginnt (Mt 25,21-34). Der genaue Zeitpunkt seiner Wiederkunft bleibt jedoch ein nicht geoffenbartes Geheimnis (Mk 13,32; vgl. 5Mo 29,28). 1,8 Der Auftrag an die Apostel, das Evangelium zu verbreiten, war der vornehmliche Zweck, wozu der Heilige Geist ihnen Kraft verlieh. Dieses Ereignis änderte auf dramatische Weise den Verlauf der Weltgeschichte, und das Evangelium gelangte schließlich bis in alle Teile der Erde (Mt 28,19.20). Kraft empfangen. Die Apostel hatten bereits erlebt, dass der Heilige Geist sie durch seine Kraft rettete, leitete, belehrte und durch sie Wunder wirkte. Nur kurze Zeit später empfi ngen sie seine innewohnende Gegenwart und eine neue Dimension der Kraft zum Zeugnis (s. Anm. zu 2,4; 1Kor 6,19.20; Eph 3,16.20). Zeugen. Das sind Menschen, die die Wahrheit über Jesus Christus weitersagen (vgl. Joh 14,26; 1Pt 3,15). Das gr. Wort bedeutet »jemand, der für seinen Glauben stirbt«, denn das war der übliche Preis, ein Zeuge zu sein. Judäa. Das Gebiet, in dem Jerusalem lag. Samaria. Die Region, die nördlich an Judäa grenzte (s. Anm. zu 8,5). 1,9 emporgehoben. S. Anm. zu V. 2. Gott, der Vater, nahm Jesus mit seinem Auferstehungsleib aus dieser Welt heraus und setzte ihn an seinen rechtmäßigen Platz zu seiner Rechten (Lk 24,51; vgl. 2,33; Joh 17,1-6). eine Wolke. Als die Apostel die Himmelfahrt beobachteten, erschien dies sichtbare Zeichen für die Gegenwart der Herrlichkeit Gottes. Einige von ihnen erlebten hier nicht zum ersten Mal diese göttliche Herrlichkeit (Mk 9,26) und es war auch nicht das letzte Mal, dass Jesus in Begleitung von Wolken auftritt (Mk 13,26; 14,62; s. Anm. zu Offb 1,7). 1,10 zwei Männer in weißer Kleidung. Zwei Engel in Menschengestalt (vgl. 1Mo 18,2; Jos 5,13-15; Mk 16,5). 1,11 Männer von Galiläa. Alle Apostel stammten aus Galiläa (außer Judas, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits umgebracht hatte; vgl. V. 18). in derselben Weise. Eines Tages wird Christus zur Erde zurückkehren (zum Ölberg), und zwar in derselben Weise, wie er aufgefahren ist (in Wolken). Dann wird er sein Reich aufrichten (vgl. Dan 7,13; Sach 14,4; Mt 24,30; 26,64; Offb 1,7; 14,14). 1,12 Berg, welcher Ölberg heißt. Dieser große Hügel befi ndet sich östlich von Jerusalem jenseits des Kidrontals und erhebt sich gut 60 m über die Stadt. Von dort aus fuhr Jesus in den Himmel auf (Lk 24,50.51). Sabbatweg. Etwa 850 m (2.000 Ellen). Das war die größte Distanz, die ein gesetzestreuer Jude am Sabbat zurücklegen durfte, wenn er sich an die Vorschrift aus 2Mo 16,29 halten wollte. Dieses Maß ist eine Überlieferung, die auf Israels Wüstenlager zurückgeht. Die Zelte am Rand des Lagers waren 2.000 Ellen vom Heiligtum in der Mitte des Lagers entfernt, und das war die längste Entfernung, die jemand gehen musste, um das Heiligtum am Sabbat zu erreichen (Jos 3,4; vgl. 4Mo 35,5). 1,13 Obergemach. Dort hatten sie das letzte Abendmahl gefeiert (Mk 14,15) und dort war Jesus den Aposteln nach seiner Auferstehung erschienen. Bartholomäus. S. Anm. zu Mt 10,3. Dieser Jünger wurde auch Nathanael genannt (Joh 1,45-49; 21,2). Jakobus, der Sohn des Alphäus. S. Anm. zu Mt 10,2. Er ist identisch mit Jakobus dem Jüngeren, der auch der »Kleine« genannt und somit von Jakobus, dem Bruder des Johannes, unterschieden wird (Mk 15,40). Zelot. S. Anm. zu Mt 10,4. Judas, der Sohn des Jakobus. Die bevorzugte Lesart ist »der Bruder des«. S. Anm. zu Mt 10,3. Er war auch als Thaddäus bekannt (Mk 3,18). 1,14 beständig … im Gebet. Das ist der Beginn der Gewohnheit, im Namen Jesu zu beten (vgl. Joh 14,13.14). zusammen mit den Frauen. Dazu gehören zweifellos Maria Magdalena, Maria, die Frau des Klopas, die Schwestern Maria und Martha sowie Salome. Möglicherweise waren auch einige Ehefrauen der Apostel dabei. (vgl. 1Kor 9,5). Maria, der Mutter Jesu. S. Anm. zu Lk 1,27.28. Marias Name wird hier zum letzten Mal in der Bibel erwähnt. Brüdern. Jesu Halbbrüder, die in Mk 6,3 namentlich aufgeführt werden: Jakobus, Joses, Judas und Simon. Jakobus war der Führer der Jerusalemer Gemeinde (12,17; 15,13-22) und Autor des nach ihm benannten Briefes. Judas schrieb den Judasbrief. Zu diesem Zeitpunkt waren sie Neubekehrte, die zum Glauben an Jesus als ihren Gott, Retter und Herrn gekommen waren. Noch 8 Monate zuvor waren sie ungläubig (Joh 7,5). 1,15 in diesen Tagen. Irgendwann während der zehn Tage des Gebets und der Gemeinschaft der Gläubigen zwischen der Himmelfahrt und Pfi ngsten. Petrus. S. Anm. zu Mt 10,2. Der anerkannte Führer der Apostel übernahm die Leitung. 1,16 Männer und Brüder. Die 120 versammelten Gläubigen (V. 15). es musste dieses Schriftwort erfüllt werden. Die beiden ATStellen, die Petrus in V. 20 zitiert, sind Ps 69,26 und 109,8. Wenn Gott etwas prophezeit, wird es geschehen (vgl. Ps 115,3; Jes 46,10; 55,11). der Heilige Geist durch den Mund Davids. Eine der eindeutigsten Aussagen der Bibel über göttliche Inspiration. Gott sprach durch Davids Mund. Das »Sprechen« bezieht sich eigentlich auf seine Schriften (s. Anm. zu 2Pt 1,21). 1,17 das Los dieses Dienstes empfangen. Judas Ischariot war einer der 12, doch war er niemals wirklich errettet. Deshalb wird er »Sohn des Verderbens« genannt (Joh 17,12). S. Mt 26,24; Joh 6,64.70.71; vgl. 2,23; Lk 22,22. 1,18 Dieser erwarb einen Acker. Da das Landstück von dem Geld erworben wurde, das die führenden Juden Judas für seinen Verrat an Jesus gezahlt hatten und das er ihnen zurückgegeben hatte (Mt 27,310), bezeichnet Lukas Judas als den Käufer (vgl. Sach 11,12.13). Lohn der Ungerechtigkeit. Die 30 Silberstücke, die Judas bekommen hatte. stürzte kopfüber. Judas hatte sich offenbar an einem Baum erhängt, der über einen Abgrund ragte (Mt 27,5). Wahrscheinlich riss das Seil oder brach der Ast (oder der Knoten löste sich), so dass sein Körper auf dem felsigen Abgrund zerschmetterte. 1,19 Akeldama … Blutacker. Der aram. Name des Landstücks, das die führenden Juden erworben hatten. Die Tradition bezeichnet ein Feld südlich von Jerusalem als diesen Blutacker, im Hinnomtal, wo dieses Tal das Kidrontal kreuzt. Der Boden dort eignete sich gut zur Töpferei; daher nennt Matthäus ihn »Töpferacker« (Mt 27,7.10; s. Anm. zu V. 18). 1,20 es steht geschrieben. S. Anm. zu V. 16. Mit der Bibel benutzte Petrus den überzeugendsten Beweis, um den Gläubigen zu versichern, dass Judas’ Abfall und die Wahl eines anderen Apostels an seiner Stelle Gottes Absicht entsprach (vgl. Ps 55,13-16). 1,21 die mit uns gegangen. Die erste Anforderung für Judas’ Nachfolger war, dass er Jesus bei seinem irdischen Wirken begleitet hatte. 1,22 von der Taufe des Johannes. D.h. von Jesu Taufe durch Johannes den Täufer (Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21-23). mit uns Zeuge seiner Auferstehung. Als zweite Anforderung an den Nachfolger von Judas musste er den Auferstandenen gesehen haben. Die Auferstehung hatte in der apostolischen Verkündigung zentrale Bedeutung (vgl. 2,24.32; 3,15; 5,30; 10,40; 13,30-37). 1,23 Barsabas, mit dem Beinamen Justus. Barsabas bedeutet »Sohn des Sabbats«. Justus (»der Gerechte«) war Josephs lat. Name. Im Römischen Reich hatten viele Juden gleichbedeutende heidnische Namen. Matthias. Der Name bedeutet »Gabe Gottes«. Der antike Historiker Eusebius behauptet, Matthias sei einer der 70 von Lk 10,1 gewesen. 1,24 welchen … du erwählt hast. Judas’ Nachfolger sollte von Gottes Souveränität bestimmt werden (s. Anm. zu V. 20). 1,25 seinen eigenen Ort. Mit seinem Verwerfen Christi wählte Judas sein eigenes Schicksal in der Hölle. Es ist nicht ungerecht zu sagen, dass Judas und alle anderen Verlorenen in die Hölle gehören (vgl. Joh 6,70). 1,26 warfen das Los. Eine im AT übliche Methode, Gottes Willen herauszufi nden (vgl. 3Mo 16,8-10; Jos 7,14; Spr 18,18; s. Anm. zu Spr 16,33). Hier wird das Losverfahren zum letzten Mal erwähnt; als der Heilige Geist kam, wurde es überfl üssig. 2,1 der Tag der Pfi ngsten. »Pfi ngsten« bedeutet »Fünfzigster« und bezeichnet das »Fest der Wochen« (2Mo 34,22.23) oder »Erntefest« (3Mo 23,16), das 50 Tage nach dem Passah im Mai/Juni gefeiert wurde (3Mo 23,15-22). Es war eins von drei alljährlichen Festen, zu denen das ganze Volk nach Jerusalem kommen musste (s. Anm. zu 2Mo 23,14-19). Am Pfi ngsttag wurde ein Opfer der Erstlingsfrucht dargebracht (3Mo 23,20). Der Heilige Geist kam an diesem Tag als Erstlingsfrucht des Erbes der Gläubigen (vgl. 2Kor 5,5; Eph 1,11.14). Die Gläubigen, die an diesem Tag zur Gemeinde vereint wurden, waren außerdem die Erstlingsfrucht der vollen Ernte aller Gläubigen, die noch folgen sollten. einmütig beisammen. Im Obersaal, der in 1,13 erwähnt wird. 2,2 ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind. Lukas’ Vergleich beschreibt, wie Gott handelte, als er den Heiligen Geist sandte. Wind wird in der Schrift häufi g als Bild für den Heiligen Geist verwendet (vgl. Hes 37,9.10; Joh 3,8). 2,3 Die Jünger hätten nicht begreifen können, was das Kommen des Heiligen Geistes bedeutet, wenn der Herr in seiner Souveränität das Geschehen nicht mit einem sichtbaren Phänomen veranschaulicht hätte. Zungen wie von Feuer. Genau wie das Windgeräusch symbolisch war, so waren dies keine buchstäblichen Flammen, sondern übernatürliche Zeichen, die wie Feuer aussahen. Sie zeigten an, dass Gott den Heiligen Geist auf jeden einzelnen Gläubigen gesandt hatte. In der Bibel symbolisiert Feuer oft die Gegenwart Gottes (vgl. 2Mo 3,2-6). Dass Gott hier feuerähnliche Phänomene verwendet, steht in Parallele zum Erscheinen der Taube bei der Taufe Jesu (Mt 3,11; Lk 3,16). 2,4 alle. Die Apostel und die 120. Vgl. Joel 3,1-5. vom Heiligen Geist erfüllt. Im Gegensatz zur Taufe mit dem Heiligen Geist, die nur ein einziges Mal geschieht, wenn Gott einen Gläubigen in den Leib Jesu einfügt (s. Anm. zu 1Kor 12,13), ist das Erfülltwerden mit Heiligem Geist eine wiederholbare Realität im Leben des Gläubigen. Gott fordert den Gläubigen zu einem beständig vom Geist beherrschten Verhalten auf; nur dann kann er vom Heiligen Geist erfüllt werden (s. Anm. zu Eph 5,18). Petrus und viele andere der Gläubigen aus Apg 2 wurden später mehrfach vom Heiligen Geist erfüllt (z.B. 4,8.31; 6,5; 7,55), woraufhin sie freimütig das Wort Gottes verkündeten. Die Fülle des Geistes wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus und nicht nur auf eine freimütige Verkündigung (vgl. Eph 5,19-33). in anderen Sprachen. Wörtl. »in anderen Zungen«, d.h. in bekannten Fremdsprachen (s. Anm. zu V. 6; 1Kor 14,1-25) und nicht in ekstatischen Lauten. Diese vom Heiligen Geist eingegebenen Fremdsprachen waren ein Gerichtszeichen für das ungläubige Israel (s. Anm. zu 1Kor 14,21.22). Außerdem zeigten sie, dass sich Gottes Volk von nun an aus allen Nationen zusammensetzt und markierten damit den Übergang von Israel zur Gemeinde als Volk Gottes. Das »Zungenreden« kommt in der Apostelgeschichte nur zwei weitere Male vor (10,46; 19,6). 2,5 Juden, gottesfürchtige Männer. Hebräische Männer, die nach Jerusalem gepilgert waren. Sie wollten das Pfi ngstfest in Jerusalem feiern (s. Anm. zu V. 1) und somit den zeremoniellen jüdischen Kalender befolgen. S. Anm. zu 2Mo 23,14-19. 2,6 dieses Getöse. Nicht der Klang der verschiedenen Sprachen, sondern das Sturmgeräusch (V. 2). in seiner eigenen Sprache reden. Als die Jünger Jesu sprachen, hörte jeder Pilger in der Menge jeweils die Sprache bzw. den Dialekt seines Heimatlandes. 2,7 Galiläer. Bewohner der vorwiegend ländlichen Region von Nordisrael in der Umgegend des Sees Genezareth. Galiläische Juden hatten einen bestimmten regionalen Akzent, und die Juden aus dem südlichen Judäa hielten sie für ungebildet und einfältig. Als die Judäer bemerkten, dass es Galiläer waren, die in so vielen verschiedenen Sprachen redeten, waren sie sehr erstaunt. 2,9-11 Die Aufl istung verschiedener Länder und Völkergruppen beweist einmal mehr, dass die Jünger keine unverständlichen Laute von sich gaben, sondern in bekannten menschlichen Sprachen redeten. 2,9 Parther. Sie lebten im heutigen Iran. Meder. Zur Zeit Daniels herrschten sie zusammen mit den Persern, hatten sich jedoch in Parthien angesiedelt. Elamiter. Sie stammten vom südwestlichen Teil des parthischen Reiches. Mesopotamien. Das bedeutet »zwischen den Flüssen« (nämlich zwischen Tigris und Euphrat). Dort lebten zu jener Zeit noch viele Juden, die Nachkommen derer waren, die dort einst in Gefangenschaft lebten und niemals nach Judäa zurückgekehrt waren (vgl. 2Chr 36,22.23). Judäa. Das gesamte Gebiet, das früher von David und Salomo regiert wurde, einschließlich Syrien. 2,9.10 Kappadocien, Pontus und Asia, Phrygien und Pamphylien. Das waren alles Bezirke in Kleinasien, der heutigen Türkei. 2,10 Ägypten. Dort lebten viele Juden, insbesondere in Alexandria. Das Land umfasste damals in etwa dasselbe Gebiet wie das heutige Ägypten. Libyens bei Kyrene. Diese Gebiete lagen westlich von Ägypten entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste. Rom. In der Hauptstadt des Reiches lebte vom 2. Jhdt. v.Chr. an eine ansehnliche jüdische Bevölkerung. Proselyten. Heidnische Konvertiten zum Judentum. Die Juden in Rom waren besonders fl eißig in der jüdischen Mission. 2,11 Kreter. Bewohner der Mittelmeerinsel Kreta südlich von Griechenland. Araber. Juden, die südlich von Damaskus unter den nabatäischen Arabern lebten (vgl. Gal 1,17). wir hören sie in unseren Sprachen. S. Anm. zu V. 6. großen Taten Gottes. Die Jünger zitierten aus dem AT, was Gott für sein Volk getan hat (vgl. 2Mo 15,11; Ps 40,6; 77,12; 96,3; 107,21). Ein solcher Lobpreis war zu den Festzeiten in Jerusalem häufi g zu hören. 2,13 süßen Weines. Ein Getränk, von dem man betrunken werden konnte. 2,14-40 Nach dem Kommen des Heiligen Geistes war Petrus’ Predigt das erste bedeutende Ereignis der Kirchengeschichte. Die 3.000, die sich bei dieser Predigt bekehrten, bildeten zusammen mit den 120 bereits gläubigen Jüngern die Gemeinde (V. 41-47). 2,14 mit den Elf. Zu diesen Aposteln gehörte auch der neu eingesetzte Matthias, der an die Stelle von Judas Ischariot getreten war (s. Anm. zu 1,23.24). 2,15 die dritte Stunde. Nach jüdischer Zeitrechnung drei Stunden nach Sonnenaufgang, d.h. 9.00 Uhr morgens. 2,16-21 S. Einleitung zu Joel: Herausforderungen für den Ausleger; s. Anm. zu Joel 3,1-5. Joels Verheißung wird sich erst dann endgültig erfüllen, wenn das Tausendjährige Reich gekommen ist. Doch Petrus wendet diese Verheißung bereits hier an und zeigt dadurch, dass das Pfi ngstereignis eine Vorerfüllung und ein Vorgeschmack dessen war, was im Tausendjährigen Reich geschehen wird, wenn Gott seinen Heiligen Geist auf alles Fleisch ausgießt (vgl. 10,45). 2,17 letzten Tagen. Dieser Ausdruck bezieht sich auf das gegenwärtige Zeitalter der Heilsgeschichte, das sich vom ersten Kommen Christi (Hebr 1,2; 1Pt 1,20; 1Joh2,18) bis zu seiner Wiederkunft erstreckt. meinem Geist. S. Anm. zu 1,2.5.8. 2,17.18 alles Fleisch. Das bedeutet, dass alle Menschen den Heiligen Geist empfangen werden, denn ins Tausendjährige Reich werden ausschließlich Erlöste hineinkommen (vgl. Mt 24,29-25,46; Offb 20,4-6). 2,17 Gesichte … Träume. Träume (1Mo 20,3; Dan 7,1) und Visionen (1Mo 15,1; Offb 9,17) gehören zu den auffälligsten Offenbarungsmitteln Gottes, da sie in ihrem Wesen bildhaft sind. Sie sind zwar nicht auf Gläubige beschränkt (z.B. Abimelech, 1Mo 20,3 und Pharao, 1Mo 41,1-8), doch blieben sie in erster Linie den Propheten und Aposteln vorbehalten (vgl. 4Mo 12,6). Während sie im AT relativ häufi g vorkommen, sind sie im NT eher selten. Visionen von Gott stehen in der Apostelgeschichte im Zusammenhang entweder mit Petrus (Kap. 10.11) oder mit Paulus (Kap. 9.18; vgl. 2Kor 12,1). In den meisten Fällen offenbarten sie apokalyptische Bilder (vgl. Hes, Dan, Sach, Offb). Wir sollten sie weder in biblischen Zeiten noch jetzt als alltäglich betrachten. Doch eines Tages, in der Trübsalszeit, wird Gott Visionen und Träume benutzen, wie es in Joel 3,1-5 verheißen ist. 2,18 weissagen. Im Tausendjährigen Reich wird Gottes Wahrheit fl ächendeckend verkündet. 2,19 Wunder … Zeichen. Vgl. 4,30; 5,12; 14,3; 15,12. »Wunder« versetzen die Leute in Erstaunen, denn sie sehen dabei übernatürliche Vorgänge. »Zeichen« weisen auf die Kraft Gottes hinter den Wundern hin – Wunder bleiben sinnlos, solange sie nicht auf Gott und seine Wahrheit hinweisen. Solche Werke wurden oft vom Heiligen Geist durch die Apostel (5,12-16) und ihre Begleiter (6,8) gewirkt, um sie als Botschafter der Wahrheit Gottes zu autorisieren. Vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4. Blut und Feuer und Rauchdampf. Diese Phänomene stehen allesamt in Verbindung mit Jesu Wiederkunft und dem Zeichen für die Aufrichtung des irdischen Reiches: Blut (Offb 6,8; 8,7.8; 9,15; 14,20; 16,3); Feuer (Offb 8,5.7.8.10) und Rauch (Offb 9,2.3.17.18; 18,9.18). 2,20 die Sonne … in Finsternis … und der Mond in Blut. Vgl. Mt 24,29.30; s. Anm. zu Offb 6,12. Tag des Herrn. S. Einleitung zu Joel: Herausforderungen für den Ausleger; s. Anm. zu 1Th 5,2. Dieser »Tag des Herrn« wird mit der Wiederkunft Jesu Christi kommen (vgl. 2Th 2,2; Offb 19,11-15). 2,21 Jeder, der den Namen des Herrn anruft. Bis zu dieser Stunde des Gerichts und Zorns wird jeder, der sich an Christus als Herrn und Retter wendet, errettet werden (s. Anm. zu Röm 10,10-13). 2,22-36 Das ist der Hauptabschnitt von Petrus’ Predigt, mit der er Jesus Christus als Israels Messias vorstellt und verteidigt. 2,22 Jesus von Nazareth. Der demütige Name, mit dem der Herr häufi g während seines irdischen Wirkens bezeichnet wurde (Mt 21,11; Mk 10,47; Lk 24,19; Joh 18,5). beglaubigt … durch Kräfte und Wunder und Zeichen. Durch vielfältige übernatürliche Geschehnisse und Werke bestätigte Gott Jesus als den Messias (vgl. Mt 11,1-6; Lk 7,20-23; Joh 3,2; 5,17-20; 8,28; Phil 2,9; s. Anm. zu 1,3; 2,19). 2,23 nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung. Gott hatte von der ewigen Vergangenheit her (2Tim 1,9; Offb 13,8) als Teil seines vorherbestimmten Planes beschlossen, dass Jesus den Erlösungstod sterben sollte (4,27.28; 13,27-29). durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen. Eine Anklage gegen die »Männer von Israel« (V. 22), gegen die ungläubigen Juden, die für Jesus die Todesstrafe gefordert hatten, die von den Römern vollstreckt wurde. Dass die Kreuzigung von Gott vorherbestimmt war, ist keine Entschuldigung für diejenigen, die diesen Tod veranlasst haben. 2,24 unmöglich. Aufgrund seiner göttlichen Macht (Joh 11,25; Hebr 2,14) und der Verheißung und dem Ratschluss Gottes (Lk 24,46; Joh 2,1822; 1Kor 15,16-26), konnte der Tod Jesus nicht im Grab halten. 2,25-28 David nämlich sagt. Der Herr sprach durch David prophetisch von seiner Auferstehung (s. Anm. zu Ps 16,8-11). 2,27 Totenreich. Wörtl. »Hades«. Vgl. V. 31; s. Anm. zu Lk 16,23. Das ist im NT die Entsprechung zum alttestamentlichen Wort für »Grab« oder »Scheol«. Manchmal bezeichnet es die Hölle (Mt 11,23), doch hier ist damit allgemein der Ort gemeint, an den die Toten gelangen. 2,29 sein Grab ist unter uns. Als Erinnerung für die Juden, dass Davids Körper niemals auferstanden war und David selbst also nicht die Prophezeiung aus Ps 16 erfüllt hat. 2,30-32 Petrus legte die Bedeutung von Ps 16 aus und erklärte, dass sich diese Verse nicht auf David beziehen, sondern auf Jesus Christus. Christus sollte auferstehen und regieren (V. 30; vgl. Ps 2,1-9; 89,4). 2,30 Da er nun ein Prophet war. Petrus zitierte Ps 132,11. Als Sprachrohr Gottes wusste David, dass Gott seinen Eid erfüllen (2Sam 7,11-16) und der Christus kommen wird. 2,31 Petrus zitierte Ps 16,10. 2,32 hat Gott auferweckt. Vgl. V. 24; 10,40; 17,31; 1Kor 6,14; Eph 1,20. Dadurch hat er bestätigt, dass er Christi Werk am Kreuz angenommen und gutgeheißen hat. dafür sind wir alle Zeugen. Die Prediger der Urgemeinde verkündeten die Auferstehung (3,15.26; 4,10; 5,30; 10,40; 13,30.33.34.37; 17,31). 2,33 Nachdem Jesus auferstanden und in den Himmel aufgefahren war, hat Gott seine Verheißung erfüllt, den Heiligen Geist zu senden (vgl. Joh 7,39; Gal 3,14) und diesen Pfi ngsttag als einmaliges Ereignis der Heilsgeschichte festgesetzt. zur Rechten Gottes erhöht. S. Anm. zu 7,55. 2,34 Der Herr sprach zu meinem Herrn. Petrus zitierte einen weiteren Psalm (Ps 110,1) über die Erhöhung des Messias durch die Auffahrt zur Rechten Gottes und erinnert seine Zuhörer, dass dies nicht von David erfüllt wurde (da die leibhaftige Auferstehung noch nicht geschehen war; s. Anm. zu V. 29), sondern von Jesus Christus (V. 36). Petrus war ein Augenzeuge dieser Himmelfahrt (1,9-11). 2,36 Petrus fasst seine Predigt mit einer vollmächtigen Aussage zusammen, die Gewissheit verleiht: Die Prophezeiung der Auferstehung und Erhöhung Christi im AT beweist mehr als überzeugend, dass der gekreuzigte Jesus der Messias ist. zum Herrn als auch zum Christus. Jesus ist sowohl Gott als auch der gesalbte Messias (vgl. Röm 1,4; 10,9; 1Kor 12,3; Phil 2,9.11). 2,37 drang es ihnen durchs Herz. Das gr. Wort für »drang« bedeutet »stach« oder »schnitt« und bezeichnet somit etwas Plötzliches und Unerwartetes. Petrus’ Zuhörer wurden von seiner Aussage ins Herz getroffen, dass sie ihren eigenen Messias umgebracht hatten, und daher waren sie betrübt, bußfertig und zutiefst geistlich überführt. 2,38 Tut Buße. Das bezeichnet eine Änderung des Sinnens und Trachtens, mit der sich ein Mensch von der Sünde weg- und zu Gott hinwendet (1Th 1,9). Zu einer solchen Veränderung gehört mehr als nur die Furcht vor den Konsequenzen des Gerichts Gottes. Wer echte Buße hat, sieht ein, dass er sich von dem Bösen der Sünde trennen und die Person und das Werk Jesu Christi – und ihn allein – völlig annehmen muss. Petrus forderte seine Zuhörer auf, Buße zu tun, denn anders konnten sie keine echte Bekehrung erleben (s. Anm. zu Mt 3,2; vgl. 3,19; 5,31; 8,22; 11,18; 17,30; 20,21; 26,20; Mt 4,17). lasse sich taufen. Dieses gr. Wort bedeutet wörtl. in Wasser »untertauchen«. Petrus gehorchte dem Befehl Jesu aus Mt 28,19 und drängte diejenigen, die Buße tun und sich zur Errettung zum Herrn Jesus Christus wenden wollten, sich durch die Wassertaufe mit seinem Tod, seinem Begräbnis und seiner Auferstehung zu identifi zieren (vgl. 19,5; Röm 6,3.4; 1Kor 12,13; Gal 3,27; s. Anm. zu Mt 3,2). Hier fordert zum ersten Mal ein Apostel öffentlich Menschen zu diesem Ritual auf. Zuvor hatten sich viele Juden von Johannes dem Täufer taufen lassen (s. Anm. zu Mt 3,13) und kannten außerdem die Taufe von heidnischen Konvertiten zum Judentum (Proselyten). auf den Namen Jesu Christi. Der Neubekehrte musste damit eine entscheidende, aber zugleich kostenaufwendige Identifi kation auf sich nehmen. zur Vergebung der Sünden. Richtiger übersetzt heißt es: »wegen der Vergebung der Sünden«. Die Taufe bewirkt keine Vergebung und Reinigung von Sünden. S. Anm. zu 1Pt 3,20.21. Die Vergebung muss vor dem Ritual der Taufe stattfi nden (V. 41). Bei echter Buße vergibt Gott die Sünden (vgl. Eph 1,7) und deshalb sollten sich die neuen Gläubigen taufen lasen. Die Taufe wurde jedoch zu einem feststehenden Gehorsamsakt und somit zum Synonym für die Errettung. Wenn man daher sagte, man sei »zur Vergebung getauft«, war das gleichbedeutend mit der Aussage, man sei errettet. S. Anm. zu »eine Taufe« in Eph 4,5. Jeder Gläubige hat volle Sündenvergebung (Mt 26,28; Lk 24,47; Eph 1,7; Kol 2,13; 1Joh2,12). die Gabe des Heiligen Geistes. S. Anm. zu 1,5.8. 2,39 die Verheißung. S. Anm. zu 1,4. allen, die ferne sind. Die Heiden, die ebenfalls am Segen des Heils teilhaben sollten (vgl. Eph 2,11-13). so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Die Errettung geht letztendlich vom Herrn aus. S. Anm. zu Röm 3,24. 2,41 die nun bereitwillig sein Wort annahmen, ließen sich taufen. S. Anm. zu V. 38. 3 000. Dass Lukas eine bestimmte Anzahl angibt, lässt vermuten, dass über die Bekehrungen und Taufen Buch geführt wurde (s. Anm. zu V. 38). Archäologische Ausgrabungen an der Südseite des Tempelbergs haben zahlreiche jüdische Mikwaot zutage befördert. Das waren große taufbeckenartige Anlagen, wo sich jüdische Pilger selber untertauchten und sich dadurch rituell reinigten, bevor sie den Tempel betraten. Von diesen Becken existierten mehr als genug, um die große Anzahl von Taufen in relativ kurzer Zeit durchzuführen. 2,42 Lehre der Apostel. Die Schrift war die Grundlage für das geistliche Wachstum und die Reifung des Gläubigen. Sie war Gottes offenbarte Wahrheit, die die Apostel empfangen hatten (s. Anm. zu Joh 14,26; 15,26.27; 16,13) und kontinuierlich lehrten. S. Anm. zu 2Pt 1,19-21; 3,1.2.16. Gemeinschaft. Wörtl. »Partnerschaft« oder »Teilhabe«. Christen leben in Gemeinschaft mit Jesus Christus und mit allen anderen Gläubigen (1Joh1,3) und daher ist es ihre geistliche Pfl icht, sich gegenseitig zu Gerechtigkeit und Gehorsam zu motivieren (vgl. Röm 12,10; 13,8; 15,5; Gal 5,13; Eph 4,2.25; 5,21; Kol 3,9; 1Th 4,9; Hebr 3,13; 10,24.25; 1Pt 4,9.10). Brotbrechen. Das bezieht sich auf den Tisch des Herrn bzw. das Gemeinschaftsmahl. Für alle Christen ist es selbstverständlich, diesem Auftrag des Herrn nachzukommen (vgl. 1Kor 11,24-29). Gebeten. Das persönliche Gebet der einzelnen Gläubigen sowie das gemeinschaftliche Gebet der Gemeinde (s. 1,14.24; 4,24-31; vgl. Joh 14,13.14). 2,43 Wunder und Zeichen. S. Anm. zu V. 19. Im NT hatten nur die Apostel und ihre engsten Mitarbeiter die Fähigkeit, Wunder zu wirken (z.B. Philippus in 8,13; vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4). Die Wunder bewirkten beim Volk Ehrfurcht und Respekt vor der Macht Gottes. 2,44 alle Dinge gemeinsam. S. 4,32. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, dass die ersten Christen in einer Kommune lebten oder allen Besitz in einen gemeinsamen Topf gaben und gleichmäßig unter sich teilten, sondern dass sie auf ihren Besitz keinen besonderen Wert legten und bereit waren, ihn je nach Bedürfnis ohne weiteres für andere zu verwenden. 2,45 verkauften die Güter. Das zeigt, dass sie ihren Besitz nicht in einen gemeinsamen Topf gegeben hatten (s. Anm. zu V. 44), sondern ihn verkauften und somit Gelder für die bedürftigen Gläubigen verfügbar machten (vgl. V. 46; 4,34-37; 2Kor 8,13.14). 2,46 jeden Tag … im Tempel. Die Gläubigen gingen in den Tempel, um Gott zu preisen (V. 47), die tägliche Gebetszeit einzuhalten (vgl. 3,1) und das Evangelium zu bezeugen (V. 47; 5,42). brachen das Brot in den Häusern. Das bezieht sich auf das tägliche Teilen der Nahrungsmittel unter den Gläubigen. mit Frohlocken und in Einfalt des Herzens. Die Gemeinde in Jerusalem war voller Freude, weil sie sich ganz und gar auf Jesus Christus konzentrierte. S. Anm. zu 2Kor 11,3; Phil 3,13.14. 2,47 Der Herr aber tat … hinzu. Vgl. V. 39; 5,14. S. Anm. zu Mt 16,18. Die Errettung ist das souveräne Werk Gottes. 3,1 die neunte Stunde, da man zu beten pfl egte. 15.00 Uhr am Nachmittag. Die Juden hatten drei tägliche Gebetszeiten (Ps 55,18); die anderen beiden waren um 9.00 Uhr vormittags (die dritte Stunde) und 12.00 Uhr mittags (die sechste Stunde). 3,2 die Pforte des Tempels … die man »die Schöne« nennt. Eine große und verzierte Pforte im östlichen Teil des Tempelbezirks, die den Vorhof der Heiden vom Vorhof der Frauen trennte. Almosen. Eine mildtätige Geldspende. 3,3 in den Tempel. Bettler hielten den Tempel für den einträglichsten Ort ihrer Beschäftigung, da tagtäglich Menschenmengen vorbeikamen, die Gott mit ihren guten Werken beeindrucken wollten. Dazu gehörten auch Opfergaben für den Tempelschatz. 3,10 Schönen Pforte. S. Anm. zu V. 2. 3,11 Halle Salomos. Ein Säulengang, der entlang des Vorhofs der Heiden um den Tempel herumführte. Dort hatte Jesus einst über den guten Hirten gelehrt (Joh 10,23). Vgl. Jes 35,6. 3,13 Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs. Eine Bezeichnung für Gott, mit der die jüdischen Zuhörer des Petrus vertraut waren (vgl. 2Mo 3,6.15; 1Kö 18,36; 1Chr 29,18; 2Chr 30,6; Mt 22,32). Mit diesem Ausdruck, der Gottes Bundestreue betont, verdeutlichte er, dass er denselben Gott und Messias verkündete, den die Propheten verkündet hatten. seinen Knecht Jesus. Die üblichere Lesart ist: »seinen Knecht Jesus«. Petrus beschrieb Jesus als persönlichen Repräsentanten Gottes. Das ist ein im NT ungewöhnlicher Titel für Jesus, der an nur vier anderen Stellen vorkommt (V. 26; 4,27.30; Mt 12,18), aber im AT eine wesentlich vertrautere Bezeichnung für den Messias ist (Jes 42,1-4.19; 49,5-7; s. Anm. zu 52,13-53,12; vgl. Mt 20,28; Joh 6,38; 8,28; 13,1-7). Pilatus … ihn freisprechen wollte. Pontius Pilatus, der römische Statthalter beim Prozess gegen Jesus, stammte aus einer nationalen Tradition, die sehr großen Wert auf juristische Gerechtigkeit legte (vgl. 16,37.38; 22,25-29; 25,16). Er wusste, dass die Kreuzigung Jesu ungerecht wäre und erklärte ihn deshalb sechsmal für unschuldig (Lk 23,4.14.15.22; Joh 18,38; 19,4.6) und versuchte wiederholte Male, ihn freizusprechen (Lk 23,13-22; s. Anm. zu Joh 19,12.13). 3,14 den Heiligen. Vgl. Ps 10,10; Lk 4,34; Joh 6,69. Gerechten. Vgl. 1Joh2,1. ein Mörder. Barabbas (Mt 27,16-21; Mk 15,11; Lk 23,18; Joh 18,40). 3,15 Fürsten des Lebens. Das gr. Wort für »Fürst« bedeutet Urheber, Pionier oder Gründer. In Hebr 2,10 und 12,2 ist es mit »Urheber« bzw. »Anfänger« übersetzt und beschreibt Jesus als den göttlichen Schöpfer des Lebens (vgl. Ps 36,10; Hebr 2,10; 12,2; 1Joh5,11.20). getötet … Gott aus den Toten auferweckt; dafür sind wir Zeugen. Pet rus’ freimütige und wirkungsvolle Erklärung (vgl. 1Kor 15,3-7) war eine klare Verteidigung der Auferstehung Jesu und führte weitere Beweise für diese Tatsache an. Petrus’ Aussage, dass Christus auferstanden ist, war unbestreitbar, denn die Juden konnten niemals einen Gegenbeweis erbringen, indem sie beispielsweise den Leichnam Jesu gefunden hätten. 3,18 durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigte. Vgl. 1Mo 3,15; Ps 22; Jes 53; Sach 12,10. 3,19-21 Zeiten der Erquickung … Zeiten der Wiederherstellung. »Zeiten« sind Zeitalter, Epochen oder Perioden. Hier werden zwei Beschreibungen für das künftige Zeitalter des Tausendjährigen Reiches angeführt. Das wird daraus deutlich, dass zwischen diesen Beschreibungen Jesus Christus als derjenige genannt wird, der von Gott gesandt wurde, um diese Zeiten herbeizuführen. Petrus spricht hier von Christi irdischer Herrschaft (s. Anm. zu 1,7; vgl. Röm 11,26). Dieses Zeitalter wird gekennzeichnet sein von allen Arten von Segnungen und Erneuerungen (vgl. Jes 11,6-10; 35,1-10; Hes 34,26; 44,3; Joel 2,26; Mt 19,28; Offb 19,1-10). 3,19 tut nun Buße und bekehrt euch. S. Anm. zu 2,38; Mt 3,2. Das Wort »bekehren« kommt im NT häufi g vor und bezeichnet die Hinwendung des Sünders zu Gott (9,35; 14,15; 26,18.20; Lk 1,16.17; 2Kor 3,16; 1Pt 2,25). eure Sünden ausgetilgt. Vgl. Ps 51,11; Jes 43,25; 44,22. »Austilgen« vergleicht Vergebung mit dem vollständigen Auslöschen von Tinte von der Oberfl äche eines Schriftstücks (Kol 2,14). 3,22 Ein Zitat aus 5Mo 18,15. Moses wurde von den Juden als ihr erster und größter Prophet in Ehren gehalten und die Juden glaubten, dass »ein Prophet wie mich« sich auf den Messias bezieht. 3,23 Ein Zitat aus 5Mo 18,19; vgl. 3Mo 23,29. Petrus’ Zuhörer befanden sich in der Gefahr, ihre Bundessegnungen zu verlieren, indem sie den Messias verwarfen. 3,24 Propheten, von Samuel an. Samuel wird im AT als Prophet bezeichnet (1Sam 3,20). Obwohl er nicht direkt über Christus prophezeite, salbte er David als König und sprach von seinem Königreich (1Sam 13,14; 15,28; 16,13; 28,17). Die Verheißungen an David wurden bzw. werden erst in Christus erfüllt (vgl. 2Sam 7,10-16). 3,25 in deinen Samen. Ein Zitat aus 1Mo 22,18; 26,4. Jesus Christus war die letztendliche Erfüllung des abrahamitischen Bundes und dessen Segnungen (Gal 3,16), die den Juden immer noch zur Verfügung stehen. 3,26 Gott … erweckte. S. Anm. zu 2,32. seinen Knecht. S. Anm. zu V. 13. 4,1 Priester. Das Priesteramt begann im AT mit Aaron und seinen Söhnen (3Mo 8). Sie waren die menschlichen Vermittler zwischen dem heiligen Gott und den sündigen Menschen und zeichneten sich durch drei Eigenschaften aus: 1.) Sie waren von Gott zum Priesterdienst erwählt und ausgesondert; 2.) sie mussten in ihrem Charakter heilig sein und 3.) nur ihnen war erlaubt, sich am Großen Versöhnungstag für das Volk bei Gott zu verwenden, und zwar zusammen mit dem Hohenpriester als entscheidendem Mittelsmann (3Mo 16). Vgl. 4Mo 16,5. Hauptmann des Tempels. Der Leiter der Tempelpolizei (die aus Leviten bestand) und zweithöchster Funktionär nach dem Hohenpriester. Die Römer hatten die Kontrolle über den Tempel an die Juden delegiert. Sadduzäer. S. Anm. zu 23,8; Mt 3,7. 4,2 in Jesus die Auferstehung aus den Toten verkündigten. Dar war für die führenden Juden der anstößigste Teil der Botschaft der Apostel. Diese Führer hatten Jesus als Gotteslästerer hingerichtet – und jetzt verkündeten Petrus und Johannes seine Auferstehung. 4,3 schon Abend. Die Juden behielten Petrus und Johannes über Nacht im Gefängnis, da das jüdische Gesetz keine nächtlichen Prozesse erlaubte. Um den Sanhedrin einzuberufen, war es an diesem Nachmittag bereits zu spät (s. Anm. zu V. 15) und so wurden die Apostel erst am nächsten Tag vor dem Hohen Rat verhört. 4,4 5 000. Das ist nicht die Anzahl derer, die sich bei Petrus’ letzter Botschaft bekehrten, sondern die Gesamtsumme von Männern in der Jerusalemer Gemeinde zu diesem Zeitpunkt. 4,5 Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten. Der Sanhedrin, das führende Gremium der Juden, setzte sich aus diesen Gruppen zusammen (s. Anm. zu V. 15). 4,6 Hannas … Kajaphas. S. Anm. zu Joh 18,13. Obwohl Hannas (6-15 n.Chr.) abgesetzt worden war und Kajaphas als neuer Hoherpriester amtierte (18-36 n.Chr.), behielt Hannas diesen Titel bei und übte großen Einfl uss aus. Johannes und Alexander. Es ist unsicher, wer sie waren. »Johannes« könnte eine alternative Lesart für »Jonathan« sein, einer von Hannas’ Söhnen und späterer Nachfolger von Kajaphas im Hohenpriesteramt (ab 36 n.Chr.). 4,8-12 Petrus klagte den Sanhedrin an und verkündete das Evangelium vor denselben Männern, die Jesus verurteilt und sich selber zu Feinden Gottes gemacht hatten. 4,8 vom Heiligen Geist erfüllt. S. Anm. zu 2,4. Da Petrus vom Heiligen Geist beherrscht und geleitet wurde, konnte er die Verfolgung verkraften und das Evangelium vollmächtig verkünden (vgl. Lk 12,11.12). Obersten … Ältesten. S. Anm. zu V. 5. 4,11 verworfen … zum Eckstein. Ein Zitat aus Ps 118,22 (s. Anm. dort); vgl. Eph 2,19-22; 1Pt 2,4-8. 4,12 kein anderer Name. Das weist darauf hin, dass Errettung einzig und allein durch Glauben an Jesus Christus erlangt werden kann und alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen sind. Es gibt nur zwei Wege unter allen Religionen: Den breiten Weg der vermeintlichen Errettung aus Werken, der zum ewigen Tod führt, und den schmalen Weg des Glaubens an Jesus, der zum ewigen Leben führt (Mt 7,13.14; vgl. Joh 10,7.8; 14,6). Leider waren der Sanhedrin und seine Anhänger auf dem ersteren Weg. 4,13 ungelehrte Leute und Laien. Petrus und Johannes hatten keine Ausbildung in den rabbinischen Schulen genossen und konnten keine Titel in AT-Theologie vorweisen. 4,15-17 Es wäre riskant gewesen, die beiden Apostel zu züchtigen, da sie gegen keine Gesetze verstoßen und ein Wunder gewirkt hatten, das die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt auf sich gezogen hatte. Doch der Sanhedrin war überzeugt, er müsse die Verkündigung der vorwurfsvollen Wahrheit verhindern, dieser Hohe Rat habe den Messias hinrichten lassen. 4,15 Hohen Rat. Der Sanhedrin, die Regierungsbehörde und der oberste Gerichtshof der Juden. Er hatte 71 Mitglieder, einschließlich des Hohenpriesters (s. Anm. zu V. 5). 4,19 euch mehr zu gehorchen als Gott. Christen sollten der Regierung Gehorsam leisten (Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17), aber wenn die Bestimmungen der Regierung eindeutig gegen Gottes Wort verstoßen, müssen sie Gott gehorchen (vgl. 2Mo 1,15-17; Dan 6,5-11). 4,23 obersten Priester. Eine kleine Gruppe innerhalb des Sanhedrins (s. Anm. zu V. 15), die sich zusammensetzte aus den ehemaligen Hohenpriestern und Mitgliedern der einfl ussreichen Priesterfamilien (s. Anm. zu Mt 2,4). Ältesten. S. Anm. zu V. 5. 4,24-30 Die anderen Jünger ließen sich durch Petrus’ und Johannes’ Erfahrung nicht beängstigen oder entmutigen, sondern freuten sich darüber. Sie vertrauten, dass Gott alles souverän in seiner Hand hält, einschließlich ihrer Leiden. Außerdem trösteten sie sich damit, dass der Widerstand, den sie erlitten, im AT bereits vorausgesagt war (V. 25.26). 4,24 Herr. Das gr. Wort ist im NT ein ungebräuchlicher Titel für Gott und bedeutet »absoluter Meister« (Lk 2,29; 2Tim 2,21; 2Pt 2,1; Jud 4; Offb 6,10). Das zeigt, wie sehr die Jünger die Souveränität Gottes anerkannten. 4,25 durch den Mund deines Knechtes David. S. Anm. zu 1,16. In den jüngsten Ereignissen sahen die Jünger eine
22,2 gleicht einem König, der für seinen Sohn das Hochzeits- fest veranstaltete. In Lk 14,16-23 erzählte Jesus ein ähnliches, aber etwas anderes Gleichnis. Hier in Matthäus war das Festmahl ein Hochzeitsfest für den Königssohn. Daher ist die Gleichgültigkeit (V. 5) und Ablehnung (V. 6) der Geladenen eine noch größere persönliche Provokation des Königs. Außerdem wurden die Botschafter des Königs in diesem Fall sogar misshandelt und umgebracht. Das ist eine ungeheure Schmähung der Güte des Königs. 22,2 obersten Priester und Schriftgelehrten. S. Anm. zu 19,47; 22,2 in hebräischer Sprache. Aramäisch, das war die Sprache, die üblicherweise in Palästina gesprochen wurde (vgl. 2Kö 18,26; Jes 36,11). S. Anm. zu 21,37.
22,3 fuhr aber der Satan in Judas. D.h. Judas wurde vom Satan selbst besessen. Satan erlangte offenbar zweimal die direkte Herrschaft über Judas: Einmal unmittelbar bevor er seinen Verrat mit den Hohenpriestern verabredete und ein zweites Mal beim Letzten Abendmahl (Joh 13,27), unmittelbar bevor er den Verrat ausführte. 22,3 Ich bin ein jüdischer Mann. Eine Antwort auf die falsche Anklage einiger Juden aus Kleinasien (s. Anm. zu 21,21). geboren in Tarsus. S. Anm. zu 21,39. Cilicien. S. Anm. zu 6,9. Tarsus war die wichtigste Stadt Ciliciens. erzogen in dieser Stadt. Paulus wurde zwar unter den hellenistischen Juden in der Diaspora geboren, wuchs aber in Jerusalem auf. Gamaliel. S. Anm. zu 5,34. Dass Paulus ein Schüler des damals gefeiertsten Rabbiners war, bezeugte einmal mehr, dass die Anklagen gegen ihn völlig absurd waren. Gesetzes der Väter. Als Schüler des Gamaliel wurde Paulus sowohl im AT als auch in den rabbinischen Überlieferungen intensiv ausgebildet. Außerdem war er ein Pharisäer, was er hier vor der Menge jedoch nicht erwähnt. Angesichts dieser Tatsachen war der Vorwurf, Paulus bekämpfe das Gesetz (s. Anm. zu 21,21), einfach lächerlich.
22,4 sandte er nochmals andere Knechte. Das zeigt Gottes Ge- duld und Nachsicht gegenüber denen, die ihn vorsätzlich verschmähen. Er lädt sie weiterhin ein, obwohl sie seine Güte bereits ignoriert oder abgewiesen haben. 22,4 Hauptleuten. D.h. der Tempelwache. Das waren levitische Si- cherheitskräfte. 22,4 Ich verfolgte diesen Weg. S. Anm. zu 9,2. Da Paulus nach dem Märtyrertod des Stephanus die Verfolgung der christlichen Gemeinde angeführt hatte (vgl. Gal 1,13), stellte sein einstiger Eifer für das jüdische Erbe den Eifer seiner Zuhörer weit in den Schatten. 22,5 die ganze Ältestenschaft. Der Sanhedrin (s. Anm. zu 4,15; Mt 26,59).
22,6 Der zweite von drei Berichten über die Bekehrung des Pau- lus (vgl. 9,1-19; 26,12-18). 22,6 am Mittag. Mit seinem Hinweis auf die Tageszeit verdeutlicht Paulus, wie strahlend hell das Licht vom Himmel tatsächlich war. Es überstrahlte die Sonne sogar in ihrem Zenit.
22,7 wurde er zornig. Schließlich ist seine große Geduld am Ende und er verurteilt sie. zündete ihre Stadt an. Das von Jesus beschriebene Gericht blickt voraus auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. Bei diesem Inferno wurde sogar der aus gewaltigen Felsquadern gebaute Tempel in Schutt und Asche gelegt. S. Anm. zu 23,36; 24,2; Lk 19,43. 22,7 der Tag der ungesäuerten Brote. D.h. der erste der Fest- tage (s. Anm. zu Mt 26,17). Die Juden aus Galiläa feierten das Passah am Donnerstagabend (s. Einleitung zu Johannes: Herausforderungen für den Ausleger); daher wurden die Lämmer am Nachmittag dieses Tages geschlachtet. Jesus und die Jünger aßen das Passahmahl an diesem Abend kurz nach Sonnenuntergang (als das Passahfest offi ziell begann). Die Juden aus Judäa hingegen feierten Passah einen Tag später, am Freitag. 22,7 Vgl. 9,4.5.
22,9 ladet zur Hochzeit ein, so viele ihr fi ndet! Ein Bild für das unentgeltliche Angebot des Evangeliums, das an alle ohne Unterschied ergeht (vgl. Offb 22,17). 22,9 die Stimme … hörten sie nicht. Das widerspricht nicht 9,7. Da Jesus nur zu Paulus redete, verstand nur er die Aussagen des Herrn. Seine Begleiter hörten das Geräusch, verstanden die Worte aber nicht (vgl. Joh 12,29).
22,11 kein hochzeitliches Gewand. Alle waren ausnahmslos zum Festmahl geladen. Es war also nicht so, dass dieser Mann einfach jemand war, der sich über alle Etikette hinwegsetzte. Tatsächlich waren alle Gäste eilends von den »Kreuzungen und Straßen« zusammengetrommelt worden und so konnte von niemandem erwartet werden, in schicklicher Kleidung zu erscheinen. Das bedeutet, dass die Festkleidung vom König selbst zur Verfügung gestellt wurde. Dass dieser Mann keine passende Kleidung trug, zeigt daher, dass er absichtlich die Kleider abgelehnt hatte, die der König ihm in seiner großzügigen Fürsorge bereitgestellt hatte. Diese Frechheit gegen den König war tatsächlich eine schlimmere Beleidigung als bei den Leuten, die die Einladung ausgeschlagen hatten. Die Unverschämtheit geschah in der direkten Gegenwart des Königs. Dieses Bild repräsentiert damit solche, die sich äußerlich mit dem Reich identifi zieren, sich als Christen bekennen, zu einer sichtbaren Gemeinde gehören, aber das Kleid der Gerechtigkeit ablehnen, das Christus ihnen anbietet (vgl. Jes 61,10), und stattdessen versuchen, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (vgl. Röm 10,3; Phil 3,8.9). Sie sind zu stolz, ihre eigene geistliche Armut zuzugeben (s. Anm. zu 5,3) und verweigern daher die bessere Kleidung, die der König in seiner Gnade anbietet. Damit versündigen sie sich in schlimmer Weise gegen seine Güte. 22,11 Glanzes jenes Lichtes. Paulus’ Begleiter sahen das Licht, doch nur er sah den Herrn Jesus Christus (V. 14; 9,7.17.27; 26,16; 1Kor 9,1; 15,8).
22,12 Er aber verstummte. D.h. er hatte keine Ausrede. 22,12 einen großen, mit Polstern ausgelegten Obersaal. Einer von vielen solcher Räume, die man in Jerusalem mieten konnte. Sie dienten ausdrücklich dem Zweck, Pilgern einen Platz zum Begehen der Feste zu bieten. Zur Einrichtung gehörte ein großer Esstisch und alle notwendigen Utensilien zum Zubereiten und Servieren eines Abendmahls. 22,12 Ananias. S. Anm. zu 9,10. Sein Zeugnis als geachtetes Mit- glied der jüdischen Gemeinschaft von Damaskus war für Paulus’ feindselige Zuhörer von hoher Bedeutung. 22,14 den Gerechten. Ein Titel des Messias (vgl. 3,14; 7,52; Jes 53,11).
22,15 Mich hat herzlich verlangt. Vgl. Joh 13,1. Er wollte sie auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen sollte. 22,15 ein Zeuge für ihn. Paulus zögerte nie zu behaupten, er habe dort auf dem Weg nach Damaskus den auferstandenen, verherrlichten Christus gesehen (s. Anm. zu V. 11).
22,16 Herodianern. Eine jüdische Partei, die die von Rom begüns- tigte Dynastie des Herodes unterstützte. Die Herodianer waren im Gegensatz zu den Pharisäern keine religiöse Gruppierung, sondern eine politische Partei, die wahrscheinlich größtenteils aus Sadduzäern bestand (einschließlich der Tempelobrigkeit). Im Gegensatz zu ihnen hassten die Pharisäer das römische Regiment und den herodianischen Einfl uss. Dass sich diese Gruppierungen gemeinsam verschworen, um Jesus in eine Falle zu locken, verdeutlicht, welche Bedrohung beide Gruppen in ihm sahen. Herodes selbst wünschte den Tod Jesu (Lk 13,31), und die Pharisäer arbeiteten schon am Plan, ihn umzubringen (Joh 11,53). So versuchten beide Gruppen mit vereinten Kräften ihr gemeinsames Ziel zu erreichen. 22,16 erfüllt. Mit dem Tod Jesu am folgenden Tag wurden die Sym- bole des Passahmahls erfüllt. Das Passah war sowohl ein Gedächtnismahl an die Befreiung aus Ägypten als auch ein prophetische Vorschattung auf das Opfer Christi. 22,17 er nahm den Kelch. Lukas erwähnt zwei Kelche (vgl. V. 20). Am Passah-Seder wurden vier Kelche mit verdünntem Rotwein unter den Anwesenden geteilt. Dieser Kelch war der erste dieser vier (der Kelch der Danksagung) und leitete die Einsetzung des Herrenmahls ein (s. Anm. zu 1Kor 10,16). Er markierte das Ende der Zeit des gemeinsamen Essens und Trinkens mit den Jüngern, das zum Passah gehörte (V. 18; vgl. 5,34.35; Mt 9,15; 26,29; s. Anm. zu Mk 14,25). 22,19 Das ist mein Leib. Das Brot repräsentierte seinen Leib (vgl. die Formulierung in 8,11: »Der Same ist das Wort Gottes«; ebenso V. 20). Solche bildhafte Sprache ist für das Hebräische typisch. Hier wurde weder ein eucharistisches Wunder der Transsubstantiation eingeführt noch konnten seine Jünger die Symbolik dieser Aussage missverstehen, denn sein tatsächlicher, noch nicht zerbrochener Leib war direkt vor ihren Augen. S. Anm. zu Mt 26,26. das tut. Damit begründete er die Beobachtung dieses Mahls als Verordnung für die Anbetung in der Gemeinde (s. Anm. zu 1Kor 11,23-26). zu meinem Gedächtnis. Das Passah hatte auf das damals noch zukünftige Opfer Jesu hingedeutet. Doch Christus machte aus dem Seder eine gänzlich andere Zeremonie: eine Gedächtnisfeier, die auf seinen Erlösungstod zurückblickt. 22,20 auch den Kelch. Das ist der dritte (der Kelch der Segnung) der vier Kelche bei der Passahfeier (s. Anm. zu 1Kor 10,16). nach dem Mahl. Vgl. 1Kor 11,25. Diese beiden Verse sind in ihrer Form praktisch identisch. Paulus schrieb, er habe seine Information über dieses Ereignis vom Herrn selbst empfangen (1Kor 11,23). Dieser Kelch ist der neue Bund. Der Kelch repräsentiert eindeutig nur den Neuen Bund (s. Anm. zu V. 19). 22,16 deine Sünden abwaschen. Von der Grammatik her steht der Ausdruck »indem du den Namen des Herrn anrufst« vor »steh auf, lass dich taufen«. Die Errettung geschieht, wenn man den Namen des Herrn anruft (Röm 10,9.10.13) und nicht bei der Taufe (s. Anm. zu 2,38).
22,17 Ist es erlaubt, dem Kaiser die Steuer zu geben oder nicht? Bei dieser Frage ging es um die Kopfsteuer, die einen Denar pro Jahr und Person betrug (s. Anm. zu V. 19). Solche Abgaben waren ein Teil der schweren Steuern, die Rom auferlegte. Da diese Gelder für die Finanzierung der Besatzungskräfte benutzt wurden, waren den Juden sämtliche römischen Steuern verhasst. Doch die Kopfsteuer war die allerverhassteste; denn mit ihr sagte Rom, dass sie sogar die Menschen besaß, während die Juden sich selbst und ihre Nation als Eigentum Gottes ansahen. Daher war es bedeutsam, dass sie Christus insbesondere über die Kopfsteuer befragten. Hätte er ihre Frage mit »nein« beantwortet, hätten die Herodianer ihn des Verrats gegen Rom beschuldigt. Hätte er mit »ja« geantwortet, hätten die Pharisäer ihm Untreue gegenüber dem jüdischen Volk vorwerfen können, und er hätte die Gunst der Volksmengen verloren. 22,17 als ich nach Jerusalem zurückgekehrt war. Nach einer kurzen Zeit in Damaskus (9,20-25) und drei Jahren im nabatäischen Arabien (Gal 1,17.18). eine Verzückung. Paulus wurde jenseits seiner Sinneswahrnehmung in den Bereich des Übernatürlichen geführt und empfi ng eine Offenbarung von Jesus Christus. Das war eine einzigartige Erfahrung unter den Aposteln, da nur Petrus (10,10; 11,5) und Johannes (Offb 1,10) ähnliche Offenbarungen empfi ngen. Sie war die vierte von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 23,11; 27,23.24).
22,20 Zeugen. S. Anm. zu 6,5; 7,54-60. zustimmte. S. 8,1.
22,21 Des Kaisers … Gottes. Die Münze trug das Bild des Kaisers; der Mensch hingegen trägt das Bild Gottes (1Mo 1,26.27). Der Christ muss im Herrschaftsbereich des Kaisers dem Kaiser Gehorsam »zollen« (Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17), doch das, »was Gottes ist«, gehört nicht dem Kaiser und soll nur Gott gegeben werden. Damit erkannte Christus das Recht des Kaisers an, Steuern zu bestimmen und einzufordern und machte es zur Pfl icht des Christen, sie zu zahlen. Doch er sagte nicht (wie manche meinen), der Kaiser habe die alleinige oder höchste Autorität im sozialen oder politischen Bereich. Letztlich gehören alle Dinge Gott (Röm 11,36; 2Kor 5,18; Offb 4,11), einschließlich des Bereichs, in dem der römische Kaiser oder irgendein anderer irdischer Herrscher Autorität ausübt. 22,21 die Hand dessen, der mich verrät, ist mit mir. Lukas ordnet die Einzelheiten des Abendmahls nicht in zeitlicher, sondern in thematischer Reihenfolge (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). Matthäus und Markus platzieren die Ankündigung des Verrats vor dem Austeilen von Brot und Kelch; nur Lukas platziert es danach. Nur Joh 13,30 berichtet über den Weggang des Judas aus dem Obersaal, aber Johannes erwähnt dafür Brot und Wein nicht. Daher ist es schwierig, durch einen Vergleich zu bestimmen, ob Judas den Obersaal vor oder nach dem Abendmahl verlassen hat. Allerdings scheint die Beschreibung des Lukas zu besagen, dass Judas tatsächlich beim Mahl dabei war. Wenn das stimmt, macht das seine Heuchelei und sein Verbrechen nur umso schändlicher (vgl. 1Kor 11,27-30). 22,21 Die Volksmenge konnte es nicht ertragen, dass Paulus nachdrücklich darauf beharrte, der Herr habe ihn zu den verachteten Heiden gesandt, um ihnen zu dienen. Für sie war die Lehre, dass Heiden errettet werden können, ohne zuerst jüdische Proselyten zu werden (was ihnen vor Gott die Stellung von Juden einbrachte), eine unerträgliche Lästerung.
22,23 keine Auferstehung. S. Anm. zu 3,7. 22,23 die Kleider von sich warfen. Entweder um sich bereit zu machen, Paulus zu steinigen oder weil sie wegen dieser »Lästerung« so hochgradig erregt waren (s. Anm. zu 14,14) oder in einem wahnwitzigen Wutanfall – oder, was am wahrscheinlichsten ist, aus allen drei Gründen. Als ihre Leidenschaft wegen des verletzten Nationalstolzes entbrannte, verlor die Menge jegliche Selbstbeherrschung. Staub in die Luft schleuderten. Als Zeichen heftigster Gefühlsaufwallungen (vgl. 2Sam 16,13; Hi 2,12; Offb 18,19).
22,24 soll sein Bruder dessen Frau zur Ehe nehmen. Das be- zieht sich auf das Gesetz der Levirats-Ehe in 5Mo 25,5-10 (s. Anm. dort). Dieses Gesetz sollte dafür sorgen, dass ein Geschlecht nicht ausstarb und dass Witwen nicht allein gelassen wurden. 22,24 ein Streit. Vgl. 9,46; Mt 20,20-24. Dieser Streit war vielleicht die Ausgangssituation für die Fußwaschung (Joh 13,1-20). Der Disput zeigt, wie sehr die Frage nach der Größe das Denken der Jünger bestimmte und wie wenig sie von all dem begriffen hatten, was der Herr sie gelehrt hatte. 22,24 ließ der Befehlshaber ihn in die Kaserne führen. Lysias erkannte, dass er Paulus persönlich verhören musste. Er ordnete seinen Soldaten an, den Häftling in die Burg Antonia und in Sicherheit vor der aufgebrachten Meute zu bringen. ihn unter Geißelhieben zu verhören. Eine brutale römische Verhörungsmethode. Viele Gefangene starben, nachdem sie mit dem römischen Flagellum ausgepeitscht worden waren (das waren mit Eisenstücken versehene Lederriemen an einem Holzgriff.)
22,25 Wohltäter. Vgl. Mt 20,25. Diesen Titel verwendeten die heidnischen Herrscher sowohl in Ägypten als auch in Syrien. Allerdings war er eine höchst unpassende Bezeichnung. Damit wollten die Herrscher sich selbst als große Gönner ihres Volkes darstellen, während viele »Wohltäter« in Wirklichkeit große Tyrannen waren. 22,25 festband. Als Vorbereitung auf sein Verhör unter Geißelung. Das Straffen von Paulus’ Rückenhaut hätte die Einwirkungen des Flagellums auf seinen Körper noch erhöht. Hauptmann. S. Anm. zu 10,1; Mt 8,5. In der 1.000 Mann starken Garnison in Jerusalem gab es demnach 10 Hauptleute. einen Römer. Römische Staatsbürger waren von solchen brutalen Verhörmethoden ausgenommen (durch Gesetze von Valerius und Porcius). Paulus machte nun Gebrauch von seinem Recht als römischer Staatsbürger. Seine Behauptung wurde nicht in Frage gestellt, denn auf die falsche Behauptung einer römischen Staatsangehörigkeit stand die Todesstrafe.
22,26 der Dienende. Vgl. Mt 20,26-28. Offensichtlich bezieht er sich damit auf die Fußwaschung (s. Anm. zu V. 24). Christus selbst ist in seinem gesamten Wirken das Vorbild für diese dienende Haltung (V. 27; vgl. Phil 2,5-8). 22,26 Hab Acht … dieser Mensch ist ein Römer! Der Haupt- mann informierte seinen Befehlshaber, dass Paulus Römer sei und warnte Lysias vor einer Handlung, die seine militärische Karriere beendet oder ihn sogar seinen Kopf gekostet hätte.
22,28 meinen Anfechtungen. Das ganzes Leben und Wirken Christi war voller Versuchungen (4,1-13); Entbehrungen (9,58); Sorgen (19,41); und Nöte (V. 44), ganz zu schweigen von den Leiden am Kreuz, von denen er wusste, dass sie nun bevorstanden. 22,28 für eine große Summe. Das römische Bürgerrecht war offi - ziell nicht käufl ich, doch manchmal konnte es durch Bestechung korrupter Beamter erworben werden. 22,30 – 23,10 Paulus’ zweite von sechs Verteidigungsreden (vgl. V. 1-21; 24,10-21; 25,1-12; 26,1-29; 28,17-29).
22,30 wie die Engel Gottes im Himmel. Die Sadduzäer glaubten nicht an Engel (s. Anm. zu 3,7), deshalb deckt Jesus hier einen weiteren Irrglauben von ihnen auf. Engel sind unsterbliche Wesen, die sich nicht vermehren und daher nicht zu heiraten brauchen. »In der Auferstehung« werden die Gläubigen dieselben Eigenschaften haben. 22,32 nicht ein Gott der Toten. Das Argument (aus dem Pentateuch, denn die Sadduzäer akzeptierten nur Mose als Autorität – s. Anm. zu 3,7) basierte auf dem ausdrücklichen Präsens des »Ich bin« aus 2Mo 3,6. Dieses leicht zu übersehende, aber sehr bedeutsame Argument brachte die Sadduzäer zum Schweigen (V. 34). S. Anm. zu Mk 12,26. 22,30 die zwölf Stämme Israels zu richten. An der Formulierung ist zu erkennen, dass es sich um eine Verheißung bezüglich des Tausendjährigen Reiches handelt. S. Anm. zu Offb 20,4. 22,31 Simon, Simon. Die Wiederholung des Namens (vgl. 10,41; Apg 9,4) gibt der Warnung zusätzlichen Ernst. Christus selbst hatte Simon den Namen Petrus gegeben (6,14), aber hier greift er wieder auf seinen alten Namen zurück – vielleicht um das fl eischliche Selbstvertrauen des Petrus umso deutlicher zu tadeln. Außerdem zeigt der Zusammenhang, dass Petrus möglicherweise einer der Wortführer im Streit aus V. 24 war. Satan hat euch begehrt. Wenngleich diese Warnung speziell an Petrus gerichtet war, so waren die anderen Jünger darin ebenso eingeschlossen. Das Pronomen steht im Plural (»euch«). zu sichten wie den Weizen. Das Bild ist sehr treffend: Es verdeutlicht, dass solche Versuchungen zwar unliebsam sind, doch eine notwendige läuternde Wirkung haben. 22,30 Obersten Priestern samt ihrem ganzen Hohen Rat. Er berief eine inoffi zielle Versammlung des Sanhedrin ein (s. Anm. zu 4,15.23). 23,1 Hohen Rat. Der Sanhedrin (s. Anm. zu 4,15; Mt 26,59). guten Gewissen. S. Anm. zu 2Kor 1,12; vgl. 24,16; 2Tim 1,3.
23,2 Moses Stuhl. Dieser Ausdruck ist gleichbedeutend mit dem Lehrstuhl an einer Universität. Auf »Moses Stuhl zu sitzen« bedeutete die höchste Lehrautorität, um das Volk im Gesetz zu unterweisen. Der Ausdruck kann auch übersetzt werden mit: »Sie haben sich selbst auf Moses Stuhl gesetzt«, dass sie also nur sich selbst diese Autorität angemaßt hatten. Die Priester und Leviten waren tatsächlich legitimiert, über Fragen des Gesetzes zu entscheiden (5Mo 17,9), doch die Schriftgelehrten und Pharisäer waren über den Rahmen jeder legitimen Autorität hinausgegangen und hatten dem Wort Gottes menschliche Überlieferung hinzugefügt (15,3-9). Dafür verurteilte Jesus sie (V. 8-36). 23,2 abhalten will, dem Kaiser die Steuern zu zahlen. Das war eine vorsätzliche Lüge. Mitglieder des Sanhedrins hatten Jesus öffentlich darüber befragt (wobei sie gehofft hatten, ihn beim Volk in Missgunst zu bringen) und er hatte ausdrücklich das Recht des Kaisers bestätigt, Steuern zu verlangen (20,20-25). Er behauptet, er sei Christus, der König. Damit wollten sie indirekt sagen, er führe eine aufrührerische Absicht gegen Rom im Schilde. Das war eine weitere Lüge. 23,2 der Hohepriester Ananias. Das ist nicht Hannas aus den Evangelien (s. Anm. zu Lk 3,2). Dieser Ananias war einer der grausamsten und korruptesten Hohenpriester Israels (s. Anm. zu 4,6). Seine pro-römische Politik entfremdete ihn von den Juden, die ihn schließlich beim Auftakt einer Revolte gegen Rom ermordeten (66 n.Chr.). befahl … ihn … zu schlagen. Eine verbotene Handlung, die aber zu Ananias’ brutalem Charakter passt. Das Verb, das hier mit »schlagen« übersetzt ist, wurde auch verwendet, als die Meute auf Paulus einprügelte (21,32) und als die Soldaten Jesus schlugen (Mt 27,30). Das war nicht nur eine Ohrfeige, sondern grausame Hiebe..
23,3 haltet und tut. D.h. insoweit es dem Wort Gottes entspricht. Die Pharisäer banden gern »schwere Bürden« (V. 4) von unbiblischen Traditionen zusammen und erlegten sie anderen auf. Diese Gesetzlichkeit verurteilte Jesus ausdrücklich. 23,3 Du sagst es. In Joh 18,33-37 ist die Antwort des Herrn auf diese Frage ausführlicher überliefert. 23,3 getünchte Wand. Vgl. Hes 13,10-16; Mt 23,27. gegen das Gesetz. Paulus entbrannte vor Wut, weil der Hohepriester so schamlos gegen das jüdische Gesetz verstieß. Als Jesus in einer ähnlichen Situation entgegen dem Gesetz geschlagen wurde, reagierte er mit einer sanftmütigen Frage nach dem Grund für den Schlag (Joh 18,23). Paulus’ Reaktion war falsch, wie er kurz darauf zugibt (V. 5). Obwohl Ananias ein durchtriebener Mensch war, bekleidete er immer noch ein von Gott verordnetes Amt und verdiente somit den Respekt, der dieser Stellung gebührte.
23,4 keine Schuld. Die jüdischen Führer versuchten zwar ver- zweifelt, ihn anzuklagen, doch Pilatus war sich gewiss, dass Jesus kein Aufrührer war. Aber das aufgebrachte Volk schüchterte ihn ein und so fürchtete er sich, Jesus freizusprechen. Die Auskunft, dass Jesus ein Galiläer war, erleichterte ihn, denn damit hatte er eine Ausrede und konnte ihn zu Herodes schicken (V. 5.6). 23,4 Schmähst. Die Beistehenden waren entsetzt, dass Paulus den Hohenpriester so barsch tadelte. Das Wort für »schmähen« kommt auch in Joh 9,28 vor, wo es die höhnischen Bemerkungen der führenden Juden über den Blinden bezeichnet, den Jesus geheilt hatte. Petrus verwendete dieses Wort zur Beschreibung der Misshandlungen, die Jesus erduldete (1Pt 2,23).
23,5 Gebetsriemen. Lederne Riemen mit Kästchen, die ein Stück Pergament enthielten, auf denen in 4 Spalten 2Mo 13,1-10; 11-16; 5Mo 6,4-9 und 11,13-21 geschrieben war. Sie wurden von Männern beim Gebet getragen – eins mitten auf der Stirn und eins auf dem linken Arm oberhalb des Ellenbogens. Die Verwendung von Gebetsriemen basierte auf einer überwörtlichen Auslegung von Bibelstellen wie 2Mo 13,9.10 und 5Mo 6,8. Offensichtlich machten die Pharisäer ihre Lederriemen, an denen die Gebetskästchen befestigt waren, besonders breit, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. die Säume an ihren Gewändern. D.h. die Quasten. Jesus selbst trug sie (s. Anm. zu 9,20) und daher verurteilte er nicht die Quasten an sich, sondern nur die Gesinnung, die Quasten länger zu machen, damit sie den Anschein besonderer Frömmigkeit vermittelten. 23,5 Ich wusste nicht. Es gibt verschiedene Auffassungen, warum Paulus nicht »wusste«, dass es der Hohepriester war: 1.) Hier zeigt sich wiederum, dass Paulus ein Augenleiden hatte (vgl. Gal 4,15); 2.) Paulus war so ärgerlich, dass er vergaß, mit wem er sprach oder 3.) er war sarkastisch, da Ananias sich nicht wie ein Hoherpriester verhielt. Die einfachste Erklärung ist, Paulus’ Aussage so zu verstehen, wie er es sagt. Er war viele Jahre nicht mehr in Jerusalem gewesen und konnte Ananias wahrscheinlich nicht wiedererkennen. Da es eine außerordentliche Versammlung des Sanhedrin war (s. Anm. zu 22,30), trug der Hohepriester nicht seine Amtskleidung. es steht geschrieben. Ein Zitat aus 2Mo 22,27.
23,6 Aufgrund von Ananias’ Hochmut und seinem unrechtmäßigen Verhalten kam Paulus zu der Überzeugung, dass er kein faires Verhör vor dem Sanhedrin bekommen würde. Deshalb entschloss er sich zu einem kühnen Schritt. Als Pharisäer und möglicherweise ehemaliges Mitglied des Sanhedrin (s. Anm. zu 26,10) kannte Paulus die Spannungen zwischen den beiden Parteiungen im Sanhedrin. Er suchte daher Unterstützung bei den Pharisäern und er erinnerte sie, dass er selbst ein Pharisäer war. Dann brachte er das Thema auf die bedeutendste theologische Differenz zwischen ihnen und den Sadduzäern (s. Anm. zu V. 7). So entfachte Paulus hier einen Disput zwischen den Parteien des Sanhedrin. Sadduzäern … Pharisäern. S. Anm. zu Mt 3,7. Ratsversammlung. S. Anm. zu 4,15.
23,7 Herrschaftsgebiet des Herodes. S. Anm. zu 13,31. sandte er ihn zu Herodes. Herodes war zum Fest nach Jerusalem gekommen und Pilatus nutzte diese Gelegenheit, sich aus einer politischen Klemme zu befreien, indem er Jesus zu seinem Rivalen sandte. S. Anm. zu V. 12. 23,7 entstand ein Streit. Zwischen Sadduzäern und Pharisäern bestanden erhebliche soziale, politische und theologische Differenzen. Als Paulus die Frage nach der Auferstehung aufbrachte, suchte er die Unterstützung der Pharisäer bei dieser vielleicht wichtigsten theologischen Streitfrage (s. Anm. zu V. 8). Da die Auferstehung Jesu Christi auch das zentrale Thema des christlichen Glaubens ist, war dies kein zynischer Trick von Paulus, mit dem er den Sanhedrin wegen einer nebensächlichen Lehrfrage spalten wollte.
23,8 Rabbi … Vater … Meister. Hier verurteilt Jesus nicht Titel an sich, sondern Stolz und Anmaßung. Paulus spricht häufi g von »Lehrern« in der Gemeinde und bezeichnet sich selber als »Vater« der Korinther (1Kor 4,15). Offenbar verbietet das auch nicht den Erweis von Respekt (vgl. 1Th 5,11.12; 1Tim 5,1). Christus untersagt lediglich den Gebrauch solcher Bezeichnungen als geistliche Titel oder in einem demonstrativen Sinne, indem man Menschen eine unangemessene geistliche Autorität zuschreibt, als wären sie selbst anstatt Gott die Quelle der Wahrheit 23,8 hätte ihn schon längst gern gesehen. Das Interesse des Herodes an Christus wurde dadurch geschürt, dass Jesus ihn an seinen verstorbenen Kritiker Johannes den Täufer erinnerte (vgl. 9,7-9). Einmal hatte Herodes offenbar gedroht, Jesus umzubringen (13,31-33), doch da Christus sich mehr in Judäa aufhielt als in Galiläa und Peräa (wo Herodes herrschte), war der König nur von Neugier getrieben. 23,8 Sadduzäer … Pharisäer. Die Sadduzäer akzeptierten nur die fünf Bücher Mose (den Pentateuch) als von Gott inspirierte Schriften. Da sie (fälschlicherweise, vgl. Mt 22,23-33) behaupteten, der Pentateuch lehre keine künftige Auferstehung, leugneten die Sadduzäer die Auferstehung. Die Pharisäer glaubten jedoch an die Auferstehung und an das Leben nach dem Tod. Daher standen ihre Lehren dem Christentum näher als die der Sadduzäer. Interessanterweise berichtet die Bibel von Bekehrungen von Pharisäern (15,5; Joh 3,1), aber nicht von Sadduzäern.
23,9 gab ihm keine Antwort. Bei all den verschiedenen Verhören Jesu war Herodes der einzige, dem er jedes Gespräch verweigerte. Vgl. Mt 7,6. Herodes hatte die Wahrheit längst verworfen, als Johannes der Täufer sie ihm sagte. Somit wäre es zwecklos gewesen, hätte der Herr ihm geantwortet. Vgl. Jes 53,7; Ps 38,14.15; 39,2.3.10; 1Pt 2,23. 23,9 Schriftgelehrten von der Partei der Pharisäer. Ihre theolo- gische Uneinigkeit mit den Sadduzäern war derart heftig, dass sie bereit waren, Paulus zu verteidigen – obwohl er der Anführer der verhassten Christensekte war (vgl. 24,5).
23,11 Kriegsleuten. Seinen Sicherheitskräften. verachtete. Hero- des nahm die Begegnung mit Christus und die Anklagen gegen ihn zur Gelegenheit, sich zur Belustigung von Pilatus einen Scherz zu erlauben (V. 12). ein Prachtgewand. Oder »glänzendes Gewand«. Wahrscheinlich ein anderes Gewand als das aus Mt 27,28, welches ein Militärmantel war. Hier war es ein elegantes Königsgewand. Wahrscheinlich war es ein Stück aus der Garderobe des Herodes, auf das er verzichten konnte. 23,11 trat der Herr zu ihm. Die fünfte von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 22,17.18; 27,23.24), die er alle zu entscheidenden Zeitpunkten in seinem Dienst empfi ng. in Rom Zeugnis ablegen. Jesus ermutigte Paulus mit der Ankündigung, dass sein Wunsch, Rom zu besuchen (Röm 1,9-11; 15,23), in Erfüllung gehen werde.
23,12 Freundschaft. Sie gründete sich auf ihre gemeinsame unge- rechte und feige Behandlung Jesu. 23,12 verschworen sich. Wörtl. »sie sprachen ein Anathema über sich selbst« (vgl. Gal 1,8.9) und riefen somit für den Fall, dass sie versagten, Gottes Gericht auf sich herab (vgl. 1Sam 14,44; 2Sam 3,35; 19,13; 1Kö 2,23; 2Kö 6,31).
23,14 Dieser Vers fehlt in den ältesten erhaltenen Handschriften des Matthäusevangeliums, fi ndet sich jedoch bei Markus. S. Anm. zu Mk 12,40. 23,14 Obersten Priestern und Ältesten. S. Anm. zu 4,23; Mt 16,21. Als Sadduzäer waren sie eher geneigt, die Verschwörer zu unterstützen. Offenbar ausgeschlossen waren die Schriftgelehrten, die in der Mehrzahl Pharisäer waren und ihre Bereitschaft demonstriert hatten, Paulus zu verteidigen (V. 9).
23,16 das gilt nichts. Eine willkürliche Unterscheidung der Pha- risäer, die ihnen die scheinheilige Berechtigung gab, ungestraft zu lügen. Wenn jemand »beim Tempel« schwor (oder beim Altar, V. 18, oder beim Himmel, V. 22), wurde sein Eid nicht als verbindlich angesehen. Wenn er aber »beim Gold des Tempels« schwor, konnte er sein Wort nicht brechen, ohne den Strafen des jüdischen Gesetzes unterworfen zu sein. Unser Herr machte deutlich, dass Schwören bei diesen Dingen dasselbe ist wie Schwören bei Gott selbst. S. Anm. zu 5,34. 23,16 will ich ihn züchtigen. Vgl. V. 22. Obwohl Pilatus feststellte, dass er keines Vergehens schuldig war, wollte er ihn geißeln lassen, nur um die Juden zufrieden zu stellen. Doch auch diese äußerst schwere Strafe (s. Anm. zu Mt 27,26) konnte sie nicht zufriedenstellen. 23,16 der Sohn der Schwester des Paulus. Der einzige deutliche Hinweis in der Bibel auf Paulus’ Familie (zu den anderen möglichen Hinweisen s. Röm 16,7.11.21). Warum dieser junge Mann in Jerusalem war und nicht bei der Familie in Tarsus, ist nicht bekannt. Außerdem ist unklar, warum er seinen Onkel warnen wollte, denn Paulus war von seiner Familie wahrscheinlich enterbt worden, als er Christ wurde (Phil 3,8). ging in die Kaserne hinein und berichtete es dem Paulus. Da Paulus sich nicht in Arrest befand, sondern lediglich in Sicherheitsverwahrung, durfte er Besucher empfangen.
23,17 Er musste ihnen … einen freigeben. Weil es ein alter jüdi- scher Brauch war (Joh 18,39). Die Römer achteten diese Tradition. 23,17 Hauptleute. S. Anm. zu 22,25.
23,23 die Minze und den Anis und den Kümmel verzehntet. Das waren keine landwirtschaftlichen Produkte, die verzehntet werden mussten (3Mo 27,30), sondern lediglich Gartenkräuter. Doch die Pharisäer wogen pedantisch den Zehnten von jedem Kraut ab und zählten vielleicht sogar jeden einzelnen Anis-Samen. Jesus verurteilte hier jedoch nicht in erster Linie das Einhalten der Feinheiten des Gesetzes. Das Problem war vielmehr, dass sie »das Wichtigere im Gesetz vernachlässigten«: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Glauben. Das sind die moralischen Prinzipien, die dem ganzen Gesetz zugrunde liegen. Sie waren mit ihrer Konzentration auf die Nebensächlichkeiten und Äußerlichkeiten zufrieden, widersetzten sich jedoch vorsätzlich der geistlichen Bedeutung des Gesetzes. Er sagte ihnen, sie sollten sich diesen wichtigeren Dingen widmen und zugleich »jenes nicht lassen«. 23,23 Lysias sah ein, dass er Paulus aus Jerusalem herausfüh- ren und zu seinem vorgesetzten Statthalter Felix nach Cäsarea bringen musste. Nur so konnte er das Komplott der Verschwörer vereiteln, eine möglicherweise explosive Konfrontation mit den Juden vermeiden und Paulus’ Leben schützen. 23,23 Soldaten … Reiter … Lanzenträger. Die »Soldaten« wa- ren Legionäre, d.h. eine Elitetruppe der römischen Armee; die »Reiter« waren von der Kavallerie der Garnison und die »Lanzenträger« oder Speerwerfer waren leichter bewaffnet als die Legionäre. Lysias sandte nahezu die Hälfte seiner 1000 Mann starken Garnison aus. Das zeigt, wie ernst er das Komplott gegen Paulus nahm. dritten Stunde der Nacht. 21.00 Uhr.
23,26 Simon von Kyrene. Alle drei synoptischen Evangelien erwäh- nen Simon. S. Anm. zu Mt 27,32; Mk 15,21. 23,26 Statthalter Felix. S. Anm. zu 24,3.
23,27 getünchten Gräbern. Gräber wurden regelmäßig ge- tüncht, damit man sie nicht übersah. Wenn man versehentlich ein Grab berührte oder darauf trat, wurde man zeremoniell unrein (4Mo 19,16). Ein frisch getünchtes Grab sah von außen strahlend weiß und sauber aus und war zudem manchmal noch reich geschmückt. Doch im Innern war es voller Fäulnis und Verwesung. Ähnliches sagt Jesus in Lk 11,44. 23,27 erfuhr, dass er ein Römer ist. In Wirklichkeit hatte Ly- sias das erst festgestellt, nachdem er Paulus verhaftet hatte (22,25.26). Lysias versuchte sich vor dem Statthalter im bestmöglichen Licht darzustellen. Deshalb erwähnte er auch weder seinen Befehl, Paulus auszupeitschen (22,24) noch seine irrige Annahme, er sei der berüchtigte ägyptische Rädelsführer (21,38).
23,29 Glückselig sind die Unfruchtbaren. Es wird eine Zeit kom- men, da kinderlose Frauen glücklich geschätzt werden, weil sie keine Kinder haben, deren Tod sie beklagen müssen. 23,29 Streitfragen ihres Gesetzes. Dass Lysias keinerlei Vergehen gegen das römische Gesetz erwähnte, war gleichbedeutend mit einer Erklärung der Unschuld von Paulus.
23,30 wir hätten uns nicht mit ihnen … schuldig gemacht. Eine lächerliche Behauptung ihrer eigenen Gerechtigkeit, wo sie doch bereits die Ermordung des Messias planten (vgl. Joh 11,47-53). 23,30 sagen. Ein Zitat aus Hos 10,8. Vgl. Offb 6,16.17; 9,6. 23,30 zu sagen, was gegen ihn vorliegt. Aufgrund der Verschwö- rung gegen Paulus war jedes weitere Verhör des Apostels in Jerusalem zu riskant und so war es erforderlich, dass Lysas den Fall Felix aufbürdete.
23,31 grünen Holz … dürren. Das war wohl ein bekanntes Sprich- wort, das hier wahrscheinlich bedeutet: Wenn die Römer schon eine solche Gräueltat an Jesus verübten (das »grüne Holz« – jung, stark und voller Leben), was würden sie dann erst mit der jüdischen Nation tun (dem »dürren Holz« – alt, unfruchtbar und reif zum Gericht)? 23,31 Antipatris. Ein römischer Militärposten etwa 65 km von Je- rusalem entfernt. Dort rasteten viele Reisende, die von Jerusalem nach Cäsarea unterwegs waren. Von Jerusalem aus in einer Nacht dorthin zu gelangen (V. 32), bedeutete einen erschöpfenden Gewaltmarsch für die Fußsoldaten.
23,32 zwei andere … Übeltäter. S. Anm. zu Mt 27,38; Mk 15,27. 23,32 Reiter. Da die Gefahr von Hinterhalten in der vorwiegend heid- nischen Region Samaria wesentlich geringer war, wurden die Fußsoldaten nicht mehr gebraucht.
23,33 Schädelstätte. In der lateinischen Bibel steht hier Calvaria, was das lat. Äquivalent zu Golgatha ist. S. Anm. zu Mt 27,33; Mk 15,22. kreuzigten. S. Anm. zu Mt 27,31. 23,33 Cäsarea. S. Anm. zu 8,40.
23,34 Propheten und Weise und Schriftgelehrte. D.h. die Jün- ger sowie die Propheten, Evangelisten und Hirten, die ihnen folgten (vgl. Eph 4,11). 23,34 vergib ihnen. D.h. seinen Peinigern, sowohl den Juden als auch den Römern (vgl. Apg 7,60). Eine Frucht dieses Gebets ist die Errettung tausender Menschen am Pfi ngsttag in Jerusalem (Apg 2,41). denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie waren sich der vollen Bedeutung ihrer Freveltat nicht bewusst. Sie erkannten ihn nicht als ihren Messias (Apg 13,27.28). Sie waren blind für das Licht der göttlichen Wahrheit, »denn wenn sie sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt« (1Kor 2,8). Doch ihre Unwissenheit bedeutete sicherlich nicht, dass sie Vergebung verdienten. Vielmehr war ihre geistliche Blindheit an sich schon ein Erweis ihrer Schuld (Joh 3,19). Doch das Gebet des Herrn in gerade dem Augenblick, da sie ihn am schändlichsten behandelten, ist ein Ausdruck der grenzenlosen Barmherzigkeit und Gnade Gottes. warfen das Los. S. Anm. zu Mt 27,35; Mk 15,24. 23,34 aus welcher Provinz er sei. Felix musste zuerst feststellen, ob er rechtlich für Paulus’ Fall zuständig war. aus Cilicien. Judäa und Cilicien befanden sich zu dieser Zeit beide unter syrischer Verwaltung. Somit hatte Felix die Autorität, Paulus zu verhören.
23,35 Abels … Zacharias. Der erste und letzte Märtyrer des AT. des Sohnes Barachias. (s. Sach 1,1). Das AT berichtet nicht, wie er starb. In 2Chr 24,20.21 fi nden wir jedoch den Tod eines anderen Sacharja, des Sohnes Jojadas. Er wurde auf dem Tempelvorhof gesteinigt, genau wie Jesus es hier sagt. Die besten Handschriften des Matthäusevangeliums lesen alle »Zacharias (bzw. Sacharjas), des Sohnes Barachias« (obwohl in Lk 11,51 der Vater nicht genannt ist). Einige meinten, der Sacharja in 2Chr 24 sei in Wirklichkeit ein Enkel Jojadas gewesen und sein Vater habe ebenfalls Barachias geheißen. Doch können wir Jesu Worte ohne Schwierigkeiten einfach so nehmen, wie sie sind und sein unfehlbares Zeugnis annehmen, dass der Prophet Sacharja zwischen Tempel und Altar ermordet wurde, ganz ähnlich wie der frühere Sacharja als Märtyrer starb. 23,35 spotteten. Vgl. Ps 22,7.8.17-19. 23,35 Prätorium des Herodes. Felix’ offi zielle Residenz in Cäsarea.
24,1 – 25,46 Dieser Abschnitt ist die letzte von fünf Reden im Matt- häusevangelium (s. Einleitung: Historische und theologische Themen). Sie ist als Ölbergrede bekannt und enthält einige der wichtigsten prophetischen Aussagen der ganzen Bibel. 24,1 die Gebäude des Tempels. Der Bau dieses Tempels wurde unter Herodes dem Großen im Jahr 20 v.Chr. begonnen (s. Anm. zu 2,1), und er war immer noch nicht fertiggestellt, als die Römer ihn 70 n.Chr. zerstörten (s. Anm. zu V. 2). Zur Zeit Jesu gehörte der Tempel zu den beeindruckendsten Gebäuden der Welt. Er war aus massiven Steinblöcken gebaut, die mit Gold verziert waren. Einige Steine im Tempelkomplex maßen 12 x 3,5 x 3,5 m und waren so genau behauen, dass sie sich vollkommen aneinander fügten. Die Tempelgebäude bestanden aus glänzendem weißen Marmor und die gesamte Ostmauer des großen Hauptkomplexes war mit Goldplatten bedeckt, die die Morgensonne widerstrahlten und so ein weithin sichtbares Schauspiel boten. Die Konstrukteure des Herodes hatten mit Hilfe von mächtigen Stützmauern und gewölbten Kammern auf der Südseite und südöstlichen Ecke den gesamten Tempelberg vergrößert. Dadurch wurde der ausgedehnte Vorhof auf dem Tempelberg verdoppelt. Der ganze Tempelkomplex war in jeder Hinsicht überwältigend. Das Gespräch der Jünger in diesem Vers war vielleicht eine Reaktion auf Jesu Aussage in 23,38. Zweifellos wunderten sie sich, wie eine derart eindrucksvolle Stätte »verwüstet gelassen« werden könne. 24,1 brachten die wohlriechenden Gewürze. S. Anm. zu 23,55. Die Frauen erwarteten nicht, Christus als Auferstandenem zu begegnen, sondern hatten einfach vor, den Leichnam fertig einzubalsamieren. S. Anm. zu Mk 16,1. 24,1 Nach fünf Tagen. In dieser kurzen Zeit packten die führenden Juden ihre Sachen, heuerten einen Anwalt (»Redner«) und reisten nach Cäsarea. Vielleicht fürchteten sie, Felix würde Paulus freilassen, wenn sie sich nicht mit Nachdruck für die Anklage einsetzten. der Hohepriester Ananias. S. Anm. zu 23,2. Ältesten. Die wichtigsten Führer des Sanhedrin (s. Anm. zu 4,5). Tertullus. Möglicherweise ein Römer, aber wahrscheinlich ein hellenistischer Jude (vgl. V. 6).
24,3 Ölberg. Der Hügel gegenüber dem Tempel auf der Ostseite des Kidrontals (s. Anm. zu Lk 19,29). Dieser Punkt bietet den besten Rundblick über Jerusalem. Am Fuß dieses Berges ist der Garten Gethsemane (s. Anm. zu 26,36). das Zeichen deiner Wiederkunft. Lk 19,11 berichtet, dass die Jünger immer noch »meinten, das Reich Gottes würde unverzüglich erscheinen«. Die Zerstörung des Tempels (V. 2) passte nicht in ihr eschatologisches Bild. Deshalb baten sie Jesus, ihnen dieses Problem zu erklären. Jesus beantwortete ihre Fragen in umgekehrter Reihenfolge: Zuerst beschrieb er das prophetische Zeichen für seine Wiederkunft (eigentlich eine ganze Reihe von Zeichen) in V. 4-35 und ging dann ab V. 36 auf ihre Frage ein, wann diese Ereignisse stattfi nden werden. Als sie ihn nach seiner Wiederkunft fragten (gr. parousia; wörtl. »Gegenwart«), dachten sie nicht an ein zweites Kommen vom Himmel in ferner Zukunft. Sie dachten an das siegreiche Auftreten des Messias und meinten, das müsste jetzt kurz bevorstehen. Obwohl sie wussten, dass Jesus seinem Tod entgegenging – was er ihnen mehrmals angekündigt hatte (s. Anm. zu 20,19) –, konnten sie sich nicht seine Himmelfahrt und die lange Zwischenzeit der Gemeinde vorstellen. Der Herr verwendete jedoch in der Endzeitrede das Wort parousia im technischen Sinne als Hinweis auf seine Wiederkunft. 24,3 Felix. Statthalter von Judäa von 52 bis 59 n.Chr. Felix war ein ehemaliger Sklave, dessen Bruder (ein Günstling von Kaiser Claudius) ihn in die Stellung eines Statthalters bringen konnte. Die einfl ussreichen Römer seiner Zeit sahen ihn nicht hoch an und während seiner Zeit als Statthalter erreichte er nur wenig. Er schlug den Ägypter und seine Anhänger (s. Anm. zu 21,38), doch seine Brutalität verärgerte die Juden und führte zwei Jahre nach Paulus’ Verhör zu seiner Absetzung als Statthalter durch Kaiser Nero (V. 27).
24,5 Nach der obligatorischen Lobrede auf Felix begann Tertullus mit seinen konkreten Anklagen gegen Paulus. Dazu gehörte Aufwiegelung (ein Verstoß gegen römisches Recht), Sektiererei (ein Verstoß gegen das jüdische Gesetz) und Tempelentweihung (ein Verstoß gegen Gottes Gebote). 24,5 eine Pest. Diese Aussage verdeutlicht zwar den Hass des San- hedrin auf Paulus und die Christen, war aber keine konkrete Anklage wegen eines Vergehens. einen, der Aufruhr stiftet. Die erste und (an einem römischen Gericht) schwerwiegendste Anklage gegen Paulus: Aufruhr (Rebellion). Die Römer tolerierten Rädelsführer nicht (wie die anwesenden Juden ein paar Jahre später am eigenen Leib erfahren sollten, nämlich 66 n.Chr.). Wären die jüdischen Führer imstande gewesen, diese Anklage gegen Paulus zu beweisen, dann wäre der Apostel schwer bestraft worden, möglicherweise mit der Todesstrafe. Tertullus vermied behutsam die Erwähnung jeglicher konkreten Vorfälle, weil Felix dann nämlich den Fall womöglich dem zuständigen Statthalter übertragen hätte, in dessen Bezirk sich der Vorfall ereignet hatte. Die Juden wollten, dass Paulus vor einem Statthalter verhört wurde, der unter ihrem Einfl uss stand. Anführer der Sekte der Nazarener. Der zweite Vorwurf gegen Paulus war Sektiererei (Irrlehre). Tertullus’ verachtungsvolle Bezeichnung des Christentums als »Sekte der Nazarener« (vgl. 6,14; Joh 1,46; 7,41.52) sollte Paulus als Anführer einer messianischen Sekte darstellen, die für Rom gefährlich war.
24,6 es ist noch nicht das Ende. Falsche Propheten sowie Kriege und Kriegsgerüchte charakterisieren das ganze jetzige Zeitalter, werden jedoch am Ende zunehmen (vgl. 2Tim 3,13). 24,6 wie er zu euch redete … in Galiläa. S. Anm. zu 9,22; 18,31- 33. 24,6 versuchte sogar, den Tempel zu entheiligen. Die dritte Anklage gegen Paulus war Tempelentweihung und Gotteslästerung. Die jüdischen Führungspersonen wiederholten durch ihren Sprecher die falsche Anklage der Juden aus Kleinasien (21,28). Sie versuchten die wilde Prügelei der gegen Paulus aufgebrachten Volksmenge zu überspielen und behaupteten fälschlicherweise, sie hätten ihn verhaftet. 24,6 Er versuchte … zu dir kommen sollten. In vielen al- ten Handschriften fehlt dieser Abschnitt, der die Frage aufwirft, wen zu verhören Tertullus Felix auffordert. Wenn dieser Abschnitt weggelassen wird, dann bittet Tertullus Felix, Paulus zu befragen; doch der Apostel hätte Tertullus’ falsche Anklagen lediglich abgestritten. Wenn der Abschnitt authentisch ist, dann beschuldigt Tertullus fälschlicherweise Lysias, er habe seine Autorität überschritten und sich in ein berechtigtes Vorgehen der Juden eingemischt. Damit behauptete Tertullus, dass Lysias diese falsche Darstellung der Ereignisse bestätigen würde, wenn er verhört werde. Das könnte Felix’ Entschluss erklären, das Verhör bis zur Ankunft von Lysias zu vertagen (V. 22).
24,7 Eine weitere Unwahrheit, mit der die Juden die Schuld für den Vorfall auf Lysias schieben wollten. In Wirklichkeit war der jüdische Mob der Gewalttätigkeit schuldig. Lysias hatte den Aufruhr beendet und Paulus gerettet. 24,10-21 Paulus’ dritte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 25,1-12; 26,1-29; 28,17-19).
24,10 werden viele Anstoß nehmen. Wörtl. »zu Fall gebracht werden«. Damit sind bekennende Gläubige gemeint, die abfallen und sich durch geistlichen Verrat sogar gegenseitig bekämpfen. Wer in solcher Weise abfällt, zeigt, dass er niemals ein wahrer Gläubiger war (s. Anm. zu V. 13). 24,10 verwendete, wo er den Abfall und geistlichen Verrat in der Endzeit ankündigte. Hier meinte der Herr hingegen nicht vollständigen und endgültigen Abfall. In einem Augenblick fl eischlicher Furcht verleugneten sie Christus (V. 34), doch er betete, dass ihr Glaube nicht aufhören werde (Lk 22,32; Joh 17,9-11). Dieses Gebet wurde erhört. Der Vers, den Jesus hier zitierte, ist Sach 13,7 (s. Anm. dort). 24,10 Maria Magdalena. S. Anm. zu 8,2. Sie war die erste, die Jesus als Auferstandenen sah (Mk 16,9; Joh 20,11-18). S. Anm. zu V. 4. Johanna. Ihr Ehemann war der Verwalter von Herodes. S. Anm. zu 8,3. Maria, die Mutter des Jakobus. S. Anm. zu Mt 27,56. die übrigen. Frauen, die nirgends näher identifi ziert werden (vgl. 23,49.55). 24,10 seit vielen Jahren Richter. Sowohl als Statthalter als auch vorher bei seiner Tätigkeit unter dem Statthalter von Samaria. Im Gegensatz zu Tertullus schmeichelte Paulus Felix nicht, sondern erinnerte ihn an seine Vertrautheit mit jüdischen Gesetzen, Bräuchen und Lehren. Felix war somit zu einem gerechten Urteil verpfl ichtet.
24,11 Märchen. Die Kunde der Auferstehung erschien ihnen als Unsinn. 24,11 zwölf Tage. Von denen er fünf Tage in Cäsarea auf seine Ankläger gewartet hatte (V. 1). Mehrere der verbleibenden sieben Tage war er mit seinen Reinigungsriten beschäftigt gewesen (s. Anm. zu 21,24.27). Paulus wollte damit herausstellen, dass er überhaupt keine Zeit gehabt hatte, eine Revolte anzuzetteln, selbst wenn er gewollt hätte.
24,14 in der ganzen Welt verkündigt. Trotz allen bevorstehenden Drangsalen – der Verführung durch Irrlehrer, den Kriegen, Verfolgungen, Naturkatastrophen, dem Abfall von Christus und allen Hindernissen für die Verbreitung des Evangeliums – wird die frohe Botschaft schließlich bis in jeden Winkel der Erde vordringen. Gott fehlt es nie an Zeugen und er wird, wenn nötig, das Evangelium vom Himmel verkündigen (vgl. Offb 14,6). und dann wird das Ende kommen. »Das Ende« bedeutet die letzten, heftigsten Geburtswehen (s. Anm. zu V. 8). So charakterisiert Christus die große Drangsalszeit, die nun in den folgenden Versen beschrieben wird. 24,14 dem Weg. S. Anm. zu 9,2. im Gesetz und in den Prophe- ten. Das bezieht sich auf das AT (s. Mt 7,12). Die Sadduzäer lehnten einen Großteil des ATs ab (s. Anm. zu 23,8), während sowohl sie als auch die Pharisäer das Zeugnis des ATs über Jesus Christ verwarfen (vgl. Lk 24,27.44; Joh 1,45; 5,39.46). Im Gegensatz dazu sah Paulus die ganze Heilige Schrift als inspiriert an und glaubte alles, was darin gelehrt wurde.
24,15 Gräuel der Verwüstung. S. Anm. zu Dan 9,27; 11,31. Die- ser Ausdruck bezog sich ursprünglich auf die Entweihung des Tempels durch König Antiochus Epiphanes im 2. Jhdt. v.Chr. Antiochus fi el 168 v.Chr. in Jerusalem ein, machte aus dem Tempel ein Zeus-Heiligtum und opferte sogar Schweine auf dem Altar. Jesus hatte jedoch eindeutig einen zukünftigen »Gräuel der Verwüstung« im Blick. Einige meinen, diese Prophezeiung habe sich im Jahr 70 n.Chr. erfüllt, als Titus Jerusalem und den Tempel zerstörte (s. Anm. zu V. 2). Paulus sah die Erfüllung jedoch als ein zukünftiges Ereignis (2Th 2,3.4) – ebenso wie Johannes (Offb 13,14.15) –, das stattfi nden wird, wenn der Antichrist während der künftigen Drangsalszeit ein Bildnis in den Tempel stellt. Deshalb blicken Jesu Aussagen hier über die Ereignisse des Jahres 70 n.Chr. hinaus auf eine Zeit noch heftigerer weltweiter Katastrophen, die seiner Wiederkunft unmittelbar vorausgehen (vgl. V. 29-31). 24,15 Hoffnung zu Gott. Die große Hoffnung der Juden war die Auferstehung (Hi 19,25-27; Dan 12,2). Somit war Paulus – und nicht die liberalen Sadduzäer – dem Hauptgedanken der herkömmlichen jüdischen Theologie treu.
24,16 auf die Berge. Wahrscheinlich ist damit das Gebiet südöst- lich von Jerusalem gemeint, insbesondere die Umgegend des Toten Meeres, wo es viele Höhlen und Zufl uchtsstätten gibt. Hier versteckte David sich vor Saul (1Sam 24,1). Dazu gehört auch das Bergland von Moab und Edom. 24,16 Ihre Augen aber wurden gehalten. Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten. 24,16 unverletztes Gewissen. S. Anm. zu 23,1.
24,17 Almosen … und Opfer. Der einzige Hinweis in der Apostel- geschichte auf das Überbringen der Opfergabe, die Paulus für die armen Gläubigen in Jerusalem gesammelt hatte (s. Anm. zu 19,21). Paulus wollte in Jerusalem alles andere als Streit stiften, nämlich humanitäre Hilfe überbringen.
24,18 Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem. Die Kreu- zigung Jesu hatte sich bereits in ganz Jerusalem so herumgesprochen, dass die zwei entsetzt waren, dass er davon offenbar nichts wusste. 24,18 Juden aus der Provinz Asia. S. Anm. zu 21,27. gereinigt. S. Anm. zu 21,24.
24,21 große Drangsal. Die Beschreibung »wie bis jetzt keine ge- wesen ist und auch keine mehr kommen wird« und die darauf folgende Schilderung belegen, dass es hier um eine noch zukünftige Zeit geht, in der Gott seinen Zorn auf die Erde gießt (s. Anm. zu Offb 7,14). Die Beschreibungen der anschließenden Katastrophen erinnern an die Gerichte der Zornesschalen in Offb 16 und an das darauf folgende Erscheinen des Herrn in Offb 19 (s. Anm. zu V. 30). 24,21 Wir aber hofften. Sie hatten auf ein sofortiges irdisches Reich gehofft. Als Jesus gekreuzigt wurde, rangen sie offenbar mit Zweifeln, ob er wirklich der Messias war, der zur Herrschaft kommen sollte. Doch hielten sie ihn immer noch für einen wahren Propheten (V. 19). der dritte Tag. Vielleicht schwingt in diesen Worten ein leichter Hoffnungsschimmer mit. Ihnen waren bereits Gerüchte über seine Auferstehung zu Ohren gekommen (V. 22-24). Vielleicht erinnerte sich Kleopas an die Verheißungen des Herrn aus 9,22 und 18,33. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er auf diese Weise sein Erstaunen ausdrückte, dass dieser Fremde noch nicht die Neuigkeit kannte, die während der letzten drei Tage in Jerusalem in aller Munde gewesen war. 24,24 etliche der Unsrigen. Petrus und Johannes (s. Anm. zu V. 12). ihn selbst aber haben sie nicht gesehen. Das stimmte. Kleopas und sein Begleiter wussten offenbar noch nichts davon, dass Jesus Maria Magdalena erschienen war (s. Anm. zu V. 4). 24,21 Wegen der Auferstehung der Toten. Glaube an die Auf- erstehung war weder nach jüdischem noch nach römischem Recht ein Vergehen. Paulus war auch nicht für die alte Fehde zwischen Sadduzäern und Pharisäern verantwortlich, die nach Paulus’ Aussage zu einem offenen Streit entbrannt war.
24,22 wenn jene Tage nicht verkürzt würden. Würden die Drangsale dieser Zeit länger dauern, »würde kein Fleisch gerettet werden«, d.h. niemand würde überleben. Doch »um der Auserwählten willen« (damit die Erlösten nicht mehr leiden, als sie ertragen können), wird die Zeit »verkürzt«, d.h. kurz vor der völligen Vernichtung beendet. Sowohl Dan 7,25 als auch Offb 12,14 (s. Anm. dort) legen nahe, dass die tatsächliche Zeit, während der »das Tier« die Welt terrorisieren kann, auf 3 1/2 Jahre begrenzt ist. 24,22 über den Weg recht genau Bescheid wusste. Wahr- scheinlich durch seine Frau Drusilla, die eine Jüdin war (24,24). verwies er sie auf eine spätere Zeit. Die Zeugen für Paulus’ angebliches Verbrechen (die Juden aus Kleinasien) hatten versäumt, zu diesem Verhör zu kommen. Auch die jüdischen Führer konnten Paulus kein Verbrechen nachweisen. Das einzige Urteil, das Felix in Übereinstimmung mit dem römischen Recht aussprechen konnte, war die Unschuldserklärung für Paulus. Das hätte jedoch die Juden noch wütender gemacht und womöglich weiteren Ärger verursacht. Da Felix als Statthalter in erster Linie für die Wahrung der Ordnung verantwortlich war, hielt er es für den besten Entschluss, keinen Entschluss zu treffen und den Prozess unter dem Vorwand zu vertagen, er brauche weitere Informationen von Lysias. der Befehlshaber, herabkommt. Lysias’ schriftlicher Bericht hatte bereits erklärt, dass es bei diesem Streitfall um Fragen des jüdischen Gesetzes ginge (23,29) und dass Paulus keines Verbrechens schuldig sei (23,29). Es ist schwer einzusehen, was er noch hätte hinzufügen können und es gibt keinen Hinweis darauf, dass Felix ihn jemals vorlud. 24,24 Drusilla. Die jüngste Tochter von Agrippa I. (s. Anm. zu 12,1) und Felix’ dritte Gattin. Felix war von ihrer Schönheit überwältigt und hatte sie von ihrem Ehemann weggelockt. Zur Zeit von Paulus’ Verhör war sie noch keine 20 Jahre alt.
24,25 von Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und dem zu- künftigen Gericht. Aufgrund seines heiligen Wesens verlangt Gott von allen Menschen »Gerechtigkeit« (Mt 5,48; 1Pt 1,15.16). Diesem absoluten Maßstab zu entsprechen, erfordert »Enthaltsamkeit«. Die Konsequenz von fehlender Selbstbeherrschung und Abweichung von Gottes gerechtem Maßstab ist »Gericht« (wenn man nicht errettet ist). wurde Felix von Furcht erfüllt. Da er mit einer Frau zusammenlebte, die er von ihrem Mann weggelockt hatte, mangelte es Felix an »Gerechtigkeit« und »Enthaltsamkeit«. Die Erkenntnis, dass ihm das »Gericht« droht, versetzte ihn in Schrecken und so schickte er Paulus eilends fort. wenn ich aber gelegene Zeit fi nde. Der Augenblick der Überführung von Sünde verstrich und Felix verpasste törichterweise seine Gelegenheit zur Buße (vgl. 2Kor 6,2).
24,26 glaubt es nicht. Niemand sollte die Behauptung selbst er- nannter Messiasse ernst nehmen; denn niemand wird die Wiederkunft Christi übersehen oder verpassen (V. 27.28). 24,26 Musste nicht. D.h. »war das nicht notwendig?«. Die Pro- phezeiungen im AT sprachen oft von einem leidenden Knecht Jahwes (s. Anm. zu V. 27). 24,26 dass er von Paulus Geld erhalten würde. Das römische Gesetz verbot, Bestechungsgelder anzunehmen, was aber dennoch übliche Praxis war.
24,27 bei Mose und bei allen Propheten. Vers 44 nennt eine dreifache Unterteilung der Bibel, hier steht eine Kurzform, die dasselbe besagt. in allen Schriften. Gemäß der unergründlichen Weisheit der Vorsehung Gottes ist uns nicht überliefert, wie Jesus die messianischen Prophezeiungen des AT auslegte. Doch seine Auslegung umfasste zweifellos eine Erklärung des alttestamentlichen Opfersystems, denn dieses war voller Vorbilder und Symbole auf sein Leiden und Sterben. Außerdem wird er sie auf die wichtigsten prophetischen Abschnitte über die Kreuzigung hingewiesen haben, wie z.B. Ps 16,9-11; 22; 69; Jes 52,14-53,12; Sach 12,10; 13,7. Darüber hinaus hat er ihnen sicherlich die wahre Bedeutung von Bibelstellen erklärt wie 1Mo 3,15; 4Mo 21,69; Ps 16,10; Jer 23,5.6; Dan 9,26, sowie zahllose weitere messianische Prophezeiungen, insbesondere solche, die auf seinen Tod und seine Auferstehung hinweisen. 24,27 bekam Felix den Porcius Festus zum Nachfolger. S. Anm. zu V. 3. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem ehemaligen Sklaven Felix, gehörte Festus dem römischen Adel an. Über seine kurze Amtszeit als Statthalter (er starb zwei Jahre nach Amtsantritt) ist wenig bekannt, doch der jüdische Historiker Josephus beschreibt ihn als besser als seine Vorgänger und Nachfolger. die Juden zu Dank verpfl ichten. Weil die Juden sich wegen seiner Brutalität in Rom beschwerten, was ihm schließlich die Amtsenthebung einbrachte. Er hatte einen Aufruhr in Cäsarea gewaltsam niedergeschlagen und die Juden wütend gemacht. Nun wollten sich die Juden in Rom beschweren und ihn absetzen lassen. Kaiser Nero rief ihn nach Rom zurück, wo ihn eine schwere Strafe erwartete, wenn sein einfl ussreicher Bruder Pallas nicht Fürsprache für ihn einlegte. 25,1-12 Paulus’ vierte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 24,10-21; 26,1-29; 28,17-29).
25,1 Das Gleichnis von den 10 Jungfrauen lehrt, wie wichtig es ist, unter allen Umständen für die Wiederkunft Christi bereit zu sein, auch wenn er länger verzieht als erwartet. Denn wenn er wiederkommt, dann werden die Unvorbereiteten keine zweite Chance haben (V. 11.12). 25,1 zehn Jungfrauen. D.h. Brautjungfern. Die Hochzeitsfeier be- gann beim Eintreffen des Bräutigams im Haus der Braut, wo sich die beiden dem Trauungsritual unterzogen. Danach folgte eine Prozession, bei welcher der Bräutigam die Braut zu seinem Haus führte, um dort die Festlichkeiten zu vollenden. Für eine nächtliche Hochzeit wurden für die Prozession »Lampen« benötigt (eigentlich waren es Fackeln). 25,1 nach drei Tagen von Cäsarea hinauf nach Jerusalem. Um sich mit der Situation in seiner neuen Provinz vertraut zu machen.
25,3 Anschlag. Ein zweites Komplott, mit dem ein Attentat geplant wurde. Diesmal waren die Mitglieder des Sanhedrin jedoch nicht die Komplizen (vgl. 23,14.15), sondern die Attentäter selbst.
25,4 Festus. S. Anm. zu 24,27. Cäsarea. S. Anm. zu 8,40. Als römi- scher Regierungssitz in Judäa war Cäsarea der richtige Platz für Paulus, einen Römer, um verhört zu werden.
25,6 Richterstuhl. Das bedeutet, dass sein Verhör ein offi zieller rö- mischer Gerichtsprozess war (s. V. 10.17; 18,12; Mt 27,19; Joh 19,13).
25,9 die Juden zu Dank verpfl ichten. Vgl. 24,27.
25,10 Richterstuhl des Kaisers. Mit Festus’ Kompromiss bekamen die jüdischen Führer alles, was sie erhofft hatten. Sie hatten vor, Paulus umzubringen, bevor er nach Jerusalem kam. Deshalb lehnte Paulus Festus’ Kompromissversuch ab und erinnerte den Statthalter, dass er vor dem kaiserlichen Richterstuhl stand, wo er als römischer Staatsbürger volles Recht auf einen Prozess hatte.
25,11 Ich berufe mich auf den Kaiser! Er berief sich auf sein Recht als römischer Staatsangehöriger, einen Prozess in Rom zu bekommen.
25,12 Offenbar bestand niemals eine Beziehung zwischen ihnen und dem Herrn, obgleich sie sich eingebildet hatten, den Hausherrn zu kennen (V. 26). Trotz ihres Protests wiederholte er seine Leugnung ausdrücklich in V. 27. 13,28 das Heulen und das Zähneknirschen. S. Anm. zu Mt 22,13. 13,29 sie werden kommen. Jesus nannte Menschen aus allen 4 Himmelsrichtungen und machte damit klar, dass auch Heiden zum himmlischen Gastmahl geladen seien. Das widersprach der rabbinischen Lehre, entsprach aber dem AT (Ps 107,3; Jes 66,18.19; Mal 1,11). S. Anm. zu 2,31; Mk 13,27. 13,30 Letzte … Erste … Erste … Letzte. S. Anm. zu Mt 20,16. In diesem Zusammenhang bildet diese Aussage einen Gegensatz zwischen Juden (die »Ersten«) und Heiden (die »Letzten«). S. Anm. zu 14,11. 13,31 reise ab von hier. Herodes Antipas regierte in Galiläa und Peräa (s. Anm. zu Mt 2,22). Christus war wahrscheinlich unterwegs nach Peräa oder wirkte dort bereits (s. Anm. zu V. 22). Die Pharisäer – die selber keine Freunde von Herodes waren – warnten Christus vielleicht deshalb, weil sie hofften, auf die Warnung vor Herodes würde ihm zum Schweigen bringen, oder er würde nach Judäa und damit unter die Jurisdiktion des Sanhedrins zurückkehren. 13,32 diesem Fuchs. Manche meinen, diese Ausdrucksweise sei schwer zu vereinbaren mit 2Mo 22,27; Pred 10,20 und Apg 23,5. Jene Verse beziehen sich jedoch auf die Sprache des Alltags. Propheten wurden als Sprachrohr Gottes oft dazu beauftragt, Führungspersonen öffentlich zu rügen (vgl. Jes 1,23; Hes 22,27; Hos 7,3-7; Zeph 3,3). Da Jesus mit göttlicher Vollmacht sprach, hatte er jedes Recht, Herodes so zu bezeichnen. In rabbinischen Schriften war der »Fuchs« häufi g eine Bezeichnung für jemanden, der hinterlistig und zugleich wertlos war. Die Pharisäer, die vor der Macht des Herodes zitterten, müssen über die Kühnheit. Jesu gestaunt haben. heute und morgen, und am dritten Tag. Dieser Ausdruck beschreibt keinen buchstäblichen 3-Tages-Plan, sondern bedeutet nur, dass Christus seinen göttlichen Zeitplan einhielt. Solche Ausdrücke sind in den semitischen Sprachen typisch; sie wollen meist nicht wörtlich verstanden werden. S. Anm. zu Mt 12,40. am Ziel. D.h. er wird sterben und sein Werk vollenden. Vgl. Hebr 2,10; Joh 17,4.5; 19,30. Herodes drohte ihm mit dem Tod, doch niemand konnte Christus vor der von Gott bestimmten Zeit töten (Joh 10,17.18). 13,33 es geht nicht an. Natürlich starben nicht alle Märtyrer in Jerusalem. Johannes der Täufer wurde wahrscheinlich in Tiberias im Palast des Herodes enthauptet. Es handelte sich wohl um eine Redensart, so wie das Sprichwort in 4,24 und Mt 13,57. Die Ironie ist unüberhörbar: Die meisten Propheten des AT wurden nicht von ausländischen Feinden umgebracht, sondern von Juden. Lukas führt diese Redensart an, um einmal mehr an sein Thema zu erinnern: Die Reise des Herrn nach Jerusalem und zum Kreuz (s. Anm. zu 9,51). 13,34 Jerusalem, Jerusalem. Das Bild von der Henne mit ihren Küken spricht von Gottes Fürsorge. Diese bewegenden Worte nehmen die Tränen des Herrn vorweg, die er über das unbußfertige Jerusalem weinte, als er vor seinem Tod zum letzten Mal vor ihren Toren stand (19,41). Zu diesen Gefühlsregungen des Herrn s. Anm. zu Mt 9,36. habe ich … wollen … und ihr habt nicht gewollt! Der Kummer des Herrn über das Ende Jerusalems widerspricht nicht die Tatsache, dass er souverän über allem Geschehen steht. Die Wahrheit von Gottes Souveränität sollte man auch nicht dazu missbrauchen, die Aufrichtigkeit seines Mitgefühls zu hinterfragen. S. Anm. zu Mt 23,37. 13,35 Der Herr tat diesen Ausruf zu einem früheren Zeitpunkt als der in Mt 23,37-39 mitgeteilte. Dort ist der Tempel der Ort des Geschehens, wo Christus während der letzten Tage vor der Kreuzigung wirkte. Der Wortlaut der beiden Klagen ist dennoch praktisch identisch. Hier in Lukas prophezeit Christus dieselbe Botschaft, die er später als ein Endgericht verkündet. Gepriesen sei. Ein Zitat aus Ps 118,26. 14,1 Sabbat. S. Anm. zu 13,10. Lukas berichtet häufi ger von Heilungen am Sabbat als alle anderen Evangelisten. Offenbar erwies Christus seine Barmherzigkeiten bevorzugt am Sabbat. beobachteten sie ihn. Der Pharisäer lud Christus nicht aus lauteren Motiven zum Essen ein. 14,2 wassersüchtiger. Eine Krankheit, bei der sich Flüssigkeit im Gewebe und in den Hohlräumen des Körpers ansammelt und die oft zu einem Nieren- oder Leberleiden oder auch zu Krebs führt. 14,3 Gesetzesgelehrten. D.h. Schriftgelehrte. S. Anm. zu 10,25. Ist es erlaubt. Jesus hatte wiederholte Male Heilungen am Sabbat verteidigt, und seine Argumente hatten die Widersacher stets zum Schweigen gebracht (vgl. 6,9.10; 13,14-17). Hier und in 6,9 fragte er die Schriftgelehrten im Voraus, ob es rechtmäßig ist, am Sabbat zu heilen. Und sie konnten immer noch keinen überzeugenden Grund angeben, warum Heilen gegen das Sabbatgebot verstoßen solle (vgl. V. 6). 14,5 sein Esel oder Ochse. Vgl. 13,15; Mt 12,11.12. Schon die natürliche Humanität (ganz zu schweigen von wirtschaftlichen Gründen) lehrte sie, Tieren am Sabbat zu helfen. Sollten für Menschen in Not etwa nicht dieselben Prinzipien gelten? 14,7 die ersten Plätze. D.h. die besten Sitzplätze am Tisch. Vgl. 11,43; Mt 23,6. 14,11 Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Jesus liebte solche Paradoxe (vgl. 9,24; 13,30 17,33; 18,14; Mt 23,11.12). Mit dieser Aussage verdeutlichte er, worauf er in V. 8-10 hinaus wollte (vgl. Spr 25,6.7. 14,12 lade nicht deine Freunde noch deine Brüder … ein. Das ist natürlich kein absolutes Verbot, Freunde oder Verwandte zum Essen einzuladen. In V. 26 verwendete Christus eine ähnliche Übertreibung. In semitischen Sprachen sind solche Ausdrücke üblich; sie geben der Aussage Nachdruck. Jesus sagt damit, dass es kein Ausdruck wahrer Nächstenliebe ist, wenn man die eigenen Freunde und Verwandten einlädt. Gleichzeitig tadelt er solche, die ihre Gastfreundschaft nur »reichen Nachbarn« erweisen und wissen, dass sich ihre Gäste verpfl ichtet fühlen, sich zu revanchieren. Vgl. 5Mo 14,28.29. 14,14 vergolten werden bei der Auferstehung. Mit einem Schatz im Himmel (vgl. 18,22). 14,15 wer das Brot isst im Reich Gottes. Der Mann vertrat wahrscheinlich die übliche Auffassung, dass nur Juden zum himmlischen Festmahl geladen seien (s. Anm. zu Mt 8,12). Christus antwortete mit einem Gleichnis über die Berufung von Heiden. 14,16 ein großes Mahl. Dieses Gleichnis entspricht zwar in vielerlei Hinsicht dem Gleichnis in Mt 22,2-14 und lehrt dieselbe Lektion, ist aber nicht dasselbe. Das Gleichnis in Mt 22 wurde in einer anderen Situation gelehrt und unterscheidet sich in einigen wichtigen Einzelheiten. lud viele dazu ein. Offenbar schlug niemand die Einladung aus. Der Gastgeber hatte jeden Grund zu erwarten, dass alle Geladenen tatsächlich kommen würden. 14,17 den Geladenen. Die Gäste einer Hochzeit (die eine ganze Woche dauern konnte) erhielten eine vorläufi ge Einladung mit einer ungefähren Zeitangabe. Wenn schließlich die vielen Vorbereitungen abgeschlossen waren, wurden die Eingeladenen informiert, dass das Fest nun beginnen könne. Die im Voraus eingeladenen Gäste repräsentieren das Volk Israel, denen im AT das Kommen des Messias angekündigt worden war, damit sie sich dafür bereit hielten. 14,18 entschuldigen. Alle Entschuldigungen riechen nach Unaufrichtigkeit. Man erwirbt kein Grundstück, ohne es sich vorher anzusehen. Und hatte man es schon gekauft, hatte man keine Eile, es zu inspizieren. Dazu hätte man auch nach dem Gastmahl noch Zeit gehabt. Genauso (V. 19) kauft man keine Ochsen, ohne sie zuvor auszuprobieren. Der frisch Vermählte (V. 20) brauchte keine Dienstaufträge anzunehmen und musste nicht in den Krieg zu ziehen (5Mo 24,5), hatte aber keinen berechtigten Grund, solche Anlässe auszuschlagen. 14,21 die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden. Solche Menschen wurden von den Pharisäern als unrein und unwürdig verachtet. Die religiösen Führer verurteilten Jesus für seine Kontakte zu Prostituierten und Zöllnern (vgl. 5,29.30; 15,1; Mt 9,10.11; 11,19; 21,31.32; Mk 2,15.16). 14,22 es ist aber noch Raum da! Gottes Bereitwilligkeit, Sünder zu retten, ist größer als die Bereitwilligkeit von Sündern, sich retten zu lassen. 14,23 an die Landstraßen und Zäune. Offensichtlich eine Beschreibung für heidnische Länder. nötige sie hereinzukommen. Nicht gewaltsam oder durch Zwang, sondern durch eindringliche Überredung. 14,24 keiner jener Männer, die eingeladen waren. D.h. derer, die abgesagt haben. Da Israel die Einladung ausschlug, wurde das Volk vom Festmahl ausgeschlossen. Der Urteilsspruch des Herrn besiegelte ihre eigene Entscheidung. Die meisten Juden wurden im Jahr 70 n.Chr. von den Römern umgebracht. S. Anm. zu Mt 22,7; 23,36; 24,2. 14,25 eine große Volksmenge. Jesus wollte nicht große Menschenmengen um sich scharen, sondern wahre Jünger machen (s. Anm. zu 13,23). Er passte seine Botschaft nie den Vorlieben der Mehrheit an, sondern nannte unmissverständlich die Kosten der Jüngerschaft. Hier stellt er gewichtige Bedingungen, die die Halbherzigen abhielten. 14,26 hasst. Die ähnliche Aussage in Mt 10,37 ist der Schlüssel, um diese schwierige Aufforderung zu verstehen. Das hier geforderte »hassen« bedeutet eigentlich weniger lieben. Der Herr forderte von seinen Jüngern eine Hingabe an ihn, die ihre Zuneigung zu allen anderen Dingen und Menschen – einschließlich ihres eigenen Lebens – wie Hass erscheinen lässt. S. 16,13; 1Mo 29,30.31 für einen ähnlichen Gebrauch des Wortes »hassen«. 14,27 sein Kreuz trägt. Freiwillig. Das entspricht dem Gedanken aus V. 26, sein eigenes Leben zu hassen. S. Anm. zu 9,23; Mt 10,38; vgl. Mk 8,34. 14,28 berechnet die Kosten. Die Volksmengen waren wohlwollend, aber unentschieden. Der Herr schraubte deswegen seine Forderung nicht herunter, sondern setzte die Kosten der Jüngerschaft vielmehr so hoch wie möglich an (V. 26.27.33). Damit ermutigte er sie zu einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, bevor sie sich bereit erklärten, ihm zu folgen. Vgl. 9,57-62. 14,33 allem entsagt. Nur wer bereitwillig die Kosten berechnet (V. 28-32) und alles, was er hat, ins Reich Gottes investiert, ist würdig, hineingelassen zu werden. Dabei geht es um viel mehr als nur Verzicht auf materielle Güter, nämlich um bedingungslose Lebensübergabe. Ein Jünger darf keine Sonderrechte beanspruchen und kann keine Bedingungen stellen. Sie dürfen an keiner Lieblingssünden festhalten, keinen irdischen Besitz ansammeln und keinen heimlichen Vorlieben frönen. Sie müssen sich ihm vorbehaltlos ausliefern. S. Anm. zu 9,23-26. 14,34 Das Salz ist gut. S. Anm. zu Mt 5,13; Mk 9,50. Dieses Bild verwendete Christus mindestens drei Mal. 15,1 Zöllner und Sünder. S. Anm. zu 14,21; Mt 5,46; 21,32. Trotz der schwierigen Bedingungen, die Jesus in seiner Botschaft nannte (14,25-35), wurden die von der Gesellschaft Verstoßenen zu ihm gezogen, während die religiösen Würdenträger mehr und mehr entschlossen waren, ihn umzubringen. Vgl. 1Kor 1,26-29. 15,2 murrten. wörtl. »murrten gründlich«. Jesus antwortete auf ihr Murren mit drei Gleichnissen, mit denen er die Freude Gottes über bußfertige Sünder beschreibt. Dieser nimmt Sünder an. Diese Aussage ist der Schlüssel für die folgende Trilogie von Gleichnissen. Christus schämte sich nicht, als »Freund von Zöllnern und Sündern« bekannt zu sein (7,34). 15,4 geht dem verlorenen nach. Die ersten beiden Gleichnisse beschreiben Gott, wie er die Initiative ergreift und dem Sünder nachgeht. Die Rabbinen lehrten, Gott nehme nur solche Sünder an, die ernsthaft genug nach Vergebung suchen, doch in diesem Gleichnis ist Gott derjenige, der den Sünder sucht (s. Anm. zu 19,10). Im Orient war der Hirte für jedes einzelne Schaf verantwortlich. Er war von seinem Herrn verpfl ichtet darauf zu achten, dass kein Schaf verloren ging, sich verletzte oder umkam (vgl. Mt 18,11-14). 15,5 nimmt er es auf seine Schulter. Das Bild eines liebevollen Hirten. Vgl. Joh 10,11; Ps 24,1. mit Freuden. Die Freude über das Wiederfi nden des Verlorenen ist das herausragendste Merkmal aller drei Gleichnisse (V. 7.10.32). 15,7 Freude sein im Himmel. Das bezieht sich auf Gottes eigene Freude. Auf der Erde wurde seitens der Pharisäer gemurrt (V. 2), aber Gott und die Engel waren voller Freude (V. 10). die keine Buße brauchen. Das sind solche, die sich selber für gerecht halten (vgl. 5,32; 16,15; 18,9). 15,8 Drachmen. Die Drachme war eine griechische Münze, die etwa dem Wert des römischen Denars entsprach (s. Anm. zu Mt 22,19). zündet … ein Licht an. Das typische Ein-Zimmer-Haus hatte keine Fenster. kehrt das Haus. Eine Veranschaulichung für die Gründlichkeit der Suche. 15,11.12 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist das bekannteste und beliebteste aller Gleichnisse Jesu und ist zugleich eines der längsten und detailliertesten. Im Gegensatz zu den anderen Gleichnissen vermittelt es mehrere Lektionen. Der verlorene Sohn ist ein Beispiel für echte Buße. Der ältere Bruder verdeutlicht die Verdorbenheit der Pharisäer in ihrer Selbstgerechtigkeit, Voreingenommenheit und Gleichgültigkeit gegenüber bußfertigen Sündern, und der Vater repräsentiert Gott, der schnell zur Vergebung bereit ist und die Umkehr des Sünders ersehnt. Das Hauptmerkmal ist jedoch, wie in den beiden vorigen Gleichnissen, die Freude Gottes und des Himmels über die Buße eines Sünders. 15,12 Gib mir, Vater, den Teil des Vermögens, der mir zufällt! Eine herzlose Bitte, mit der der Sohn dem Vater sagte, er wünschte, er wäre schon tot. Er hatte keinen Anspruch auf sein Erbe, solange der Vater noch lebte. Doch der Vater kam der Bitte großzügig nach und händigte dem Sohn sein Erbe vollständig aus. Da dem älteren Bruder als Erstgeborenem ein doppelter Erbteil zustand (5Mo 21,17), betrug das Erbe für den jüngeren Sohn ein Drittel des gesamten Vermögens des Vaters. Das ist ein Bild für alle Sünder, die durch die Schöpfung Gott zum Vater haben, aber ihre Möglichkeiten und Vorrechte vergeuden, jede Beziehung zu Gott verweigern und sich stattdessen für ein Leben sündiger Selbstverwirklichung entscheiden. 15,13 packte … alles zusammen. Der jüngere Sohn setzte das Erbe offenbar in liquide Mittel um, verließ seinen Vater und zog von dannen, um ein Leben der Sünde zu führen. ausschweifendem Leben. Es war nicht nur verschwenderisch, sondern auch unmoralisch (V. 30). Das gr. Wort für »ausschweifend« bedeutet »zügellos«. 15,15 die Schweine zu hüten. Für die jüdischen Zuhörer war das die schlimmste Schande, die man sich vorstellen konnte, denn Schweine galten als die unreinsten der unreinen Tiere. 15,16 begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten. Schoten vom Johannisbrotbaum, mit denen Schweine gefüttert wurden. Für Menschen waren sie praktisch unverdaulich. Anders ausgedrückt: Er ernährte sich nur deshalb nicht vom Schweinefutter, weil er es nicht konnte. niemand gab sie ihm. Oder »niemand gab ihm etwas«. Er konnte sich nicht einmal durch Betteln ernähren. Seine Situation hätte nicht verzweifelter sein können. Damit symbolisiert er den von Gott getrennten, hilfl osen und verzweifelten Sünder. 15,17 Er kam aber zu sich selbst. D.h. er kam zu Sinnen. Als sein sündiges Leben ihn ganz bankrott gemacht und an den Rand des Abgrundes gebracht hatte, kam er zur Einsicht. In diesem Zustand war er ein Kandidat für die Errettung (s. Anm. zu Mt 5,3-6). 15,18 Ich will … zu ihm sagen. Er dachte gründlich darüber nach, was er sagen sollte und überschlug die Kosten seiner Umkehr (V. 19). gesündigt gegen den Himmel. Eine Umschreibung dafür, dass er gegen Gott gesündigt hatte. Er erkannte nicht nur die Hoffnungslosigkeit seiner Situation, sondern verstand auch die Schwere seines Vergehens gegenüber dem Vater. 15,20 sah ihn sein Vater. Der Vater hatte offenbar auf seinen Sohn gewartet und nach seiner Rückkehr Ausschau gehalten. er lief. Mit aller Deutlichkeit zeigt der Vater seine Freude über die Rückkehr seines Sohnes. Das ist eine der großartigen Eigenschaften Gottes, die ihn von allen falschen, von Menschen erfundenen Göttern unterscheiden. Er ist weder gleichgültig noch feindlich gesinnt, sondern in seinem Wesen ein Retter, der wünscht, dass Sünder zur Buße kommen und der sich freut, wenn sie tatsächlich umkehren. S. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10. Von 1Mo 3,8 bis Offb 22,17, vom Sündenfall bis zur Vollendung, war und ist Gott bemüht, Sünder zu retten und freut sich jedes Mal, wenn ein Sünder Buße tut und sich zu ihm bekehrt. 15,21 Der Sohn hatte seine sich zurechtgelegten Worte der Buße noch nicht zu Ende geredet, als der Vater ihn unterbrach und seine Vergebung zusprach. Das veranschaulicht, wie gerne Gott vergibt. 15,22 der Vater sprach. Ohne ein einziges Wort des Tadels für die Vergangenheit zeigt der Vater seine ganze Liebe zu seinem Sohn und seine Freude darüber, dass nun gefunden ist, was verloren war. Alle Geschenke des Vaters verdeutlichen einen besonderen Aspekt der Wiederannahme seines Sohnes: Festgewand. Es war dem Ehrengast vorbehalten. Ring. Ein Symbol der Autorität. Schuhe. Sklaven trugen üblicherweise keine Schuhe; so zeigte der Vater, dass er den einst Verlorenen vorbehaltlos wieder als Sohn angenommen hatte.. 15,23 das gemästete Kalb. Das war nur für ganz besondere Anlässe vorgesehen, für ein Opfer oder ein großes Freudenfest. Alle Einzelheiten aus V. 22.23 symbolisieren den reichen Segen der Errettung (vgl. Eph 1,3; 2,4-7). 15,25 älterer Sohn. Er symbolisiert den Pharisäer, den heuchlerischreligiösen Menschen, der am Wohnort des Vaters bleibt (im Tempel), aber kein Sündenbewusstsein, keine Liebe zum Vater (sonst hätte er sich mit ihm gefreut) und kein Interesse an der Umkehr von Sündern hat. 15,28 Da wurde er zornig. Das entspricht dem Murren der Schriftgelehrten und Pharisäer (V. 2). 15,29 habe nie dein Gebot übertreten. Das ist unwahrscheinlich angesichts der offenen Geringschätzung des Sohnes gegenüber seinen Vater (die er dadurch zeigt, dass er sich nicht mit dem Vater freuen will). Diese Aussage offenbart das offenkundige Problem aller religiösen Heuchler. Sie erkennen ihre Sündigkeit nicht und wollen nicht Buße tun (s. Anm. zu Mt 9,12.13; 19,16-20). Die Bemerkung des älteren Sohnes riecht nach demselben Geist wie die Worte der Pharisäer in 18,11. mir hast du nie einen Bock gegeben. Antrieb zu all den Jahren des Dienstes im Vaterhaus war offensichtlich nur die Erwartung, etwas zu bekommen. Das selbstgerechte Gebaren des älteren Sohnes war gesellschaftlich eher akzeptiert als die Zügellosigkeit seines Bruders; dabei entehrt es den Vater gleichermaßen und verlangt ebenfalls Buße. 15,30 dieser dein Sohn. Ein Ausdruck tiefer Missgunst (vgl. »dieser Zöllner« in 18,11). Er konnte sich nicht überwinden, ihn »meinen Bruder« zu nennen. 15,31 alles, was mein ist, das ist dein. Das Erbe war bereits ausgeteilt worden (V. 12). Alles, was der Vater hatte, war bereits buchstäblich in den Besitz des älteren Sohnes übergegangen. Doch der ältere Sohn war sogar neidisch auf die Liebe, die der Vaters dem verlorenen Sohn erwies. Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten leichten Zugang zu allen Reichtümern der Wahrheit Gottes. Sie verbrachten ihr Leben mit den heiligen Schriften und dem öffentlichen Gottesdienst, aber in Wirklichkeit hatten sie sich nie einen der Schätze angeeignet, deren sich der bußfertige Sünder erfreuen kann. 15,32 Du solltest aber fröhlich sein und dich freuen. Eine Zusammenfassung der Aussage aller drei Gleichnisse. dein Bruder. S. Anm. zu V. 30. 16,1 Haushalter. Ein Haushalter oder Verwalter war ein vertrauenswürdiger Diener, der meistens in der Familie geboren war und der über die Verwaltung und Verteilung der Güter des Haushalts verfügte. Er sorgte für die das Essen der anderen Diener und verwaltete die Mittel seines Herrn zum Wohlergehen der anderen. Er handelte als Vertreter seines Herrn und hatte Vollmachten zu Geschäften in dessen Namen. seine Güter verschleudere. Mit dem Motto der Verschwendung knüpft dieses Gleichnis an das vorangegangene an. Wie der verlorene Sohn aus Kap. 15 machte sich dieser Verwalter schuldig, indem er die ihm verfügbaren Mittel vergeudete. Im Gegensatz zum verlorenen Sohn war er jedoch so klug, dafür zu sorgen, dass er wegen seiner Verschwendung künftig nicht verlassen und mittellos dastünde. 16,2 du kannst künftig nicht mehr Haushalter sein. Es war unklug vom Hausherrn, dem Diener anzukündigen, dass er ihn entlassen werde, denn das brachte ihm noch weitere Verluste ein. Offenbar dachte er, der Diener sei kein Betrüger, sondern einfach inkompetent. Das wäre eine Erklärung für seine Reaktion in V. 8. 16,3 Graben kann ich nicht. D.h. er hielt sich für körperliche Arbeit für nicht geeignet. 16,4 Ich weiß, was ich tun will. Er gewährte den Schuldnern seines Herrn beträchtliche Nachlässe, woraufhin diese bereitwillig die verbleibenden Beträge zahlten. in ihre Häuser aufnehmen. Da er ihre Schulden bei seinem Herrn verringerte, schuldeten sie ihm eine Gegenleistung und waren verpfl ichtet, ihn in ihre Häuser aufzunehmen, wenn er aus dem Haus seines Herrn geworfen würde. 16,6 schnell. Das war geheime Aktion ohne Genehmigung des Herrn. Als Komplize machte der Schuldner sich am Betrug des Verwalters mitschuldig. 16,8 der Herr lobte den ungerechten Haushalter. Obwohl er übers Ohr gehauen worden war, lobte er die Schlauheit des Verwalters. Seine Bewunderung für die kriminelle Raffi nesse des bösen Verwalters zeigt, dass auch er ein böser Mensch war. Das gefallene Herz des Sünders bewundert die Schlauheit des Bösewichts (Ps 49,20). Es fällt auf, dass alle Charaktere in diesem Gleichnis ungerecht, skrupellos und bestechlich sind. klüger. D.h. die meisten Ungläubigen sind in ihrer weltlichen Lebensweise klüger als manche Gläubige (»Kinder des Lichts«, vgl. Joh 12,36; Eph 5,18) in Bezug auf die Dinge Gottes. 16,9 ungerechten Mammon. D.h. Geld. Der ungerechte Verwalter benutzte das Geld seines Herrn, um sich irdische Freunde zu erwerben; Gläubigen solle das Geld ihres himmlischen Herrn so verwenden, dass sie Freunde für die Ewigkeit gewinnen – indem sie in das Evangelium investieren, um Sündern zum Heil verhelfen. Wenn sie im Himmel eintreffen (»die ewigen Hütten«), werden diese einstigen Sünder sie dort freudig empfangen. Christus rechtfertigte nicht die Unehrlichkeit des Mannes, sondern bezeichnete ihn treffend als »ungerecht« (V. 8). Er verwendete ihn lediglich als Illustration, um zu verdeutlichen, dass sogar die gottlosesten Kinder dieser Welt klug genug sind, um für Tage der Not vorzusorgen. Gläubige sollten noch viel klüger sein, denn sie verwalten nicht nur irdische, sondern ewige Güter. Vgl. 12,33; Mt 6,19-21. 16,10 Wer im Geringsten treu ist. Wahrscheinlich ein bekanntes Sprichwort. Vgl. 19,17; Mt 25,21. 16,11 das Wahre. Treues Verwenden der irdischen Güter wird oft mit dem Sammeln von himmlischen Schätzen verknüpft (vgl. 12,33; 18,22; Mt 16,19-21). 16,12 fremden Gut. Das bezieht sich auf Gott und auf die Verwaltung seines Geldes durch die Gläubigen, denen es anvertraut ist. 16,13 Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon! Viele Pharisäer lehrten, man könne ganz gut dem Gewinn und Gott ergeben sein (V. 14). Das ging Hand in Hand mit der verbreiteten Auffassung, irdischer Reichtum sei ein Zeichen für Gottes Segen. Daher wurden Reiche als von Gott Begünstigte angesehen (s. Anm. zu Mt 19,24). Christus hat zwar Reichtum nicht an sich verdammt, aber er verurteilte sowohl Liebe zum Reichtum als auch Hingabe an den Mammon. Zu Geldliebe s. Anm. zu 1Tim 6,9.10.17-19. 16,15 sich selbst rechtfertigen. Die Pharisäer glaubten, ihre eigene Gütigkeit würde sie rechtfertigen (vgl. Röm 10,3). Genau das ist die Defi nition von »Selbstgerechtigkeit«. Doch Jesus erklärte, dass ihre Gerechtigkeit unecht und nur äußerer Schein war. Um vor Menschen gerecht zu erscheinen, mag sie ausgereicht haben, aber nicht vor Gott, denn er kannte ihre Herzen. Immer wieder rügte Christus ihre Gewohnheit, die Bestätigung durch Menschen zu suchen (vgl. Mt 6,2.5.16; 23,28). 16,16 bis auf Johannes. Das Wirken Johannes des Täufers bezeichnete den Wendepunkt der Heilsgeschichte. Bis dahin waren die großen Wahrheiten über Christus und sein Reich in den Vorbildern und Schatten des Gesetzes verborgen und in den Schriften der Propheten verheißen (vgl. 1Pt 1,10-12). Doch Johannes der Täufer stellte den König selbst vor (s. Anm. zu Mt 11,11). Die Pharisäer, die sich für Experten im Gesetz und in den Propheten hielten, verkannten die Bedeutung des Einen, auf den das Gesetz und die Propheten hinwiesen. jedermann drängt sich mit Gewalt hinein. Vgl. Jer 29,13. Während die Pharisäer Christus eifrig bekämpften, gingen Sünder scharenweise in sein Reich ein. Dieser Ausdruck lässt an Gewaltanwendung denken. Gemeint ist wahrscheinlich der Eifer, mit dem Sünder von ganzem Herzen danach strebten, ins Reich zu gelangen (s. Anm. zu 13,24; Jes 55,6.7; Mt 11,12). 16,17 als dass ein einziges Strichlein des Gesetzes falle. Damit niemand meinte, mit der Aussage aus V. 16 hebe er das Gesetz und die Propheten auf, fügte er diese Anmerkung hinzu (s. Anm. zu Mt 5,18). Die großen moralischen Prinzipien des Gesetzes, die ewigen Wahrheiten in den Vorbildern und Symbolen des Gesetzes und die Verheißungen der Propheten bleiben allesamt in Kraft und werden durch die Botschaft vom Reich nicht annulliert. 16,18 bricht die Ehe. D.h. wenn die Scheidung keinen rechtmäßigen Grund hatte. Lukas gibt Jesu Lehre über Scheidung verkürzt wieder und betont dabei nur das Wesentliche. Der vollständigere Bericht bei Matthäus macht klar, dass Jesus Scheidung erlaubte, wenn der Ehepartner Ehebruchs begangen hatte. S. Anm. zu Mt 5,31.32; 19,3-9. Das widersprach der rabbinischen Lehre, die Männern erlaubte, sich von ihren Frauen aus fast jedem Grund scheiden zu lassen (Mt 19,3). 16,20 Lazarus. Eindeutig nicht der Lazarus in Joh 11 (der zu einem späteren Zeitpunkt starb). Dieser Bettler ist die einzige Person in den Gleichnissen Jesu, die er namentlich bezeichnet. Deshalb hat man vermutet, dass es sich hier nicht um ein Gleichnis, sondern um einen Tatsachenbericht handelt. Wie dem auch sei, verwendet Christus diese Geschichte wie alle anderen Gleichnisse, um eine Lektion zu vermitteln, diesmal an die Adresse der Pharisäer. Der Reiche in diesem Gleichnis wird in der theologischen Literatur manchmal Dives genannt (lat. »der Reiche«). 16,21 Die Brocken, die vom Tisch fi elen, die Geschwüren und die Hunde die Rede war machen diesen Armen in den Augen der Pharisäer besonders abstoßend. Für sie bewiesen alle diese Dinge die Missgunst Gottes. Einen derartigen Menschen hätten sie nicht nur als unrein, sondern als von Gott verworfen taxiert. 16,22 Abrahams Schoß. Derselbe Begriff (der in der Bibel nur hier vorkommt) wird im Talmud für den Himmel verwendet. Der Grundgedanke ist, dass Lazarus einen Ehrenplatz direkt neben Vater Abraham bekam. 16,23 im Totenreich. Die Vorstellung, dass ein Reicher vom Himmel ausgeschlossen wird, muss für die Pharisäer unerhört gewesen sein (s. Anm. zu Mt 19,24). Besonders provozierend war der Gedanke, dass ein Bettler, der die Abfälle vom Tisch des Reichen gegessen hatte, den Ehrenplatz neben Abraham bekam. Das gr. Wort für »Totenreich«, den Aufenthaltsort der Verstorbenen, ist hades. In der LXX ist dieses Wort die Übersetzung des hebr. Begriffs Scheol, der den Wohnort der Toten allgemein bezeichnete, ohne dabei speziell zwischen gerechten und ungerechten Seelen zu unterscheiden. Im NT bezieht sich der »Hades« jedoch stets auf den Aufbewahrungsort der Verlorenen vor dem endgültigen Gericht in der Hölle. Das Bild, das Jesus hier verwendete, passte zur verbreiteten, aber falschen rabbinischen Vorstellung, dass der Scheol zwei Teile hatte, nämlich einen für die Seelen der Gerechten und den anderen für die Seelen der Gottlosen, der vom anderen Teil durch eine unüberwindbare Kluft getrennt war. Es gibt jedoch keinen Grund zur manchmal geäußerten Annahme, »Abrahams Schoß« bezeichne ein zeitweiliges Gefängnis für die Seelen der Gerechten des AT, die erst dann in den Himmel geführt wurden, nachdem ihre Sünden durch das Werk am Kreuz tatsächlich gesühnt worden waren. Die Schrift lehrt durchweg, dass die Geister der verstorbenen Gerechten sofort in die Gegenwart Gottes eingehen (vgl. 23,43; 2Kor 5,8; Phil 1,23). Und das Erscheinen von Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung (9,30) widerspricht der Vorstellung, dass sie in einem Teilbereich des Scheols gefangen waren, bis Christus sein Werk vollendet hatte. 16,24 ich leide Pein. Christus beschrieb den Hades als einen Ort, wo die unaussprechlichen Qualen der Hölle bereits begonnen haben. Zu diesen Leiden gehören ein unauslöschliches Feuer (s. Anm. zu Mt 25,46), ein anklagendes Gewissen, das gespeist wird von unauslöschlichen Erinnerungen an verpasste Gelegenheiten (V. 25) und eine bleibende, unumkehrbare Trennung von Gott und von allem Guten (V. 26). 16,27 in das Haus meines Vaters sendest. Der Reiche hatte sogar in der Hölle noch eine herablassende Haltung gegenüber Lazarus und forderte Abraham immer wieder auf, ihn zu »senden«, um ihm zu dienen (vgl. V. 24). Die Flammen der Hölle können Sünden nicht sühnen und Sünder nicht von ihrer Verdorbenheit reinigen (vgl. Offb 22,11). 16,29 Sie haben Mose und die Propheten. D.h. das AT. 16,31 so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen. Ein schlagender Beweis, dass die Bibel völlig hinreichend ist, um Unglauben zu überwinden. Das Evangelium selbst ist die Kraft Gottes zur Errettung (Röm 1,16). Da Unglaube im Kern kein verstandesmäßiges, sondern ein moralisches Problem ist, kann keine noch so große Sammlung faktischer Beweise den Unglauben in Glauben verwandeln. Doch das offenbarte Wort Gottes hat in sich die Kraft, Glauben zu bewirken (vgl. Joh 6,63; Hebr 4,12; Jak 1,18; 1Pt 1,23). 17,1 Anstöße. Wörtl. »Fallen«. S. Anm. zu Mt 18,7. 17,2 ein großer Mühlstein. Wörtl. »der Mühlstein eines Esels«. S. Anm. zu Mt 18,6. Kleinen. Gläubige, Gottes Kinder unter seiner Fürsorge. S. Anm. zu Mt 18,5. 17,3 weise ihn zurecht. Der Christ hat die Pfl icht, einen Bruder oder eine Schwester, die sündigt, darauf aufmerksam zu machen. S. Anm. zu Mt 18,15. 17,4 siebenmal am Tag. D.h. gleichgültig wie oft er sündigt und Buße tut. S. Anm. zu Mt 18,21.22. Die Zahl sieben war nicht als Grenze gedacht (vgl. Ps 119,164). Ganz im Gegenteil: Christus sagte damit, dass Vergebung unbegrenzt gewährt werden soll (vgl. Eph 4,32; Kol 3,13). 17,5 Mehre uns den Glauben. Wörtl. »gib uns mehr Glauben«. Angesichts des hohen Maßstabs, den Jesus für sie aufstellte, fühlten sie sich unzulänglich. 17,6 Glauben … wie ein Senfkorn. S. Anm. zu Mt 17,20. 17,7-10 Die Lektion dieses Gleichnisses besagt, dass ein Diener keinen besonderen Lohn zu erwarten hatte, wenn er seine bloße Pfl icht erfüllte. Die Forderungen, die Christus in V. 1–4 aufstellte, erschienen den Jüngern vielleicht unerreichbar, doch waren sie das bloße Minimum für einen Diener Christi. Wer gehorcht, sollte nicht meinen, sein Gehorsam verdiene außerordentlichen Lohn. 17,10 unnütze Knechte. D.h. keiner besonderen Ehre würdig. 17,11 als er nach Jerusalem reiste … durch das Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa. Lukas nennt keinen Grund für diesen Umweg, doch ein Vergleich der Evangelien gibt Aufschluss. Offenbar liegt zwischen V. 10 und 11 ein längerer Zeitraum. Die Auferweckung des Lazarus bei Bethanien in der Nähe von Jerusalem (Joh 11) fällt wahrscheinlich in diese Zeit. Joh 11,54 besagt, dass Christus nach der Auferweckung des Lazarus in »eine Stadt namens Ephraim« ging, die sich nördlich von Jerusalem nahe der Grenze zu Samarien befand, um den Autoritäten zu entgehen, die ihn umbringen wollten. Von dort aus reiste er offenbar nochmals durch Samarien und Galiläa nach Norden, vielleicht um in Galiläa Freunde und Familienangehörige zu treffen, die zum Passah nach Jerusalem pilgern wollten. Von dort wäre er dann auf der üblichen Route südwärts über Jericho (18,35) nach Jerusalem gereist S. Anm. zu 9,51; 13,22. 17,12 aussätzige. Diese Männer waren zeremoniell unrein und somit gezwungen, außerhalb der Ortschaft zu leben (3Mo 13,46; 4Mo 5,2.3). Das Gesetz verlangte, dass sie sich auf Distanz hielten, und daher mussten sie laut rufen, um sich mit ihm zu verständigen. Zu einer Beschreibung von Aussatz s. Anm. zu 3Mo 13,2. 17,13 erbarme dich über uns. Vgl. 16,24; 18,38.39; Mt 9,27; 15,22; 17,15; 20,31; Mk 10,47.48. Das war die übliche Bitte solcher, die sich nach Heilung sehnten. 17,14 zeigt euch den Priestern. Um als rein erklärt zu werden (3Mo 13,2.3; 14,2-32). während sie hingingen. Die Heilung geschah spontan und war sofort sichtbar, vollzog sich jedoch erst, nachdem sie seinem Befehl gehorcht hatten. 17,15 Einer aber von ihnen kehrte wieder um. Seine Reaktion erinnert an das Verhalten von Naeman (2Kö 5,15). Die anderen, die möglichst schnell rein erklärt werden wollten, um ins normale gesellschaftliche Leben zurückzukehren, gingen offenbar direkt zum Priester weiter und dachten nicht daran, dem Herrn zu danken. 17,16 das war ein Samariter. Da Jesus die Aussätzigen zum Priester schickte, waren sie vermutlich Juden. Weil alle zeremoniell unrein waren, war es diesem Samariter erlaubt, sich ihnen anzuschließen, doch als sie geheilt waren, teilten sie seine Dankbarkeit nicht. 17,18 dieser Fremdling. In den Augen des Herrn waren Samariter weder besser noch schlechter als andere Heiden. S. Anm. zu Joh 4,4. 17,19 hat dich gerettet. Oder »geheilt«. Vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34. 17,20 wann das Reich Gottes komme. Vielleicht war diese Frage spöttisch gemeint, da sie bereits überzeugt waren, er sei nicht der Messias. kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Die Pharisäer glaubten, der Triumph des Messias würde unmittelbar sein. Sie erwarteten, dass er bei seiner Ankunft Rom besiegen und das Reich aufrichten werde. Doch das Programm des Herrn war ein ganz anderes. Er leitete einen Zeitabschnitt ein, in dem das Reich Gottes zunächst nur in den Herzen der Menschen aufgerichtet ist, und zwar durch den Glauben an den Erretter (V. 21; vgl. Röm 14,17). Dieses Reich beschränkt sich weder auf eine spezielle geographische Region noch ist es sinnlich wahrnehmbar. Es sollte still, unsichtbar und ohne den üblichen Glanz und Prunk kommen, der sonst die Ankunft eines Königs begleitet. Jesus sagte nicht, dass damit die alttestamentlichen Verheißungen des irdischen Reiches aufgehoben seien. Das irdische Reich Gottes wird in der Zukunft noch offenbar werden (Offb 20,1-6). 17,21 mitten unter euch. D.h. in den Herzen der Gläubigen. Die Anrede kann sich schwerlich auf die Pharisäer allgemein beziehen. 17,22 Es werden Tage kommen. Die Einleitung eines kurzen Abschnitts, der einige Parallelen zur Ölbergrede von Mt 24.25 hat. da ihr begehren werdet, einen einzigen der Tage des Menschensohnes zu sehen. D.h. seine leibhaftige Gegenwart herbeiwünschen. Das spricht von der Sehnsucht nach seiner Wiederkunft, bei der er alle Dinge wiederherstellen wird (vgl. Offb 6,9-11; 22,20). 17,23.24 S. Anm. zu Mt 24,26.27. 17,25 muss er viel leiden. Weil es der souveräne Plan Gottes war, dass er als Stellvertreter für Sünder sterben sollte. Vgl. 9,22; 18,31-33; 24,25.26; Mt 16,21; Mk 8,31. 17,26.27 S. Anm. zu Mt 24,37.38. 17,28 in den Tagen Lots. D.h. das Gericht brach plötzlich herein und riss die Menschen mitten aus ihren täglichen Geschäften (1Mo 19,24.25). Nichts von dem, was Jesus als typisch für die Zeit Noahs oder Lots anführt, ist an sich sündig. Doch die Menschen waren von den Dingen dieses Lebens derart in Beschlag genommen, dass sie nicht bereit waren, als das Gericht kam. 17,31 auf dem Dach. Das typische Haus hatte ein Flachdach, auf das man über Außentreppe gelangte. Die Gefahr wird so groß sein, dass keine Zeit mehr ist, ins Haus herabzusteigen um seine Sachen zu holen, sondern sofort fl iehen muss. 17,32 Lots Frau kam auf der Schwelle der Errettung um. Sie hing so sehr an ihrem Sodom, dass sie stehen blieb und zurückschaute. So wurde sie vom Gericht überwältigt, bevor sie die Zufl uchtsstätte erreicht hatte (1Mo 19,26). 17,33 S. Anm. zu 14,11. 17,34-36 S. Anm. zu Mt 24,40.41. 17,37 S. Anm. zu Mt 24,28. 18,1 allezeit zu beten. Ein häufi ges Thema in den Paulusbriefen (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger). Vgl. Röm 1,9; 12,12; Eph 6,18; 1Th 5,17; 2Th 1,11. nicht nachlässig zu werden. D.h. angesichts der Drangsale und Nöte des Lebens und der Anzeichen für das herannahende Gericht (das in der vorausgegangenen Rede beschrieben wurde). 18,2 der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute. Dieser Mann war ganz gottlos. Christus beschrieb ihn als »ungerecht« (V. 6), genau wie der Verwalter in 16,8. Der Richter soll hier nicht Gott repräsentieren; er bildet vielmehr einen Gegensatz zu ihm. Wenn sogar ein Ungerechter auf beharrliche Bitten eingeht, wird dann Gott, der gerecht und zugleich liebevoll und barmherzig ist, nicht umso bereitwilliger Gebete erhören? 18,5 mich plagt. Wörtl. »mich unter das Auge schlägt«. Was der Richter nicht aus Mitgefühl für die Witwe oder aus Achtung vor Gott tun wollte, das tat er, weil er ihr unaufhörliches Bitten leid war. 18,6 Hört, was der ungerechte Richter sagt! D.h. hört auf die Pointe der Geschichte, nämlich dass Gott, der stets gerecht handelt und voller Mitgefühl für notleidende Gläubige ist, die Seinen gewisslich erhören wird, wenn sie ihn um Hilfe anrufen (V. 7). 18,8 schnell. Vielleicht zögert er die Erhörung hinaus, aber das hat stets seinen guten Grund (vgl. 2Pt 3,8.9), und wenn er handelt, schafft er den Seinen schleunig ihr Recht. wird er auch den Glauben fi nden. Man muss vermuten, dass bei seiner Wiederkunft wahrer Glaube nur selten anzutreffen sein wird. Ganz ähnlich war es zur Zeit Noahs (17,26), als nur acht Seelen errettet wurden. Die Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkunft wird geprägt sein von Verfolgung, Abfall und Unglauben (Mt 24,9-13.24). 18,9 Dieses Gleichnis ist reich an Wahrheiten über die Lehre der Rechtfertigung aus Glauben. Es veranschaulicht vollkommen, wie ein Sünder, der keine eigene Gerechtigkeit vorweisen kann, vor Gott sofort als gerecht erklärt werden kann, wenn er bußfertigen Glauben hat. Das Gleichnis richtet sich an Pharisäer, die auf ihre eigene Gerechtigkeit vertrauten (V. 10.11). Wer auf eigene innewohnende Gerechtigkeit setzt, kann nur auf Verdammnis hoffen (vgl. Röm 10,3; Phil 3,9), denn keine menschliche Gerechtigkeit – nicht einmal die Gerechtigkeit der strengsten Pharisäer – kann dem Maßstab Gottes genügen (Mt 5,48). Die Bibel lehrt einheitlich, dass der Sünder nur dann gerechtfertigt wird, wenn ihm Gottes vollkommene Gerechtigkeit zugerechnet wird (vgl. 1Mo 15,6; Röm 4,4.5; 2Kor 5,21; Phil 3,4-9). Allein auf dieser Grundlage konnte der Zöllner errettet werden (und das gilt für jeden Sünder). 18,12 faste zweimal in der Woche. Damit fastete er mehr, als die Bibel irgendwo forderte (s. Anm. zu 5,33). Als der Pharisäer seine eigenen Werke hervorkehrte, bewies es, dass er seine ganze Hoffnung darauf setzte, dass er nicht so böse war wie die anderen. Ihm fehlte jeder Sinn für seine eigene Unwürdigkeit und Sünde. Vgl. V. 18-21; Mt 19,17-20. S. Anm. zu 17,7-10. 18,13 Die Demut des Zöllners ist an seiner ganzen Haltung und an seinem Tun zu erkennen. Der Mann hatte gelernt, die furchtbare Wirklichkeit seiner eigenen Sünde zu sehen. Das demütigte ihn und trieb ihn in die Buße. Er ist Punkt für Punkt das Gegenteil des Pharisäers. O Gott, sei mir Sünder gnädig! Seine einzige Hoffnung war die Gnade Gottes. Das ist das Ziel, das das Gesetz anstrebt; dorthin will es jeden Sünder führen (vgl. Röm 3,19.20; 7,13; Gal 3,22-24). 18,14 gerechtfertigt. d.h. vor Gott als gerecht erklärt vermöge einer zugerechneten Gerechtigkeit (s. Anm. zu V. 9). 18,17 wie ein Kind. S. Anm. zu Mt 18,3. 18,18-30 S. Anm. zu Mt 19,16-29; Mk 10,17-30. 18,20 Ein Zitat aus 2Mo 20,12-16; 5Mo 5,16-20. 18,31 alles … was durch die Propheten über den Sohn des Menschen geschrieben ist. Z.B. Ps 22; 69; Jes 53; Dan 9,26; Sach 13,7. 18,32 den Heiden ausgeliefert. Mit jeder Ankündigung seines Todes (vgl. 9,22.44; 12,50; 13,32.33; 17,25) wurde Christus deutlicher. Hier erwähnt er zum ersten Mal, dass er an die Heiden ausgeliefert werden würde. 18,33 wird er wieder auferstehen. Christus hatte bereits vorausgesagt, dass er am dritten Tag auferstehen würde (9,22). Doch die Jünger begriffen es nicht, und als er tatsächlich auferstanden war, waren sie überrascht (24,6). 18,34 sie verstanden nichts. Die Zwölf erfassten die ganze Wahrheit von Christi Tod und Auferstehung nicht. Grund dafür war vielleicht, dass sie ihre geliebten Vorstellungen über den Messias und seine Herrschaft auf der Erde nicht aufgeben wollten (vgl. Mt 16,22; 17,10; Apg 1,6). 18,35 Jericho. S. Anm. zu Mk 10,46. Blinder. Eigentlich waren dort zwei Blinde. Der eine sprach wahrscheinlich für beide. S. Anm. zu Mt 20,30. 18,38 Sohn Davids. Damit bestätigte er, dass er Jesus als Messias und König anerkannte. S. Anm. zu Mt 9,27. 18,42 hat dich gerettet. Oder »hat dich geheilt« (vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34). 19,2 Oberzöllner. S. Anm. zu Mt 5,46. Zachäus überwachte wahrscheinlich einen großen Zollbezirk und ließ andere Zöllner für ihn arbeiten. Jericho war ein fl orierendes Handelszentrum und daher war Zachäus mit Sicherheit ein wohlhabender Mann. Es fällt auf, dass Lukas nur ein Kapitel zuvor die Begebenheit mit dem reichen Jüngling beschrieb und dort die Aussage des Herrn festhielt: »Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes hineinkommen« (18,24). Hier zeigt Jesus, dass bei Gott nichts unmöglich ist (vgl. 18,27). 19,3 Volksmenge. Christus reiste wahrscheinlich mit einer großen Pilgergruppe zum Passahfest nach Jerusalem. Bei dieser Volksmenge handelte es sich wahrscheinlich um Menschen aus Jericho, die die Straßen säumten, um ihn vorbeigehen zu sehen. Zweifellos hatten sie von der kürzlich geschehenen Auferweckung von Lazarus in Bethanien gehört, das weniger als 25 km entfernt lag (Joh 11). Diese Tatsache sowie sein Ruf als Heiler und Lehrer brachte die ganze Stadt in Bewegung, als bekannt wurde, dass er im Anzug sei. 19,4 Maulbeerbaum. Oder Sykomore. Ein kräftiger Baum mit niedrigen, ausladenden Ästen. Ein kleinwüchsiger Mensch konnte auf einen Ast klettern und so über der Straße liegen. Für jemanden vom Rang des Zachäus’ war das eine unwürdige Haltung, aber er wollte Christus unbedingt sehen. 19,5 muss ich in deinem Haus einkehren. Das war keine Bitte, sondern ein Befehl und das einzige Mal in den Evangelien, dass Jesus sich selbst als Gast bei jemanden einlud (vgl. Jes 65,1). 19,6 mit Freuden. Es hätte einem Sünder und Zöllner (s. Anm. zu Mt 5,46) auch peinlich sein können, dass der vollkommene und sündlose Sohn Gottes bei ihm einkehren wollte. Doch das Herz des Zachäus war vorbereitet. 19,7 murrten sie alle. Sowohl die religiöse Elite als auch das Volk hassten Zachäus. Sie konnten nicht verstehen, welche möglicherweise berechtigte Absicht Jesus hätte haben können, diesen notorischen Sünder zu besuchen. In ihrem blinden Stolz hätten sie es auch nicht verstehen wollen. Jesus war gekommen, das Verlorene zu suchen und zu retten (V. 10). S. Anm. zu 15,2. 19,8 gebe ich es vierfältig zurück. Die Bereitschaft zur Wiedergutmachung bewies, dass die Bekehrung des Zachäus echt war. Das war nicht etwa die Bedingung, sondern die Frucht seiner Errettung. Wenn man auf unlautere Weise zu Geld gekommen war, verlangte das Gesetz, dass man das unrecht Erworbene und einen Fünftel dazu erstattete (3Mo 5,24; 4Mo 5,6.7). Somit tat Zachäus mehr als erforderlich. Einen vierfachen Ersatz forderte das Gesetz nur dann, wenn ein Tier gestohlen oder getötet worden war (2Mo 21,37). Wurde das Tier lebendig wieder gefunden, war nur eine doppelte Erstattung nötig (2Mo 22,3). Doch Zachäus verurteilte sein eigenes Verbrechen mit besonderer Härte und erkannte damit an, dass er so schuldig war wie der übelste Räuber. Da er wahrscheinlich einen Großteil seines Vermögens durch Betrug erlangt hatte, nahm er damit eine kostspielige Verpfl ichtung auf sich. Obendrein verschenkte er noch die Hälfte seiner Güter an die Armen. Doch Zachäus hatte gerade unermessliche geistliche Schätze entdeckt und machte sich nichts aus dem Verlust materieller Reichtümer (s. Anm. zu 14,28; Mt 13,44-46). Er bildet damit einen krassen Gegensatz zum reichen Jüngling aus 18,18-24. 19,9 ein Sohn Abrahams. Ein geborener Jude, für den Christus als Retter kam (vgl. Mt 1,21; 10,6; 15,24; Joh 4,22). 19,10 der Sohn des Menschen. S. Anm. zu Mt 8,20. um zu suchen und zu retten, was verloren ist. Das Hauptthema des Lukasevangeliums. Vgl. 5,31.32; 15,4-7.32; s. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10. 19,11 sie meinten. Die Jünger nahmen immer noch irrtümlicherweise an, Christus würde bald sein irdisches Reich in Jerusalem aufrichten (s. Anm. zu 17,20). 19,12 ein fernes Land. Könige in römischen Provinzen wie Galiläa und Peräa reisten tatsächlich nach Rom, um ihr Königreich in Empfang zu nehmen. Die gesamte herodianische Dynastie war in ihrer Herrschermacht von Rom abhängig und Herodes der Große selbst war nach Rom gereist und hatte dort sein Reich erhalten. Dieses Gleichnis zeigt, wie Christus kurze Zeit später wegging, um sein Reich zu empfangen, und dass er eines Tages zurückkehren wird, um zu herrschen. Es ähnelt dem Gleichnis der anvertrauten Talente (Mt 25,14-30), doch gibt es einige bedeutende Unterschiede (s. Anm. zu V. 13). Das Gleichnis in Mt gehört zur Ölbergrede (s. Anm. zu Mt 24,1-25,46); das Gleichnis hier erzählte Jesus auf dem Weg von Jericho hinauf nach Jerusalem (vgl. V. 28). 19,13 Pfunde. Gr. mina, eine gr. Geldeinheit (s. Anm. zu 15,8), die etwas mehr betrug als drei Monatslöhne. Ein Pfund war ein Sechzigstel eines Talents, was bedeutet, dass den 10 Knechten in diesem Gleichnis eine bedeutend kleinere Geldsumme anvertraut wurde als den drei Knechten im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30). 19,14 schickten ihm eine Gesandtschaft nach. Genau das war mit Archelaus geschehen (s. Anm. zu Mt 2,22), dem Sohn Herodes des Großen, als er nach Rom ging, um sich zum Tetrarchen von Judäa ernennen zu lassen. Eine Delegation von Juden reiste mit einer Protest hinter ihm her nach Rom zum Kaiser Augustus (s. Anm. zu 2,1). Doch dieser lehnte ihren Einspruch ab und machte Archelaus trotzdem zum König. Daraufhin errichtete Archelaus seinen Palast in Jericho, nicht weit von der Stelle, wo Jesus dieses Gleichnis lehrte. Archelaus war so unfähig und despotisch, dass Rom ihn kurzerhand absetzte und durch eine Reihe von Prokuratoren ersetzte, von denen Pontius Pilatus der fünfte war. Mit diesem Gleichnis kündigte Jesus an, dass die Juden im Begriff waren, dasselbe im geistlichen Sinne mit ihrem Messias zu tun. 19,15-27 S. Anm. zu Mt 25,14-30. 19,15 als er wiederkam. Ein Bild für Christi Wiederkunft auf die Erde. Erst dann wird sein Reich auf dieser Erde vollständig offenbar werden. S. Anm. zu 17,20. 19,17 im Geringsten treu. S. Anm. zu V. 13. Wer relativ geringe Gaben und Möglichkeiten hat, ist genauso verantwortlich, sie treu einzusetzen, wie solche, die viel mehr bekommen haben. über zehn Städte. Diese große Belohnung steht in keinem Verhältnis zu den zehn anvertrauten Pfunden. Außerdem fällt auf, dass der Lohn entsprechend dem Fleiß des Dieners ausfi el: Der Knecht, der zehn Pfunde gewonnen hatte, erhielt zehn Städte, der fünf Pfunde erwirtschaftet hatte, fünf Städte (V. 19) usw. 19,21 ich fürchtete dich. Eine Angst, die nicht aus Liebe oder Achtung erwuchs, sondern aus Geringschätzung für den Meister (s. Anm. zu Mt 25,24). Hätte er seinen Meister wirklich geachtet, dann hätte eine rechte Furcht nicht Faulheit, sondern vielmehr Fleiß bewirkt. 19,22 Wusstest du. S. Anm. zu Mt 25,26. Das bedeutet nicht, dass das »Wissen« des Knechtes der Wahrheit entsprach. Doch sein behauptetes Wissen reichte aus, um ihn zu verurteilen. So wird es den Gottlosen am Tag des Gerichts ergehen. 19,26 S. Anm. zu Mt 25,29. 19,27 jene meine Feinde. Diese repräsentieren die Juden, die aktiven Widerstand gegen Christus leisteten. erschlagt sie vor mir. Das spricht von unerbittlichem, gewaltsamen Gericht und kann sich auf die Zerstörung Jerusalems beziehen (s. Anm. zu Mt 24,2). 19,28 hinauf nach Jerusalem. Der Weg von Jericho nach Jerusalem war ein steiler Aufstieg mit 1.200 m Höhenunterschied auf etwa 32 km Länge. Hier beginnt die letzte Etappe der langen Reise, die in 9,51 begonnen hatte (s. Anm. dort). 19,29 Bethphage. S. Anm. zu Mt 21,1. Bethanien. Hier hielt Jesus sich oft während seiner Besuche in Jerusalem auf. S. Anm. zu 10,38. Berg, welcher Ölberg heißt. Der Hauptgipfel eines Höhenzugs, der östlich des Kidrontals, gegenüber dem Tempel, nord-südwärts verlief. Der Name stammt von den dichten Olivenhainen, die einst den Berg bedeckten. S. Anm. zu Mt 24,3. 19,30-36 S. Anm. zu Mt 21,1-8; Mk 11,1-8. 19,30 ein Füllen. Die anderen Evangelien sprechen von einem Eselsfüllen (vgl. Sach 9,9) und Mt berichtet, dass auch das Muttertier mitgeführt wurde (s. Anm. zu Mt 21,6). auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. S. Anm. zu Mk 11,2. 19,36 breiteten sie ihre Kleider aus. S. Anm. zu Mt 21,8; Mk 11,8. Lukas übergeht die abgeschnittenen Palmzweige, die Matthäus und Markus erwähnen. 19,37 die ganze Menge der Jünger. Zweifellos waren viele Menschen in dieser Menge keine wahren Jünger. Wundertaten. Aus Joh 12,17.18 erfahren wir, dass insbesondere die Nachricht von der Auferweckung des Lazarus viele bewegt hatte, zu kommen, um Jesus zu sehen. 19,38 Gepriesen sei der König. Mit diesem Zitat aus Ps 118,26 feierten sie Jesus als den Messias. S. Anm. zu Mt 21,9. Friede im Himmel. Nur Lukas erwähnt dieses Wort, das an die Botschaft der Engel in 2,14 erinnert. 19,39 weise deine Jünger zurecht. Die Pharisäer stießen sich daran, dass die Leute Jesus in dieser Weise priesen. Sie forderten ihn auf, er solle ihnen Einhalt gebieten. 19,40 dann würden die Steine schreien. Damit bezeugte er eindeutig seine Gottheit. Vielleicht bezieht sich diese Aussage auf Hab 2,11. Die Bibel spricht oft von unbelebten Dingen der Natur, die Gott preisen. Vgl. Ps 96,11; 98,7-9; 114,7; Jes 55,12. Vgl. auch die Worte von Johannes dem Täufer in Mt 3,9 und die Erfüllung von Jesu Aussage in Mt 27,51. 19,41.42 Nur Lukas berichtet, dass Jesus über Jerusalem weinte. Mindestens zwei weitere Male war Christus über Jerusalem betrübt (13,34; Mt 23,37). Die Tränen scheinen nicht zum triumphalen Einzug zu passen, doch sie beweisen, dass Jesus wusste, wie oberfl ächlich die Herzen berührt waren. Daher war er trotz allem bekümmert, während er in die Stadt einritt. Die gleiche Volksmenge sollte kurz darauf schreiend seine Kreuzigung verlangen (23,21). 19,43 dich ringsum einschließen und … bedrängen. Vgl. 21,20. Das ist exakt die Methode, die Titus verwendete, als er Jerusalem im Jahr 70 n.Chr. belagerte. Er umzingelte die Stadt am 9. April und riegelte sie von der Außenwelt ab. So hielt er Tausende von Juden gefangen, die zum Passah und zum Fest der ungesäuerten Brote kurz davor nach Jerusalem gekommen waren. Die Römer zogen einen geschlossenen Wall um die Stadt und hungerten die Bewohner allmählich aus. So hielten die Römer die Stadt den Sommer über belagert und eroberten sie Stück um Stück. Anfang September fi el die Stadt. 19,44 dem Erdboden gleich machen. Das wurde buchstäblich erfüllt. Die Römer zerstörten die Stadt vollständig, einschließlich des Tempels, der Wohnhäuser und der Menschen. Männer, Frauen und Kinder wurden zu Zehntausenden niedergemetzelt. Die wenigen Überlebenden wurden gefangen weggeführt und fi elen den Spielen im römischen Circus Maximus und den Gladiatorenkämpfen zum Opfer. weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. Das bedeutet, dass Jerusalems völlige Zerstörung Gottes Gericht dafür war, dass sie ihren Messias nicht erkannt und angenommen hatten, als er zu ihnen kam (vgl. 20,13-16; Joh 1,10.11). 19,45.46 Hier vertrieb Jesus zum zweiten Mal die Händler aus dem Tempel; es ist ein anderes Ereignis als das aus Joh 2,14-16. Er zitiert Jes 56,7. S. Anm. zu Mt 21,12. 19,47 obersten Priester. S. Anm. zu Mt 2,4. Sie beherrschten den Tempel. Schriftgelehrten. Meistens Pharisäer, Experten in Gesetz und Überlieferung. Vornehmsten des Volkes. Prominente jüdische Laien, die im Tempel Einfl uss hatten. Als Jesus in den Tempel ging und dort wirkte, drang er ins Zentrum der gegen ihn gerichteten Opposition ein. trachten danach, ihn umzubringen. Vgl. 22,2; Mt 26,3.4; Joh 5,1618; 7,1.19.25. 20,1 an einem jener Tage. Wahrscheinlich der Dienstag der Leidenswoche. Der triumphale Einzug war am Sonntag und die Tempelreinigung am Montag. Die Ereignisse in diesem Kapitel passen in der Chronologie der Leidenswoche am besten auf den Dienstag. Dieses Kapitel beschreibt eine Reihe sorgfältig geplanter Angriffe aus Jesus durch die führenden Juden. die obersten Priester und die Schriftgelehrten samt den Ältesten. S. Anm. zu 19,47. Jede dieser Gruppen spielte eine besondere Rolle bei den verschiedenen nun folgenden Angriffen. Auch war jede Gruppe im Sanhedrin vertreten, dem jüdischen Hohen Rat (s. Anm. zu Mt 26,59). Das lässt vermuten, dass der Hohe Rat sich bereits versammelt und beschlossen hatte, gegen Jesus vorzugehen. Die Juden griffen ihn mit einer Reihe gezielter Fragen an, um ihn in eine Falle zu locken (s. Anm. zu V. 2.22.33). 20,2-8 S. Anm. zu Mt 21,23.25. 20,2 Das war die erste einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Die Frage wurde von den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten gestellt, die offensichtlich Repräsentanten des Sanhedrins waren. S. Anm. zu V. 22.33. 20,5 Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Johannes hatte unmissverständlich bezeugt, dass Jesus der Messias war. War Johannes ein Prophet und waren seine Aussagen somit wahr, hätten sie sein Zeugnis über Christus glauben sollen. Andererseits wäre es für die Pharisäer politisch töricht gewesen, die Rechtmäßigkeit von Johannes dem Täufer anzugreifen oder seine Autorität als Prophet Gottes in Abrede zu stellen. Johannes war beim Volk ungeheuer beliebt und zudem ein Märtyrer, den der verhasste Herodes umgebracht hatte. Hätten die Pharisäer die Vollmacht des Johannes in Frage gestellt, hätten sie einen Volkshelden angegriffen. Davor wussten sie sich zu hüten und redeten sich deshalb damit heraus, dass sie es nicht wüssten (V. 6). 20,8 So sage ich euch auch nicht. Jesus deckte die Heuchelei ihrer Frage auf und demaskierte ihre bösen Motive. Er vergeudete an ihnen keine Wahrheit (vgl. Mt 7,6). 20,9-19 S. Anm. zu Mt 21,33-45; Mk 12,1-12. 20,9 dem Volk. Nur Lukas erwähnt, dass dieses Gleichnis nicht allein an die führenden Juden, sondern an das ganze Volk gerichtet war. 20,13 meinen Sohn senden, den geliebten. Sowohl Lukas als auch Markus erwähnen diesen Ausdruck, der verdeutlicht, dass der Sohn in diesem Gleichnis Christus repräsentiert (s. Anm. zu Mt 21,37). 20,16 diese Weingärtner umbringen. Das beschreibt wahrscheinlich die Zerstörung Jerusalems (s. Anm. zu 19,43). den Weinberg anderen geben. S. Anm. zu 21,24. Das sei ferne! Nur Lukas berichtet von dieser ablehnenden Reaktion der Zuhörer. Die Reaktion zeigt, dass sie die Bedeutung des Gleichnisses verstanden. 20,17 Ein Zitat aus Ps 118,22. 20,18 Jeder, der auf diesen Stein fällt … auf wen er aber fällt. S. Anm. zu Mt 21,44. Der Ausdruck war ein Zitat aus Jes 8,13-15. In diesen alttestamentlichen Versen ist Jahwe der Stein. Wie so viele andere Stellen im AT, die sich auf Christus beziehen, beweist auch diese, dass Christus der fl eischgewordene Jahwe ist. 20,20 Aufpasser. Oder »Spione«. Dass die führenden Juden zu solchen Mitteln griffen, verdeutlicht ihre Verzweifl ung. Sie konnten keinen einzigen berechtigten Anklagepunkt gegen ihn fi nden (vgl. 6,7; 11,53.54; Mt 22,15; 26,59.60). des Statthalters. Pilatus, der wegen des bevorstehenden Passahs und Festes der Ungesäuerten Brote in Jerusalem war (s. Anm. zu Mt 27,2). 20,21-26 S. Anm. zu Mt 22,16-22; Mk 12,13-17. 20,22 Das war die zweite einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Pharisäern und Herodianern gestellt (Mk 12,13). S. Anm. zu V. 2.33. 20,24 Wessen Bild. Das Bildnis auf dem Denar war ein Hauptgrund, weshalb die Juden die Kopfsteuer verabscheuten. Sie behaupteten, es sei ein Verstoß gegen das Gebot, sich keine Bilder zu machen, und da der Kaiser eine Stellung beanspruchte, die einer Gottheit gleichkam, war das Steuerzahlen eine unrechtmäßige Verehrung. Vielen galt es als Götzendienst. S. Anm. zu Mt 22,19; Mk 12,16. 20,25 gebt doch dem Kaiser. Christus erkannte damit an, dass alle Bürger neben ihren Pfl ichten gegenüber Gott auch Pfl ichten gegenüber dem Staat haben – und er bestätigte, dass es rechtens ist, zwischen diesen beiden Bereichen zu unterscheiden (s. Anm. zu Mt 22,21; Mk 12,17). 20,27-38 S. Anm. zu Mt 22,23-32; Mk 12,18-27. 20,27 Sadduzäer. S. Anm. zu Mt 3,7. 20,28 soll dessen Bruder die Frau nehmen. Das entsprach dem Gesetz der Leviratsehe aus 5Mo 25,5 (s. Anm. zu Mt 22,24). 20,33 Das war die dritte einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Sadduzäern gestellt (V. 27). S. Anm. zu V. 2.22. Mt 22,34-40 und Mk 12,28-34 berichten von einer letzten Frage von einem Schriftgelehrten. Lukas lässt sie in seinem Bericht aus. 20,36 den Engeln gleich. D.h. wie die Engel pfl anzen sie sich nicht fort (s. Anm. zu Mt 22,30). 20,37 bei [der Stelle von] dem Dornbusch. 2Mo 3,1-4,17. In dieser alttestamentlichen Stelle gab Gott sich Mose zu erkennen als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wobei er die Gegenwartsform verwendete. Er sagte nicht, dass er ihr Gott war, sondern sagte »ICH BIN« ihr Gott, was zeigt, dass ihre Existenz nicht mit ihrem Tod aufgehört hatte. 20,38 ihn leben alle. Nur Lukas überliefert diesen Ausdruck. Alle Menschen – ob sie nun von ihrem irdischen Körper getrennt sind oder nicht – leben immer noch und werden ewig leben. Niemand wird beim Tod vernichtet (vgl. Joh 5,28-30). 20,39 Meister, du hast gut geantwortet! Christus hatte ein schlagkräftiges Argument für die Auferstehung der Toten geliefert. In diesem Punkt waren die Pharisäer mit ihm einig und widersprachen den Sadduzäern. Dieser Schriftgelehrte war trotz seines Hasses auf Christus über seine Antwort beglückt. 20,40 sie getrauten sich nicht mehr, ihn etwas zu fragen. Je mehr Fragen er beantwortete, desto deutlich wurde es, dass seine Weisheit und Autorität denen der Schriftgelehrten und Pharisäer weit überlegen war. Vgl. Mt 22,46; Mk 12,34. 20,41-44 Nachdem die führenden Juden es aufgegeben hatten, ihm Fragen zu stellen, drehte Christus den Spieß um und stellte ihnen eine Frage. S. Anm. zu Mt 22,42-45; Mk 12,35-37. 20,42 Ein Zitat aus Ps 110,1. 20,45-47 S. Anm. zu Mk 12,38-40. 21,1 Opferkasten. Im Vorhof der Frauen standen 13 Kästen mit trichterförmigen Öffnungen. An jedem Kasten sagte eine Aufschrift etwas über die jeweilige Verwendung des Geldes und dementsprechend wurden Opfergaben gegeben. 21,2 arme Witwe. Der gr. Begriff bezeichnet eine extreme Armut. Diese Frau war ganz verarmt und so wäre es für sie naheliegender gewesen, um Almosen zu bitten, als Almosen zu gegeben. Scherfl ein. Die kleinste Kupfermünze, die in Palästina in Gebrauch war und einen Wert von etwa einem Viertelpfennig hatte. Doch das war der ganze Lebensunterhalt dieser Frau (V. 4). S. Anm. zu Mk 12,42. 21,3 hat mehr eingelegt. D.h. verhältnismäßig mehr, gemessen an ihren Mitteln, und daher auch mehr in den Augen Gottes. 21,4 von ihrem Überfl uss. Was diese Leute gaben, war für sie kein Opfer. 21,5 schönen Steinen. S. Anm. zu Mt 24,1; Mk 13,1. Weihegeschenken. Reiche hatten Goldskulpturen, goldene Plaketten und andere Schätze für den Tempel gespendet. Herodes hatte einen etwa 1,8 m hohen goldenen Weinstock mit Trauben aus goldenen Beeren gestiftet. Die Weihegeschenke waren an den Mauern und im Säulengang angebracht. Zusammen ergaben sie einen Schatz von unvorstellbarem Wert, der von den Römern geplündert wurde, als sie den Tempel zerstörten (V. 6). 21,6-17 S. Anm. zu Mt 24,2-10; Mk 13,2-11. 21,8 Lauft ihnen nun nicht nach! Vgl. 17,23. S. Anm. zu Mt 24,26. 21,9 das Ende. S. Anm. zu Mt 24,6.14. 21,11 Zeichen vom Himmel. Die Parallelstellen in Mt 24,7 und Mk 13,8 enthalten diesen Ausdruck nicht. Vgl. V. 25. S. Anm. zu Mk 13,25. 21,13 Gelegenheit zum Zeugnis. Prüfungen sind stets Gelegenheiten (Jak 1,2-4), und Verfolgung bietet oft eine Möglichkeit zum vermehrten Zeugnis. 21,14 eure Verteidigung nicht vorher überlegen. S. Anm. zu 12,11. 21,18 kein Haar. Vgl. V. 16. Das ist keine Verheißung der Bewahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit, sondern eine Garantie, dass sie keine Verluste für die Ewigkeit erleiden werden. Gott ist souverän und wird die Seinen daher selber bewahren. S. Anm. zu Joh 10,28.29. 21,19 Die wahre Bedeutung dieses Verses scheint zu sein: »Durch Ausharren erlangt ihr die Errettung«, was sich auf die endgültige Errettung bezieht, nämlich die Verherrlichung. S. Anm. zu Mt 24,13. 21,20 Jerusalem von Kriegsheeren belagert. S. Anm. zu 19,43. Ein Vergleich mit Mt 24,15.16 und Mk 13,14 legt nahe, dass dieses Zeichen eng verbunden ist mit »dem Gräuel der Verwüstung« (s. Anm. zu Mt 24,15; Dan 9,27; 11,31). Eine Vorerfüllung dieses Zeichens von Jerusalem unter Belagerung geschah im Jahr 70 n.Chr., doch die eigentliche Erfüllung steht noch bevor. 21,21 auf die Berge. S. Anm. zu Mt 24,16; Mk 13,14. 21,22 Rache. Gottes gerechte Vergeltung für Sünde. 21,23 den Schwangeren und den Stillenden. S. Anm. zu Mk 13,17. 21,24 die Zeiten der Heiden. Die Ausdruck (auch: »die Zeit der Nationen«) kommt nur in Lk vor und bezeichnet die Zeitspanne von Israels Wegführung nach Babylon (ca. 586 v.Chr.; vgl. 2Kö 25) bis zur Wiederherstellung Israels im Tausendjährigen Reich (Offb 20,1-6). In dieser Zeitspanne wird Jerusalem nach dem Ratschluss Gottes von Heiden beherrscht, bedroht oder zertreten. Sie ist außerdem gekennzeichnet von reichen geistlichen Vorrechten für die heidnischen Nationen (vgl. Jes 66,12; Mal 1,11; Mt 24,14; Mk 13,10). 21,25 es werden Zeichen geschehen. Die hier beschriebenen himmlischen Zeichen und Wunder geschehen unmittelbar vor der Wiederkunft Christi. S. Anm. zu Mt 24,29. 21,27 kommen. Ein Zitat aus Dan 7,13. S. Anm. zu Mt 24,30.31; Mk 13,26.27. Vgl. 2Th 1,7-10; Offb 19,11-16. 21,28 erhebt eure Häupter. Die furchtbaren Drangsale und Zeichen, die die Endzeit kennzeichnen, führen beim wahren Gläubigen zu einer gesteigerten Erwartung sowie zu großer Freude und letztendlichem Triumph. Erlösung. Die zukünftige Vollendung der Erlösung, wenn die Erlösten für immer mit Christus vereint sein werden. 21,29-33 S. Anm. zu Mt 24,32-36; Mk 13,29-32. 21,34 jener Tag. Der Tag seiner Wiederkunft. S. Anm. zu Mt 25,12 seinem Rat. Festus’ Ratgeber. zum Kaiser sollst du gehen! Mit dem Gewähren dieser Berufung trat der Statthalter diesen Fall an den Kaiser ab.
25,13 König Agrippa. Herodes Agrippa II., Sohn des Herodes, der Jakobus umbringen und Petrus verhaften ließ (s. Anm. zu 12,1). Er war der letzte Angehörige der Herodes-Dynastie, der eine bedeutende Rolle für die neutestamentliche Geschichtsschreibung spielte. Sein berühmter Onkel Herodes Antipas war der Herodes, der in den Evangelien vorkommt (Mk 6,14-29; Lk 3,1; 13,31-33; 23,7-12) und sein Urgroßvater Herodes der Große herrschte zur Zeit der Geburt Jesu (Mt 2,1-19; Lk 1,5). Agrippa war zwar nicht Regent von Judäa, kannte sich aber gut mit jüdischen Angelegenheiten aus (vgl. 26,3). Bernice. Sie war nicht Agrippas Frau, sondern seine Begleiterin und Schwester (ihre Schwester Drusilla war mit dem früheren Statthalter Felix verheiratet). Ihre inzestuöse Beziehung war Gesprächsthema in Rom, wo Agrippa aufgewachsen war. Bernice war eine Zeit lang Mätresse von Kaiser Vespasian und später von seinem Sohn Titus, kehrte jedoch stets zu ihrem Bruder zurück.
25,19 Religion. Derartige Anklagen gehörten nicht vor ein römi- sches Gericht (vgl. 18,12-16).
25,20 nicht wusste. Festus war ein heidnischer Römer und Neuling in Judäa. Daher war von ihm nicht zu erwarten, dass er die theologischen Differenzen zwischen Christen und Juden verstünde.
25,21 des Kaisers … zum Kaiser. Im Gr. zwei verschiedene Begrif- fe; das erste bedeutet »verehrungswürdig« (manche übernehmen wörtl.: »Augustus«) und war ein üblicher Titel für den Kaiser. Der damals regierende Kaiser war der berüchtigte Nero.
25,22 Ich möchte den Menschen auch gerne hören! Die Zeit- form des gr. Verbs bedeutet, dass Herodes schon seit langem Paulus zu hören wünschte. Als Experte für jüdische Angelegenheiten (vgl. 26,3) freute er sich darauf, den führenden Sprecher des Christentums persönlich anzuhören.
25,23 zur Freude deines Herrn. Sowohl der Knecht mit den fünf als auch der mit den zwei Talenten empfi ngen beide genau denselben Lohn. Das weist darauf hin, dass der Lohn nicht nach den Ergebnissen bemessen wird, sondern nach der Treue. 25,23 Agrippa und Bernice. Die beiden sind in Lukas’ Bericht unzertrennlich (vgl. V. 13; 26,30); sie ist eine ständige Erinnerung an Agrippas skandalöses Privatleben (s. Anm. zu V. 13). Obersten. Die fünf Tribune, die die fünf in Cäsarea stationierten Kohorten befehligten (s. Anm. zu 10,1). angesehensten Männern. Die bürgerlichen Führungspersonen der Stadt.
25,25 Kaiser. Wörtl. »Verehrungswürdiger«. S. Anm. zu V. 21.
25,26 Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät … habe. Der Herr wiederholt den Vorwurf des Knechts gegen ihn, aber das heißt nicht, dass er dieser Beschreibung zustimmt. Es sollte der Knecht einfach durch seine eigenen Worte verurteilt werden. Wenn der Knecht wirklich geglaubt hätte, dass der Herr ein solcher Mann ist, dann hätte er umso mehr Grund gehabt, nicht faul zu sein. Sein Vorwurf gegen den Herrn entschuldigte nicht seine Faulheit – selbst wenn der Vorwurf berechtigt gewesen wäre. 25,26 Ich weiß … nichts Gewisses. Da Festus den Hintergrund der Anklagen gegen Paulus nicht verstand, wusste er nicht, was er in seinem offi ziellen Bericht an Nero schreiben sollte. Für einen Provinzstatthalter war es töricht, wenn nicht sogar gefährlich, einen Gefangenen ohne konkrete Anklagepunkte zum Kaiser zu schicken. besonders dir, König Agrippa. Festus hoffte, Herodes könne ihm aufgrund seiner Fachkenntnis im Judentum (26,3) die Anklagen gegen Paulus verständlich erklären. 26,1-29 Paulus’ fünfte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 24,10-21; 25,1-12; 28,17-19).
26,1 erlaubt, für dich zu reden. Da niemand anwesend war, der Paulus anklagte, erlaubte Herodes Paulus, seine Verteidigung vorzutragen. streckte Paulus die Hand aus. Eine übliche Geste zu Beginn einer Rede (vgl. 12,17; 13,16; 19,33).
26,3 Kajaphas. Kajaphas war Hoherpriester von 18 bis 36 n.Chr. Das war für das Amt eines Hohenpriesters ungewöhnlich lange. Diese lange Amtszeit legt nahe, dass er eine gute Beziehung sowohl zu Rom als auch zur Dynastie des Herodes hatte. Er war der Schwiegersohn seines Vorgängers Hannas (Joh 18,13; s. Anm. zu Lk 3,2). Er bestimmte über den Tempel und schlug zweifellos persönlichen Gewinn aus dem dort betriebenen schamwürdigen Handel (s. Anm. zu 21,12). Seine Feindseligkeit gegen Jesus war offenkundig sehr persönlicher Natur und besonders böswillig. An allen Stellen, wo er in der Bibel auftritt, sucht er Jesus zu töten. 26,3 alle Gebräuche und Streitfragen der Juden genau kennst. S. Anm. zu 25,26. Paulus’ Hauptziel war nicht, sich zu verteidigen, sondern Agrippa und die anderen Zuhörer zur Bekehrung zu bewegen (V. 28.29).
26,5 Nicht während des Festes. Die führenden Juden, die Jesus schon seit langem hatten umbringen wollen, beschlossen, ihren Anschlag auf eine politisch günstigere Zeit zu verschieben. Das vermochten sie aber nicht, denn die von Gott bestimmte Zeit war gekommen (s. Anm. zu V. 2.18.54). 26,5 als ein Pharisäer. S. Anm. zu Mt 3,7; vgl. Phil 3,5.
26,6 Simons des Aussätzigen. Dieser Simon wird sonst nirgends in der Schrift erwähnt. Wahrscheinlich hatte Jesus ihn vom Aussatz geheilt, denn Aussätzige wurde als unrein betrachtet und durften daher keinen Umgang mit anderen haben und nicht einmal in Städten leben. S. Anm. zu 3Mo 13,2 für eine Erläuterung von Aussatz. 26,6 Hoffnung auf die Verheißung. Auf das Kommen des Messias und seines Reiches (vgl. 1,6; 3,22-24; 13,23-33; 1Mo 3,15; Jes 7,14; 9,6; Dan 7,14; Mi 5,1; Tit 2,13; 1Pt 1,11.12).
26,7 mit einer alabasternen Flasche voll kostbaren Salböls. Markus nennt ihren Wert: »mehr als dreihundert Denare« (s. Anm. zu Mk 14,5). Das war nahezu ein Jahreslohn. Auch das teure Gefäß wurde zerbrochen (Mk 14,3), so dass diese Handlung die Frau noch mehr kostete. »Alabaster« war eine feine ägyptische Marmorart, aus der man feine Behälter für kostbare Parfüme herstellte. Johannes berichtet uns, dass es sich bei dieser Frau um Maria handelte, die Schwester von Martha und Lazarus (Joh 12,3). Martha und Maria bereiteten also offensichtlich eine Mahlzeit für Simon den Aussätzigen. Matthäus und Markus schreiben, dass sie seinen Kopf salbte. Johannes fügt hinzu, dass sie seine Füße salbte und mit ihrem Haar trocknete. Von einer Frau, die den Herrn Jesus auf ähnliche Weise verehrt, ist in Lk 7,36-38 berichtet; doch aufgrund der Unterschiede von Zeit, Ort und anderen Einzelheiten ist es klar, dass es sich um zwei verschiedene Begebenheiten handelt. 26,7 zwölf Stämme. Eine im NT übliche Bezeichnung für Israel (vgl. Mt 19,28; Jak 1,1; Offb 21,12). Die zehn Nordstämme waren nicht verloren. Vor und nach dem Exil hatten sich Vertreter aus allen zehn übrigen Stämmen unter die zwei südlichen Stämme gemischt. Dieser Prozess hatte unter der Regierung von Hiskia (2Chr 30,1-11) und Josia (2Chr 34,1-9) begonnen.
26,8 wurden sie unwillig. Johannes schreibt, dass Judas der Sprecher dieses Protests war, und zwar aus heuchlerischen Gründen (Joh 12,4-6). Die anderen Jüngern erkannten seine Heuchelei nicht und schlossen sich dem Protest an. N das Gartengrab (alternative Stätten) von R am von M a izpa Bethesda Pilatus spricht Teiche das Urteil Golgatha und das Gartengrab Prätorium von Emmaus (traditionelle Stätten) TemPrpeedlrigeti nuignudng M I S H N E Temp Königliche Palast des Halle Palast Herodes Antipas Szutar dZtemita Jueesru deOs BHeE roR dSesT A D T Theater Haus des Kajaphas (?) Petrus verleugnet Jesus Obersaal – U N T E R STeT icA hD T K I D R Siloah letztes Abendmahl Es g Essenertor Tor der Weigerung Wassertor Tage und e Jerus von Bethlehem H I N N O M T A L zu re Die Ereignisse der Triumphaler Einzug am Palmsonntag Passionswoche trugen sich in Jerusalem zu und von Bethanien btreiugmanpnheanle mmi tE Jineszuu g am Palmsonntag. Diese Karte zeigt die Einzelheiten jener Woche. Nach seiner Auferstehung erschien Jesus seinen Jüngern und 500 Ölberg pel weiteren Gläubigen jedoch im gesamten Gebiet Judäas Garten Gethse- und Galiläas. mane – Jesus wird verhaftet »Zinne des Tempels« Gihonquelle O N T A L geschah aber, als sich die e seines Heimgangs erfüllten er sein Angesicht nach salem richtete, um dorthin eisen … (Lk 9,51) kannter, wahrscheinlich ein Diener des Mannes, dem das Haus mit dem »Obersaal« gehörte, wo sie das Passahmahl aßen (Mk 14,15; Lk 22,12). Jesus hatte diese Vorkehrungen offenbar heimlich getroffen, um einen vorzeitigen Verrat zu verhindern. Hätte Judas im Voraus gewusst, wo das Mahl stattfi nden sollte, dann hätte er sicherlich die Hohenpriester und Ältesten darauf aufmerksam gemacht (s. V. 14-16). Doch nichts dergleichen sollte geschehen, bevor »die Zeit gekommen war«. All das zeigt, dass der Herr alle Einzelheiten seiner Kreuzigung souverän in seinen Händen hielt (s. Anm. zu V. 5.54). 26,20 setzte er sich. Wörtl. »lehnte er sich zurück« (s. Anm. zu Mk 14,18; vgl. Joh 13,25). 26,8 Paulus hielt es für unbegreifbar, dass er verurteilt werden sollte, weil er an die Auferstehung glaubte, obwohl sie die große Hoffnung der Juden war (s. Anm. zu 24,15). 26,10 Heiligen. Christliche Gläubige (1Kor 1,2). gab ich die Stimme dazu. Wörtl. »warf ich meinen Kieselstein«. Das bezieht sich auf den antiken Brauch, abgegebene Stimmen mit farbigen Kieselsteinen zu kennzeichnen. Dieser Vers kann außerdem ein Hinweis darauf sein, dass Paulus früher Mitglied des Sanhedrin war.
26,11 wollte ich sie … zur Lästerung zwingen. Sie mussten ih- rem Glauben an Jesus Christus abschwören. 26,12-14 Paulus’ dritter Bekehrungsbericht im NT (s. Anm. zu 9,119; 22,6-21).
26,16 das, worin ich mich dir noch offenbaren werde. S. 18,9.10; 22,17-21; 23,11; 2Kor 12,1-7; Gal 1,11.12.
26,17 Heiden, unter die ich dich jetzt sende. Paulus’ Sendungs- auftrag als Heidenapostel (Röm 11,13; 1Tim 2,7).
26,18 um ihnen die Augen zu öffnen. Ungläubige sind von Satan blind gemacht für geistliche Wahrheiten (2Kor 4,4; 6,14; vgl. Mt 15,14). von der Finsternis zum Licht. Da Ungläubige sich in der Finsternis geistlicher Blindheit befi nden, benutzt die Bibel häufi g Licht als Bild für Errettung (V. 23; 13,47; Mt 4,16; Joh 1,4.5.7-9; 3,19-21; 8,12; 9,5; 12,36; 2Kor 4,4; 6,14; Eph 5,8.14; Kol 1,12.13; 1Th 5,5; 1Pt 2,9; 1Joh1,7; 2,810). Vergebung der Sünden. Das ist die wichtigste Folge der Errettung (s. Anm. zu 2,38; vgl. 3,19; 5,31; 10,43; 13,38; Mt 1,21; 26,28; Lk 1,77; 24,47; 1Kor 15,3; Gal 1,4; Kol 1,14; Hebr 8,12; 9,28; 10,12; 1Pt 2,24; 3,18; 1Joh2,1.2; 3,5; 4,10; Offb 1,5). ein Erbteil. Die Segnungen, derer sich die Gläubigen im Himmel ewig erfreuen werden (vgl. 20,32; Eph 1,11.14.18; Kol 1,12; 3,24; Hebr 9,15). denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind. Die Bibel lehrt immer wieder klar und deutlich, dass die Errettung allein aus Glauben und ohne menschliche Werke geschieht (13,39; 15,9; 16,31; Joh 3,14-17; 6,69; Röm 3,2128; 4,5; 5,1; 9,30; 10,9-11; Gal 2,16; 3,11.24; Eph 2,8.9; Phil 3,9).
26,20 Werke … die der Buße würdig sind. Echte Buße ist un- trennbar verbunden mit einer veränderten Lebensweise (s. Anm. zu 2,38; Mt 3,8; Jak 2,18).
26,21 die Juden … suchten mich umzubringen. S. 21,27-32. Der wahre Grund, im Gegensatz zu den Lügen der jüdischen Führungspersonen (24,6).
26,22 die Propheten und Mose. S. Anm. zu 24,14. Die Begriffe »Mose« und »Gesetz« werden austauschbar verwendet, da Mose der Autor der fünf Bücher des Gesetzes, des Pentateuch, war.
26,23 Christus leiden … Erstling aus der Auferstehung der Toten. Die Leiden (Ps 22; Jes 53) und die Auferstehung (Ps 16,10; vgl. 13,30-37) des Messias sind zentrale Themen der Lehre des Paulus und werden auch im AT klar gelehrt.
26,24 du bist von Sinnen! Festus war erstaunt, dass ein Gelehrter wie Paulus tatsächlich glauben konnte, ein Toter könne wieder auferstehen. Das hätte kein vernünftiger Römer akzeptiert. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten, unterbrach Paulus bei seinen Ausführungen und rief, dass Paulus’ enorme Gelehrsamkeit ihn in den Wahnsinn getrieben habe (vgl. Mk 3,21; Joh 8,48.52; 10,20).
26,26 Nehmt, esst! Das ist mein Leib. Jesus machte aus dem letzten Passah das erste Mahl des Herrn. Er selbst ist die Erfüllung beider symbolischer Feiern: Er wird bildhaft repräsentiert sowohl durch das Passahlamm als auch durch das Brot und den Kelch des Gemeinschaftsmahls. Seine Aussage »das ist mein Leib« konnten die anwesenden Jünger an jenem Abend unmöglich buchstäblich verstanden haben. S. Anm. zu Lk 22,19. 26,26 nicht im Verborgenen geschehen. Jesu Tod und die Be- hauptung der Christen, er sei von den Toten auferstanden, waren in Judäa allseits bekannte Tatsachen.
26,27 Glaubst du den Propheten? Paulus’ scharfsinnige Fra- ge brachte Herodes in ein Dilemma. Wenn er seinen Glauben an die Propheten zugab, müsste er ebenso eingestehen, dass die Lehren der Propheten über den Tod und die Auferstehung des Messias richtig sind. Dieses Eingeständnis hätte ihn aber vor seinen römischen Freunden als dumm hingestellt. Wenn er die Propheten jedoch verleugnete, hätte das seine jüdischen Untertanen wütend gemacht.
26,28 mein Blut, das des neuen Bundes. Bündnisse wurden mit dem Blut eines Opfertieres bestätigt und besiegelt (1Mo 8,20; 15,9.10). Diese Worte Jesu sind die Erfüllung dessen, was Mose in 2Mo 24,8 sagte. Das Blut des Neuen Bundes ist kein Tierblut, sondern Christi eigenes Blut, das er zur Sündenvergebung vergossen hat. S. Anm. zu Jer 31,3134; Hebr 8,1-10,18; 8,6. 26,28 Es fehlt nicht viel, und du überredest mich. Eine bessere Übersetzung wäre: »Meinst du, du könntest mich überzeugen, nach solch einer kurzen Zeit Christ zu werden!« Als Agrippa das Dilemma erkannte, in dem er steckte, konterte er mit einer Gegenfrage.
26,30 Lobgesang. Wahrscheinlich Ps 118. Der Talmud bezeichnet die Psalmen 113-118 als das Hallel (Lobpreis-Psalmen) Ägyptens. Diese Psalmen wurden beim Passah gesungen (s. Anm. zu Ps 113-118). 26,30 Nach dem Verhör besprachen Agrippa und Festus Paulus’ Fall unter vier Augen. Beide stimmten überein, dass er keines Verbrechens schuldig war und freigelassen werden könnte, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.
27,1 Als es aber Morgen geworden war. Der Sanhedrin wartete bis zum Tagesanbruch, um das offi zielle Urteil zu verkünden (vgl. 26,66). So respektierte man pro forma in diesem einen Punkt die Regel, dass Kriminalprozesse nicht nachts stattfi nden durften (s. Anm. zu 26,57). 27,1 wir. Das Personalpronomen »wir« weist darauf hin, dass Pau- lus’ guter Freund Lukas, der ab 21,18 abwesend war, hier wieder zu ihm stieß. Wahrscheinlich lebte er in der Nähe von Cäsarea und konnte sich somit während Paulus’ Haftzeit um ihn kümmern. Nun schloss er sich dem Apostel auf seiner Romreise an. Hauptmann … von der Kaiserlichen Schar. Eine Kohorte (ein Regiment) dieses Namens war während der Regierungszeit von Agrippa II. in Judäa stationiert (s. Anm. zu 25,13). Julius hatte hier womöglich eine außerordentliche Dienststelle und wurde mit solchen Aufgaben betraut wie z.B. der Begleitung bedeutender Häftlinge.
27,2 lieferten ihn … Pilatus aus. Jesus wurden zwei Prozesse ge- macht: der religiöse jüdische und der säkulare römische. Rom behielt sich das Recht vor, die Todesstrafe zu verhängen (s. Anm. zu 26,59). Deshalb mussten die Juden Jesus den römischen Behörden übergeben, damit diese das Todesurteil aussprachen und vollstreckten. Das Hauptquartier des Pilatus war in Cäsarea an der Mittelmeerküste. Zu den Passahfeierlichkeiten weilte er jedoch in Jerusalem und führte daher selber den Prozess (s. Anm. zu Mk 15,1). Christus wurde vor Pilatus gebracht (V. 2-14) und dann zu einem weiteren Verhör vor Herodes geführt (Lk 23,6-12). Anschließend kam er zu Pilatus zurück und wurde endgültig verhört und zum Tod verurteilt (V. 15-26). 27,2 Adramyttium. Eine Stadt an der Nordwestküste Kleinasiens (der heutigen Türkei) in der Nähe von Troas, wo der Hauptmann ein Schiff nach Italien ausfi ndig machen wollte. reisten wir ab. Von Cäsarea segelte das Schiff 110 km nordwärts bis Zidon. in Begleitung des Aristarchus. Er war beim Aufruhr in Ephesus (19,29) von der Volksmenge ergriffen worden, als er Paulus mit der Opfergabe nach Jerusalem begleitete (20,4). Aristarchus saß später mit Paulus zusammen in Rom in Haft (Kol 4,10).
27,3 reute es ihn. Judas spürte den Stachel seiner Schuld, aber das war keine echte Buße. Es gibt eine von Gott gewirkte Betrübnis, die zur Buße führt, doch die Reue des Judas war anderer Natur. Das wird an seinem Selbstmord deutlich (V. 5). Vgl. 2Kor 7,10. 27,3 liefen wir in Zidon ein. S. Anm. zu 12,20. Die dortigen Christen dienten Paulus. Möglicherweise versorgten sie ihn mit Proviant für die Reise.
27,4 segelten unter Zypern hin. Sie hielten sich an die Lee-Seite der Insel (d.h. sie passierten sie zwischen der Insel und dem Festland), weil sie dort Schutz vor den heftigen Winden suchten.
27,5 erhängte sich. S. Anm. zu Apg 1,18. 27,5 bei Cilicien und Pamphilien. S. Anm. zu 2,10; 6,9. Myra in Lycien. Einer der Haupthäfen der kaiserlichen Getreidefl otte, deren Schiffe Getreide aus Ägypten nach Italien brachten.
27,6 ein Schiff aus Alexandria. Es gehörte zur kaiserlichen Ge- treidefl otte.
27,7 Knidus. Ein Hafen auf einer Halbinsel im äußersten Südwesten Kleinasiens, der ebenfalls für Schiffe der Getreidefl otte eingerichtet war. Von Knidus aus konnte das Schiff nicht weiter nach Westen segeln, weil der Gegenwind zu stark war. Es musste nach Süden steuern und gelangte so nach Kreta. unter Kreta hin. Die große Insel an der Südwestküste Kleinasiens bot einigen Schutz vor den heftigen Nordwestwinden, die gegen das Schiff stürmten. Salmone. Ein Vorgebirge an Kretas Nordostküste.
27,8 Die schönen Häfen … Lasäa. Das Schiff kämpfte sich zum südöstlichen Zipfel Kretas vor und fand schließlich Schutz in der Bucht der »schönen Häfen«.
27,9 durch den Propheten Jeremia gesagt. Eigentlich stammt das Zitat aus Sach 11,12.13. Der hebr. Kanon gliederte sich in drei Teile: Gesetz, Psalmen und Propheten (vgl. Lk 24,44). In der Reihenfolge der »Propheten« stand meistens Jeremia zuerst, und daher wurden die Propheten manchmal insgesamt mit seinem Namen bezeichnet. 27,9 das Fasten bereits vorüber. S. Anm. zu Sach 7,3; vgl. 3Mo 23,26-32. Reisen auf offenem Meer waren von Mitte September bis Mitte November gefährlich, danach bis Ende Februar gar nicht möglich. Da das Fasten (der Große Versöhnungstag) Ende September oder Anfang Oktober bereits vorüber war, wäre eine Weiterreise äußerst riskant gewesen.
27,10 mit Schädigung und großem Verlust. Wegen der fort- geschrittenen Jahreszeit und den Schwierigkeiten, die sie bereits erlebt hatten, riet Paulus, in dieser Bucht zu überwintern.
27,11 Du sagst es. Diese Worte sagte Jesus wahrscheinlich direkt nach dem Dialog von Joh 18,34-36. 27,11 Hauptmann. S. Anm. zu 10,1. Da das Schiff zur kaiserlichen Getreidefl otte gehörte (s. Anm. zu V. 5), war nicht der Steuermann oder Schiffseigner der hochrangigste Mann an Bord, sondern Julius. Steuermann. Der Schiffskapitän.
27,12 ungeeignet zum Überwintern. Die professionellen See- leute meinten, die Bucht der schönen Häfen eigne sich nicht zum Überwintern (s. Anm. zu V. 9). Phönix. Etwa 65 km von den schönen Häfen mit einem Hafen, der einen besseren Schutz vor den Winterstürmen bot.
27,14 Euroklydon. Die bevorzugte Lesart ist Euraquilon, was vom gr. Wort euros (»Ostwind«) und dem lat. Wort auquilo (»Nordwind«) stammt. Das ist ein heftiger, gefährlicher Sturm, der von den Seeleuten auf dem Mittelmeer sehr gefürchtet wurde.
27,16 Klauda. Eine Insel 35 km südwestlich von Kreta. das Beiboot meistern. Die Seeleute nutzten den Schutz der Insel Klauda und begannen, das Schiff für den Sturm zu takeln und die Beiboote des Schiffes an Bord zu ziehen.
27,17 indem sie das Schiff untergürteten. Bei dieser Prozedur wurden Taue um den Schiffsrumpf gezogen und festgezurrt, die das Schiff stabilisierten, damit es von den Schlägen der Wellen nicht auseinandergebrochen wurde. Syrte. Eine Region mit vielen Sandbänken und Untiefen an der Küste Afrikas, die als »Schiffsgrab« äußerst gefürchtet war. zogen sie die Segel ein. Dieser Ausdruck kann auch übersetzt werden mit »ließen sie den Anker herab«. Zweifellos machten die Seeleute beides, da es Selbstzerstörung gewesen wäre, den Anker bei gehissten Segeln abzulassen.
27,18 warfen sie … Ladung über Bord. Sie warfen alle unnötige Ausrüstung und Fracht über Bord und erleichterten somit das Schiff. So konnte es leicht über die Wellen gleiten.
27,23 Die letzte von sechs Visionen des Paulus, die Lukas überlie- fert hat (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 22,17.18; 23,11).
27,24 vor den Kaiser treten. Der Engel bestätigte die Verheißung, die Jesus selbst zu einem früheren Zeitpunkt Paulus gegeben hatte (23,11).
27,27 Prätorium. Die Residenz des Pilatus in Jerusalem. Wahr- scheinlich befand es sich in der Burg Antonia, die an die Nordwestecke des Tempels angrenzte. »Die Kriegsknechte des Statthalters« gehörten zur »Schar« (Kohorte). Das war eine Einheit von etwa 600 Soldaten, die zum Dienst des Statthalters (Pilatus) abgeordnet waren, solange dieser sich in Jerusalem aufhielt. 27,27 vierzehnte Nacht. Seitdem sie von den schönen Häfen los- gesegelt waren (V. 13). Adriatischen Meer. Das zentrale Mittelmeer, nicht die heutige Adria zwischen Italien und Kroatien. Die heutige Adria war zur Zeit des Paulus als Golf von Adria bekannt. vermuteten. Die Matrosen hörten wahrscheinlich das Geräusch von Wellen, die an ein Ufer schlugen.
27,28 Purpurmantel. Wörtl. »scharlachfarbener Mantel«, obgleich Mk 15,17 und Joh 19,2 von Purpur sprechen. Dass Mt hier »Scharlach« als Farbe nennt, legt nahe, dass der Mantel eine Farbe zwischen königlichem Purpur und dem helleren Scharlach gehabt haben muss und unter den Kleidungsstücken, die die Soldaten auftreiben konnten, der traditionellen Tracht eines Königs am nächsten kam. Das Wort für »Mantel« bezeichnet ein Soldatengewand. Es gehörte zweifellos einem der Soldaten. 27,28 ließen das Senkblei hinunter. Ein Gewicht, das am Ende eines Seils befestigt war. Damit maßen sie die Wassertiefe. 20 Faden … 15 Faden. 36 m … 27 m. Die abnehmende Wassertiefe bestätigte, dass das Schiff auf Land zusteuerte.
27,29 ein Rohr in die rechte Hand. Sie drückten ihm zum Spott ein Zepter in die Hand und wählten darum etwas Zerbrechliches. 27,29 warfen sie vom Heck des Schiffes vier Anker aus. Damit versuchten sie, das Schiff auf der Stelle zu halten und den Bug auf das Ufer gerichtet zu lassen.
27,30 spuckten sie ihn an. S. Jes 50,6. schlugen ihn auf das Haupt. Ein Rohr, das lang genug war für ein Narren-Zepter, war auch fest genug, um heftige Schmerzen zu verursachen, etwa wie ein Besenstil. Joh 19,3 sagt, dass sie ihn auch mit ihren Fäusten schlugen. 27,30 das Boot. Dasselbe Beiboot, das sie zuvor an Bord geholt hatten (V. 16). sie wollten vom Bug Anker auswerfen. Um das Schiff zusätzlich zu stabilisieren (vgl. V. 29).
27,33 Golgatha war ein Hügel, der entweder die Form eines Schä- dels hatte oder so genannt wurde, weil sich dort wegen der Kreuzigungen Schädel anhäuften. Die Evangelien sagen nichts von einem Hügel. In Lk 23,33 steht das griechische Wort kranion, von kranos, der Schädel. 27,33 ohne Nahrung. Aufgrund von Krankheit und der Schwierig- keit, Nahrung zuzubereiten und zu konservieren, hatten Passagiere und Besatzung in den letzten zwei Wochen nur wenig oder nichts gegessen.
27,34 Essig mit Galle. Oder »Wein mit Galle«. »Galle« bedeutet hier einfach etwas Bitteres. Mk 15,23 identifi ziert diese Substanz als Myrre, ein Betäubungsmittel. Die Juden hatten die auf Spr 31,6 gegründete Gewohnheit, den Gekreuzigten ein schmerzlinderndes Mittel zu verabreichen, das mit Wein vermischt war. Als Christus es geschmeckt hatte, trank er es nicht, obwohl er Durst litt. Dadurch wären seine Sinne betäubt worden, bevor er das Werk vollbracht gehabt hätte. Die Minderung der körperlichen Schmerzen hätte wahrscheinlich nicht die Wirksamkeit seines Erlösungswerkes beeinträchtigt (s. Anm. zu 26,38.39). Doch brauchte er für die noch bevorstehenden Stunden seine volle Geistesgegenwart. Er musste bei klarem Verstand und wach sein, um u.a. dem sterbenden Schächer zu dienen (Lk 23,43). 27,34 keinem von euch wird ein Haar vom Haupt fallen. Ein bekanntes jüdisches Sprichwort (1Sam 14,45; 2Sam 14,11; 1Kö 1,52; Lk 21,18), das absolute Bewahrung beschreibt.
27,37 Inschrift seiner Schuld. Zu den Unterschieden in den Über- lieferungen dieser Inschrift s. Anm. zu Lk 23,38 (vgl. Mk 15,26). Da dieses Schild »über seinem Haupt« angebracht wurde, hatte das Kreuz wohl die
27,38 Räuber. Dieses Wort bezeichnet einen Aufrührer und Stra- ßenräuber. Gewöhnliche Diebe wurden üblicherweise nicht gekreuzigt. Hier handelt es sich wahrscheinlich um Anhänger von Barabbas. 27,38 erleichterten sie das Schiff. S. Anm. zu V. 18.
27,41 eine Sandbank. Eine Sandbank oder ein Riff kurz vor dem Ufer.
27,42 wir wollen ihm glauben. S. Anm. zu 12,38; 16,1. 27,42 Die Soldaten aber fassten den Plan, man solle die Ge- fangenen töten. Sie wussten nämlich, dass sie bestraft oder getötet würden, wenn ihre Häftlinge entkommen (vgl. 12,19; 16,27).
28,1 als der erste Tag der Woche anbrach. Der Sabbat endete offi ziell mit dem Sonnenuntergang am Samstagabend. Zu dieser Zeit konnten die Frauen Gewürze kaufen und zubereiten (Lk 24,1). Das hier beschriebene Ereignis geschah am nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang am Sonntag, dem ersten Wochentag. die andere Maria. Die Mutter von Jakobus dem Kleineren (s. Anm. zu 27,56). 28,1 Melite. Das ist wahrscheinlich Malta. Diese Insel ist 27 km lang, 14 km breit und liegt etwa 100 km südlich von Sizilien. Keiner der Seeleute war schon einmal in dieser Bucht gewesen (sie ist heute unter dem Namen St.-Paulus-Bucht bekannt), in der sie Schiffbruch erlitten.
28,3 Otter. Eine Giftschlange. Vgl. Mk 16,18.
28,6 Kommt her, seht den Ort, wo der Herr gelegen hat! S. Anm. zu Lk 24,4 zur weiteren Reihenfolge der Ereignisse, wie sie sich aus den vier Evangelien ergibt. 28,6 sagten, er sei ein Gott. S. 14,11.12.
28,7 dort werdet ihr ihn sehen. S. V. 10.16; 26,32; Joh 21,1- 14. Das bedeutet nicht, dass sie ihn vorher nicht sehen sollten. Die Apostel begegneten ihm mehrmals, bevor sie ihn in Galiläa sahen (Lk 24,15.34.36; Joh 20,19.26). Doch die wichtigste Erscheinung des Auferstandenen fand in Galiläa statt, wo »er von über 500 Brüdern auf einmal gesehen wurde« (1Kor 15,6). S. Anm. zu V. 16. 1,1 Anfang … dem Sohn Gottes. Diese Aussage kann man am besten als Markus’ Titel für sein Evangelium ansehen. Der historische Bericht der Evangeliums-Botschaft begann mit Johannes dem Täufer (vgl. Mt 11,12; Lk 16,16; Apg 1,22; 10,37; 13,24). Evangeliums. Die gute Nachricht über das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, von dem die vier Evangelien die schriftlichen Aufzeichnungen sind (s. Einleitung zu den Evangelien). Jesus Christus. »Jesus« ist die gr. Form des hebr. Namens Josua (»der HERR ist Rettung«); »Christus« (»der Gesalbte ») ist das gr. Äquivalent des hebr. Wortes Messias. »Jesus« ist der menschliche Name des Herrn (vgl. Mt 1,21; Lk 1,31); »Christus« deutet sein Amt als Herrscher des zukünftigen Reiches Gottes an (Dan 9,25.26). Sohn Gottes. Eine Bestätigung der Gottheit Jesu, die seine einzigartige Beziehung zum Vater hervorhebt (vgl. 3,11; 5,7; 9,7; 13,32; 15,39; s. Anm. zu Joh 1,34). 1,2 Wie geschrieben steht. Ein Ausdruck, der im NT für gewöhnlich zur Einleitung eines atl. Zitates dient (vgl. 7,6; 9,13; 14,21.27; Mt 2,5; 4,4.6.7; Lk 2,23; 3,4; Joh 6,45; 12,14; Apg 1,20; 7,42; Röm 3,4; 8,36; 1Kor 1,31; 9,9; 2Kor 8,14; 9,9; Gal 3,10; 4,22; Hebr 10,7; 1Pt 1,16). in den Propheten. Ein originalgetreues gr. Manuskript gibt an: »in dem Propheten Jesaja«. Markus’ Zitat stammt ursprünglich aus den beiden atl. Stellen (Mal 3,1; Jes 40,3), wodurch wahrscheinlich der Ausdruck »den Propheten« zu erklären ist, der sich in einigen Handschriften fi ndet. Alle Evangelien stellen den Dienst von Johannes dem Täufer vor, indem sie Jes 40,3 zitieren (vgl. Mt 3,3; Lk 3,4; Joh 1,23). Meinen Boten. Johannes war der von Gott verheißene Bote, der gesandt wurde, um den Weg des Messias zu bereiten. Im Altertum reisten die Gesandten des Königs vor ihm her, um auszukundschaften, dass die Straßen für ihn sicher zu bereisen sind und um seine Ankunft bekannt zu machen. 1,4 Johannes. Ein gängiger jüdischer Name in ntl. Zeiten; er ist das gr. Pendant zu dem hebr. Namen »Johanan« (vgl. 2Kö 25,23; 1Chr 3,15; Jer 40,8) und bedeutet »der Herr ist gnädig«. Johannes’ Name wurde seinem Vater Zacharias von dem Engel Gabriel gegeben, während er als Priester im Tempel diente (Lk 1,13). Seine Mutter, Elisabeth, ebenso eine Nachkommin Aarons (Lk 1,5), war eine Verwandte von Maria, der Mutter Jesu (Lk 1,36). Als der letzte Prophet des AT und der von Gott verfügte Vorläufer des Messias (s. Anm. zu V. 2) war Johannes der Ausklang der atl. Geschichte und Prophetie (Lk 16,16) und zugleich der Anfang der historischen Aufzeichnung des Evangeliums von Jesus Christus. Es überrascht nicht, dass Jesus Johannes als den größten Menschen bezeichnete, der bis zu seinem Kommen gelebt hat (Mt 11,11). in der Wüste. Das trostlose, dürre Gebiet zwischen Jerusalem und dem Toten Meer (s. Anm. zu Mt 3,1). taufte. Als unverkennbares Merkmal des Dienstes des Johannes unterschied sich seine Taufe von den rituellen jüdischen Waschungen insofern, dass es eine einmalige Handlung war. Die Juden führten in ähnlicher Weise eine einmalige Waschung bei den Proselyten aus den Nationen durch, die symbolisierte, dass sie den wahren Glauben angenommen hatten. Dass Juden an einem solchen Ritus teilnahmen, war ein erstaunliches Eingeständnis, dass sie, obgleich sie zum Bundesvolk Gottes gehörten, es ebenso wie die Heiden nötig hatten, zu Gott in Buße und Glauben zu kommen. eine Taufe der Buße. Eine Taufe, die aus wahrer Buße hervorging. Es war der Dienst von Johannes, Israel zur Buße zu rufen und es dadurch für das Kommen des Messias vorzubereiten. Die Taufe rief keine Buße hervor, sondern war ihr Ergebnis (vgl. Mt 3,7.8). Buße ist weit mehr als eine bloße Sinnesänderung. Sie ist das Abwenden von der Sünde hin zu Gott (vgl. 1Th 1,9), woraus sich eine gerechte Lebensweise ergibt. Echte Buße ist ein Werk Gottes im menschlichen Herzen (Apg 11,18). Eine Besprechung über das Wesen der Buße fi ndet sich in der Anm. zu 2Kor 7,9-12. zur Vergebung der Sünden. Der Taufritus von Johannes diente nicht zur Vergebung der Sünden (s. Anm. zu Apg 2,38; 22,16); er war nur das äußere Bekenntnis und die Veranschaulichung wahrer Buße, welche zur Vergebung führt (vgl. Lk 24,47; Apg 3,19; 5,31; 2Kor 7,10). 1,5 das ganze Land Judäa und die Bewohner von Jerusalem. Nach Jahrhunderten ohne die Stimme eines Propheten in Israel (Maleachi hatte mehr als 400 Jahre zuvor prophezeit) erzeugte der Dienst von Johannes ein hohes Maß an Interesse. Judäa. Der südlichste Teil des von Juden bewohnten Gebiets (Samaria und Galiläa waren die anderen) in den Tagen Jesu. Er reichte etwa von Bethel im Norden bis Beerscheba im Süden, und vom Mittelmeer im Westen bis zum Toten Meer und zum Jordan im Osten. Innerhalb der Grenzen Judäas lag die Stadt Jerusalem. Jordan. Palästinas bedeutendster Fluss fl ießt durch den Grabenbruch des Jordan aus dem Hulesee (der in der Neuzeit trocken gelegt wurde), nördlich des Sees von Galiläa bis nach Süden zum Toten Meer. Nach der Tradition begann Johannes seinen Taufdienst in den Furten nahe Jericho. bekannten. Das Sündenbekenntnis bei der Taufe bedeutete, sich mit Gott auf eine Seite gegen sich selbst zu stellen. Johannes taufte niemanden, der nicht seine Sünden bekannte und Buße tat. 1,6 Kamelhaaren … ledernen Gürtel. Die traditionelle Kleidung eines Wüstenbewohners, die zwar robust, aber weder modisch noch bequem war. Die Kleidung Johannes’ muss seine Zuhörer wohl an Elia erinnert haben (vgl. 2Kö 1,8), den sie vor dem Kommen des Messias erwarteten (Mal 3,23; vgl. Mt 17,10-13). Heuschrecken und wilden Honig. Nach den Speisevorschriften des AT war es erlaubt »Heuschrecken« zu essen (3Mo 11,21.22). »Wilden Honig« konnte man in der Wüste häufi g fi nden (5Mo 32,13; 1Sam 14,25-27). Johannes’ entsagende Ernährungsweise stimmte mit seinem Status als lebenslanger Nasiräer überein (vgl. Lk 1,15; in Bezug auf Nasiräer, s. Anm. zu 4Mo 6,2-13) 1,7 verkündigte. Johannes war der Bote Jesu, der gesandt war, um sein Kommen auszurufen (s. Anm. zu V. 4). ich bin nicht würdig, ihm gebückt seinen Schuhriemen zu lösen. Die niedrigste Aufgabe, die ein Sklave ausführen konnte. Johannes drückte seine Demut anschaulich aus. 1,8 wird euch mit Heiligem Geist taufen. Dies geschieht, wenn ein Mensch zum Glauben an Christus kommt (s. Anm. zu Apg 1,5; 8,16.17; 1Kor 12,13). 1,9 in jenen Tagen. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt während des Taufdienstes von Johannes am Jordan. Nazareth. Ein unbedeutendes Dorf (wird im AT nicht erwähnt, ebenso wenig bei Josephus oder im Talmud) etwa 100 km nördlich von Jerusalem, mit einem nicht sehr vorteilhaften Ruf (vgl. Joh 1,46). Jesus lebte dort vor seinem öffentlichen Auftreten in Israel. von Johannes … taufen ließ. Trotz der Einwände des Johannes (vgl. Mt 3,14), der für das sündlose Lamm Gottes (Joh 1,29) keine Notwendigkeit für eine Taufe der Buße sah (s. Anm. zu V. 4.5; zur Erklärung, weshalb Jesus getauft wurde, s. Anm. zu Mt 3,15). 1,10 sogleich. Um seinen schnellen Erzählungsstil beizubehalten (s. Einleitung zu den Evangelien), benutzt Markus dieses Adverb häufi ger als die anderen drei Verfasser der Evangelien zusammen. Dieses erste Auftreten bereitet die Bühne für die hör- und sichtbaren Zeichen, die der Taufe Jesu folgten. den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Das war sehr wahrscheinlich die symbolische Bevollmächtigung für den Dienst Jesu (Jes 61,1). S. Anm. zu Mt 3,16. 1,11 Die Erklärung des Vaters dürfte die Zuhörer an die messianischen Prophetien von Ps 2,7 und Jes 42,1 erinnert haben. 1,12 sogleich. S. Anm. zu V. 10. Die Versuchung Jesu folgte direkt auf seine Taufe. treibt ihn der Geist. Vom Geist veranlasst, wird Jesus mit dem Teufel konfrontiert und unternimmt den ersten Schritt, um dessen böses Reich zu Fall zu bringen (vgl. 1Joh 3,8). Obwohl Gott niemanden versucht (Jak 1,13), gestattet er es dem Teufel in seiner Souveränität manchmal, seine Kinder zu versuchen (z.B. Hi; Lk 22,31.32). in die Wüste hinaus. Der genaue Ort, an dem Jesus dem Teufel begegnete, ist nicht bekannt. Es war höchstwahrscheinlich die gleiche Wüste, in der Johannes lebte und diente (s. Anm. zu V. 4), oder das trostlose Gebiet weiter südlich oder die dürre arabische Wüste jenseits des Jordan. 1,13 40 Tage. Möglicherweise ist dies eine Erinnerung an die 40-jährige Wüstenwanderung Israels (4Mo 14,33; 32,13). Matthäus und Lukas fügen hinzu, dass Jesus in dieser Zeit keine Nahrung zu sich nahm. Auch Mose (zweimal in 5Mo 9,9.18) und Elia (1Kö 19,8) fasteten die gleiche Zeitspanne. Satan. Hergeleitet vom hebr. Wort, das »Widersacher« bedeutet. Da der Herr keine gefallene Natur besaß, war die Versuchung Jesu kein innerer emotionaler oder psychologischer Kampf, sondern ein äußerer Angriff von einem Wesen mit einer eigenherrlichen Persönlichkeit. wilden Tieren. Eine Einzelheit, die einzig bei Markus beschrieben wird, und Jesu Einsamkeit und völlige Isolation von anderen Menschen hervorhebt. Engel dienten ihm. Vgl. Ps 91,11.12. Die Zeitform des gr. Verbs »dienen« lässt vermuten, dass die Engel Jesus während seiner ganzen Versuchung dienten. 1,14 Johannes war gefangengenommen. Er wurde in den Kerker geworfen, da er Herodes Antipas zurechtgewiesen hatte wegen seiner inzestuösen Ehe mit seiner Nichte Herodias (s. Anm. zu 6,17-29). kam Jesus nach Galiläa. Aus Judäa (Mt 4,12; Lk 4,13; Joh 4,3). Ebenso wie Matthäus und Lukas geht Markus von der Versuchung Jesu direkt zum Anfang seines Dienstes in Galiläa über und überspringt seinen dazwischen liegenden Dienst in Judäa (Joh 2,13-4,4). Galiläa war das nördlichste und bevölkerungsreichste von Juden bewohnte Gebiet. das Evangelium … Gottes. Die gute Nachricht der Errettung sowohl über Gott als auch von ihm (s. Anm. zu Röm 1,1; vgl. Röm 15,16; 1Th 2,2.8.9; 1Tim 1,11; 1Pt 4,17). 1,15 Die Zeit ist erfüllt. Nicht Zeit im chronologischen Sinn, sondern die Zeit für das entscheidende Handeln Gottes. Mit der Ankunft des Königs war eine neue Ära im Handeln Gottes mit den Menschen angebrochen. S. Anm. zu Gal 4,4. das Reich Gottes. Gottes souveräne Herrschaft im Bereich der Errettung; gegenwärtig in den Herzen seiner Kinder (Lk 17,21), und in Zukunft in dem eigentlichen irdischen Königreich (Offb 20,4-6). nahe. Da der König anwesend war. Tut Buße und glaubt. Buße (s. Anm. zu V. 4) und Glauben (s. Anm. zu Röm 1,16) sind die Reaktionen, die Gott vom Menschen auf sein Gnadenangebot der Errettung verlangt (vgl. Apg 20,21). 1,16 See von Galiläa. Auch bekannt als der See von Kinneret (4Mo 34,11), der See Genezareth (Lk 5,1) und der See Tiberias (Joh 6,1). Ein großer Frischwassersee mit einer Ausdehnung von 21 km Länge und 12 km Breite, sein Spiegel liegt 212 m unter dem des Mittelmeeres (wodurch er das tiefl iegendste Frischwasser-Reservoir der Welt ist). Am See von Galiläa war ein fl orierendes Fischgewerbe beheimatet. Simon und … Andreas. Das erste von zwei Brüderpaaren, das Jesus in seine Nachfolge berief. Ebenso wie Jakobus und Johannes waren sie Fischer. Da Andreas bereits ein Nachfolger Johannes des Täufers war (Joh 1,40), ist es gut möglich, dass dies auch auf Petrus zutraf. Nach der Verhaftung von Johannes waren sie offensichtlich wieder zum Fischfang zurückgekehrt (s. Anm. zu V. 14). Sie waren Jesus bereits begegnet und hatten einige Zeit mit ihm verbracht (s. Anm. zu Mt 4,18), wurden an dieser Stelle aber aufgerufen, ihm ständig zu folgen. Netz. Ein Seil bildete einen Kreis von ca. 2,70 m Durchmesser, an dem ein Netz befestigt war. Es konnte von Hand ins Wasser geworfen werden und anschließend mittels langer, schwerer Taue eingeholt werden, die mit dem Netz verbunden waren. 1,17 Folgt mir nach. Wird in den Evangelien hinsichtlich der Jüngerschaft oftmals verwendet (Mk 2,14; 8,34; 10,21; Mt 4,19; 8,22; 9,9; 10,38; 16,24; 19,21; Lk 9,23.59.61; 18,22; Joh 1,43; 10,27; 12,26). Menschenfi schern. Evangelisation war die Hauptabsicht, die Jesus bei der Berufung der Apostel verfolgte, und sie bleibt der zentrale Auftrag seines Volkes (vgl. Mt 28,19.20; Apg 1,8). 1,18 folgten ihm nach. D.h. sie wurden seine ständigen Jünger (s. Anm. zu V. 16). 1,19 Jakobus … Johannes. Das zweite Brüderpaar von Fischern, das von Jesus berufen wurde (s. Anm. zu V. 16). Ihre Mutter und die Mutter Jesu waren möglicherweise Schwestern (vgl. 15,40; Mt 27,55.56 mit Joh 19,25). Wenn das zutrifft, waren sie Jesu Cousins. 1,20 Tagelöhnern. Das weist darauf hin, dass das Fischfangunternehmen des Zebedäus blühte und er ein einigermaßen wohlhabender Mann war (vgl. Joh 18,15). 1,21 Kapernaum. Eine blühende Stadt des Fischfangs am Nordwest-Ufer des Sees von Galiläa. Kapernaum war als Stadt bedeutender als Nazareth; sie lag an einer Hauptverkehrsroute und beheimatete eine römische Garnison. Jesus machte diese Stadt nach seiner Zurückweisung in Nazareth (Mt 4,13; Lk 4,16-31) zu seinem Hauptquartier (vgl. 2,1). Synagoge. Der Ort, an dem sich die Juden zum Gottesdienst versammelten (»Synagoge« ist eine Transliteration des gr. Wortes, welches »zusammenführen« bedeutet). Synagogen entstanden in der babylonischen Gefangenschaft nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. Sie dienten als Orte zur Anbetung und Belehrung. Jesus lehrte oftmals in den Synagogen (vgl. V. 39; 3,1; 6,2), ebenso wie Paulus (vgl. Apg 13,5; 14,1; 17,1). lehrte. Markus erwähnt häufi g, dass Jesus lehrte (vgl. 2,13; 4,1.2; 6,2.6.34; 10,1; 11,17; 12,35; 14,49). 1,22 Vollmacht. Das vollmächtige Lehren Jesu, indem er das Wort Gottes sprach, stand in scharfem Kontrast zu dem der Schriftgelehrten (Experten in den Schriften des AT), die ihre Autorität größtenteils auf der von anderen Rabbinern gründeten. Jesu direktes, persönliches und kraftvolles Lehren war ihrer Erfahrung so fremd, dass diejenigen, die ihn hörten, »erstaunt« waren (vgl. Tit 2,15). 1,23 ein Mensch … der schrie. Satan und seine Dämonen widersetzten sich dem Wirken Jesu während seines ganzen Dienstes, den Höhepunkt fi nden wir am Kreuz. Aber Jesus triumphierte immer über ihre vergeblichen Bemühungen (vgl. Kol 2,15), überzeugend veranschaulichte er das durch seinen endgültigen Sieg bei der Auferstehung. unreinen Geist. D.h. er war moralisch unrein. Der Ausdruck wird im NT austauschbar mit »Dämon« gebraucht. S. Anm. zu 5,2. 1,24 Was haben wir mit dir zu tun? Oder möglicherweise: »Warum mischst du dich ein?« Der Dämon war sich sehr bewusst, dass er und Jesus zu zwei radikal verschiedenen Reichen gehörten und folglich nichts gemeinsam hatten. Dass der Dämon das Pluralpronomen »wir« verwendete, lässt darauf schließen, dass er für alle Dämonen sprach. Jesus, du Nazarener. S. Anm. zu V. 9. der Heilige Gottes. Vgl. Ps 16,10; Dan 9,24; Lk 4,34; Apg 2,27; 3,14; 4,27; Offb 3,7. Erstaunlicherweise bestätigte der Dämon die Sündlosigkeit und Gottheit Jesu – Wahrheiten, die in Israel viele nicht anerkannten und auch heute noch nicht anerkennen. 1,25 Verstumme. Jesus wollte aus dem dämonischen Bereich kein Zeugnis über die Wahrheit, um dem Vorwurf keine Angriffsfl äche zu bieten, dass er mit dem Teufel im Bunde sei (vgl. 3,22; Apg 16,16-18). 1,27 Mit Vollmacht. S. Anm. zu V. 22. Jesus hatte absolute Vollmacht in seinem Handeln und in seinen Worten (Mt 28,18). 1,29 Jakobus und Johannes. Nur Markus erwähnt ihre Anwesenheit bei der Heilung von Petrus’ Schwiegermutter. das Haus des Simon und Andreas. Ursprünglich kamen die beiden Brüder aus Bethsaida (Joh 1,44), sie waren aber nach Kapernaum gezogen, als Jesus dort sein Hauptquartier errichtete (s. Anm. zu V. 21). 1,30 Simons Schwiegermutter. Paulus bestätigt ebenfalls, dass Petrus verheiratet war (1Kor 9,5). Dass seine Schwiegermutter mit Petrus und seiner Frau zusammenlebte, ist vielleicht eine Andeutung, dass ihr Ehemann gestorben war. Fieber. Sowohl der Umstand, dass sie zu krank war, um das Bett zu verlassen, als auch Lukas’ Beschreibung des Fiebers als eines »heftigen Fiebers« (Lk 4,38), lassen vermuten, dass sie schwer – ja sogar lebensbedrohlich – erkrankt war. 1,32 Als … die Sonne untergegangen war. Dies markierte das Ende des Sabbat und die mit ihm verbundenen Einschränkungen. Das rabbinische Gesetz verbot ausdrücklich jegliches Tragen von Lasten (wie z.B. Tragbahren) am Sabbat. brachten sie. Der Bericht von Jesu Heilung des Besessenen in der Synagoge und der Schwiegermutter des Petrus war eine Sensation in Kapernaum und ließ bei anderen leidenden Menschen Hoffnung aufkommen. 1,34 er … ließ die Dämonen nicht reden. S. Anm. zu V. 25; 3,11.12. sie kannten ihn. Die Dämonen besitzen eine vollkommen orthodoxe Theologie (Jak 2,19), aber obwohl sie die Wahrheit kennen, lehnen sie sie ab, ebenso wie ihren Ursprung, Gott. 1,36 Simon und die, welche bei ihm waren. Das erste Mal in den Evangelien, dass Petrus die Führung ergreift. Wer bei Petrus war, wird nicht aufgeführt, obschon Andreas, Jakobus und Johannes wahrscheinlich dazu gehörten. 1,37 Nachdem sie Jesus eifrig gesucht hatten (V. 36), baten ihn Petrus und die anderen erregt, nach Kapernaum zurückzukehren, um aus der Aufregung Kapital zu schlagen, die durch die vorangegangenen nächtlichen Heilungen entstanden war. 1,39 in ganz Galiläa. Markus’ knappe Aussage fasst eine Predigtreise zusammen, die Wochen gedauert haben muss – oder sogar Monate (vgl. Mt 4,23.24). 1,40-45 Markus berichtet von einer der vielen Heilungen Jesu während seines in V. 39 zusammengefassten Dienstes in Galiläa. Die Heilung des Aussätzigen betont die wunderwirkende Macht Jesu über Krankheit, denn Aussatz war eine der gefürchtetsten Krankheiten des Altertums. 1,40 Aussätziger. Aussätzige wurden als zeremoniell unrein angesehen und von der Gesellschaft ausgestoßen (3Mo 13,11). Während der atl. Ausdruck für Aussatz andere Hautkrankheiten mit einschließt (s. Anm. zu 3Mo 13,2), wird dieser Mann wohl tatsächlich Aussatz gehabt haben (Lepra), andernfalls wäre seine Heilung nicht eine derartige Sensation gewesen (V. 45). 1,41 erbarmte. Nur Markus berichtet von der emotionalen Reaktion Jesu auf das schreckliche Elend des Aussätzigen. Das gr. Wort taucht nur in den synoptischen Evangelien auf und wird (mit Ausnahme der Gleichnisse) nur im Zusammenhang mit Jesus gebraucht. rührte ihn an. Anders als die Rabbiner, die Aussätzige mieden aus Furcht, selbst zeremoniell verunreinigt zu werden, drückte Jesus sein Mitgefühl in einer körperlichen Berührung aus. 1,44 sage niemand etwas. Die anschließende Publizität würde Jesu Fähigkeit zum Dienst nur behindern (wie es tatsächlich auch geschah, vgl. V. 45) und die Aufmerksamkeit von seiner Botschaft ablenken. Vgl. 3,12; 5,43; 7,36; s. Anm. zu Mt 8,4. geh hin, zeige dich dem Priester. Der »Priester« war derjenige, der gerade den Tempeldienst ausführte. Jesus befahl dem geheilten Aussätzigen, die Verordnungen des ATs hinsichtlich der Reinigung von Aussätzigen zu befolgen (3Mo 14,1-32). Bis die geforderten Opfer nicht gebracht waren, blieb der Mann zeremoniell unrein. ihnen zum Zeugnis. Die Annahme der Opfer des Mannes durch den Priester würde eine öffentliche Bestätigung seiner Heilung und Reinigung sein. 1,45 es vielfach zu verkündigen. Nur das Markus-Evangelium erwähnt den Ungehorsam des gereinigten Aussätzigen, a 28,7 der Vornehmste. Der gr. Ausdruck bezeichnet Publius als den römischen Statthalter von Malta. 28,8 am Fieber und an der Ruhr krank. Das gastrische Fieber (es wird von einer Mikrobe verursacht, die in Ziegenmilch vorkommt), das auf Malta häufi g war. Ruhr war oft die Folge schlechter Hygiene und in der Antike weit verbreitet.
28,11 Nach drei Monaten. Da Seereisen zu dieser Zeit gefährlich waren (s. Anm. zu 27,9). Schiff von Alexandria. Wahrscheinlich wieder ein Schiff der kaiserlichen Getreidefl otte (s. Anm. zu 27,5.6). Dioskuren. Figuren der Zwillinge Castor und Pollux, in der gr. Mythologie die Söhne des Zeus. Die Griechen glaubten, dieses Zwillingspaar beschütze die Seeleute.
28,12 Syrakus. Eine bedeutende Stadt auf Sizilien. Die Tradition be- sagt, dass Paulus dort während des dreitägigen Aufenthalts des Schiffes eine Gemeinde gründete.
28,13 Regium. Ein Hafen am südlichen Zipfel des italienischen Fest- lands. Dort wartete das Schiff einen Tag lang auf günstige Winde, um durch die Straße von Messina segeln zu können (zwischen Sizilien und dem italienischen Festland). Puteoli. Das heutige Pozzuoli an der Bucht von Neapel in der Nähe von Pompeji. Puetoli war der Haupthafen von Rom und der wichtigste Hafen Italiens und daher auch der bedeutendste Hafen für die ägyptische Getreidefl otte (s. Anm. zu 27,5).
28,14 Rom. Fast wie eine Fußnote erwähnt Lukas die Ankunft der Gruppe in der kaiserlichen Hauptstadt und das Erreichen von Paulus’ lang ersehntem Ziel (s. Anm. zu 19,21).
28,15 Forum Appii. Eine Marktstadt 70 km südlich von Rom an der Via Appia. Tres Tabernae. Wörtl. »drei Herbergen«. Ein Rastort an der Via Appia, etwa 48 km südlich von Rom.
28,16 übergab der Hauptmann die Gefangenen dem Obers- ten der Leibwache. Viele gr. Handschriften lassen diesen Ausdruck aus. Wenn er zum Originaltext gehört, weist er entweder darauf hin, dass Julius die Gefangenen an seinen vorgesetzten Offi zier auslieferte oder an den Befehlshaber der Prätorianer, der Leibwache des Kaisers. für sich 1,1 Paulus. Siehe Einleitung: Autor und Abfassungszeit. Knecht. doulos, das übliche Wort für Sklave im NT. In der gr. Kultur wurde dieser Begriff zwar häufi g für den unfreiwilligen, dauerhaften Sklavendienst gebraucht, doch wertet Paulus ihn auf, da er ihn in seinem hebr. Sinn verwendet. So beschreibt das Wort einen Diener, der sich selbst bereitwillig dem Dienst für seinen Herrn hingibt, den er liebt und achtet (2Mo 21,5.6; Gal 1,10; Tit 1,1; vgl. 1Mo 26,24; 4Mo 12,7; 2Sam 7,5; Jes 53,11). Apostel. Das gr. Wort bedeutet »Gesandter«. Im NT bezieht es sich in erster Linie auf die 12 Männer, die Jesus zu seinen Begleitern erwählte (Mk 3,13-19), einschließlich Matthias, den die anderen Apostel als Ersatz für Judas wählten (Apg 1,15-26). Der Herr verlieh ihnen die Vollmacht, ihre Apostelschaft durch Wunder zu bestätigen (Mt 10,1; 2Kor 12,12) und gab ihnen Autorität, als seine Bevollmächtigten zu sprechen – alle Bücher des NT wurden entweder von einem Apostel selbst oder unter der Aufsicht eines Apostels geschrieben (vgl. Joh 14,26). Ihre Lehre ist die Grundlage der Gemeinde (Eph 2,20). Christus selbst erwählte Paulus für diese Position (Apg 9,15; 22,14; 26,16; vgl. Gal 1,1) und rüstete ihn für die Erfüllung seines Auftrags aus (Gal 1,12.16). Evangelium Gottes. Das gr. Wort, das als Verb und Substantiv etwa 60 Mal in diesem Brief vorkommt, bedeutet »gute Nachricht« (s. Mk 1,1). In Rom war dieser Begriff für die Verehrung des Kaisers als Gott üblich. Der Herold der Stadt gebrauchte ihn für den Beginn wichtiger Bekanntmachungen über den Kaiser, wie z.B. der Geburt eines kaiserlichen Sohnes. Doch die gute Nachricht des Apostels stammt nicht vom Kaiser, sondern von Gott, ihr Ursprung liegt bei Gott. Die Botschaft, dass Gott Sünde vergibt, von der Macht der Sünde befreit und ewige Hoffnung gibt (1,16; vgl. 1Kor 15,1-4), wird uns nicht nur als gnädiges Angebot vorgestellt, sondern auch als Gebot, dem wir gehorchen müssen (10,16). Paulus war von dieser Botschaft entfl ammt (1Kor 9,23). 1,2 das er zuvor verheißen hat. Die jüdischen Widersacher des Paulus warfen ihm vor, er predige eine Lehre, die mit dem Judentum nichts zu tun habe (Apg 21,28). Doch im AT gibt es eine Fülle von Prophezeiungen über Christus und das Evangelium (1Pt 1,10-12; vgl. Mt 5,17; Hebr 1,1). seine Propheten. Alle Schreiber des AT. »Das Gesetz und die Propheten« sind das gesamte AT (Apg 24,14). Das Gesetz – oder der Pentateuch – wurde jedoch von Mose geschrieben, den die Schrift ebenfalls einen Propheten nennt (5Mo 18,15). heilige Schriften. Anders als die rabbinischen Schriften, die im 1. Jhdt. populär waren – und häufi g fl eißiger studiert wurden als die Schrift selbst –, aber das Evangelium Gottes nicht vermittelten, lehrten die von Gott inspirierten alttestamentlichen Schriften es gewiss (vgl. Lk 24,25.27.32; Joh 5,39; Apg 3,18; 7,52; 10,43; 13,32; 26,22.23; s. Anm. zu 1Mo 3,15). Die Propheten sprachen eindeutig von einem Neuen Bund (Jer 31,31-34; Hes 36,25-27; vgl. Hebr 8,6-13) und vom Messias, dessen Opfer diesen Neuen Bund ermöglichen würde (Jes 9,6.7; 53,1-12). 1,3 hervorgegangen. Jesus wurde in einem jungfräulichen Mutterleib vom Heiligen Geist empfangen (Lk 1,35; vgl. Jes 7,14) und auf normale Weise geboren. Dieses Wort betont, dass er eine tatsächliche historische Gestalt ist. Viele bekannte Schreiber der Antike, wie z.B. der römische Historiker Tacitus (Annalen 15,44), der berühmte jüdische Geschichtsschreiber Josephus (Altertümer 2,18,3), und Plinius der Jüngere (Briefe 10,96.97) bestätigen die Historizität Jesu. Samen Davids. Im AT war prophezeit, dass der Messias ein Nachkomme Davids sein würde (2Sam 7,12.13; Ps 89,3.4.19.24; Jes 11,1-5; Jer 23,5.6). Sowohl Maria, die Mutter Jesu (Lk 3,23.31), als auch Joseph, sein rechtmäßiger Vater (Mt 1,6.16; Lk 1,27), waren Nachkommen Davids. Johannes macht den Glauben, dass Christus im Fleisch gekommen ist, zum entscheidenden Test für die Rechtgläubigkeit (1Joh 4,2.3). Weil er vollkommen Mensch ist – und ebenso vollkommen Gott – konnte und kann er als Stellvertreter (Joh 1,29; 2Kor 5,21) und als mitfühlender Hoherpriester (Hebr 4,15.16) für den Menschen eintreten. 1,4 erwiesen. Der gr. Begriff, von dem unser deutsches Wort »Horizont« abstammt, bedeutet »bestimmen«, »defi nieren«. Genau wie der Horizont als scharf bezeichnete Demarkationslinie die Erde vom Himmel trennt, so klar trennt die Auferstehung Jesu Christi ihn von der übrigen Menschheit. Sie bietet den unbestreitbaren Beweis, dass er der Sohn Gottes ist (s. Anm. zu 10,9). Sohn Gottes. Dieser Titel, der annähernd 30 Mal in den Evangelien vorkommt, identifi ziert Jesus Christus als wesensgleich mit Gott. S. Anm. zu Joh 1,34.49; 10,36; 11,27; 19,7 (vgl. Hebr 1,5; 2Sam 7,14). Die Auferstehung erklärte eindeutig, dass Jesus Gott und zugleich Ausdruck Gottes in Menschengestalt ist. Er war zwar bereits vor der Fleischwerdung der ewige Sohn, doch als er in der Fleischwerdung in die Welt kam, wurde er vor der ganzen Welt als Sohn Gottes erklärt und nahm die Rolle der Unterwerfung unter den Vater auf (s. Anm. zu Ps 2,7; Hebr 1,5.6). Geist der Heiligkeit. In seiner Fleischwerdung unterwarf Christus sich freiwillig dem Willen des Vaters ausschließlich unter der Leitung, Vermittlung und Kraft des Heiligen Geistes (Mt 3,16; Lk 4,1; Joh 3,34; s. Anm. zu Apg 1,2). Auferstehung von den Toten. Sein Sieg über den Tod war das größte Zeugnis und der überzeugendste Beweis, dass er der Sohn Gottes ist (s. Anm. zu 10,9; vgl. Apg 13,29-33; 1Kor 15,14-17). 1,5 Gnade. Die unverdiente Gunst, die Gott schuldigen Sündern erweist. Hier fi nden wir die erste Erwähnung des wichtigsten Aspekts des Evangeliums in diesem Buch: die Errettung ist ein Geschenk Gottes, die absolut nichts mit menschlichen Bemühungen oder Leistungen zu tun hat (3,24.27; 4,1-5; 5,20, 21; s. Anm. zu Eph 2,8.9). Aposteldienst. Der Begriff »Apostel« bezieht sich zwar in einzigartiger Weise auf die Zwölf (s. Anm. zu 1,1), aber in einem weiteren und weniger offi ziellen Sinn können alle als Apostel bezeichnet werden, die von Gott mit der Heilsbotschaft ausgesandt sind (vgl. Apg 14,14; Röm 16,7; Hebr 3,1). Glaubensgehorsam. Wahrer rettender Glaube bringt stets Gehorsam gegenüber Jesus Christus und Unterwerfung unter ihn als Herrn hervor (16,19.26; vgl. 10,9.10; vgl. Mt 7,13.14.22-27; Jak 2,17-20). 1,6 Berufene. S. Anm. zu 1,7. In den neutestamentlichen Briefen bezieht sich die »Berufung« stets auf Gottes wirksamen Ruf der erwählten Sünder zum Heil (vgl. 8,28-30). Damit ist nicht der allgemeine Ruf zum Glauben gemeint, der an alle Menschen ergeht (vgl. Mt 20,16). 1,7 Rom. Siehe Einleitung: Hintergrund und Umfeld. Geliebte Gottes … berufene Heilige. Der gr. Text führt hier 3 verschiedene Vorrechte an: 1.) Gott hat den Seinen seine Liebe erwiesen (5,5; 8,35; Eph 1,6; 2,4.5; 1Joh 3,1). 2.) Er hat nicht nur seine allgemeine, äußerliche Einladung zum Glauben an das Evangelium an sie gerichtet (Jes 45,22; 55,6; Hes 33,11; Mt 11,28; Joh 7,37; Offb 22,17), sondern seine wirksame Berufung – bzw. er hat all jene zu sich gezogen, die er zum Heil auserwählt hat (8,30; 2Th 2,13.14; 2Tim 1,9; s. Anm. zu Joh 6,44). 3.) Gott hat die Gläubigen von der Sünde für sich selbst abgesondert, damit sie Geheiligte sind (1Kor 3,16.17; 1Pt 2,5.9). Gnade … Friede. Der Standardgruß des Apostels Paulus (1Kor 1,3; 2Kor 1,2; Gal 1,3; Eph 1,2; Phil 1,2; Kol 1,2; 1Th 1,1; 2Th 1,2; 1Tim 1,2; 2Tim 1,2; Tit 1,4; Phlm 3). 1,8 danke ich meinem Gott. In jedem seiner Briefe drückte Paulus seine Dankbarkeit gegenüber den Empfängern aus (z.B. 1Kor 1,4), außer im Galaterbrief, denn aufgrund der Abirrung der Galater vom wahren Evangelium sah er von jeglichem einleitenden Lob ab (Gal 1,6-12). euer Glaube. Die Echtheit ihrer Errettung. Das Zeugnis der Gemeinde in Rom war derart stark, dass der Kaiser Klaudius im Jahr 49 n.Chr alle Juden aus der Stadt vertrieb. Grund dafür war der Einfl uss von »Chrestus«, womit zweifellos Christus gemeint war (vgl. Apg 18,2). in der ganzen Welt. Da Rom das Zentrum des Römischen Reiches und der bewohnten Welt war, wurde alles, was dort geschah, weltweit bekannt. 1,9 in meinem Geist diene. Im NT bezieht sich dieses Wort für »dienen« stets auf religiösen Dienst und wird manchmal mit »Gottesdienst« oder »Anbetung« übersetzt. Paulus hatte die oberfl ächliche, heuchlerische Religiosität der Pharisäer erlebt und den abergläubischen Hedonismus des heidnischen Götzendienstes. Sein geistlicher Dienst (s. Anm. zu 12,1) erwuchs jedoch nicht unterwürfi ger Furcht oder gesetzlicher Verpfl ichtung, sondern war echt und aufrichtig (vgl. Phil 3,3; 2Tim 1,3; 2,22). 1,10 in meinen Gebeten. Paulus schrieb seine Gebetsanliegen häufi g auf (Eph 3,14-19; Phil 1,9-11; Kol 1,9-11; 2Th 1,11.12) und drängte seine Leser, mit ihm zusammen zu beten (15,30-32; 1Th 5,17; Eph 6,18). Willen Gottes. Gottes souveräne Führung der Umstände des Paulus (vgl. Mt 6,10; Apg 21,11-14; Jak 4,13.14). 1,11 geistliche Gnadengabe. Das gr. Wort, das hier treffend mit »Gnadengabe« übersetzt ist, heißt charisma und bedeutet eine geistliche Befähigung durch den Geist Gottes. Im Römerbrief bezeichnet dieser Begriff: 1.) Christus selbst (5,15.16); 2.) allgemeine Segnungen von Gott (11,29; vgl. 1Tim 6,17) und 3.) besondere geistliche Gaben, die den Gliedern des Leibes zum Dienst für den ganzen Leib gegeben wurden (12,6-8; vgl. 1Kor 12,1-31; 1Pt 4,10.11). Paulus meint hier wahrscheinlich alle drei. 1,12 gegenseitigen Austausch. Ein Ausdruck der Demut des Apostels (vgl. 1Pt 5,3.4). 1,13 Frucht. Die Bibel führt drei Arten von geistlicher Frucht an: 1.) Geistliche Charaktereigenschaften, die den vom Geist geführten Gläubigen auszeichnen (Gal 5,22.23); 2.) gerechte Taten (6,22; Phil 4,16.17; Hebr 13,15) und 3.) Neubekehrte (16,5). In diesem Zusammenhang spricht Paulus wahrscheinlich von der dritten Art. Der Wunsch nach Neubekehrten erfüllte sich schließlich während seiner Haft in Rom (Phil 4,22). unter den übrigen Heiden. Das bedeutet, dass die Gemeinde in Rom hauptsächlich aus Nichtjuden bestand. 1,14 Schuldner. Paulus war Gott gegenüber verpfl ichtet (vgl. 1Kor 9,16-17), seine von ihm erteilte Aufgabe zu erfüllen und den Heiden zu dienen (1,5; Apg 9,15). Griechen. Menschen verschiedener Nationalität, die die griechische Sprache, Kultur und Bildung angenommen hatten. Sie waren zur Zeit der Apostel die gebildete Elite. Aufgrund ihres großen Interesses an griechischer Philosophie wurden sie als »weise« angesehen. Da diese griechische Kultur vorherrschte, benutzte Paulus dieses Wort manchmal als Bezeichnung für alle Heiden (vgl. 3,9). Barbaren. Eine von den Griechen eingeführte abfällige Bezeichnung für alle, die kein Griechisch gelernt hatten und nicht in der gr. Kultur unterrichtet waren. Wenn jemand in einer Fremdsprache redete, hörte sich das für die Griechen wie »bar-bar-bar« oder unverständliches Geplapper an. Im engsten Sinn bezog sich dieser Begriff zwar auf die unkultivierten und ungebildeten Massen, wurde aber oft zur Beschreibung aller Nichtgriechen verwendet – der Unweisen der Welt. Paulus will hier herausstellen, dass Gott nicht die Person ansieht – das Evangelium muss sowohl die Elite als auch die Ausgestoßenen der Welt erreichen (vgl. Joh 4,4-42; Jak 2,1-9). 1,15 Evangelium. S. Anm. zu 1,1. 1,16.17 Diese beiden Verse fassen die Aussage des ganzen Briefes zusammen: Das Evangelium Jesu Christi, das Paulus in den folgenden Kapiteln entfalten und erklären wird. 1,16 Ich schäme mich nicht. In Philippi hatte man ihn eingekerkert (Apg 16,23.24), in Thessalonich gegeißelt (Apg 17,10), aus Beröa herausgeschmuggelt (Apg 17,14), in Athen ausgelacht (Apg 17,32), in Korinth zum Narren gemacht (1Kor 1,18.23), und in Galatien gesteinigt (Apg 14,19). Dennoch brannte Paulus darauf, das Evangelium auch in Rom zu verkündigen – dem Zentrum der damaligen politischen Macht und der heidnischen Religion. Weder Spott noch Kritik, noch körperliche Verfolgung konnten ihm seine Zuversicht nehmen. S. Anm. zu 2Kor 4,5-18; 11,23-28; 12,9.10. Kraft. Das deutsche Wort »Dynamit« stammt von diesem gr. Wort ab. Wenngleich sich die Botschaft für manche töricht anhörte (1Kor 1,18), ist das Evangelium wirksam, weil die Allmacht Gottes mit ihr einhergeht (vgl. 2Mo 15,6; 5Mo 32,39; Hi 9,4; Ps 33,8.9; 89,13; 106,8.9; Jes 26,4; 43,13; Jer 10,12; 27,5; Mt 28,18; Röm 9,21). Nur Gottes Kraft kann die sündige Natur des Menschen überwinden und ihm neues Leben geben (5,6; 8,3; Joh 1,12; 1Kor 1,18.23-25; 2,1-4; 4,20; 1Pt 1,23). Errettung. Oder: Heil. Dieses Schlüsselwort, das 5-mal im Römerbrief vorkommt (als Verb kommt es achtmal vor), bedeutet grundsätzlich »Befreiung« oder »Rettung«. Die Kraft des Evangeliums rettet Menschen aus ihrer Verlorenheit (Mt 18,11), vor dem Zorn Gottes (Röm 5,9), aus willentlicher geistlicher Unwissenheit (Hos 4,6; 2Th 1,8), vom Übel der Genusssucht (Lk 21,34) und aus der Finsternis falscher Religion (Kol 1,13; 1Pt 2,9). Sie rettet Menschen vor der letztendlichen Strafe für ihre Sünden, d.h. vor der ewigen Trennung von Gott und der ewigen Qual (s. Anm. zu Offb 20,6). glaubt. Vertrauen, sich verlassen auf oder glauben an. Wenn dieses Wort im Zusammenhang der Errettung verwendet wird, steht es gewöhnlich im Präsens (Gegenwartsform), was betont, dass Glauben nicht nur ein einmaliges Geschehen ist, sondern ein fortdauernder Zustand. Wahrer rettender Glaube ist übernatürlichen Ursprungs und eine Gabe der Gnade Gottes, die er im Herzen hervorbringt (s. Anm. zu Eph 2,8). Dieser Glaube ist das einzige Mittel, durch das ein Mensch die erforderliche wahre Gerechtigkeit erlangen kann (vgl. 3,22.25; 4,5.13.20; 5,1; s. Anm. zu 4,1-25). Rettender Glaube besteht aus drei Elementen: 1.) rational: Der Verstand versteht das Evangelium und die Wahrheit über Jesus Christus (10,14-17); 2.) emotional: Das Annehmen dieser Tatsachen als wahrhaftig geht einher mit Betrübnis über die Sünde und mit Freude über die Barmherzigkeit und Gnade Gottes (6,17; 1
1,1 Anfang … dem Sohn Gottes. Diese Aussage kann man am besten als Markus’ Titel für sein Evangelium ansehen. Der historische Bericht der Evangeliums-Botschaft begann mit Johannes dem Täufer (vgl. Mt 11,12; Lk 16,16; Apg 1,22; 10,37; 13,24). Evangeliums. Die gute Nachricht über das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, von dem die vier Evangelien die schriftlichen Aufzeichnungen sind (s. Einleitung zu den Evangelien). Jesus Christus. »Jesus« ist die gr. Form des hebr. Namens Josua (»der HERR ist Rettung«); »Christus« (»der Gesalbte ») ist das gr. Äquivalent des hebr. Wortes Messias. »Jesus« ist der menschliche Name des Herrn (vgl. Mt 1,21; Lk 1,31); »Christus« deutet sein Amt als Herrscher des zukünftigen Reiches Gottes an (Dan 9,25.26). Sohn Gottes. Eine Bestätigung der Gottheit Jesu, die seine einzigartige Beziehung zum Vater hervorhebt (vgl. 3,11; 5,7; 9,7; 13,32; 15,39; s. Anm. zu Joh 1,34).
1,2 Wie geschrieben steht. Ein Ausdruck, der im NT für gewöhn- lich zur Einleitung eines atl. Zitates dient (vgl. 7,6; 9,13; 14,21.27; Mt 2,5; 4,4.6.7; Lk 2,23; 3,4; Joh 6,45; 12,14; Apg 1,20; 7,42; Röm 3,4; 8,36; 1Kor 1,31; 9,9; 2Kor 8,14; 9,9; Gal 3,10; 4,22; Hebr 10,7; 1Pt 1,16). in den Propheten. Ein originalgetreues gr. Manuskript gibt an: »in dem Propheten Jesaja«. Markus’ Zitat stammt ursprünglich aus den beiden atl. Stellen (Mal 3,1; Jes 40,3), wodurch wahrscheinlich der Ausdruck »den Propheten« zu erklären ist, der sich in einigen Handschriften fi ndet. Alle Evangelien stellen den Dienst von Johannes dem Täufer vor, indem sie Jes 40,3 zitieren (vgl. Mt 3,3; Lk 3,4; Joh 1,23). Meinen Boten. Johannes war der von Gott verheißene Bote, der gesandt wurde, um den Weg des Messias zu bereiten. Im Altertum reisten die Gesandten des Königs vor ihm her, um auszukundschaften, dass die Straßen für ihn sicher zu bereisen sind und um seine Ankunft bekannt zu machen.
1,4 Johannes. Ein gängiger jüdischer Name in ntl. Zeiten; er ist das gr. Pendant zu dem hebr. Namen »Johanan« (vgl. 2Kö 25,23; 1Chr 3,15; Jer 40,8) und bedeutet »der Herr ist gnädig«. Johannes’ Name wurde seinem Vater Zacharias von dem Engel Gabriel gegeben, während er als Priester im Tempel diente (Lk 1,13). Seine Mutter, Elisabeth, ebenso eine Nachkommin Aarons (Lk 1,5), war eine Verwandte von Maria, der Mutter Jesu (Lk 1,36). Als der letzte Prophet des AT und der von Gott verfügte Vorläufer des Messias (s. Anm. zu V. 2) war Johannes der Ausklang der atl. Geschichte und Prophetie (Lk 16,16) und zugleich der Anfang der historischen Aufzeichnung des Evangeliums von Jesus Christus. Es überrascht nicht, dass Jesus Johannes als den größten Menschen bezeichnete, der bis zu seinem Kommen gelebt hat (Mt 11,11). in der Wüste. Das trostlose, dürre Gebiet zwischen Jerusalem und dem Toten Meer (s. Anm. zu Mt 3,1). taufte. Als unverkennbares Merkmal des Dienstes des Johannes unterschied sich seine Taufe von den rituellen jüdischen Waschungen insofern, dass es eine einmalige Handlung war. Die Juden führten in ähnlicher Weise eine einmalige Waschung bei den Proselyten aus den Nationen durch, die symbolisierte, dass sie den wahren Glauben angenommen hatten. Dass Juden an einem solchen Ritus teilnahmen, war ein erstaunliches Eingeständnis, dass sie, obgleich sie zum Bundesvolk Gottes gehörten, es ebenso wie die Heiden nötig hatten, zu Gott in Buße und Glauben zu kommen. eine Taufe der Buße. Eine Taufe, die aus wahrer Buße hervorging. Es war der Dienst von Johannes, Israel zur Buße zu rufen und es dadurch für das Kommen des Messias vorzubereiten. Die Taufe rief keine Buße hervor, sondern war ihr Ergebnis (vgl. Mt 3,7.8). Buße ist weit mehr als eine bloße Sinnesänderung. Sie ist das Abwenden von der Sünde hin zu Gott (vgl. 1Th 1,9), woraus sich eine gerechte Lebensweise ergibt. Echte Buße ist ein Werk Gottes im menschlichen Herzen (Apg 11,18). Eine Besprechung über das Wesen der Buße fi ndet sich in der Anm. zu 2Kor 7,9-12. zur Vergebung der Sünden. Der Taufritus von Johannes diente nicht zur Vergebung der Sünden (s. Anm. zu Apg 2,38; 22,16); er war nur das äußere Bekenntnis und die Veranschaulichung wahrer Buße, welche zur Vergebung führt (vgl. Lk 24,47; Apg 3,19; 5,31; 2Kor 7,10).
1,5 das ganze Land Judäa und die Bewohner von Jerusalem. Nach Jahrhunderten ohne die Stimme eines Propheten in Israel (Maleachi hatte mehr als 400 Jahre zuvor prophezeit) erzeugte der Dienst von Johannes ein hohes Maß an Interesse. Judäa. Der südlichste Teil des von Juden bewohnten Gebiets (Samaria und Galiläa waren die anderen) in den Tagen Jesu. Er reichte etwa von Bethel im Norden bis Beerscheba im Süden, und vom Mittelmeer im Westen bis zum Toten Meer und zum Jordan im Osten. Innerhalb der Grenzen Judäas lag die Stadt Jerusalem. Jordan. Palästinas bedeutendster Fluss fl ießt durch den Grabenbruch des Jordan aus dem Hulesee (der in der Neuzeit trocken gelegt wurde), nördlich des Sees von Galiläa bis nach Süden zum Toten Meer. Nach der Tradition begann Johannes seinen Taufdienst in den Furten nahe Jericho. bekannten. Das Sündenbekenntnis bei der Taufe bedeutete, sich mit Gott auf eine Seite gegen sich selbst zu stellen. Johannes taufte niemanden, der nicht seine Sünden bekannte und Buße tat.
1,6 Kamelhaaren … ledernen Gürtel. Die traditionelle Kleidung eines Wüstenbewohners, die zwar robust, aber weder modisch noch bequem war. Die Kleidung Johannes’ muss seine Zuhörer wohl an Elia erinnert haben (vgl. 2Kö 1,8), den sie vor dem Kommen des Messias erwarteten (Mal 3,23; vgl. Mt 17,10-13). Heuschrecken und wilden Honig. Nach den Speisevorschriften des AT war es erlaubt »Heuschrecken« zu essen (3Mo 11,21.22). »Wilden Honig« konnte man in der Wüste häufi g fi nden (5Mo 32,13; 1Sam 14,25-27). Johannes’ entsagende Ernährungsweise stimmte mit seinem Status als lebenslanger Nasiräer überein (vgl. Lk 1,15; in Bezug auf Nasiräer, s. Anm. zu 4Mo 6,2-13)
1,7 verkündigte. Johannes war der Bote Jesu, der gesandt war, um sein Kommen auszurufen (s. Anm. zu V. 4). ich bin nicht würdig, ihm gebückt seinen Schuhriemen zu lösen. Die niedrigste Aufgabe, die ein Sklave ausführen konnte. Johannes drückte seine Demut anschaulich aus.
1,8 wird euch mit Heiligem Geist taufen. Dies geschieht, wenn ein Mensch zum Glauben an Christus kommt (s. Anm. zu Apg 1,5; 8,16.17; 1Kor 12,13).
1,9 in jenen Tagen. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt während des Taufdienstes von Johannes am Jordan. Nazareth. Ein unbedeutendes Dorf (wird im AT nicht erwähnt, ebenso wenig bei Josephus oder im Talmud) etwa 100 km nördlich von Jerusalem, mit einem nicht sehr vorteilhaften Ruf (vgl. Joh 1,46). Jesus lebte dort vor seinem öffentlichen Auftreten in Israel. von Johannes … taufen ließ. Trotz der Einwände des Johannes (vgl. Mt 3,14), der für das sündlose Lamm Gottes (Joh 1,29) keine Notwendigkeit für eine Taufe der Buße sah (s. Anm. zu V. 4.5; zur Erklärung, weshalb Jesus getauft wurde, s. Anm. zu Mt 3,15). 1,10 sogleich. Um seinen schnellen Erzählungsstil beizubehalten (s. Einleitung zu den Evangelien), benutzt Markus dieses Adverb häufi ger als die anderen drei Verfasser der Evangelien zusammen. Dieses erste Auftreten bereitet die Bühne für die hör- und sichtbaren Zeichen, die der Taufe Jesu folgten. den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Das war sehr wahrscheinlich die symbolische Bevollmächtigung für den Dienst Jesu (Jes 61,1). S. Anm. zu Mt 3,16.
1,11 Die Erklärung des Vaters dürfte die Zuhörer an die messiani- schen Prophetien von Ps 2,7 und Jes 42,1 erinnert haben.
1,12 sogleich. S. Anm. zu V. 10. Die Versuchung Jesu folgte direkt auf seine Taufe. treibt ihn der Geist. Vom Geist veranlasst, wird Jesus mit dem Teufel konfrontiert und unternimmt den ersten Schritt, um dessen böses Reich zu Fall zu bringen (vgl. 1Joh 3,8). Obwohl Gott niemanden versucht (Jak 1,13), gestattet er es dem Teufel in seiner Souveränität manchmal, seine Kinder zu versuchen (z.B. Hi; Lk 22,31.32). in die Wüste hinaus. Der genaue Ort, an dem Jesus dem Teufel begegnete, ist nicht bekannt. Es war höchstwahrscheinlich die gleiche Wüste, in der Johannes lebte und diente (s. Anm. zu V. 4), oder das trostlose Gebiet weiter südlich oder die dürre arabische Wüste jenseits des Jordan.
1,13 40 Tage. Möglicherweise ist dies eine Erinnerung an die 40-jäh- rige Wüstenwanderung Israels (4Mo 14,33; 32,13). Matthäus und Lukas fügen hinzu, dass Jesus in dieser Zeit keine Nahrung zu sich nahm. Auch Mose (zweimal in 5Mo 9,9.18) und Elia (1Kö 19,8) fasteten die gleiche Zeitspanne. Satan. Hergeleitet vom hebr. Wort, das »Widersacher« bedeutet. Da der Herr keine gefallene Natur besaß, war die Versuchung Jesu kein innerer emotionaler oder psychologischer Kampf, sondern ein äußerer Angriff von einem Wesen mit einer eigenherrlichen Persönlichkeit. wilden Tieren. Eine Einzelheit, die einzig bei Markus beschrieben wird, und Jesu Einsamkeit und völlige Isolation von anderen Menschen hervorhebt. Engel dienten ihm. Vgl. Ps 91,11.12. Die Zeitform des gr. Verbs »dienen« lässt vermuten, dass die Engel Jesus während seiner ganzen Versuchung dienten.
1,14 Johannes war gefangengenommen. Er wurde in den Kerker geworfen, da er Herodes Antipas zurechtgewiesen hatte wegen seiner inzestuösen Ehe mit seiner Nichte Herodias (s. Anm. zu 6,17-29). kam Jesus nach Galiläa. Aus Judäa (Mt 4,12; Lk 4,13; Joh 4,3). Ebenso wie Matthäus und Lukas geht Markus von der Versuchung Jesu direkt zum Anfang seines Dienstes in Galiläa über und überspringt seinen dazwischen liegenden Dienst in Judäa (Joh 2,13-4,4). Galiläa war das nördlichste und bevölkerungsreichste von Juden bewohnte Gebiet. das Evangelium … Gottes. Die gute Nachricht der Errettung sowohl über Gott als auch von ihm (s. Anm. zu Röm 1,1; vgl. Röm 15,16; 1Th 2,2.8.9; 1Tim 1,11; 1Pt 4,17).
1,15 Die Zeit ist erfüllt. Nicht Zeit im chronologischen Sinn, son- dern die Zeit für das entscheidende Handeln Gottes. Mit der Ankunft des Königs war eine neue Ära im Handeln Gottes mit den Menschen angebrochen. S. Anm. zu Gal 4,4. das Reich Gottes. Gottes souveräne Herrschaft im Bereich der Errettung; gegenwärtig in den Herzen seiner Kinder (Lk 17,21), und in Zukunft in dem eigentlichen irdischen Königreich (Offb 20,4-6). nahe. Da der König anwesend war. Tut Buße und glaubt. Buße (s. Anm. zu V. 4) und Glauben (s. Anm. zu Röm 1,16) sind die Reaktionen, die Gott vom Menschen auf sein Gnadenangebot der Errettung verlangt (vgl. Apg 20,21). 1,16 See von Galiläa. Auch bekannt als der See von Kinneret (4Mo 34,11), der See Genezareth (Lk 5,1) und der See Tiberias (Joh 6,1). Ein großer Frischwassersee mit einer Ausdehnung von 21 km Länge und 12 km Breite, sein Spiegel liegt 212 m unter dem des Mittelmeeres (wodurch er das tiefl iegendste Frischwasser-Reservoir der Welt ist). Am See von Galiläa war ein fl orierendes Fischgewerbe beheimatet. Simon und … Andreas. Das erste von zwei Brüderpaaren, das Jesus in seine Nachfolge berief. Ebenso wie Jakobus und Johannes waren sie Fischer. Da Andreas bereits ein Nachfolger Johannes des Täufers war (Joh 1,40), ist es gut möglich, dass dies auch auf Petrus zutraf. Nach der Verhaftung von Johannes waren sie offensichtlich wieder zum Fischfang zurückgekehrt (s. Anm. zu V. 14). Sie waren Jesus bereits begegnet und hatten einige Zeit mit ihm verbracht (s. Anm. zu Mt 4,18), wurden an dieser Stelle aber aufgerufen, ihm ständig zu folgen. Netz. Ein Seil bildete einen Kreis von ca. 2,70 m Durchmesser, an dem ein Netz befestigt war. Es konnte von Hand ins Wasser geworfen werden und anschließend mittels langer, schwerer Taue eingeholt werden, die mit dem Netz verbunden waren.
1,17 Folgt mir nach. Wird in den Evangelien hinsichtlich der Jün- gerschaft oftmals verwendet (Mk 2,14; 8,34; 10,21; Mt 4,19; 8,22; 9,9; 10,38; 16,24; 19,21; Lk 9,23.59.61; 18,22; Joh 1,43; 10,27; 12,26). Menschenfi schern. Evangelisation war die Hauptabsicht, die Jesus bei der Berufung der Apostel verfolgte, und sie bleibt der zentrale Auftrag seines Volkes (vgl. Mt 28,19.20; Apg 1,8). 1,18 folgten ihm nach. D.h. sie wurden seine ständigen Jünger (s. Anm. zu V. 16).
1,19 Jakobus … Johannes. Das zweite Brüderpaar von Fischern, das von Jesus berufen wurde (s. Anm. zu V. 16). Ihre Mutter und die Mutter Jesu waren möglicherweise Schwestern (vgl. 15,40; Mt 27,55.56 mit Joh 19,25). Wenn das zutrifft, waren sie Jesu Cousins.
1,20 Tagelöhnern. Das weist darauf hin, dass das Fischfangunter- nehmen des Zebedäus blühte und er ein einigermaßen wohlhabender Mann war (vgl. Joh 18,15).
1,21 Kapernaum. Eine blühende Stadt des Fischfangs am Nord- west-Ufer des Sees von Galiläa. Kapernaum war als Stadt bedeutender als Nazareth; sie lag an einer Hauptverkehrsroute und beheimatete eine römische Garnison. Jesus machte diese Stadt nach seiner Zurückweisung in Nazareth (Mt 4,13; Lk 4,16-31) zu seinem Hauptquartier (vgl. 2,1). Synagoge. Der Ort, an dem sich die Juden zum Gottesdienst versammelten (»Synagoge« ist eine Transliteration des gr. Wortes, welches »zusammenführen« bedeutet). Synagogen entstanden in der babylonischen Gefangenschaft nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. Sie dienten als Orte zur Anbetung und Belehrung. Jesus lehrte oftmals in den Synagogen (vgl. V. 39; 3,1; 6,2), ebenso wie Paulus (vgl. Apg 13,5; 14,1; 17,1). lehrte. Markus erwähnt häufi g, dass Jesus lehrte (vgl. 2,13; 4,1.2; 6,2.6.34; 10,1; 11,17; 12,35; 14,49).
1,22 Vollmacht. Das vollmächtige Lehren Jesu, indem er das Wort Gottes sprach, stand in scharfem Kontrast zu dem der Schriftgelehrten (Experten in den Schriften des AT), die ihre Autorität größtenteils auf der von anderen Rabbinern gründeten. Jesu direktes, persönliches und kraftvolles Lehren war ihrer Erfahrung so fremd, dass diejenigen, die ihn hörten, »erstaunt« waren (vgl. Tit 2,15).
1,23 ein Mensch … der schrie. Satan und seine Dämonen wi- dersetzten sich dem Wirken Jesu während seines ganzen Dienstes, den Höhepunkt fi nden wir am Kreuz. Aber Jesus triumphierte immer über ihre vergeblichen Bemühungen (vgl. Kol 2,15), überzeugend veranschaulichte er das durch seinen endgültigen Sieg bei der Auferstehung. unreinen Geist. D.h. er war moralisch unrein. Der Ausdruck wird im NT austauschbar mit »Dämon« gebraucht. S. Anm. zu 5,2.
1,24 Was haben wir mit dir zu tun? Oder möglicherweise: »Wa- rum mischst du dich ein?« Der Dämon war sich sehr bewusst, dass er und Jesus zu zwei radikal verschiedenen Reichen gehörten und folglich nichts gemeinsam hatten. Dass der Dämon das Pluralpronomen »wir« verwendete, lässt darauf schließen, dass er für alle Dämonen sprach. Jesus, du Nazarener. S. Anm. zu V. 9. der Heilige Gottes. Vgl. Ps 16,10; Dan 9,24; Lk 4,34; Apg 2,27; 3,14; 4,27; Offb 3,7. Erstaunlicherweise bestätigte der Dämon die Sündlosigkeit und Gottheit Jesu – Wahrheiten, die in Israel viele nicht anerkannten und auch heute noch nicht anerkennen.
1,25 Verstumme. Jesus wollte aus dem dämonischen Bereich kein Zeugnis über die Wahrheit, um dem Vorwurf keine Angriffsfl äche zu bieten, dass er mit dem Teufel im Bunde sei (vgl. 3,22; Apg 16,16-18).
1,27 Mit Vollmacht. S. Anm. zu V. 22. Jesus hatte absolute Voll- macht in seinem Handeln und in seinen Worten (Mt 28,18).
1,29 Jakobus und Johannes. Nur Markus erwähnt ihre Anwesen- heit bei der Heilung von Petrus’ Schwiegermutter. das Haus des Simon und Andreas. Ursprünglich kamen die beiden Brüder aus Bethsaida (Joh 1,44), sie waren aber nach Kapernaum gezogen, als Jesus dort sein Hauptquartier errichtete (s. Anm. zu V. 21).
1,30 Simons Schwiegermutter. Paulus bestätigt ebenfalls, dass Petrus verheiratet war (1Kor 9,5). Dass seine Schwiegermutter mit Petrus und seiner Frau zusammenlebte, ist vielleicht eine Andeutung, dass ihr Ehemann gestorben war. Fieber. Sowohl der Umstand, dass sie zu krank war, um das Bett zu verlassen, als auch Lukas’ Beschreibung des Fiebers als eines »heftigen Fiebers« (Lk 4,38), lassen vermuten, dass sie schwer – ja sogar lebensbedrohlich – erkrankt war.
1,32 Als … die Sonne untergegangen war. Dies markierte das Ende des Sabbat und die mit ihm verbundenen Einschränkungen. Das rabbinische Gesetz verbot ausdrücklich jegliches Tragen von Lasten (wie z.B. Tragbahren) am Sabbat. brachten sie. Der Bericht von Jesu Heilung des Besessenen in der Synagoge und der Schwiegermutter des Petrus war eine Sensation in Kapernaum und ließ bei anderen leidenden Menschen Hoffnung aufkommen.
1,34 er … ließ die Dämonen nicht reden. S. Anm. zu V. 25;
3,11 sie kannten ihn. Die Dämonen besitzen eine vollkommen or- thodoxe Theologie (Jak 2,19), aber obwohl sie die Wahrheit kennen, lehnen sie sie ab, ebenso wie ihren Ursprung, Gott.
1,36 Simon und die, welche bei ihm waren. Das erste Mal in den Evangelien, dass Petrus die Führung ergreift. Wer bei Petrus war, wird nicht aufgeführt, obschon Andreas, Jakobus und Johannes wahrscheinlich dazu gehörten. 1,37 Nachdem sie Jesus eifrig gesucht hatten (V. 36), baten ihn Petrus und die anderen erregt, nach Kapernaum zurückzukehren, um aus der Aufregung Kapital zu schlagen, die durch die vorangegangenen nächtlichen Heilungen entstanden war.
1,39 in ganz Galiläa. Markus’ knappe Aussage fasst eine Predig- treise zusammen, die Wochen gedauert haben muss – oder sogar Monate (vgl. Mt 4,23.24).
1,40 Markus berichtet von einer der vielen Heilungen Jesu wäh- rend seines in V. 39 zusammengefassten Dienstes in Galiläa. Die Heilung des Aussätzigen betont die wunderwirkende Macht Jesu über Krankheit, denn Aussatz war eine der gefürchtetsten Krankheiten des Altertums. 1,40 Aussätziger. Aussätzige wurden als zeremoniell unrein an- gesehen und von der Gesellschaft ausgestoßen (3Mo 13,11). Während der atl. Ausdruck für Aussatz andere Hautkrankheiten mit einschließt (s. Anm. zu 3Mo 13,2), wird dieser Mann wohl tatsächlich Aussatz gehabt haben (Lepra), andernfalls wäre seine Heilung nicht eine derartige Sensation gewesen (V. 45).
1,41 erbarmte. Nur Markus berichtet von der emotionalen Reaktion Jesu auf das schreckliche Elend des Aussätzigen. Das gr. Wort taucht nur in den synoptischen Evangelien auf und wird (mit Ausnahme der Gleichnisse) nur im Zusammenhang mit Jesus gebraucht. rührte ihn an. Anders als die Rabbiner, die Aussätzige mieden aus Furcht, selbst zeremoniell verunreinigt zu werden, drückte Jesus sein Mitgefühl in einer körperlichen Berührung aus.
1,44 sage niemand etwas. Die anschließende Publizität würde Je- su Fähigkeit zum Dienst nur behindern (wie es tatsächlich auch geschah, vgl. V. 45) und die Aufmerksamkeit von seiner Botschaft ablenken. Vgl. 3,12; 5,43; 7,36; s. Anm. zu Mt 8,4. geh hin, zeige dich dem Priester. Der »Priester« war derjenige, der gerade den Tempeldienst ausführte. Jesus befahl dem geheilten Aussätzigen, die Verordnungen des ATs hinsichtlich der Reinigung von Aussätzigen zu befolgen (3Mo 14,1-32). Bis die geforderten Opfer nicht gebracht waren, blieb der Mann zeremoniell unrein. ihnen zum Zeugnis. Die Annahme der Opfer des Mannes durch den Priester würde eine öffentliche Bestätigung seiner Heilung und Reinigung sein.
1,45 es vielfach zu verkündigen. Nur das Markus-Evangelium er- wähnt den Ungehorsam des gereinigten Aussätzigen, auch wenn Lukas ihn andeutet (Lk 5,15). Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt hineingehen konnte. Das Ergebnis seines Ungehorsams war, dass Jesus nicht länger eine Stadt betreten konnte, ohne von Menschen umringt zu werden, die von ihm Heilung suchten. Der Lehrdienst Jesu kam in dieser Gegend somit zum Stillstand. einsamen Orten. Jesus zog sich in relativ unbewohnte Gebiete zurück, um die Aufregung über die Heilung des Aussätzigen abebben zu lassen. Lukas hält zudem fest, dass er die Zeit in der Wüste zum Gebet nutzte (Lk 5,16).
2,1 er sei im Haus. Diese Stelle ist besser zu übersetzen mit »er war zu Hause«. Wahrscheinlich war es das Haus von Petrus, in dem Jesus eine Zeit lang wohnte (vgl. Mt 4,13).
2,2 das Wort. Die gute Nachricht des Evangeliums sagt uns, dass Errettung allein aus Gnade ist und allein durch den Glauben zur Vergebung der Sünden hilft.
2,3 einen Gelähmten. Es musste eine schwerwiegende Lähmung sein, da er ans Bett gefesselt war – möglicherweise litt er an Multipler Sklerose.
2,4 sie deckten … das Dach ab. Im Orient hatten die meisten Häuser Flachdächer, auf denen man sich in kühlen Stunden des Tages ausruhte und in heißen Nächten schlief. Dort gab es für gewöhnlich eine Außentreppe, die bis zum Dach hinauf reichte. So wie hier bestand das Dach oftmals aus gebrannten oder getrockneten Tonplatten, die auf stützenden, von Wand zu Wand reichenden Balken lagen. Als Regenschutz überzog der Erbauer die gehärteten Tonplatten anschließend mit einer gleichmäßigen Schicht aus frischem, feuchtem Ton. Die Freunde des Gelähmten brachten ihn auf das Dach eines solchen Hauses, nahmen die obere Tonschicht ab und entfernten mehrere Platten, bis die Öffnung groß genug war, um ihn zu Jesus herabzusenken. der Gelähmte. S. Anm. zu V. 3.
2,5 Als aber Jesus ihren Glauben sah. Das dynamische, beharrli- che Unterfangen der Freunde des Gelähmten war ein sichtbarer Beweis ihres Glaubens an Christi Heilungskraft. Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. In jenen Tagen glaubten viele Juden, dass jede Krankheit und jedes Gebrechen eine direkte Folge der Sünde eines Menschen war. Möglicherweise glaubte das auch dieser Gelähmte; folglich zog er die Vergebung der Sünden der Heilung vor. Das gr. Verb für »sind … vergeben« bedeutet wegsenden oder vertreiben (vgl. Ps 103,12; Jer 31,34; Mi 7,19). So nahm Jesus die Sünde des Mannes fort und befreite ihn von der damit verbundenen Schuld (s. Anm. zu Mt 9,2).
2,6 Schriftgelehrten. S. Anm. zu Mt 2,4; vgl. 1,22.
2,7 Was redet dieser solche Lästerung? Die Schriftgelehrten hat- ten Recht, als sie sagten, dass nur Gott Sünden vergeben kann (vgl. Jes 43,25), aber sie irrten, als sie Jesus Lästerung unterstellten. Sie weigerten sich, die Macht Jesu als von Gott kommend anzuerkennen, und noch mehr, dass er selbst Gott war.
2,8 in seinem Geist. Dies kann auch übersetzt werden mit »durch seinen Geist«. Gemeint ist nicht der Heilige Geist, sondern die allwissenden Gedanken des Erlösers.
2,9 Was ist leichter. Es ist wesentlich leichter zu sagen: »deine Sünden sind dir vergeben«. Kein Mensch kann beweisen, dass dies tatsächlich geschehen ist, da es unsichtbar ist. Einem Gelähmten den Befehl zum Gehen zu geben, ist jedoch weitaus schwieriger öffentlich zu auszusprechen, da das Handeln des Gelähmten die Wirkung des Befehls augenblicklich unter Beweis stellen würde (s. Anm. zu Mt 9,5).
2,10 Damit ihr aber wisst. Jesu Macht zur Heilung der körperli- chen Gebrechen des Gelähmten bewies die Richtigkeit seines Anspruchs und seiner Macht, Sünden zu vergeben. Sohn des Menschen. Jesus gebrauchte diesen Ausdruck für sich selbst, um seine Erniedrigung hervorzuheben (s. Anm. zu 14,62; Mt 8,20). Er taucht im Markus-Evantes Vorhof der Priester Vorhof der Israeliten (Männer) Innerer Innerer Innerer Innere Kreuzgang Kreuzgang Kreuzgang Kreuzga Südliche Außentore S Balkon der Frauen Balkon der Frauen Holzkammer Eckhof er ang S Schriftgelehrten Pharisäer waren (bezüglich der Schriftgelehrten s. Anm. zu Mt 2,4). Die Pharisäer waren eine gesetzliche Sekte der Juden, die für ihre absolute Hingabe an Gesetzeszeremonien bekannt war (s. Anm. zu Mt 3,7).
2,17 Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen. In den originalgetreueren Handschriften fi ndet sich nicht der Ausdruck »zur Buße«. Der bußfertige Mensch, der anerkennt, dass er Sünder ist, und sich von seiner Sünde abwendet, ist der Gegenstand des Rufes Jesu. Eine Person, die zwar sündig ist, aber dennoch glaubt, gerecht zu sein, lehnt es ab, die Notwendigkeit zur Buße anzuerkennen. S. Anm. zu Mt 9,12.13; Joh 9,39-41.
2,18 Jünger des Johannes. Jene Nachfolger Johannes des Täufers, die ihre Treue nicht auf Jesus übertragen wollten (vgl. Joh 3,30; Apg 19,1-7). Johannes befand sich zu dieser Zeit im Gefängnis (Mt 4,12). Ihre Frage deutet an, dass sie die Traditionen der Pharisäer befolgten (vgl. Mt 9,14). Pharisäer. S. Anm. zu V. 16. Die Verbindung der Jünger des Johannes mit den Pharisäern lässt darauf schließen, dass beide Gruppen durch das Problem beunruhigt waren, welches Jesus durch den Kontakt zu den Zöllnern und Sündern hervorgerufen hatte (vgl. V. 15). fasten. Das zweimalige Fasten in der Woche war in den Tagen Jesu ein wesentlicher Ausdruck des orthodoxen Judentums (vgl. Lk 18,9-14). Dennoch wird im AT nur ein Fasten vorgeschrieben – am Versöhnungstag (3Mo 16,29.31).
2,19 Können die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräuti- gam bei ihnen ist? Eig.: Die Gefährten des Bräutigams … In diesem Bild waren die »Gefährten des Bräutigams« vom Bräutigam ausgesucht, um die Feierlichkeiten durchzuführen. Dies war mit Sicherheit keine Zeit zum Fasten, was üblicherweise mit Trauer und Zeiten großer geistlicher Not in Verbindung stand. Das Argument Jesu war, dass die rituelle Haltung der Jünger des Johannes und der Pharisäer keinen Bezug zur Realität hatte. Es gab keinen Grund für die Nachfolger Jesu, zu trauern und zu fasten, während sie die einzigartige Gegenwart des Herrn genossen.
2,20 von ihnen genommen sein wird. Das bezieht sich auf eine plötzliche Hinwegnahme oder ein gewaltsames Wegreißen – eine offensichtliche Andeutung seiner Festnahme und Kreuzigung. dann … werden sie fasten. Ein angemessener Zeitpunkt zum Trauern würde die Kreuzigung Jesu sein.
2,21 Jesus erzählte zwei Gleichnisse, um zu illustrieren, dass sein neues und von innen wirkendes Evangelium der Buße und Vergebung der Sünden nicht mit den alten und äußerlichen Traditionen von Selbstgerechtigkeit und Ritualismus verknüpft werden kann (s. Anm. zu Mt 9,17).
2,22 neue Schläuche. Neu angefertigte und unbenutzte Wein- schläuche bieten die erforderliche Stabilität und Elastizität, die der Wein beim Gären benötigt.
2,23 am Sabbat. »Sabbat« transliteriert ein hebr. Wort, das sich auf eine Verminderung der Aktivität oder aufs Ausruhen bezieht. Zur Ehre des Tages, an dem Gott von der Erschaffung der Welt ruhte (1Mo 2,3), erklärte der Herr den siebten Tag der Woche zu einem besonderen Tag der Ruhe und Erinnerung für sein Volk, was er auch in den Zehn Geboten festhielt (s. Anm. zu 2Mo 20,8). Doch Jahrhunderte rabbinischer Lehre fügten den ursprünglichen Forderungen Gottes zahlreiche unerträgliche und willkürliche Beschränkungen hinzu; eine von ihnen verbot es, sein Haus in einem größeren Umkreis als einem Kilometer zu verlassen (vgl. 4Mo 35,5; Jos 3,4). Kornfelder. Die Straßen im Israel des 1. Jhdt. waren in erster Linie Hauptverkehrsadern; wenn Reisende sie verließen, mussten sie auf breiten Pfaden weitergehen, die an Weiden und Kornfeldern vorbeiführten und sie durchzogen. die Ähren abzustreifen. Reisenden, die während der Reise nicht ausreichend Lebensmittel bei sich trugen, war es nach dem mosaischen Gesetz gestattet, genügend Korn zu nehmen, um ihren Hunger zu stillen (5Mo 23,25.26; s. Anm. zu Mt 12,2).
2,24 was am Sabbat nicht erlaubt ist. Die rabbinische Tradition verstand das Zerreiben von Körnern in der Hand (vgl. Lk 6,1) als eine Form des Dreschens und verbot es. Das Ernten zum Gewinn war durch das mosaische Gesetz am Sabbat nicht gestattet (2Mo 34,21), aber dies war hier offensichtlich nicht der Fall (s. Anm. zu Mt 12,2). Eigentlich war der Vorwurf der Pharisäer schon an sich sündig, da sie ihre Tradition dem Wort Gottes gleichsetzten (s. Anm. zu Mt 15,2-9).
2,25 er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen … Jesu Sarkasmus zeigte den grundlegenden Fehler der Pharisäer auf, die beanspruchten, Experten und Hüter der Schrift zu sein, aber dennoch nicht wussten, was sie eigentlich lehrte (vgl. Röm 2,17-24). was David tat. David und seine Gefährten fl ohen vor Saul, um ihr Leben zu retten. Als sie Nob erreichten, wo sich zu diesem Zeitpunkt die Stiftshütte befand, baten sie wegen ihres Hungers um Nahrung (vgl. 1Sam 21,2-7).
2,26 zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar. Der Ausdruck »zur Zeit« kann »während seiner Lebenszeit« bedeuten. Laut 1Sam 21,2 war Ahimelech der Priester, der David das Brot gab. Abjathar war Ahimelechs Sohn, welcher später während der Regierung Davids der Hohepriester war. Da Ahimelech kurz nach dieser Begebenheit starb (vgl. 1Sam 22,19.20), ist es wahrscheinlich, dass Markus diese Kennzeichnung einfach nur hinzufügte, um an diesen wohl bekannten Gefährten Davids zu erinnern, der später zusammen mit Zadok zum Hohenpriester wurde (2Sam 15,35). die Schaubrote. Zwölf Laiber ungesäuerten Brotes (die 12 Stämme Israels repräsentierend) lagen im Heiligtum auf einem Tisch und wurden am Ende der Woche durch frische ersetzt. Das alte Brot durfte nur von den Priestern gegessen werden. Obwohl es normalerweise nicht dem Gesetz entsprach, dass David und seine Gefährten die Schaubrote aßen, wollte Gott sie weder verhungern lassen noch verurteilt die Schrift sie an irgendeiner Stelle dafür (s. Anm. zu Mt 12,4).
2,27 Der Sabbat wurde um des Menschen willen geschaffen. Gott setzte den Sabbat zum Nutzen des Menschen ein, indem er ihm einen Tag zum Segen und zum Ausruhen von seiner Arbeit gab. Die Pharisäer machten aus ihm eine Last und den Menschen zum Sklaven ihrer unzähligen erdachten Vorschriften.
2,28 Herr auch über den Sabbat. Jesus beanspruchte größer zu sein als der Sabbat, ebenso wie Gott es war. Aufgrund dieser Autorität konnte Jesus die Vorschriften der Pharisäer hinsichtlich des Sabbats zurückweisen und Gottes ursprüngliche Absicht mit dem Halten des Sabbats als einen Segen statt einer Last wieder aufrichten.
3,1 Dies ist die letzte der fünf Konfl iktsituationen, die in Mk 2,1 ih- ren Anfang nahmen (2,1-11; 13-17; 18-22; 23-28), und als solche bildet sie eine Art Höhepunkt in den wachsenden Feindseligkeiten zwischen Jesus und den jüdischen Führern. In dieser Begegnung gab Jesus den Pharisäern eine Illustration der schriftgemäßen Einhaltung des Sabbats und seiner souveränen Autorität über den Menschen und den Sabbat. 3,1 Synagoge. Die Orte der Juden zur Zusammenkunft und zum Gottesdienst (s. Anm. zu 1,21). verdorrte Hand. Hiermit wird der Zustand einer Lähmung oder Missbildung aufgrund eines Unfalls, einer Krankheit oder eines Geburtsfehlers beschrieben.
3,2 verklagen. Die Pharisäer waren nicht bereit, von Jesus zu lernen, sondern suchten nur nach einer Gelegenheit, ihn wegen einer Zuwiderhandlung gegen den Sabbat anzuklagen – eine Anschuldigung, die sie vor den Sanhedrin bringen konnten.
3,4 Jesus antwortete den Pharisäern mit einer Frage, die die Angele- genheit von einem rechtlichen zu einem moralischen Gegenstand erhob. Darf man. Eine Anspielung auf das Gesetz Moses. Jesus drängte die Pharisäer dazu, ihre Tradition hinsichtlich des Sabbats zu überprüfen, um herauszufi nden, ob sie mit dem atl. Gesetz Gottes übereinstimmte. Gutes tun oder Böses tun, das Leben retten oder töten? Christus verwendete eine im Mittleren Osten gebräuchliche Wendung – seine Worte zeigen deutliche Extreme auf. Die offensichtliche Bedeutung besteht darin, dass es falsch ist, Gutes zu unterlassen und Leben nicht zu retten, was auch der ursprünglichen Absicht Gottes für den Sabbat nicht entspricht (s. Anm. zu 2,27; Mt 12,10). Sie aber schwiegen. Die Pharisäer weigerten sich, Jesu Frage zu beantworten, und bewiesen dadurch, dass ihre Sichtweise über die Durchführung des Sabbats falsch ist.
3,5 Zorn. Eindeutiges Missfallen gegenüber der Sünde des Menschen offenbart ein gesundes, moralisches Empfi nden. Jesu Reaktion entsprach seinem göttlichen Wesen und bewies, dass er der gerechte Sohn Gottes ist. Diese Art heiligen Unwillens über sündige Einstellungen und Praktiken sollte sich noch deutlicher zeigen, als Jesus den Tempel säuberte (vgl. 11,15-18; Mt 21,12.13; Lk 19,45-48). der Verstocktheit ihres Herzens. Dieser Ausdruck spricht von dem Unverständnis, das aus einer widerspenstigen Haltung entspringt (Ps 95,8; Hebr 3,8.15). Die Herzen der Pharisäer nahmen im Hinblick auf die Wahrheit an Hartnäckigkeit und Unempfänglichkeit mehr und mehr zu (vgl. 16,14; Röm 9,18).
3,6 die Pharisäer … hielten … Rat gegen ihn. Sie lehnten es völlig ab, sich von irgendetwas, was Jesus sagte und tat, überzeugen zu lassen (vgl. Joh 3,19); stattdessen waren sie entschlossen, ihn zu töten. Das gr. Wort für »Rat halten« trägt in sich den Gedanken, eine bereits getroffene Entscheidung auszuführen – die Pharisäer besprachen nur noch ihre Durchführung. Herodianern. Diese säkulare politische Partei, die ihren Namen von Herodes Antipas erhielt und Rom stark unterstützte, stellte sich den Pharisäern in nahezu jeder Angelegenheit entgegen, war aber dennoch bereit, mit ihnen zusammen zu arbeiten, da beide Seiten verzweifelt versuchten, Jesus zu töten. S. Anm. zu Mt 22,16.
3,8 Trotz seiner Konfl ikte mit den Pharisäern blieb Jesus beim einfa- chen Volk sehr beliebt. Markus ist der einzige Verfasser der Evangelien, der zu diesem Zeitpunkt des Dienstes Jesu festhält, dass die Volksmengen aus allen Teilen Israels zusammenkamen, um ihn zu sehen und zu hören. Idumäa. Ein Gebiet südöstlich von Judäa, das im NT nur an dieser Stelle erwähnt wird und in dem viele Edomiter wohnten (ursprünglich Nachkommen von Esau, s. Anm. zu 1Mo 36,43). Zu jener Zeit war die Bevölkerung größtenteils jüdisch und das Gebiet wurde zu Judäa gerechnet. jenseits des Jordan. Die Region östlich des Jordan, die auch Peräa genannt und von Herodes Antipas regiert wurde. Die Bevölkerung des Landstrichs umfasste eine große Zahl von Juden. Tyrus und Zidon. Zwei phönizische Städte am Mittelmeer, nördlich von Galiläa. Diese beiden Städte standen häufi g für ganz Phönizien (vgl. Jer 47,4; Joel 4,4; Mt 11,21; Apg 12,20).
3,10 Plage. Wörtl. »eine Peitsche, eine Geißel« – in manchen Über- setzungen fi ndet sich auch das Wort »Geißel«. Es beschreibt verschiedene schmerzlich-qualvolle körperliche Leiden und Krankheiten. 3,11 unreinen Geister. Das bezieht sich auf Dämonen (s. Anm. zu 1,23; vgl. Lk 4,41). wenn ihn die unreinen Geister erblickten. Die Zeitform des gr. Verbs meint, dass Dämonen zu vielen Gelegenheiten auf Jesus sahen und an die Wahrheit seines Wesens und seiner Identität dachten. Du bist der Sohn Gottes! Vgl. 1,24. Die Dämonen bestätigten ohne zu zögern die Einzigartigkeit des Wesens Jesu, worin Markus einen klaren Beweis der Gottheit Jesu sah.
3,12 er gebot ihnen … dass sie ihn nicht offenbar machen sollten. Jesus wies die Dämonen immer zurecht, wenn sie von ihm Zeugnis gaben. Er wollte sein Wesen durch seine Lehren und Taten offenbaren, nicht durch die unreinen Worte von Dämonen (s. Anm. zu 1,25; vgl. Apg 16,16-18).
3,13 und rief zu sich, welche er wollte. Das gr. Verb »rufen« betont, dass Jesus in seinem eigenen souveränen Interesse handelte, als er die zwölf Jünger erwählte (vgl. Joh 15,16).
3,14 er bestimmte zwölf. Christus bildete durch die klare Ausü- bung seines Willens unter seinen Nachfolgern eine eigene Gruppe von zwölf Männern heraus (s. Anm. zu Mt 10,1). Diese neue Gruppe stellte die Grundlage seiner Gemeinde dar (vgl. Eph 2,20).
3,15 dass sie Vollmacht hätten. Zusammen mit der Hauptaufga- be des Predigens gab Jesus den Zwölfen das Recht, Dämonen auszutreiben (vgl. Lk 9,1). 3,16-19 Eine Aufl istung der Zwölf (s. Anm. zu Mt 10,2-4). 3,16 Petrus. Von diesem Zeitpunkt an (außer in 14,37) benutzt Markus diesen Namen Simons, obgleich die Bezeichnung hier nicht zum ersten Mal vorkommt (vgl. Joh 1,42) und der Name Simon fortan nicht vollkommen ersetzt wird (vgl. Apg 15,14). Der Name bedeutet »Stein« und beschreibt den Charakter und das Handeln des Petrus, nämlich seine Stellung als Grundstein beim Aufbau der Gemeinde (vgl. Mt 16,18; Eph 2,20).
3,17 Donnersöhne. Markus nennt für seine nicht-jüdischen Leser den aramäischen Begriff »Boanerges«. Dieser Name der beiden Brüder bezieht sich wahrscheinlich auf ihre starke, freimütige Persönlichkeit (vgl. 9,38; Lk 9,54).
3,18 Thaddäus. Das ist der einzige Name, der nicht in allen ntl. Auf- listungen der Zwölf derselbe ist (vgl. Mt 10,2-4; Lk 6,14-16; Apg 1,13). Matthäus nennt ihn Lebbäus, mit dem Beinamen Thaddäus (Mt 10,3); im Lukas-Evangelium und in der Apostelgeschichte wird er »Judas, der Sohn des Jakobus« genannt; und Joh 14,22 spricht von ihm als »Judas – nicht der Ischariot«. den Kananiter. Dies ist keine Andeutung, dass dieser Simon aus Kana stammte. Es ist eher so, dass das Wort aus dem Aramäischen abgeleitet wurde, das »eifern« bedeutet, und für jene verwendet wurde, die Eifer für das Gesetz hatten. Lukas benutzt das Wort transliteriert von dem gr. Begriff, welcher »der Eiferer« meint (Lk 6,15; s. Anm. zu Mt 10,4).
3,19 Ischariot. Dieser hebr. Ausdruck bedeutet »Mann aus Kariot«, wie in Kerijot-Hezron, südlich von Hebron (Jos 15,25).
3,20 traten in das Haus. Eine deutlichere Übersetzung ist »gin- gen nach Hause«, was sich auf Jesu Rückkehr nach Kapernaum bezöge (vgl. 2,1).
3,21 welche um ihn waren. Oder: seine Angehörigen. Im Gr. wur- de dieser Ausdruck auf verschiedene Weise verwendet, um jemandes Freunde oder enge Vertraute zu beschreiben. Im engsten Sinne meint er die Familie, was hier wahrscheinlich am ehesten anzunehmen ist. um ihn zu ergreifen. An anderer Stelle gebraucht Markus den gleichen Ausdruck mit der Bedeutung der Festnahme einer Person (6,17; 12,12; 14,1.44.46.51). Die Verwandten Jesu hörten offenbar von den Ereignissen aus V. 20 und kamen nach Kapernaum, um ihn von seinen vielen Aktivitäten abzuhalten und ihn in ihre Obhut und Kontrolle zu bringen, angeblich zu seinem Besten. Er ist von Sinnen. Jesu Familie konnte seine unkonventionelle und selbstlose Lebensweise nur erklären, indem sie sagte, dass er unvernünftig sei und seinen Verstand verloren habe.
3,22 Schriftgelehrten. Jüdische Gelehrte, auch Gesetzesgelehrte genannt (hauptsächlich Pharisäer) – Experten im Gesetz und in seiner Anwendung (s. Anm. zu Mt 2,4). Beelzebul. Satan (s. Anm. zu Lk 11,15).
3,23 Gleichnisse. Jesus antwortete den Schriftgelehrten, indem er Analogien zwischen wohl bekannten Tatsachen und seiner dargelegten Wahrheit zog (s. Anm. zu Mt 13,3).
3,26 nimmt ein Ende. Ein nur von Markus benutzter Ausdruck, der sich auf das endgültige Verderben des Teufels bezieht als dem Haupt des dämonischen Weltsystems. S. Anm. zu Offb 20,1-10.
3,27 in das Haus des Starken hineingehen und seinen Hausrat rauben. Man muss stärker als der Satan sein, um in seinen Bereich einzudringen (»Haus des Starken«), ihn zu binden (ihn vom Handeln abhalten) und Menschen (»seinen Hausrat«) aus seiner Kontrolle zu befreien (»rauben«). Ausschließlich Jesus hat eine solche Macht über den Teufel. Vgl. Röm 16,20; Hebr 2,14.15.
3,28 Wahrlich, ich sage euch. Markus gebraucht diesen Ausdruck, der in allen Evangelien mehrmals auftaucht, hier zum ersten Mal. Er wurde als eine Art Sprachformel angewandt, die die wahrhaftigen und zuverlässigen Worte Jesu einleitete (vgl. 6,11; 8,12; 9,1.41; 10,15.29; 11,23; 12,43; 13,30; 14,9.18.25.30).
3,29 wer aber gegen den Heiligen Geist lästert, der hat … keine Vergebung. Wann immer jemand die Person und den Dienst des Heiligen Geistes absichtlich respektlos behandelt, wenn dieser sich auf das Herrsein und die Erlösung durch Jesus Christus bezieht, hat gegenwärtig und zukünftig jegliche Möglichkeit der Vergebung der Sünden vollkommen verwirkt (s. Anm. zu Mt 12,31), denn er hat die einzige Grundlage der Errettung Gottes gänzlich abgelehnt. 3,31 seine Brüder und seine Mutter. Jesu irdische Familie (s. Anm. zu V. 21; Mt 12,46). Die in V. 21 unterbrochene Erzählung wird hier wieder aufgenommen.
3,35 Jesus macht eine entscheidende und umfassende Aussage über wahre christliche Jüngerschaft. Zu einer solchen Jüngerschaft gehört eine geistliche Beziehung, die über die Beziehung zur leiblichen Familie hinausgeht und für alle offen ist, die durch den Geist Gottes in Buße und Glauben zu Christus gekommen sind und somit befähigt wurden, ein Leben im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes zu führen.
4,1 niedersetzte. Die typische rabbinische Haltung beim Lehren; in diesem Fall setzte sich Jesus wohl eher aus praktischen Gründen, da das Boot auf dem Wasser schwankte.
4,2 Gleichnissen. Eine geläufi ge Lehrmethode im Judentum, die Jesus anwandte, um die Wahrheit vor Ungläubigen zu verbergen, wohingegen er sie seinen Jüngern erklärte (vgl. V. 11; s. Anm. zu Mt 13,3).
4,3 Dies Gleichnis stellt die Verbreitung des Evangeliums in der ganzen Welt dar und die unterschiedlichen Reaktionen der Menschen. Einige werden es ablehnen; andere werden es für kurze Zeit annehmen, sich später aber wieder abwenden; doch einige werden glauben und andere zum Glauben führen.
4,4 an den Weg. Entweder eine Straße nahe am Rand eines Feldes oder ein Weg, der ein Feld durchquert; beide wiesen aufgrund von beständigem Verkehr eine harte Oberfl äche auf.
4,5 felsigen Boden. Böden aus festem Stein, für gewöhnlich Kalk- stein, der sich unter der Oberfl äche guten Erdreichs befand. Er liegt knapp außerhalb der Reichweite des Pfl uges, und die darüber befi ndliche Erde ist nicht tief genug, damit eine Pfl anze Wasser aus dem Boden ziehen und ein ausreichendes Wurzelgefl echt entwickeln kann.
4,7 Dornen. Widerstandsfähiges, Stacheln hervorbringendes Un- kraut, das den vorhandenen Raum, das Licht und das Wasser wegnimmt, welches gute Pfl anzen benötigen.
4,8 etliches hundertfältig. Das durchschnittliche Verhältnis der Getreideernte zur Aussaat lag bei 8 zu 1, ein Verhältnis von 10 zu 1 wurde als außergewöhnlich angesehen. Der von Jesus angesprochene Ertrag war eine sagenhafte Ernte.
4,9 Wer Ohren hat zu hören, der höre! Oberfl ächlich betrach- tet ist das ein Aufruf an die Aufmerksamkeit des Zuhörers und an seine Fähigkeit, die Bedeutung des Gleichnisses zu erkennen. Doch ist mehr als der menschliche Verstand nötig, um das Gleichnis zu deuten – nur den Erlösten wird der göttliche Lehrer die wahre Bedeutung erklären.
4,11 Geheimnis … Gleichnissen. In der Sprache des NTs bedeutet ein »Geheimnis« etwas zuvor Verborgenes und Unbekanntes, das im NT aber preisgegeben wird (s. Anm. zu 1Kor 2,7; Eph 3,4-6). Im Kontext das Geheimnis vom Reich der Himmel (s. Anm. zu Mt 3,2), über das Jesus in Form von Gleichnissen spricht. Auf diese Weise wird das Geheimnis den Gläubigen enthüllt, doch für diejenigen, die Christus und sein Evangelium ablehnen, bleibt es verborgen (s. Anm. zu Mt 13,11). denen aber, die draußen sind. Gemeint sind jene, die keine Nachfolger Christi sind.
4,12 damit. S. Anm. zu Mt 13,13. Anders als Matthäus, der Jes
6,9 genauer zitiert, hält Markus fest, dass Jesus den Sinn der Worte Jesajas wiedergibt. damit sie nicht etwa umkehren. Dies bedeutet, dass Ungläubige sich nicht von der Sünde wegwenden wollen (s. Anm. zu Mt 13,3.13).
4,13 alle Gleichnisse. Das Verständnis des Gleichnisses vom Sä- mann war der Schlüssel zur Fähigkeit der Jünger, die Bedeutung von anderen Gleichnissen über das Reich Gottes zu erkennen (V. 21-34).
4,14 Jesu Erklärung des Gleichnisses vom Sämann, der in Wirk- lichkeit er selbst ist (vgl. Mt 13,37) und jeder, der das Evangelium verkündet. 4,14 das Wort. Lk 8,11 sagt, dass es das »Wort Gottes« ist und Mt 13,19 nennt es das »Wort vom Reich«. Es ist das Evangelium der Errettung (s. Anm. zu Mt 13,19).
4,16 mit Freuden aufnehmen. Eine begeisterte, emotionale und dennoch oberfl ächliche Reaktion auf das Evangelium, bei der die dazu gehörigen Kosten nicht überschlagen wurden.
4,17 keine Wurzel. Da das Herz dieses Menschen hart ist wie der felsige Boden (s. Anm. zu V. 5), kann das Evangelium keine Wurzeln in ihm schlagen und sein Leben verändern – es fi ndet nur eine zeitliche und oberfl ächliche Veränderung statt. Bedrängnis oder Verfolgung. Gemeint sind nicht die alltäglichen Probleme und Schwierigkeiten des Lebens, sondern ausdrücklich die Leiden, Prüfungen und Verfolgungen, die aus der Beziehung zu Gott erwachsen. Anstoß. Das gr. Wort meint: man ärgert sich, es ist einem ein »Skandal«, man wird in Feindschaft verstrickt. All diese Bedeutungen sind zutreffend, da der oberfl ächliche Gläubige Anstoß nimmt, ins Stolpern gerät und abfällt, wenn sein Glauben auf dem Prüfstand steht (vgl. Joh 8,31; 1Joh2,19).
4,19 die Sorgen dieser Weltzeit. Ein zu hohes Maß an Beschäfti- gung mit weltlichen Dingen macht einen Menschen blind für das ernsthafte Erwägen des Evangeliums (vgl. Jak 4,4; 1Joh2,15.16). Betrug des Reichtums. Nicht nur, dass Geld und materieller Besitz die Sehnsucht des Herzens nicht stillen oder eine dauerhafte Zufriedenheit verschaffen können, sie machen die Menschen zudem auch für ewige und geistliche Dinge blind (1Tim 6,9.10).
4,20 hören und es aufnehmen und Frucht bringen. Drei gr. Partizip Präsens kennzeichnen kontinuierliches Handeln. Gläubige, im Gegensatz zu Ungläubigen, »hören« das Wort Gottes, weil Gott ihnen die Fähigkeit gibt, es zu hören. Sie »nehmen« es auf – sie verstehen und gehorchen dem Wort, weil Gott ihren Verstand und ihr Herz öffnet und ihr Leben verändert. Das Ergebnis ist, dass sie geistliche Frucht bringen.
4,21 Licht. Gemeint ist eine sehr kleine Tonschale mit einem Loch für einen Docht; in der Schale befand sich etwas Öl als Brennstoff. Scheffel. In einfachen Häusern war dies nur eine Holzschaufel, die an der Wand gelehnt stand. In wohlhabenderen Häusern befanden sich möglicherweise extra prunkvolle Ständer dafür (vgl. Offb 1,12).
4,22 Denn nichts ist verborgen, das nicht offenbar gemacht wird. Die Absicht des Verborgenhaltens darf nur darin liegen, dass es eines Tages aufgedeckt werden kann. Jesu Lehre zielte niemals nur auf einen inneren Kreis von Nachfolgern ab. Es lag in der Verantwortung der Jünger, das Evangelium des Reiches Gottes in die Welt zu tragen (vgl. Mt 28,19.20).
4,24 Mit demselben Maß. Die geistlichen Erfolge, die die Jünger erfuhren, sollten von dem Maß ihrer Anstrengungen abhängig sein; sie würden ernten, was sie gesät hatten. noch hinzugelegt werden. Derjenige, der von der geistlichen Wahrheit erfahren und sie eifrig angewendet hat, wird noch mehr Wahrheit zur treuen Verwendung empfangen.
4,26 Dies Gleichnis wird nur von Markus berichtet und ergänzt das Gleichnis vom Sämann, indem es eine tiefere Erklärung der Folgen geistlichen Wachstums in der guten Erde liefert. 4,26 Reich Gottes. S. Anm. zu 1,15.
4,29 er schickt sogleich die Sichel hin; denn die Ernte ist da. Wenn das Korn reif ist, muss die Ernte eingefahren werden. Es gibt zwei mögliche Auslegungen dieses nicht erklärten Gleichnisses. Es könnte sich auf das gesamte Reich beziehen, von der Zeit an, in der Jesus die Evangeliumsbotschaft säte, bis hin zur endgültigen Ernte in der Zukunft. Seine Jünger würden das Werk der Verkündigung des Evangeliums fortführen, was schließlich die Ernte einbrächte. Die bessere Auslegung ist die Darstellung, wie das Evangelium im Leben der Menschen wirkt. Nachdem das Evangelium gehört wurde, wirkt das Wort Gottes in den Herzen einzelner Menschen, manchmal recht langsam, bis Gottes Zeit gekommen ist und er die Frucht erntet und den Menschen rettet.
4,30 Das Gleichnis vom Senfkorn stellt das Reich Gottes dar, wie es mit geringem Einfl uss beginnt und dann weltumspannende Ausmaße annimmt.
4,31 Senfkorn. Eine Erwähnung der gewöhnlichen schwarzen Senf- pfl anze. Die Blätter wurden als Gemüse verwendet und die Körner als Gewürz. Zudem besaß es medizinischen Nutzen. das kleinste ist unter allen. Das Senfkorn ist nicht das kleinste aller existierenden Samen, aber im Vergleich zu allen anderen Samen, die die Juden damals säten, war es das kleinste.
4,32 Gartengewächse. Bezieht sich auf Gartengemüse, das aus- drücklich zum Verzehr gedacht war. Vögel des Himmels. Obwohl er im eigentlichen Sinn des Wortes kein Baum war, war der Senfstrauch für seinen Wuchs von bis zu 4,50 m und für seine Eigenschaften eines Baumes bekannt, wie z.B. Zweige, die groß genug waren, um Vögel in ihnen nisten zu lassen. Der Baum repräsentiert den Bereich des Evangeliums, das so groß wachsen würde, dass es für die Menschen Zufl ucht, Schutz und Nutzen bieten würde (s. Anm. zu Mt 13,32). Selbst Ungläubige wurden durch die Verbindung mit dem Evangelium und der errettenden Macht Gottes gesegnet. Christen sind zu einem Segen für die Welt geworden. S. Anm. zu 1Kor 7,14.
4,33 Diese abschließende Bemerkung in Markus’ Aufzeichnung über die Gleichnisse Jesu betont, dass die von ihm erwähnten Beispiele nur stellvertretend für alle Gleichnisse Jesu stehen.
4,34 Ohne Gleichnis aber redete er nicht zu ihnen. An diesem bestimmten Tag sprach Jesus zu einer größeren Menge nur in Gleichnissen. Diese Lehrmethode hinterließ bei Ungläubigen Rätsel und zwang sie weder ihm zu glauben noch aber ungläubig zu bleiben – sie konnten keine Entscheidung für seine Nachfolge treffen, da sie nicht verstanden, was er lehrte.
4,35 Diese Schilderung zeigt Jesu unbegrenzte Macht über die natürliche Welt. 4,35 das jenseitige Ufer. Jesus und seine Jünger befanden sich am Westufer des Sees von Galiläa. Um den Mengen für eine kurze Ruhepause zu entkommen, wollte Jesus zum Ostufer übersetzen, an dem keine großen Städte lagen und somit auch weniger Menschen waren.
4,37 großer Sturm. Wind ist auf diesem See, der etwa 212 m unterm Meeresspiegel liegt und von Hügeln umgeben ist, nichts Ungewöhnliches. Das gr. Wort kann auch »Wirbelsturm« bedeuten. In diesem Fall war der Sturm so schwer, dass er die Eigenschaften eines Orkans annahm (s. Anm. zu Mt 8,24). Die Jünger, die es eigentlich gewohnt waren, bei Sturm auf dem See zu sein, glaubten, in diesem Sturm umzukommen (V. 38).
4,38 er … schlief. Jesus war so erschöpft von einem Tag, der mit Heilen und Predigen angefüllt war, dass selbst ein Sturm ihn nicht aufwecken konnte (s. Anm. zu Mt 8,24). 4,39 Schweig, werde still! Wörtl. »halt den Mund« (s. Anm. zu 1,25). Stürme fl auen normalerweise allmählich ab; aber als der Schöpfer den Befehl gab, verstummten die Naturelemente sofort.
4,41 sie gerieten in große Furcht. Das war nicht die Angst, durch den Sturm zu Schaden zu kommen, sondern die Ehrfurcht vor der übernatürlichen Macht, die Jesus gerade gezeigt hatte. Das Einzige, was noch erschreckender war als ein Sturm außerhalb des Bootes, war die Gegenwart Gottes im Boot! Wer ist denn dieser. Diese Aussage verriet das Staunen der Jünger über die wahre Identität Jesu.
5,1 ans andere Ufer des Sees. Das Ostufer des Sees von Galiläa (vgl. Lk 8,26). das Gebiet der Gadarener. Die bevorzugte Version im Markus-Evangelium lautet »Gerasener« und nicht »Gadarener«. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass sich dies auf die kleine Stadt Gergesa bezieht (evtl. d. heutige Kersa, oder Kursi; s. Anm. zu Mt 8,28), welche auf mittlerer Höhe des Ostufers lag. »Gebiet der« meint die Region, die Gergesa einschloss und im Zuständigkeitsbereich der Stadt Gadara lag, welche sich etwa 10 km südöstlich des Sees von Galiläa befand; dies ist wahrscheinlich der Grund, weshalb auch Lukas von dieser Region als dem Gebiet der Gadarener spricht (Lk 8,26.37).
5,2 lief … aus den Gräbern ein Mensch. Markus erwähnt nur einen Besessenen, der wohl der auffälligere von beiden war (vgl. Mt 8,28). Die »Gräber« – häufi ge Aufenthaltsorte von Geisteskranken in jener Zeit – waren Grabkammern, die am Stadtrand aus den felsigen Hängen gehauen wurden. Wenn der Mensch und sein möglicher Gefährte Juden waren, für die das Berühren von Toten eine große Verunreinigung darstellte, war das Leben in einem solchen Gebiet für sie eine zusätzliche Qual. unreinen Geist. Gemeint ist der Dämon, der den Menschen unter seiner Kontrolle hatte. Solche Geister waren in sich selbst moralisch verdorben und fügten denen großen Schaden zu, die von ihnen besessen waren (s. Anm. zu 1,32-34; vgl. Lk 4,33.36; 7,21; 8,2).
5,3 niemand konnte ihn binden. Im gr. Text werden mehrere ne- gative Merkmale verwendet, um die enorme Kraft des Menschen hervorzuheben. 5,4 Fußfesseln und Ketten. »Fußfesseln« (wahrscheinlich aus Metall oder evtl. teilweise aus Bändern oder Seilen) wurden gebraucht, um die Fußfreiheit einzuschränken, und »Ketten« dienten zum Bändigen des restlichen Körpers.
5,5 schrie und schlug sich selbst mit Steinen. Das »Schreien« beschreibt einen anhaltenden nicht normal menschlichen Schrei, in dem eine abgründige Emotionalität lag. Die »Steine« waren wohl Feuersteine mit scharfen, gezackten Kanten.
5,7 Sohn Gottes, des Höchsten. Die Dämonen wussten, dass Jesus Gott war, Gott und Mensch in einer Person. »Gottes, des Höchsten » war ein alter Titel, der sowohl von Juden als auch Heiden gebraucht wurde, um den einzigen, wahren und lebendigen Gott Israels zu kennzeichnen und ihn von allen falschen und nichtigen Göttern zu unterscheiden (vgl. 1Mo 14,18-20; 4Mo 24,16; 5Mo 32,8; Ps 18,14; 21,8; Jes 14,14; Dan 3,26; Lk 1,32; Hebr 7,1). was habe ich mit dir zu tun. Ein geläufi ger Ausdruck des Protestes (s. Anm. zu 1,24). Ich beschwöre dich … dass du mich nicht quälst. S. Anm. zu Mt 8,29. Markus fügt »ich beschwöre dich« hinzu, was andeutet, dass der Dämon Jesus bezüglich der Schwere seines unausweichlichen Schicksals zu besänftigen versuchte. Vgl. Jak 2,19.
5,9 Was ist dein Name? Sehr wahrscheinlich stellte Jesus diese Frage, weil der Dämon bat, nicht gequält zu werden. Er benötigte den Namen des Dämonen jedoch nicht, um ihn auszutreiben. Vielmehr erfragte Jesus den Namen, um die Realität und Komplexität dieses Falles öffentlich zu machen. Legion. Ein lat. Ausdruck – inzwischen bei Juden und Griechen gleicherweise gebräuchlich –, der eine römische Militäreinheit von 6.000 Soldaten kennzeichnete. Ein solcher Name besagt, dass der Mensch von einer extrem großen Anzahl militanter böser Geister kontrolliert wurde, eine Wahrheit, die durch den Ausdruck »denn wir sind viele« bekräftigt wird.
5,10 er bat ihn sehr. Der Dämon verstand, dass Jesus alle Macht über ihn hatte und sprach ihn mit starkem Verlangen an, seine Bitte zu gewähren. sie nicht aus dem Land zu verweisen. S. Anm. zu V. 1. Die Dämonen wollten in der gleichen Gegend bleiben, in der sie ihre bösen Kräfte bisher ausübten.
5,11 Schweine. Schweine waren für die Juden unreine Tiere, so dass die Besitzer dieser Herde entweder Nicht-Juden waren oder Juden, die das Gesetz nicht achteten (s. Anm. zu Mt 8,30).
5,13 Jesus erlaubte es ihnen. Entsprechend seiner souveränen Ab- sichten erlaubte Jesus den Dämonen, in die Schweine zu fahren und sie zu zerstören – der Text liefert keine weitere Erklärung (vgl. 5Mo 29,28; Röm 9,20). Indem Jesus dies tat, gab er dem Menschen eine anschauliche, sichtbare und machtvolle Lektion über das gewaltige Ausmaß des Bösen, von dem er befreit wurde.
5,15 dasitzen. Die ruhende Haltung des Menschen war ein starker Kontrast zu seinem früheren rastlosen, aufgewühlten Zustand. vernünftig. Er stand nicht länger unter der rasenden und schreienden Macht der Dämonen.
5,16 die es gesehen hatten, erzählten … von den Schweinen. »Die« mag sowohl auf die Zwölf als auch auf die Besitzer der Schweine hinweisen. Sie wollten, dass die Leute erfuhren, was mit dem Menschen und den Schweinen geschehen war und wie es zustande kam.
5,17 sie begannen ihn zu bitten, er möge aus ihrem Gebiet weggehen. Aufgrund der Ereignisse fürchteten und ärgerten sich die Anwohner der Gegend über Jesus. Sie waren möglicherweise verärgert über die Störung ihrer täglichen Routine und über den Verlust von Eigentum; um weitere fi nanzielle Einbußen auszuschließen, wollten sie, dass Jesus mit seiner Macht das Gebiet verlässt. Noch zwingender war jedoch die Tatsache, dass sie gottlose Menschen waren, denen Christus durch die Ausübung seiner geistlichen Macht Angst einfl ößte (s. Anm. zu Mt 8,34).
5,19 verkündige ihnen, welch große Dinge der Herr an dir getan. Jesus sprach von sich selbst als von Gott, der die natürliche und die geistliche Welt kontrollierte (vgl. Lk 8,39).
5,20 Dekapolis. Ein Verbund von zehn griechisch beeinfl ussten Städten östlich des Jordan (s. Anm. zu Mt 4,25).
5,21 jenseitige Ufer. Jesus und die Jünger kehrten ans nordwestli- che Ufer des Sees von Galiläa zurück.
5,22 Obersten der Synagoge. Sie hatten den Vorsitz über die Äl- testen der örtlichen Synagogen. Diese Ältestengruppen, bestehend aus Laien, hatten die Verantwortung bei der Regelung der Gottesdienste und überwachten die Angelegenheiten der Synagoge.
5,25 Blutfl uss. Bezeichnet chronische innere Blutungen, vielleicht von einem Tumor oder einer anderen Krankheit (s. Anm. zu Mt 9,20).
5,26 hatte viel erlitten von vielen Ärzten. In ntl. Zeiten war es in schwierigen medizinischen Fällen eine gängige Praxis, dass die Menschen viele verschiedene Ärzte aufsuchten und eine Fülle von Behandlungen erhielten. Die angeblichen Heilmittel waren oftmals widersprüchlich und verschlimmerten die Beschwerden vielfach, anstatt sie zu lindern. (Lukas, der Arzt, deutet in Lk 8,43 an, dass der Frau nicht geholfen wurde, weil ihr Zustand unheilbar war.)
5,28 Wenn ich nur sein Gewand anrühre. Der Glaube der Frau in die Heilkraft Jesu war so groß, dass sie glaubte, dass selbst ein indirekter Kontakt mit ihm durch seine Kleidung (s. Anm. zu Mt 9,20) Heilung bringen würde.
5,29 Quell ihres Blutes. Der Ausdruck »Quell ihres Blutes« redet von der Ursache ihrer Blutungen
5,30 Kraft von ihm ausgegangen war. Die »Kraft« Christi, sei- ne ihm innewohnende Fähigkeit zum Dienst und zu übernatürlichem Wirken ging von ihm unter der bewussten Kontrolle seines souveränen Willens aus. Wer hat mein Gewand angerührt? Jesus stellte diese Frage nicht aus Unwissenheit, sondern um die Frau aus der Menge herauszustellen und ihr die Möglichkeit zu geben, Gott für das Geschehene zu loben.
5,34 dein Glaube hat dich gerettet. Die öffentliche Aussage Jesu über den Glauben der Frau (ausgedrückt in V. 28.33) und seine Folgen. Die Form des gr. Verbs, das hier mit »gerettet« übersetzt wurde, welches auch mit »gesund gemacht« wiedergegeben werden kann, deutet an, dass ihre Heilung vollkommen war. Es ist das gleiche gr. Wort, das häufi g, wie auch hier, mit »retten« übersetzt wird (s. Anm. zu Mt 9,22). Es ist das Wort, das im NT normalerweise für das Erretten von der Sünde verwendet wird, was stark annehmen lässt, dass der Glaube der Frau sie auch zur geistlichen Errettung geführt hat.
5,36 glaube nur. Das Verb ist ein Befehl für gegenwärtiges, bestän- diges Handeln, das Jairus auffordert, den Glauben aufrechtzuerhalten, den er anfangs bewies, als er zu Jesus kam. Christus wusste, dass es keine andere richtige Reaktion auf Jairus’ hilfl ose Situation gab, und er war sich des Ergebnisses des Glaubens sicher (vgl. Lk 8,50).
5,37 Petrus und Jakobus und Johannes. Das ist das erste Mal, dass Markus diesen drei Jüngern einen speziellen Status einräumt. Die Schrift erklärt nirgends, warum diese Männer gelegentlich Zeugen von Ereignissen sein durften, von denen andere Jünger ausgeschlossen waren (vgl. 9,2; 14,33), aber das Trio bildete einen inneren Kreis innerhalb der Zwölf. Selbst die gr. Grammatik deutet diesen inneren Kreis an, indem sie die drei Namen hinter einen bestimmten Artikel setzt.
5,38 weinten und heulten. In jener Kultur war dies ein sicheres Zeichen, dass der Tod eingetreten war. Da das Begräbnis kurz nach dem Tod erfolgte, war es die einzige Möglichkeit der Leute, öffentlich zu trauern. Das Heulen war besonders laut und geschah meistens durch bezahlte »Klageweiber« (s. Anm. zu Mt 9,23).
5,39 nicht gestorben, sondern es schläft. Mit dieser Äußerung meinte Jesus, dass das Mädchen nicht im üblichen Sinne tot war, da ihr Zustand nur vorübergehend war und wieder rückgängig gemacht würde (s. Anm. zu Mt 9,24; vgl. Joh 11,11-14; Apg 7,60; 13,36; 1Kor 11,30; 15,6.18,20.51; 1Th 4,13.14).
5,40 lachten ihn aus. Eine wörtlichere Übersetzung würde lauten »verlachten ihn höhnisch« oder »lachten ihm ins Gesicht«. Sie verstanden die Worte Jesu wörtlich und dachten, dass sie absurd seien, so meint das »Auslachen« höchstwahrscheinlich langanhaltendes Gelächter, um den Herrn zu schmähen. Diese Reaktion, obwohl oberfl ächlich und respektlos, gibt zu verstehen, dass die Leute von dem unwiderrufl ichen Ableben des Mädchens überzeugt waren und das Wunder für unmöglich hielten, das Jesus im Begriff stand zu tun. Nachdem er aber alle hinausgetrieben hatte. Das war eine entschiedene und kraftvolle Ausweisung, die Christi Autorität zeigt und die geschah, weil die ungläubigen Trauergäste sich selbst als untauglich erwiesen hatten, der Auferweckung des Mädchens beizuwohnen.
5,41 Talita kumi! Markus ist der einzige Verfasser der Evangelien, der Jesu aramäische Worte im Original aufzeichnete. »Talita« ist die weibliche Form des Wortes »Lamm« oder »Mädchen«. »Kumi« besitzt die imperative Bedeutung von »steh auf«. Wie in anderen vergleichbaren Begebenheiten spricht Jesus die Persönlichkeit und nicht nur den Körper des Aufzuerweckenden an (vgl. Lk 7,14; Joh 11,43).
5,43 dass es niemand erfahren dürfe. Das Wissen um dieses Wunder konnte nicht völlig verschwiegen werden, aber Jesus wollte nicht, dass die Neuigkeiten sich darüber ausbreiteten, bis er die Gegend verlassen hatte, da er wusste, dass derartige Nachrichten seine vielen jüdischen Gegner in Galiläa dazu veranlassen könnten, nach ihm zu suchen und ihn vorzeitig zu töten. Zudem wollte er, dass man ihn als Verkündiger des Evangeliums kennt und nicht als bloßen Wunderwirker. Es lag zweifellos auch im Interesse Jesu, dass das Mädchen und seine Eltern nicht zum Mittelpunkt von unangebrachter Neugier und Sensationslust gemacht würden. 6,1 seine Vaterstadt. Nazareth, die Heimatstadt Jesu (s. Anm. zu Mt 2,23). seine Jünger. Für Jesus war dies kein privater Familienbesuch, sondern eine Zeit des Dienstes.
6,2 Sabbat. S. Anm. zu 2,23. Das lässt darauf schließen, dass öf- fentliches Lehren nicht vor dem Sabbat stattfand. in der Synagoge zu lehren. S. Anm. zu 1,21. erstaunten. Das gleiche Wort wie in 1,22 (s. Anm. dort); jedoch wurde hier die anfängliche Reaktion der Menschen von Skepsis und einer kritischen Haltung gegenüber Jesus abgelöst.
6,3 Zimmermann. Die Menschen in Nazareth dachten bei Jesus noch immer an jemanden, der den Beruf seines Vaters (vgl. Mt 13,55) als Handwerker ausübte, der mit Holz und anderen harten Materialien arbeiten würde (z.B. Steine, Ziegel). Die einfache irdische Stellung Jesu und seiner Familie irritierte die Bürger – sie weigerten sich, in ihm etwas Höheres zu sehen, als sie selbst waren, und betrachteten es als unmöglich, ihn als den Sohn Gottes und Messias zu akzeptieren. Sohn der Maria. Nur an dieser Stelle wird Jesus so genannt. Der normale jüdische Brauch war es, einen Sohn mit dem Namen des Vaters (Josef) zu identifi zieren. Vielleicht wurde dies unterlassen, weil Josef bereits tot war oder weil die Leute sich an die Gerüchte um die uneheliche Geburt Jesu erinnerten (vgl. Joh 8,41; 9,29) – ein Mann wurde als der Sohn seiner Mutter bezeichnet, wenn sein Vater unbekannt war. Sie beschimpften ihn absichtlich mit diesem Titel als eine Anspielung auf Unehelichkeit. der Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon. S. Anm. zu Mt 12,46. Im Grunde waren sie Halbbrüder Jesu. »Jakobus« war später Leiter in der Gemeinde in Jerusalem (vgl. Apg 12,17; 15,13; 21,18; 1Kor 15,7; Gal 1,19; 2,9.12) und schrieb den Jakobusbrief. »Judas« (hebr. Name »Juda«) schrieb den Judasbrief. Von den anderen beiden Brüdern ist nichts weiter bekannt. seine Schwestern. Eigentlich waren sie Halbschwestern, deren Namen im NT nicht auftauchen. Auch von ihnen ist nichts bekannt, nicht einmal, ob sie wie die anderen Familienangehörigen gläubig wurden. sie nahmen Anstoß an ihm. Der deutsche Begriff »Skandal« stammt von dem gr. Verb ab, das mit »nahmen Anstoß« übersetzt wurde, was im Grunde genommen »straucheln«, »verleitet werden« und »in Sünde fallen« einschließt (s. Anm. zu 4,17). Aufgrund seiner einfachen Herkunft, seiner begrenzten Ausbildung und seines Mangels an einer offi ziellen religiösen Stellung, nahmen die Bewohner von Nazareth zutiefst Anstoß, dass Jesus sich als großer Lehrer darstellte.
6,4 S. Anm. zu Mt 13,57. Jesus nannte sich selbst einen Prophe- ten, in Übereinstimmung mit einem seiner Ämter (vgl. V. 15; 8,28; Mt 21,11.46; Lk 7,16; 24,19; Joh 6,14; 7,40; 9,17). seinem Haus. Seiner eigenen Familie (vgl. Joh 7,5; Apg 1,14).
6,5 er konnte dort kein Wunder tun. Vgl. Mt 13,58. Damit ist nicht gemeint, dass seine Macht in irgendeiner Weise durch ihren Unglauben verringert wurde. Es könnte aber andeuten, dass die Menschen wegen ihres Unglaubens nicht zu ihm kamen, um geheilt zu werden oder die Wunder zu erleben, die er in Kapernaum und Jerusalem tat. Oder noch bedeutsamer, es mag zu erkennen geben, dass Christus seinen Dienst zum einen aus Gnade beschränkte, damit sein Wunderwirken bei ihnen nicht zu einer stärkeren Herzensverhärtung führen und somit eine größere Verurteilung bedeuten würde, und zum anderen als Gericht über ihren Unglauben. Er hatte die Macht, weitere Wunder zu tun, aber er wollte es nicht, weil sie ihn ablehnten. Wunder waren für die Menschen gedacht, die bereit waren, zu glauben.
6,6 er verwunderte sich wegen ihres Unglaubens. »Verwun- derte« bedeutet, dass Jesus vollkommen erstaunt und verblüfft war, dass Nazareth so auf seine Person, seine Lehren und seine Wunder reagierte. Von dem Unglauben der Leute war er nicht überrascht, aber darüber, wie sie ihn ablehnen konnten, obwohl sie den Anspruch hatten, alles über ihn zu wissen. Glauben hätte die Antwort in dieser Stadt Galiläas sein sollen, dem Gebiet, in dem Christus so viele Wunder tat und so vieles lehrte. Dörfer ringsumher. Das Ergebnis von Jesu Besuch in Nazareth war, dass er es bald wieder verließ und seinen Lehrdienst in anderen Orten Galiläas weiterführte (vgl. Mt 9,35).
6,7 die Zwölf. S. Anm. zu 3,16-19; Mt 10,2-4. Die zwölf Jünger waren inzwischen eine von Gott beauftragte, anerkannte Gruppe. auszusenden. Die Form dieses gr. Verbs zeigt an, dass Jesus jedes Paar individuell beauftragte, als seine Stellvertreter hinauszugehen. zwei und zwei. Das war eine wohl überlegte Verfahrensweise (vgl. Pred 4,912), die angewandt wurde von jüdischen Almoseneinsammlern, von Johannes dem Täufer (Lk 7,19), von Jesus auch zu anderen Gelegenheiten (11,1; 14,13; Lk 10,1) und von der frühen Gemeinde (Apg 13,2.3; 15,39-41; 19,22). Diese Gewohnheit brachte den Jüngern gegenseitige Hilfe und Ermutigung und erfüllte die Forderung des Gesetzes nach einem wahren Zeugnis (5Mo 19,15). die unreinen Geister. S. Anm. zu 1,23; 5,2.
6,8 einen Stab. Der Wanderstab, ein allgemein verbreiteter Weg- gefährte von Reisenden in jenen Tagen, der auch die Möglichkeit zum Schutz vor Räubern und wilden Tieren bot. keine Tasche. Sie sollten nicht die übliche Lederreisetasche oder ein Nahrungsbehältnis bei sich führen.
6,9 genauer zitiert, hält Markus fest, dass Jesus den Sinn der Worte Jesajas wiedergibt. damit sie nicht etwa umkehren. Dies bedeutet, dass Ungläubige sich nicht von der Sünde wegwenden wollen (s. Anm. zu Mt 13,3.13). 6,9 Sandalen an den Füßen tragen. Normales Schuhwerk be- stand aus Leder- oder Holzsohlen, das mit Riemen um Knöchel und Spann gebunden wurde. »Sandalen« waren ein notwendiger Schutz für die Füße angesichts der heißen und rauen Wege in Galiläa. und nicht zwei Hemden anziehen. »Hemden« gehörten zum festen Bestandteil der Kleidung. Männer von relativem Wohlstand trugen zwei Hemden, aber Jesus wollte, dass die Jünger sich mit den einfachen Leuten identifi zieren und nur mit einem Minimum an Kleidung reisen.
6,10 Die Jünger sollten sich sorgfältig aussuchen, wo sie blieben (vgl. Mt 10,11); waren sie aber einmal dort, sollte ihr einziges Augenmerk dem Dienst gelten. Zufriedenheit mit ihrem ersten Gastgeber und seiner Unterkunft würde während ihres Dienstes ein Zeugnis für andere sein (vgl. 1Tim 6,6).
6,11 schüttelt den Staub von euren Füßen. Eine symbolische Handlung, die einen völligen Verzicht auf weitere Gemeinschaft mit Personen anzeigte, von denen sie zurückgewiesen wurden (s. Anm. zu Mt 10,14). Wenn die Jünger diese Geste zeigten, bedeutete es, dass die Leute Jesus und das Evangelium abgelehnt hatten, und folglich ihrerseits von den Jüngern und dem Herrn verworfen wurden. Es wird Sodom und Gomorra erträglicher gehen. Menschen, die Christi errettendes Evangelium der Gnade ablehnen, eilen einem Schicksal entgegen, das schlimmer ist als das der Heiden in den beiden Städten des ATs, welche durch göttliches Gericht umkamen (s. Anm. zu 1Mo 19,24; Mt 10,15).
6,12 verkündigten … und trieben viele Dämonen aus. Vgl. V. 7. Sie waren Boten des Evangeliums und hatten wiederholten Erfolg beim Austreiben von bösen Geistern aus Menschen. Das zeigt die Macht Christi über die geistliche Welt und bestätigt seinen Anspruch, Gott zu sein. 6,12 Buße tun. S. Anm. zu 1,15; Mt 3,2.
6,13 salbten viele Kranke mit Öl. Zur Zeit Jesu wurde Olivenöl oftmals zu medizinischen Zwecken verwendet (vgl. Lk 10,34). Aber hier stellt es die Kraft und Gegenwart des Heiligen Geistes dar und wird symbolisch in Beziehung zur übernatürlichen Heilung benutzt (vgl. Jes 11,2; Sach. 4,1-6; Mt 25,2-4; Offb 1,4.12). Als altbekanntes Heilmittel war das von den Jüngern beim Dienst an den Kranken verwendete Öl ein angemessenes und reales Element, das den Menschen vertraut war.
6,14 König Herodes hörte. S. Anm. zu Mt 14,1. Aus dem Kontext geht hervor, dass Herodes schon einige aufregende Neuigkeiten über Jesus gehört hatte, bevor es zu dem jüngsten Predigen der Jünger und dem Wunderwirken in Galiläa kam. Johannes der Täufer. Der Vorläufer Christi (s. Anm. zu 1,4-7; Mt 3,1.4.6).
6,15 Es ist Elia. Diese Identifi zierung Jesu, die unter den Juden wahrscheinlich mehrfach diskutiert wurde, basierte auf der jüdischen Erwartung, dass der Prophet Elia vor dem Erscheinen des Messias wiederkommen werde (s. Anm. zu Mal 3,23; Mt 11,14; Lk 1,17). ein Prophet … einer der Propheten. Einige sahen Jesus als die Erfüllung von 5Mo 18,15, der messianischen Prophetie, die auf den Einen schaute, der wie Mose sein Volk führen würde. Andere waren willens, Jesus nur als großen Propheten anzusehen oder als jemanden, der die unterbrochene Linie der Propheten des ATs wieder aufnahm. Diese und andere Ansichten, obgleich fehl am Platz, zeigen, dass die Menschen Jesus dennoch für etwas Besonderes hielten oder in irgendeiner Weise für übernatürlich.
6,16 Johannes … ist aus den Toten auferstanden! Mit diesem erregten und schuldbeladenen Eingeständnis zeigte Herodes, dass er das Böse, das er getan hatte, als er Johannes den Täufer enthaupten ließ, nicht vergessen konnte, und dass sein Gewissen in ihm die unheimliche Furcht erzeugte, dass Johannes aus den Toten auferstanden sei (vgl. Mt 14,1.2; Lk 9,7-9).
6,17 Johannes ergreifen und ihn im Gefängnis binden las- sen. Herodes ließ ihn im Gefängnis fesseln, wahrscheinlich in Machärus, nahe des Nordostufers des Toten Meeres. Herodes’ Absicht war es, Johannes vor den Verschwörungen der Herodias zu schützen (vgl. V. 20). Herodias. Herodes’ Nichte, die Tochter seines Halbbruders Aristobul. Philippus. Herodes Philippus II, ein weiterer Halbbruder des Herodes Antipas (dem Herodes in dieser Bibelstelle). So war Philippus ein Onkel von Herodias (s. Anm. zu Mt 14,3).
6,18 Johannes hatte … gesagt: Es ist dir nicht erlaubt. Die Zeitform des gr. Verbs und Markus’ Wortwahl geben zu erkennen, dass Johannes Herodes Antipas wiederholt in persönlichen Auseinandersetzungen gemahnt hatte, dass seine Ehe mit Herodias gegen das mosaische Gesetz war (s. Anm. zu Mt 14,3; vgl. Mt 3,7-10).
6,20 Herodes fürchtete den Johannes, was andeutet, dass Hero- des’ Kontakte zu Johannes ihn in großen inneren Konfl ikten zurückließen – ein moralischer Streit zwischen seiner Lust zu Herodias und seinem schlechten Gewissen.
6,21 Großen. Dieser Begriff könnte auch mit »Edlen« übersetzt werden. Es waren Männer, die unter Herodes hohe Ämter bekleideten. Obersten. Hochrangige Militärs (gr. chiliarchois), von denen jeder 1.000 Mann befehligte. den Vornehmsten von Galiläa. Die wichtigsten gesellschaftlichen Persönlichkeiten der Gegend. 6,22 Tochter der Herodias. Salome, ihre Tochter von Philippus (s. Anm. zu Mt 14,6). tanzte. Gemeint ist ein Solo-Tanz mit äußerst aufreizenden Hand- und Körperbewegungen, vergleichbar einem modernen Striptease. Es war ungewöhnlich und nahezu beispiellos, dass Salome in dieser Weise vor den Gästen des Herodes tanzte (vgl. Est 1,11.12).
6,23 bis zur Hälfte meines Königreichs. Das war eine Übertrei- bung, um die bisher gezeigte Zurschaustellung seines Prunks noch zu erhöhen. Als römischer Tetrarch hatte Herodes im Grunde gar kein »Königreich« zu vergeben.
6,26 doch um des Eides … willen. Herodes fühlte sich als Mo- narch gebunden, da Eide als heilig und unumstößlich angesehen wurden (s. Anm. zu Mt 5,34; 14,9).
6,27 Wache. Ursprünglich ist ein Spion oder Späher gemeint, später wurde das Wort aber für Mitarbeiter eines römischen Tribuns verwendet. Sie dienten als Kuriere und Leibwachen und ebenso als Henker. Herodes umgab sich der Gewohnheit nach mit solchen Männern.
6,31 Kommt ihr allein. Jesu Einladung zum Rückzug in die Wüste war auf die Zwölf begrenzt. Er wusste, dass sie Ruhe und Abgeschiedenheit brauchten nach ihrem ermüdenden Dienst und dem ständigen Menschengedränge.
6,32 sie fuhren allein zu Schiff. Die Jünger hörten auf seinen Vor- schlag und verließen sein Hauptquartier mit dem gleichen Boot wie in 5,2. 6,33 sie liefen … zu Fuß. Die Richtung (dem nordöstlichen Ufer des Sees entgegen) und die Geschwindigkeit des Schiffes, sowie das Fehlen von sofort verfügbaren Booten, ließ die Menge an Land folgen. kamen ihnen zuvor. Dies wird nur in den Aufzeichnungen von Markus erwähnt. Es bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass alle vor dem Schiff eintrafen, da die Entfernung über Land wahrscheinlich 13 km betrug – doppelt so viel wie die 6,5 km per Schiff. Vielmehr waren die Jungen und Eifrigen aus der Menge in der Lage, die anderen und das Schiff hinter sich zu lassen (wohl möglich, weil das Schiff ohne Wind blieb oder Gegenwind hatte) und vor dem Eintreffen des Schiffes am Ufer zu sein (vgl. Mt 14,13.14; Lk 9,11; Joh 6,3.5).
6,34 hatte Erbarmen mit ihnen. S. Anm. zu Mt 9,36. sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Ein atl. Bild (vgl. 4Mo 27,17; 1Kö 22,17; 2Chr 18,16; Hes 34,5), das zur Beschreibung von hilfl osen und hungernden Menschen ohne geistliche Führung und Schutz verwendet wurde, die den Gefahren der Sünde und geistlicher Zerstörung ausgesetzt waren. 6,37 200 Denare. Ein einziger Denar (s. Anm. zu Mt 22,19) war gleichbedeutend mit dem täglichen Lohn eines Tagelöhners (vgl. Mt 20,2). »Zweihundert« sind somit der Lohn für 8 Monate, was weit außerhalb der Mittel der Jünger lag (oder jedes Durchschnittsverdieners).
6,38 Brote. Wörtl. »Brotkuchen« oder »Brotfl aden«.
6,39 ins grüne Gras. Dies Detail lässt darauf schließen, dass es in der regenreichen Frühlingszeit war, bevor der heiße Sommer das Gras trocken und braun werden ließ.
6,40 zu hundert und zu fünfzig. Eine symmetrische Sitzord- nung von möglicherweise 50 Halbkreisen mit je 100 Leuten, wobei die Halbkreise hintereinander in Reihen angeordnet waren. Eine solche Anordnung war den Juden während ihrer Feierlichkeiten vertraut und erleichterte das Austeilen von Nahrung.
6,41 blickte zum Himmel auf. Eine typische Gebetshaltung für Je- sus (vgl. 7,34; Lk 24,35; Joh 11,41; 17,1). Der Himmel wurde allgemein als der Wohnort des Vaters angesehen (Mt 6,9).
6,42 alle aßen und wurden satt. Der Hunger jedes Einzelnen in der Menge wurde vollkommen gestillt (vgl. Joh 6,11).
6,43 zwölf Körbe voll. Die »Körbe«, anscheinend die gleichen, mit denen die Lebensmittel gebracht wurden, waren kleine Behältnisse aus Korbgefl echt und entsprachen denen, die die Juden zum Tragen von Nahrung gebrauchten.
6,44 5 000 Männer. Somit gehörten zu der geschätzten Zahl kei- ne Frauen und Kinder (vgl. Mt 14,21). Die Frauen und Kinder saßen beim Essen traditionell getrennt von den Männern. Wenn man sie hinzufügt, sollte man auf eine Zahl von wenigstens 20.000 Personen kommen.
6,45 das Schiff. S. Anm. zu V. 32. vorauszufahren. Eine Andeu- tung, dass Jesus sich den Jüngern später wieder anschließen wollte. Bethsaida. Die Stadt lag auf der Ostseite des Sees von Galiläa und nördlich von Kapernaum (Mt 11,21).
6,46 Berg. Die ganze Ostseite des Sees von Galiläa ist bergig, mit steilen Abhängen, die zu einem Plateau führen. Auf einem der Hänge gab es einen guten Platz zum Gebet, außerhalb der Reichweite der Mengen (vgl. Joh 6,15).
6,47 mitten auf dem See. Beim Überqueren des nördlichen Endes des Sees wären sie dann normalerweise 1,5 km bis 3 km vom Ufer entfernt gewesen. Aber in diesem Fall hatte der Wind das Schiff mehrere Kilometer nach Süden getrieben, näher zur Mitte des Sees (vgl. Mt 14,24).
6,48 vierte Nachtwache. Zwischen 3 und 6 Uhr nachts. auf dem See gehend. Die Zeitform des Verbs beschreibt ein stetes Fortschreiten, ungehindert von den Wellen. wollte bei ihnen vorübergehen. Die wörtlichere Wiedergabe »wünschte nebenherzugehen« deutet hier Jesu Absicht an. Er wollte den Glauben der Jünger prüfen, deshalb änderte er bewusst seine Richtung und ging parallel zum Schiff, um zu sehen, ob sie ihn und seine übernatürlichen Fähigkeiten erkennen und ihn einladen würden, ins Schiff zu steigen.
6,49 ein Gespenst. Eine Erscheinung oder ein imaginäres Wesen. Von dem gr. Wort stammt unser deutsches »Phantom«. Aufgrund der Unwahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses, wegen ihrer Müdigkeit und aus Angst vor dem Sturm glaubten die Zwölf zuerst nicht, dass diese Gestalt Jesus sei – obschon alle ihn sahen.
6,50 Seid getrost. Dieser Befehl steht in den Evangelien immer in Verbindung mit einer Angst- und Besorgnis erregenden Situation (vgl. 10,49; Mt 9,2.22; 14,27; Lk 8,48; Joh 16,33; Apg 23,11), er machte den Jüngern jedesmal Mut. ich bin‘s. Diese Feststellung identifi zierte die Gestalt deutlich als den Herrn Jesus, nicht als irgendein Phantom. Es gibt auch die Selbstoffenbarung Gottes im AT wieder (vgl. 2Mo 3,14).
6,52 sie waren nicht verständig geworden durch die Brote. Das erklärt, weshalb die Jünger über das gerade Geschehene so übermäßig erstaunt waren. Da sie die wirkliche Bedeutung des Wunders vom Nachmittag nicht verstanden hatten, konnten sie auch Jesu übernatürliches Wesen nicht erfassen, das er ihnen durch das Wandeln auf dem See offenbarte. ihr Herz war verhärtet. Vgl. 8,17. Die Jünger konnten die Worte des Herrn nicht begreifen, weil ihr Verstand nicht aufnahmebereit war (vgl. 4,11.12). Diese Aussage drückt Rebellion aus, nicht nur Unwissenheit (s. Anm. zu 3,5).
6,53 Genezareth. S. Anm. zu Mt 14,34.
6,56 freien Plätze. Offene Plätze, die für gewöhnlich innerhalb der Stadtmauern oder nahe des Zentrums lagen, wo die Menschen zu den unterschiedlichsten Geschäften und sozialen Gepfl ogenheiten zusammenkamen. Der Ausdruck könnte hier auf seine ursprüngliche Bedeutung aller Orte schließen lassen, an denen sich Menschen im Allgemeinen versammeln. Die Leute brachten die Kranken zu solchen Plätzen, weil es wahrscheinlicher war, dass Jesus hier vorbeikommen würde. seines Gewandes. S. Anm. zu 5,28.
7,1 Pharisäer … die von Jerusalem gekommen waren. Diese Delegation von führenden Vertretern des Judentums kam von Jerusalem wahrscheinlich auf Gesuch der galiläischen Pharisäer. Schriftgelehrte. S. Anm. zu 3,22; Mt 2,4.
7,2 unreinen. Die Jünger Jesu wurden beschuldigt, ihre Hände vor dem Essen nicht zeremoniell gereinigt zu haben. Somit hatten sie keinen Abstand von der Verunreinigung genommen, die mit weltlichen Dingen in Verbindung stand.
7,3 gewaschen. Diese Waschung hatte nichts mit dem Waschen von schmutzigen Händen zu tun, sondern war eine zeremonielle Reinigung. Die Zeremonie beinhaltete, dass jemand Wasser aus einem Krug über die Hände einer anderen Person goss, deren Finger nach oben zeigen mussten. Solange das Wasser auf das Handgelenk tropfte, konnte der Betreffende mit dem nächsten Schritt fortfahren. Anschließend wurde ihm Wasser über beide Hände gegossen, wobei die Finger diesmal nach unten wiesen. Danach musste jede Hand mit der Faust der jeweils anderen Hand gerieben werden. Überlieferung der Alten. Diese Sammlung von außerbiblischen Gesetzen und Interpretationen der Schrift hatte die Schrift als die höchste religiöse Autorität im Judentum abgelöst (s. Anm. zu Mt 15,2).
7,4 Markt. S. Anm. zu 6,56. Polstern. In den besseren Handschrif- ten fi ndet sich das Wort nicht.
7,5 Warum wandeln deine Jünger nicht. Die Pharisäer und Schriftgelehrten gingen zum Meister der Jünger, um eine Erklärung für das angeblich schlechte Verhalten der Jünger zu erhalten. In Wirklichkeit beschuldigten sie Jesus, dass er seine Jünger gelehrt habe, die Überlieferungen der Alten nicht zu achten. ungewaschenen Händen. S. Anm. zu V. 3.
7,6 hat Jesaja … geweissagt. Jes 29,13 wird aus der gr. Überset- zung des ATs (LXX) nahezu wörtlich zitiert. Jesajas Prophetie entspricht genau dem Handeln der Pharisäer und Schriftgelehrten (s. Anm. zu Jes 29,13). Heuchlern. Geistliche Schwindler (s. Anm. zu Mt 6,2); sie folgten menschlichen Überlieferungen, da diese Lehren nur eine mechanische und gedankenlose Ausführung verlangten – aber kein reines Herz.
7,8 Gebot Gottes … Überlieferung der Menschen. Zuerst be- schuldigt Jesus sie, alle im Wort Gottes enthaltenen Gebote verlassen, und anschließend, den Standard Gottes gegen den von Menschen vertauscht zu haben. S. Anm. zu Mt 15,2. 7,10 Mose hat gesagt. Ein Zitat aus 2Mo 20,12 (das 5. Gebot) und 2Mo 21,17. Beide sprechen ausdrücklich von der Pfl icht, die Eltern zu ehren, wozu gehört, sie mit Achtung, Liebe, Ehrfurcht, Würde zu behandeln und sie fi nanziell zu unterstützen. Das zweite Zitat zeigt, wie ernst Gott diese Pfl icht nimmt.
7,11 Korban. Ein hebr. Ausdruck, der »Gabe für Gott« bedeutet. Gemeint ist jede Gabe von Geld oder Besitz, die ein Mensch gelobt, ausdrücklich Gott zu widmen. Wegen einer solchen Hingabe konnte das Geld oder der Besitz ausschließlich zu heiligen Zwecken verwendet werden.
7,13 hebt ihr mit eurer Überlieferung … das Wort Gottes auf. »Hebt … auf« meint »der Autorität berauben« oder »ungültig machen«. Die zweifelhafte »Überlieferung« erlaubte es jedem, seinen ganzen Besitz »Korban« zu nennen (s. Anm. zu V. 11). Wenn ein Sohn mit seinen Eltern im Streit lag, konnte er sein Geld und seine Habe für »Korban« erklären. Da die Schrift lehrt, dass jedes Gelöbnis an Gott nicht gebrochen werden konnte (ab 4Mo 30,3), durfte sein Besitz für nichts anderes verwendet werden als für Gott, und somit auch nicht zur fi nanziellen Unterstützung der Eltern. Jesus verurteilte jedoch diese Praktiken, indem er zeigte, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten sich schuldig gemacht hatten, weil sie das Wort Gottes (und sein Gebot, die Eltern zu ehren) durch ihre Überlieferungen aufhoben.
7,16 In den besten Handschriften taucht dieser Vers nicht auf.
7,18 ihn … verunreinigen. S. Anm. zu V. 2.
7,19 Da Nahrung lediglich physisch ist, verunreinigt sich niemand durch das Essen in seinem Herzen oder den inneren Menschen, welcher geistlicher Natur ist. Physische Verschmutzung, einerlei wie groß, kann keine geistliche oder moralische Verunreinigung hervorrufen. Ebenso wenig können äußere Zeremonien und Rituale einen Menschen geistlich reinigen. alle Speisen reinigt. Indem er die Tradition der Handwaschung verwarf, nahm Jesus in Wirklichkeit die Beschränkungen der Speisevorschriften hinweg. Markus’ Kommentar hat den Vorteil, dass er in der Rückschau auf das Ereignis blickt. Zudem war er zweifelsfrei von Petrus’ Erfahrung (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit) in Joppe beeinfl usst (s. Anm. zu Apg 10,15).
7,20 Was aus dem Menschen herauskommt. Das verunreinigte Herz eines Menschen kommt sowohl durch seine Worte als auch seine Taten zum Ausdruck (s. Anm. zu Mt 15,11; vgl. 12,34-37). verunreinigt. S. Anm. zu V. 2.
7,21 Ehebruch. Wörtl. Hurereien.
7,22 Zügellosigkeit. Wörtl. ungehemmtes, schamloses Verhalten. Neid. Ein hebr. Ausdruck, wörtl. »böses Auge« (5Mo 28,54; Spr 23,6; Mt 20,15).
7,24 Tyrus … Zidon. S. Anm. zu 3,8. wollte aber nicht, dass es jemand erfuhr. Jesus wollte in diesem Gebiet nicht öffentlich dienen. Wahrscheinlich suchte er Zeit, um sich von der Belastung durch die jüdischen Führer auszuruhen, und eine Gelegenheit, um die Jünger auf die herannahende Kreuzigung und ihren Dienst weiter vorzubereiten. 7,25 unreinen Geist. Ein Dämon (s. Anm. zu 1,23; vgl. Mt 15,22).
7,26 Griechin. Eine Nicht-Jüdin in Bezug auf Sprache und Religion (s. Anm. zu Röm 1,14). Syrophönizien. Phönizien war zu jener Zeit Teil der Provinz Syrien. Mt 15,22 fügt hinzu, dass sie ein Nachkomme der Kanaaniter war.
7,27 zuvor. Jesu Illustration war im Wesentlichen eine Prüfung des Glaubens der Frau. Jesus hatte die Verantwortung, das Evangelium »zuvor« den Kindern Israels zu predigen (vgl. Röm 1,16; 15,8). Das deutete aber an, dass eine Zeit kommen werde, in der die Nationen die Segnungen Gottes empfangen würden. das Brot der Kinder nimmt und es den Hunden hinwirft. »Das Brot der Kinder« bezieht sich auf den Segen Gottes, den er den Juden anbot. Das Bild lässt darauf schließen, dass die »Hunde« (Nationen) einen Platz in Gottes Haushaltung hatten, allerdings nicht den ersten (s. Anm. zu Mt 15,26). Hunden. Anzunehmen ist, dass hier Haustiere gemeint waren, denn im Gr. steht hier die Verkleinerungsform »Hündlein«. Jesus sprach von den Nationen, doch verwendete er nicht die verächtliche Form, die von den Juden üblicherweise für sie benutzt wurde – räudige, bissige Köter.
7,28 Ja, Herr. Bezeichnend für den demütigen Glauben und die ver- ehrende Haltung der Frau. Sie wusste, dass sie eine Sünderin war und den Segen Gottes nicht verdiente. Ihre Antwort war vollends durch fehlenden Stolz und mangelndes Selbstvertrauen gekennzeichnet, worauf Jesus reagierte, indem er ihrer Bitte entsprach (V. 29.30).
7,31 er verließ das Gebiet von Tyrus und Zidon … See von Galiläa. Jesus reiste von Tyrus 30 km nordwärts und ging durch Zidon, was tief im Gebiet der Nationen lag. Von hier ging er nach Osten, überquerte den Jordan und reiste südwärts entlang des Ostufers des Sees von Galiläa. Dekapolis. S. Anm. zu 5,20.
7,33 legte seine Finger in seine Ohren. Da der Mann nicht hören konnte, benutzte Jesus seine eigene Form der Zeichensprache, um ihm mitzuteilen, dass er ihn von seiner Taubheit heilen wollte. und berührte seine Zunge mit Speichel. Auch das ist eine Form der Zeichensprache, durch die Jesus dem Mann Hoffnung auf die Wiederherstellung seiner Sprachfähigkeit geben wollte.
7,34 Ephata. Ein aramäisches Wort, das Markus im Anschluss er- klärt.
7,36 es niemand sagen. Obwohl Jesus den Heiden in ihren Nöten diente, war es dennoch seine Absicht, nicht öffentlich unter ihnen zu wirken. S. Anm. zu 1,44.
8,1 Während alle Evangelien von der Speisung der 5.000 be- richten, wird die Speisung der 4.000 nur von Matthäus (15,32-38) und Markus erwähnt. 8,1 eine sehr große Volksmenge. Wahrscheinlich wegen der weit verbreiteten Nachricht von der Heilung des Taubstummen (7,36). 8,2 Ich bin voll Mitleid. Nur hier und in der Parallelstelle (Mt 15,32) wendet Jesus diese Worte auf sich selbst an. Als er die 5.000 speiste, drückte Jesus »Erbarmen« mit dem verlorenen geistlichen Zustand der Menschen aus (6,34), hier mit ihren physischen Nöten (vgl. Mt 6,8.32). Jesus konnte ihren Hunger nachempfi nden, da er ihn selbst erfahren hatte (Mt 4,2). verharren nun schon drei Tage bei mir. Das spiegelt den Eifer der Menge wider, Jesu Lehre zu hören und seine Heilungen zu erleben (vgl. Mt 15,30). Dass sie schon einige Zeit vor der wundersamen Speisung bei ihm waren, unterscheidet dieses Ereignis von der früheren Speisung der 5.000, bei der die Menge sich an einem Tag zusammenfand, aß und sich wieder aufl öste (Mt 14,14.15.22.23).
8,4 Woher könnte jemand diese … mit Brot sättigen? Ange- sichts der vorherigen Speisung der 5.000 empfi nden manche die Frage der Jünger als unglaublich. Aber sie entsprach ihrer geistlichen Schwerfälligkeit und ihrem mangelnden Verständnis (vgl. V. 14-21; 6,52). in der Einöde. Die Dekapolis-Region (s. Anm. zu 5,20) war nicht so dicht besiedelt wie Galiläa.
8,5 Brote. Brotfl aden, die leicht in kleinere Stücke geteilt werden konnten.
8,8 sieben Körbe. Nicht die gleichen Körbe wie bei der Speisung der 5.000 (6,43). Jene waren kleine Körbe, die für gewöhnlich von den Juden benutzt wurden, um auf der Reise ein bis zwei Mahlzeiten einzunehmen. An dieser Stelle bezieht sich das gr. Wort auf große Körbe (groß genug, um einen Mann aufzunehmen, Apg 9,25), die von den Heiden gebraucht wurden. Was mit den Resten geschah, wird nicht berichtet. Wahrscheinlich wurden sie auf die Menge verteilt als Wegzehrung für ihre Rückreise, da die Jünger sie offensichtlich nicht mitnahmen (vgl. V. 14).
8,9 4 000. Angegeben ist nur die Anzahl Männer; Frauen und Kinder sind noch nicht hinzugerechnet (Mt 15,38). Das könnte auf eine Zahl von wenigstens 16.000 Menschen hinweisen.
8,10 Dalmanutha. Dieser Ort wird in der gesamten weltlichen Li- teratur nicht erwähnt und im NT nur hier. Das Gebiet ist unbekannt, lag aber offenbar in der Region nahe Magdala (vgl. Mt 15,39, hier ist Magadan die bevorzugte Version). In jüngster Vergangenheit, als am See von Galiläa der niedrigste jemals gemessene Wasserstand zu verzeichnen war, haben archäologische Ausgrabungen in der Region mehrere bis dahin unbekannte Ankerplätze zum Vorschein gebracht. Ein kleiner Hafen wurde zwischen Magdala und Kapernaum gefunden, welcher Dalmanutha sein könnte.
8,11 Pharisäer. S. Anm. zu 2,16; Mt 3,7. Zeichen vom Himmel. Die skeptischen Pharisäer forderten weitere wundersame Beweise für Jesu messianische Ansprüche. Sie waren mit den zahllosen Wundern, die er auf Erden gewirkt hatte, nicht zufrieden und verlangten eine Art Himmelswunder. Nachdem Jesus ihnen mehr Beweise als genug gegeben hatte, lehnte er es ab, ihrer geistlichen Blindheit entgegenzukommen. Das höchste Zeichen zur Bestätigung seines Anspruches, der Sohn Gottes zu sein, sollte seine Auferstehung werden (Mt 12,39.40).
8,13 jenseitige Ufer. Gemeint ist das nordöstliche Ufer, wo Bethsai- da lag (V. 22).
8,15 dem Sauerteig der Pharisäer und … des Herodes. »Sau- erteig« ist im NT ein Bild von Einfl uss (s. Anm. zu Mt 13,33) und symbolisiert meistens den bösen Einfl uss der Sünde. Der »Sauerteig« der Pharisäer beinhaltete ihre falsche Lehre (Mt 16,12) und ihr heuchlerisches Benehmen (Lk 12,1); der »Sauerteig« des Herodes Antipas war sein unmoralisches, verdorbenes Verhalten (vgl. 6,17-29). Die Pharisäer und Herodianer hatten sich gegen Christus zusammengeschlossen (3,6).
8,17 Was macht ihr euch Gedanken … kein Brot habt? Jesu Frage war ein Tadel an die Jünger, da sie ihn gänzlich missverstanden hatten (s. Anm. zu V. 15). Er war mit geistlicher Wahrheit beschäftigt, nicht mit irdisch-physischen Dingen. noch euer verhärtetes Herz. D.h., sie waren widerspenstig, für geistliche Dinge unempfänglich und unfähig, geistliche Wahrheit zu verstehen (s. Anm. zu 3,5; 6,52).
8,18 Die fünf Fragen Jesu waren ein weiterer Tadel an die Jünger wegen ihrer Herzenshärte, und erinnerten sie zudem an seine Fähigkeit, jeden Mangel zu stillen.
8,21 Warum seid ihr denn so unverständig? Ein Appell, der auf den gerade gestellten Fragen basiert. Die Parallelstelle bei Matthäus zeigt, dass die Jünger ihn schließlich doch verstanden (Mt 16,12).
8,22 Das zweite der beiden Wunder Jesu, die nur bei Markus beschrieben sind (vgl. 7,31-37). Außerdem ist es die erste von zwei Blindenheilungen im Markus-Evangelium (vgl. 10,46-52). 8,22 Bethsaida. S. Anm. zu 6,45.
8,23 spie ihm in die Augen. Diese Handlung und die Berührung seiner Augen durch die Hände Jesu (V. 25) dienten offenbar dazu, dem Blinden, (der natürlicherweise auf seine anderen Sinne wie z.B. den Tastsinn angewiesen war) zu versichern, dass Jesus seine Augen heilen würde (vgl. 7,33; Joh 9,6).
8,26 nicht ins Dorf hineingehen. Jesus führte den Blinden aus der Stadt raus, bevor er ihn heilte (V. 23), wahrscheinlich, um die Öffentlichkeit und den sich ansonsten ergebenden Andrang der Massen zu vermeiden. Im Gegensatz zu anderen Personen zuvor (vgl. 1,45; 7,36) gehorchte er offensichtlich.
8,27 Cäsarea Philippi. Eine Stadt etwa 40 km nördlich von Beth- saida in der Nähe des Berges Hermon, nicht zu verwechseln mit Cäsarea am Mittelmeer, etwa 95 km nordwestlich von Jerusalem.
8,28 Elia. S. Anm. zu 6,15; Mal 3,23; Mt 11,14; Lk 1,17.
8,29 Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Nachdem sie von den vor- herrschenden irrigen Ansichten über ihn berichtet hatten (V. 28), fragte er seine Jünger nach ihrer eigenen Einschätzung. Die Antwort, die ein Mensch auf diese Frage gibt, wird sein ewiges Schicksal bestimmen. Du bist der Christus. Ohne Zögern antwortet Petrus stellvertretend für die Zwölf (vgl. Mt 14,28; 15,15; 17,4; 19,27; 26,33; Joh 6,68; 13,36), klar und unmissverständlich bestätigt er, dass sie glaubten, dass Jesus der Messias sei.
8,30 sie niemand von ihm sagen sollten. Jesu messianischer Auftrag kann ohne das Kreuz nicht verstanden werden, was die Jünger momentan noch nicht begriffen (vgl. V. 31-33; 9,30-32). Die Verkündigung Jesu als Messias hätte zu diesem Zeitpunkt nur das Missverständnis gefördert, dass der Messias ein politisch-militärischer Befreier sei. Das Ergebnis wäre gewesen, dass die Juden, die das Joch Roms unbedingt abstreifen wollten, mit aller Anstrengung versucht hätten, Jesus zum König zu machen (Joh 6,15; vgl. 12,12-19).
8,31 In diesem Abschnitt bereitete Jesus die Jünger auf sei- nen Tod vor, während sie nach Jerusalem reisten. 8,31 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. müsse viel leiden. Die Leiden Jesu und sein Tod waren unumgänglich, da sie von Gott festgelegt waren (Apg 2,22.23; 4,13-15), obgleich sie menschlich gesehen durch die Verwerfung seitens der jüdischen Führer hervorgerufen wurden. S. Anm. zu Ps 118,22.23; Jes 53,3; vgl. 12,10; Mt 21,42. Ältesten. S. Anm. zu 7,3. obersten Priestern. Mitglieder des Sanhedrin und Stellvertreter der 24 Ordnungen der einfachen Priester (vgl. Lk 1,8). Schriftgelehrten. Experten im Gesetz des ATs (s. Anm. zu Mt 2,4). nach drei Tagen. Entsprechend dem Zeichen Jonas (Mt 12,40). auferstehen. In Verbindung mit seinem Tod erwähnte Jesus immer seine Auferstehung (vgl. 9,31; 10,34; Mt 16,21; 17,23; 20,19; Lk 9,22; 18,33), was das langsame Verständnis der Jünger umso unbegreifl icher erscheinen lässt.
8,32 er redete … offen. D.h. nicht in Gleichnissen oder Andeutun- gen (vgl. Joh 16,29). Petrus … fi ng an, ihm zu wehren. Die Jünger konnten die Tatsache eines sterbenden Messias noch immer nicht begreifen (s. Anm. zu V. 30). Wie üblich drückte Petrus (s. Anm. zu V. 29) die Gedanken der restlichen Zwölf aus (vgl. V. 33). Sein dreister Ausbruch offenbarte nicht nur Vermessenheit und Unverständnis, sondern auch eine tiefe Liebe zu Jesus.
8,33 Weiche von mir, Satan! In einer überraschenden Kehrtwen- dung wurde Petrus, der gerade noch als Sprachrohr Gottes gelobt wurde (Mt 16,17-19), anschließend als Sprachrohr Satans verurteilt. Doch der Opfertod Jesu entsprach dem Plan Gottes (Apg 2,22.23; 4,27.28) und jeder, der sich bewusst oder unwissentlich dagegen stellte, trat für das Werk des Teufels ein.
8,34 verleugne sich selbst. Niemand, der nicht zur Selbstverleug- nung bereit ist, kann mit Recht den Anspruch erheben, ein Jünger Jesu Christi zu sein. nehme sein Kreuz auf sich. Das zeigt die Reichweite der Selbstverleugnung – wenn nötig, bis hin zum Tod. Das Ausmaß der Verzweifl ung des bußfertigen Sünders, der sich bewusst ist, dass er sich selbst nicht retten kann, erreicht den Punkt, wo nichts zurückgehalten wird (vgl. Mt 19,21.22). und folge mir nach. S. Anm. zu 1,17; Mt 10,38.
8,35 wer aber sein Leben verliert … der wird es retten. Diese paradoxe Aussage deckt eine wichtige geistliche Wahrheit auf: Menschen, die auf ein leichtes, bequemes Leben aus sind und bei der Welt Annahme suchen, werden das ewige Leben nicht fi nden. Auf der anderen Seite werden diejenigen es fi nden, die ihr Leben um Christi und des Evangeliums willen verlieren (s. Anm. zu V. 34). Vgl. Joh 12,25.
8,36 Leben. Der Kern der Persönlichkeit, der immer existieren wird, entweder im Himmel oder in der Hölle. Alles zu haben, was die Welt bietet, aber Christus nicht zu besitzen, bedeutet für ewig verloren zu sein; aller weltlicher Besitz kann den ewigen Verlust des Lebens nicht ausgleichen. S. Anm. zu Mt 16,26.
8,38 sich meiner und meiner Worte schämt. Jene, die die Forde- rungen der Jüngerschaft zurückweisen, zeigen, dass sie sich der Person Christi und seiner Wahrheit schämen und folglich überhaupt nicht von der Sünde erlöst sind. Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. wenn er kommen wird. Markus’ erste Andeutung auf das zweite Kommen Christi, ein Ereignis, das später in der Rede auf dem Ölberg detaillierter beschrieben wird (13,1-37).
9,1 Wahrlich, ich sage euch. Eine ernste Erklärung, die nur in den Evangelien auftaucht und immer von Jesus ausgesprochen wird. Sie leitet Themen von größter Bedeutung ein (s. Anm. zu 3,28). den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes … kommen sehen. Das Ereignis, an das Jesus dachte, rief unterschiedliche Interpretationen hervor, man vermutete seine Auferstehung und Himmelfahrt, die Sendung des Heiligen Geistes zu Pfi ngsten, die Ausbreitung des Christentums oder die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. Jedoch besteht die beste Auslegung darin, eine Verbindung zwischen der Verheißung des Herrn und seiner anschließenden Verklärung zu ziehen (V. 2-8), die einen Vorgeschmack seines zweiten Kommens in Herrlichkeit bot. Dass alle drei synoptischen Evangelien diese Verheißung unmittelbar vor der Verklärung erwähnen, unterstützt diese Ansicht, ebenso wie die Tatsache, dass das »Reich Gottes« die königliche Pracht Jesu Christi offenbaren wird.
9,2 nach sechs Tagen. Matthäus und Markus geben die Verklärung »sechs Tage« nach der Verheißung Jesu an (V. 1); Lukas, der den Tag, an dem die Verheißung gegeben wurde, und den Tag der Verklärung einschließt, beschreibt die Zeitspanne mit »ungefähr acht Tage« (Lk 9,28). Petrus … Jakobus … Johannes. S. Anm. zu 5,37. Als innerer Kreis der Jünger Jesu war es den Dreien manchmal erlaubt, Begebenheiten mit zu erleben, die den anderen Jüngern vorenthalten blieben (vgl. 14,33). einen hohen Berg. Sehr wahrscheinlich der Berg Hermon (etwa 2.800 m über dem Meeresspiegel), der höchste Berg in der Umgebung von Cäsarea Philippi (vgl. 8,27). verklärt. Von dem gr. Wort mit der Bedeutung »in eine andere Form bringen« oder »umgestaltet sein«. Auf unerklärliche Weise zeigte Jesus den drei Jüngern etwas von seiner göttlichen Herrlichkeit (vgl. 2Pt 1,16).
9,3 glänzend, sehr weiß. Die von Jesus ausgehende göttliche Herr- lichkeit ließ selbst seine Kleider in glänzendem weißen Licht erstrahlen. Licht wird häufi g mit der sichtbaren Gegenwart Gottes in Verbindung gebracht (vgl. Ps 104,2; Dan 7,9; 1Tim 6,16; Offb 1,14; 21,23).
9,4 Elia mit Mose. Sie stehen symbolisch für die Propheten und das Gesetz, die beiden großen Teile des ATs. Die Reihenfolge, erst »Elia« dann »Mose«, ist nur bei Markus zu fi nden (in V. 5 wird die Reihenfolge umgekehrt). redeten mit Jesus. Das Thema war sein bevorstehender Tod (Lk 9,31).
9,5 Rabbi. Wörtl. »mein Meister«. Ein Titel von Ansehen und Ehre, den die Juden geachteten Lehrern verliehen. Im NT wird er auch für Johannes den Täufer verwendet (Joh 3,26). lass uns drei Hütten bauen. Um die ständige Anwesenheit der drei glanzvollen Persönlichkeiten zu sichern. Möglich ist auch, dass der Vorschlag des Petrus seine Überzeugung widerspiegelte, dass das Tausendjährige Reich kurz bevorstand (vgl. Sach. 14,16).
9,7 eine Wolke … überschattete sie. Das war die Wolke der Herr- lichkeit, Schechina, die im ganzen AT Gottes Gegenwart symbolisierte (s. Anm. zu Offb 1,7; vgl. 2Mo 13,21; 33,18-23; 40,34.35; 4Mo 9,15; 14,14; 5Mo 9,33). aus der Wolke kam eine Stimme. Die Stimme des Vaters aus der Wolke schnitt die unbeholfenen Worte des Petrus ab (Mt 17,5; Lk 9,34). Dies ist mein geliebter Sohn. Der Vater wiederholte die Bestätigung seiner Liebe für den Sohn, die er zum ersten Mal bei der Taufe Jesu gab (1,11). Die anderen Darstellungen der Verklärung (Mt 17,5; Lk 9,35) halten diese Worte auch fest, ebenso wie Petrus (2Pt 1,17). auf ihn sollt ihr hören! Jesus, die Person, auf die das Gesetz und die Propheten hinwiesen (vgl. 5Mo 18,15), ist der Eine, dem die Jünger zuhören und gehorchen sollten (vgl. Hebr 1,1.2).
9,9 gebot er ihnen, niemand zu erzählen. S. Anm. zu 8,30. bis der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden sei. Das weist auf die Zeit hin, wenn die wahre Natur des messianischen Auftrags Jesu allen Menschen offenbar wird, dass er gekommen war, um die Sünde und den Tod zu besiegen – und nicht die Römer. Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10.
9,10 was das Auferstehen aus den Toten bedeute. Wie die meisten der Juden (die Sadduzäer bildeten eine auffallende Ausnahme) glaubten die Jünger an eine zukünftige Auferstehung (vgl. Joh 11,24). Was sie verwirrte, war Jesu Andeutung, dass seine eigene Auferstehung nahe bevorstand und folglich auch sein Tod. Die Verwirrung der Jünger ist ein weiterer Beweis, dass sie den messianischen Auftrag Jesu noch immer nicht verstanden hatten (s. Anm. zu V. 9; 8,30).
9,11 Elia müsse zuvor kommen. Vgl. 8,28.29. Diesbezüglich gründete sich die Lehre der Schriftgelehrten nicht auf rabbinische Überlieferungen, sondern auf das AT (Mal 3,1.23). Zur Zeit Jesu war Maleachis Prophezeiung unter den Juden wohl bekannt, und die Jünger versuchten zweifelsohne zu begreifen, wie das mit der eben gesehenen Erscheinung Elias zusammenhing. Die Schriftgelehrten und Pharisäer behaupteten ebenso unmissverständlich, dass Jesus nicht der Messias sein könnte, da Elia noch nicht erschienen war. In ihrer Verwirrung fragten die drei Jünger Jesus nach einer Erklärung.
9,12 Elia kommt wirklich zuvor. Jesus bestätigte die Richtigkeit der schriftlich festgehaltenen Auslegung aus Mal 3,1.23, was die Jünger wohl noch mehr verwirrt haben dürfte. Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. leiden und verachtet werden muss. Jesus stellte heraus, dass die Prophetien über Elia keinesfalls das Leiden und den Tod des Messias ausschlossen, denn auch das prophezeite das AT (z.B. Ps 22; 69,21.22; Jes 53; s. Anm. zu Röm 1,2).
9,13 Elia ist schon gekommen. Jesus antwortete direkt auf die Frage der Jünger: die Prophezeiungen vom Kommen Elias hatten sich bereits in Johannes dem Täufer erfüllt. Obschon er natürlich keine Reinkarnation von Elia war (vgl. Joh 1,21), kam Johannes »im Geist und der Kraft des Elia« und hätte Prophezeiungen erfüllt, wenn sie ihm nur geglaubt hätten (s. Anm. zu Mt 11,14; Lk 1,17). Da sie aber Johannes den Täufer und Jesus verworfen haben, wird ein anderer im Geist und der Kraft des Elia vor der Rückkehr Christi auftreten (s. Anm. zu Mt 11,14; Offb 11,5.6). sie haben mit ihm gemacht. Die jüdischen Führer lehnten Johannes den Täufer ab (Mt 21,25; Lk 7,33), und Herodes tötete ihn (6,17-29). wie über ihn geschrieben steht. Im AT gibt es keine speziellen Prophetien, die vorhersagten, dass der Vorläufer des Messias sterben würde. Deshalb ist diese Aussage am besten durch die Erfüllung im Vorbild zu verstehen. Das für Elia gedachte Schicksal (1Kö 19,1.2) hatte Johannes getroffen. S. Anm. zu Mt 11,11-14.
9,14 den Jüngern. Die neun Jünger, die zurückgeblieben waren.
9,17 hat einen sprachlosen Geist. Der Junge hatte eine dämo- nisch verursachte Sprachunfähigkeit, ein Detail, das nur bei Markus zu fi nden ist.
9,18 sie konnten es nicht. Das Scheitern der Jünger überrascht angesichts der Vollmacht, die Jesus ihnen erteilt hatte (3,15; 6,13).
9,19 O du ungläubiges Geschlecht. Vgl. Ps 95,10. Das Wort »Ge- schlecht« deutet an, dass Jesus nicht nur über den Vater des Jungen und die neun Jünger so urteilte, sondern ebenso über das ungläubige Israel und die ungläubigen Schriftgelehrten, die sich sicherlich über das Scheitern der Jünger freuten (vgl. V. 14).
9,22 um ihn umzubringen. Dieser Dämon war besonders ge- walttätig und gefährlich. Offenes Feuer und unumzäunte Wasserstellen waren im Galiläa des 1. Jhdts. weit verbreitet und boten dem Dämon reichlich Gelegenheit, das Kind zu töten. Die Aussage des Vaters trug zu dieser schrecklichen Situation noch bei. Der Junge war wahrscheinlich von Brandwunden verunstaltet und deshalb ausgestoßen. Die Situation bildete auch eine besondere Härte für seine Familie, die ständig auf den Jungen aufpassen musste, um ihn vor Schaden zu bewahren.
9,23 alles ist möglich. Die ältesten Handschriften lassen das Wort »glauben« aus, was den Satzteil, »wenn du kannst« zu einer Frage oder einem Ausruf Jesu macht. Der mangelnde Glaube des Vaters war das Problem, nicht die fehlende Macht Jesu. Obwohl Jesus häufi g auch ohne den Glauben der Beteiligten heilte, zog er es hier vor, die Kraft des Glaubens zu betonen (vgl. Mt 17,20; Lk 17,6). Jesus heilte eine Unzahl von Menschen, aber viele, wenn nicht sogar die meisten, glaubten nicht an ihn. Vgl. Lk 17,15-19.
9,24 Ich glaube … hilf mir [loszukommen] von meinem Un- glauben! Indem er die Unvollkommenheit seines mit Zweifeln durchsetzten Glaubens eingestand, bat der verzweifelte Vater Jesus, ihm zu helfen und ihm den geforderten größeren Glauben zu geben.
9,25 eine Volksmenge herbeilaufen. Nachdem Jesus die wach- sende Menge bemerkte, handelte er ohne weiteres Zögern, vielleicht um dem Jungen und seinem gequälten Vater zusätzliche Scham zu ersparen. Außerdem tat der Herr keine Wunder, um die Sensationslust der Menschen zu befriedigen (vgl. 8,11; Lk 23,8.9). ich gebiete dir. Jesu absolute Vollmacht über Dämonen wird im NT hinreichend bezeugt (z.B. 1,32-34; 5,1-13; Lk 4,33-35). Seine Heilungen beweisen seine Gottheit durch seine Macht über die natürliche Welt. Seine Vollmacht über Dämonen demonstriert seine Gottheit durch seine Macht über die geistliche Welt.
9,29 Diese Art. Einige Dämonen sind mächtiger und widerspens- tiger, und folglich schwerer auszutreiben als andere (vgl. Mt 12,45). S. Anm. zu Dan 10,10-21. durch nichts … außer durch Gebet. Möglicherweise hatten die Jünger durch ihre früheren Erfolge zu viel Selbstvertrauen gewonnen (vgl. 6,13) und waren nun von ihren Gaben so eingenommen, dass sie sich nicht mehr auf die Macht Gottes stützten. Fasten. Die frühesten Manuskripte lassen dieses Wort aus.
9,30 zogen durch Galiläa. Die Umgegend von Cäsarea Philippi verlassend, zogen Jesus und die Jünger nach Jerusalem, wo er einige Monate später gekreuzigt werden sollte. Ihr unmittelbares Ziel war Kapernaum (V. 33). wollte nicht, dass es jemand erfuhr. Jesus suchte weiterhin die Abgeschiedenheit, um die Jünger auf seinen Tod vorzubereiten (vgl. 7,24).
9,31 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. 9,31 Jesus setzte mit den Belehrungen über seinen bevorstehen- den Tod und seine Auferstehung fort – etwas, das die Jünger nach wie vor nicht verstanden (s. Anm. zu V. 10; 8,30-33).
9,33 Kapernaum. S. Anm. zu 1,21. zu Hause. Das war das Haus, in dem Jesus für gewöhnlich wohnte, wenn er in Kapernaum war. Ob das Haus Petrus gehörte (vgl. 1,29) oder jemand anderem, ist nicht bekannt.
9,34 Sie aber schwiegen. Überführt und verlegen blieben die Jünger sprachlos. wer der Größte sei. Ein Disput, der eventuell durch das Vorrecht der Anwesenheit von Petrus, Jakobus und Johannes bei der Verklärung ausgelöst wurde. Die Auseinandersetzung der Jünger zeigt ihr Versagen, Jesu Lehre über Demut (z.B. Mt 5,3), genauso wie das Beispiel seiner Leiden und seines Todes auf sich anzuwenden (V. 31.32; 8,30-33). Allerdings brachte sie dies dazu, Jesus um die Beilegung des Problems zu bitten, was er auch tat – obschon nicht so, wie sie es erwartet hatten.
9,35 setzte sich. Rabbis setzten sich beim Lehren für gewöhnlich hin (vgl. Mt 15,29; Lk 4,20; 5,3; Joh 8,2). Wenn jemand der Erste sein will. Was die Jünger unbestreitbar wollten (V. 34; vgl. 10,3537). von allen der Letzte und aller Diener. Die so sehr menschliche Vorstellung der Jünger von Größe und Führerschaft musste vollständig umgekehrt werden. Nicht jene, die Macht über andere haben, sind groß im Reich Gottes, sondern die, die anderen in Demut dienen (vgl. 10,31.43-45; Mt 19,30-20,16; 23,11.12; Lk 13,30; 14,8-11; 18,14; 22,24-27).
9,36 ein Kind. Das gr. Wort lässt auf ein Neugeborenes oder Klein- kind schließen. Wenn es das Haus von Petrus war (s. Anm. zu V. 33), könnte es eines seiner Kinder gewesen sein. In der Belehrung des Herrn wurde das Kind zu einem Beispiel für Gläubige, die sich selbst demütigten und zu einem vertrauensvollen Kind wurden.
9,37 Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt. Ge- meint sind nicht wirklich Kinder, sondern wahre Gläubige – jene, die sich gedemütigt haben wie kleine Kinder (s. Anm. zu V. 36).
9,38 Johannes … antwortete. Dies ist das einzige festgehaltene Beispiel in den synoptischen Evangelien, in dem Johannes allein spricht. Angesichts der Zurechtweisung durch Jesus (V. 35-37) bereitete Johannes’ Gewissen ihm Schwierigkeiten bezüglich einer früheren Begebenheit. Sicher ist, dass der ungenannte Dämonenaustreiber kein Betrüger war, denn er trieb die Dämonen wirklich aus. Er war offenbar ein wahrer Gläubiger im Herrn; Johannes und die anderen wehrten ihm, da er im Gegensatz zu ihnen nicht in einer öffentlichen, offi ziellen Verbindung mit Jesus stand.
9,39 Jesus befahl ihnen, ihn nicht weiter zu behindern. Sein Ar- gument war, dass jemand, der aufrichtig in seinem Namen handelte, sich nicht augenblicklich gegen ihn wenden würde. In Bezug auf Jesus Christus gibt es keine Neutralität; »wer nicht gegen uns ist, der ist für uns«, ebenso gilt: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut« (Mt 12,30).
9,41 weil ihr Christus angehört. Jesus betrachtete freundliche Ta- ten gegenüber seinen Nachfolgern als für ihn getan (vgl. Mt 25,37-40). wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28. sein Lohn. Gemeint ist die einzigartige Stellung und der Dienst im ewigen Reich Gottes.
9,42 Wer aber … Anstoß [zur Sünde] gibt. Das Wort, das hier mit »Anstoß zur Sünde gibt« übersetzt wurde, meint wörtl. »ihm zum Ärgernis (zum Fall) wird«. Einen Gläubigen zur Sünde zu verführen oder in die Falle zu locken, ist eine sehr ernste Angelegenheit. der Kleinen, die an mich glauben. S. Anm. zu V. 37. Mühlstein. Das bezieht sich auf einen großen, oberen Mühlstein, der so schwer ist, dass er von einem Esel gedreht werden muss (s. Anm. zu Mt 18,6). Selbst ein so furchtbarer Tod (eine Hinrichtungsform der Nationen) ist der Verführung eines Christen zur Sünde vorzuziehen.
9,43 haue sie ab. S. Anm. zu Mt 5,29. Die Worte Jesu sind im über- tragenen Sinne zu verstehen; kein Akt der Selbstverstümmelung kann mit der Sünde fertig werden, da sie ein Problem des Herzens ist. Der Herr hebt den Ernst der Sünde hervor und die Notwendigkeit aller nötigen Maßnahmen, um sie zu besiegen. Leben. Die Gegenüberstellung von »Leben« und »Hölle« zeigt an, dass Jesus vom ewigen Leben sprach. Hölle. Das gr. Wort bezieht sich auf das Hinnom-Tal nahe Jerusalem, einen Müllplatz, an dem ein permanentes Feuer brannte – eine bildliche Darstellung der ewigen Qual (s. Anm. zu Mt 5,22). das unauslöschliche Feuer. S. Anm. zu Mt 25,46. Dass die Bestrafung in der Hölle in alle Ewigkeit anhält, ist eine unverkennbare Lehre der Schrift (vgl. Dan 12,2; Mt 25,41; 2Th 1,9; Offb 14,10.11; 20,10).
9,44 In den besseren Handschriften fi nden sich diese Verse nicht, die lediglich das Zitat aus Jes 66,24 (s. V. 44) wiederholen.
9,47 Reich Gottes. S. Anm. zu 1,15.
9,49 Die Bedeutung dieses schwierigen Verses ist anscheinend, dass Gläubige durch Leiden und Verfolgung gereinigt werden. Die Verbindung zwischen dem Salz und dem Feuer scheint in den Opfern des ATs zu liegen, zu denen Salz dargebracht wurde (3Mo 2,13).
9,50 Salz ist etwas Gutes. Salz war im 1. Jhdt. im Orient eine unbedingt erforderliche Kostbarkeit. Im heißen Klima, wo es keine Möglichkeiten zum Kühlen gab, war es ein praktisches Mittel, um Nahrung zu konservieren. Habt Salz in euch. Das Wirken des Wortes (Kol 3,16) und des Geistes (Gal 5,22.23) bringt einen gottesfürchtigen Charakter hervor, der einen Menschen befähigt, wie ein Konservierungsmittel in der Gesellschaft zu handeln. Vgl. Mt 5,13. haltet Frieden untereinander. Vgl. Mt 5,9; Röm 12,18; 2Kor 13,11; 1Th 5,13; Jak 3,18.
10,1 jenseits des Jordan. Diese Region war als Peräa bekannt. Je- sus diente dort, bis er kurz vor der Passionswoche nach Jerusalem aufbrach (s. Anm. zu Mt 19,1). Jordan. S. Anm. zu 1,5.
10,2 Pharisäer. S. Anm. zu 2,16. traten herzu und fragten ihn, um ihn zu versuchen. Die Pharisäer hofften den Dienst Jesu öffentlich zu diskreditieren. Der sich daraus ergebende Verlust an Popularität, so hofften sie, würde es leichter machen, ihn zu töten. Auch Peräa (s. Anm. zu V. 1) wurde von Herodes Antipas regiert, der bereits Johannes den Täufer wegen seiner Ansichten über Scheidung und Wiederheirat ins Gefängnis werfen ließ (6,17.18). Zweifelsohne hofften die Pharisäer, dass Jesus ein ähnliches Schicksal widerfahren werde. Ist es … erlaubt … zu entlassen. Die Pharisäer versuchten Jesus mit einer besonders heißen Frage des Judentums im 1. Jhdt. zu fangen: Ehescheidung. Es gab zwei Lehrauffassungen; die eine erlaubte die Ehescheidung aus nahezu jedem Grund, die andere sprach gegen die Scheidung außer bei Ehebruch (s. Anm. zu Mt 19,3). Ohne Zweifel erwarteten die Pharisäer, dass Jesus eine Seite ergreifen werde, durch die er die Unterstützung der anderen verlieren würde.
10,3 Was hat euch Mose geboten? Jesus schaffte die richtige Basis für die Diskussion. Es war nicht eine Frage der rabbinischen Auslegungen, sondern der Lehre der Schrift.
10,4 erlaubt. Wie die Pharisäer einräumen mussten, gebot das mosaische Gesetz die Ehescheidung an keiner Stelle. Die zur Frage stehende Passage in 5Mo 24,1-4 gesteht die Realität von Ehescheidung ein, versucht aber die Rechte und den Ruf der Frau zu schützen und regelt deshalb die Wiederheirat. Scheidebrief. In diesem Dokument musste der Ehemann den Grund der Scheidung angeben, um den Ruf der Frau zu schützen (wenn sie tatsächlich frei von Schuld war). Er diente ihr auch als offi zielle Entlassung aus der Ehe und bestätigte ihr Recht auf Wiederheirat (vorausgesetzt sie hatte sich nicht der Unmoral schuldig gemacht). Der liberale Flügel der Pharisäer hatte 5Mo 24 zugunsten der falschen Lehre ausgelegt, dass Ehescheidung aus jedem Grund »erlaubt« sei (als rechtmäßige Gründe wurden solch geringfügige Dinge angeführt, wie dass sie eine schlechte Köchin sei oder dass der Ehemann eine attraktivere Frau gefunden habe), vorausgesetzt, der ordnungsgemäße Scheidebrief war ausgestellt. Auf diese Weise hatten sie eine bloß nebenbei erwähnte Einzelheit zu der Hauptaussage dieser Stelle aufgebauscht.
10,5 der Härte eures Herzens. S. Anm. zu 3,5; 6,52. Das bezieht sich auf offenkundige, nicht bereute sexuelle Unmoral – Scheidung war ein letzter Ausweg im Umgang mit einer solchen Herzenshärte. Die Pharisäer machten den Fehler, dass sie Gottes gnädige Vorkehrungen zur Genehmigung von Ehescheidung (unter gewissen Umständen) mit der Annahme verwechselten, dass er sie gewollt habe.
10,6 Am Anfang. Ehescheidung war kein Bestandteil von Gottes ursprünglichem Plan für die Ehe, der besagte, dass ein Mann lebenslang mit einer Frau verheiratet sein sollte (1Mo 2,24). Mann und Frau. Wörtl. »männlich und weiblich«, Adam und Eva. Markus zitiert aus 1Mo 1,27; 5,2.
10,7 Jesus reagierte auf das Problem hinter der rabbinischen Haar- spalterei über die formalen Dinge der Ehescheidung mit der Absicht Gottes für die Ehe. Die von ihm zitierte Bibelstelle (1Mo 2,24) nennt drei Gründe für die Unantastbarkeit der Ehe: 1.) Gott erschuf nur zwei Menschen (s. Anm. zu V. 6), nicht eine Gruppe von Männern und Frauen, die ihre Partner nach Belieben wechseln konnten; 2.) das Wort, das mit »zusammengefügt« übersetzt ist, bedeutet wörtl. »zusammenkleben« und spiegelt die Festigkeit des Ehebundes wider; 3.) in Gottes Augen ist ein Ehepaar »ein Fleisch« und bildet eine sichtbare Einheit, die in einem Kind deutlich wird.
10,9 Was nun Gott zusammengefügt hat. Jesus fügte einen vier- ten Grund für die Unantastbarkeit der Ehe hinzu (s. Anm. zu V. 7.8): Gott fügt Ehen zusammen, die folglich vom Menschen nicht gebrochen werden dürfen.
10,11 Wiederheirat nach einer Scheidung – außer aufgrund von rechtmäßigen biblischen Gründen – führt zu Ehebruch. Der unschuldige Teil, dessen Ehepartner über lange Zeit Ehebruch begangen hat und diesen nicht bereut, kann sich wiederverheiraten, ohne des Ehebruchs schuldig zu sein, ebenso wie der Gläubige, dessen ungläubiger Partner die Ehe verlassen hat (s. Anm. zu 1Kor 7,15).
10,13 Kinder. S. Anm. zu 9,36. damit er sie anrühre. D.h., dass er seine Hände auf sie legte und für sie betete (Mt 19,13). Jüdische Eltern suchten gemeinhin den Segen von bekannten Rabbinern für ihre Kinder.
10,14 wehrt ihnen nicht. Jesus tadelte die Jünger, weil sie es un- terbinden wollten, dass die Kinder zu ihm kommen (V. 13). Es lag nicht in ihrer Befugnis, den Zutritt zu Jesus zu gewähren oder zu verwehren (vgl. Mt 15,23). solcher ist das Reich Gottes. Die meisten – wenn nicht sogar alle – dieser Kinder waren wohl zu jung, um zu glauben. Jesu Worte lassen darauf schließen, dass Gott in seiner Gnade den Menschen Errettung gewährt, die zu jung für den Glauben oder geistig behindert sind (s. Anm. zu Mt 19,14). Reich Gottes. S. Anm. zu 1,15.
10,15 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28. wie ein Kind. Mit demütiger, vertrauensvoller Abhängigkeit und dem Eingeständnis, nichts vor Gott Brauchbares getan zu haben.
10,16 segnete sie. S. Anm. zu V. 13.
10,17 einer. Die anderen synoptischen Evangelien zeigen, dass er jung (Mt 19,20) und ein »Oberster« war – wahrscheinlich in der Synagoge (Lk 18,18). Zudem war er wohlhabend (V. 22). was soll ich tun. Durchdrungen von der Gesetzlichkeit seiner Zeit dachte der junge Mann natürlicherweise an irgendwelche religiöse Taten, die ihm ewiges Leben garantieren würden. Sein mangelndes Verständnis vom wahren Wesen der Errettung bedeutet allerdings nicht, dass er unaufrichtig war. das ewige Leben. Mehr als nur ewige Existenz, gemeint ist eine andere Qualität des Lebens. Ewiges Leben ist nur in Christus zu fi nden (s. Anm. zu Joh 3,15.16; vgl. Joh 10,28; 17,2.3; Röm 6,23; 1Joh5,11.13.20). Jene, die es besitzen, sind »vom Tod zum Leben hindurchgedrungen« (Joh 5,24; 1Joh3,14; vgl. Eph 2,1-3); sie sind der Sünde gestorben und leben in Gott (Röm 6,11); sie haben in sich das Leben Christi (2Kor 4,11; Gal 2,20); und sie genießen eine niemals endende Beziehung zu Jesus Christus (Joh 17,3).
10,18 Was nennst du mich gut? Jesus forderte den Obersten zum Nachdenken über die Bedeutung auf, die er ihm mit der Bezeichnung »gut« beimaß. War er bereit, die Gottheit Jesu anzuerkennen, da nur Gott in sich selbst gut ist? Jesus verleugnete durch diese Frage nicht seine Gottheit; im Gegenteil, er bestätigte sie.
10,19 Ein Zitat aus 2Mo 20,12-16. Du sollst nicht rauben. Das entspricht nicht der Formulierung aus den Zehn Geboten und fi ndet sich einzig im Markus-Evangelium. Es scheint eine Umschreibung für das Gebot gegen das Begehren zu sein.
10,20 das alles habe ich gehalten. Seine Antwort war zweifelsoh- ne aufrichtig gemeint, aber trotzdem war sie oberfl ächlich und unwahr. In Bezug auf äußere Handlungen mag er wie Paulus (Phil 3,6) durchaus untadelig gewesen sein, aber nicht was seine innere Haltung und seine Motive betraf (vgl. Mt 5,21-48).
10,21 Jesus … gewann ihn lieb. D.h., dass er großes Erbarmen für diesen aufrichtigen jungen Mann empfand, der nach Wahrheit suchte und dennoch so hoffnungslos verloren war. Gott liebt die Unerretteten (s. Anm. zu Mt 5,43-48). verkaufe alles, was du hast. Jesus stellte zur Errettung nicht die Forderung auf, dass er ein Menschenfreund sein oder in Armut leben müsse, vielmehr deckte er das Herz des jungen Mannes auf. Er war nicht untadelig, wie er behauptete (V. 20), denn er liebte seinen Besitz mehr als seinen Nächsten (vgl. 3Mo 19,18). Was noch bedeutender war, ist, dass er den direkten Anweisungen Christi nicht gehorchte und es vorzog, dem Mammon zu dienen anstatt Gott (Mt 6,24). Er stand vor der Entscheidung, sich dem Herrsein Christi zu unterstellen, ganz gleich, was er von ihm fordern würde. Er erkannte weder seine Sünde an und tat dafür Buße noch beugte er sich dem souveränen Erlöser. Eine solch doppelte Widerwilligkeit hielt ihn von dem ewigen Leben ab, das er suchte. Schatz im Himmel. Die Errettung und all ihre Segnungen, die vom im Himmel wohnenden Vater stammen, sowohl in diesem Leben als auch im zukünftigen (vgl. Mt 13,44-46). nimm das Kreuz auf. S. Anm. zu 8,34-38.
10,22 ging betrübt davon. Es war eine rein weltliche Enttäu- schung, die sich auf die Tatsache gründete, dass er das von ihm gesuchte ewige Leben nicht erhielt, da der Preis zu hoch war. Er liebte seinen Reichtum (vgl. 8,36.37).
10,23 Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes eingehen. S. Anm. zu V. 27. »Schwer« meint in diesem Kontext »unmöglich« (vgl. V. 25). Reichtum neigt dazu, Selbstzufriedenheit und ein falsches Gefühl von Sicherheit zu erzeugen und führt seine Besitzer zu der Annahme, dass sie Gott nicht brauchen (s. Lk 16,13; kontra Lk 19,2; vgl. 1Tim 6,9.17.18).
10,24 erstaunten. S. Anm. zu V. 26.
10,25 ein Kamel durch das Nadelöhr. Die Perser drückten die Un- möglichkeit einer Sache aus, indem sie sagten, dass es leichter sei, einen Elefanten durch ein Nadelöhr zu stecken. Dies hier war eine Version aus der jüdischen Umgangssprache, um etwas Unmögliches zum Ausdruck zu bringen (das größte Tier in jener Gegend war ein Kamel). Um diese Aussage zu glätten, wurden viele unwahrscheinliche Interpretationen vorgenommen, beispielsweise dass sich »Nadelöhr« auf eine sehr kleine Pforte in der Stadtmauer Jerusalems bezog, durch die Kamele nur mit Schwierigkeiten eingehen konnten (es gibt allerdings keinen Beweis, dass eine solche Pforte jemals existierte, und wenn doch, dann hätte jeder gute Kameltreiber ganz sicher eine größere gesucht); oder dass aus einem Abschreibfehler kamelos (Kamel) wurde anstatt kamilos (ein großes Seil oder Tau) (aber ein großes Seil würde ebenso wenig durch ein Nadelöhr passen wie ein Kamel, und zudem ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Text in allen drei synoptischen Evangelien in gleicher Weise verändert wurde). Jesus gebrauchte dieses Bild, um deutlich zu machen, dass die Erlösung unmöglich durch menschliche Anstrengungen zu erreichen ist; sie beruht einzig und allein auf Gottes Gnade. Die Juden glaubten, dass ein Mensch mit der Abgabe von Almosen die Errettung erkaufen konnte (wie es im Talmud festgehalten wurde); je reicher ein Mensch war, umso mehr Almosen konnte er geben, umso mehr Opfergaben bringen und die Errettung sich so erkaufen. Die Frage der Jünger (V. 26) macht deutlich, dass sie verstanden, was Jesus meinte – dass nicht einmal die Reichen die Errettung erkaufen konnten. S. Anm. zu Mt 19,24.
10,26 Wer kann dann überhaupt errettet werden? Jesu Lehre lief den vorherrschenden Lehren der Rabbiner zuwider, welche den Reichen einen deutlichen Vorteil bei der Errettung gaben. Seine entschiedene Lehre, dass selbst die Reichen nicht durch eigene Anstrengungen gerettet werden konnten, ließ die verblüfften Jünger mit der Frage zurück, welche Chance die Armen haben. S. Anm. zu Röm 3,9-20; Gal 3,10-13; Phil 3,4-9.
10,27 Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott. Es ist für jeden unmöglich, durch eigene Bemühungen errettet zu werden (s. Anm. zu V. 25), da die Erlösung gänzlich ein souveränes Werk der Gnade Gottes ist. S. Anm. zu Röm 3,21-28; 8,28-30; Gal 3,6-9; 26-29.
10,28 wir haben alles verlassen. Petrus bemerkt, dass die Zwölf getan hatten, was der Herr von dem jungen Obersten verlangte (vgl. V. 21) und zu seinen Bedingungen zu ihm gekommen waren. Würde dieser alles aufgebende Glaube, so fragte Petrus, zu einem Platz im Reich Gottes berechtigen?
10,29 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28.
10,30 in dieser Zeit … in der zukünftigen Weltzeit. Die Nach- folge Jesu bringt ihren Lohn in der Gegenwart und im kommenden Reich des Messias. unter Verfolgungen. Große Segnungen werden häufi g von großen Widrigkeiten begleitet (s. Anm. zu Röm 8,17; Phil 1,29; 2Tim 3,12). ewiges Leben. S. Anm. zu V. 17.
10,31 Gläubige werden an den Segnungen des Himmels in gleicher Weise teilhaben – eine Wahrheit, die im Gleichnis in Mt 19,30-20,16 veranschaulicht wird (s. Anm. dort). 10,32 zogen hinauf nach Jerusalem. Von Peräa (s. Anm. zu V. 1) über Jericho (V. 46). Hier wird Jerusalem erstmalig als Jesu Bestimmungsort erwähnt. Aufgrund der hohen Lage Jerusalems (rund 770 m über dem Meeresspiegel) sprachen Reisende immer davon, zur Stadt hinaufzugehen, ungeachtet dessen, wo in Israel sie ihre Reise begonnen hatten. entsetzten. Wegen seiner absoluten Entschlossenheit, nach Jerusalem zu gehen (vgl. Lk 9,51), trotz des grausamen Todes, der ihn dort erwartete (vgl. V. 32-34). sie … folgten. Der gr. Satzbau macht deutlich, dass es eine Gruppe war, die sich von den Zwölfen unterschied; wahrscheinlich waren es Pilger auf dem Weg zum Passahfest nach Jerusalem. Sie fürchteten sich, da sie erkannten, dass etwas Bedeutendes geschehen sollte, was sie nicht verstanden. die Zwölf. S. Anm. zu 3,14.
10,32 Die dritte und letzte Ankündigung seines Todes und sei- ner Auferstehung, die Jesus den Zwölfen gab (vgl. 8,31; 9,31). Es ist auch die genaueste von allen drei Ankündigungen, in der ausdrücklich erwähnt wird, dass er verspottet (15,17-20; Lk 23,11.35-39), gegeißelt (15,15) und angespien würde (14,65; 15,19).
10,35 Diese Begebenheit zeigt noch einmal, dass die Jünger in der Umsetzung der Lehre Jesu über Demut versagten (s. Anm. zu 9,34; Mt 20,21). Sie ignorierten seine wiederholten Belehrungen, dass er nach Jerusalem gehen werde, um zu sterben (s. Anm. zu V. 32-34), und dachten nach wie vor, dass das Kommen des Reiches bevorstand und wollten darin eine wichtige Position einnehmen (vgl. Mt 18,1). 10,35 Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus. S. Anm. zu 1,19. Matthäus lässt erkennen, dass ihre Mutter sie begleitete und zuerst sprach (Mt 20,20.21), anschließend wiederholten Jakobus und Johannes ihre Bitte. Sollte sie Jesu Tante gewesen sein, dann hofften die Drei zweifellos, von ihren familiären Bindungen zu profi tieren.
10,37 einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken. In der höchsten und ehrwürdigsten Position neben dem Thron. in deiner Herrlichkeit. In der herrlichen Majestät seines Reiches (vgl. Mt 20,21).
10,38 den Kelch … mit der Taufe. Die gleichen Leiden und den gleichen Tod wie Jesus (vgl. V. 32-34; s. Anm. zu Mt 20,22).
10,39 Jakobus und Johannes würden das gleiche erleiden wie ihr Meister (vgl. Apg 12,2; Offb 1,9), aber dadurch würden sie nicht die Ehre verdienen, die sie begehrten.
10,40 steht mir nicht zu. Ehre wird im Reich Gottes nicht auf der Grundlage von selbstsüchtigen Ambitionen erwiesen, sondern durch den souveränen Willen Gottes.
10,41 die Zehn … fi ngen sie an … unwillig zu werden. Das war keine gerechte Entrüstung, da auch sie in der Vergangenheit sich eines solchen egoistischen Verhaltens schuldig gemacht hatten (9,33.34) und es ebenso zukünftig tun würden (Lk 22,24). Die restlichen Jünger nahmen Jakobus und Johannes ihren Versuch übel, sich einen Vorteil vor den anderen zu verschaffen, indem sie nach der von allen begehrten Ehre strebten.
10,42 sie unterdrücken … Gewalt über sie. Diese ähnlich ge- lagerten Ausdrücke lassen an autokratische, tyrannische Autorität denken.
10,43 Unter euch aber soll es nicht so sein. In der Gemeinde ist kein Platz für tyrannische Führer (vgl. 9,35; Mt 23,8-12; 1Pt 5,3-6; 3Joh9.10).
10,45 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. ist nicht gekom- men, um sich dienen zu lassen. Jesus war das größte Beispiel für eine dienende Führerschaft (vgl. Joh 13,13-15). Der König der Könige und Herr der Herren (Offb 19,16) verzichtete auf seine Vorrechte (Phil 2,5-8) und gab sein Leben als selbstloses Opfer im Dienst für andere. als Lösegeld für viele. S. Anm. zu Mt 20,28. »Lösegeld« spricht von dem gezahlten Preis zur Befreiung eines Sklaven oder Gefangenen; »für« meint »anstelle von«. Christi stellvertretender Tod um derer willen, die an ihn glauben würden, ist die herrlichste und gesegnetste Wahrheit in der ganzen Schrift (vgl. Röm 8,1-3; 1Kor 6,20; Gal 3,13; 4,5; Eph 1,7; Tit 2,14; 1Pt 1,18.19). Das Lösegeld musste nicht an den Teufel gezahlt werden, wie einige falsche Auffassungen des Sühneopfers lehren. Satan wird in der Schrift als zu besiegender Feind dargestellt, nicht als Herrscher, der besänftigt werden muss. Das Lösegeld wurde an Gott gezahlt, um seine Gerechtigkeit und seinen heiligen Zorn über die Sünde zufriedenzustellen. Indem Christus es bezahlte, »hat er unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen auf dem Holz« (1Pt 2,24). S. Anm. zu 2Kor 5,21.
10,46 Die zweite der beiden Blindenheilungen im Markus-Evan- gelium (vgl. 8,22-26). 10,46 Jericho. Eine Stadt ca. 25 km nordöstlich von Jerusalem und 8 km vom Jordan entfernt. Die Route von Peräa nach Jerusalem führte dort hindurch. Es ist der einzige aufgezeichnete Besuch Jesu in Jericho. er … auszog. Markus und Matthäus behaupten, dass Jesus diesen Mann beim Verlassen Jerichos heilte; Lukas meint, dass es beim Eintritt in die Stadt geschah. Markus und Matthäus beziehen sich möglicherweise auf die alte von Mauern umgebene Stadt, die nördlich der ntl. Stadt lag, während Lukas vom ntl. Jericho sprach. Lukas’ Worte könnten auch meinen, dass Jesus in der Umgebung von Jericho war, als er den Mann heilte. S. Anm. zu Mt 20,30. Sohn des Timäus. Die Übersetzung von »Bartimäus«; die aramäische Vorsilbe »bar« bedeutet »Sohn des«. der Blinde … bettelte. Matthäus bemerkt, dass dort zwei blinde Bettler waren, wohingegen Markus und Lukas sich auf den einen der beiden konzentrieren (vgl. Mt 8,28 mit 5,2; Lk 8,27). Da sie nicht arbeiten konnten, verdienten Blinde ihren Lebensunterhalt für gewöhnlich mit Betteln (vgl. Joh 9,8). Diese Männer hatten sich an der Hauptstraße nach Jerusalem einen guten Platz ausgesucht.
10,47 Nazarener. S. Anm. zu 1,9. Sohn Davids. Ein häufi ger mes- sianischer Titel, der als solcher nur in den synoptischen Evangelien angewandt wird (s. Anm. zu Mt 1,1).
10,49 Jesus … ließ ihn … rufen. Auf diese Weise tadelte er unaus- gesprochen jene, die dem Blinden geboten, still zu sein (V. 48). 10,51 Rabbuni. Eine stärkere Form von »Rabbi« (s. Anm. zu 9,5).
10,52 dein Glaube hat dich gerettet. Bartimäus’ physische und geistliche Augen wurden wahrscheinlich zur gleichen Zeit geöffnet. Die äußere Heilung spiegelte die innere Errettung wider.
11,1 Diese Bibelstellen, die üblicherweise als Jesu triumphaler Einzug in Jerusalem bezeichnet werden (genauer gesagt, war es Jesu Krönung als wahrer König), schildern sein letztes bedeutendes Auftreten in der Öffentlichkeit vor der Kreuzigung. Die Bedeutung dieser Geschehnisse wird durch die Tatsache angedeutet, dass dies eines von nur zwei Ereignissen ist, die in allen vier Evangelien vorkommen (vgl. Mt 21,1-11; Lk 19,29-44; Joh 12,12-19). 11,1 sich Jerusalem näherten. Eine allgemeine Überleitung, die das Ende der Erzählung von Kap. 10 markiert. Sie bezeichnet auch den Beginn des letzten Abschnitts des dreijährigen Dienstes Christi. Bethphage. Eine kleine Stadt östlich von Jerusalem, deren Name wörtl. »Haus der unreifen Feigen« bedeutet (s. Anm. zu Mt 21,1). Bethanien. Die Heimatstadt von Maria, Martha und Lazarus (Joh 11,1) am Osthang des Ölbergs, 3,5 km östlich von Jerusalem. Ölberg. Dieser Berg befand sich zwischen Bethanien und Jerusalem (s. Anm. zu Mt 24,3).
11,2 das Dorf, das vor euch liegt. Sehr wahrscheinlich ist Beth- phage gemeint. »Vor euch liegt«, eig. »euch herab gegenüber liegt«. Dies lässt darauf schließen, dass es ein wenig unterhalb und abseits der Hauptstraße lag. Füllen. Entsprechend der Verwendung dieses Wortes in gr. Papyrusrollen (gewöhnliche handschriftliche Dokumente aus ntl. Zeiten, die aus der Papyrusstaude gemacht wurden) war es höchst wahrscheinlich ein junger Esel – eine Festlegung, die mit der übrigen Anwendung in der Schrift übereinstimmt (s. Anm. zu Mt 21,5; vgl. 1Mo 49,11; Ri 10,4; 12,14; Sach. 9,9). auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Die Juden betrachteten Tiere, auf denen zuvor noch kein Mensch geritten war, als besonders geeignet für heilige Zwecke (vgl. 4Mo 19,2; 5Mo 21,3; 1Sam 6,7).
11,3 wenn jemand zu euch sagt. Aufgrund seiner Person erwar- tete Jesus, dass das Handeln der Jünger hinterfragt würde (V. 5). Herr. Obwohl Markus im restlichen Evangelium das Wort »Herr« nicht mit dieser Bedeutung verwendet, sprach er natürlich von Jesus. Bei Lukas und Johannes erscheint »Herr« häufi g als ein Name für Jesus. Die Menschen in der Umgegend kannten Christus und die Jünger gut und der Besitzer würde diese Andeutung verstehen.
11,8 breiteten … ihre Kleider aus. In der damaligen Zeit war das ein Bestandteil der Begrüßung eines Königs (s. Anm. zu Mt 21,8). Zweige. Palmenzweige, die Freude und Errettung symbolisierten und zukünftige königliche Ehrungen für Christus darstellten (Offb 7,9). Die Menge war sehr begeistert und mit Lobpreis für den Messias erfüllt, der mit großer Vollmacht lehrte, Kranke heilte und die Toten auferweckte (Lazarus; vgl. Joh 12,12-18).
11,9 Hosianna. Ursprünglich ein hebr. Gebet, das »errette jetzt« be- deutet. Zu diesem Anlass diente es wahrscheinlich einfach als Beifall zur Begrüßung. Gepriesen sei, welcher kommt. S. Anm. zu Mt 21,9. Diese Worte sind Teil (Ps 118,26) des Hallel (das hebr. Wort für »Lobpreis«), das aus den Psalmen 113-118 bestand und auf allen religiösen Festen der Juden gesungen wurde, vor allem beim Passahfest. »Der da kommt« war kein messianischer Titel im AT, der für die Juden aber zweifelsohne eine solche Bedeutung enthielt (vgl. Mt 11,3; Lk 7,19; Joh 3,31; 6,14; 11,27; Hebr 10,37).
11,10 das Reich unseres Vaters David. Diese nur bei Markus er- wähnte Ehrung erkennt an, dass Jesus das messianische Reich brachte, das dem Sohn Davids verheißen war. Die Menge umschreibt das Zitat aus Ps 118,26 (V. 9) in der Annahme, dass Jesus die Prophezeiung erfüllen und das Reich einsetzen würde.
11,11 Tempel. Ein Ausdruck, der sich nicht auf das innere Heilig- tum beschränkt, sondern den gesamten Hofbereich und die Gebäude einschließt. alles betrachtet hatte. Eine Beschreibung, die für Markus bezeichnend ist und sehr wahrscheinlich auf den Erinnerungen des Augenzeugen Petrus basierte. Christus handelte wie jemand, der die Autorität hatte, den Zustand des Tempels zu überprüfen – seiner Be obachtung entging nichts. ging er … hinaus nach Bethanien. Das nahe gelegene »Bethanien« war ein relativ sicherer Ort, um nicht plötzlich und vorzeitig von den jüdischen Führern festgenommen zu werden.
11,12 am folgenden Tag. Mt 21,18 sagt, dass es »früh am Mor- gen« war, wahrscheinlich vor 6 Uhr. Bethanien. S. Anm. zu V. 1.
11,13 Feigenbaum … der Blätter hatte. Feigenbäume waren als Nahrungsquelle bekannt. Drei Jahre dauerte es von der Pfl anzung bis zu den ersten Früchten. Danach konnte ein Baum zweimal im Jahr abgeerntet werden, für gewöhnlich war der Ertrag reichlich. Normalerweise waren kleine Feigen schon vor den Blättern da. Dieser Baum hatte Blätter, aber sonderbarerweise keine Fruchtansätze. Dass dieser Baum am Wegesrand stand (vgl. Mt 21,19), lässt darauf schließen, dass er öffentliches Eigentum war. Zudem wurzelte er offenbar in gutem Erdreich, denn seine Blätter sprossen vor der Saison und eher als die der umstehenden Feigenbäume. Das füllige Laub gab Hoffnung, dass er auch frühzeitig Früchte tragen würde. es war nicht die Zeit der Feigen. Die nächste Feigensaison war im Juni, mehr als einen Monat hin. Diese speziell von Markus verwendete Erklärung betont die ungewöhnliche Natur des Feigenbaumes.
11,14 Es esse in Ewigkeit niemand mehr eine Frucht von dir. Jesu direkte Ansprache personifi zierte den Baum und verfl uchte ihn dafür, dass er nicht das gab, was sein Äußeres versprach. Die Begebenheit veranschaulicht nicht das Gleichnis vom Feigenbaum (Lk 13,6-9), welches eine Warnung vor geistlicher Fruchtlosigkeit darstellt. Hier verfl ucht Jesus den Baum wegen seines irreführenden Äußeren, das großen Ertrag andeutet, ihn aber nicht erbringt. Er hätte mit Früchten übersät sein müssen, war aber fruchtlos. Im AT ist der Feigenbaum häufi g ein Bild des jüdischen Volkes (Hos 9,10; Nah 3,12; Sach 3,10), und in diesem Beispiel verwendete Jesus den Baum am Wegesrand als ein Objekt göttlicher Belehrung hinsichtlich der geistlichen Heuchelei und Fruchtlosigkeit Israels (s. Anm. zu Mt 21,19; vgl. Jes 5,1-7).
11,15 S. Anm. zu Mt 21,12. Obwohl Jesus den Tempel bereits vor drei Jahren gereinigt hatte (Joh 2,14-16), war er verdorbener und weltlicher geworden als jemals zuvor. Deshalb war er gezwungen, wiederum ein klares Zeugnis von der Heiligkeit Gottes und von seinem Gericht über die geistliche Schändung und falsche Religiosität abzugeben. Ebenso wie Gott seine Propheten wiederholt in atl. Zeiten sandte, um sein Volk vor ihrer Sünde und ihrem Götzendienst zu warnen, hörte Christus nicht auf, einem rebellischen Volk den Willen Gottes zu verkünden – ganz gleich, wie häufi g sie ihn verwarfen. Mit dieser Tempelreinigung zeigte Jesus, dass er als Sohn Gottes einen gottgegebenen Auftrag besaß. 11,15 Tempel. S. Anm. zu V. 11. Der große Vorhof der Heiden bil- dete den Rahmen für die nachfolgenden Ereignisse. verkauften und kauften. Tiere wurden von den Juden für ihre Tempelopfer gebraucht; für die Anbeter war es praktischer, sie dort zu kaufen als sie mitzubringen und das Risiko einzugehen, dass die Tiere der hohenpriesterlichen Kontrolle nicht standhalten würden. Die Verkäufer gehörten entweder zur hohenpriesterlichen Hierarchie oder sie zahlten für das Verkaufsrecht einen hohen Betrag an die Tempelbevollmächtigten. Wie auch immer, die hohepriesterliche Familie hatte den fi nanziellen Nutzen. Wechsler. Sie befanden sich im Hof, um griechische und römische Münzen gegen jüdische oder tyrische zu wechseln, welche die Pilger (jeder jüdische Mann von über 20 Jahren) als Jahresbetrag der jüdischen Tempelsteuer (ein halber Schekel) zu entrichten hatten (s. Anm. zu Mt 21,12). Ein Betrag in der Höhe von 10 oder 12 Prozent wurde für den Wechseldienst erhoben. Taubenverkäufer. Diese Vögel wurden so häufi g als Opfer verwendet, dass Markus ihre Verkäufer separat erwähnt. Tauben waren das übliche Opfer der Armen (3Mo 5,7) und wurden auch zu anderen Zwecken benötigt (3Mo 12,6; 14,22; 15,14.29).
11,16 er ließ nicht zu, dass jemand ein Gerät … trug. Jesus wollte nicht, dass die Leute den Hof weiterhin als Abkürzung benutzten und Geräte und Behälter mit Waren hindurchtrugen, da das eine große Respektlosigkeit gegenüber dem Tempel bewies – und letztendlich auch gegenüber Gott. 11,17 Jesus verteidigte sich mit der Schrift (s. Anm. zu Mt 21,13), nachdem sein Vorgehen einen Menschenaufl auf bewirkt hatte. ein Bethaus für alle Völker. Der wahre Zweck für den Tempel Gottes. Nur Markus erwähnt den Zusatz »für alle Völker« aus dem Jesaja-Text (56,7), wahrscheinlich weil er sich hauptsächlich an die Nationen wandte. Der Vorhof der Heiden war der einzige Teil des Tempels, in dem sie vor Gott treten und ihn anbeten durften. Die Juden hatten diesen Gottesdienst zerstört, da sie den Hof zu einem Ort der Habgier gemacht hatten. eine Räuberhöhle. Mit der Verwendung des Ausdrucks von Jeremia (Jer 7,11) beschreibt Jesus die religiösen Führer als Räuber, die im Tempel Zufl ucht fanden, vergleichbar mit Wegelagerern, die mit Ihresgleichen Unterschlupf in Höhlen suchen. Der Tempel war zu einem Ort geworden, an dem das Volk Gottes erpresst wurde, anstatt ungestört anbeten zu können, und an dem seine Erpresser Schutz fanden.
11,18 Schriftgelehrten … obersten Priester. Markus benutzt diese Kombination hier erstmalig. Diese Männer gehörten zu jenen, die die Führerschaft im Sanhedrin bildeten (s. Anm. zu Mt 2,4; 26,59). und suchten, wie sie ihn umbringen könnten. S. Anm. zu 3,6. Die Führer besprachen mehrfach, wie sie Jesus umbrächten. staunte über seine Lehre. S. Anm. zu 1,22.
11,19 ging er aus der Stadt hinaus. Jesus verließ Jerusalem in den ersten drei Tagen der Passionswoche nicht vor Sonnenuntergang, als die Mengen sich zerstreuten und die Stadttore im Begriff standen zu schließen.
11,20 am Morgen. S. Anm. zu V. 12. von den Wurzeln an ver- dorrt. Die Fäule des Baumes, die Frucht verhindert hatte (V. 14), hatte sich im Inneren nach oben hin ausgebreitet und ihn absterben lassen. Matthäus beschreibt diese Begebenheit als einen viel schnelleren Prozess, doch seine Darstellung erlaubt den gleichen zeitlichen Rahmen wie die von Markus (s. Anm. zu Mt 21,19).
11,21 Rabbi. S. Anm. zu 9,5.
11,22 Habt Glauben an Gott. Ein leichter Tadel für den man- gelnden Glauben der Jünger an die Macht seines Wortes. Ein derartiger Glaube vertraut Gottes geoffenbarter Wahrheit und seiner Macht und strebt nach der Ausführung seines Willens (vgl. 1Joh5,14; s. Anm. zu Mt 21,21).
11,23 zu diesem Berg … wirf dich ins Meer. Diese Äußerung be- zog sich auf ein geläufi ges Bild jener Zeit – »Ausreißer von Bergen«. In der jüdischen Literatur wurde dieses Bild auf angesehene Rabbiner und geistliche Führer angewandt, die große Probleme lösen und das scheinbar Unmögliche vollbringen konnten. Natürlich riss Jesus nicht wortwörtlich Berge aus; im Gegenteil, er lehnte es ab, solche spektakulären Wunder für die ungläubigen jüdischen Führer zu tun (s. Anm. zu Mt 12,38). Jesus meint, dass Gläubige das mächtige Wirken Gottes erfahren werden, wenn sie Gott aufrichtig vertrauen und die unbegrenzte Macht eines solchen Glaubens erkennen (vgl. Joh 14,13.14; s. Anm. zu Mt 21,21).
11,24 Alles, was ihr auch immer im Gebet erbittet. Das legt dem Gebet des Gläubigen keine Schranken auf, solange dieser entsprechend des Willens und der Absichten Gottes betet (s. Anm. zu Mt 17,20). Es gilt also, wenn der Glaube und das Gebet eines Menschen nicht im Widerspruch zu der Souveränität Gottes stehen. Und es liegt nicht in der Verantwortung des Gläubigen, dies zu ergründen, sondern einfach treu und gehorsam zu sein gegenüber der klaren Lehre des Gebets, die Jesus an dieser Stelle gibt. Gottes Wille ist in der ganzen Erlösungsgeschichte durch das Gebet seiner Gläubigen enthüllt worden – ebenso wie seine errettenden Absichten durch den Glauben derer, die das Evangelium hören und Buße tun. Vgl. Jak 5,16.
11,25 dasteht und betet. Die traditionelle Gebetshaltung der Juden (vgl. 1Sam 1,26; 1Kö 8,14.22; Neh 9,4; Mt 6,5; Lk 18,11.13). Kniendes oder liegendes Gebet mit dem Gesicht zum Boden war üblich bei außergewöhnlichen Umständen oder dringenden Bitten (vgl. 1Kö 8,54; Esr 9,5; Dan 6,11; Mt 26,39; Apg 7,60). ihr etwas gegen jemand habt. Eine alles umfassende Aussage, die sowohl Sünden als auch einfache Abneigungen einschloss, die den Gläubigen dazu führen, etwas gegen eine andere Person zu haben. »Jemand« meint Gläubige und Ungläubige. vergebt. Jesus stellt die andauernde Pfl icht des Gläubigen heraus, eine vergebende Haltung zu zeigen. Erhörliches Gebet verlangt die Vergebung ebenso wie den Glauben. S. Anm. zu Mt 5,22-24; Eph 4,32.
11,26 S. Anm. zu Mt 6,14.15; 18,21-35. Das ist der einzige Anlass, zu dem Jesus das Wort »Verfehlungen« (vgl. V.25) im Markus-Evangelium gebraucht, ein Begriff, der ein Abgleiten von der Wahrheit und Rechtschaffenheit bezeichnet.
11,27 Tempel. Gemeint ist wieder der Vorhof der Heiden; diesmal speziell die Säulenhalle Salomos oder die königliche Halle an der Südseite des Heiligtums (vgl. V. 11; Joh 10,23; Apg 5,12). obersten Priester. S. Anm. zu Mt 2,4. Bei dieser Gruppe könnten auch Kaiphas und Hannas gewesen sein, die gleichzeitig über mehrere Jahre im Amt waren (Lk 3,2). Aufgrund der Bedeutung dieser Konfrontation ist es gut möglich, dass auch der Hauptmann des Tempels zugegen war, der das zweithöchste Amt bekleidete.
11,28 In welcher Vollmacht. Die Führer wollten wissen, welche Referenzen Jesus – ein ungeschulter, nicht anerkannter, scheinbar selbst ernannter Rabbi – vorzuweisen hatte, die ihn zu einem solchen Handeln berechtigen würden. Sie hatten sich von dem anfänglichen Schock der Ereignisse des vorangegangenen Tages erholt und verlangten nun eine Erklärung (s. Anm. zu Mt 21,23; vgl. Joh 2,18). dies. In erster Linie eine Anspielung auf Jesu Tempelreinigung. Aber die nicht defi nierte, unbestimmte Natur dieses Ausdrucks lässt auch Raum, um alles einzuschließen, was Jesus während seines öffentlichen Dienstes getan und gelehrt hatte.
11,30 Taufe des Johannes. S. Anm. zu 1,4; Mt 21,25. Jesus zwang sie zur Verteidigung und machte ihre Einschätzung von Johannes’ Vollmacht zu einer Prüfung für die Bewertung seiner Vollmacht. vom Himmel oder von Menschen? Jesus gab den jüdischen Führern nur diese beiden Alternativen, um den Ursprung von Johannes’ Vollmacht zu beurteilen und damit auch seiner eigenen Vollmacht. Christus drängte die Männer in Wirklichkeit, ihre Rollen als religiöse Leiter des Volkes zu ergreifen und zu ihrer Einschätzung des Dienstes von Johannes und der seines eigenen Dienstes zu stehen (s. Anm. zu Mt 21,25). Antwortet mir. Diese Herausforderung Jesu fi ndet sich nur im Bericht von Markus. Sie deutet an, dass die Juden nicht den Mut besaßen, seine Frage ehrlich zu beantworten.
12,1 Jesus lehrte dies Gleichnis, um die Hohenpriester und die Ältesten zu konfrontieren und ihren heuchlerischen Charakter aufzudecken. 12,1 Gleichnissen. S. Anm. zu 4,2.11. ihnen. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten (vgl. 11,27). Weinberg. Ein vertrauter Anblick in dieser Region. Die Hänge von Judäa waren mit Weinbergen bedeckt, dem Rückgrat der Wirtschaft. Hier ist der Wein ein Symbol für Israel (vgl. Ps 80,9-17; Jes 5,1-7; Jer 2,21). Jesus verwendet Jes 5,1.2 als Grundlage für diese Bildersprache (s. Anm. zu Mt 21,33). einen Zaun. Es könnte auch eine zum Schutz errichtete Steinmauer oder Dornenhecke gewesen sein. Kelter. Solche befanden sich unterhalb der Weinpresse. Die Trauben wurden in der Presse zerdrückt und der Saft lief über eine Rinne in dieses tiefer liegende Becken, wo er in Weinschläuchen oder Krügen gesammelt werden konnte. Wachtturm. Dies Bauwerk erfüllte einen dreifachen Zweck: 1.) es diente als Beobachtungsposten; 2.) bot es Arbeitern Schutz; und 3.) wurde es als Speicher von Korn und Werkzeugen benutzt. verpachtete ihn an Weingärtner. Jesus fügte dieses Detail dem Bild aus Jes 5,1.2 hinzu. Der Eigentümer ging ein Abkommen mit den Männern ein, die er für verlässliche Pächter hielt; dafür mussten sie ihm einen gewissen Teil der Einnahmen als Pacht zahlen. Der restliche Profi t gehörte ihnen für ihre Arbeit an der Ernte. Die »Weingärtner« symbolisieren die jüdischen Führer.
12,2 zur bestimmten Zeit. Also zur Erntezeit. Sie trat üblicher- weise erstmalig im fünften Jahr nach der ersten Pfl anzung ein (vgl. 3Mo 19,23-25). Knecht. Alle Knechte in den Gleichnissen symbolisieren atl. Propheten.
12,6 einen einzigen Sohn, seinen geliebten. Der Sohn ist Jesus Christus (s. Anm. zu Mt 21,37).
12,7 das Erbgut wird uns gehören. Die Weingärtner waren hab- süchtig und selbstherrlich, denn sie wollten die ganze Ernte und den Weinberg für sich haben und keinen Herrn über sich anerkennen. So beschlossen sie, den Sohn des Eigentümers zu töten. Da Jesus so viele Nachfolger hatte, glaubten die jüdischen Führer, dass seine Tötung die einzige Möglichkeit sei, ihre Position und Macht über das Volk zu wahren (vgl. Joh 11,48).
12,9 die Weingärtner umbringen. Dass der Besitzer des Weinber- ges die Weingärtner töten würde, ist als Prophezeiung der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) und des Volkes Israel zu verstehen. Laut Matthäus wurde dies Urteil von den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten bestätigt (s. Anm. zu Mt 21,41). Weinberg anderen geben. Das erfüllte sich durch die Einführung der Gemeinde Christi und ihre Führungspersonen, die größtenteils aus den Nationen stammten.
12,10 Diese messianische Prophetie ist ein Zitat aus Ps 118,22.23 (LXX). Jesus fährt mit seiner gleichnishaften Belehrung fort, doch hier wird sein Reich als ein Bauwerk beschrieben, nicht als Weinberg. Der abgelehnte Sohn und der verworfene Stein stellen Christus dar. 12,10 Der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Bauleute suchten nach einem Stein normalerweise solange, bis sie den perfekt geraden Eckstein gefunden hatten, der für die Symmetrie und Stabilität des Gebäudes entscheidend war. Im Bild Jesu ist er selbst der Stein, den die Bauleute (die religiösen jüdischen Führer) verworfen hatten (gekreuzigt). Aber der auferstandene Christus ist der Eckstein (vgl. Apg 4,10-12; 1Pt 2,6.7; s. Anm. zu Mt 21,42).
12,12 gegen sie. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten waren sich völlig bewusst, dass Christus ihr Handeln verurteilte, doch das weckte nur ihren Hass, nicht ihre Bußbereitschaft.
12,13 Die zweite einer Reihe von Fragen, mit der die religiösen jüdischen Führer hofften, Jesus zu der Erklärung zu verleiten, dass er ein Aufrührer sei (vgl. 11,28). Diese nimmt Bezug auf die kontroverse Angelegenheit der Steuerentrichtung an Rom. 12,13 von den Pharisäern und Herodianern. Matthäus deutet an, dass einige Jünger der Pharisäer die Herodianer begleiteten. Die Pharisäer hatten möglicherweise gehofft, dass Jesus sie nicht erkennen und auf ihre scheinbar aufrichtige Frage unvorbereitet sein würde. Die Herodianer waren eine politische Partei der Juden, die hinter Herodes Antipas stand, welcher wiederum nur eine Marionette Roms war (s. Anm. zu Mt 22,16).
12,14 siehst die Person der Menschen nicht an. Das spricht von einer unparteilichen Haltung, die niemanden bevorzugt. Obgleich es eine Schmeichelei der Pharisäer und Herodianer war, war es dennoch wahr, dass Jesus sich nicht von der Macht, dem Prestige oder der Stellung eines Menschen beeinfl ussen ließ. dem Kaiser die Steuer zu geben. Das gr. Wort für »Steuer« stammt vom lat. Wort für »einschätzen«, von dem wir unser deutsches »Zensus« haben. Die Römer führten eine Volkszählung (eine Schätzung) durch und verfügten, dass jeder Bürger eine jährliche Kopfsteuer von einem Denar zu entrichten hatte (s. Anm. zu Mt 22,17).
12,15 Heuchelei. Die Pharisäer und Herodianer heuchelten Interes- se an seiner Lehre und versuchten ihre wahre Absicht, Jesus in die Falle zu locken, zu verbergen. Doch er erkannte ihre wahren Motive (vgl. Joh 2,25). Was versucht ihr mich? Jesu Reaktion deckte die wirklichen Beweggründe und die Heuchelei der Pharisäer und Herodianer auf. Denar. Diese kleine, vom römischen Kaiser geprägte Silbermünze entsprach dem Tageslohn eines gewöhnlichen Arbeiters oder Soldaten (s. Anm. zu Mt 22,19).
12,16 Bild. Auf der einen Seite des Denars befand sich wahrscheinlich das Bild des aktuellen Kaisers Tiberius, obwohl es zu dieser Zeit auch Augustus gewesen sein könnte, da beide Münzen im Umlauf waren. Tiberius ist jedoch wahrscheinlicher, denn die Antwort lautete »des Kaisers«, was eher auf den gegenwärtigen Herrscher hindeutete als auf seinen Vorgänger. Aufschrift. Wenn die Münze von Tiberius geprägt wurde, stand auf der einen Seite »Tiberius Cäsar Augustus, der Sohn des göttlichen Augustus« und »Hohepriester« auf der anderen. S. Anm. zu Mt 22,19.
12,17 Gebt dem Kaiser. Das gr. Wort, das hier mit »geben« aus- gedrückt ist, bedeutet »zurückzahlen oder weggeben«, wodurch eine Schuld angedeutet wird. Alle, die im Herrschaftsbereich des Kaisers lebten, waren zur Abgabe von Steuern verpfl ichtet, die man ihm schuldete. Das war nicht freiwillig. Folglich erklärte Jesus, dass alle Bürger unter der göttlichen Verpfl ichtung stehen, Steuern an ihre Regierung zu zahlen (vgl. Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17; s. Anm. zu Mt 22,21).
12,18 Sadduzäer. Die wohlhabendste, einfl ussreichste und aristo- kratischste aller jüdischen Sekten. Alle Hohenpriester und die Mehrheit des Sanhedrin (s. Anm. zu Mt 26,59) waren Sadduzäer. Sie ignorierten das mündliche Gesetz, die Überlieferungen und die schriftlichen Gesetze der Pharisäer und hielten nur den Pentateuch für maßgeblich (s. Anm. zu Mt 3,7). die sagen, es gebe keine Auferstehung. Das ist der charakteristischste Aspekt der sadduzäischen Theologie, den sie aufgrund ihrer Treue zum Pentateuch annahmen, da sie glaubten, dass Mose keine buchstäbliche Auferstehung aus den Toten gelehrt habe. Mit einer solchen Missachtung der Zukunft lebten die Sadduzäer für den Augenblick und versuchten so viel Gewinn wie möglich zu machen. Da sie die Tempelgeschäfte kontrollierten, waren sie ziemlich aufgebracht, als Jesus den Tempel von den Geldwechslern reinigte, denn das tastete ihren Profi t an (11,15-18). Dies war der Grund, weshalb auch sie Jesus vor den Menschen in Misskredit bringen wollten.
12,19 Die Sadduzäer fassen 5Mo 25,5.6 zusammen, wo von dem Brauch der Schwagerehe die Rede ist (die Heirat mit dem Bruder des verstorbenen Ehemannes). Gott verankerte das im mosaischen Gesetz, um Stammesnamen, Familien und Erbschaften zu erhalten (s. Anm. zu Mt 22,24). Mose hat uns geschrieben. Die Sadduzäer beriefen sich auf Mose, da sie Jesu hohe Achtung vor der Schrift genau kannten und deshalb glaubten, dass er die Gültigkeit der Schwagerehe nicht anfechten werde.
12,24 die Kraft Gottes. Ihre Unkenntnis der Schrift reichte bis zu dem fehlenden Verständnis gegenüber allen im AT gewirkten Wundern Gottes. Ein derartiges Wissen hätte sie befähigt, an Gottes Macht hinsichtlich der Auferweckung der Toten zu glauben.
12,25 heiraten sie nicht. Die Ehe war Gottes Plan zur gegenseiti- gen Gemeinschaft und zur Erhaltung der menschlichen Rasse auf Erden. Jesus betonte die Tatsache, dass es im Himmel keine gesonderten oder geschlechtlichen Beziehungen geben wird. Gläubige werden eine gänzlich neue Form der Existenz erfahren und untereinander vollkommene geistliche Beziehungen pfl egen. wie die Engel. Gläubige werden wie die Engel sein – geistliche, ewige Wesen, die niemals sterben (vgl. 1Kor 15,39-44.48.49; s. Anm. zu Mt 22,30).
12,26 im Buch Moses. Der Pentateuch – die ersten fünf Bücher des ATs. Jesus berief sich auf die einzigen Bücher der Schrift, die die Sadduzäer für vollkommen maßgeblich hielten. der Stelle von dem Busch. Eine Anspielung auf 2Mo 3,1-4.17, wo Gott Mose zum ersten Mal in einem Busch erschien. wie Gott zu ihm sprach: Ich bin. Mit dem in der Gegenwartsform beginnenden Zitat aus 2Mo 3,6: »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«, unterstrich Jesus die persönliche und immerwährende Bundesbeziehung Gottes zu den drei Patriarchen. Obwohl alle drei tot waren, als Gott zu Mose sprach, war Gott immer noch ihr Gott, genauso wie zu der Zeit, als sie noch auf der Erde lebten – und umso mehr, da sie jetzt ewige Gemeinschaft mit ihm im Himmel haben (s. Anm. zu Mt 22,32).
12,27 ihr irrt sehr. Jesus nannte die Lehre der Sadduzäer, dass es keine Auferstehung gebe, einen vollkommenen Irrtum.
12,28 Schriftgelehrten. S. Anm. zu 1,22. Welches ist das erste Gebot. Die Rabbis hatten festgelegt, dass der Pentateuch 613 Gebote enthalte, eines für jeden Buchstaben der Zehn Gebote. Von den 613 Geboten wurden 248 als positiv angesehen und 365 als negativ. Diese Gesetze wurden zudem in hohe und niedrige Kategorien eingeordnet, wobei die hohen Gesetze verbindlicher waren als die niedrigen. Die Schriftgelehrten und Rabbis konnten sich jedoch nicht einigen, welche höher und welche niedriger waren. Die Einstellung zum Gesetz führte die Pharisäer zu der Annahme, dass Jesus sich seine eigenen Theorien zurechtgelegt hatte. So stellten die Pharisäer diese spezielle Frage, damit Jesus sich durch seine vermeintlich unorthodoxen und einseitigen Überzeugungen selbst belasten sollte.
12,29 Höre, Israel. Indem er den ersten Teil des Shemas zitierte (dies ist das hebr. Wort für »hören« und der Beginn des Gebetes, das jeder fromme Jude täglich aufsagte [5Mo 6,4.5]), bestätigte Jesus diese Praktik der frommen Juden (4Mo 15,37-41; 5Mo 6,4-9; 11,13-21).
12,30 Gott lieben. 5Mo 10,12; 30,6 entnommen; Jesus benutzte Gottes eigene Worte aus dem Pentateuch, um die Frage zu beantworten, und bewies dadurch die orthodoxe Natur seiner Theologie. S. Anm. zu Mt 22,37.
12,31 das zweite. Jesus führte die Frage der Pharisäer noch einen Schritt weiter, indem er das zweitgrößte Gebot bestimmte, da es für das Verständnis der vollständigen Verpfl ichtung zur Liebe entscheidend war. Dies Gebot, das auch aus den Büchern Mose stammte (3Mo 19,18), ist von gleicher Natur und gleichem Charakter wie das erste. Der aufrichtigen Liebe zu Gott folgt an Bedeutung die aufrichtige Liebe zu den Menschen (s. Anm. zu Mt 22,39). Nächsten. Vgl. Lk 10,29-37.
12,32 der Schriftgelehrte sprach. Die Antwort des Schriftge- lehrten zeigt, dass er die Lehre des ATs verstanden hatte, dass moralische Angelegenheiten Vorrang vor zeremoniellen Praktiken hatten (vgl. 1Sam 15,22; Jes 1,11-15; Hos 6,6; Mi 6,6-8).
12,33 Brandopfer. Opfer, die auf dem Altar vollständig verzehrt wurden (vgl. 3Mo 1,1-17; 6,8-13).
12,34 nicht fern vom Reich Gottes. Jesus lobte den Schriftge- lehrten und forderte ihn zugleich heraus. Jesus erkannte seine Einsicht bezüglich der Bedeutung der Liebe an. Trotzdem betonte er, dass der Schriftgelehrte nicht im Reich Gottes war, indem er ihn »nicht fern« davon einordnete. Er verstand die Forderungen der Liebe und brauchte nur den zu lieben und dem zu gehorchen, der ihm allein Eingang in das Reich Gottes gewähren konnte.
12,35 Jesu Frage bringt zum Vorschein, wie ungeeignet die religiösen jüdischen Führer als Lehrer waren; zudem wird ihre Unwissenheit über die Lehre des ATs hinsichtlich des wahren Wesens des Messias deutlich. Tempel. S. Anm. zu 11,11. Christus. Das ist die Übersetzung des atl. hebr. Wortes »Messias«, das »Gesalbter« bedeutet und sich auf den von Gott verheißenen König bezieht. Davids Sohn. Die gewöhnliche messianische Bezeichnung, die zum Standard der schriftlichen Lehre gehörte. Die religiösen Führer waren überzeugt, dass der Messias nicht mehr als ein Mensch sein würde und erachteten einen solchen Titel für angemessen (s. Anm. zu 10,47; Mt 22,42).
12,36 David selbst sprach doch im Heiligen Geist. David benutz- te seine eigenen Worte, obschon er unter der Inspiration des Heiligen Geistes schrieb (vgl. 2Sam 23,2). Der Herr sprach zu meinem Herrn. In diesem hebr. Zitat (Ps 110,1) ist das erste Wort für »Herr« Jahwe, welches Gottes Bundesname ist. Das zweite Wort für »Herr« ist ein anderes, das die Juden als Titel für Gott gebrauchten. Hier beschreibt David, wie Gott zu dem Messias spricht, den David seinen Herrn nannte. Die religiösen Führer zur Zeit Jesu betrachteten diesen Psalm als messianisch.
12,37 David selbst nennt ihn also Herr. Jesus legte Ps 110,1 für die Pharisäer aus. David hätte einen bloßen Nachkommen nicht »Herr« genannt. Folglich ist der Messias mehr als der »Sohn Davids« – er ist auch der »Sohn Gottes«. Jesus verkündete die Gottheit des Messias und somit seine eigene (vgl. Röm 1,3; 2Tim 2,8; s. Anm. zu Mt 22,45). die große Volksmenge. Die Menschenmenge, die diese Auseinandersetzung zwischen Jesus und den religiösen Führern beobachtete.
12,38 Hütet euch. Das Wort bedeutet »seht weg von«. Es beinhal- tet den Gedanken, sich vor dem bösen Einfl uss der Schriftgelehrten in Acht zu nehmen. Talar. Ein langer, wallender Umhang, der den Träger als einen frommen und berühmten Gelehrten auswies. grüßen. Eine Auszeichnung für Titel- und Würdenträger.
12,39 die ersten Sitze in den Synagogen. Die Bank in der Syna- goge nahe der Truhe, in der sich die heiligen Schriftrollen befanden – ein Platz, der für Führer und angesehene Persönlichkeiten reserviert war (s. Anm. zu Jak 2,3).
12,40 die Häuser der Witwen fressen. Jesus stellte die habgierige und gewissenlose Vorgehensweise der Schriftgelehrten bloß. Schriftgelehrte verwalteten oftmals das Eigentum von Witwen, was ihnen die Möglichkeit gab, die verzweifelten Witwen zu überzeugen, dass sie Gott dienen würden, wenn sie den Tempel oder das heilige Werk der Schriftgelehrten unterstützten. In beiden Fällen hatten die Schriftgelehrten ihren fi nanziellen Nutzen und beraubten die Witwen wirkungsvoll des Vermächtnisses ihres Mannes. lange Gebete. Die Pharisäer stellten ihre Frömmigkeit zur Schau, indem sie lange Gebete hielten. Ihr Motiv lag nicht in der Ergebenheit gegenüber Gott, sondern in dem Wunsch, von den Menschen verehrt zu werden.
12,41 Opferkasten. Das bezieht sich auf die 13 trompetenförmigen Behältnisse an den Wänden des Frauenhofes, wo Opfergaben und Spenden für den Tempel gesammelt wurden.
12,42 zwei Scherfl ein. Ein »Scherfl ein« war eine kleine Kupfer- münze und somit die kleinste sich im Umlauf befi ndende Einheit. ein Groschen. Zum Verständnis seiner römischen Leserschaft (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld) verglich Markus das »Scherfl ein« mit der kleinsten römischen Münzeinheit. Ein »Groschen« war 1/64 eines Denars, welcher wiederum einem Tageslohn entsprach.
12,43 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28.
12,44 ihren ganzen Lebensunterhalt. Kann auch übersetzt wer- den mit »alles, was sie zum Leben hatte«. Das bedeutete, dass sie sich keine Nahrung mehr kaufen konnte, bis sie wieder etwas verdiente. Die Witwe ist ein Beispiel für wahrhaft aufopferndes Geben.
13,1 Diese große Predigt Jesu kann man als die Rede auf dem Ölberg bezeichnen, da Jesus sie dort hielt, östlich vom Tempel über dem Kidrontal. Jesu Prophezeiung der zukünftigen Zerstörung des Tempels veranlasste die Jünger zu einer Frage über den Charakter der Endzeit. Der Rest der Stelle (V. 5-37) enthält seine Antwort darauf; er beschreibt sein zweites Kommen am Ende des gegenwärtigen Zeitalters. 13,1 Was für Steine! Und was für Gebäude sind das. S. Anm. zu Mt 24,1. Dieser nicht identifi zierte Jünger bewunderte die Pracht und Schönheit des Tempels und der umliegenden Bauten und erwartete eine ähnliche Bemerkung von Jesus. Es ist wahrscheinlich, dass er nicht begreifen konnte, wie ein solch ehrwürdiges Bauwerk »verwüstet« zurückgelassen werden könnte (vgl. Mt 23,38).
13,2 Jesus antwortete. Als Antwort auf die Bewunderung der Jün- ger prophezeite Jesus noch einmal die Zerstörung des Tempels. Etwa 40 Jahre später, im Jahr 70 n. Chr., plünderten die Römer Jerusalem, töteten Millionen von Juden und rissen den Tempel nieder. kein einziger Stein. Die einzigen unberührt gebliebenen Steine waren riesige Fundamente, die im Grunde nicht zum Tempelgebäude gehörten, sondern einen Sockel bildeten für die Stützmauer unter dem ganzen Tempelberg. Dieser kann heute in »Rabbis Tunnel« besichtigt werden, der in nordsüdlicher Richtung entlang der Westmauer verläuft. Er ist Teil der westlichen Seite der Stützmauer, die heute Klagemauer genannt wird. Mehr von dieser Stützmauer, einschließlich der Stufen zum Tempelberg, wurde an der Südseite freigelegt.
13,3 Ölberg. S. Anm. zu 11,1. Petrus und Jakobus und Johan- nes und Andreas für sich allein. Die vier Jünger fragten stellvertretend für die Zwölf.
13,4 Die Jünger vermuteten, dass Jesus das Reich Gottes in Kürze einleiten werde, deshalb stellten sie eine zweifache Frage: 1.) Wann wird der Tempel zerstört und das Reich Gottes beginnen? 2.) Welches Ereignis kündigt den Beginn des Reiches Gottes an? wann wird dies geschehen? »Wann« deutet Unmittelbarkeit an. Die Jünger dachten, dass Jesus im Begriff stand, zu jeder Zeit das Reich Gottes einzuleiten (vgl. Lk 19,11), doch mindestens am Ende der Passahzeit. »Dies« bezieht sich auf die Verwüstung und Zerstörung des Tempels (vgl. Mt 23,38; 24,2) das Zeichen. Wahrscheinlich erwarteten die Jünger einige wundersame Vorkommnisse – wie z.B. eine völlige Finsternis, strahlendes Licht oder einen Engel vom Himmel –, um das kommende Messiasreich anzukündigen (s. Anm. zu Mt 24,3). All diese Dinge werden zu jener Zeit erscheinen (s. Anm. zu V. 24-27).
13,5 Habt Acht . Der gr. Ausdruck meint wörtl. »sehen«, wurde aber häufi g wie in der auch hier verwendeten Bedeutung von »haltet die Augen offen« oder »hütet euch« benutzt.
13,6 Ich bin es! Viele falsche Propheten werden kommen und den Anspruch erheben, der Messias und Befreier zu sein. Sie werden sich selbst als Lösung für die Probleme der Welt anbieten. Einige werden sogar behaupten, Christus selbst zu sein. Die Zahl der falschen Christusse wird zum Ende der Zeit zunehmen (vgl. 24,23.24). 13,7 das Ende. Die Vollendung des gegenwärtigen Zeitalters (s. Anm. zu Mt 24,6).
13,8 die Anfänge der Wehen. Das gr. Wort für »Wehen« meint »Geburtswehen«. Der Herr bezog sich auf die Schmerzen der Frau vor der Geburt. Geburtswehen signalisieren das Ende der Schwangerschaft – am Anfang sind sie selten, nehmen dann aber vor der Geburt des Kindes zu. Ebenso werden die Zeichen in den Versen 6-8 anfangs relativ selten sein, aber direkt vor dem zweiten Kommen Christi werden sie massive und tragische Ausmaße annehmen (vgl. 1Th 5,3; s. Anm. zu Mt 24,8).
13,9 Gerichten. Im gr. heißt es wörtl. »Synedria«. Dies waren ört- liche jüdische Gerichtshöfe, die an die Synagogen angegliedert waren; dort wurden Anklagen auf Irrlehren und gewöhnliche Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz verhandelt. Der Historiker Josephus sagt, dass jedes Stadtgericht aus sieben Richtern bestand (Altertümer, 4.8.14), und die Mischna berichtet, dass es in jeder Stadt mit mehr als 100 männlichen Juden 23 Richter gab (»Sanhedrin« l.6). Diese Gerichte entsprachen kleineren Versionen des großen Sanhedrin, das in Jerusalem zusammenkam (s. Anm. zu Mt 26,59). geschlagen. Die örtlichen Gerichte verhängten für gewöhnlich 39 Schläge, um nicht gegen 5Mo 25,2.3 zu verstoßen. Der Empfänger der Strafe wurde dabei bis zur Taille entkleidet. Er erhielt 13 Hiebe auf die Brust und 26 auf den Rücken (s. Anm. zu 2Kor 11,24). Synagogen. Die »Synagogen« waren jüdische Versammlungs- und Anbetungsstätten. Wenn die Gerichte zusammenkamen, traf man sich in der »Synagoge«.
13,10 allen Heidenvölkern muss zuvor das Evangelium ver- kündigt werden. Vor dem Ende (s. Anm. zu V. 7) wird es eine weltweite Verkündigung des Evangeliums geben. Das könnte sich sogar auf das Ereignis beziehen, wenn ein Engel auf übernatürliche Weise das Evangelium in der ganzen Welt verkünden wird, bevor Gott seine Gerichte am Ende der Drangsalszeit ausschüttet (Offb 14,6-8; s. Anm. zu Mt 24,14).
13,11 was ihr reden sollt. Obwohl die Verfolgung entsetzlich sein wird, sollten Christen sich in der Erwartung dieser Ereignisse nicht ängstigen. Denn nicht ihr seid es, die reden. Anstatt Furcht zu haben, können Gläubige ruhig bleiben und sich auf den Heiligen Geist verlassen, der ihnen passende und wirksame Worte zur Verteidigung ihres Glaubens an Christus geben wird. S. Anm. zu Lk 12,11.
13,13 Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet wer- den. S. Anm. zu Mt 24,13. Dies Ausharren bringt keine Errettung; es ist das vom Geist bewirkte Ausharren und ein Beweis der Echtheit der Errettung in dem Ausharrenden. Christus wird solche Gläubigen schließlich aus dem gegenwärtigen bösen System herausnehmen und in das ewige Reich Gottes bringen (vgl. Mt 10,22).
13,14 den Gräuel der Verwüstung. Das bezieht sich zunächst auf die Entweihung des Tempels durch Antiochus Epiphanes, den König von Syrien, im 2. Jhdt. v. Chr., als er ein Schwein auf dem Tempelaltar opferte. Das Ereignis hatte einen ähnlichen Charakter wie das, wovon Jesus hier spricht, d.h. die eigentliche Schändung durch den Antichristen, wenn er während der Drangsalszeit ein Bild von sich im Tempel aufstellt (s. Anm. zu Dan 9,27; 11,31; Mt 24,15; 2Th 2,4). da stehen seht, wo er nicht soll. Mt 24,15 bezeichnet den Ort als »an heiliger Stätte«. In der einzig anderen Stelle, wo dieser Ausdruck aus Matthäus im NT auftaucht, bezieht er sich deutlich auf den Tempel (Apg 21,8). Das lässt ausdrücklich darauf schließen, dass der Tempel in der Zukunft wieder aufgebaut wird und dass das tägliche Opfersystem erneut eingesetzt wird. »Stehen« deutet an, dass der Gräuel der Verwüstung längere Zeit Bestand hat, tatsächlich werden es 3 ½ Jahre sein (Dan 12,11; vgl. Offb 12,6). (wer es liest, der achte darauf!). Dies deutet an, dass Jesus diese Warnungen nicht an die Jünger richtete oder an andere Menschen ihrer Generation, die dieses Ereignis nicht erleben würden, sondern an Gläubige in der Endzeit. Diejenigen, die diese Wahrheiten lesen, werden vorbereitet sein und ihre Prüfungen »verstehen«. fl iehe auf die Berge. Jesus warnt die in Judäa lebenden Menschen, vor dem schrecklichen Strafgericht in den Bergen Zufl ucht zu suchen (s. Anm. zu Mt 24,16).
13,15 ins Haus. Es wird eine so schnelle Flucht nötig sein, dass, wenn ein Mensch die Nachricht auf dem Dach seines Hauses hört (s. Anm. zu 2,4), er die Außentreppe herunterlaufen und die Stadt verlassen soll, ohne vorher im Haus seinen Besitz zu retten.
13,16 Gewand. Das gr. Wort meint Überwurf oder Mantel. Jesus warnt diejenigen, die auf dem Feld arbeiten, sich keine Zeit zu nehmen, um ihren Mantel zu holen, der möglicherweise zu Hause oder weit vom Feld entfernt ist.
13,17 den Schwangeren und den Stillenden. Gewiss fühlte Jesus mit diesen Frauen, die nicht so schnell fl iehen können, da sie ihre Kinder tragen müssen. Aber er könnte sie vor Gräueltaten gewarnt haben, wie dem Aufschlitzen von Schwangeren und der Tötung von Säuglingen (vgl. Hos 14,1).
13,18 im Winter. Das bezieht sich auf die Regenzeit im Orient, wenn Flüsse unpassierbar werden können und es schwierig ist, Nahrung von den fruchtlosen Feldern zu bekommen.
13,19 eine Drangsal … wie es keine gegeben hat. Das zeigt, dass die Drangsal zukünftig ist, von der Jesus hier spricht, und dass sie größer sein wird als alles, was vorher schon geschehen ist. Sie wird lange anhalten und von starkem Druck und beständiger Qual gekennzeichnet sein. Das ist die große Drangsal am Ende des Zeitalters (vgl. Offb 7,14; s. Anm. zu Mt 24,21).
13,20 verkürzt. Wörtl. »stutzen«. Jesus spricht davon, dass Gott festgesetzt hat, die Zeit auf nur 3 ½ Jahre zu begrenzen (vgl. Dan 7,25; Offb 12,14; s. Anm. zu Mt 24,22). um der Auserwählten willen. Die »Auserwählten« könnte sich auf das Volk Israel beziehen (vgl. Jes 45,4) oder auf die Menschen, die in der Drangsalszeit Christen werden (Offb 17,14). In beiden Fällen wird Gott die Tage zu ihrem Vorteil verkürzen.
13,21 Siehe, hier ist der Christus! Satan wird falsche Christusse aufstehen lassen, um die Auserwählten aus ihren Zufl uchtsorten herauszulocken. Falsche Lehrer werden behaupten, Christus sei in ihrer Mitte, entweder wieder in Jerusalem oder irgendwo anders in Judäa.
13,22 Zeichen und Wunder. Satanisch bewirkte Pseudo-Wunder, um ihren Anspruch zu festigen, der wahre Christus zu sein (vgl. 2Th 2,9).
13,23 habt Acht . Jesu prophetische Warnung, auf der Hut zu sein. Er hat den fl üchtigen Auserwählten alles über die Zukunft mitgeteilt, was sie wissen müssen, um sich von den Abgesandten des Teufels nicht verleiten und betrügen zu lassen.
13,24 in jenen Tagen, nach jener Drangsal. »In jenen Tagen« bezeichnet die Ereignisse der Verse 6-23 und folglich meint »jene Drangsal« die große Drangsalszeit, von der Jesus eben gesprochen hatte. Das bedeutet auch, dass das nun Folgende (V. 24-27) direkt im Anschluss an das Ende dieser zukünftigen großen Drangsalszeit geschehen wird (vgl. Mt 24,29). wird die Sonne verfi nstert. Die Sonne wird schwarz, das Universum nimmt wie bei der Kreuzigung an seinem Tod, so auch hier sichtbaren Anteil an der Wiederkunft Christi (s. Anm. zu Mt 24,29; Apg 2,20; Offb 6,12).
13,25 Sterne des Himmels werden herabfallen. Himmelskörper werden aus ihren Bahnen geschleudert, willkürlich durch das Weltall schießen (vgl. Offb 6,13.14; 8,10-13; 16,8.17-20). Kräfte im Himmel. Viele Energien, die die Abläufe im Weltall konstant halten, und die Christus kontrolliert, werden auf seinen Befehl hin außer Kraft treten (vgl. Jes 13,6-16; 34,1-5; 2Pt 3,10-12).
13,26 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. in den Wolken kommen … mit großer Kraft und Herrlichkeit. Jesus wird auf die gleiche Weise auf die Erde zurückkommen, wie er sie verlassen hat (vgl. Apg 1,9-11; vgl. Dan 7,13.14; Offb 1,7). Der Psalmist sagt, dass Gott »Wolken« zu seinem Wagen macht (Ps 104,3), und Jes 19,1 stellt den Herrn auf einer Wolke fahrend vor. Obwohl diese »Wolken« natürlicher Art sein könnten, ist es dennoch wahrscheinlicher, dass sie die übernatürliche »Herrlichkeitswolke« bezeichnen, die im AT die Gegenwart Gottes beim Volk Israel darstellte (s. Anm. zu Offb 1,7). Christus besitzt »große Macht und Herrlichkeit« und seine Wiederkunft wird von sichtbaren Zeichen dieser Macht und Herrlichkeit begleitet sein (vgl. Offb 6,15-17; 11,15-19; 16,17-21; 19,11-16) – er wird die Auserwählten erlösen, die verwüstete Erde wiederherstellen und seine Herrschaft auf Erden errichten. 13,27 Engel. Eine Schar Engel wird mit Christus zurückkehren (vgl. 8,38; Mt 16,27; s. folgende Anm.). seine Auserwählten sammeln. Engel sammeln für Gott – sie werden die Ungläubigen zum Gericht (Mt 13,41.49.50) und die Auserwählten zur Herrlichkeit zusammenführen. Die »Auserwählten« werden die 144.000 jüdischen Zeugen umfassen (s. Anm. zu Offb 7,4), ihre Bekehrten (Offb 7,9) und die Bekehrten der Verkündigung des Engels (s. Anm. zu Offb 14,6). Auch die Heiligen des ATs sind mit einbezogen; sie erstehen mit ihren erlösten Seelen aus ihren Gräbern auf (Dan 12,1-3). von den vier Windrichtungen. Ein umgangssprachlicher Ausdruck, der »von überall« bedeutet und mit dem Ausdruck »von den vier Enden der Erde« vergleichbar ist. Alle Auserwählten auf der Erde oder im Himmel werden in das Reich Gottes kommen.
13,28 Feigenbaum. S. Anm. zu 11,13. das Gleichnis. S. Anm. zu 4,2.
13,29 Ebenso wie das Hervorsprießen der Blätter des Feigenbaumes ein Zeichen für den herannahenden Sommer ist, sind die von Jesus als Geburtswehen beschriebenen Ereignisse (V. 6-23) ein deutlicher Hinweis auf die Rückkehr Christi (s. Anm. zu Mt 24,32). dies. Die Ereignisse in Vers 6-23. er … ist. Lk 21,31 meint mit »er« den Sommer, also das Reich Gottes. Das stimmt mit der eingangs gestellten Frage der Jünger an Jesus überein (V. 4), die sich auf die Zeichen bezog, die den Beginn des Reiches Gottes ankündigen würden.
13,30 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28. Dieses Ge- schlecht. Die Generation der Menschen, die während der Endzeit lebt und Zeugen der Zeichen und Ereignisse ist, die zur Wiederkunft Christi führen (s. Anm. zu Mt 24,34).
13,31 Himmel und Erde werden vergehen. Das Universum, wie wir es kennen, wird sich nach der tausendjährigen Friedensherrschaft Christi dramatisch verändern (s. Anm. zu 2Pt 3,10-13). meine Worte werden nicht vergehen. Es ist unmöglich, dass das Wort Gottes in irgendeiner Weise vernichtet, zerstört oder verändert wird (vgl. Ps 19,10; Mt 5,18; Lk 16,17; Joh 10,35).
13,32 Um jenen Tag aber und die Stunde. Den genauen Tag und die Zeit der Wiederkehr Christi (s. Anm. zu Mt 24,36). weiß niemand. Die Zeit des Wiederkommens Christi wird keinem Menschen im Voraus geoffenbart. Zu dieser Zeit war es nur Gott, dem Vater, bekannt. Engel. Obwohl alle Engelwesen vertrauten Umgang mit Gott genießen, seinen Thron umgeben, um seine Gebote auszuführen (Jes 26,2-7), und ihn ständig sehen (Mt 18,10), kennen sie die Zeit der Rückkehr Christi nicht. auch nicht der Sohn. Als Jesus diese Worte zu den Jüngern redete, wusste selbst er nicht das Datum und die Zeit seines Kommen. Obgleich Jesus bei seiner Menschwerdung vollkommen Gott war (Joh 1,1.14), verzichtete er freiwillig auf die Ausübung bestimmter göttlicher Eigenschaften (Phil 2,6-8). Er zeigte sie nicht, es sei denn sie entsprachen dem Willen des Vaters (Joh 4,34; 5,30; 6,38). Er bewies seine Allwissenheit bei mehreren Gelegenheiten (vgl. Joh 2,25; 3,13), aber er beschränkte sie freiwillig auf die Dinge, die Gott ihn während seines Menschseins wissen ließ (Joh 15,15). So verhielt es sich auch in Bezug auf das Datum und die Zeit seiner Rückkehr. Nach seiner Auferstehung nahm Jesus wieder sein vollständiges göttliches Wissen an (vgl. Mt 28,18; Apg 1,7).
13,33 wachet und betet. Christus ermahnt die Gläubigen zur Wachsamkeit (s. Anm. zu V. 5) in zweifach praktischer Weise: 1.) »wachet« ist ein Aufruf, wach zu bleiben und aufmerksam auf herannahende Gefahren zu achten; und 2.) »betet« hebt den beständigen Bedarf des Gläubigen an göttlicher Hilfe bei diesem Bestreben hervor. Auch Gläubige haben in sich selbst nicht ausreichende Mittel, um vor geistlichen Gefahren auf der Hut zu sein, von denen sie so leicht überrascht werden können.
13,34 Türhüter. Zur Zeit Jesu bewachte eine solche Person das äu- ßere Tor des Hauses, um den zurückkehrenden Herrn bei seiner Ankunft hereinzulassen. Alle Jünger Christi sollten Türhüter sein, immer wach für die Rückkehr ihres Herrn.
13,35 am Abend … oder am Morgen. Die üblichen Begriffe für die vier dreistündigen Nachtwachen von 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Ihre Bezeichnungen geben viel mehr das Ende der dreistündigen Zeitspanne als ihren Anfang an.
14,1 zwei Tage. Im Kontext von Mt 26,2 kündigt Jesus seine Kreu- zigung in »zwei Tagen« an, was der Freitag wäre, da er am Mittwochabend zu ihnen sprach. Markus’ Zeitplan ist hier der gleiche wie bei Matthäus (s. Anm. zu Mt 26,2). dem Passah. Der Freitag des Passah, das am Donnerstag bei Sonnenuntergang begonnen hatte. Das Passahfest ist ein Gedenken an das »Vorübergehen« des Todesengels an den Häusern der Israeliten, der die Erstgeborenen der Ägypter tötete (2Mo 12,1-13,16). Das Passahfest begann am 14. des Monats Nisan (der erste Monat des jüdischen Kalenders) mit der Schlachtung des Passahlammes und dauerte bis zum frühen Morgen des 15. (s. Anm. zu 2Mo 12,6; Mt 26,2). Fest der ungesäuerten Brote. Dies Fest erinnerte an den Auszug der Israeliten aus Ägypten (2Mo 23,15). Es schloss sich unmittelbar an das Passahfest an und dauerte vom 15. bis 21. des Monats Nisan. Ungesäuertes Brot ist die Brotart, die die Israeliten auf der Flucht mitnahmen; es symbolisiert das Fehlen des Sauerteigs der Sünde in ihrem Leben und in ihren Häusern (s. Anm. zu 2Mo 12,14; 3Mo 23,6-8). obersten Priester. S. Anm. zu 8,31. Schriftgelehrten. S. Anm. zu Mt 2,4.
14,2 Nicht während des Festes. Da das Passah in Jerusalem ge- feiert werden musste, würde die Stadt überfüllt sein – vielleicht waren 2 Millionen Menschen anwesend. Da viele von ihnen aus Galiläa kommen würden – einer Region, in der Jesus viele Anhänger hatte – und die religiösen Führer keinen Aufruhr wollten, beschlossen sie, bis nach dem Passah zu warten, wenn die Mengen sich wieder zerstreut hätten (s. Anm. zu Mt 26,5).
14,3 Die hier berichtete Begebenheit ereignete sich am Samstag zuvor (vgl. Joh 12,1). Es ist Markus’ Darstellung der Salbung Jesu durch Maria, die zur Vorbereitung auf die Kreuzigung diente (vgl. Mt 26,6-13; Joh 12,2-8). 14,3 Bethanien. S. Anm. zu 11,1. Simons des Aussätzigen. Im NT wird dieser Mann nur in Verbindung mit dieser Begebenheit erwähnt. Da ein Aussätziger in der jüdischen Gesellschaft ein Verstoßener war, wurde er wahrscheinlich durch ein Wunder Jesu geheilt und hatte dieses Mahl für Jesus aus Dankbarkeit bereitet (s. Anm. zu 3Mo 13; Mt 26,6). eine Frau. Joh 12,3 gibt sie als Maria zu erkennen, die Schwester von Martha und Lazarus, die auch zugegen waren. einem Alabasterfl äschchen. Diese langhalsige Flasche war aus einer speziellen Art Marmor gefertigt, einem Material, das sich als bestes Behältnis für kostbare Parfüme und Öle erwies (s. Anm. zu Mt 26,7). kostbarer Narde. Anstatt »kostbar« könnte man aus dem Gr. auch »ganz und gar vollkommen« übersetzen. Das Öl stammte von der gleichnamigen Pfl anze, die in Indien beheimatet war. »Köstlich« meint, dass es echtes, unverfälschtes Nardenöl war, was es auch so teuer machte. zerbrach. Möglicherweise hat sie einfach den Hals der Flasche zerbrochen, um den Inhalt schneller ausgießen zu können, ein Ausdruck von aufrichtiger und vollkommener Ergebenheit gegenüber dem Herrn.
14,4 etliche wurden aber unwillig. Joh 12,4.5 sagt, dass Judas der Initiator war, und Mt 26,8 deutet an, dass der Führung Judas’ alle anderen Jünger folgten und sich über Marias Verschwendung des sehr kostbaren Öls ärgerten.
14,5 300 Denare. Da ein Denar der Tageslohn eines gewöhnlichen Arbeiters war, entsprach die Summe nahezu dem Arbeitslohn eines ganzen Jahres. den Armen geben. Obwohl elf Jünger mit dieser Verwendung des Geldes einverstanden gewesen wären, hätten es die Armen dennoch nie gesehen. Denn Judas war in Wirklichkeit ein Dieb, getarnt als Kassenverwalter der Zwölf – er hätte die ganze Summe veruntreuen können (Joh 12,6).
14,7 die Armen habt ihr allezeit bei euch. Die Gelegenheit zum Dienst an den Armen bot sich »allezeit«, aber Jesus würde nur eine begrenzte Zeit bei ihnen sein. Es war nicht die Zeit, die Nöte der Armen und Kranken zu stillen – es war die Zeit zur aufopfernden Anbetung des Einen, der schon bald leiden und gekreuzigt sein würde (s. Anm. zu Mt 26,11; vgl. 2,19).
14,8 meinen Leib … zum Begräbnis gesalbt. Maria tat das wahr- scheinlich ohne überhaupt zu erkennen, was sie tat. Ihre Salbung Jesu wurde zu einem Symbol, das auf seinen Tod und sein Begräbnis vorausschaute (s. Anm. zu Mt 26,12).
14,9 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28. Evangelium. S. Anm. zu 1,1.
14,10 Judas Ischariot. In scharfem Kontrast zu der Liebe und Hingabe Marias stehen Hass und Verrat des Judas. Dieser Jünger, der verständlicherweise der letzte in der Aufl istung der Zwölf ist, war der Sohn Simons, der auch »Ischariot« genannt wurde. Der Name »Ischariot« bedeutet »Mann aus Kariot«, einer kleinen Stadt in Judäa etwa 35 km südlich von Jerusalem (vgl. 3,19). Somit war Judas kein Galiläer wie die anderen Jünger. Deutlich ist, dass Judas nie geistliches Interesse an Jesus hatte – er wurde von ihm angezogen, weil er erwartete, dass Jesus ein mächtiger religiöser und politischer Führer werden würde. Durch den Umgang mit ihm sah Judas seine große Chance, zu Macht, Reichtum und Ansehen zu gelangen. Aber Jesus wusste, was Judas von Anfang an war – aus diesem Grund wählte er ihn als einen der Zwölf aus. Er war derjenige, der ihn verraten würde, um die Schrift und den Errettungsplan Gottes zu erfüllen (Ps 41,10; 55,13-16.21.22; Sach 11,12.13; Joh 6,64.70.71; 13,18; 17,12). den Zwölfen. S. Anm. zu 3,14. obersten Priestern. S. Anm. zu 8,31.
14,11 Geld. Matthäus sagt, dass die Summe 30 Silbermünzen betrug, in die Judas als Blutgeld einwilligte (s. Anm. zu Mt 26,15). er suchte eine gute Gelegenheit. »Suchte.« Judas überlegte sich jetzt konkrete Schritte. »Gelegenheit« meint, dass Judas nach einer geeigneten Situation ausschaute, seinen bösen Plan umzusetzen. So sollte Jesus z.B. nicht gerade von einer Volksmenge umringt sein (Lk 22,6).
14,12 ungesäuerten Brote. Das Passah war so eng mit dem Fest der ungesäuerten Brote verbunden, dass beide Begriffe austauschbar für die 8-tägigen Feierlichkeiten verwendet wurden, die mit dem Passah begannen. Obschon hier der Ausdruck »Tag der ungesäuerten Brote« benutzt wird, meint Markus deutlich die Vorbereitung des Passah (s. Anm. zu V. 1; Mt 26,17). man das Passahlamm schlachtete. Die Lämmer wurden in der Dämmerung des 14. Nisan getötet (2Mo 12,6). »Dämmerung« entspricht einem hebr. Ausdruck, der »zwischen den zwei Abenden« bedeutet, also der Zeit zwischen 15 und 17 Uhr. Nachdem das Lamm geschlachtet und etwas von seinem Blut an den Altar gesprengt war, wurde das Lamm nach Hause gebracht, als Ganzes gebraten und am Abend mit den ungesäuerten Broten gegessen, zusammen mit bitteren Kräutern, Haroschet (einer Paste aus zerdrückten Äpfeln, Datteln, Granatäpfeln und Nüssen, in die das Brot getaucht wurde) und Wein. 14,13 zwei seiner Jünger. Petrus und Johannes (Lk 22,8). Nur zwei Menschen durften das Lamm zur Opferung begleiten. ein Mensch … der einen Wasserkrug trägt. Das ist die einzige Identifi zierung, die Jesus dem Mann gibt. Doch er fi el auf, da es für einen Mann ungewöhnlich war, einen Wasserkrug zu tragen – üblicherweise übernahmen Frauen diese Pfl icht (s. Anm. zu Mt 26,18).
14,14 Gastzimmer. In Lk 2,7 wird das gleiche gr. Wort mit »Her- berge« wiedergegeben. Normalerweise bezieht es sich auf einen Ort, an dem ein Reisender die Nacht verbringen konnte – eine Unterkunft, oder wie in diesem Fall, ein Gästezimmer (vgl. Mt 26,18).
14,15 einen großen Obersaal. Das lässt annehmen, dass der Raum oben lag und vielleicht eine Dachkammer auf dem Haus war. bereitet es. Petrus und Johannes sollten das Passahmahl für Jesus und die übrigen Jünger vorbereiten.
14,17 Abend. Das Passahmahl sollte am Abend nach Sonnenunter- gang gegessen, aber noch vor Mitternacht beendet sein (2Mo 12,8-14). mit den Zwölfen. Petrus und Johannes waren womöglich zu Jesus und den anderen Jüngern zurückgegangen und hatten sie zum Obersaal geführt. Das könnte aber auch eine generelle Anspielung auf die Zwölf sein und bedeuten, dass Jesus mit den übrigen 10 Jüngern kam, um Petrus und Johannes zu treffen. 14,18 saßen und aßen. Die Reihenfolge beim Passahmahl war: 1.) ein Kelch Rotwein gemischt mit Wasser (vgl. Lk 22,17); 2.) die zeremonielle Handwaschung, die die Notwendigkeit geistlicher und moralischer Reinigung symbolisierte; 3.) bittere Kräuter, die die Knechtschaft in Ägypten darstellten; 4.) ein zweiter Kelch mit Wein, wobei der Hausherr die Bedeutung des Passah erklärte; 5.) das Singen des Hallel (Ps 113-118) – zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten beiden Psalmen gesungen; 6.) das Lamm wurde hereingebracht und der Hausherr verteilte einzelne Stücke zusammen mit ungesäuertem Brot; 7.) der dritte Kelch mit Wein wurde getrunken (s. Anm. zu 1Kor 10,16).
14,20 der mit mir … in die Schüssel eintaucht. Wahrscheinlich befanden sich auf dem Tisch mehrere Schüsseln – Judas gehörte wohl zu denen, die nahe bei Jesus saßen, und benutzte daher die gleiche Schüssel wie er.
14,21 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10. wie … geschrie- ben steht. Jesus war kein ahnungsloses Opfer – sein Verrat durch Judas wurde im AT prophezeit (Ps 22; Jes 53) und gehörte zum zuvor beschlossenen Errettungsplan Gottes (Apg 2,23). besser, wenn er nicht geboren wäre. Vgl. Joh 8,21-24; 16,8-11. Weil Judas in der Hölle eine so große Qual erleiden würde. Die schlimmste Strafe ist für Judas und ähnliche Menschen reserviert (Hebr 10,29). Das ist eine der drastischsten Aussagen in der Schrift hinsichtlich der menschlichen Verantwortung, zum Glauben an Christus zu kommen und wird hier mit der Konsequenz des Unglaubens in Beziehung gesetzt.
14,22 Zu diesem Zeitpunkt der Erzählung scheint es, als sei Judas gegangen (Joh 13,23-30) und Jesus sei nun mit den treuen elf Jüngern allein (s. Anm. zu Lk 22,21). Anschließend machte Jesus das Passah des alten Bundes zum Mahl des Herrn im neuen Bund, ein neues Gedächtnismahl zur Erinnerung der göttlichen Erlösung von der Sünde. 14,22 während sie aßen. In keinem Evangelium fi ndet sich ein Hinweis, bei welchem Teil des Mahles sie waren, aber wahrscheinlich war es vor dem Essen des gebratenen Lammes oder zeitgleich damit. Es ist bedeutsam, dass Jesus die Wahrheit des neuen Bundes in der Mitte des Passahmahls offenbarte. Das ist mein Leib. Jesus gab dem Essen des Brotes eine neue Bedeutung. Das ungesäuerte Brot symbolisierte die Trennung der Israeliten vom alten Leben in Ägypten. Es war die Trennung von Weltlichkeit, Sünde und falschen Religionen und der Beginn eines neuen Lebens der Heiligkeit und Gottesfurcht. Von da an würde beim Mahl des Herrn das Brot den Leib Christi symbolisieren, welchen er zur Errettung der Menschen als Opfer gab (s. Anm. zu Mt 26,26).
14,23 den Kelch. Der dritte Kelch mit Wein während der Zeremonie (s. Anm. zu 1Kor 10,16).
14,24 mein Blut, das des neuen Bundes. Gott forderte bei einer Bundeseinführung stets das Vergießen von Blut (vgl. 1Mo 8,20; 15,10; 2Mo 24,5-8). Hier musste das Blut Christi zur Vergebung der Sünden vergossen werden (Hebr 9,22; 1Pt 1,19; s. Anm. zu Mt 26,28). für viele. Das heißt: »zum Nutzen für viele.« Mit »viele« sind alle Gläubigen gemeint – sowohl Juden als auch Nicht-Juden. S. Anm. zu 10,45; vgl. Mt 20,28.
14,25 Wahrlich, ich sage euch. S. Anm. zu 3,28. Ich werde nicht mehr … trinken. Jesus erklärte, dass dies das letzte Passah sei und er keinen Wein mehr mit ihnen trinken werde, da es sein letztes Mahl ist. Bis zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches sollen Gläubige dies Gedächtnismahl halten (s. Anm. zu 1Kor 11,23-34). es neu trinken werde. Das diente ihnen als Zusicherung der Wiederkunft Christi und der Gründung seines irdischen Tausendjährigen Reiches. Womöglich deutet dies an, dass das Gedächtnismahl zur Erinnerung an das Kreuz auch im Tausendjährigen Reich gehalten wird. Wahrscheinlich ist es aber eher ein Hinweis darauf, dass Jesus kein weiteres Passah mit ihnen haben würde, bis zum Kommen des Reiches Gottes (s. Anm. zu Hes 45,18-25; 45,21-24). Es trifft auch zu, dass im kommenden Reich Gedenkopfer des atl. Bundes erneut eingesetzt werden (Hes 43 – 45), die eine Bedeutung haben werden, die vor dem Kreuz, auf das sie hinwiesen, nie verstanden wurde. Reich Gottes. Ein Ausblick auf das irdische Tausendjährige Reich Gottes.
14,26 den Lobgesang gesungen. Wahrscheinlich Ps 118, der letz- te Psalm des am Passah traditionell gesungenen Hallel (s. Anm. zu Mt 26,30). Ölberg. S. Anm. zu 11,1.
14,27 an mir Anstoß nehmen. S. Anm. zu 4,17; Mt 26,31. Das kann auch mit »zu Fall kommen« wiedergegeben werden und bezieht sich auf das vorübergehende Abfallen der Jünger von der Treue zu ihrem Herrn. es steht geschrieben. Ein Zitat aus Sach 13,7.
14,28 nach Galiläa. Jesus verheißt, die Jünger in seinem Aufer- stehungsleib wieder zu treffen (vgl. 16,7; Mt 28,16.17; s. Anm. zu Mt 28,7).
14,30 Wahrlich, ich sage dir. S. Anm. zu 3,28. ehe der Hahn zweimal kräht. Nach der jüdischen Zeiteinteilung beendete der »Hahnenschrei« die dritte Nachtwache um 3 Uhr morgens. Es war die Zeit, in der Hähne normalerweise zu krähen beginnen (s. Anm. zu 13,35). In den Evangelien deutet allein Markus an, dass der Hahn zweimal krähte (V. 72; s. Anm. zu Mt 26,34).
14,32 Gethsemane. Der Name bedeutet »Ölkelter« und bezieht sich auf einen Garten voller Olivenbäume am Hang des Ölbergs. Jesus suchte diesen Ort mit den Jüngern oftmals auf, wenn er sich zum Beten von den Mengen zurückziehen wollte (vgl. Joh 18,12; s. Anm. zu Mt 26,36).
14,33 Petrus und Jakobus und Johannes. S. Anm. zu 5,37. Je- sus nahm sie wahrscheinlich mit in den Garten, weil sie die Führer der Zwölf waren und eine wichtige Lektion zu lernen hatten, die sie anderen weitergeben sollten (V. 34-42). erschrecken. Das gr. Wort bezieht sich auf ein Gefühl von Angst erregender Verwunderung. Angesichts der furchtbaren Aussicht, den ganzen Zorn Gottes über die Sünde zu tragen, überwältigte ihn schreckliche Angst (s. Anm. zu Mt 26,38).
14,34 bis zum Tod. Jesus war so sehr betrübt, dass er in diesem Augenblick zu sterben drohte. Es ist möglich, dass ein Mensch vor lauter Seelenqual stirbt (vgl. Lk 22,44; s. Anm. zu Mt 26,38).
14,35 wenn … möglich. Jesus bat Gott nicht, den Kelch an ihm vorübergehen zu lassen, wenn er die Macht dazu habe, sondern wenn es nach dem Plan Gottes möglich wäre. Bald schon sollte Christus diesen Kelch am Kreuz nehmen, als Gottes einziges Opfer für Sünde (vgl. Apg 4,12). die Stunde. Der Zeitpunkt seines Opfertodes, wie Gott ihn verfügt hatte. Diese Stunde umfasste alles, vom Verrat (V. 41) über die Gerichtsprozesse und die Geißelung und Verspottung bis hin zur Kreuzigung.
14,36 Abba. Ein liebevoller, vertrauter aramäischer Begriff, der dem Wesen nach gleichbedeutend mit dem deutschen Wort »Papa« ist (vgl. Röm 8,15; Gal 4,6). Alles ist dir möglich. Jesus wusste, dass es in der Macht und Allwissenheit Gottes stand, eine Alternative zu seinem Erlösungsplan bereitzustellen, wenn er es wollte (s. Anm. zu V. 35). Kelch. Das war der Kelch des göttlichen Zorns, von dem das AT spricht (Ps 75,9; Jes 51,17; Jer 49,12). Christus musste den Zorn Gottes über die Sünde, über den Teufel und die Macht des Todes erleiden (s. Anm. zu Mt 26,39; Lk 22,42; Joh 18,11). nicht, was ich will, sondern was du willst. Das offenbart Jesu völlige Entschlossenheit und Ergebenheit, den Willen Gottes zu tun. Er kam in die Welt, um den Willen Gottes zu tun, wozu er sich bis zum Ende verpfl ichtete (s. Anm. zu Mt 26,39; Joh 6,38-40).
14,37 Simon. Dass Jesus den Namen »Simon« gebrauchte, könnte andeuten, dass Petrus der Bedeutung seines neuen Namens »Petrus« nicht gerecht wurde (s. Anm. zu Mt 16,18). eine Stunde. Das deutet darauf hin, dass Jesus eine Stunde im Gebet verbracht hatte, eine Zeitspanne, in der Petrus unfähig war, wach zu bleiben.
14,38 Wacht. Das gr. Wort bedeutet »wachsam sein«. Jesus er- mahnte Petrus, Jakobus und Johannes, aufmerksam zu sein, wenn sie geistlich angegriffen werden. Sie sollten sich von ihrem Selbstvertrauen nicht in geistlichen Schlaf wiegen lassen. das Fleisch ist schwach. Da der willige Geist noch im unerlösten Fleisch wohnt, sind Gläubige nicht immer in der Lage, die von ihnen ersehnte Gerechtigkeit auszuüben (vgl. Röm 7,15-23; s. Anm. zu Mt 26,41).
14,41 Schlaft ihr noch immer und ruht? Die drei Jünger blieben in diesem Augenblick nicht nur gegenüber der Not Christi gleichgültig, sondern auch gegenüber der von ihnen benötigten Stärke und Wachsamkeit für die bevorstehende Versuchung, die auf die Elf zukommen würde. Die Jünger mussten lernen, dass geistliche Siege jene erlangen, die im Gebet wachsam sind und sich auf Gott stützen, und dass Selbstvertrauen und mangelnde geistliche Vorbereitung zu einer geistlichen Katastrophe führen. Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10.
14,43 Judas … einer der Zwölf. S. Anm. zu 3,19; Mt 26,47. Alle Verfasser der Evangelien sprechen in dieser Weise von ihm (V. 10.20; Mt 26,14.47; Lk 22,47; Joh 6,71); dabei beweisen sie eine bemerkenswerte Beherrschung in der Beschreibung und Beurteilung des Judas. Besonders in diesem Zusammenhang verstärkt eine so einfache Beschreibung das Böse seiner Tat eindrucksvoller als eine Reihe abfälliger Bezeichnungen oder kritischer Bemerkungen. Sie stellt zudem die genaue Erfüllung der Ankündigung Jesu aus den Versen 18-20 heraus. eine große Schar mit Schwertern und Stöcken. Diese »Schar« war eine sorgfältig ausgewählte Gruppe, deren einzige Absicht die Festnahme Jesu zu seiner Tötung war. Eine Kohorte (vollzählig 600 Mann) von römischen Soldaten (Joh 18,3.12) befand sich in der Menge, denn die jüdischen Führer (vgl. Lk 22,52), die die Schar organisiert hatten, benötigten zur Ausführung der Todesstrafe die Erlaubnis Roms und fürchteten zudem die Volksmenge. Die »Schwerter« waren normale kleine Handwaffen der Römer und die hölzernen »Stöcke« gewöhnliche Waffen, die die jüdische Tempelpolizei trug. obersten Priestern … Schriftgelehrten … Ältesten. Obwohl sie drei verschiedene Gruppen des Sanhedrin waren (wie der bestimmte Artikel vor jeder Gruppe andeutet), handelten sie als Einheit. Diese jüdischen Führer hofften offenbar schon eine ganze Zeit lang (s. Anm. zu 3,6; 11,18), Jesus der Rebellion gegen Rom anklagen zu können. Dann wäre Rom für seine Tötung verantwortlich zu machen und die Führer könnten möglichen Vergeltungsmaßnahmen durch Jesu jüdische Bewunderer entgehen. Der Hohe Rat eilte wahrscheinlich zu Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter, um ihn um den sofortigen Einsatz seiner Soldaten zu bitten; oder sie handelten vielleicht aufgrund einer zuvor getroffenen Vereinbarung zu diesem kurzfristigen Truppeneinsatz. Wie auch immer, die Führer holten sich die Unterstützung des römischen Militärs von der Festung Antonia in Jerusalem.
14,44 küssen. Außer einer speziellen Respekts- und Zuneigungs- bekundung war diese Art von Kuss ein Zeichen der Ehrerbietung und Freundschaft in der Kultur jener Zeit und Weltgegend. Aus der Vielfalt der Kussmöglichkeiten (auf die Füße, den Handrücken, die Handfl äche, auf den Saum der Kleidung) wählte Judas die Umarmung und den Kuss auf die Wange – die Variation, die die innigste Liebe und Zuneigung offenbarte und normalerweise für eine Person reserviert war, zu der man eine enge und vertraute Beziehung hatte (so wie sehr vertraute Freunde). Judas hätte Jesus auf keine verabscheuungswürdigere Weise identifi zieren können, da er die übliche Bedeutung auf so verräterische und heuchlerische Weise verzerrte. 14,45 Rabbi. »Mein Meister« (s. Anm. zu 9,5). küsste ihn. Das gr. Wort, das hier für »küsste« verwendet wurde, ist eine intensivere Form des gr. Verbs für »küssen« aus V. 44; es bezeichnet einen inbrünstigen, dauerhaften Ausdruck der Zuneigung und könnte auch mit »herzlich bzw. zärtlich küssen« wiedergegeben werden (vgl. Lk 7,38.45; 15,20; Apg 20,37). Judas gab vor, Christus herzlich zu lieben. Die Handlung war wahrscheinlich lang genug, um der Menge die Möglichkeit zu geben, Jesus zu identifi zieren. 14,47 Einer aber von denen, die dabei standen. Simon Petrus (Joh 18,10), einer der beiden Jünger, die ein Schwert mit sich führten (Lk 22,38). Markus und die anderen synoptischen Schreiber weisen Petrus nicht klar aus, vielleicht weil sie früher schrieben als Johannes; zu der Zeit, als Petrus noch jüdische Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten hatte. den Knecht des Hohenpriesters. Malchus (Joh 18,10). Er war weder Soldat noch gehörte er zur Tempelpolizei, vielmehr war er ein hochrangiger persönlicher Knecht von Kaiphas, dem Hohenpriester, wahrscheinlich gesandt, um Judas zu beobachten und von den Ereignissen des Abends zu berichten.
14,48 Wie gegen einen Räuber. Jesus drückte seinen gerechten Zorn über das Handeln und die Haltung der Menge aus. Ein »Räuber« war normalerweise ein Wegelagerer oder bewaffneter Bandit, der sich einer Verhaftung widersetzen würde. Der Rahmen, den die Menge bildete, stand im völligen Gegensatz zu seinem wohl bekannten Dienst als religiöser Lehrer.
14,49 Tempel. S. Anm. zu 11,11. Das war der öffentlichste Platz in Jerusalem. damit die Schriften erfüllt werden. Einmal ganz abgesehen von den sündigen Absichten der Menge benutzte Gott sie in souveräner Weise, um die Prophezeiung zu erfüllen (vgl. Jes 53,7-9.12) und seine Gnadenabsichten zu verwirklichen (s. Anm. zu Mt 26,54).
14,50 verließen ihn. Die Jünger fanden keinen Trost in Jesu Verweis auf die Schriften, stattdessen brach ihr Glaube an ihn zusammen, als sie erkannten, dass er der Festnahme keinen Widerstand entgegenbrachte und auch sie ergriffen werden könnten.
14,51 ein gewisser junger Mann. Das könnte Markus selbst gewe- sen sein. Falls die Schar unter der Führung Judas auf der Suche nach Jesus zuerst zu dem Haus der Mutter von Markus gegangen war – möglicherweise zu dem Ort, wo das letzte Passah von Jesus und den Zwölfen gehalten wurde –, hätte Markus den Lärm vielleicht gehört, das Geschehen erahnt und sich beeilt, der Menge zu folgen. ein Leinengewand. Entweder ein weites Schlafgewand aus Leinen oder ein Laken, das Markus eilig um sich gewickelt hatte, nachdem er aus dem Bett aufgestanden war.
14,52 fl oh entblößt. Markus entkam der Festnahme und lief fort; entweder verlor er dabei sein Gewand oder es wurde ihm weggerissen, so dass ihm keine Bedeckung mehr blieb.
14,53 Markus’ Darstellung des Gerichtsprozesses gegen Jesus macht wie alle anderen Evangelien deutlich, dass über Christus in zwei Hauptphasen verhandelt wurde: 1.) vor den religiösen Autoritäten (dem jüdischen Sanhedrin); und 2.) vor den weltlichen politischen Autoritäten (Rom, repräsentiert durch den Statthalter Pontius Pilatus). Jede dieser Phasen bestand aus drei Teilen: einem einleitenden Verhör, einer formalen Anklageerhebung und einer formalen Urteilsverkündigung. Wie die anderen Evangelisten gibt auch Markus keinen umfassenden Bericht aller Einzelheiten und Phasen. Ein vollständiges Bild erfordert das gesamte Material aller vier Evangelien. 14,53 obersten Priester. Kaiphas, der Leiter des Sanhedrin (s. Anm. zu Mt 26,3.57; vgl. Joh 18,24). Er war der offi zielle Hohepriester von 18-36 n. Chr. alle Hohenpriester und die Ältesten und die Schriftgelehrten. S. Anm. zu V. 43. Der vollzählige Sanhedrin, die ganze Hierarchie war anwesend.
14,54 Hof des Hohenpriesters. Ein viereckiger Innenhof in der Mitte des hohenpriesterlichen Wohnsitzes. 14,55 Hohe Rat. Der Sanhedrin (s. Anm. zu Mt 26,59).
14,56 Weil Jesus unschuldig war, konnten die jüdischen Führer ihn nicht überführen, es sei denn sie würden sich auf meineidige Zeugnisse und eine gebeugte Justiz stützen. Die Juden waren entschlossen, alles nötige zu tun, selbst wenn sie gegen jede biblische und rabbinische Vorschrift hätten verstoßen müssen. viele legten ein falsches Zeugnis gegen ihn ab. Es mangelte nicht an Leuten, die auf Einladung des Sanhedrins hervortraten, um bewusst falsche und erfundene Aussagen zu erbringen. stimmten … nicht überein. Die Aussagen waren gänzlich unstimmig. Das Gesetz jedoch verlangte eine exakte Übereinstimmung zwischen zwei Zeugenaussagen (5Mo 17,6; 19,15).
14,57 falsches Zeugnis. Böswillig entstellten und verdrehten die Zeugen Jesu Aussagen. Es war sehr leicht, dass sie seine bildliche Aussage über seinen Tod und seine Auferstehung in Joh 2,19-22 in eine Prophezeiung der buchstäblichen Zerstörung des Tempels in Mk 13,2 umkehrten. In ihrer Anklage behaupteten sie, dass er der gegenwärtigen Gottesdienstordnung (wegen des Ersetzens des jetzigen Tempels) nicht loyal gegenüberstehe und außerdem Gott lästerte (indem er sagte, dass er den Tempel innerhalb von drei Tagen wieder aufbauen würde, ohne Hand anzulegen).
14,58 Ich will diesen mit Händen gemachten Tempel zerstö- ren. Gemeint ist das physische Heiligtum in Jerusalem. Mutig stellte Jesus diese Behauptung vor dem Tempel auf, den die Juden verehrten, doch seine Worte wurden nicht richtig verstanden (s. vorherige Anm. und d. Anm. zu Joh 2,19.20).
14,60 Als die fortgesetzt falschen Anklagen Jesus nicht ausreichend belasten konnten, versuchte Kaiphas die angespannte Situation zu retten, indem er dem Herrn eine Reaktion entlocken wollte. Der Hohepriester verstand nicht, wie Jesus ruhig bleiben konnte und sich nicht verteidigte.
14,61 schwieg. Das Schweigen der Unschuld, Integrität und des Glaubens an Gott. Eine Antwort von Jesus hätte all den falschen Zeugnissen und unrechtmäßigen Verfahren einen Anschein von Berechtigung gegeben. Christus. Dieser Ausdruck bezieht sich auf den Anspruch Jesu, der verheißene Messias zu sein (s. Anm. zu Mt 1,1). Sohn des Hochgelobten. Ein Bezug auf den Anspruch der Gottheit Jesu. Dieser Ausdruck taucht im NT nur hier auf und ist ein Beispiel für jüdische Formulierungen, die den Namen Gottes vermeiden (s. Anm. zu Joh 8,58). Dieser Anspruch Jesu, Messias und Gott zu sein (vgl. Lk 4,18-21; Joh 4,25.26; 5,17.18; 8,58), rief immer energischen Widerstand seitens der jüdischen Führer hervor (Joh 5,19-47; 8,16-19; 10,29-39). Natürlich stellte der Hohepriester diese Frage in der Hoffnung, Jesus würde sie bestätigen und sich dadurch der formalen Anklage der Gotteslästerung aussetzen.
14,62 Ich bin‘s. Eine eindeutige Erklärung, dass Jesus sowohl der Messias als auch der Sohn Gottes war. Sohn des Menschen. S. Anm. zu 2,10; Mt 8,20. Jesus verwendet diesen weithin anerkannten messianischen Titel für seine Person mehr als 80-mal in den Evangelien, hier in Anlehnung an Ps 110,1 und Dan 7,13 (vgl. Offb 1,13; 14,14). zur Rechten der Macht. Vgl. 10,37; Apg 2,33; 7,55; Hebr 2,9; Offb 12,5. Jesu verherrlichte Stellung ist neben dem Thron Gottes (»Macht« ist eine Andeutung auf Gott). Wolken. S. Anm. zu 13,26; vgl. Mt 24,30; 26,64; Lk 21,27; Apg 1,9-11; Offb 1,7; 14,14.
14,63 zerriss … seine Kleider. Eine zeremonielle und in diesem Fall gekünstelte Demonstration von Trauer und Entrüstung über die unterstellte Entehrung des Namens Gottes durch Jesus (vgl. 1Mo 37,29; 3Mo 10,6; Hi 1,20; Apg 14,13.19: s. Anm. zu Mt 26,65). Was brauchen wir weitere Zeugen? Eine rhetorische Frage, die Erleichterung darüber ausdrückte, dass die angespannte und peinliche Situation schließlich vorbei war. Da Jesus sich in den Augen des Hohen Rats angeblich selbst belastet hatte, würden sie keine weiteren erfundenen Zeugenaussagen benötigen.
14,64 Lästerung. S. Anm. zu 2,7; vgl. 3,29. Natürlich waren Jesu Worte keine »Lästerung« oder eine herausfordernde Respektlosigkeit gegenüber Gott (3Mo 24,10-23), aber Kaiphas betrachtete sie als solche, weil Jesus die gleiche Macht und das gleiche Vorrecht für sich in Anspruch nahm wie Gott.
14,65 ihn anzuspucken … zu schlagen. Für die Juden war das »Spucken« ins Gesicht eines anderen die gröbste, hasserfüllteste Form der persönlichen Beleidigung (vgl. 4Mo 12,14; 5Mo 25,9). Ihre brutale Grausamkeit erreichte einen Höhepunkt und enthüllte die enorme Verdorbenheit ihrer Herzen, als sie ihn mit geballten Fäusten schlugen. Weissage! Höhnisch und respektlos befahlen sie Jesus in ihrer Anmaßung, seine prophetischen Fähigkeiten zu gebrauchen – er sollte ihnen sagen, wer ihn geschlagen hatte (Mt 26,68).
14,66 unten. Die umliegenden Räume lagen höher als der Hof selbst. eine von den Mägden. Ein weiblicher Sklave oder eine Magd im Haus des Hohenpriesters. Es könnte die gleiche Person wie die Türhüterin gewesen sein (vgl. Joh 18,15.16), die Petrus Einlass gewährte und, da sie neugierig und ihm gegenüber misstrauisch war, einen genaueren Blick auf ihn werfen wollte.
14,67 dem Nazarener. Ihre Erwähnung der Herkunft Jesu vermittelt ihr Gefühl der Verachtung, angesichts der Anschauungen der jüdischen Führer und des schlechten Rufes, den Nazareth im Allgemeinen hatte (vgl. Joh 1,46).
14,68 Vorhof. Der Begriff wird im NT nur hier benutzt und be- zeichnet den »Eingang«, einen überdachten Torbogen des Hofes, der zur Straße führte. der Hahn krähte. Das lässt an Jesu Prophezeiung in V. 30 (s. Anm. dort) und Mt 26,34 denken. Inmitten all der gegen ihn gerichteten Beschuldigungen hörte Petrus den Hahn entweder nicht krähen oder erkannte die Bedeutung nicht. Als der Hahn zum zweiten Mal krähte, schaute Jesus Petrus an (Lk 22,61), weckte seine Erinnerung und überführte ihn seiner Verleugnung (vgl. V. 72).
14,70 Galiläer. Wurde von der Jerusalemer Bevölkerung häufi g als verächtliche Bezeichnung für ihre nördlichen Verwandten verwendet. Sie zeigt, dass die Menschen in Galiläa für einfach und ungebildet gehalten wurden (vgl. Apg 4,13).
15,1 gleich in der Frühe. Bei Tagesanbruch, wahrscheinlich zwi- schen 5 und 6 Uhr morgens. Nachdem der Sanhedrin Jesus in der Nacht unrechtmäßig für schuldig befunden hatte (14,53-65; Joh 18,13-24), trat er nach Tagesanbruch zusammen, um das Urteil offi ziell zu verkünden. obersten Priester. S. Anm. zu Mt 2,4. Ältesten und Schriftgelehrten. S. Anm. zu 14,43, Mt 2,4. ganzen Hohen Rat. Der vollständige Sanhedrin (s. Anm. zu 14,43.53; Mt 26,59). einen Beschluss. Die Besprechung wird in Lk 22,66-71 beschrieben. Es dürfte kaum mehr als eine Wiederholung der zuvor gegen Jesus erhobenen Anklagen gewesen sein und der Bestätigung seines Schuldspruchs. Pilatus. Römischer Prokurator (Statthalter) von Judäa von 26-36 n. Chr. Seine offi zielle Residenz war in Cäsarea, doch zum Passah befand er sich in Jerusalem. 15,2 Pilatus fragte ihn. Johannes berichtet (Joh 18,30), dass die jüdischen Führer forderten, dass sich Pilatus ihrem Todesurteil einfach anschließen sollte, das sie bereits über Jesus verkündet hatten (14,64). Pilatus lehnte das jedoch ab, woraufhin die jüdischen Führer ihre falschen Anschuldigungen gegen Jesus vortrugen (Lk 23,2). Nachdem er sie gehört hatte, befragte Pilatus ihn selbst. Bist du der König der Juden? Der einzige Anklagepunkt, den Pilatus ernst nahm, war, dass Jesus den Anspruch erhob, König zu sein, was ihn des Aufstandes gegen Rom schuldig machte. Pilatus’ Frage zeigt, dass er über diesen Punkt bereits informiert war (Lk 23,2). Du sagst es. Die Antwort Jesu bestätigt, dass er der rechtmäßige König Israels war, deutet aber auch an, dass Pilatus eine andere Vorstellung von der Bedeutung hatte als Jesus (vgl. Joh 18,34-37).
15,3 viele Anklagen. Vgl. Lk 23,2.5.
15,4 Antwortest du nichts? Pilatus war über Jesu Schweigen er- staunt, denn es wäre nur selbstverständlich, dass Angeklagte die Anschuldigungen gegen sie vehement bestritten. Jesus mag geschwiegen haben, um die Prophetie zu erfüllen (Jes 42,1.2; 53,7), oder weil Pilatus ihn bereits für unschuldig erklärt hatte (Lk 23,4; Joh 18,38).
15,6 des Festes. Das Passah. pfl egte er … freizugeben. Säkulare Quellen des Altertums lassen darauf schließen, dass römische Statthalter auf Gesuch ihrer Untertanen zuweilen Amnestie gewährten. In der Annahme, dass das Volk um die Freilassung ihres Königs bitten würde (den sie eine Woche zuvor noch als solchen anerkannt hatten; 11,1-10), sah Pilatus in diesem jährlichen Brauch zweifelsohne einen Ausweg aus seinem Dilemma mit Jesus. 15,7 Barabbas. Ein Räuber (Joh 18,40) und Mörder (Lk 23,18.19), der sich in irgendeiner Weise als Aufständischer gegen Rom hervorgetan hatte. Ob seine Beteiligung durch politische Überzeugungen oder von persönlicher Gier motiviert war, ist nicht bekannt. Es ist nicht möglich, Näheres über den fraglichen Aufstand ausfi ndig zu machen, aber solche Aufstände waren zur Zeit Jesu weit verbreitet und Vorläufer der Massenrevolte von 66-70 n. Chr.
15,10 aus Neid. Pilatus erkannte, dass die jüdischen Autoritäten ihm Jesus nicht aus Loyalität gegenüber Rom ausgeliefert hatten. Er durchschaute ihre Täuschung und erkannte das eigentliche Motiv – ihren Neid auf Jesu Popularität beim Volk.
15,13 Kreuzige. S. Anm. zu V. 15. 15,15 auspeitschen. Mit einer Peitsche (bekannt als Flagellum), die einen hölzernen Griff hatte, an dem sich Lederriemen mit Metallspitzen befanden. Mit einem Flagellum ausgepeitscht zu werden, war eine furchtbare Tortur, bei der das Fleisch bis zum Knochen abgerissen wurde und schwere Blutungen entstanden. Es war eine Form der Auspeitschung, bei der viele Delinquenten starben. gekreuzigt. S. Anm. zu Mt 27,31. Kreuzigung, die übliche römische Hinrichtungsart für Sklaven und Ausländer, wurde von dem römischen Schriftsteller Cicero als »die denkbar grausamste und scheußlichste Strafe« beschrieben.
15,16 Prätorium. Der offi zielle Amtssitz des Statthalters in Jeru- salem, der sich wahrscheinlich in der Festung Antonia befand. ganze Schar. Die römische Kohorte, aus 600 Mann bestehend, war in Jerusalem stationiert. Alle Soldaten, die momentan nicht im Dienst waren, versammelten sich, um Jesus zu verspotten.
15,17 legten ihm einen Purpurmantel um, fl ochten eine Dor- nenkrone. »Purpur« war die traditionell von Königen getragene Farbe; die »Dornenkrone« war ein spöttischer Bezug auf die Königskrone. Die hartherzigen Soldaten krönten Jesus zur Verspottung zum König der Juden.
15,18 Sei gegrüßt, König der Juden! Der Gruß war eine Parodie der Begrüßung Cäsars.
15,19 Rohr. Eine Imitation des königlichen Zepters.
15,21 Verurteilte Sträfl inge mussten den schweren Querbalken ih- res Kreuzes zum Hinrichtungsplatz selbst tragen. Erschöpft von einer schlafl osen Nacht, schweren Verwundungen und von der Auspeitschung geschwächt war Jesus nicht mehr fähig, dies Querholz weiter zu tragen. Die römischen Wächter zwangen Simon, der wohl zufällig vorüberging, Jesu Querbalken für den Rest des Weges zu übernehmen. Simon, aus der nordafrikanischen Stadt Kyrene, war auf dem Weg nach Jerusalem. Dass er als »Vater von Alexander und Rufus« bezeichnet wird (vgl. Röm 16,13), ist ein Beweis, dass Markus in Verbindung mit der Gemeinde in Rom stand (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
15,22 Golgatha … Schädelstätte. »Golgatha« ist ein aramäisches Wort, das wörtl. »Schädel« bedeutet und von Markus für seine Leser übersetzt wurde (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Obwohl die genaue Stelle nicht bekannt ist, werden heute zwei Standorte in Jerusalem als Möglichkeit angesehen: 1.) Gordons Golgatha im Norden (benannt nach dem Mann, der den Ort in der Neuzeit entdeckte); und 2.) die traditionelle Stätte im Westen bei der Grabeskirche, eine Überlieferung, die bis ins 4. Jhdt. zurückreicht.
15,23 Myrrhenwein. Um die Schmerzen vorübergehend zu mildern (s. Anm. zu Mt 27,34), erlaubten die Römer, dass dem Gekreuzigten dieses Getränk gegeben wurde, wahrscheinlich nicht aus Mitgefühl, sondern um Schwierigkeiten beim Kreuzigungsvorgang zu verhindern.
15,24 gekreuzigt. S. Anm. zu V. 15. Keines der Evangelien liefert eine detaillierte Beschreibung des konkreten Kreuzigungsvorgangs. teilten sie seine Kleider. Das geschah zur Erfüllung von Ps 22,19. Die Henker teilten die Kleider des Opfers üblicherweise unter sich auf.
15,25 dritte Stunde. Nach der jüdischen Zeiteinteilung fand die Kreuzigung um 9 Uhr morgens statt. Johannes hält fest, dass es »um die sechste Stunde« war, als Pilatus Jesus zur Kreuzigung verurteilte (Joh 19,14). Johannes verwendete anscheinend die römische Zeiteinteilung, die die Stunden von Mitternacht an zählte. Somit würde Johannes’ »sechste Stunde« gegen 6 Uhr morgens gewesen sein.
15,26 die Inschrift, die seine Schuld anzeigte. Das Verbrechen, für das ein Verurteilter hingerichtet wurde, schrieb man auf ein Holzbrett, das an dem Kreuz über seinem Kopf befestigt wurde. Jesu Inschrift war in Latein, Hebräisch und Griechisch (Joh 19,20). S. Anm. zu Mt 27,37. Der König der Juden. Da Pilatus Jesus wiederholt für absolut unschuldig erklärt hatte (Lk 23,4.14.15.22), ordnete er diese Inschrift an. Ganz gleich, ob es Pilatus’ Absicht war, Jesus zu verspotten oder ihn zu ehren, er wollte damit auf jeden Fall die jüdischen Autoritäten beleidigen, die ihm so viel Schwierigkeiten bereitet hatten. Als die aufgebrachten jüdischen Führer forderten, dass die Inschrift verändert würde, lehnte Pilatus das frei heraus ab (s. Anm. zu Joh 19,22). Ein Vergleich aller vier Evangelien ergibt die folgende vollständige Inschrift: DIES IST JESUS, DER NAZARENER, DER KÖNIG DER JUDEN. S. Anm. zu Lk 23,38.
15,27 zwei Räuber. Sie hatten sich wahrscheinlich mit Barabbas an dem Aufstand beteiligt (s. Anm. zu V. 7), da Raub nach römischem Recht kein Kapitalverbrechen war.
15,28 Mit der Errichtung des Kreuzes Jesu zwischen den beiden Räubern (V. 27), beabsichtigte Pilatus möglicherweise eine weitere Beleidigung der Juden, indem er andeutete, dass ihr König nichts anderes als ein gewöhnlicher Krimineller war. Gottes Absicht damit war jedoch die Erfüllung der Prophetie (vgl. Jes 53,12).
15,29 schüttelten den Kopf. Eine Geste der Verachtung und des Spottes (vgl. 2Kö 19,21; Ps 22,8; 44,15; 109,25; Jer 18,16; Kla 2,15). der du den Tempel zerstörst und in drei Tagen aufbaust. Die Vorübergehenden wiederholten die falsche Anklage, die während des Prozesses gegen Jesus vor Kaiphas vorgebracht war (14,58). Die Anklage ergab sich durch ein falsches Verständnis der Worte Jesu aus Joh 2,19-21.
15,32 Christus. S. Anm. zu 1,1. steige … vom Kreuz herab. Eine letzte Forderung nach einem Wunder von den ungläubigen jüdischen Autoritäten (vgl. 8,11). Ihre Behauptung, dass sie dann sehen und glauben würden, war falsch, da sie später dem noch größeren Wunder der Auferstehung Christi auch nicht glauben wollten. die, welche mit ihm gekreuzigt wurden. Die beiden Räuber schlossen sich der Schmähung Jesu an, obschon einer von ihnen später Buße tat (Lk 23,40-43).
15,33 sechste Stunde. Mittags nach jüdischer Zeiteinteilung, zur Hälfte der sechs Stunden, die Jesus am Kreuz aushalten musste (s. Anm. zu V. 25). Finsternis. Ein Kennzeichen göttlichen Gerichts (vgl. Jes 5,30; 13,10.11; Joel 2,1.2; Am 5,20; Zeph 1,14.15; Mt 8,12; 22,13; 25,30). Das geographische Ausmaß der Finsternis ist nicht bekannt, obgleich die Aufzeichnungen der Kirchenväter andeuten, dass es über Judäa hinausreichte. bis zur neunten Stunde. Gemeint ist 3 Uhr nachmittags.
15,34 Eloi, Eloi, lama sabachthani? Die aramäischen Worte aus Ps 22,2. Matthäus, der diesen Ausruf auch festgehalten hat, gibt ihn in Hebräisch wieder (Mt 27,46). Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Schmerzlich empfand Jesus seine Trennung vom Vater, die sich daraus ergab, dass Gott seinen Zorn über ihm ausgoss – dem Stellvertreter von uns Sündern (s. Anm. zu 2Kor 5,21).
15,35 Elia. Weiterer Spott, der in Wirklichkeit meinte: »Lasst den Vorläufer kommen und diesen so genannten Messias retten« (s. Anm. zu Lk 1,17).
15,36 Essig. Das Griechische lässt auch die Möglichkeit offen, dass es saurer Wein mit Wasser gewesen sein könnte. Dies Getränk wurde normalerweise von Soldaten und Arbeitern getrunken. Wahrscheinlich sollte dadurch nur sein Leiden verlängert werden. ein Rohr. Ein YsopZweig (Joh 19,29).
15,37 stieß einen lauten Schrei aus. Angesichts seiner enormen Schmerzen bewies Jesus eine erstaunliche Stärke; sein Schrei zeigte, dass sein Leben nicht langsam aus ihm wich, sondern dass er es freiwillig ließ (Joh 10,17.18). Christi Worte fi nden sich in Lk 23,46.
15,38 der Vorhang im Tempel riss … entzwei. Der riesige Vor- hang, der das Allerheiligste vom restlichen Heiligtum trennte (2Mo 26,31-33; 40,20.21; 3Mo 16,2; Hebr 9,3). Es bedeutete, dass der Weg zur Gegenwart Gottes durch den Tod seines Sohnes frei gemacht war.
15,39 Hauptmann. Der befehlshabende römische Offi zier bei der Kreuzigung. Hauptleute (Centurionen) waren das Rückgrat der römischen Armee und befehligten 100 Soldaten. Der Hauptmann hatte schon viele Gekreuzigte sterben sehen, aber niemanden wie Jesus. Die Stärke, die er zum Zeitpunkt seines Todes besaß und die sich in seinem lauten Aufschrei äußerte (V. 37), war von einem Gekreuzigten gänzlich unbekannt. Zusammen mit dem zeitgleichen Erdbeben beim Tod Christi (Mt 27,51-54) überzeugte es den Hauptmann, dass Jesus »wahrhaftig … Gottes Sohn« war. Laut Überlieferung kam dieser Mann zum Glauben (s. Anm. zu Mt 27,54).
15,40 Einige dieser Frauen standen zuvor schon unter dem Kreuz (Joh 19,25-27). Da sie es nicht ertragen konnten, Jesus aus der Nähe leiden zu sehen, schauten sie mittlerweile »von ferne zu«. Ihre teilnahmsvolle Treue stand in scharfem Kontrast zu den Jüngern, die mit der Ausnahme von Johannes nirgends zu sehen waren. Maria Magdalena. Sie kam aus dem Dorf Magdala vom Westufer des Sees von Galiläa, woher sie auch ihren Namen hatte. Lukas erwähnt, dass Jesus sieben Dämonen von ihr ausgetrieben hatte (Lk 8,2). Sie wird für gewöhnlich als erste der Frauen in der Nachfolge Jesu aufgeführt, was andeuten könnte, dass sie ihre Führerin war. Maria, die Mutter des jüngeren Jakobus und des Joses. Sie wird von den anderen Marias durch den Zusatz des Namens ihres Sohnes unterschieden. Der »jüngere Jakobus« (in Mt 10,2 »Jakobus, der Sohn des Alphäus« genannt) war einer der Zwölf. Salome. Die Frau des Zebedäus (Mt 27,56) und Mutter von Jakobus und Johannes (s. Anm. zu 10,35).
15,41 viele andere. Sie waren bei Jesus seit den Tagen seines Diens- tes in Galiläa. Sie reisten mit ihm und den Jüngern und versorgten sie (vgl. Lk 8,2.3). 15,42 Rüsttag. Freitag, der Tag vor dem Sabbat (Samstag).
15,43 Joseph von Arimathia. »Arimathia«, im AT als Rama oder Ra- matajim-Zofi m bekannt (Geburtsort von Samuel, 1Sam 1,1.19; 2,11), lag etwa 25-30 km nordwestlich von Jerusalem. Joseph war ein angesehenes Mitglied des »Hohen Rats« (oder auch Sanhedrin, s. Anm. zu 14,43), der sich gegen die Verurteilung Jesu ausgesprochen hatte (Lk 23,51). Reich Gottes. S. Anm. zu 1,15. wagte es. Pilatus ist wahrscheinlich nicht sehr erfreut gewesen, ein Mitglied des Hohen Rates zu sehen, nachdem sie ihn dazu gedrängt hatten, einen Unschuldigen zu kreuzigen. Außerdem würde Josephs öffentliches Bekenntnis zu Jesus den Zorn der anderen Mitglieder des Hohen Rates auf sich ziehen. bat um den Leib Jesu. Obwohl zum Tode verurteilte Häftlinge nach römischem Recht den Anspruch auf ein Begräbnis verwirkt hatten, wurden ihre Körper normalerweise ihren Angehörigen überlassen, wenn diese darum baten; doch Jesu Mutter war dafür emotional zu erschöpft. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Brüder und Schwestern in Jerusalem waren, und seine engsten Freunde, die Jünger, waren gefl ohen (außer Johannes, der sich um Maria kümmern sollte; Joh 19,26.27). In Abwesenheit der engsten Vertrauten Jesu, bat Joseph Pilatus mutig um den Leib Jesu.
15,44 Pilatus … wunderte sich. Gekreuzigte schwebten oft tage- lang zwischen Leben und Tod, deshalb war Pilatus überrascht, dass Jesus bereits nach sechs Stunden gestorben war. Bevor er Joseph den Leib Jesu gab, erkundigte sich Pilatus bei dem verantwortlichen »Hauptmann« (s. Anm. zu V. 39), um sich den Tod bestätigen zu lassen.
15,45 überließ er dem Joseph den Leib. Nach der Bestätigung des Todes durch den Hauptmann, gewährte Pilatus Joseph den Leib Jesu. Damit erklärten die Römer Jesus offi ziell für tot.
15,46 wickelte ihn in die Leinwand. Die Juden balsamierten Tote nicht ein, sondern wickelten sie in parfümierte Grabtücher (s. Anm. zu 16,1). Nikodemus, ein weiteres angesehenes Mitglied des Hohen Rates (vgl. Joh 7,50), half Joseph, den Leichnam herzurichten (Joh 19,39.40). Diese Männer, die ihre Treue zu Jesus zu seinen Lebzeiten geheim gehalten hatten, traten bei seiner Grablegung nun öffentlich in Erscheinung. Wohingegen die Jünger, die Jesus öffentlich nachgefolgt waren, sich versteckten (Joh 20,19). ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dies »Grab« lag in der Nähe von Golgatha (Joh 19,42). Matthäus fügt hinzu, dass es Josephs eigenes Grab war (Mt 27,60); Lukas und Johannes erwähnen, dass zuvor noch niemand darin begraben wurde (Lk 23,53; Joh 19,41).
16,1 der Sabbat war vorüber. Der Sabbat endete am Samstag offi ziell bei Sonnenuntergang; anschließend konnten die Frauen die Gewürze kaufen. Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome. S. Anm. zu Mt 27,56. Lukas erwähnt, dass auch Johanna und andere Frauen dort waren (Lk 24,10; vgl. 15,41). Gewürze. Die Frauen kauften zu den bereits vorbereiteten Gewürzen noch weitere hinzu (vgl. Lk 23,56; Joh 19,39.40). salben. Im Gegensatz zu den Ägyptern balsamierten die Juden ihre Toten nicht ein. Das Salben war ein Akt der Liebe, um den Gestank eines verwesenden Körpers zu überdecken. Dass die Frauen am dritten Tag nach der Grablegung kamen, um Jesu Körper zu salben, zeigte, dass sie ebenso wie die Jünger nicht mit seiner Auferstehung aus den Toten rechneten (vgl. 8,31; 9,31; 10,34).
16,2 als die Sonne aufging. Joh 20,1 sagt, dass Maria Magda- lena das Grab aufsuchte, als es noch dunkel war. Sie war den anderen Frauen möglicherweise vorausgegangen oder sie hatten sich im Dunklen gemeinsam auf den Weg gemacht und erreichten das Grab nach Sonnenaufgang.
16,3 Wer wälzt uns den Stein. Nur Markus berichtet diese Un- terhaltung auf dem Weg zum Grab. Die Frauen erkannten, dass keine Männer bei ihnen waren, um den schweren Stein (V. 4) vom Eingang des Grabes wegzubewegen. Da sie zuletzt am Freitagabend am Grab waren, wussten sie nicht, dass der Stein versiegelt wurde und Wachen aufgestellt waren, denn das geschah am Samstag (Mt 27,62-66).
16,4 der Stein war weggewälzt. Nicht um Jesus herauszulassen, sondern um die Zeugen hineinzulassen. Das Erdbeben, das sich ereignete, als der Engel den Stein beiseite wälzte (Mt 28,2), betraf womöglich nur die Umgegend des Grabes, da die Frauen anscheinend nichts davon mitbekamen.
16,5 gingen in das Grab hinein. Die äußere Kammer, die von der Grabkammer durch einen kleinen Zugang getrennt war. einen jungen Mann … mit einem langen, weißen Gewand bekleidet. Der Engel, der den Stein weggerollt hatte (Mt 28,2), war mittlerweile in der Grabkammer. Lukas berichtet, dass sich zwei Engel im Grab befanden; Matthäus und Markus konzentrierten sich auf den redenden Engel (ähnliche Beispiele, s. Anm. zu 10,46).
16,6 Jesus den Nazarener, den Gekreuzigten. Die inspirierte Darstellung lässt keinen Zweifel darüber, wer sich im Grab befunden hatte. Der Gedanke einiger Ungläubiger, dass die Frauen ein falsches Grab aufsuchten, ist lächerlich. er ist auferstanden. Die Auferstehung Christi ist eine der zentralen Wahrheiten des christlichen Glaubens (1Kor 15,4) und die einzig einleuchtende Erklärung für ein leeres Grab. Selbst die jüdischen Führer bestritten die Tatsache des leeren Grabes nicht, sondern erdachten sich die Geschichte, dass die Jünger den Leichnam Jesu gestohlen hatten (Mt 28,11-15). Der Gedanke, dass die ängstlichen (Joh 20,19) und zweifelnden (V. 16,11.13; Lk 24,10.11) Jünger die römische Abordnung irgendwie überwältigten und den Leib Jesu stahlen, ist absurd. Dass sie es taten, während die Wachen schliefen, ist sogar noch grotesker. Mit Sicherheit hätten die Jünger durch die Beseitigung des schweren Steines vor der Öffnung des Grabes wenigstens einen Soldaten aufgeweckt. Und überhaupt, wie hätten die Wachen wissen können, was geschah, während sie doch schliefen? Viele andere sündige Theorien wurden in den Jahrhunderten erfunden, um das leere Grab wegzuerklären – jede von ihnen ist gleichermaßen vergeblich.
16,7 und dem Petrus. Petrus wurde nicht wegen seiner Führungs- position unter den Jüngern hervorgehoben, sondern um ihm zu versichern, dass er trotz seiner Verleugnung Jesu noch zu ihnen gehörte. er euch nach Galiläa vorangeht … wie er euch gesagt hat. S. Anm. zu 14,28. Der mangelnde Glaube der Jünger ließ sie nur langsam auf diese Worte reagieren; sie brachen erst nach Galiläa auf (Mt 28,7.16), nachdem Jesus ihnen wiederholt in Jerusalem erschienen war (vgl. Lk 24,13-32; Joh 20,19-31).
16,8 fürchteten. Sie waren von der Furcht einfl ößenden Erschei- nung des Engels und dem Geheimnis der Auferstehung überwältigt.
16,9 Außerbiblische Beweise deuten stark an, dass diese Verse ursprünglich nicht zum Markus-Evangelium gehörten. Während die Mehrheit der gr. Handschriften sie enthält, fehlen sie in den ältesten und verlässlichsten. Es existierte auch ein kürzerer Schluss, den der Text allerdings nicht enthält. Einige Handschriften, in denen die Passage zu fi nden ist, erwähnen, dass sie in älteren Manuskripten fehlte; anderen ist hingegen die Anmerkung beigefügt, dass der Text für nicht echt erachtet wird. Die Kirchenväter des 4. Jhdt., Eusebius und Hieronymus, erwähnten, dass nahezu alle ihnen verfügbaren gr. Handschriften die Verse 9-20 nicht enthielten. Die inneren Beweise dieser Passage sprechen ebenso stark gegen Markus’ Verfasserschaft. Der Übergang zwischen V. 8 und 9 ist abrupt und ungünstig. Der gr. Partikel »als«, mit dem V. 9 beginnt, lässt auf eine Fortsetzung der vorhergehenden Erzählung schließen. Das Folgende führt die Geschichte der Frauen in V. 8 jedoch nicht weiter, sondern beschreibt, wie Christus Maria Magdalena erschienen ist (vgl. Joh 20,11-18). Der maskuline Partikel in V. 9 lässt »er« als Bezugswort erwarten, doch Satzgegenstand von V. 8 sind die Frauen. Obwohl sie schon dreimal erwähnt wurde (V. 1; 15,40.47), stellt V. 9 Maria Magdalena vor, als wäre es das erste Mal. Falls Markus V. 9 geschrieben haben sollte, ist es darüber hinaus merkwürdig, dass er erst jetzt erwähnt, dass Jesus ihr sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Der Engel sagte, dass Jesus seinen Nachfolgern in Galiläa begegnen werde, doch die in den Versen 9-20 beschriebenen Erscheinungen fi nden allesamt im Gebiet von Jerusalem statt. Zum Schluss: Das Auftauchen einer bedeutenden Anzahl gr. Wörter in diesen Versen, die bei Markus nirgendwo zuvor zu fi nden sind, deutet an, dass sie nicht von Markus stammen. Die Verse 9-20 stellen einen frühen (sie waren den Kirchenvätern des 2. Jhdt. Irenäus, Tatian und eventuell Justin dem Märtyrer bekannt) Versuch zur Vervollständigung des Markus-Evangeliums dar. Obwohl sie größtenteils Wahrheiten zusammenfassen, die anderswo in der Schrift gelehrt werden, sollten die Verse 9-20 immer mit dem Rest der Schrift verglichen werden; keine Lehre sollte ausschließlich auf ihnen beruhen. Da es trotz all dieser Überlegungen hinsichtlich der wahrscheinlichen Unzuverlässigkeit dieses Abschnittes möglich ist, falsch zu liegen, ist es gut, sich über die Bedeutung der
1,1 Diese 4 Verse sind ein einziger Satz im gepfl egten Stil eines griechischen Klassikers. Bei gr. Geschichtswerken war es ein solcher Prolog üblich. Nach diesem formalen Vorwort wechselte Lukas zu einem schlichteren Erzählstil, der wahrscheinlich dem vertrauten Stil der LXX folgte. 1,1 viele. Obwohl Lukas unter der Inspiration des Heiligen Geistes schrieb und direkte Offenbarungen von Gott empfi ng, würdigte er die Werke anderer (s. Anm. zu V. 2), die sich die Mühe gemacht hatten, Begebenheiten aus dem Leben Jesu niederzuschreiben. Alle diese Quellen sind seit langem verloren gegangen, außer die inspirierten Evangelien. Da Matthäus und Markus höchstwahrscheinlich vor dem Lukasevangelium geschrieben wurden, nehmen manche an, dass einer der beiden oder sogar beide Evangelisten zu den Quellen gehört, die Lukas für seine Nachforschungen benutzte. Außerdem ist bekannt, dass Lukas viele direkte Augenzeugen persönlich kannte, die das Leben und Wirken des Herrn selber miterlebt hatten. Und es ist möglich, dass zu seinen Quellen auch mündliche Überlieferungen gehörten. Über 60% des Stoffes in Markus wird in Lukas wiederholt, und Lukas hält sich eng an die von Markus vorgegebene Reihenfolge der Ereignisse (s. Einleitung zu Markus: Herausforderungen für den Ausleger, das synoptische Problem). abzufassen. Wörtl. »der Reihe nach aufzustellen«. Lukas wollte das Wirken Christi in autoritativer, logischer und thematischer Reihenfolge wiedergeben (nicht immer streng chronologisch – V.3). unter uns. D.h. in unserer Generation. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, dass Lukas selber Augenzeuge des Lebens Jesu war (s. Anm. zu V. 2.). völlig erwiesen. D.h. dass sich in Christus die messianischen Verheißungen des AT erfüllt haben.
1,2 Augenzeugen und Diener des Wortes. Die wichtigsten Quellen waren die Apostel selbst, die das Leben und die Lehre Jesu weitervermittelten. Das taten sie sowohl mündlich als auch mittels geschriebener Erinnerungen, die Lukas zur Verfügung standen. Jedenfalls behauptet Lukas nirgends, selber Augenzeuge gewesen zu sein. Doch erklärt er, dass er Tatsachen berichtet, die sich auf sorgfältige Nachforschungen stützen (s. Anm. zu V. 3).
1,3 von Anfang an. Das könnte vom Anfang des Lebens Jesu auf der Erde bedeuten. Das Wort kann aber auch »von oben« heißen (Joh 3,31; 19,11; Jak 3,15). In V. 2 steht für »von Anfang an« ein anderes gr. Wort, archê. Daher versteht man die Aussage am besten so, dass Lukas irdische Quellen als Material verwendete, aber bei seinen Nachforschungen und beim Schreiben vom Himmel geleitet wurde. Es wird deutlich, dass er seinen Bericht als autoritativ ansah (s. Anm. zu V. 4). genau nachgegangen. Das Lukasevangelium war das Ergebnis gewissenhafter Untersuchungen. Lukas hatte wie sonst niemand in der Urgemeinde die Fähigkeiten und die Möglichkeit, Augenzeugen des Wirkens Jesu zu befragen und ihre Berichte zu verifi zieren. Damit verbrachte er über zwei Jahre, während Paulus in Cäsarea inhaftiert war (Apg 24,26.27). In dieser Zeit konnte er viele Apostel und Augenzeugen des Wirkens Jesu aufsuchen und befragen. Wir wissen z.B., dass er Philippus traf (Apg 21,8), der zweifellos zu den Quellen des Evangelisten gehört. Auf seinen Reisen durch Kleinasien hat er möglicherweise auch den Apostel Johannes getroffen. Johanna, die Frau von Herodes’ Verwalter, wird nur im Lukasevangelium erwähnt (s. Anm. zu 8,3; vgl. 24,10) und muss daher persönlich mit ihm bekannt gewesen sein. Lukas beschreibt außerdem detailliert Herodes’ Umgang mit Christus, was in den anderen Evangelien fehlt (13,31-33; 23,7-12). Diese Einzelheiten erfuhr Lukas zweifellos von Johanna (oder von jemand in einer ähnlichen Position). Sein Bericht ist jedenfalls »genau«, weil er unter göttlicher Offenbarung und Inspiration des Heiligen Geistes schrieb (1Tim 3,16.17; 2Pt 1,19-21). der Reihe nach. Sein Bericht ist vorwiegend chronologisch angeordnet, doch hält er sich nicht starr an die zeitliche Reihenfolge. vortreffl ichster. Dieser Titel wurde als Anrede für Statthalter verwendet (Apg 23,26; 24,3; 26,25); er war den Honoratioren vorbehalten. Daher können wir annehmen, dass Theophilus zu ihnen zählte.
1,4 Gewissheit. Man beachte den Anspruch der Autorität. Obwohl Lukas andere Quellen verwendete (V. 3), maß er seinem Evangelium eine höhere Zuverlässigkeit und Autorität bei als den nicht inspirierten Quellen. unterrichtet. Theophilus war in apostolischer Überlieferung unterwiesen worden, vielleicht sogar von Paulus persönlich. Doch dieses schriftliche Evangelium besiegelte die Gewissheit dessen, was er gehört hatte.
1,5 Herodes. Herodes der Große. S. Anm. zu Mt 2,1. Zacharias. Dieser Name bedeutet wörtl. »Jahwe hat erinnert«. Abteilung Abijas. Die Priesterschaft des Tempels bestand aus 24 Abteilungen, von denen jede zweimal jährlich den Tempeldienst versah (1Chr 24,4-19). Die Abteilung Abijas war die achte (1Chr 24,10). Töchtern Aarons. D.h. sowohl der Ehemann als auch seine Frau gehörten dem priesterlichen Stamm an.
1,6 beide gerecht vor Gott. D.h. sie waren Gläubige, die in Got- tes Augen gerechtfertigt waren. Dieser Ausdruck ist eine deutliche Entsprechung zur paulinischen Lehre. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger.
1,7 unfruchtbar … in fortgeschrittenem Alter. Das wurde all- gemein als Zeichen der Missgunst Gottes angesehen. S. Anm. zu V. 25.
1,8 als seine Abteilung an die Reihe kam. D.h. seine Abteilung erfüllte gerade einen der zwei jährlichen Dienstzeiten (s. Anm. zu V. 5). 1,9 das Los, dass er … räuchern sollte. Eine hohe Ehre (2Mo 30,7.8; 2Chr 29,11). Da es so viele Priester gab, wurden die meisten von ihnen nie zu dieser Aufgabe berufen, und niemand durfte diesen bedeutsamen Dienst zweimal tun. Für Zacharias war das zweifellos der absolute Höhepunkt seines Lebens als Priester. Der Weihrauch wurde ständig in Brand gehalten und befand sich direkt vor dem Vorhang, der das Heilige vom Allerheiligsten trennte. Der Priester war im Heiligtum allein und opferte den Weihrauch jeden Morgen und jeden Abend, während die übrigen Priester und das anbetende Volk außerhalb des Heiligtums im Gebet warteten (V. 10). 1,12 Furcht. Die normale – und angemessene – Reaktion (12,5), wenn jemand eine göttliche Heimsuchung erlebt (Ri 6,22; 13,22; Mk 16,5; s. Anm. zu Offb 1,17). Lukas widmet dieser Furcht besonderes Augenmerk; er erwähnt häufi g Furcht in der Gegenwart Gottes und seines Wirkens (vgl. V. 30.65; 2,9.10; 5,10.26; 7,16; 8,25.37.50; 9,34.45; 23,40). 1,13 dein Gebet. Das Gebet um Nachkommen (s. Anm. zu V. 7; vgl. V. 25). Johannes. Wörtl. »Jahwe hat Gnade erwiesen«.
1,14 Freude und Frohlocken. Die Markenzeichen des messiani- schen Reiches (Jes 25,9; Ps 14,7; 48,12). Freude ist ein durchgängiges Motiv im Lukasevangelium (vgl. V. 44.47.58; 2,10; 6,23; 8,13; 10,17-21; 13,17; 15,5-10.22-32; 19,6.37; 24,52).
1,15 Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken. Das war ein Hauptstück im Gelübde des Nasiräers (4Mo 6,1-21) und wurde von Zacharias wahrscheinlich als solches verstanden. Ein solches Gelöbnis war meistens zeitlich begrenzt, doch Simson (Ri 16,17) und Samuel (1Sam 1,11) waren ihm von Geburt an unterworfen. Die Ausdrucksweise erinnert hier an die Anweisungen, die der Engel den Eltern Simons gab (Ri 13,4-7). Hier wird jedoch nichts davon gesagt, dass man Johannes die Haare nicht schneiden dürfe. Es kann sein, dass Lukas dieses Detail einfach ausgelassen hat, um seine heidnische Leserschaft nicht mit den Einzelheiten des jüdischen Gesetzes zu belasten. schon von Mutterleib an. Das erinnert an Jeremia (Jer 1,5). Ein anschauliches Beispiel für Gottes Souveränität in der Errettung.
1,17 im Geist und in der Kraft Elias. Elia war, wie Johannes der Täufer, bekannt für sein mutiges, kompromissloses Einstehen für das Wort Gottes, selbst vor einem ruchlosen Monarchen (vgl. 1Kö 18,17-24; Mk 6,15). Die letzten beiden Verse des AT (Mal 3,23.24) kündigen an, dass Elia vor dem Tag des Herrn zurückkehren werde (S. Anm. zu Mt 3,4; 11,14; Mk 9,11.12), um die Herzen der Väter umzuwenden. Ein Zitat aus Mal 3,24, das zeigt, dass Johannes der Täufer diese Prophezeiung erfüllt hat. bereiten. Möglicherweise eine Anspielung auf Jes 40,3-5 (s. Anm. zu 3,4; Mt 3,3).
1,18 Woran soll ich das erkennen? Auch Abraham bat in einer ähnlichen Situation um ein Zeichen (1Mo 15,8). Das Zeichen, das Zacharias erhielt, war auch ein sanfter Tadel für seinen Zweifel (V. 20).
1,19 Gabriel. Wörtl. »Gottesheld«. Gabriel erscheint auch in Dan 8,16; 9,21 (s. Anm. dort). Er ist einer von zwei Engeln, deren Namen in der Bibel genannt werden; der andere ist Michael (Dan 10,13.21; Jud 9; Offb 12,7).
1,21 verwunderten sich, dass er so lange im Tempel blieb. Zacharias sollte lediglich Weihrauch darbringen und dann wieder herauskommen, um den üblichen Segen aus 4Mo 6,23-27 über das draußen wartende Volk zu sprechen. Das Gespräch mit dem Engel führte zu einer Verzögerung.
1,23 die Tage seines Dienstes. Eine Woche. S. Anm. zu V. 5. in sein Haus. Im Bergland von Judäa (V. 39).
1,24 verbarg sich. Wahrscheinlich, um sich aus tiefer Dankbarkeit ganz dem Herrn zu weihen.
1,25 meine Schmach. Kinderlosigkeit war in einer Kultur, wo Se- gen an Geburtsrechte und familiäre Abstammung geknüpft war, eine Schmach. Unfruchtbarkeit konnte gelegentlich ein Zeichen der Missgunst Gottes sein (3Mo 20,20.21), aber das war nicht immer der Fall (vgl. 1Mo 30,23; 1Sam 1,5-10). Doch Unfruchtbarkeit war stets ein gesellschaftliches Stigma.
1,26 Im sechsten Monat. D.h. im sechsten Schwangerschaftsmo- nat von Elisabeth. Nazareth. S. Anm. zu Mt 2,23.
1,27 einer Jungfrau. Die Wichtigkeit der Jungfrauengeburt kann nicht genug betont werden. Ein richtiges Verständnis der Fleischwerdung Jesu hängt von der Wahrheit ab, dass er von einer Jungfrau geboren wurde. Sowohl Lukas als auch Matthäus schreiben ausdrücklich, dass Maria bei der Empfängnis Jesu Jungfrau war (s. Anm. zu Mt 1,23). Der Heilige Geist bewirkte die Empfängnis auf übernatürliche Weise (s. Anm. zu V. 35; Mt 1,18). Die Natur der Empfängnis Christi bezeugt sowohl seine Gottheit als auch seine Sündlosigkeit. verlobt. S. Anm. zu Mt 1,18.19.
1,28 Begnadigte. Dieser Ausdruck wird in Eph 1,6 für alle Gläubi- gen verwendet (manche übersetzen dort »angenommen«). Dieses Wort beschreibt Maria als Empfängerin – und nicht als Spenderin – der Gnade Gottes. 1,30 Fürchte dich nicht. Dasselbe sagte Gabriel zu Zacharias (V. 13). S. Anm. zu V. 12.
1,31 Jesus. S. Anm. zu Mt 1,1.21.
1,32 wird groß sein. Dasselbe wurde von Johannes dem Täufer verheißen. Der folgende Titel bezeugt hingegen die Besonderheit des Herrn Jesus: Sohn des Höchsten. Vgl. V. 76, wo Johannes der Täufer »Prophet des Höchsten« genannt wird. Der gr. Begriff, den Lukas für den »Höchsten« verwendet, ist in der LXX die Übersetzung des hebr. Titels »Gott, der Allerhöchste«. Da ein Sohn stets die Eigenschaften des Vaters trägt, bedeutete es Gleichheit, wenn man jemanden als »Sohn« einer bestimmten Person bezeichnete. Hier erklärt der Engel Maria, dass ihr Sohn Gott, dem Allerhöchsten, gleich sein werde. seines Vaters David. S. Anm. zu Mt 9,27. Über die Abstammung Marias war Jesus Davids leiblicher Nachkomme. Davids »Thron« war ein Symbol für das messianische Reich (vgl. 2Sam 7,13-16; Ps 89,27-30).
1,33 über das Haus Jakobs in Ewigkeit. Das betont sowohl den jüdischen Charakter des Tausendjährigen Reiches als auch das ewige Fortbestehen der Herrschaft Christi über alle. S. Anm. zu Jes 9,6; Dan 2,44.
1,34 von keinem Mann weiß. D.h. sie hatte keine eheliche Bezie- hung zu einem Mann. Maria verstand, dass der Engel von einer sofortigen Empfängnis sprach. Sie und Joseph befanden sich aber noch in der langen Verlobungszeit (s. Anm. zu Mt 1,18) vor dem Vollzug der Ehe. Sie stellte ihre Frage nicht aus Zweifel oder Unglauben, sondern aus Verwunderung. Deshalb tadelte der Engel sie nicht wie zuvor Zacharias (V. 20).
1,35 Der Heilige Geist wird über dich kommen. Das war keine Vereinigung zwischen göttlichen und menschlichen Wesen wie in heidnischen Mythologien, sondern ein Schöpfungsakt des Heiligen Geistes.
1,36 Elisabeth, deine Verwandte. Es ist sehr nahe liegend und wahrscheinlich, dass der Stammbaum von 3,23-28 Marias Abstammung zeigt (s. Anm. zu 3,23). Dann war sie ein direkter Nachkomme Davids (s. Anm. zu V. 32). Elisabeth war jedoch ein Nachkomme Aarons (s. Anm. zu V. 5). Daher muss Maria über ihre Mutter mit Elisabeth verwandt gewesen sein. Ihre Mutter musste demnach ein Nachkomme Aarons sein. So war Maria also von ihrer väterlichen Seite ein Nachkomme Davids.
1,38 mir geschehe nach deinem Wort. Maria befand sich nun in einer äußerst peinlichen und heiklen Lage. Da sie mit Joseph verlobt war, sah sie sich dem Schandmal der vorehelichen Schwangerschaft ausgesetzt. Joseph wusste, dass das Kind nicht von ihm war. Ihr war klar, dass sie des Ehebruchs bezichtigt würde, und darauf stand Steinigung (5Mo 22,13-21; vgl. Joh 8,3-5). Doch sie unterwarf sich bereitwillig und demütig dem Willen Gottes.
1,41 mit Heiligem Geist erfüllt. D.h. vom Heiligen Geist be- herrscht, der Elisabeth bei ihrem bemerkenswerten Lobpreis leitete. S. Anm. zu V. 43.44.67.
1,43 die Mutter meines Herrn. Dieser Ausdruck ist kein Lob auf Maria, sondern ein Lob auf das Kind, das sie im Leib trug und ein Ausdruck der Zuversicht Elisabeths, dass Marias Kind der langerwartete Messias sein würde – den sogar David seinen »Herrn« genannt hatte (vgl. 20,44). Es ist bemerkenswert, wie gut Elisabeth die Bedeutung der Situation verstand, insbesondere wenn man bedenkt, welch geheimnisvolle Atmosphäre über all diesen Ereignissen lag (vgl. 2,19). Sie begrüßte Maria nicht skeptisch, sondern mit großer Freude. Sie verstand, was die Reaktion des Kindes in ihrem Schoß bedeutete. Und sie begriff anscheinend die einzigartige Bedeutung des Kindes in Marias Schoß. All dies muss dem erleuchtenden Wirken des Heiligen Geistes zugeschrieben werden (V. 41).
1,44 hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Auch das Ungeborene war, wie seine Mutter, vom Heiligen Geist erfüllt (vgl. V. 15.41). Seine Reaktion war wie die Reaktion Elisabeths auf übernatürliche Weise vom Geist Gottes bewirkt (s. Anm. zu V. 41). 1,46-55 Marias Magnifi kat (das ist das erste Wort in der lateinischen Übersetzung; s. Anm. zu V. 68-79; 2,29-32) steckt voller Anspielungen und Zitate aus dem AT. Es zeigt, dass Marias Herz und Sinn vom Wort Gottes erfüllt waren. Das Magnifi kat wiederholt Aussagen aus den Gebeten der Hanna, der Mutter Samuels, z.B. 1Sam 1,11 und 2,1-10. Diese Verse enthalten außerdem zahlreiche Anspielungen auf das Gesetz, die Psalmen und die Propheten. Der ganze Abschnitt ist eine detaillierte Auflistung der Bundesverheißungen Gottes.
1,47 meinen Retter. Maria nannte Gott ihren »Retter«, was zweier- lei zeigt: Sie hatte erkannt, dass sie einen Retter braucht und sie kannte Gott als ihren persönlichen Retter. Weder hier noch an anderer Stelle der Bibel fi ndet sich ein Hinweis, dass Maria sich für »unbefl eckt (ohne Erbsünde) empfangen« und daher »sündlos« hielt. Genau das Gegenteil ist der Fall: Ihre Sprache hier ist typisch für jemanden, dessen einzige Hoffnung auf Errettung durch die Gnade Gottes ist. Nichts in diesem Abschnitt unterstützt die Ansicht, Maria selbst sollte verehrt werden. S. Anm. zu V. 46-55.
1,48 Niedrigkeit. Die Eigenschaft Marias, die am hellsten aus die- sem Abschnitt hervorstrahlt, ist ihr tiefes Bewusstsein von Niedrigkeit. Magd. Ein weiblicher Sklave.
1,56 etwa drei Monate. Maria kam bei Elisabeth an, als diese im sechsten Monat schwanger war (V. 26). Somit blieb sie offenbar bis zur Geburt von Johannes dem Täufer. ihr Haus. Zu dieser Zeit war Maria mit Joseph immer noch lediglich verlobt und lebte noch nicht in seinem Haus (vgl. Mt 1,24). 1,59 am achten Tag. Dem Gebot Gottes zufolge (1Mo 17,12; 3Mo 12,1-3; vgl. Phil 3,5), war es Brauch, dem Kind bei der Beschneidung seinen Namen zu geben. Bei dieser Feier kamen die Familie und Freunde zusammen, die hier die Eltern drängten, dem Kind den »Namen seines Vaters« zu geben. Das war wahrscheinlich eine Geste des Respekts gegenüber Zacharias. 1,60 Nein. Elisabeth hatte von Zacharias schriftlich alles erfahren (V. 63), was der Engel Gabriel ihm gesagt hatte.
1,62 winkten aber seinem Vater. Da Zacharias nicht sprechen konnte, dachten die Priester, die die Beschneidung durchführten, er sei nicht nur stumm, sondern auch taub.
1,65 Furcht. S. Anm. zu V. 12. ganzen Bergland von Judäa. D.h. in Jerusalem und dem umliegenden Bergland. Der Ruf Johannes des Täufers breitete sich bereits von seiner Geburt an aus (V. 66).
1,67 mit Heiligem Geist erfüllt. S. Anm. zu V. 41. Jedesmal, wenn Lukas sagt, jemand sei vom Heiligen Geist erfüllt, ist das Ergebnis immer eine vom Heiligen Geist gewirkte Anbetung. Vgl. Eph 5,18-20. 1,68-79 Dieser Abschnitt ist als Benedictus bekannt (das erste Wort von V. 68 in der lateinischen Übersetzung; s. Anm. zu V. 46-55; 2,2932). Wie das Magnifi kat Marias ist es voll alttestamentlicher Anspielungen und Zitate. Bevor Zacharias im Tempel mit Stummheit geschlagen wurde (V. 20), hätte er eigentlich in Lobpreis ausbrechen sollen (s. Anm. zu V. 21). Daher ist es sehr passend, dass dieses inspirierte Lob die ersten Worte aus seinem Mund nach Wiederherstellung seiner Sprache waren. 1,69 Horn des Heils. Ein im AT üblicher Ausdruck (2Sam 22,3; Ps 18,3; vgl. 1Sam 2,1). Das Horn ist ein Symbol für Stärke (5Mo 33,17). Diese Worte sollten eindeutig nicht Johannes den Täufer erhöhen. Da sowohl Zacharias als auch Elisabeth aus dem Haus Levi stammten (s. Anm. zu V. 5), war das im Hause Davids aufgerichtete Horn nicht Johannes, sondern jemand größeres als er (Joh 1,26.27). Die Verse 76-79 sprechen von der Aufgabe des Johannes. 1,72 seinen heiligen Bund. D.h. des Bundes mit Abraham (V. 73) samt seiner Verheißung der Errettung aus Gnade. S. Anm. zu 1Mo 12,1-3.
1,76 Prophet des Höchsten. S. Anm. zu V. 32.
1,77 Vergebung ihrer Sünden. Sündenvergebung ist das Herz- stück des Heils. Gott errettet Sünder aus der Trennung von ihm und vor der ewigen Hölle allein dadurch, dass er ihre Sünden sühnt und vergibt. S. Anm. zu Röm 4,6-8; 2Kor 5,19; Eph 1,7; Hebr 9,22.
1,78 Aufgang. Oder »Sonnenaufgang«. Eine Bezeichnung des Mes- sias (vgl. Jes 9,1; 60,1-3; Mal 3,20; 2Pt 1,19; Offb 22,16).
1,80 in der Wüste. In der Wüstenregion östlich von Jerusalem lebten mehrere asketische Gemeinschaften, u.a. die bekannte QumranGemeinschaft, die uns die Qumran-Rollen hinterlassen hat. Die Eltern von Johannes waren bei seiner Geburt bereits alt und übergaben ihn vielleicht jemandes Fürsorge, der mit einer solchen Gemeinschaft verbunden war. In ähnlicher Weise weihte Hanna Samuel dem Herrn, indem sie ihn Eli anvertraute (1Sam 1,22-28). In der Bibel fi nden sich jedoch keine konkreten Hinweise darauf, dass Johannes einer solchen Gemeinschaft angehörte. Im Gegenteil wird er vielmehr als Einzelgänger im Geist des Elia dargestellt (s. Anm. zu V. 17). 2,1 Kaiser Augustus. Gajus Octavius (so sein bürgerlicher Name) war Großneffe, Adoptivsohn und hauptsächlicher Erbe von Julius Cäsar. Die römische Regierung wurde vor und nach dem Tod Cäsars im Jahr 44 v.Chr. ständig von Machtkämpfen zerrüttet. Octavius stieg 31 v.Chr. zu unbestrittener Macht auf, als er seinen letzten verbliebenen Feind Antonius in einer Militärschlacht bei Actium besiegte. Im Jahr 29 v.Chr. erklärte der römische Senat Octavius zum ersten Kaiser Roms. Zwei Jahre später ehrten sie ihn mit dem Titel »Augustus« (»Erhabener; Ehrwürdiger«, was auf religiöse Verehrung hindeutet). Roms republikanische Regierung war damit praktisch abgeschafft und Augustus erhielt höchste militärische Macht. Er regierte bis zu seinem Tod im Alter von 76 Jahren (14 n.Chr.). Unter seiner Herrschaft dominierte das Römische Reich den gesamten Mittelmeerraum und so begann eine Zeit großen Wohlstands und relativen Frieden (die sog. Pax Augustana). Unter seinem Befehl sollte »der ganze Erdkreis sich schätzen (registrieren) lassen«. Das war keine einmalige Volkszählung; vielmehr begann mit diesem Erlass ein Zyklus von Einschreibungen, die alle 14 Jahre stattfi nden sollten. Palästina war zuvor von der römischen Volkszählung ausgenommen gewesen, weil die Juden nicht in der römischen Armee antreten mussten und die Volkszählung in erster Linie dazu diente, junge Männer zum Militärdienst zu rekrutieren (und zum Erfassen aller römischen Bürger). Diese neue, uneingeschränkte Volkszählung sollte angeblich jedes Volk nach Familien und Stämmen zählen (deshalb musste Joseph, vom Stamm Juda, in die Heimatstadt seiner Vorväter zurückkehren – s. Anm. zu V. 3). Besitz- und Einkommenswerte wurden bei dieser Registrierung nicht erfasst. Doch schon bald darauf verwendete man die Namen und Bevölkerungsstatistiken aus dieser Zählung, um Kopfsteuern zu erheben (s. Anm. zu Mt 22,17). Seither waren den Juden Volkszählungen als unliebsames Symbol der römischen Unterdrückung verhasst. S. Anm. zu V. 2.
2,2 als Kyrenius Statthalter in Syrien war. Eine genaue Datie- rung dieser Volkszählung ist problematisch. Es ist bekannt, dass Publius Sulpicius Quirinius (oder Kyrenius) von 6-9 n.Chr. Statthalter von Syrien war. Eine gut dokumentierte Volkzählung fand in Palästina im Jahr 6 n.Chr. statt. Josephus berichtet, dass sie eine gewalttätige Revolte der Juden auslöste (Lukas erwähnt sie in einem Zitat Gamaliels in Apg 5,37). Quirinius war für die Durchführung dieser Volkszählung verantwortlich und spielte außerdem eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung des anschließenden Aufstandes. Bei dieser Volkszählung kann es sich jedoch nicht um die handeln, die Lukas hier meint, denn sie fand mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tod des Herodes statt (s. Anm. zu Mt 2,1) und damit viel zu spät, als dass zur Zeitangabe des Lukas passen könnte (vgl. 1,5). Angesichts der akribischen Sorgfalt des Historikers Lukas wäre es unvernünftig, ihm einen solchen Anachronismus zu unterstellen. Und tatsächlich hat die Archäologie Lukas Recht gegeben. Ein Steinfragment, das 1764 in Tivoli (bei Rom) entdeckt wurde, weist eine Inschrift zu Ehren eines römischen Politikers auf, der unter Augustus zweimal Statthalter von Syrien und Phönizien war. Der Name des Beamten befi ndet sich nicht auf dem Fragment, aber unter den von ihm aufgezählten Meriten fi nden sich Details, die unseres Wissens auf niemand anders zutreffen als auf Quirinius. Somit war er zweimal Statthalter von Syrien. Er war wahrscheinlich zur selben Zeit militärischer Statthalter, als Varus der Geschichtsschreibung zufolge dort ziviler Statthalter war. Was die Datierung der Volkszählung betrifft, erwähnen einige antike Dokumente aus Ägypten eine weltweite Zählung im Jahr 8 v.Chr. Doch auch dieses Datum ist nicht unproblematisch. Die Gelehrten nehmen allgemein an, dass 6. v.Chr. das frühestmögliche Datum für die Geburt Jesu ist. Offenbar hatte Augustus die Volkszählung im Jahr 8 v.Chr. befohlen, doch in Palästina konnte sie erst zwei bis vier Jahre später durchgeführt werden. Grund dafür sind möglicherweise politische Spannungen zwischen Rom und Herodes. Deshalb kann das genaue Jahr der Geburt Jesu nicht mit letzter Gewissheit bestimmt werden, doch war es wahrscheinlich nicht früher als 6 v.Chr. und mit Sicherheit nicht später als 4 v.Chr. Die Leser des Lukasevangeliums waren mit der politischen Geschichte jener Zeit vertraut und konnten aus seinen Angaben zweifellos ein äußerst genaues Datum ableiten.
2,3 eigene Stadt. D.h. der Ursprungsort des Stammes, dem man angehörte.
2,4 Nazareth … Bethlehem. Sowohl Joseph als auch Maria waren Nachkommen Davids und gingen deshalb in die Heimatstadt ihres Stammes in Judäa, um sich registrieren zu lassen. Das war eine anstrengende Reise von etwa 120 km durch bergiges Gebiet. Diese Reise war vor allem für die hochschwangere Maria äußerst beschwerlich. Vielleicht waren sie und Joseph sich bewusst, dass eine Geburt in Bethlehem die Prophezeiung aus Mi 5,1 erfüllen würde.
2,5 angetrauten. S. Anm. zu Mt 1,18. Matthäus 1,24 sagt, dass Joseph »seine Frau zu sich nahm«, nachdem der Engel Joseph im Traum dazu aufgefordert hatte, d.h. er nahm sie in sein Haus auf. Doch vollzogen sie die Ehe erst nach der Geburt Jesu (Mt 1,25). Daher waren sie eigentlich noch immer verlobt.
2,7 Erstgeborenen. Maria hatte später noch andere Kinder. S. Anm. zu Mt 12,46. Windeln. Textilstreifen, mit denen die Mutter den Säugling stramm einwickelte. Sie bewahrten den Säugling davor, seine empfi ndliche Gesichtshaut und die Augen mit den eigenen Fingernägeln zu verletzen, und sie stärkten, so meinte man, die Gliedmaßen des Kindes. In einigen orientalischen Kulturen ist das auch heute noch Brauch. Fehlten Windeln, war das ein Zeichen von Armut oder mangelhafter elterlicher Fürsorge (Hes 16,4). Krippe. Ein Futtertrog für Tiere. Auf diesen kleinen Hinweis gründet die Vorstellung, Jesus sei in einem Stall geboren, was die Bibel nirgends sagt. Einer alten Überlieferung zufolge war seine Geburtsstätte eine Höhle (die möglicherweise Tieren Schutz bot). Eine nähere Beschreibung der Geburtsstätte fi ndet sich in der Bibel jedoch nicht. weil für sie kein Raum war in der Herberge. Womöglich weil viele Leute in ihre Vaterstadt zurückkehrten, um sich bei der Volkszählung registrieren zu lassen.
2,8 Hirten. Bethlehem lag nahe bei Jerusalem und die Juden, die dort im Tempel opfern wollten, bezogen die nötigen Schafe zum Großteil aus dieser Gegend. Die umliegenden Hügel waren hervorragendes Weideland und die Hirten arbeiteten hier das ganze Jahr über Tag und Nacht. Daher lässt sich aus der Tatsache, dass Hirten draußen auf den Wiesen waren, keine Schlussfolgerung über die Jahreszeit machen.
2,10 Fürchtet euch nicht. S. Anm. zu 1,12; vgl. 1,65.
2,11 der Retter. Das ist eine von nur zwei Stellen in den Evange- lien, wo Christus als »Retter« bezeichnet wird. Die andere Stelle ist Joh
4,42, wo Leute aus Sychar ihn als »Retter der Welt« bekannten. Chris- tus. »Christus« ist das gr. Wort für »Messias« (s. Anm. zu Mt 1,1). Herr. Das gr. Wort kann »Meister« bedeuten, wird aber auch als Übersetzung des Bundesnamens Gottes im AT verwendet. Hier (und bei den meisten seiner Vorkommen im NT) wird es im letzteren Sinne verwendet, als Titel Gottes. Stadt Davids. D.h. Bethlehem, die Stadt, wo David geboren wurde – und nicht die »Davidsstadt« am Südhang des Bergs Zion (vgl. 2Sam 5,7-9).
2,13 Heerscharen. Dieser Begriff bezeichnete ein Heerlager. Auch Christus beschrieb Engel in Mt 26,53 mit einem Bild aus dem Militärwesen (s. Anm. dort). Offb 5,11 legt nahe, dass die Anzahl der Heerscharen von Engeln für den menschlichen Verstand unergründlich ist. Beachtenswert ist, dass die himmlischen Heerscharen hier eine Botschaft von Frieden und Wohlgefallen überbrachten (V. 14).
2,14 in der Höhe. D.h. im Himmel. Frieden. Das darf man nicht als universale Verkündigung von Frieden für die ganze Menschheit verstehen. Vielmehr ist Frieden mit Gott eine Folge der Rechtfertigung (s. Anm. zu Röm 5,1). den Menschen [Gottes] Wohlgefallen. Das gr. Wort für »Wohlgefallen« kommt auch in 10,21 vor. Die Verbform desselben Wortes wird in 3,22 und 12,32 verwendet. Es bezeichnet stets Gottes souveränes Wohlwollen. Deshalb wäre eine bessere Übersetzung: »Frieden für die Menschen, auf denen Gottes souveränes Wohlwollen ruht.« Der Friede Gottes ist keine Belohnung für Menschen mit gutem Willen, sondern eine Gnadengabe für diejenigen, die Gegenstand seines Wohlwollens sind.
2,18 alle, die es hörten, verwunderten sich. Verwunderung über die Geheimnisse von Christi Worten und Werken ist einer der roten Fäden im Lukasevangelium. Vgl. V. 19.33.47.48; 1,21.63; 4,22.36; 5,9; 8,25; 9,43-45; 11,14; 20,26; 24,12.41. S. Anm. zu V. 20.
2,20 priesen und lobten Gott. Lukas berichtet oft über eine sol- che Reaktion. Vgl. V. 28; 1,64; 5,25.26; 7,16; 13,13; 17,15-18; 18,43; 19,37-40; 23,47; 24,52.53.
2,21 acht Tage. S. Anm. zu 1,59.
2,22 Reinigung. Eine Frau, die einen Sohn zur Welt gebracht hatte, war für 40 Tage unrein (bei einer Tochter doppelt so lange – 3Mo 12,25). Danach musste sie ein einjähriges Lamm und eine Taube opfern (3Mo 12,6). War sie arm, konnte sie stattdessen auch zwei Tauben opfern (3Mo 12,8). Marias Opfertiere zeigen, dass sie und Joseph arm waren (V. 24). nach Jerusalem. Von Bethlehem aus eine Reise von etwa 10 km. um ihn dem Herrn darzustellen. Die Weihe des Erstgeborenen war ebenfalls vom mosaischen Gesetz vorgeschrieben (V. 23, vgl. 2Mo 13,2.12-15).
2,24 ein Paar Turteltauben. S. Anm. zu V. 22. Ein Zitat aus 3Mo 12,8.
2,25 Simeon. Er kommt nur hier in der Bibel vor. Trost Israels. Ein messianischer Titel, der offenbar abgeleitet war von Versen wie Jes 25,9; 40,1.2; 66,1-11.
2,26 vom Heiligen Geist die Zusage empfangen. Obwohl die Messiaserwartung in Israel sehr angespannt war (vgl. 3,15) und trotz der vielen alttestamentlichen Prophezeiungen, die von seinem Kommen sprachen, war es nur eine Hand voll Juden, welche die Bedeutung von Christi Geburt erkannten. Die meisten von ihnen, einschließlich Simeon, empfi ngen eine Botschaft von Engeln oder eine andere besondere Offenbarung, die ihnen die Erfüllung der AT-Prophezeiungen erklärte.
2,29 Simeons Psalm ist als das Nunc Dimittis bekannt; das sind die ersten beiden Worte der lateinischen Übersetzung (s. Anm. zu 1,4655; 1,68-79). Er ist der vierte von fünf Lobpreispsalmen, die Lukas in seine Erzählung von der Geburt Jesu aufgenommen hat (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen) und ein ergreifender Ausdruck des außergewöhnlichen Glaubens von Simeon.
2,30 dein Heil. D.h. der Eine, der sein Volk von seinen Sünden erlö- sen wird.
2,31 allen Völkern. D.h. allen Nationen, Sprachen und Stämmen (vgl. Offb 7,9), sowohl Israel als auch den Heiden (V. 32).
2,34 zum Fall und zum Auferstehen vieler in Israel. Für diejeni- gen, die ihn ablehnen, ist er ein Stein des Anstoßes (1Pt 2,8); doch wer ihn annimmt, den wird er aufrichten (Eph 2,6). Vgl. Jes 8,14.15; Hos 14,10; 1Kor 1,23.24. widersprochen. Das ist eine Synekdoche. Simeon erwähnte nur die verbalen Angriffe auf Christus, doch umfasste dieser Ausdruck mehr als das: Israels Ablehnung und Verwerfung des Messias, den Hass des Volkes gegen ihn und seine Kreuzigung. S. Anm. zu V. 35.
2,35 ein Schwert. Das war zweifellos ein Hinweis auf den künftigen Schmerz, den Maria beim Anblick ihres unter schrecklichen Qualen sterbenden Sohnes erleiden würde (Joh 19,25). damit aus vielen Herzen die Gedanken geoffenbart werden. Die Verwerfung des Messias (s. Anm. zu V. 34) sollte ans Licht bringen, wie weit die Juden in ihrem Herzen von Gott abgefallen waren.
2,36 eine Prophetin. Das bezeichnet eine Frau, die das Wort Gottes redet. Hanna war keine Quelle der Offenbarung, sondern eine Lehrerin des AT. Das AT nennt nur drei prophezeiende Frauen: Mirjam (2Mo 15,20), Debora (Ri 4,4) und Hulda (2Kö 22,14; 2Chr 34,22). Eine weitere Frau, Noadja, war offensichtlich eine falsche Prophetin, die Nehemia zu seinen Feinden zählt. Jes 8,3 bezeichnet die Frau des Propheten Jesaja als »Prophetin«, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Jesajas Gattin selber prophezeit hätte. Vielleicht wird sie so genannt, weil das Kind, das sie geboren hatte, einen prophetischen Namen erhielt (Jes 8,3.4). Dass die Frau Jesajas so betitelt wurde, zeigt zudem, dass der Titel »Prophetin« nicht unbedingt einen fortwährenden Dienst prophetischer Offenbarungen fordert. Die rabbinische Tradition bezeichnet auch Sarah, Hanna, Abigail und Esther als Prophetinnen (offenbar um zusammen mit Mirjam, Debora und Hulda die Zahl 7 zu erreichen). Im NT prophezeiten die Töchter von Philippus (s. Anm. zu Apg 21,9).
2,37 eine Witwe von etwa 84 Jahren. Das bedeutet wahrschein- lich nicht, dass sie seit 84 Jahren Witwe, sondern dass sie eine 84-jährige Witwe war. Wäre sie nämlich seit 84 Jahren und im Anschluss an eine 7-jährige Ehe (V. 35) verwitwet, dann wäre sie mindestens 104 Jahre alt gewesen. wich nicht vom Tempel. Sie lebte offenbar im Tempelbezirk. Im äußeren Vorhof gab es mehrere solcher Quartiere für Priester. Wegen ihres ungewöhnlichen Status als Prophetin hatte Hanna wohl die Erlaubnis, dort dauerhaft zu leben.
2,39 kehrten sie zurück nach Galiläa. Lukas lässt den Besuch der Magier und die Flucht nach Ägypten aus (Mt 2,1-18). Das Thema der frühen Verwerfung Jesu, die in Matthäus so hervorgehoben wird (s. Einleitung zu Matthäus: Historische und lehrmäßige Themen), steht bei Lukas nicht im Mittelpunkt.
2,41 Passahfest. S. Anm. zu 2Mo 23,14-19. Das Passah war ein eintägiges Fest und direkt darauf folgte das einwöchige Fest der ungesäuerten Brote (s. Anm. zu Mt 26,17). 2,42 als er zwölf Jahre alt war. Die Bar-Mitzvah-Feier (wenn ein jüdischer Knabe ein »Sohn des Gesetzes« wurde) fand im Alter von 13 Jahren statt. Daher feierten die meisten Jungen ihr erstes Fest mit 12, um sich auf diesen rituellen Übergang zum Erwachsenendasein vorzubereiten. S. Anm. zu Mt 21,15.
2,43 blieb der Knabe Jesus in Jerusalem. In krassem Gegen- satz zu den apokryphen Evangelien mit ihren fantasievollen Sagen über Wunder und übernatürliche Großtaten des jugendlichen Jesus, schildert dieser einzige biblische Bericht über die Jugend des Herrn ihn als gewöhnliches Kind einer gewöhnlichen Familie. Er blieb weder aus Mutwillen noch aus Ungehorsam in Jerusalem zurück, sondern dieser Vorfall beruhte auf einem Irrtum auf Seiten seiner Eltern (V. 44).
2,44 den Reisegefährten. Joseph und Maria reisten offenbar mit einer großen Reisegesellschaft von Freunden und Verwandten aus Nazareth. Zweifellos gingen Hunderte von Juden aus ihrer Ortschaft zu diesem Fest. Zwischen den Männern und Frauen in einer solchen Gruppe lag vielleicht ein gewisser Abstand und so dachte jeder Elternteil, das Kind sei beim anderen.
2,46 nach drei Tagen. Das bedeutet wahrscheinlich nicht, dass sie ihn drei Tage lang in Jerusalem suchten. Offenbar merkten sie am Ende des ersten Reisetages, dass er fehlte. Die Rückreise nach Jerusalem erforderte einen weiteren Reisetag und die Suche nach ihm kostete ihnen den Großteil eines dritten Tages. zuhörte und sie befragte. Er war völlig ehrerbietig und nahm die Rolle eines Schülers ein. Doch bereits in diesem jungen Alter legte er mit seinen Fragen eine Weisheit an den Tag, die die Lehrer beschämte.
2,48 warum hast du uns das getan? Marias Worte haben einen Unterton von Verärgerung und Tadel. Das ist für eine Mutter in einer solchen Situation völlig normal, doch in diesem Fall war es unangebracht. Weder hatte er sich vor ihnen versteckt noch sich ihrer Autorität widersetzt. Vielmehr hatte er genau das getan, was ein Kind unter solchen Umständen tun würde (wenn seine Eltern es stehen gelassen hat): Er ging zu einem sicheren, öffentlichen Platz in die Gegenwart vertrauenswürdiger Erwachsener, wo seine Eltern ihn voraussichtlich suchen würden (V. 49). dein Vater. D.h. Joseph, der sein rechtmäßiger Vater war.
2,49 was meines Vaters ist. Ein Gegensatz zu Marias Worten »dein Vater« in V. 48. Seine Antwort war in keiner Weise frech, sondern offenbart sein aufrichtiges Erstaunen darüber, dass sie nicht wussten, wo sie ihn suchen sollten. Das zeigt auch, dass er sich schon in diesem jungen Alter seiner Identität und seines Auftrags bewusst war.
2,51 untertan. Seine Beziehung zu seinem himmlischen Vater be- einträchtigte nicht seine Pfl icht gegenüber seinen irdischen Eltern. Das Befolgen des fünften Gebots gehörte wesentlich zu seinem vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Gesetz, das er zu unseren Gunsten erfüllte (Hebr 4,4; 5,8.9). Er musste aller Gerechtigkeit Genüge tun (s. Anm. zu Mt 3,15).
2,52 Jesus nahm zu. Als Jesus Mensch wurde, hörte er nicht auf, Gott zu sein und legte seine göttlichen Eigenschaften nicht ab. Vielmehr nahm er eine Menschennatur an (nicht anstatt, sondern zusätzlich zu seiner Gottheit) und unterstellte den Gebrauch seiner göttlichen Eigenschaften dem Willen des Vaters (Joh 5,19.30; 8,28; Phil 2,5-8). Deshalb war seine Allwissenheit manchmal offenkundig (Mt 9,4; Joh 2,24.25; 4,17.18; 11,11-14; 16,30) und andere Male war sie hinter seiner Menschennatur verborgen, weil es der Wille des Vaters war (Mk 13,32). Daher war Christus dem normalen menschlichen Wachstumsprozess unterworfen und wuchs physisch, mental, geistlich und gesellschaftlich. S. Anm. zu Mk 13,32.
3,1 im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius. Aufgrund der Art und Weise, wie Tiberius an die Macht kam, ist es schwierig, dieses Datum exakt zu bestimmen. Als der römische Senat Augustus zum Kaiser erklärte (s. Anm. zu 2,1), tat der Senat das unter der Bedingung, dass seine Macht mit seinem Tod endet und nicht auf einen Erben übergeht. Der Grundgedanke war dabei, dass nicht der Kaiser selbst, sondern der Senat den Thronfolger wählen sollte. Augustus umging diese Hürde jedoch: Er ernannte einen Mitregenten und plante, diesem die kaiserlichen Vollmachten nach und nach zu übertragen. Als der erste von ihm erwählte Nachfolger starb, entschied Augustus sich für seinen Schwiegersohn Tiberius, den er adoptierte und im Jahr 4 n. Chr. zu seinem Erben machte (Augustus konnte Tiberius nicht leiden, aber er hoffte, über ihn seine Macht auf seine Enkel übertragen zu können). Tiberius wurde 11 n.Chr. zum Mitregenten eingesetzt und wurde dann mit dem Tod des Augustus am 19. August 14 n.Chr. alleiniger Herrscher. Wenn Lukas seine Chronologie von der Einsetzung von Tiberius zum Mitregenten berechnet hat, dann wäre das 15. Jahr das Jahr 25 oder 26. Zählte Lukas aber vom Tod des Augustus, würde das entsprechende Datum zwischen den 19. Aug. 28 und dem 18. Aug. 29 liegen. Ein weiterer Umstand erschwert die genaue Datierung: Die Juden zählten die Regierungszeit eines Herrschers vom nächsten jüdischen Neujahrsfest nach der Thronbesteigung. Wenn Lukas also die jüdische Zählweise verwendete, würde sich ein noch etwas späteres Datum ergeben. Pontius Pilatus … Herodes … Philippus. S. Anm. zu Mt 2,22. Lysanias. Regent über das Gebiet nordwestlich von Damaskus. Die Geschichtsschreibung sagt praktisch nichts über ihn.
3,2 unter den Hohenpriestern Hannas und Kajaphas. S. Anm. zu Apg 4,6. Josephus zufolge war Hannas Hoherpriester von 615 n.Chr. Dann wurde er von den römischen Machthabern abgesetzt. Dennoch blieb er de facto an der Macht. Das ist daraus ersichtlich, dass fünf seiner eigenen Söhne sowie Kajaphas, sein Schwiegersohn, zu seinen Nachfolgern gehörten (s. Anm. zu Mt 26,3). Zur von Lukas beschriebenen Zeit war Kajaphas der eigentliche Hohepriester, aber Hannas beherrschte dieses Amt noch immer. Das ist klar ersichtlich aus der Tatsache, dass Christus nach seiner Gefangennahme zuerst zu Hannas gebracht wurde und dann zu Kajaphas (s. Anm. zu Mt 26,57). Wüste. S. Anm. zu Mt 3,1.
3,3 Taufe der Buße. S. Anm. zu Mt 3,6. zur Vergebung der Sün- den. D.h. um die Vergebung, die auf die Buße hin bereits empfangen worden war, zu symbolisieren und zu bezeugen (s. Anm. zu Apg 2,38). 3,4 macht seine Pfade eben. Ein Zitat aus Jes 40,3-5 (s. Anm. dort). Wenn ein Monarch durch die Wüste reiste, zog ihm eine Arbeitertruppe voraus, die dafür sorgte, dass der Weg frei war von Buckeln und Schlaglöchern, die die Reise erschwert hätten. Im geistlichen Sinn rief Johannes das Volk Israel auf, ihre Herzen für die Ankunft ihres Messias zu bereiten. 3,6 alles Fleisch. D.h. Heiden wie Juden (s. Anm. zu 2,31). Alle vier Evangelien zitieren Jes 40,3 (Mt 3,3; Mk 1,3; Joh 1,23). Nur Lukas fügt V. 5.6 hinzu. Er verwendet einen bekannten Text aus Jesaja, um sein Thema hervorzuheben: die universale Gültigkeit des Evangeliums (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger).
3,7 kommenden Zorn. Möglicherweise ein Hinweis auf die bevor- stehende Zerstörung Jerusalems. Der Ausdruckt weist aber über jede irdische Katastrophe hinaus auf die endzeitliche Ausgießung des Zornes Gottes am Tag des Herrn und insbesondere auf das letzte Gericht, wo der Zorn Gottes der gerechte Lohn aller Unbußfertigen sein wird (vgl. Röm 1,18; 1Th 1,10; Hebr 10,27). S. Anm. zu Mt 3,7.
3,8 Abraham … Kinder zu erwecken. Die wahren Kinder Abra- hams sind nicht bloß leibliche Nachkommen, sondern diejenigen, die seinen Glauben nachahmen und dem Wort Gottes vertrauen wie er (Röm 4,11-16; 9,8; Gal 3,7). Wer auf seine leibliche Abstammung vertraut, setzt sein Vertrauen auf etwas anderes als Gott, und das geistlich fatal (vgl. Joh 8,39-44). Steinen. Vgl. 19,40. Die Bildersprache bezieht sich womöglich auf alttestamentliche Verse wie Hes 11,19; 36,26. Gott kann in seiner Souveränität ein Herz aus Stein in ein glaubendes Herz verwandeln. Wenn er will, kann er aus unbelebten Körpern Kinder Abrahams machen, so gut wie aus Heiden mit steinernen Herzen (vgl. Gal 3,29).
3,9 die Axt an die Wurzel. S. Anm. zu Mt 3,10.
3,11 zwei Hemden. Von diesen Kleidungsstücken konnte man nur eines gleichzeitig tragen. Johannes betonte immer noch das unmittelbare Bevorstehen des Gerichts. Jetzt war es unangebracht, einen Überfl uss an Gütern zu horten.
3,12 Zöllner. S. Anm. zu Mt 5,46.
3,14 Kriegsleute. Das waren zweifellos Angehörige der römischen Besatzungstruppen, die bei den Juden wegen ihrer Brutalität und ihres Heidentums verhasst waren. Vielleicht waren gerade diese Soldaten dazu abbestellt, die Zöllner bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen (V. 12). Dass solche Leute auf die Predigt reagierten, zeigt die große Wirkung des Täufers besonders auf Randsiedler des Gemeinwesens (vgl. Mt 21,31.32). Misshandelt niemand. Hier und in V. 13 fordert Johannes keinen klösterlichen Lebensstil oder mystische Askese, sondern Integrität und Charakter in den praktischen Dingen des Alltags. Vgl. Jak 1,27.
3,16 taufe. S. Anm. zu Mt 3,11. Schuhriemen. Das Lösen der Schuhriemen war die niedrigste Aufgabe eines Sklaven; es geschah vor dem Waschen der Füße (s. Anm. zu Joh 13,5).
3,17 Worfschaufel. S. Anm. zu Mt 3,12.
3,19 getadelt … wegen Herodias. S. Anm. zu Mt 14,3.
3,20 Johannes ins Gefängnis warf. Das geschah eigentlich we- sentlich später, während des öffentlichen Wirkens des Herrn (Joh 3,2224; Mt 14,1-12). Doch Lukas ordnet seinen Stoff über Johannes den Täufer nicht chronologisch, sondern thematisch (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 3,21 getauft. S. Anm. zu Mt 3,15. (als er) betete. Nur Lukas erwähnt, dass Jesus betete. Gebet ist eines der Themen von Lukas (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
3,22 Heilige Geist. S. Anm. zu Mt 3,16.17. In diesem Vers sind al- le 3 Personen der Dreieinheit unterscheidbar. Das ist ein starker Beweis gegen die Irrlehre des Modalismus, der besagt, Gott sei nur eine einzige Person, die sich auf drei verschiedene Weisen (Modi) manifestiere, jedoch stets nur auf eine Weise gleichzeitig. in leiblicher Gestalt. D.h. materiell und für alle sichtbar (vgl. Mt 3,16; Joh 1,32). wie eine Taube. Ein Bild für Sanftmut (Mt 10,16). mein geliebter Sohn. S. Anm. zu Mt 3,17.
3,23 Lukas’ Stammbaum verläuft aufwärts von Jesus zu Adam; Matthäus hingegen geht abwärts von Abraham auf Joseph. Bei Lukas weicht der ganze Abschnitt von Joseph bis David stark von der Version des Matthäus ab. Die beiden Stammbäume sind leicht miteinander vereinbar, wenn wir in Lukas den Stammbaum Marias, in Matthäus hingegen den Stammbaum Josephs annehmen. Somit gehört Jesus über seinen rechtlichen Vater Joseph der königliche Abstammungslinie an; und über Maria ist er ein leiblicher Nachkomme Davids. Im Gegensatz zu Matthäus (s. Anm. zu Mt 1,3) enthält der Stammbaum des Lukas keine Frauen; sogar Maria selbst fehlt. Joseph war durch seine Heirat ein Sohn »des Eli« (Eli hatte keine eigenen Söhne) und wird hier in V. 23 als Repräsentant der Generation Marias angeführt. Mose selbst liefert in 4Mo 27,1-11 und 36,1-12 Beispiele für eine solche Ersetzung. Die Männer von Eli (V. 23) bis Resa (V. 27) kommen nirgends sonst in der Bibel vor. Serubbabel und Schealtiel (V. 27) sind hier die beiden einzigen Namen, die sich auch im Stammbaum des Matthäus zwischen David und Jesus fi nden. Für eine Erklärung s. Anm. zu Hag 2,23; Mt 1,12. 3,23 ungefähr 30 Jahre alt. Lukas bestimmte damit wahrschein- lich kein exaktes, sondern ein annäherndes Alter. Es war üblich, dass der Dienst eines Propheten (Hes 1,1), Priesters (4Mo 4,3.35.39.43.47) oder Königs (1Mo 41,46; 2Sam 5,4) mit dreißig anfi ng. wie man meinte. Die Tatsache der Jungfrauengeburt hat Lukas bereits erklärt (1,34.35); hier erklärte er noch einmal, dass Joseph nicht der eigentliche Vater Jesu war.
4,1 vom Geist in die Wüste geführt. S. Anm. zu Mt 4,1.
4,2 40 Tage vom Teufel versucht. Offenbar umfasste die Ver- suchung Christi die vollen 40 Tage seines Fastens (s. Anm. zu Mt 4,2). Sowohl Matthäus als auch Lukas geben einen zusammenfassenden Bericht von nur drei konkreten Versuchungen. Bei Lukas ist die Reihenfolge der letzten beiden Versuchungen anders als bei Matthäus. Gelegentlich ordnet Lukas seinen Stoff nicht in zeitlicher, sondern in logischer Reihenfolge (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). Möglicherweise wollte Lukas seine Beschreibung der Versuchungen Jesu am Tempel in Jerusalem beenden (vgl. V. 9). Das ist im Bericht des Lukas ein besonders wichtiger Ort (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
4,3 S. Anm. zu Mt 4,3-10.
4,4 Jesus zitierte 5Mo 8,3.
4,8 Jesus zitierte 5Mo 6,13.
4,10 Satan zitierte Ps 91,11.12.
4,12 Jesus zitierte 5Mo 6,16.
4,13 eine Zeit lang. Satans Versuchungen Christi waren hier nicht zu Ende, sondern dauerten sein ganzes Wirken über fort (vgl. Hebr 4,15) und gipfelten im Garten Gethsemane (22,39-46).
4,14 kehrte … zurück nach Galiläa. Die synoptischen Evangelien schweigen weitgehend zu Jesu Wirken zwischen seiner Taufe und seiner Rückkehr nach Galiläa, doch Johannes beschreibt den Dienst Jesu in Jerusalem und Judäa (Joh 2,12-4,1) recht ausführlich. Aufgrund dieses vorherigen Wirkens verbreitete sich die Kunde von ihm schnell.
4,15 Synagogen. S. Anm. zu Mk 1,21. 4,16 kam nach Nazareth. In V. 23 (s. Anm. dort) schreibt Lukas, dass Christus bereits zuvor in Kapernaum gewirkt hatte. Doch Lukas stellt diese Episode absichtlich an den Anfang seines Berichts von Jesu öffentlichem Dienst. Das ist ein Beispiel dafür, dass Lukas die Begebenheiten eher logisch als zeitlich anordnet (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). nach seiner Gewohnheit. Nazareth war seine Heimatstadt; daher war er allen Synagogenbesuchern gut bekannt.
4,18 weil er mich gesalbt hat. D.h. der Heilige Geist selber war die Salbung (V. 1.14).
4,19 das angenehme Jahr des Herrn. Oder: »das Jahr der Gunst des Herrn«. Der von Jesus verlesene Abschnitt war Jes 61,1.2. Er hörte mitten in V. 2 auf zu lesen. Die zweite Hälfte des Verses prophezeit das Gericht am Tag der Rache Gottes. Da sich dieser Teil des Verses auf das zweite Kommen des Messias bezieht, las Jesus ihn nicht.
4,20 setzte sich. Für einen Lehrer war es üblich, dass er die Schrift aus Respekt im Stehen vorlas (V. 16) und demütig im Sitzen lehrte. S. Anm. zu Mt 5,1.
4,21 Heute ist diese Schrift erfüllt. Damit gab er sich eindeutig als der Messias aus, der diese Prophezeiung erfüllte. Sie verstanden genau, was er sagen wollte, doch konnten sie diesen hohen Anspruch nicht annehmen aus dem Munde eines Mannes, den sie so als den Sohn des Zimmermanns kannten (V. 22; vgl. Mt 13,55).
4,23 Kapernaum. Christus war für seine Wunderwerke, die er in Kapernaum getan hatte, anscheinend schon bekannt geworden. Die Bibel nennt nur wenige Einzelheiten aus dem ersten Jahr seines öffentlichen Wirkens. Den größten Teil unseres Wissens über diese Monate beziehen wir aus dem Johannesevangelium. Dort lesen wir aber, dass Christus während dieser Zeit hauptsächlich in Judäa wirkte. In Joh 2,12 ist jedoch ein kurzer Besuch Jesu in Kapernaum erwähnt, ohne dass weitere Details genannt werden. Joh 4,46-54 beschreibt, wie Jesus in Kana den Sohn eines königlichen Beamten heilte, der krank in Kapernaum lag. Außerdem wissen wir, dass Christus bereits einige seiner Jünger berufen hatte, die vom Nordufer des Sees Genezareth stammten (Joh 1,35-42; s. Anm. zu Mt 4,18). Möglicherweise hatte er diese Gegend während des ersten Jahres seines Dienstes mehrmals aufgesucht. Jedenfalls war er lange genug dort gewesen, um Wunder zu tun, und sein Ruf hatte sich in ganz Galiläa verbreitet (vgl. V. 14). 4,25-27 Sowohl die Witwe von Zarepta (1Kö 17,8-24) als auch Naeman, der Syrer (2Kö 5), waren Heiden. Beiden lebten zu Zeiten, da Israels Glaube darniederlag. Jesus vermerkt, wie Gott alle Witwen und Aussätzigen in Israel überging und seine Gnade stattdessen zwei Heiden erwies. Gottes Liebe zu Heiden und Verachteten ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durchs Lukasevangelium zieht (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
4,28 voll Zorn. Hier erwähnt Lukas zum ersten Mal eine feindliche Reaktion auf das Wirken Jesu. Der Zorn der Nazarener wurde offensichtlich ausgelöst durch die Andeutung des Herrn, dass Gott seine Gnade womöglich den Juden vorenthalten und stattdessen den Heiden erweisen würde.
4,30 ging mitten durch sie hindurch. Wie der Herr entkam, war offenbar ein Wunder. Es war die erste von mehreren ähnlichen Begebenheiten, bei denen Jesus verhinderte, dass das Volk in ihn tötete, bevor seine Stunde gekommen war (vgl. Joh 7,30; 8,59; 10,39).
4,32 Vollmacht. S. Anm. zu Mt 7,29.
4,33 Dämons. S. Anm. zu Mt 8,16.
4,34 der Heilige Gottes. Die Dämonen erkannten Christus stets sofort (vgl. V. 41; 8,28; Mt 8,29; Mk 1,24; 3,11; 5,7) 4,38 Simons Schwiegermutter. Petrus war verheiratet (vgl. 1Kor 9,5), wenngleich die Bibel nichts Näheres über seine Frau berichtet. heftigen Fieber. Mt 8,14.15 und Mk 1,30.31 berichten ebenfalls über dieses Wunder. Doch nur Lukas, der Arzt, schreibt, dass sie »heftiges« oder hoher Fieber hatte und beschreibt auch die Art und Weise der Heilung (V. 39).
4,40 die Sonne unterging. Das Ende des Sabbats. Sobald sie Fuß- märsche unternehmen durften, strömten die Volksmengen herbei.
4,41 Du bist der Christus, der Sohn Gottes! S. Anm. zu V. 34.
4,43 Reich Gottes. Dieser im Lukasevangelium sehr wichtige Begriff wird hier zum ersten Mal gebraucht. S. Anm. zu Mt 3,2.
5,1 See Genezareth. Der See Genezareth wird manchmal auch See von Tiberias (Joh 6,1; 21,1) oder See von Galiläa (Mk 7,31; Joh 6,1) genannt. Er ist ein großer Süßwassersee, dessen Oberfl äche 210 m unter dem Meeresspiegel liegt und ist die wichtigste Wasser- und Erwerbsquelle der galiläischen Region.
5,2 wuschen die Netze. Nachdem sie die ganze Nacht gefi scht und nichts gefangen hatten (vgl. V. 5), trockneten und fl ickten sie ihre Netze für die nächste Arbeitsnacht.
5,3 er setzte sich. S. Anm. zu 4,20; Mt 5,1.
5,4 lasst eure Netze zu einem Fang hinunter. Normalerweise tauchten die Fische, die man nachts dicht unter der Oberfl äche fangen konnte, bei Tageslicht in die Tiefe, wo man sie mit Netzen nicht erreichen konnte. Deshalb fi schte Petrus nachts. Petrus dachte sicherlich, die Anweisung Jesu sei sinnlos, aber dennoch gehorchte er und wurde für seinen Gehorsam belohnt (V. 6).
5,8 gehe von mir hinweg. Der außerordentliche Fischfang war ein- deutig ein Wunder und versetzte alle Fischer in Kapernaum in Erstaunen (V. 9). Petrus erkannte sofort, dass er vor dem Heiligen Gottes stand, der in seiner Allmacht gehandelt hatte. Die Scham über seine Sünde überwältigte ihn. Vgl. 2Mo 20,19; 33,20; Ri 13,22; Hi 42,5.6. S. Anm. zu Jes 6,5.
5,11 verließen alles und folgten ihm nach. S. Anm. zu Mt 4,18. Lukas nennt mehr Einzelheiten als Matthäus, doch beide beschreiben das gleiche Ereignis.
5,12 voll Aussatz. Der Ausdrückliche Vermerk, dass der Mann »vol- ler« Aussatz war, zeigt, dass es sich wahrscheinlich um einen besonders schweren Fall handelte. S. Anm. zu Mk 1,40.
5,13 sogleich. Zu den Merkmalen der Heilungen Jesu gehört, dass sie unverzüglich geschahen und zu völliger Gesundheit führten. Vgl. 17,14; Mt 8,13; Mk 5,29; Joh 5,9.
5,14 es niemand zu sagen. S. Anm. zu Mt 8,4. zeige dich dem Priester. D.h. in Übereinstimmung mit dem Gesetz über Aussatz (3Mo 13,1-46).
5,17 Pharisäer. S. Anm. zu Mt 3,7. Gesetzeslehrer. Schriftge- lehrte. S. Anm. zu Mt 2,4. Diese jüdischen Führungspersonen kamen von weit her, nämlich von Jerusalem. Der Ruf Jesu hatte sich verbreitet und er wurde von den Schriftgelehrten und Pharisäern bereits kritisch be obachtet.
5,19 durch die Ziegel. Offensichtlich handelte es sich um das Haus eines Reichen im griechisch-römischen Stil. Es hatte Dachziegel, die entfernt werden konnten und so den Weg freigaben, um den Mann durch die Dachbalken hinunter zu lassen. Dass sie zu diesem radikalen Mittel greifen mussten, um den Mann zu Jesus zu befördern, lässt erahnen, welche Volksmassen Jesus folgten. Unmöglich wäre man mit einem Gelähmten auf einer Trage nahe genug an Jesus heranzukommen, selbst wenn man gewartet hätte, bis er das Haus verließ.
5,20 Mensch, deine Sünden sind dir vergeben! Christus igno- rierte das körperliche Gebrechen und sprach zuerst das größere Problem dieses Mannes an. S. Anm. zu Mt 9,2. Er beanspruchte dabei ein Vorrecht, das Gott allein zusteht (V. 21; vgl. 7,49). Die anschließende Heilung der Lähmung war der Beweis, dass er die Vollmacht hatte, Sünden zu vergeben.
5,21 Lästerungen. Ihr Vorwurf wäre richtig gewesen, wenn sie es nicht mit dem fl eischgewordenen Gott zu tun gehabt hätten. S. Anm. zu Mt 9,3.
5,22 erkannte. Weil er allwissend war. Vgl. Mt 9,4; Joh 5,24.25.
5,23 Was ist leichter. S. Anm. zu Mt 9,5.
5,24 Damit ihr wisst. Seine Fähigkeit, jede Krankheit bei jedem Menschen zu heilen, und zwar vollständig und unverzüglich (V. 25), bewies unbestreitbar seine Gottheit. Als Gott hatte er jede Autorität, Sünden zu vergeben. Das war ein entscheidender Augenblick und hätte die Skepsis, die Ablehnung und den Widerstand der Pharisäer eigentlich beenden müssen. Doch stattdessen versuchten sie nun, ihn in Verruf zu bringen und beschuldigten ihn, gegen ihre Sabbatgebote zu verstoßen (s. Anm. zu 6,2-11).
5,26 Unglaubliches. Die Reaktion der Leute ist erstaunlich unver- bindlich: Sie sind zwar verwundert, aber sie glauben nicht.
5,27 Levi. Der Name des Matthäus vor seiner Bekehrung. S. Anm. zu Mt 9,9.11.
5,28 verließ alles. Vgl. V. 11; 9,59-62. Das war offenbar ein Ent- schluss, der nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte.
5,29 eine große Schar von Zöllnern. Levis sofortige Reaktion war, seine früheren Zöllner-Kollegen mit Christus bekannt zu machen.
5,30 esst und trinkt. Jegliche Art von Gemeinschaft mit Ausgesto- ßenen – sogar das bloße Sprechen mit ihnen – war schlimm genug. Doch mit ihnen zu essen und zu trinken, sah aus wie Freundschaft, und das war den Pharisäern anstößig (vgl. 7,34; 15,2; 19,7).
5,31 die Gesunden. Wer sich für gesund hält, interessiert sich nicht für ein Angebot der Heilung. S. Anm. zu Mt 9,12.
5,33 fasten … so oft. Jesus hat mindestens einmal für längere Zeit gefastet (Mt 4,2), allerdings im Verborgenen und damit in Übereinstimmung mit seiner eigenen Lehre (vgl. Mt 6,16-18). Das Gesetz schrieb ein Fasten am Großen Versöhnungstag vor (3Mo 16,29-31; 23,27), aber sonst war Fasten freiwillig und hatte immer einen besonderen Zweck, wie Buße oder dringliches Gebet. Die Frage der Pharisäer zeigt, dass Fasten für sie eine öffentliche Übung war, mit der sie ihre eigene Religiosität präsentieren konnten. Doch auch das AT tadelte heuchlerisches Fasten (Jes 58,3-6). S. Anm. zu Mt 6,17; 9,15.
5,36 S. Anm. zu Mt 9,16.17.
5,39 Der alte ist besser! Wer die Zeremonien des AT und die Tra- ditionen der Pharisäer geschmeckt hatte, war nicht ohne weiteres bereit, diese aufzugeben und den neuen Wein der Lehre Jesu anzunehmen. Nur Lukas fügt diese Aussage hinzu.
6,2 nicht … erlaubt. S. Anm. zu Mt 12,2.
6,3 Habt ihr nicht einmal gelesen. Jesus kreidet es ihnen als Schuld an, dass sie nicht einmal eine so grundlegende Wahrheit kannten (vgl. Mt 12,5; 19,4; 21,16.42; 22,31;). was David tat. S. Anm. zu 1Sam 21,2-7.
6,4 Schaubrote. S. Anm. zu Mt 12,4.
6,5 Herr auch über den Sabbat. S. Anm. zu Mt 12,8.
6,7 ob er am Sabbat heilen würde. Die Schriftgelehrten und Pharisäer beobachteten den Mann mit der verdorrten Hand (V. 6), und da Christus anwesend war, wussten sie sofort, dass der Kranke nun die Gelegenheit hatte, geheilt zu werden. Im krassen Gegensatz zu anderen so genannten Heilern war Christus bei seinen Heilungskandidaten nicht wählerisch. Er heilte alle, die zu ihm kamen (V. 19; vgl. 4,40; Mt 8,16).
6,8 kannte ihre Gedanken. Vgl. 5,22. S. Anm. zu Mt 9,4. stelle dich in die Mitte. Jesus wirkte dieses Wunder bewusst öffentlich vor allen und zeigte somit seine Geringschätzung für die Menschengebote der Pharisäer.
6,9 Gutes tun. Die Sabbatgebote untersagten gewinnbringende Ar- beit, Zerstreuung und Dinge, die dem geistlichen Leben abträglich waren. Aktivität an sich war nicht verboten. Gute Werke waren am Sabbat äußerst angebracht, besonders Taten der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit sowie des Gottesdienstes. Auch Arbeit zur Bewahrung und Rettung von Leben war erlaubt. Solche Tätigkeiten zu verbieten, war eine Verdrehung von Gottes Absicht mit diesem Ruhetag. S. Anm. zu Mt 12,2.3. Böses tun. Die Weigerung, Gutes zu tun, bedeutet Böses zu tun (Jak 4,17).
6,10 sie alle ringsumher ansah. Damit gab er ihnen die Gelegen- heit, auf die Frage von V. 9 zu antworten. Doch offensichtlich antwortete niemand.
6,11 wurden mit Unverstand erfüllt. Eine seltsame Reaktion an- gesichts eines so herrlichen Wunders. Dieser irrationale Hass war die Antwort auf ihre öffentliche Demütigung. Das hassten sie mehr als alles andere (vgl. Mt 23,6.7). Sie konnten seiner Logik nicht widersprechen (V. 9.10), und außerdem hatte er nicht wirklich gearbeitet, als er den Mann mit nur einem Wort heilte. Sie suchten verzweifelt nach einem Anklagegrund (V. 7), fanden aber keinen. Ihnen blieb nur blinde Wut.
6,12 verharrte die Nacht hindurch im Gebet. Lukas beschreibt Jesus häufi g im Gebet, besonders vor wichtigen Ereignissen in seinem Dienst. Vgl. 3,21; 5,16; 9,18.28.29; 11,1; 22,32.40-46.
6,13 rief er seine Jünger. S. Anm. zu Mt 10,1-4. Christus hatte viele Jünger. Einmal sandte er siebzig von ihnen jeweils zu zweit aus, damit sie das Evangelium verkündeten (10,1). Doch hier wählte er zwölf aus und beauftragte sie ausdrücklich als Apostel, d.h. als »Gesandte«. Er verlieh ihnen eine besondere Vollmacht, um als seine Vertreter seine Botschaft zu überbringen (vgl. Apg 1,21.22).
6,17 Die Predigt in der Ebene, die der Bergpredigt auffallend ähn- lich ist (s. Anm. zu Mt 5,1-7,29). Natürlich ist es möglich, dass Jesus die gleiche Predigt mehrmals hielt. (Offensichtlich verwendete er den gleichen Stoff mehrmals – z.B. 12,58.59; vgl. Mt 5,25.26.) Doch ist es wahrscheinlicher, dass es sich um verschiedene Berichte von ein und demselben Geschehen handelt. Die Version des Lukas ist etwas verkürzt, weil er speziell jüdische Abschnitte der Predigt auslässt (insbesondere Jesu Deutung des Gesetzes). Abgesehen davon folgen die Gedanken in beiden Versionen genau gleich aufeinander: Sie beginnen mit den Seligpreisungen und enden mit dem Gleichnis vom Haus auf dem Felsen. Unterschiede in der Formulierung der beiden Versionen gehen zweifellos darauf zurück, dass die Predigt ursprünglich in Aramäisch verkündigt wurde. Lukas und Matthäus übersetzten mit kleinen Abweichungen ins Griechische. Natürlich sind beide Varianten gleich inspiriert und autoritativ. 6,17 einen ebenen Platz. An anderer Stelle heißt es »auf den Berg« (Mt 5,1). Diese beiden Aussagen lassen sich leicht in Einklang bringen, wenn Lukas hier eine ebene Fläche auf einem Berg meinte. Tatsächlich gibt es eine solche Stelle in der Nähe von Kapernaum, wo Jesus der Überlieferung zufolge die Bergpredigt hielt. Tyrus und Zidon. S. Anm. zu Mt 11,21; Mk 3,8.
6,18 unreinen Geistern. Eine andere Bezeichnung für Dämonen, die in den Evangelien zehn Mal verwendet wird.
6,19 Kraft ging von ihm aus. Vgl. 8,45.46; s. Anm. zu Mk 5,30. 6,20-25 Lukas überliefert die Seligpreisungen verkürzt (vgl. Mt 5,312). Er führt nur vier an und stellt ihnen vier Weherufe gegenüber.
6,20 ihr Armen. Jesu Anliegen für die Armen und Ausgestoßenen gehört zu den Lieblingsthemen des Lukas (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). Lukas verwendet das Personalpronomen (»ihr«), wo in Mt 5, 3 der bestimmte Artikel steht. Damit unterstreicht er den persönlichen Ton in den Worten des Herrn. Ein Vergleich der beiden Abschnitte zeigt, dass es Christus hier um mehr ging als bloß materielle Armut bzw. Fülle. Die Armut, von der hier die Rede ist, betrifft in erster Linie das Bewusstsein der eigenen geistlichen Mittellosigkeit.
6,21 die ihr jetzt hungert. Nicht nur das Verlangen nach Nahrung, sondern Hunger und Durst nach Gerechtigkeit (s. Anm. zu Mt 5,6).
6,22 um des Menschensohnes willen. Wir sollten Verfolgung nicht suchen. Wenn wir aber um Christi willen verlästert und verfolgt werden (Mt 5,11), sind wir gesegnet.
6,29 biete auch die andere dar. S. Anm. zu Mt 5,39.
6,31 S. Anm. zu Mt 7,12.
6,35 Söhne des Höchsten. Gottes Kinder sollten den unauslöschli- chen Stempel seines Wesens tragen. Da er liebevoll, gnädig und freigiebig ist – sogar zu seinen Feinden – sollten es wir auch sein. S. Anm. zu Mt 5,44.45; vgl. Eph 5,1.2.
6,37 richtet nicht. Der Herr verbietet die Heuchelei und den Richt- geist, die beide aus der Selbstgerechtigkeit erwachsen. Er verbietet jedoch nicht richtiges Urteilen. S. Anm. zu Mt 7,1. so werdet ihr losgesprochen werden. S. Anm. zu Mt 6,15.
6,38 in euren Schoß schütten. Getreide konnte man im Gewand- bausch (»Busen«) tragen. Vgl. Ps 79,12; Jes 65,6; Jer 32,18.
6,41 Splitter … Balken. Die Bildersprache ist bewusst humorvoll. Christus benutzt häufi g Übertreibungen, um Komik zu erzeugen (vgl. 18,25; Mt 23,24).
6,46 was nennt ihr mich aber »Herr, Herr«? Es reicht nicht aus, Christus mit den Lippen als Herrn zu bekennen. Echter Glaube bewirkt Gehorsam. Ein Baum wird an seinen Früchten erkannt (V. 44). S. Anm. zu Mt 7,21-23.
6,47 S. Anm. zu Mt 7,24-28.
7,2 Knecht eines Hauptmanns. S. Anm. zu Mt 8,5. Dass der Hauptmann um seinen Sklaven so besorgt war, widersprach dem Ruf der römischen Offi ziere in Israel. Dieser Römer ist jedoch einer von drei Hauptmännern im NT, die echten Glaubens bewiesen (s. Anm. zu Mt 27,54; vgl. Apg 10).
7,3 Älteste der Juden. Matthäus 8,5-13 erwähnt nicht, dass der Hauptmann sich durch diese Vermittler an Jesus wandte. Dass sogar jüdische Älteste bereit waren, Jesus das Anliegen dieses Römers vorzutragen, zeigt, welches Ansehen er unter den Juden genossen haben muss. Er liebte das jüdische Volk und die Juden hatten ihm den Bau der örtlichen Synagoge zu verdanken (V. 5). Offenbar hatte Gott selbst ihn zu Christus hingezogen (vgl. Joh 6,44.65). Wie alle Menschen mit persönlicher Sündenerkenntnis war er sich seiner eigenen Unwürdigkeit sehr bewusst (s. Anm. zu 5,8) und deshalb sprach er Jesus nicht direkt an, sondern nur über Vermittler (V. 6.7).
7,6 nicht wert. S. Anm. zu Mt 8,8.
7,11 Nain. Eine kleine Stadt südöstlich von Nazareth.
7,12 einzige Sohn. S. Anm. zu 9,38.
7,14 rührte den Sarg an. Das führte normalerweise zu zeremo- nieller Verunreinigung. Jesus illustrierte anschaulich, wie er für solche Verunreinigungen nicht anfällig war. Als er den Sarg berührte, wurde er nicht verunreinigt, sondern seine Kraft vertrieb sogleich die Gegenwart allen Todes und aller Verunreinigung (s. Anm. zu V. 39; 8,44). Das war die erste von drei Totenauferweckungen, die Jesus während seines Wirken vollbrachte (vgl. 8,49-56; Joh 11). Vers 22 besagt, das Jesus noch weitere Tote erweckte, die aber nicht näher erwähnt werden.
7,18 die Jünger des Johannes. Johannes der Täufer wurde offen- bar weiterhin über das Wirken Jesu unterrichtet, und zwar nach seiner Verhaftung durch Jünger, die ihm als Boten dienten. Vgl. Apg 19,1-7.
7,19 Bist du derjenige, der kommen soll. Johannes war gewiss kein wankelmütiger Mensch (V. 24). Wir dürfen nicht meinen, sein Glaube sei ins Wanken geraten oder er habe das Vertrauen auf Christus verloren. Nach einigen unerwarteten Wendungen des Geschehens – seine eigene Verhaftung, Christus stieß auf Unglauben und Ablehnung – wollte Johannes von Christus selbst die Bestätigung hören. Und genau die gibt Jesus ihm mit seiner Antwort (V. 22.23). S. Anm. zu Mt 11,3-11.
7,22 Geht hin und berichtet dem Johannes. Die Verse 22.23 sind ein Zitat der messianischen Verheißungen aus Jes 35,5.6; 61,1 (Jes 61,1 entstammt dem gleichen Abschnitt, den Jesus in der Synagoge von Nazareth vorlas – s. Anm. zu 4,19.) Die Jünger des Johannes sollten ihm berichten, dass Jesus exakt das tat, was das AT über den Messias vorausgesagt hatte (V. 21), wenngleich sich die Prophezeiungen nicht nach dem Schema erfüllten, wie Johannes es sich vorgestellt hatte.
7,23 wer nicht Anstoß nimmt. Das war kein Tadel an Johannes, sondern eine Ermutigung für ihn (vgl. V. 28).
7,27 Ein Zitat aus Mal 3,1.
7,28 S. Anm. zu Mt 11,11.
7,29 gaben Gott recht. Das gemeine Volk und die verachteten Zöll- ner, die die Predigt von Johannes dem Täufer gehört hatten, erkannten an, dass sein Aufruf zur Buße und zur Taufe von Gott war.
7,30 Gesetzesgelehrten. S. Anm. zu 10,25. verwarfen den Rat- schluss Gottes. Johannes’ Bußruf war ein Ausdruck des Willens Gottes. Als sie die Buße ablehnten, verwarfen sie nicht nur Johannes den Täufer, sondern Gott selbst.
7,32 Kindern gleich. Christus tadelte die Pharisäer: er verglich ihr Ver- halten mit Kindern. Sie hatten sich fest vorgenommen, mit nichts zufrieden zu sein – ob sie nun zum Tanzen aufgefordert wurden (eine Anspielung auf den Dienst des Herrn, der von Freude redet und mit mit Sündern aß und trank), V. 34), oder zum Klagen aufgerufen wurden (eine Anspielung auf die asketische Art des Johannes und seine Bußpredigt, V. 33).
7,34 isst und trinkt. D.h. ein normales Leben führen. Dieser Ab- schnitt erklärt, weshalb sich Johannes in der Art seines Dienstes so krass vom Herrn unterscheiden musste, obwohl beider Botschaft die gleiche war (s. Anm. zu Mt 4,17). Nachdem man auf beiderlei Weise zu ihnen gesprochen hatte, hatten die Pharisäer keine Ausreden mehr. Was sie angeblich bei Jesus vermissten – Strenge und Askese – hatte den Dienst Johannes des Täufers charakterisiert, doch sie hatten auch ihn bereits verworfen. Das eigentliche Problem war die Verdorbenheit ihrer eigenen Herzen, doch das wollten sie sich nicht eingestehen. ein Freund der … Sünder. S. Anm. zu 5,30-33; 15,2.
7,35 die Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kin- dern. D.h. wahre Weisheit beweist sich in ihren Auswirkungen, d. h. in dem, was sie hervorbringt. Vgl. Jak 2,14-17. 7,36 einer der Pharisäer. Er hieß Simon (V. 40). Er wahr Jesus offensichtlich nicht wohlgesonnen (vgl. V. 44-46). Er wollte entweder Jesus in eine Falle locken oder einen Grund fi nden, um ihn anzuklagen (vgl. 6,7).
7,37 ein Alabasterfl äschchen. S. Anm. zu Mt 26,7. Diese Bege- benheit gleicht in manchem Mt 26,6-13; Mk 14,3-9; Joh 12,2-8, ist aber eindeutig ein anderes Ereignis. Die in den anderen Evangelien beschriebene Salbung fand während der Leidenswoche in Bethanien in der Nähe von Jerusalem statt. Dort in Bethanien war es Maria, die Schwester von Martha und Lazarus, die Jesus salbte. Das Ereignis hier fi ndet in Galiläa statt und handelt von einer »Sünderin«, d.h. einer Hure. Es besteht kein Grund, sie mit Maria Magdalena zu identifi zieren, wie es einige versuchen (s. Anm. zu 8,2).
7,38 sie trat hinten zu seinen Füßen. Er lag dem Brauch nach an einem niedrigen Tisch. Es muss für alle Anwesenden schockierend gewesen sein, dass eine Frau von schlechtem Ruf ins Haus eines Pharisäers kam. Solche Gastmähler mit hochrangigen Gästen standen häufi g Zuschauern offen, doch hätte niemand erwartet, dass eine Hure sich heranwagen würde. Sie muss sich dazu sehr überwunden haben, was zeigt, wie verzweifelt sie um Vergebung gerungen haben muss. Dass sie »weinte«, war ein Ausdruck tiefer Buße.
7,39 was für eine Frau. Die Pharisäer zeigte nichts als Verachtung für Sünder. Simon war überzeugt, dass Jesus sie fortgeschickt hätte, hätte er ihren Charakter gekannt, denn ihre Berührung bewirkte angeblich zeremonielle Unreinheit. S. Anm. zu V. 14; 8,44. 7,40 Da antwortete Jesus. Jesus kannte die Gedanken Simons (vgl. 5,22; s. Anm. zu Mt 9,4) und zeigte ihm somit, dass er wirklich ein Prophet war. 7,41 Denare. Jeder Denar war einen Tageslohn wert (s. Anm. zu Mt 22,19). Daher handelte es sich um die große Summe von mehr als zwei vollen Jahresgehältern.
7,44 kein Wasser für meine Füße. Eine krasse Unaufmerksam- keit. Die Füße eines Gastes zu waschen, gehörte zu den unverzichtbaren Formalitäten (s. Anm. zu Joh 13,4.5). Es zu unterlassen, kam einer Beleidigung gleich, wie wenn man in der abendländischen Kultur dem Gast nicht den Mantel abnimmt.
7,47 darum hat sie viel Liebe erwiesen. Das heißt nicht, dass ihr deshalb vergeben wurde, weil sie viel liebte. Das Gleichnis (V. 41-43) beschrieb eine bedingungslose Vergebung, aus der diese Liebe resultierte. Man entstellt die Lektion, die Jesus hier lehrte, wenn man die Liebe der Frau zur Ursache für ihre Vergebung erklärt. »Denn« bedeutet hier so viel wie »deshalb«. Das Mittel, durch das sie seine Vergebung bekam, war nicht das Salben der Füße Jesu, sondern ihr Glaube (V. 50).
7,49 Sünden vergibt. S. Anm. zu 5,20.21; Mt 9,1-3; Mk 2,7.
7,50 Dein Glaube hat dich gerettet. Nicht alle Menschen, die Jesus heilte, waren zugleich errettet, sondern nur diejenigen, die wahren Glauben hatten (vgl. 17,19; 18,42; Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34).
8,2 etliche Frauen. Die jüdischen Gesetzeslehrer hatten normaler- weise keine weiblichen Jünger. Maria, genannt Magdalena. Ihr Name stammt wahrscheinlich von der galiläischen Stadt Magdala. Manche meinen, sie sei die Frau aus 7,37-50, doch erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass Lukas sie hier zum ersten Mal namentlich nennt, wenn sie die Hauptrolle im unmittelbar vorhergehenden Abschnitt spielte. Es stimmt zwar, dass sie von Dämonen geplagt worden war, doch gibt es keinen Grund zur Annahme, sie sei jemals eine Hure gewesen.
8,3 Johanna. Diese Frau wird auch in 24,10 erwähnt, aber sonst nirgends in der Schrift. Möglicherweise lieferte sie Lukas einige Informationen über Herodes (vgl. 23,8.12), die er in sein Evangelium aufnahm. S. Anm. zu 1,3. Susanna. Sie wird nur an dieser Stelle in der Bibel erwähnt. Wahrscheinlich kannte Lukas sie persönlich. mit ihrer Habe. Für jüdische Jünger war es üblich, ihren Meister auf diese Weise zu unterstützen. Vgl. 10,7; 1Kor 9,4-11; Gal 6,6; 1Tim 5,17.18.
8,4 sprach er in einem Gleichnis. Dieses Gleichnis markierte einen bedeutenden Wendepunkt im Dienst Jesu. S. Anm. zu Mt 13,3.34.
8,5 um seinen Samen zu säen. Saat wurde mit der Hand über gepfl ügten Ackerboden ausgestreut. Dabei fi el natürlicherweise etwas auf den hartgetretenen Weg am Rand des Ackers, wo die Saat nicht in den Boden eindringen und aufgehen konnte (s. Anm. zu Mt 13,4.19). Das könnte ein Hinweis sein auf die verhärteten, halsstarrigen jüdischen Führer.
8,6 auf den Felsen. D.h. auf eine sehr dünne Schicht von Erdreich, unter dessen Oberfl äche Fels war. S. Anm. zu Mt 13,5.20. Das könnte sich auf die oberfl ächlichen und unbeständigen Volksmengen beziehen, die Jesus nur wegen seiner Wunder folgten.
8,7 Dornen. S. Anm. zu Mt 13,7.22. Das könnte die Materialisten bezeichnen, denen irdischer Wohlstand wichtiger war als geistliche Reichtümer.
8,8 hundertfältige Frucht. Lukas vereinfacht das Gleichnis. Mt 13,8 und Mk 4,8 beschreiben 3 Grade von Fruchtbarkeit. »Hundertfältig« spricht einfach von ungeheurer Fülle (vgl. 1Mo 26,12). Wer Ohren hat. Alle drei Synoptiker erwähnen diese Ermahnung im Zusammenhang mit dem Gleichnis vom Sämann (vgl. Mt 13,9; Mk 4,9). Jesus betonte damit häufi g besonders wichtige Aussagen, die er im sprachlichen Gewand des Geheimnisses vermittelt hatte (vgl. 14,35; Mt 11,15; 13,43; Mk 4,23).
8,10 Geheimnisse. S. Anm. zu Mt 13,11.13. sehen und doch nicht sehen. Dieses Zitat aus Jes 6,9 beschreibt Gottes richterliches Verblenden von Ungläubigen.
8,13 glauben nur eine Zeit lang. Sie sind nur Namenschristen und haben keinen rettenden Glauben. S. Anm. zu Mt 13,20.
8,15 gehört … behalten … Frucht bringen. Das ist der Erweis wahrer Errettung. »Gehört« bezieht sich auf das Verstehen und Glauben des Evangeliums (Joh 8,31.47). »Behalten« bedeutet beständiger Gehorsam (11,28; s. Anm. zu Joh 14,21-24) und »Frucht« sind gute Werke (Mt 7,16-20; Jak 2,14-26).
8,16 unter ein Bett. Dass Christus in Gleichnissen lehrte, bedeutet nicht, dass seine Botschaft nur Elitejüngern gelte oder geheim zu halten sei. Eine Lampe darf nicht versteckt werden, sondern gehört auf den Ständer, wo ihr Licht am weitesten reicht. Doch nur wer Augen hat zu sehen, wird das Licht sehen.
8,17 nichts ist verborgen, das nicht offenbar werden wird. Beim Gericht wird die ganze Wahrheit offenbar werden. Vgl. 12,2.3; 1Kor 4,5; 1Tim 5,24.25. Gottes eigentliches Ziel ist nicht das Verbergen der Wahrheit, sondern ihre Verkündigung.
8,18 So habt nun Acht, wie ihr hört! Von entscheidender Bedeu- tung ist, wie man in diesem Leben auf das Licht reagiert, denn vor dem Richterstuhl wird es keine Gelegenheit mehr geben, die zuvor verschmähte Wahrheit anzunehmen (Offb 20,11-15). Wer das Licht des Evangeliums verwirft, wird in alle Ewigkeit ohne Licht sein. Vgl. 19,26; Mt 25,29.
8,19 Brüder. S. Anm. zu Mt 12,46-49.
8,20 S. Anm. zu Mk 3,31.35.
8,22 S. Anm. zu Mt 8,24-27.
8,26 S. Anm. zu Mt 8,28-34.
8,27 ein Besessener. Matthäus berichtet, dass es zwei Männer waren, von denen aber nur einer das Wort führte. S. Anm. zu Mt 8,28.
8,30 Legion. S. Anm. zu Mt 8,30; Mk 5,9.
8,31 Abgrund. S. Anm. zu Mt 8,31.
8,41 ein Oberster der Synagoge. S. Anm. zu 13,14. In der Sy- nagoge des Jairus hatte Jesus einst einen Dämon aus einem Menschen ausgetrieben (4,33-37).
8,42 einzige Tochter. S. Anm. zu 9,38. bedrängte. Wörtl. »er- drückte« oder »erstickte«, d.h. sie zerquetschten ihn nahezu.
8,43 Blutfl uss. S. Anm. zu Mt 9,20.
8,44 trat von hinten herzu und rührte … an. Aufgrund ihres Leidens hätte sie normalerweise jeden, den sie berührte, unrein gemacht. Hier war genau das Gegenteil die Folge. S. Anm. zu 7,14.39. Saum. S. Anm. zu Mt 9,20.
8,46 Kraft von mir ausging. S. Anm. zu Mk 5,30.
8,50 glaube nur. Obwohl nicht alle Heilungen Jesu Glauben erfor- derten (vgl. 22,51), war er diesmal notwendig.
8,51 Petrus und Jakobus und Johannes. S. Anm. zu 9,28; Mt 10,2; 17,1.
8,52 Sie ist nicht gestorben. S. Anm. zu Mt 9,23.24.
8,56 niemand zu sagen. S. Anm. zu Mt 8,4.
9,1 S. Anm. zu Mt 10,1-42.
9,3 Nehmt nichts. Geringfügige Unterschiede zwischen Matthäus, Markus und Lukas haben einigen Skeptikern Probleme bereitet. Mt 10,9.10 und dieser Text besagen, die Jünger sollten keine Stäbe mitnehmen (s. Anm. dort); doch laut Mk 6,8 durften sie nichts mitnehmen »als nur einen Stab«. Mk 6,9 forderte sie außerdem auf, »Sandalen an den Füßen zu tragen«, doch in Mt
10,10 gehören Sandalen zu den Dingen, die sie nicht tragen soll- ten. Was Mt 10,10 und dieser Vers jedoch tatsächlich untersagen, ist das Mitführen von Reservestäben und einem zweiten Paar Sandalen. Die Jünger sollten auf der Reise kein Gepäck mitschleppen, sondern nur das mitnehmen, was sie auf dem Leib trugen.
9,7 der Vierfürst Herodes. S. Anm. zu Mt 14,1. Die Kunde von Christus drang bis in die höchsten Regierungskreise. Johannes sei aus den Toten auferstanden. Das stimmte natürlich nicht, doch Herodes wurde offenbar von Schuldgefühlen geplagt (vgl. Mk 6,16).
9,8 Elia. S. Anm. zu 1,17.
9,9 er wünschte ihn zu sehen. Nur Lukas erwähnt dieses Detail. S. Anm. zu 1,3; 8,3.
9,10 an einen einsamen Ort. Sie versuchten etwas Ruhe und eine Pause abseits der Volksmengen zu fi nden. Vgl. Mk 6,31.32. Bethsaida. S. Anm. zu Mt 11,21. Bethsaida liegt am Nordufer des Sees Genezareth, wo der Jordan in den See fl ießt. Petrus, Philippus und Andreas waren in diesem Ort aufgewachsen (Joh 1,44).
9,12 Abgesehen von der Auferstehung ist die Speisung der 5.000 das einzige Wunder Jesu, das in allen 4 Evangelien vorkommt (vgl. Mt 14,15-21; Mk 6,35-44; Joh 6,4-13).
9,14 etwa 5 000 Männer. Einschließlich Frauen und Kinder war es eine Menge von fast 20.000 Personen.
9,17 Körbe. S. Anm. zu Mk 6,43; 8,8.
9,18 S. Anm. zu Mt 16,13-20.
9,19 Johannes den Täufer … Elia … einer der alten Propheten. Vgl. V. 7.8. Solche Gerüchte waren offenbar verbreitet. S. Anm. zu 1,17; Mt 11,14; Mk 9,13; Offb 11,5.6. 9,20 Christus Gottes. D.h. der im AT verheißene Messias (Dan 9,25.26). S. Anm. zu Mt 16,16.
9,21 dies niemand zu sagen. S. Anm. zu Mt 8,4; 12,16.
9,22 Der Sohn des Menschen muss viel leiden. Diese Aussage bezeichnet einen wichtigen Wendepunkt im Wirken Jesu. S. Anm. zu Mt 16,21.
9,23 Kreuz. S. Anm. zu Mt 10,38. Selbstverleugnung war ein Haupt- thema der Lehre Jesu an seine Jünger (vgl. 14,26.27; Mt 10,38; 16,24; Mk 8,34; Joh 12,24-26). Die Art von Selbstverleugnung, die Jesus wollte, war kein Einsiedlertum und keine Askese (s. Anm. zu 7,34), sondern die Bereitschaft, seinen Geboten zu gehorchen, einander zu dienen und um seinetwillen zu leiden und wenn nötig sogar zu sterben.
9,24 wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten. Abgesehen von dem Ruf »Folge mir nach!« werden diese Worte in den Evangelien häufi ger wiederholt als alle anderen Aussagen Jesu. Vgl. 17,33; Mt 10,39; 16,25; Mk 8,35; Joh 12,25. S. Anm. zu 14,11.
9,26 wer sich meiner … schämt. D.h. Ungläubige. Vgl. Mt 10,33; Röm 9,33; 10,11; 2Tim 2,12. S. Anm. zu 12,9.
9,27 das Reich Gottes sehen. S. Anm. zu Mt 16,28.
9,28 ungefähr acht Tage. Eine übliche Bezeichnung für eine Zeitspanne von etwa einer Woche (vgl. Joh 20,26). S. Anm. zu Mt 17,1. nach diesen Worten. Dieser Ausdruck knüpft die Verheißung, das Reich Gottes zu sehen (V. 27), an die nun folgenden Ereignisse (s. Anm. zu Mt 16,28). Petrus und Johannes und Jakobus. Diese drei waren die einzigen Zeugen der Auferweckung der Tochter des Jairus (8,51), der Verklärung (vgl. Mt 17,1) und des Gebetskampfes im Garten Gethsemane (Mk 14,33). auf den Berg. Die traditionelle Stätte, der Berg Tabor, ist wahrscheinlich nicht der historische Ort des Geschehens. Jesus und die Jünger waren in der »Gegend von Cäsarea Philippi« (Mt 16,13) und der Tabor ist von dort weit entfernt. Außerdem war der Tabor offenbar ein Ort heidnischen Götzendienstes (Hos 5,1) und zur Zeit Jesu befand sich eine Militärfestung auf dem Gipfel. Der tatsächliche Schauplatz der Verklärung wird nirgends näher angegeben, doch viele Gelehrte sind überzeugt, dass es der Berg Hermon war (der über 2000 m höher als der Tabor ist und sich in der Nähe von Cäsarea Philippi befi ndet).
9,29 während er betete. S. Anm. zu 3,21. Bei seiner Taufe kam die Stimme des Vaters vom Himmel, während er betete (vgl. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). strahlend. Wörtl. »Licht ausstrahlend«. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor und bezeichnet ein gleißendes Licht, ähnlich wie vom Blitz.
9,30 Mose und Elia. S. Anm. zu Mt 17,3.
9,31 von seinem Ausgang. Petrus beschreibt mit demselben Wort seinen eigenen Tod (2Pt 1,15). Nur Lukas erwähnt das Thema dieser Unterredung sowie die Tatsache, dass Petrus, Jakobus und Johannes eingeschlafen waren (V. 32). Vgl. 22,45.
9,32 sahen sie seine Herrlichkeit. Vgl. 2Mo 33,18-23.
9,33 drei Hütten. S. Anm. zu Mt 17,4.
9,34 eine Wolke. Mt 17,5 sagt »eine lichte Wolke«, die die Herr- lichkeit Gottes verhüllte. Das war ein ähnliches Phänomen wie die Wolkensäule, die das Volk Israel auf der Wüstenwanderung geleitet hatte (2Mo 14,19.20). Die Helligkeit dieser Wolke und die Müdigkeit der Jünger (V. 32) lassen vermuten, dass diese Begebenheit nachts stattfand.
9,35 Dies ist mein geliebter Sohn. S. Anm. zu Mt 3,17.
9,38 meinen Sohn … mein einziger. Vgl. 7,12; 8,42. Der Sohn der Witwe von Nain war ihr einziges Kind, ebenso wie die Tochter des Jairus dessen einziges Kind war. Nur Lukas erwähnt diese Details.
9,39 ein Geist ergreift ihn. Das war nicht lediglich ein epileptischer Anfall, sondern eindeutig dämonische Besessenheit. Es besteht keinerlei Grund zur Annahme, der Arzt Lukas habe sich bloß dem Verständnis seiner Leser angepasst. Außerdem heilte Jesus den Knaben, indem er den Dämon bedrohte (V. 42; vgl. Mk 9,25).
9,40 sie konnten es nicht. S. Anm. zu Mt 17,19-21.
9,41 ungläubiges und verkehrtes Geschlecht. S. Anm. zu Mt 17,17.
9,44 ausgeliefert. S. Anm. zu Mt 17,22.
9,45 vor ihnen verborgen. D.h. in Übereinstimmung mit Gottes souveränem Plan. Vgl. 24,45.
9,46 der Größte unter ihnen. S. Anm. zu Mt 20,21.
9,48 Wer dieses Kind aufnimmt. S. Anm. zu Mt 18,5. der Ge- ringste … der wird groß sein. Im Reich Christi ist Aufopferung und Selbstverleugnung der Weg zu wahrer Größe. S. Anm. zu V. 23.
9,49 weil er [dir] nicht mit uns nachfolgt. Es entbehrt nicht der Ironie, dass gerade Johannes, der als »Apostel der Liebe« bekannt wurde, diesen Einwand erhob (s. Anm. zu V. 54). Später sah Johannes ein, dass der Dienst einer Person nur auf zweierlei Weise schriftgemäß prüfbar ist: die Prüfung der Lehre (1Joh4,1-3; 2Joh7-11) und die Prüfung der Frucht (1Joh2,4-6.29; 3,4-12; 4,5.20; vgl. Mt 7,16). Dieser Mann hätte beide Prüfungen bestanden, doch wegen seines Gruppendenkens lehnte Johannes ihn ab. Das ist der Irrtum der Sektiererei.
9,50 wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Vgl. den Gegen- satz zu 11,23. Es gibt keinen mittleren Weg und keinen neutralen Boden. Hier erklärt Christus, wie man andere an ihrem äußeren Verhalten prüfen kann. In 11,23 nennt er einen Test für das eigene innere Leben.
9,51 sein Angesicht … nach Jerusalem richtete, um dorthin zu reisen. Hier beginnt ein neuer Hauptteil des Lukasevangeliums. Von hier bis 19,27 richtete Christus sein Gesicht nach Jerusalem (s. Anm. zu V. 53) und die Erzählung wird zum Reisebericht vom Weg Jesu bis zum Kreuz. Es war ein dramatischer Wendepunkt im Wirken Jesu. Von nun an war nicht mehr Galiläa der Stützpunkt seines Wirkens. Obwohl Jesus in 17,11-37 für einen kurzen Besuch nach Galiläa zurückkehrt, beschreibt Lukas bereits von diesem Vers an alles als Reise nach Jerusalem, einschließlich seines Exkurses nach Galiläa. Wenn wird die Evangelien vergleichen, sehen wir, dass Christus während dieser Zeit anlässlich der jüdischen Feste mehrmals kurz in Jerusalem war (s. Anm. zu 13,22; 17,11). Dennoch waren diese kurzen Besuche nur Exkurse auf seinem Weg, den er zum letzten Mal nach Jerusalem ging, um dort zu sterben. Lukas betont diesen Wendepunkt im Wirken Jesu deutlicher als alle anderen Evangelisten und unterstreicht damit die Entschlossenheit Jesu, die ihm aufgetragene Erlösung am Kreuz zu erfüllen. S. Anm. zu 12,50.
9,52 Samariterdorf. Die Samariter waren Nachkommen jüdischer Mischehen aus der Zeit der Gefangenschaft. Sie waren Rivalen der jüdischen Nation und hatten eine Mischung aus Juden- und Heidentum als ihre eigene Religion eingeführt. Auf dem Berg Garizim hatten sie einen Tempel. Von den Juden wurden sie als unrein verachtet. Sie waren ihnen so verhasst, dass die meisten jüdischen Reisenden, die von Galiläa nach Judäa unterwegs waren, den Umweg östlich des Jordans nahmen, um kein samaritisches Gebiet betreten zu müssen. S. Anm. zu Joh 4,4.
9,53 weil Jerusalem sein Reiseziel war. Wer zur Anbetung nach Jerusalem reiste, verwarf damit den Tempel auf dem Berg Garizim und verurteilte die samaritische Religion (s. Anm. zu V. 52). Das war ein Hauptstreitpunkt zwischen Juden und Samaritern (vgl. Joh 4,20-22).
9,54 Jakobus und Johannes. Jesus gab diesem Bruderpaar den Spitznamen »Boanerges«, d.h. »Donnersöhne« (Mk 3,17) – ein offenbar passender Titel. Diese Begebenheit war die zweite Sünde des Johannes gegen das Gebot der Nächstenliebe, und das innerhalb so kurzer Zeit (s. Anm. zu V. 49). Es ist interessant, dass der Apostel Johannes einige Jahre später wiederum mit Petrus durch Samarien reiste, aber diesmal in den samaritischen Dörfern das Evangelium verkündete (Apg 8,25).
9,55 ermahnte sie. Die Reaktion des Herrn auf die Samariter ist das Musterbeispiel für die Haltung, die die Gemeinde gegenüber allen Formen religiöser Verfolgung einnehmen sollte. Die Religion der Samariter war im Herzen heidnisch und schlichtweg falsch (s. Anm. zu Joh 4,22). Hinzu kam ihre Intoleranz. Doch der Herr rächte sich nicht mit Gewalt an ihnen und verzichtete sogar auf verbale Attacken. Er war nicht gekommen, um zu zerstören, sondern um zu retten und deshalb reagierte er nicht mit Zorn, sondern mit Gnade. Dennoch darf man die tadelnden Worte des Herrn an die Jünger hier nicht so verstehen, als verurteile er damit auch das, was Elia getan hatte (1Kö 18,38-40 oder 2Kö 1,10-12). Als Prophet in einem theokratischen Reich hatte Elia den besonderen Auftrag, dem gottlosen König Ahab, der Gottes Autorität zu stürzen versuchte, entgegenzutreten. Elia war ausdrücklich bevollmächtigt, Gottes rächenden Zorn herabzurufen. Er handelte mit einer ähnlichen Autorität wie heute die zivilen Gewalten (vgl. Röm 13,4). Das aber gehört nicht zum Auftrag des Evangelisten.
9,59 S. Anm. zu Mt 8,21.22.
9,62 zurückblickt. Wenn ein Bauer beim Pfl ügen nach hinten schaut, zieht er eine schiefe Furche.
10,1 70 andere. Die Aussendung der Siebzig ist nur in Lk enthal- ten. Auch Mose ernannte siebzig Älteste als seine Stellvertreter (4Mo 11,16.24-26). Die zwölf Jünger waren nach Galiläa ausgesandt worden (9,1-6); die siebzig hingegen wurden in jede Stadt und jeden Ort gesandt, wo Christus noch hinkommen sollte, d.h. innerhalb Judäas und möglicherweise Peräas (s. Anm. zu Mt 19,1). je zwei und zwei. So waren auch die Zwölf ausgesandt worden (Mk 6,7; vgl. Pred 4,9.11; Apg 13,2; 15,27.39.40; 19,22; Offb 11,3).
10,3 wie Lämmer mitten unter die Wölfe. D.h. sie mussten mit Anfeindungen (vgl. Hes 2,3-6; Joh 15,20) und geistlichen Gefahren rechnen (vgl. Mt 7,15; Joh 10,12).
10,4 weder Beutel noch Tasche noch Schuhe. Sie sollten ohne Gepäck reisen. Das hieß nicht, dass sie barfuß gingen. S. Anm. zu 9,3. grüßt niemand. Eine Begrüßung war in dieser Kultur eine aufwendige Zeremonie mit vielen Formalitäten, evtl. sogar verbunden mit einem gemeinsamen Essen und einem längerem Aufenthalt (s. Anm. zu 11,43). Wer mit einem dringlichen Auftrag unterwegs war, konnte von solchen Formalitäten entschuldigt werden, ohne für unhöfl ich gehalten zu werden. Die Anweisungen des Herrn zeugen in allen Einzelheiten von der Dringlichkeit der Aufgabe.
10,7 Geht nicht aus einem Haus ins andere. D.h. als Unterkunft (s. Anm. zu Mk 6,10). Sie sollten in einem Dorf ein einziges Hauptquartier beziehen und dann keine weitere Zeit damit verschwenden, bequemere Unterkünfte zu suchen.
10,11 S. Anm. zu Mt 10,14.15.
10,13 S. Anm. zu Mt 11,21.23.
10,16 Diese Worte werten die Tätigkeit eines treuen Dieners Christi auf und vergrößern die Schuld derer, die die Botschaft ablehnen.
10,17 kehrten mit Freuden zurück. Wie lange sie unterwegs waren, wissen wir nicht. Möglicherweise waren es mehrere Wochen. Wahrscheinlich kamen die 70 nicht alle gleichzeitig zurück, aber dieses Gespräch fand offenbar statt, als alle wieder bei Jesus versammelt waren.
10,18 Ich sah den Satan … fallen. In diesem Zusammenhang meinte Jesus wohl: »Wundert euch nicht darüber, dass die Dämonen euch unterworfen sind, denn ich sah, wie ihr Befehlshaber aus dem Himmel geworfen wurde. Daher überrascht es nicht, wenn seine Untertanen auf der Erde ausgetrieben werden. Schließlich bin ich die Quelle der Autorität, die sie euch unterworfen hat« (V. 19). Möglicherweise beabsichtigte er damit auch eine sanfte Warnung vor Stolz und damit vor der Ursache für Satans Fall (vgl. 1Tim 3,6). Zu einer Erklärung zum Fall Satans s. Anm. zu Jes 14,12-14; Hes 28,12-15.
10,19 Schlangen und Skorpione. Vgl. Ps 91,13; Hes 2,6. Das sind bildhafte Umschreibungen dämonischer Mächte (vgl. Röm 16,20).
10,20 nicht darüber freut euch. Anstatt fasziniert zu sein von außergewöhnlichen Phänomenen wie z.B. Macht über Dämonen und die Fähigkeit, Wunder zu wirken, sollten die Jünger die Wirklichkeit des Heils als das größte Wunder von allen erkennen. Das ist der ganze Zweck des Evangeliums und der Kernpunkt, auf den alle Wunder hindeuten. dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. Vgl. Phil 4,3; Hebr 12,23; Offb 21,27. Im Gegensatz dazu sind Ungläubige »in die Erde geschrieben« (Jer 17,13).
10,21 S. Anm. zu Mt 11,25.26.
10,25 Gesetzesgelehrter. Ein Schriftgelehrter, der als Experte im Gesetz Gottes galt. Abgesehen von einem Vorkommen dieses Wortes in Mt 22,35 (s. Anm. dort) verwendet Lukas es als einziger Evangelist (11,45.46). was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Diese Frage wird von mehreren Interessenten gestellt (18,18-23; Mt 19,16-22; Joh 3,1-15).
10,27 Er aber antwortete. Der Gesetzesgelehrte fasste die Anfor- derungen des Gesetzes (3Mo 19,18; 5Mo 6,5) exakt so zusammen wie Christus bei einer anderen Gelegenheit (s. Anm. zu Mt 22,37-40).
10,28 tue dies, so wirst du leben. Vgl. 2Mo 20,11; 3Mo 18,5; Hes 20,11. »Tue und lebe« ist die Verheißung des Gesetzes. Da aber kein Sünder vollkommen gehorchen kann, sollen uns die unerfüllbaren Forderungen des Gesetzes dazu antreiben, die Gnade Gottes zu suchen 3.22-25). Dieser Mann hätte seine Schuld bekennen und nicht sich selbst rechtfertigen sollen (V. 29).
10,29 wollte sich selbst rechtfertigen. Das offenbart den selbst- gerechten Charakter des Mannes. wer ist mein Nächster? Unter Schriftgelehrten und Pharisäern herrschte die Meinung, dass nur Gerechte die »Nächsten« seien. Sie dachten, Gottlose wie z.B. Zöllner und Huren, Heiden und insbesondere Samariter müsse man hassen, weil sie Feinde Gottes seien. Um ihren Standpunkt zu rechtfertigen, zitierten sie Ps 139,21.22. Die dortigen Verse könnte man so verstehen, dass Hass gegen Böses die natürliche Folge der Liebe zur Gerechtigkeit ist. Doch der »Hass« des wahrhaft Gerechten gegen Sünder ist keine böswillige Feindseligkeit, sondern eine gerechte Abscheu gegen alles, was niederträchtig und verdorben ist. Es ist keine gehässige, persönliche Ablehnung von Menschen. Geistlicher Hass ist geprägt von einer Betrübnis über den Zustand des Sünders und kommt aus einem zerbrochenen Herzen. Wie Jesus hier und an anderen Stellen lehrte (6,27-36; Mt 5,4448), hat dieser Hass außerdem als Gegengewicht eine aufrichtige Liebe. Die Pharisäer hatten Feindseligkeit gegenüber den Gottlosen zu einer Tugend erhoben und setzten damit das große Gebot der Nächstenliebe außer Kraft. Mit dieser Antwort an den Gesetzesgelehrten machte Jesus die pharisäische Entschuldigung für Feindeshass zunichte.
10,30 von Jerusalem nach Jericho hinab. Ein felsiger, verschlun- gener und heimtückischer Abstieg von 1.000 m Höhenunterschied auf 27 km Länge. Diese Wegstrecke war dafür berüchtigt, dass überall Räuber und anderen Gefahren lauerten.
10,32 Levit. Israeliten vom Stamm Levi, die aber nicht von Aaron abstammten. Sie assistierten den Priestern beim Tempeldienst.
10,33 Samariter. Ein auf dieser Strecke reisender Samariter war ungewöhnlich. Der Samariter setzte sich nicht nur dem Risiko lauernder Diebe aus, sondern dazu noch der Feindseligkeit anderer Reisender.
10,34 Öl und Wein. Wahrscheinlich trugen die meisten Reisenden kleine Mengen davon bei sich, quasi als Verbandkasten. Wein wirkte desinfi zierend und das Öl lindernd und heilend. 10,35 zwei Denare. Zwei Tageslöhne (s. Anm. zu Mt 20,2; 22,19). Das war wahrscheinlich mehr als genug, um dem Verletzten einen Aufenthalt bis zur Genesung zu bezahlen.
10,36 der Nächste dessen. Jesus dreht die ursprüngliche Frage des Gesetzesgelehrten um (V. 29). Der Gesetzesgelehrte dachte, die anderen müssten sich ihm als Nächste erweisen (s. Anm. zu V. 29). Jesu Antwort verdeutlicht, dass jeder die Verantwortung hat, ein Nächster zu sein, insbesondere für Menschen in Not.
10,38 ein gewisses Dorf. Bethanien, das etwa drei km östlich des Jerusalemer Tempels lag, am Osthang des Ölbergs, war das Heimatdorf von Maria, Martha und Lazarus (vgl. Joh 11,1).
10,40 machte sich viel zu schaffen. Wörtl. »hierhin- und dahin- gezogen« Der Ausdruck bedeutet, dass Martha sich hetzen ließ. mit der Bedienung. Martha trieb unnötigen Aufwand um Kleinigkeiten.
10,42 eines aber … das gute Teil. Jesus meinte nicht die Anzahl der Gänge, die noch serviert werden sollten. Die eine notwendige Sache wurde von Maria vorgemacht: Sie saß andächtig und in anbetender Haltung da und hörte Jesus mit offenen Ohren und offenem Herzen zu.
11,1 Herr, lehre uns beten. Die Rabbinen formten häufi g Gebete für ihre Jünger, die sie aufsagen sollten. Da die Jünger Jesus oft beim Beten gesehen haben, kannten sie seine Liebe zum Gebet und wussten, dass Gebet nicht nur das Aufsagen von Worten ist (s. Anm. zu Mt 6,7).
11,2 Unser Vater, der du bist im Himmel. Jesus lehrte dieses vor- bildhafte Gebet offenbar bei zwei verschiedenen Gelegenheiten, zuerst in der Bergpredigt (s. Anm. zu Mt 6,9-13) und dann hier als Antwort auf eine gezielte Frage. Das erklärt die leichten Abweichungen zwischen den beiden Versionen. dein Name. Gottes Name repräsentiert seinen ganzen Charakter und alle seine Eigenschaften. Vgl. Ps 8,2.10; 9,11; 22,22; 53,10; 115,1.
11,4 Sünden. S. Anm. zu Mt 6,12.
11,7 meine Kinder sind bei mir in der Kammer. Wörtl. »bei mir im Bett«. Die in Palästina üblichen Ein-Zimmer-Häuser hatten einen gemeinsamen Schlafbereich, den sich die ganze Familie teilte. Wenn einer von ihnen aufstand und eine Lampe anzündete, um Brot zu holen, weckte er alle.
11,8 Unverschämtheit. Oder »Aufdringlichkeit«. Das Wort ver- mittelt den Gedanken von Dringlichkeit, Kühnheit, Ernstlichkeit, Freimütigkeit und Unnachgiebigkeit – wie das beharrliche Bitten eines verzweifelten Bettlers.
11,13 die ihr böse seid. D.h. von Natur. S. Anm. zu Mt 7,11.
11,14 der war stumm. D.h. der Dämon. redete der Stumme. D.h. der Mensch.
11,15 Beelzebul. Ursprünglich eine Bezeichnung für Baal-Sebul (»Baal, der Fürst«), den Hauptgott der philistäischen Stadt Ekron. Die Israeliten bezeichneten ihn verächtlich als Baal-Sebub (»Herr der Fliegen«). S. Anm. zu 2Kö 1,2.
11,16 ein Zeichen aus dem Himmel. D.h. ein übernatürliches Werk von astronomischem Ausmaß, wie z.B. eine Neukonstellation der Sterne oder etwas weit größeres als eine Dämonenaustreibung, die sie gerade mit eigenen Augen erlebt hatten. S. Anm. zu Mt 12,38.
11,17 ihre Gedanken kannte. Als Gott verfügte Jesus über All- wissenheit, wenn er sie gebrauchte (s. Anm. zu 2,52; Joh 2,24.25; Mk 13,32). Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist. Das war vielleicht eine verhaltene Rüge auf die jüdischen Nation, die als Reich zur Zeit Jerobeams gespalten wurde und immer noch geprägt war von verschiedenen inneren Zerwürfnissen und verfeindeten Parteien. Dieser Zustand dauerte an bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr.
11,19 durch wen treiben eure Söhne sie aus? Jüdische Exor- zisten behaupteten, sie hätten die Macht, Dämonen auszutreiben (Apg 19,13-15). Jesus wollte sagen: Wenn Austreibungen durch satanische Macht möglich waren, waren auch die pharisäischen Exorzisten verdächtig. Und tatsächlich legt der Befund in Apg 19 nahe, dass die Söhne Skevas Scharlatane waren, die Austreibungen vorgaukelten. eure Richter. D.h. Zeugen gegen euch. Das bedeutet wahrscheinlich, dass die vorgetäuschten Austreibungen (die von den Pharisäern gutgeheißen wurden) gegen die Pharisäer zeugten, welche die echten Austreibungen durch den Herrn missbilligten.
11,20 durch den Finger Gottes. In 2Mo 8,15 mussten die ägyp- tischen Magier zugeben, dass die Wunder Moses nicht Gaukelei waren, wie bei ihnen, sondern echte Werke Gottes. Jesus vergleicht hier auf ähnliche Weise seine Austreibungen mit dem Wirken der jüdischen Exorzisten. das Reich Gottes zu euch gekommen. S. Anm. zu Mt 12,28.
11,21 der Starke. Satan.
11,22 der … stärker ist als er. Christus. verteilt seine Beute. Das bezieht sich wahrscheinlich auf Jes 53,12. Wenn ein Dämon durch die Kraft Christi bezwungen wird, dann ist von nun an Christus im Besitz der Seele, die bisher im Griff der Macht der Finsternis war. Vgl. V. 24-26.
11,23 Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich. S. Anm. zu 9,50.
11,24 der unreine Geist … ausgefahren. Christus beschrieb das Werk der selbsternannten Exorzisten (s. Anm. zu V. 19). Was aussieht wie eine echte Austreibung, erweist sich als nichts weiteres als ein nur zeitweiliger Aufschub, woraufhin der Dämon mit sieben weiteren zurückkehrt (V. 26).
11,26 die bösartiger sind als er selbst. S. Anm. zu Mt 12,45.
11,28 vielmehr. Das bedeutet so viel wie: »Ja, aber auch …« Christus stellte die Glückseligkeit Marias zwar nicht in Abrede, doch unterstützte er in keiner Weise die Neigung, Maria zum Gegenstand der Verehrung zu erheben. Marias Beziehung zu ihm als seine leibliche Mutter übertrug ihr keine größere Glückseligkeit, als sie denen verheißen ist, die das Wort Gottes hören und befolgen. S. Anm. zu 1,47.
11,29 Es fordert ein Zeichen. S. Anm. zu V. 16. Jesus hat es stets abgelehnt, ein Zeichen zu tun auf eine Forderung hin. Augenscheinliche Beweise waren nie das Mittel, durch das er Ungläubige überzeugen wollte. S. Anm. zu 16,31.
11,30 gleichwie Jona … ein Zeichen war. D.h. ein Zeichen des zukünftigen Gerichts. Jonas Befreiung aus dem Bauch des Fisches ist ein Bild auf die Auferstehung Christi. Für den Herrn war das Geschehen mit Jona eine historische Tatsache. S. Anm. zu Mt 12,39.40.
11,31 S. Anm. zu Mt 12,41.42.
11,33 S. Anm. zu 8,16.
11,34 die Leuchte des Leibes. Das ist ein anderes Bild als in V. 33. Dort spricht das Licht vom Wort Gottes; hier ist das Auge die »Leuchte« – die Lichtquelle – für den Leib. S. Anm. zu Mt 6,22.23. wenn es aber böse ist. Das Problem war nicht Mangel an Licht, sondern schlechte Wahrnehmung. Die Juden brauchten kein Zeichen, sondern sie brauchten gläubige Herzen, um an den großartigen Erweis der Macht Gottes zu glauben, den sie bereits gesehen hatten.
11,38 nicht gewaschen. Den Pharisäern ging es nicht um Hygiene, sondern um das Befolgen der Rituale. Das gr. Wort für »gewaschen« bezeichnet eine rituelle Waschung. Solche Waschungen waren vom Gesetz nicht vorgeschrieben, aber die Pharisäer praktizierten sie, weil sie glaubten, dadurch würden sie von jeder versehentlichen rituellen Verunreinigung gereinigt. S. Anm. zu Mk 7,2.3.
11,39 voll Raub und Bosheit. D.h. sie waren ganz von äußerlichen Riten in Beschlag genommen, übersahen jedoch die wichtigeren Dinge der inneren Moral. S. Anm. zu Mt 23,25.
11,40 Ihr Toren! D.h. Menschen ohne Verstand. Das war keine Be- schimpfung, die Christus in Mt 5,22 verbat, sondern die Wahrheit.
11,41 von dem, was darin ist, Almosen. Andere übersetzen: »Almosen von dem, was ihr habt«. Damit werden innerliche Tugenden mit äußerlichen Ritualen kontrastiert. Almosen sollen man nicht des Eindrucks wegen geben, sondern als Ausdruck eines gläubigen Herzens (vgl. Mt 6,1-4). Wahres Almosengeben ist nicht die äußerliche Handlung, sondern die Herzenshaltung vor Gott.
11,42 verzehntet. S. Anm. zu Mt 23,23.
11,43 Begrüßungen. Das waren auffällige Zeremonien, die mehr oder weniger aufwendig waren, je nach Rang der gegrüßten Person.
11,44 unkenntlich gewordenen Gräber. Unsichtbare Quellen der Verunreinigung. Sie hatten ihre innere Verdorbenheit sorgsam verhüllt, aber dennoch ging Verunreinigung von ihnen aus. S. Anm. zu Mt 23,27.
11,45 Gesetzesgelehrten. Schriftgelehrten. S. Anm. zu 10,25.
11,46 Bürden. S. Anm. zu Mt 23,3.
11,47 dass ihr die Grabmäler der Propheten baut. Sie dachten, sie ehrten diese Propheten, doch in Wirklichkeit hatten sie mehr mit den Mördern dieser Gottesmänner gemein (V. 48). S. Anm. zu Mt 23,30.
11,49 hat auch die Weisheit Gottes gesprochen. Dieses Zitat gibt es im AT nicht. Christus zitiert keine zuvor geschriebene Quelle, sondern kündet prophetisch das künftige Gericht Gottes an und gibt eine Warnung, die unmittelbar von Gott stammt. 11,49 S. Anm. zu Mt 23,34-36.
11,52 den Schlüssel der Erkenntnis. Sie hatten die Wahrheit der Schrift eingeschlossen und den Schlüssel fortgeworfen, indem sie dem Wort Gottes ihre falschen Auslegungen und menschlichen Traditionen überstülpten. S. Anm. zu Mt 23,13.
11,54 aufzufangen. In der gr. Literatur bezeichnet dieses Wort das Jagen und Fangen von Tieren.
12,1 Tausenden. Von diesem gr. Wort stammt der Begriff »Myria- den«. Sauerteig. S. Anm. zu Mt 16,12; Mk 8,15.
12,2 S. Anm. zu 8,17; Mk 4,22.
12,5 den fürchtet. S. Anm. zu Mt 10,28.
12,6 zwei Groschen. Gr. assarion. Das war eine römische Münze, die einem sechzehntel Denar entsprach. Ein Assarion ist weniger als der Arbeitslohn für eine Stunde. nicht ein einziger von ihnen ist vor Gott vergessen. In seiner Vorsehung lenkt Gott sogar die belanglosesten Kleinigkeiten seiner Schöpfung. Er sorgt für alle seine Geschöpfe, auch wenn sie noch so unbedeutend sind. S. Anm. zu Mt 10,29.
12,8 vor den Engeln Gottes. D.h. Am Tag des Gerichts. Vgl. Mt 25,31-34; Jud 24. S. Anm. zu Mt 10,32.
12,9 wer mich aber verleugnet hat vor den Menschen. Das bedeutet eine Leugnung Christi, die zur Verdammnis der Seele führt. Es geht hier nicht um ein zeitweiliges Wanken, dessen Petrus schuldig wurde (22,56-62), sondern um die Sünde, aufgrund von Angst, Scham, Nachlässigkeit oder Weltliebe alle Indizien und die gesamte Offenbarung zu verwerfen und sich so lange zu weigern, Christus als Retter und König zu bekennen, bis es zu spät ist.
12,10 gegen den Heiligen Geist lästert. S. Anm. zu Mt 12,31.32. Das war keine Sünde aus Unwissenheit, sondern eine vorsätzliche, willentliche beharrliche Feindseligkeit gegen Christus. Das Musterbeispiel dafür sind die Pharisäer in Mt 12, die das Werk Jesu dem Teufel zuschrieben (vgl. 11,15).
12,11 sorgt nicht. D.h. seid nicht ängstlich. Das bedeutet nicht, dass Prediger und Lehrer sich nicht auf ihre regulären geistlichen Dienste vorbereiten sollten. Wenn man diesen und ähnliche Verse (21,12-15; Mt 10,19) anführt, um Nachlässigkeit im Bibelstudium und in geistlicher Einkehr zu rechtfertigen, verdreht man damit die Bedeutung der Schrift. Dieser Vers ist keine Ausrede für Faulheit im Dienst, sondern ein Trost für Gläubige in Verfolgung. In V. 22 spricht exakt derselbe Ausdruck von Sorge über materielle Bedürfnisse. In keinem der beiden Fälle verurteilte Jesus aufrichtige Mühe und Vorbereitung. Er versprach die Hilfe des Heiligen Geistes in Zeiten der Verfolgungen, wenn keine Vorbereitung möglich ist. S. Anm. zu Mk 13,11.
12,13 das Erbe mit mir teilen. »Das Recht des Erstgeborenen« war das doppelte Teil des Erbes (5Mo 21,17). Vielleicht wollte dieser Mann eine gleichmäßige Aufteilung. Jedenfalls zeigte Jesus kein Interesse an der vorgebrachten Ungerechtigkeit und lehnte die Bitte dieses Mannes ab, in seinen familiären Streitigkeiten zu vermitteln.
12,14 wer hat mich zum Richter … gesetzt? Ja, Christus ist der Richter der ganzen Erde (Joh 5,22), aber er ist nicht gekommen, um bei irdischen Auseinandersetzungen zu vermitteln. Die Regelung eines Erbstreits war Sache der Zivilregierung.
12,22 S. Anm. zu Mt 6,26-33. 12,22 Sorgt euch nicht. S. Anm. zu V. 11.
12,32 eurem Vater gefallen. S. Anm. zu 2,14. Als Mittel gegen Sorgen sprach Christus von der liebevollen Fürsorge des Vaters für seine kleine Herde (V. 22-30).
12,33 Verkauft eure Habe und gebt Almosen! Wer sich irdische Besitztümer aufhäuft, meint irrtümlicherweise, seine Sicherheit läge in diesen materiellen Mitteln (V. 16-20), doch sollte er stattdessen besser Schätze im Himmel sammeln. S. Anm. zu Mt 6,20. In der Urgemeinde verkauften Gläubige ihre Habe und halfen mit dem Erlös ihren ärmeren Glaubensgeschwistern (Apg 2,44.45; 4,32-37). Dennoch darf man aus diesem Gebot nicht ein absolutes Verbot allen irdischen Besitzes konstruieren. Was Petrus in Apg 5,4 zu Ananias sagt, verdeutlicht, dass der Verkauf des Besitzes eine freiwillige Möglichkeit war. Beutel, die nicht veralten. Eine solche unverwesliche Geldbörse (aus der niemals Geld verloren geht) wird auch defi niert als »Schatz, der nicht vergeht, im Himmel«. Das ist der sicherste Aufbewahrungsort für unser Geld: der Himmel, wo es vor Diebstahl und Verfall sicher ist.
12,34 da wird auch euer Herz sein. Wo man sein Geld investiert oder deponiert, offenbart die Prioritäten im Herzen. Vgl. 16,1-13; Mt 6,21.
12,35 umgürtet. Das spricht von Bereitschaft. Lange, fl ießende Gewänder wurden mit einem Gürtel zusammengehalten, sodass man ungehindert gehen und arbeiten konnte. Vgl. 2Mo 12,11; 1Pt 1,13.
12,36 wenn er kommt. Die Knechte waren verantwortlich, ihn mit brennenden Fackeln zu empfangen.
12,37 wachend. Das Schlüsselthema ist hier ständige Bereitschaft für die Wiederkunft Christi. S. Anm. zu Mt 25,1-13. Er wird sich schürzen. D.h. er wird die Rolle des Dieners einnehmen und sie bedienen. Dieses bemerkenswerte Bild beschreibt Christus, wie er bei seiner Wiederkunft den Gläubigen als Diener aufwarten wird.
12,38 zweiten Nachtwache. Von 21.00 Uhr bis Mitternacht. drit- ten Nachtwache. Von Mitternacht bis 3.00 Uhr morgens.
12,40 zu einer Stunde, da ihr es nicht meint. Vgl. 21,34; Mt 24,36.42-44; 1Th 5,2-4; 2Pt 3,10; Offb 3,3; 16,15. 12,42 Christus beantwortet die Frage des Petrus nicht direkt (V. 41), sondern gab zu verstehen, dass diese Wahrheiten für Gläubige gelten, vor allem für solche, denen viel anvertraut worden ist (V. 48). Haushalter. S. Anm. zu 16,1.
12,43 Glückselig ist jener Knecht. Der treue Verwalter steht für den wahren Gläubigen, der die geistlichen Reichtümer gut verwaltet, die Gott ihm zum Segen für andere anvertraut hat. Treues Ausüben der Pfl icht wird Ehre und Lohn bringen (V. 44).
12,45 die Knechte und die Mägde zu schlagen. Die Untreue und Grausamkeit dieses bösen Verwalters veranschaulicht die Boshaftigkeit eines ungläubigen Herzens.
12,46 entzweihauen. D.h. er wird ihn gänzlich zugrunde rich- ten. Das spricht von der Schwere des endgültigen Gerichts über Ungläubige.
12,47 Das Strafmaß verhält sich proportional zum Ausmaß des willentlich untreuen Verhaltens. Unwissenheit ist dennoch keine Entschuldigung (V. 48). Dass es in der Hölle unterschiedliche Grade der Bestrafung gibt, wird deutlich in Mt 10,15; 11,22.24; Mk 6,11 und Hebr 10,29 (s. Anm. dort).
12,49 Feuer. D.h. Gericht. S. Anm. zu Mt 3,11. Zum Zusammen- hang zwischen Feuer und Gericht s. Jes 66,15; Joel 2,30; Am 1,7.10-14; 2,2.5; Mal 3,2.5; 1Kor 3,13; 2Th 1,7.8.
12,50 Taufe. Eine Leidenstaufe. Christus sprach hier von seinem Tod. Die christliche Taufe symbolisiert die Identifi kation mit Christus in seinem Tod, seinem Begräbnis und seiner Auferstehung. drängt es mich. Wörtl. »bin ich beengt«. S. Anm. zu Mt 26,38. bis sie vollbracht ist. Obgleich Jesus wegen seines bevorstehenden Leidens bedrängt war, richtete er dennoch sein Angesicht entschlossen auf die Ausführung des Werkes, zu dessen Erfüllung er gekommen war (s. Anm. zu 9,51; vgl. Joh 12,23-27).
12,51 Nein. S. Anm. zu Mt 10,34.
12,54 S. Anm. zu Mt 16,2.3.
12,58 gib dir auf dem Weg Mühe. S. Anm. zu Mt 5,25.
12,59 Groschen. S. Anm. zu 21,2; Mk 12,42.
13,1 deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. Die- ser Vorfall steht im Einklang mit dem, was über den Charakter des Pilatus bekannt ist. Offenbar waren einige Anbeter aus Galiläa von Pilatus verurteilt worden, vielleicht weil sie aufrührerisches Zeloten waren (s. Anm. zu Mt 10,4). Sie wurden durch die römische Staatsgewalt im Tempel umgebracht, gerade als sie ein Opfer darbrachten. Das empfand man als schlimmste Art von Gotteslästerung. Vorfälle wie dieser schürten den Hass der Juden auf Rom und führten schließlich zur Rebellion und zur Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr.
13,2 größere Sünder als alle anderen Galiläer. Viele glaubten, dass Katastrophen und plötzliches Unheil stets Gottes Missfallen wegen bestimmter Sünden bedeute (vgl. Hi 4,7). Wer solches Unheil erlitten hatten, wurde daher verdächtigt, einer besonders großen Sünde schuldig zu sein (vgl. Joh 9,2).
13,3 wenn ihr nicht Buße tut. Jesus bestritt nicht den Zusammen- hang zwischen einer Katastrophe und menschlicher Sünde, denn alles Leid geht letztlich auf den Fluch im Gefolge des Sündenfalles zurück (1Mo 3,17-19). Außerdem kann ein bestimmtes Unheil tatsächlich die Quittung bestimmter Missetaten sein (Spr 24,16). Der Herr verurteilt indessen die Haltung der Leute, die meinten, sie seien moralisch besser als die Opfer des genannten Unglücks. Er rief zur Buße auf, denn sie alle standen in der Gefahr des plötzlichen Verderbens. Niemandem ist Zeit verbürgt, um sich auf den Tod vorzubereiten, deshalb ist für alle jetzt die Zeit zur Buße (vgl. 2Kor 6,2). werdet ihr alle auch so umkommen. Mit dieser Aussage warnte Jesus prophetisch vor dem herannahenden Gericht über Israel, das in der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. gipfelte. Dabei wurden die Juden zu Tausenden von den Römern umgebracht. S. Anm. zu Mt 23,36.
13,4 Siloah. Ein Gebiet am Südende der Unterstadt von Jerusalem, wo ein wohl bekannter Teich war (vgl. Joh 9,7.11). Offenbar war einer der Türme an diesem Aquädukt eingestürzt – vielleicht beim Bau – und hatte einige Menschen unter sich begraben. Auch hier ging es um den Zusammenhang zwischen der Katastrophe und Missetaten (»schuldiger«). Jesus antwortete, dass ein solches Unglück nicht Gottes Methode ist, eine besonders sündige Gruppe zum Tod auszusondern, sondern dass Gott damit allen Sündern eine Warnung gibt. Gericht eilte auf sie alle zu, wenn sie nicht Buße täten. 13,6 Feigenbaum. Häufi g als Symbol für Israel verwendet (s. Anm. zu Mt 21,19; Mk 11,14). In diesem Fall bezieht sich die Lektion des Gleichnisse über Fruchtlosigkeit jedoch auf die gesamte Nation wie auch auf jeden Einzelnen.
13,8 lass ihn noch dieses Jahr. Das illustriert sowohl die Für- sprache Christi als auch die Geduld und Güte des Vaters.
13,10 Synagogen. S. Anm. zu Mk 1,21. am Sabbat. Die Sabbat- traditionen der Pharisäer waren das Streitthema, das am häufi gsten zu Auseinandersetzungen mit Jesus führte. Vgl. 6,5-11; 14,1-5; Mt 12,210; Mk 2,23-3,4.
13,11 einen Geist der Krankheit. Oder »der Schwäche«. Das be- deutet, dass ihr Leiden von einem bösen Geist verursacht war. Christus musste hier jedoch keinen Dämon ansprechen und austreiben, sondern erklärte sie einfach für befreit (V. 12). Daher erscheint ihr Fall etwas anders als die anderen Fälle von Besessenheit, denen Jesus häufi g begegnete (vgl. 11,14; s. Anm. zu V. 16).
13,12 rief er sie zu sich. Die Heilung geschah ohne eine Bitte seitens der Frau. Jesus ergriff die Initiative (vgl. 7,12-14). Außerdem erforderte die Heilung weder bei ihr noch bei jemand anderem einen besonderen Glauben. Jesus verlangte bei seinen Heilungen manchmal Glauben, aber nicht immer (vgl. 8,48; Mk 5,34).
13,14 Synagogenvorsteher. Ein einfl ussreicher Laie, zu dessen Aufgaben es gehörte, Zusammenkünfte zu leiten, sich um das Gebäude zu kümmern und die Lehrtätigkeit in der Synagoge zu beaufsichtigen (vgl. 8,41; Mt 9,18; Mk 5,38).
13,15 löst … seinen Ochsen. Nirgends in der Schrift wird das Trän- ken eines Ochsen oder das Heilen eines Kranken am Sabbat verboten (s. Anm. zu 6,9; Mt 12,2.3.10). Ihre Sabbatttraditionen gaben Tieren tatsächlich einen höheren Stellenwert als Menschen in Not. Damit pervertierten sie den ganzen Zweck des Sabbats (Mk 2,27).
13,16 eine Tochter Abrahams. Sie war eine Jüdin. die der Sa- tan … gebunden hielt. Auch Hiobs körperliche Leiden und sonstiges Unglück war von Satan bewirkt, aber Gott hatte es erlaubt. Gott hatte zugelassen, dass diese Frau leide, allerdings nicht aufgrund einer Sünde, sondern damit an ihr die Herrlichkeit Gottes offenbar werde (vgl. Joh 9,3).
13,19 S. Anm. zu Mt 13,32.33.
13,22 durch Städte und Dörfer. Lukas macht keine genauen Ortsangaben, da seine Leser mit der Geografi e Palästinas nicht vertraut waren. In Mt 19,1; Mk 10,1 und Joh 10,40 steht, dass Christus sich nun in das Gebiet östlich des Jordans begab, nach Peräa, und dort wirkte. Dieser Ortswechsel geschah etwa an diesem Punkt in der Erzählung des Lukas. Daher können mit diesen von ihm besuchten Städten und Dörfern Ortschaften sowohl in Judäa als auch in Peräa gemeint sein. setzte seine Reise nach Jerusalem fort. Während seines Wirkens in Judäa und Peräa ging Christus in Wirklichkeit mehrmals nach Jerusalem, nämlich mindestens einmal zum Laubhüttenfest (Joh 7,11-8,59), einmal zum Fest der Tempelweihe (Joh 9,1-10,39) und noch einmal, als er Lazarus auferweckte. Lukas richtet das Augenmerk besonders auf die letzte Reise des Herrn nach Jerusalem. Daher beschrieb er den ganzen Weg Christi als eine kontinuierliche Reise auf das Ziel hin. S. Anm. zu 9,51; 17,11.
13,23 sind es wenige, die errettet werden? Diese Frage wurde vielleicht durch mehrere Faktoren angeregt. Die großen Volksmengen, die Christus einst nachgefolgt waren, verringerten sich auf eine kleine Schar treuer Gläubiger (vgl. Joh 6,66). Immer noch kamen große Mengen zusammen, um Jesus zu hören (14,25), doch entschlossene Nachfolger gab es immer weniger. Außerdem wurden die Halbherzigen durch die Botschaften Christi entmutigt (s. Anm. zu 14,33). Er selbst hatte gesagt, dass der Weg zum Heil so schmal ist, dass nur wenige ihn fi nden (Mt 7,14). Das widersprach der jüdischen Auffassung, dass alle Juden errettet würden – abgesehen von den Zöllnern und sonstigen notorischen Sündern. Mit seiner Antwort verdeutlichte Christus einmal mehr, wie schwierig es ist, durch die enge Pforte einzutreten. Nach der Auferstehung versammelten sich nur 120 Jünger im Obersaal in Jerusalem (Apg 1,15) und nur etwa 500 in Galiläa (1Kor 15,6; s. Anm. zu 24,34; Mt 28,16).
13,24 Ringt danach. Das bezeichnet einen heftigen Kampf in ei- nem Konfl ikt. Christus meinte damit nicht, dass man sich den Himmel verdienen könne. So ernstlich Sünder sich auch abmühen, können sie sich dennoch nicht selber erretten. Die Errettung ist allein aus Gnade und nicht aus Werken (Eph 2,8.9). Aber durch die enge Pforte einzutreten ist trotzdem schwierig, weil es so viel kostet: den Stolz des Menschen und seine Liebe zur Sünde. Und man erhält dafür die Feindschaft der Welt und des Teufels. S. Anm. zu 16,16; Mt 11,12. viele … werden einzugehen suchen. D.h. am Tag des Gerichts, wenn viele Menschen darauf bestehen werden, sie hätten den Eintritt in den Himmel verdient (vgl. Mt 7,21-23).
13,25 Ich weiß nicht. Wörtl. »Ich kenne euch nicht«. Vgl. Mt 7,23; 25,12. Offenbar bestand niemals eine Beziehung zwischen ihnen und dem Herrn, obgleich sie sich eingebildet hatten, den Hausherrn zu kennen (V. 26). Trotz ihres Protests wiederholte er seine Leugnung ausdrücklich in V. 27.
13,28 das Heulen und das Zähneknirschen. S. Anm. zu Mt 22,13.
13,29 sie werden kommen. Jesus nannte Menschen aus allen 4 Himmelsrichtungen und machte damit klar, dass auch Heiden zum himmlischen Gastmahl geladen seien. Das widersprach der rabbinischen Lehre, entsprach aber dem AT (Ps 107,3; Jes 66,18.19; Mal 1,11). S. Anm. zu 2,31; Mk 13,27.
13,30 Letzte … Erste … Erste … Letzte. S. Anm. zu Mt 20,16. In diesem Zusammenhang bildet diese Aussage einen Gegensatz zwischen Juden (die »Ersten«) und Heiden (die »Letzten«). S. Anm. zu 14,11.
13,31 reise ab von hier. Herodes Antipas regierte in Galiläa und Peräa (s. Anm. zu Mt 2,22). Christus war wahrscheinlich unterwegs nach Peräa oder wirkte dort bereits (s. Anm. zu V. 22). Die Pharisäer – die selber keine Freunde von Herodes waren – warnten Christus vielleicht deshalb, weil sie hofften, auf die Warnung vor Herodes würde ihm zum Schweigen bringen, oder er würde nach Judäa und damit unter die Jurisdiktion des Sanhedrins zurückkehren.
13,32 diesem Fuchs. Manche meinen, diese Ausdrucksweise sei schwer zu vereinbaren mit 2Mo 22,27; Pred 10,20 und Apg 23,5. Jene Verse beziehen sich jedoch auf die Sprache des Alltags. Propheten wurden als Sprachrohr Gottes oft dazu beauftragt, Führungspersonen öffentlich zu rügen (vgl. Jes 1,23; Hes 22,27; Hos 7,3-7; Zeph 3,3). Da Jesus mit göttlicher Vollmacht sprach, hatte er jedes Recht, Herodes so zu bezeichnen. In rabbinischen Schriften war der »Fuchs« häufi g eine Bezeichnung für jemanden, der hinterlistig und zugleich wertlos war. Die Pharisäer, die vor der Macht des Herodes zitterten, müssen über die Kühnheit. Jesu gestaunt haben. heute und morgen, und am dritten Tag. Dieser Ausdruck beschreibt keinen buchstäblichen 3-Tages-Plan, sondern bedeutet nur, dass Christus seinen göttlichen Zeitplan einhielt. Solche Ausdrücke sind in den semitischen Sprachen typisch; sie wollen meist nicht wörtlich verstanden werden. S. Anm. zu Mt 12,40. am Ziel. D.h. er wird sterben und sein Werk vollenden. Vgl. Hebr 2,10; Joh 17,4.5; 19,30. Herodes drohte ihm mit dem Tod, doch niemand konnte Christus vor der von Gott bestimmten Zeit töten (Joh 10,17.18).
13,33 es geht nicht an. Natürlich starben nicht alle Märtyrer in Je- rusalem. Johannes der Täufer wurde wahrscheinlich in Tiberias im Palast des Herodes enthauptet. Es handelte sich wohl um eine Redensart, so wie das Sprichwort in 4,24 und Mt 13,57. Die Ironie ist unüberhörbar: Die meisten Propheten des AT wurden nicht von ausländischen Feinden umgebracht, sondern von Juden. Lukas führt diese Redensart an, um einmal mehr an sein Thema zu erinnern: Die Reise des Herrn nach Jerusalem und zum Kreuz (s. Anm. zu 9,51).
13,34 Jerusalem, Jerusalem. Das Bild von der Henne mit ihren Kü- ken spricht von Gottes Fürsorge. Diese bewegenden Worte nehmen die Tränen des Herrn vorweg, die er über das unbußfertige Jerusalem weinte, als er vor seinem Tod zum letzten Mal vor ihren Toren stand (19,41). Zu diesen Gefühlsregungen des Herrn s. Anm. zu Mt 9,36. habe ich … wollen … und ihr habt nicht gewollt! Der Kummer des Herrn über das Ende Jerusalems widerspricht nicht die Tatsache, dass er souverän über allem Geschehen steht. Die Wahrheit von Gottes Souveränität sollte man auch nicht dazu missbrauchen, die Aufrichtigkeit seines Mitgefühls zu hinterfragen. S. Anm. zu Mt 23,37.
13,35 Der Herr tat diesen Ausruf zu einem früheren Zeitpunkt als der in Mt 23,37-39 mitgeteilte. Dort ist der Tempel der Ort des Geschehens, wo Christus während der letzten Tage vor der Kreuzigung wirkte. Der Wortlaut der beiden Klagen ist dennoch praktisch identisch. Hier in Lukas prophezeit Christus dieselbe Botschaft, die er später als ein Endgericht verkündet. Gepriesen sei. Ein Zitat aus Ps 118,26.
14,1 Sabbat. S. Anm. zu 13,10. Lukas berichtet häufi ger von Hei- lungen am Sabbat als alle anderen Evangelisten. Offenbar erwies Christus seine Barmherzigkeiten bevorzugt am Sabbat. beobachteten sie ihn. Der Pharisäer lud Christus nicht aus lauteren Motiven zum Essen ein.
14,2 wassersüchtiger. Eine Krankheit, bei der sich Flüssigkeit im Gewebe und in den Hohlräumen des Körpers ansammelt und die oft zu einem Nieren- oder Leberleiden oder auch zu Krebs führt.
14,3 Gesetzesgelehrten. D.h. Schriftgelehrte. S. Anm. zu 10,25. Ist es erlaubt. Jesus hatte wiederholte Male Heilungen am Sabbat verteidigt, und seine Argumente hatten die Widersacher stets zum Schweigen gebracht (vgl. 6,9.10; 13,14-17). Hier und in 6,9 fragte er die Schriftgelehrten im Voraus, ob es rechtmäßig ist, am Sabbat zu heilen. Und sie konnten immer noch keinen überzeugenden Grund angeben, warum Heilen gegen das Sabbatgebot verstoßen solle (vgl. V. 6).
14,5 sein Esel oder Ochse. Vgl. 13,15; Mt 12,11.12. Schon die natürliche Humanität (ganz zu schweigen von wirtschaftlichen Gründen) lehrte sie, Tieren am Sabbat zu helfen. Sollten für Menschen in Not etwa nicht dieselben Prinzipien gelten?
14,7 die ersten Plätze. D.h. die besten Sitzplätze am Tisch. Vgl. 11,43; Mt 23,6.
14,11 Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt wer- den. Jesus liebte solche Paradoxe (vgl. 9,24; 13,30 17,33; 18,14; Mt 23,11.12). Mit dieser Aussage verdeutlichte er, worauf er in V. 8-10 hinaus wollte (vgl. Spr 25,6.7.
14,12 lade nicht deine Freunde noch deine Brüder … ein. Das ist natürlich kein absolutes Verbot, Freunde oder Verwandte zum Essen einzuladen. In V. 26 verwendete Christus eine ähnliche Übertreibung. In semitischen Sprachen sind solche Ausdrücke üblich; sie geben der Aussage Nachdruck. Jesus sagt damit, dass es kein Ausdruck wahrer Nächstenliebe ist, wenn man die eigenen Freunde und Verwandten einlädt. Gleichzeitig tadelt er solche, die ihre Gastfreundschaft nur »reichen Nachbarn« erweisen und wissen, dass sich ihre Gäste verpfl ichtet fühlen, sich zu revanchieren. Vgl. 5Mo 14,28.29.
14,14 vergolten werden bei der Auferstehung. Mit einem Schatz im Himmel (vgl. 18,22).
14,15 wer das Brot isst im Reich Gottes. Der Mann vertrat wahr- scheinlich die übliche Auffassung, dass nur Juden zum himmlischen Festmahl geladen seien (s. Anm. zu Mt 8,12). Christus antwortete mit einem Gleichnis über die Berufung von Heiden.
14,16 ein großes Mahl. Dieses Gleichnis entspricht zwar in vielerlei Hinsicht dem Gleichnis in Mt 22,2-14 und lehrt dieselbe Lektion, ist aber nicht dasselbe. Das Gleichnis in Mt 22 wurde in einer anderen Situation gelehrt und unterscheidet sich in einigen wichtigen Einzelheiten. lud viele dazu ein. Offenbar schlug niemand die Einladung aus. Der Gastgeber hatte jeden Grund zu erwarten, dass alle Geladenen tatsächlich kommen würden. 14,17 den Geladenen. Die Gäste einer Hochzeit (die eine ganze Woche dauern konnte) erhielten eine vorläufi ge Einladung mit einer ungefähren Zeitangabe. Wenn schließlich die vielen Vorbereitungen abgeschlossen waren, wurden die Eingeladenen informiert, dass das Fest nun beginnen könne. Die im Voraus eingeladenen Gäste repräsentieren das Volk Israel, denen im AT das Kommen des Messias angekündigt worden war, damit sie sich dafür bereit hielten.
14,18 entschuldigen. Alle Entschuldigungen riechen nach Unauf- richtigkeit. Man erwirbt kein Grundstück, ohne es sich vorher anzusehen. Und hatte man es schon gekauft, hatte man keine Eile, es zu inspizieren. Dazu hätte man auch nach dem Gastmahl noch Zeit gehabt. Genauso (V. 19) kauft man keine Ochsen, ohne sie zuvor auszuprobieren. Der frisch Vermählte (V. 20) brauchte keine Dienstaufträge anzunehmen und musste nicht in den Krieg zu ziehen (5Mo 24,5), hatte aber keinen berechtigten Grund, solche Anlässe auszuschlagen.
14,21 die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden. Solche Menschen wurden von den Pharisäern als unrein und unwürdig verachtet. Die religiösen Führer verurteilten Jesus für seine Kontakte zu Prostituierten und Zöllnern (vgl. 5,29.30; 15,1; Mt 9,10.11; 11,19; 21,31.32; Mk 2,15.16).
14,22 es ist aber noch Raum da! Gottes Bereitwilligkeit, Sünder zu retten, ist größer als die Bereitwilligkeit von Sündern, sich retten zu lassen.
14,23 an die Landstraßen und Zäune. Offensichtlich eine Be- schreibung für heidnische Länder. nötige sie hereinzukommen. Nicht gewaltsam oder durch Zwang, sondern durch eindringliche Überredung.
14,24 keiner jener Männer, die eingeladen waren. D.h. derer, die abgesagt haben. Da Israel die Einladung ausschlug, wurde das Volk vom Festmahl ausgeschlossen. Der Urteilsspruch des Herrn besiegelte ihre eigene Entscheidung. Die meisten Juden wurden im Jahr 70 n.Chr. von den Römern umgebracht. S. Anm. zu Mt 22,7; 23,36; 24,2.
14,25 eine große Volksmenge. Jesus wollte nicht große Men- schenmengen um sich scharen, sondern wahre Jünger machen (s. Anm. zu 13,23). Er passte seine Botschaft nie den Vorlieben der Mehrheit an, sondern nannte unmissverständlich die Kosten der Jüngerschaft. Hier stellt er gewichtige Bedingungen, die die Halbherzigen abhielten.
14,26 hasst. Die ähnliche Aussage in Mt 10,37 ist der Schlüssel, um diese schwierige Aufforderung zu verstehen. Das hier geforderte »hassen« bedeutet eigentlich weniger lieben. Der Herr forderte von seinen Jüngern eine Hingabe an ihn, die ihre Zuneigung zu allen anderen Dingen und Menschen – einschließlich ihres eigenen Lebens – wie Hass erscheinen lässt. S. 16,13; 1Mo 29,30.31 für einen ähnlichen Gebrauch des Wortes »hassen«.
14,27 sein Kreuz trägt. Freiwillig. Das entspricht dem Gedanken aus V. 26, sein eigenes Leben zu hassen. S. Anm. zu 9,23; Mt 10,38; vgl. Mk 8,34.
14,28 berechnet die Kosten. Die Volksmengen waren wohlwol- lend, aber unentschieden. Der Herr schraubte deswegen seine Forderung nicht herunter, sondern setzte die Kosten der Jüngerschaft vielmehr so hoch wie möglich an (V. 26.27.33). Damit ermutigte er sie zu einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, bevor sie sich bereit erklärten, ihm zu folgen. Vgl. 9,57-62.
14,33 allem entsagt. Nur wer bereitwillig die Kosten berechnet (V. 28-32) und alles, was er hat, ins Reich Gottes investiert, ist würdig, hineingelassen zu werden. Dabei geht es um viel mehr als nur Verzicht auf materielle Güter, nämlich um bedingungslose Lebensübergabe. Ein Jünger darf keine Sonderrechte beanspruchen und kann keine Bedingungen stellen. Sie dürfen an keiner Lieblingssünden festhalten, keinen irdischen Besitz ansammeln und keinen heimlichen Vorlieben frönen. Sie müssen sich ihm vorbehaltlos ausliefern. S. Anm. zu 9,23-26.
14,34 Das Salz ist gut. S. Anm. zu Mt 5,13; Mk 9,50. Dieses Bild verwendete Christus mindestens drei Mal.
15,1 Zöllner und Sünder. S. Anm. zu 14,21; Mt 5,46; 21,32. Trotz der schwierigen Bedingungen, die Jesus in seiner Botschaft nannte (14,25-35), wurden die von der Gesellschaft Verstoßenen zu ihm gezogen, während die religiösen Würdenträger mehr und mehr entschlossen waren, ihn umzubringen. Vgl. 1Kor 1,26-29.
15,2 murrten. wörtl. »murrten gründlich«. Jesus antwortete auf ihr Murren mit drei Gleichnissen, mit denen er die Freude Gottes über bußfertige Sünder beschreibt. Dieser nimmt Sünder an. Diese Aussage ist der Schlüssel für die folgende Trilogie von Gleichnissen. Christus schämte sich nicht, als »Freund von Zöllnern und Sündern« bekannt zu sein (7,34).
15,4 geht dem verlorenen nach. Die ersten beiden Gleichnisse be- schreiben Gott, wie er die Initiative ergreift und dem Sünder nachgeht. Die Rabbinen lehrten, Gott nehme nur solche Sünder an, die ernsthaft genug nach Vergebung suchen, doch in diesem Gleichnis ist Gott derjenige, der den Sünder sucht (s. Anm. zu 19,10). Im Orient war der Hirte für jedes einzelne Schaf verantwortlich. Er war von seinem Herrn verpfl ichtet darauf zu achten, dass kein Schaf verloren ging, sich verletzte oder umkam (vgl. Mt 18,11-14).
15,5 nimmt er es auf seine Schulter. Das Bild eines liebevollen Hirten. Vgl. Joh 10,11; Ps 24,1. mit Freuden. Die Freude über das Wiederfi nden des Verlorenen ist das herausragendste Merkmal aller drei Gleichnisse (V. 7.10.32).
15,7 Freude sein im Himmel. Das bezieht sich auf Gottes eigene Freude. Auf der Erde wurde seitens der Pharisäer gemurrt (V. 2), aber Gott und die Engel waren voller Freude (V. 10). die keine Buße brauchen. Das sind solche, die sich selber für gerecht halten (vgl. 5,32; 16,15; 18,9).
15,8 Drachmen. Die Drachme war eine griechische Münze, die et- wa dem Wert des römischen Denars entsprach (s. Anm. zu Mt 22,19). zündet … ein Licht an. Das typische Ein-Zimmer-Haus hatte keine Fenster. kehrt das Haus. Eine Veranschaulichung für die Gründlichkeit der Suche.
15,11 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist das bekannteste und beliebteste aller Gleichnisse Jesu und ist zugleich eines der längsten und detailliertesten. Im Gegensatz zu den anderen Gleichnissen vermittelt es mehrere Lektionen. Der verlorene Sohn ist ein Beispiel für echte Buße. Der ältere Bruder verdeutlicht die Verdorbenheit der Pharisäer in ihrer Selbstgerechtigkeit, Voreingenommenheit und Gleichgültigkeit gegenüber bußfertigen Sündern, und der Vater repräsentiert Gott, der schnell zur Vergebung bereit ist und die Umkehr des Sünders ersehnt. Das Hauptmerkmal ist jedoch, wie in den beiden vorigen Gleichnissen, die Freude Gottes und des Himmels über die Buße eines Sünders.
15,12 Gib mir, Vater, den Teil des Vermögens, der mir zufällt! Eine herzlose Bitte, mit der der Sohn dem Vater sagte, er wünschte, er wäre schon tot. Er hatte keinen Anspruch auf sein Erbe, solange der Vater noch lebte. Doch der Vater kam der Bitte großzügig nach und händigte dem Sohn sein Erbe vollständig aus. Da dem älteren Bruder als Erstgeborenem ein doppelter Erbteil zustand (5Mo 21,17), betrug das Erbe für den jüngeren Sohn ein Drittel des gesamten Vermögens des Vaters. Das ist ein Bild für alle Sünder, die durch die Schöpfung Gott zum Vater haben, aber ihre Möglichkeiten und Vorrechte vergeuden, jede Beziehung zu Gott verweigern und sich stattdessen für ein Leben sündiger Selbstverwirklichung entscheiden.
15,13 packte … alles zusammen. Der jüngere Sohn setzte das Erbe offenbar in liquide Mittel um, verließ seinen Vater und zog von dannen, um ein Leben der Sünde zu führen. ausschweifendem Leben. Es war nicht nur verschwenderisch, sondern auch unmoralisch (V. 30). Das gr. Wort für »ausschweifend« bedeutet »zügellos«.
15,15 die Schweine zu hüten. Für die jüdischen Zuhörer war das die schlimmste Schande, die man sich vorstellen konnte, denn Schweine galten als die unreinsten der unreinen Tiere.
15,16 begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten. Schoten vom Johannisbrotbaum, mit denen Schweine gefüttert wurden. Für Menschen waren sie praktisch unverdaulich. Anders ausgedrückt: Er ernährte sich nur deshalb nicht vom Schweinefutter, weil er es nicht konnte. niemand gab sie ihm. Oder »niemand gab ihm etwas«. Er konnte sich nicht einmal durch Betteln ernähren. Seine Situation hätte nicht verzweifelter sein können. Damit symbolisiert er den von Gott getrennten, hilfl osen und verzweifelten Sünder.
15,17 Er kam aber zu sich selbst. D.h. er kam zu Sinnen. Als sein sündiges Leben ihn ganz bankrott gemacht und an den Rand des Abgrundes gebracht hatte, kam er zur Einsicht. In diesem Zustand war er ein Kandidat für die Errettung (s. Anm. zu Mt 5,3-6).
15,18 Ich will … zu ihm sagen. Er dachte gründlich darüber nach, was er sagen sollte und überschlug die Kosten seiner Umkehr (V. 19). gesündigt gegen den Himmel. Eine Umschreibung dafür, dass er gegen Gott gesündigt hatte. Er erkannte nicht nur die Hoffnungslosigkeit seiner Situation, sondern verstand auch die Schwere seines Vergehens gegenüber dem Vater.
15,20 sah ihn sein Vater. Der Vater hatte offenbar auf seinen Sohn gewartet und nach seiner Rückkehr Ausschau gehalten. er lief. Mit aller Deutlichkeit zeigt der Vater seine Freude über die Rückkehr seines Sohnes. Das ist eine der großartigen Eigenschaften Gottes, die ihn von allen falschen, von Menschen erfundenen Göttern unterscheiden. Er ist weder gleichgültig noch feindlich gesinnt, sondern in seinem Wesen ein Retter, der wünscht, dass Sünder zur Buße kommen und der sich freut, wenn sie tatsächlich umkehren. S. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10. Von 1Mo 3,8 bis Offb 22,17, vom Sündenfall bis zur Vollendung, war und ist Gott bemüht, Sünder zu retten und freut sich jedes Mal, wenn ein Sünder Buße tut und sich zu ihm bekehrt.
15,21 Der Sohn hatte seine sich zurechtgelegten Worte der Buße noch nicht zu Ende geredet, als der Vater ihn unterbrach und seine Vergebung zusprach. Das veranschaulicht, wie gerne Gott vergibt.
15,22 der Vater sprach. Ohne ein einziges Wort des Tadels für die Vergangenheit zeigt der Vater seine ganze Liebe zu seinem Sohn und seine Freude darüber, dass nun gefunden ist, was verloren war. Alle Geschenke des Vaters verdeutlichen einen besonderen Aspekt der Wiederannahme seines Sohnes: Festgewand. Es war dem Ehrengast vorbehalten. Ring. Ein Symbol der Autorität. Schuhe. Sklaven trugen üblicherweise keine Schuhe; so zeigte der Vater, dass er den einst Verlorenen vorbehaltlos wieder als Sohn angenommen hatte..
15,23 das gemästete Kalb. Das war nur für ganz besondere An- lässe vorgesehen, für ein Opfer oder ein großes Freudenfest. Alle Einzelheiten aus V. 22.23 symbolisieren den reichen Segen der Errettung (vgl. Eph 1,3; 2,4-7).
15,25 älterer Sohn. Er symbolisiert den Pharisäer, den heuchlerisch- religiösen Menschen, der am Wohnort des Vaters bleibt (im Tempel), aber kein Sündenbewusstsein, keine Liebe zum Vater (sonst hätte er sich mit ihm gefreut) und kein Interesse an der Umkehr von Sündern hat.
15,28 Da wurde er zornig. Das entspricht dem Murren der Schrift- gelehrten und Pharisäer (V. 2).
15,29 habe nie dein Gebot übertreten. Das ist unwahrscheinlich angesichts der offenen Geringschätzung des Sohnes gegenüber seinen Vater (die er dadurch zeigt, dass er sich nicht mit dem Vater freuen will). Diese Aussage offenbart das offenkundige Problem aller religiösen Heuchler. Sie erkennen ihre Sündigkeit nicht und wollen nicht Buße tun (s. Anm. zu Mt 9,12.13; 19,16-20). Die Bemerkung des älteren Sohnes riecht nach demselben Geist wie die Worte der Pharisäer in 18,11. mir hast du nie einen Bock gegeben. Antrieb zu all den Jahren des Dienstes im Vaterhaus war offensichtlich nur die Erwartung, etwas zu bekommen. Das selbstgerechte Gebaren des älteren Sohnes war gesellschaftlich eher akzeptiert als die Zügellosigkeit seines Bruders; dabei entehrt es den Vater gleichermaßen und verlangt ebenfalls Buße. 15,30 dieser dein Sohn. Ein Ausdruck tiefer Missgunst (vgl. »dieser Zöllner« in 18,11). Er konnte sich nicht überwinden, ihn »meinen Bruder« zu nennen.
15,31 alles, was mein ist, das ist dein. Das Erbe war bereits aus- geteilt worden (V. 12). Alles, was der Vater hatte, war bereits buchstäblich in den Besitz des älteren Sohnes übergegangen. Doch der ältere Sohn war sogar neidisch auf die Liebe, die der Vaters dem verlorenen Sohn erwies. Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten leichten Zugang zu allen Reichtümern der Wahrheit Gottes. Sie verbrachten ihr Leben mit den heiligen Schriften und dem öffentlichen Gottesdienst, aber in Wirklichkeit hatten sie sich nie einen der Schätze angeeignet, deren sich der bußfertige Sünder erfreuen kann.
15,32 Du solltest aber fröhlich sein und dich freuen. Eine Zusammenfassung der Aussage aller drei Gleichnisse. dein Bruder. S. Anm. zu V. 30.
16,1 Haushalter. Ein Haushalter oder Verwalter war ein vertrau- enswürdiger Diener, der meistens in der Familie geboren war und der über die Verwaltung und Verteilung der Güter des Haushalts verfügte. Er sorgte für die das Essen der anderen Diener und verwaltete die Mittel seines Herrn zum Wohlergehen der anderen. Er handelte als Vertreter seines Herrn und hatte Vollmachten zu Geschäften in dessen Namen. seine Güter verschleudere. Mit dem Motto der Verschwendung knüpft dieses Gleichnis an das vorangegangene an. Wie der verlorene Sohn aus Kap. 15 machte sich dieser Verwalter schuldig, indem er die ihm verfügbaren Mittel vergeudete. Im Gegensatz zum verlorenen Sohn war er jedoch so klug, dafür zu sorgen, dass er wegen seiner Verschwendung künftig nicht verlassen und mittellos dastünde.
16,2 du kannst künftig nicht mehr Haushalter sein. Es war un- klug vom Hausherrn, dem Diener anzukündigen, dass er ihn entlassen werde, denn das brachte ihm noch weitere Verluste ein. Offenbar dachte er, der Diener sei kein Betrüger, sondern einfach inkompetent. Das wäre eine Erklärung für seine Reaktion in V. 8.
16,3 Graben kann ich nicht. D.h. er hielt sich für körperliche Ar- beit für nicht geeignet.
16,4 Ich weiß, was ich tun will. Er gewährte den Schuldnern seines Herrn beträchtliche Nachlässe, woraufhin diese bereitwillig die verbleibenden Beträge zahlten. in ihre Häuser aufnehmen. Da er ihre Schulden bei seinem Herrn verringerte, schuldeten sie ihm eine Gegenleistung und waren verpfl ichtet, ihn in ihre Häuser aufzunehmen, wenn er aus dem Haus seines Herrn geworfen würde.
16,6 schnell. Das war geheime Aktion ohne Genehmigung des Herrn. Als Komplize machte der Schuldner sich am Betrug des Verwalters mitschuldig.
16,8 der Herr lobte den ungerechten Haushalter. Obwohl er übers Ohr gehauen worden war, lobte er die Schlauheit des Verwalters. Seine Bewunderung für die kriminelle Raffi nesse des bösen Verwalters zeigt, dass auch er ein böser Mensch war. Das gefallene Herz des Sünders bewundert die Schlauheit des Bösewichts (Ps 49,20). Es fällt auf, dass alle Charaktere in diesem Gleichnis ungerecht, skrupellos und bestechlich sind. klüger. D.h. die meisten Ungläubigen sind in ihrer weltlichen Lebensweise klüger als manche Gläubige (»Kinder des Lichts«, vgl. Joh 12,36; Eph 5,18) in Bezug auf die Dinge Gottes.
16,9 ungerechten Mammon. D.h. Geld. Der ungerechte Verwalter benutzte das Geld seines Herrn, um sich irdische Freunde zu erwerben; Gläubigen solle das Geld ihres himmlischen Herrn so verwenden, dass sie Freunde für die Ewigkeit gewinnen – indem sie in das Evangelium investieren, um Sündern zum Heil verhelfen. Wenn sie im Himmel eintreffen (»die ewigen Hütten«), werden diese einstigen Sünder sie dort freudig empfangen. Christus rechtfertigte nicht die Unehrlichkeit des Mannes, sondern bezeichnete ihn treffend als »ungerecht« (V. 8). Er verwendete ihn lediglich als Illustration, um zu verdeutlichen, dass sogar die gottlosesten Kinder dieser Welt klug genug sind, um für Tage der Not vorzusorgen. Gläubige sollten noch viel klüger sein, denn sie verwalten nicht nur irdische, sondern ewige Güter. Vgl. 12,33; Mt 6,19-21.
16,10 Wer im Geringsten treu ist. Wahrscheinlich ein bekanntes Sprichwort. Vgl. 19,17; Mt 25,21.
16,11 das Wahre. Treues Verwenden der irdischen Güter wird oft mit dem Sammeln von himmlischen Schätzen verknüpft (vgl. 12,33; 18,22; Mt 16,19-21).
16,12 fremden Gut. Das bezieht sich auf Gott und auf die Verwal- tung seines Geldes durch die Gläubigen, denen es anvertraut ist.
16,13 Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon! Viele Pharisäer lehrten, man könne ganz gut dem Gewinn und Gott ergeben sein (V. 14). Das ging Hand in Hand mit der verbreiteten Auffassung, irdischer Reichtum sei ein Zeichen für Gottes Segen. Daher wurden Reiche als von Gott Begünstigte angesehen (s. Anm. zu Mt 19,24). Christus hat zwar Reichtum nicht an sich verdammt, aber er verurteilte sowohl Liebe zum Reichtum als auch Hingabe an den Mammon. Zu Geldliebe s. Anm. zu 1Tim 6,9.10.17-19.
16,15 sich selbst rechtfertigen. Die Pharisäer glaubten, ihre ei- gene Gütigkeit würde sie rechtfertigen (vgl. Röm 10,3). Genau das ist die Defi nition von »Selbstgerechtigkeit«. Doch Jesus erklärte, dass ihre Gerechtigkeit unecht und nur äußerer Schein war. Um vor Menschen gerecht zu erscheinen, mag sie ausgereicht haben, aber nicht vor Gott, denn er kannte ihre Herzen. Immer wieder rügte Christus ihre Gewohnheit, die Bestätigung durch Menschen zu suchen (vgl. Mt 6,2.5.16; 23,28).
16,16 bis auf Johannes. Das Wirken Johannes des Täufers bezeich- nete den Wendepunkt der Heilsgeschichte. Bis dahin waren die großen Wahrheiten über Christus und sein Reich in den Vorbildern und Schatten des Gesetzes verborgen und in den Schriften der Propheten verheißen (vgl. 1Pt 1,10-12). Doch Johannes der Täufer stellte den König selbst vor (s. Anm. zu Mt 11,11). Die Pharisäer, die sich für Experten im Gesetz und in den Propheten hielten, verkannten die Bedeutung des Einen, auf den das Gesetz und die Propheten hinwiesen. jedermann drängt sich mit Gewalt hinein. Vgl. Jer 29,13. Während die Pharisäer Christus eifrig bekämpften, gingen Sünder scharenweise in sein Reich ein. Dieser Ausdruck lässt an Gewaltanwendung denken. Gemeint ist wahrscheinlich der Eifer, mit dem Sünder von ganzem Herzen danach strebten, ins Reich zu gelangen (s. Anm. zu 13,24; Jes 55,6.7; Mt 11,12).
16,17 als dass ein einziges Strichlein des Gesetzes falle. Damit niemand meinte, mit der Aussage aus V. 16 hebe er das Gesetz und die Propheten auf, fügte er diese Anmerkung hinzu (s. Anm. zu Mt 5,18). Die großen moralischen Prinzipien des Gesetzes, die ewigen Wahrheiten in den Vorbildern und Symbolen des Gesetzes und die Verheißungen der Propheten bleiben allesamt in Kraft und werden durch die Botschaft vom Reich nicht annulliert.
16,18 bricht die Ehe. D.h. wenn die Scheidung keinen rechtmäßi- gen Grund hatte. Lukas gibt Jesu Lehre über Scheidung verkürzt wieder und betont dabei nur das Wesentliche. Der vollständigere Bericht bei Matthäus macht klar, dass Jesus Scheidung erlaubte, wenn der Ehepartner Ehebruchs begangen hatte. S. Anm. zu Mt 5,31.32; 19,3-9. Das widersprach der rabbinischen Lehre, die Männern erlaubte, sich von ihren Frauen aus fast jedem Grund scheiden zu lassen (Mt 19,3). 16,20 Lazarus. Eindeutig nicht der Lazarus in Joh 11 (der zu einem späteren Zeitpunkt starb). Dieser Bettler ist die einzige Person in den Gleichnissen Jesu, die er namentlich bezeichnet. Deshalb hat man vermutet, dass es sich hier nicht um ein Gleichnis, sondern um einen Tatsachenbericht handelt. Wie dem auch sei, verwendet Christus diese Geschichte wie alle anderen Gleichnisse, um eine Lektion zu vermitteln, diesmal an die Adresse der Pharisäer. Der Reiche in diesem Gleichnis wird in der theologischen Literatur manchmal Dives genannt (lat. »der Reiche«).
16,21 Die Brocken, die vom Tisch fi elen, die Geschwüren und die Hunde die Rede war machen diesen Armen in den Augen der Pharisäer besonders abstoßend. Für sie bewiesen alle diese Dinge die Missgunst Gottes. Einen derartigen Menschen hätten sie nicht nur als unrein, sondern als von Gott verworfen taxiert. 16,22 Abrahams Schoß. Derselbe Begriff (der in der Bibel nur hier vorkommt) wird im Talmud für den Himmel verwendet. Der Grundgedanke ist, dass Lazarus einen Ehrenplatz direkt neben Vater Abraham bekam.
16,23 im Totenreich. Die Vorstellung, dass ein Reicher vom Him- mel ausgeschlossen wird, muss für die Pharisäer unerhört gewesen sein (s. Anm. zu Mt 19,24). Besonders provozierend war der Gedanke, dass ein Bettler, der die Abfälle vom Tisch des Reichen gegessen hatte, den Ehrenplatz neben Abraham bekam. Das gr. Wort für »Totenreich«, den Aufenthaltsort der Verstorbenen, ist hades. In der LXX ist dieses Wort die Übersetzung des hebr. Begriffs Scheol, der den Wohnort der Toten allgemein bezeichnete, ohne dabei speziell zwischen gerechten und ungerechten Seelen zu unterscheiden. Im NT bezieht sich der »Hades« jedoch stets auf den Aufbewahrungsort der Verlorenen vor dem endgültigen Gericht in der Hölle. Das Bild, das Jesus hier verwendete, passte zur verbreiteten, aber falschen rabbinischen Vorstellung, dass der Scheol zwei Teile hatte, nämlich einen für die Seelen der Gerechten und den anderen für die Seelen der Gottlosen, der vom anderen Teil durch eine unüberwindbare Kluft getrennt war. Es gibt jedoch keinen Grund zur manchmal geäußerten Annahme, »Abrahams Schoß« bezeichne ein zeitweiliges Gefängnis für die Seelen der Gerechten des AT, die erst dann in den Himmel geführt wurden, nachdem ihre Sünden durch das Werk am Kreuz tatsächlich gesühnt worden waren. Die Schrift lehrt durchweg, dass die Geister der verstorbenen Gerechten sofort in die Gegenwart Gottes eingehen (vgl. 23,43; 2Kor 5,8; Phil 1,23). Und das Erscheinen von Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung (9,30) widerspricht der Vorstellung, dass sie in einem Teilbereich des Scheols gefangen waren, bis Christus sein Werk vollendet hatte.
16,24 ich leide Pein. Christus beschrieb den Hades als einen Ort, wo die unaussprechlichen Qualen der Hölle bereits begonnen haben. Zu diesen Leiden gehören ein unauslöschliches Feuer (s. Anm. zu Mt 25,46), ein anklagendes Gewissen, das gespeist wird von unauslöschlichen Erinnerungen an verpasste Gelegenheiten (V. 25) und eine bleibende, unumkehrbare Trennung von Gott und von allem Guten (V. 26).
16,27 in das Haus meines Vaters sendest. Der Reiche hatte sogar in der Hölle noch eine herablassende Haltung gegenüber Lazarus und forderte Abraham immer wieder auf, ihn zu »senden«, um ihm zu dienen (vgl. V. 24). Die Flammen der Hölle können Sünden nicht sühnen und Sünder nicht von ihrer Verdorbenheit reinigen (vgl. Offb 22,11).
16,29 Sie haben Mose und die Propheten. D.h. das AT.
16,31 so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen. Ein schlagender Beweis, dass die Bibel völlig hinreichend ist, um Unglauben zu überwinden. Das Evangelium selbst ist die Kraft Gottes zur Errettung (Röm 1,16). Da Unglaube im Kern kein verstandesmäßiges, sondern ein moralisches Problem ist, kann keine noch so große Sammlung faktischer Beweise den Unglauben in Glauben verwandeln. Doch das offenbarte Wort Gottes hat in sich die Kraft, Glauben zu bewirken (vgl. Joh 6,63; Hebr 4,12; Jak 1,18; 1Pt 1,23).
17,1 Anstöße. Wörtl. »Fallen«. S. Anm. zu Mt 18,7.
17,2 ein großer Mühlstein. Wörtl. »der Mühlstein eines Esels«. S. Anm. zu Mt 18,6. Kleinen. Gläubige, Gottes Kinder unter seiner Fürsorge. S. Anm. zu Mt 18,5.
17,3 weise ihn zurecht. Der Christ hat die Pfl icht, einen Bruder oder eine Schwester, die sündigt, darauf aufmerksam zu machen. S. Anm. zu Mt 18,15.
17,4 siebenmal am Tag. D.h. gleichgültig wie oft er sündigt und Buße tut. S. Anm. zu Mt 18,21.22. Die Zahl sieben war nicht als Grenze gedacht (vgl. Ps 119,164). Ganz im Gegenteil: Christus sagte damit, dass Vergebung unbegrenzt gewährt werden soll (vgl. Eph 4,32; Kol 3,13).
17,5 Mehre uns den Glauben. Wörtl. »gib uns mehr Glauben«. Angesichts des hohen Maßstabs, den Jesus für sie aufstellte, fühlten sie sich unzulänglich.
17,6 Glauben … wie ein Senfkorn. S. Anm. zu Mt 17,20.
17,7 Die Lektion dieses Gleichnisses besagt, dass ein Diener kei- nen besonderen Lohn zu erwarten hatte, wenn er seine bloße Pfl icht erfüllte. Die Forderungen, die Christus in V. 1–4 aufstellte, erschienen den Jüngern vielleicht unerreichbar, doch waren sie das bloße Minimum für einen Diener Christi. Wer gehorcht, sollte nicht meinen, sein Gehorsam verdiene außerordentlichen Lohn.
17,10 unnütze Knechte. D.h. keiner besonderen Ehre würdig.
17,11 als er nach Jerusalem reiste … durch das Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa. Lukas nennt keinen Grund für diesen Umweg, doch ein Vergleich der Evangelien gibt Aufschluss. Offenbar liegt zwischen V. 10 und 11 ein längerer Zeitraum. Die Auferweckung des Lazarus bei Bethanien in der Nähe von Jerusalem (Joh 11) fällt wahrscheinlich in diese Zeit. Joh 11,54 besagt, dass Christus nach der Auferweckung des Lazarus in »eine Stadt namens Ephraim« ging, die sich nördlich von Jerusalem nahe der Grenze zu Samarien befand, um den Autoritäten zu entgehen, die ihn umbringen wollten. Von dort aus reiste er offenbar nochmals durch Samarien und Galiläa nach Norden, vielleicht um in Galiläa Freunde und Familienangehörige zu treffen, die zum Passah nach Jerusalem pilgern wollten. Von dort wäre er dann auf der üblichen Route südwärts über Jericho (18,35) nach Jerusalem gereist S. Anm. zu 9,51; 13,22.
17,12 aussätzige. Diese Männer waren zeremoniell unrein und so- mit gezwungen, außerhalb der Ortschaft zu leben (3Mo 13,46; 4Mo 5,2.3). Das Gesetz verlangte, dass sie sich auf Distanz hielten, und daher mussten sie laut rufen, um sich mit ihm zu verständigen. Zu einer Beschreibung von Aussatz s. Anm. zu 3Mo 13,2.
17,13 erbarme dich über uns. Vgl. 16,24; 18,38.39; Mt 9,27; 15,22; 17,15; 20,31; Mk 10,47.48. Das war die übliche Bitte solcher, die sich nach Heilung sehnten.
17,14 zeigt euch den Priestern. Um als rein erklärt zu werden (3Mo 13,2.3; 14,2-32). während sie hingingen. Die Heilung geschah spontan und war sofort sichtbar, vollzog sich jedoch erst, nachdem sie seinem Befehl gehorcht hatten.
17,15 Einer aber von ihnen kehrte wieder um. Seine Reakti- on erinnert an das Verhalten von Naeman (2Kö 5,15). Die anderen, die möglichst schnell rein erklärt werden wollten, um ins normale gesellschaftliche Leben zurückzukehren, gingen offenbar direkt zum Priester weiter und dachten nicht daran, dem Herrn zu danken.
17,16 das war ein Samariter. Da Jesus die Aussätzigen zum Pries- ter schickte, waren sie vermutlich Juden. Weil alle zeremoniell unrein waren, war es diesem Samariter erlaubt, sich ihnen anzuschließen, doch als sie geheilt waren, teilten sie seine Dankbarkeit nicht.
17,18 dieser Fremdling. In den Augen des Herrn waren Samariter weder besser noch schlechter als andere Heiden. S. Anm. zu Joh 4,4.
17,19 hat dich gerettet. Oder »geheilt«. Vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34.
17,20 wann das Reich Gottes komme. Vielleicht war diese Frage spöttisch gemeint, da sie bereits überzeugt waren, er sei nicht der Messias. kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Die Pharisäer glaubten, der Triumph des Messias würde unmittelbar sein. Sie erwarteten, dass er bei seiner Ankunft Rom besiegen und das Reich aufrichten werde. Doch das Programm des Herrn war ein ganz anderes. Er leitete einen Zeitabschnitt ein, in dem das Reich Gottes zunächst nur in den Herzen der Menschen aufgerichtet ist, und zwar durch den Glauben an den Erretter (V. 21; vgl. Röm 14,17). Dieses Reich beschränkt sich weder auf eine spezielle geographische Region noch ist es sinnlich wahrnehmbar. Es sollte still, unsichtbar und ohne den üblichen Glanz und Prunk kommen, der sonst die Ankunft eines Königs begleitet. Jesus sagte nicht, dass damit die alttestamentlichen Verheißungen des irdischen Reiches aufgehoben seien. Das irdische Reich Gottes wird in der Zukunft noch offenbar werden (Offb 20,1-6).
17,21 mitten unter euch. D.h. in den Herzen der Gläubigen. Die Anrede kann sich schwerlich auf die Pharisäer allgemein beziehen.
17,22 Es werden Tage kommen. Die Einleitung eines kurzen Ab- schnitts, der einige Parallelen zur Ölbergrede von Mt 24.25 hat. da ihr begehren werdet, einen einzigen der Tage des Menschensohnes zu sehen. D.h. seine leibhaftige Gegenwart herbeiwünschen. Das spricht von der Sehnsucht nach seiner Wiederkunft, bei der er alle Dinge wiederherstellen wird (vgl. Offb 6,9-11; 22,20).
17,23 S. Anm. zu Mt 24,26.27.
17,25 muss er viel leiden. Weil es der souveräne Plan Gottes war, dass er als Stellvertreter für Sünder sterben sollte. Vgl. 9,22; 18,31-33; 24,25.26; Mt 16,21; Mk 8,31.
17,26 S. Anm. zu Mt 24,37.38.
17,28 in den Tagen Lots. D.h. das Gericht brach plötzlich her- ein und riss die Menschen mitten aus ihren täglichen Geschäften (1Mo 19,24.25). Nichts von dem, was Jesus als typisch für die Zeit Noahs oder Lots anführt, ist an sich sündig. Doch die Menschen waren von den Dingen dieses Lebens derart in Beschlag genommen, dass sie nicht bereit waren, als das Gericht kam.
17,31 auf dem Dach. Das typische Haus hatte ein Flachdach, auf das man über Außentreppe gelangte. Die Gefahr wird so groß sein, dass keine Zeit mehr ist, ins Haus herabzusteigen um seine Sachen zu holen, sondern sofort fl iehen muss.
17,32 Lots Frau kam auf der Schwelle der Errettung um. Sie hing so sehr an ihrem Sodom, dass sie stehen blieb und zurückschaute. So wurde sie vom Gericht überwältigt, bevor sie die Zufl uchtsstätte erreicht hatte (1Mo 19,26).
17,33 S. Anm. zu 14,11.
17,34 S. Anm. zu Mt 24,40.41.
17,37 S. Anm. zu Mt 24,28. 18,1 allezeit zu beten. Ein häufi ges Thema in den Paulusbriefen (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger). Vgl. Röm 1,9; 12,12; Eph 6,18; 1Th 5,17; 2Th 1,11. nicht nachlässig zu werden. D.h. angesichts der Drangsale und Nöte des Lebens und der Anzeichen für das herannahende Gericht (das in der vorausgegangenen Rede beschrieben wurde).
18,2 der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute. Dieser Mann war ganz gottlos. Christus beschrieb ihn als »ungerecht« (V. 6), genau wie der Verwalter in 16,8. Der Richter soll hier nicht Gott repräsentieren; er bildet vielmehr einen Gegensatz zu ihm. Wenn sogar ein Ungerechter auf beharrliche Bitten eingeht, wird dann Gott, der gerecht und zugleich liebevoll und barmherzig ist, nicht umso bereitwilliger Gebete erhören?
18,5 mich plagt. Wörtl. »mich unter das Auge schlägt«. Was der Richter nicht aus Mitgefühl für die Witwe oder aus Achtung vor Gott tun wollte, das tat er, weil er ihr unaufhörliches Bitten leid war.
18,6 Hört, was der ungerechte Richter sagt! D.h. hört auf die Pointe der Geschichte, nämlich dass Gott, der stets gerecht handelt und voller Mitgefühl für notleidende Gläubige ist, die Seinen gewisslich erhören wird, wenn sie ihn um Hilfe anrufen (V. 7).
18,8 schnell. Vielleicht zögert er die Erhörung hinaus, aber das hat stets seinen guten Grund (vgl. 2Pt 3,8.9), und wenn er handelt, schafft er den Seinen schleunig ihr Recht. wird er auch den Glauben fi nden. Man muss vermuten, dass bei seiner Wiederkunft wahrer Glaube nur selten anzutreffen sein wird. Ganz ähnlich war es zur Zeit Noahs (17,26), als nur acht Seelen errettet wurden. Die Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkunft wird geprägt sein von Verfolgung, Abfall und Unglauben (Mt 24,9-13.24).
18,9 Dieses Gleichnis ist reich an Wahrheiten über die Lehre der Rechtfertigung aus Glauben. Es veranschaulicht vollkommen, wie ein Sünder, der keine eigene Gerechtigkeit vorweisen kann, vor Gott sofort als gerecht erklärt werden kann, wenn er bußfertigen Glauben hat. Das Gleichnis richtet sich an Pharisäer, die auf ihre eigene Gerechtigkeit vertrauten (V. 10.11). Wer auf eigene innewohnende Gerechtigkeit setzt, kann nur auf Verdammnis hoffen (vgl. Röm 10,3; Phil 3,9), denn keine menschliche Gerechtigkeit – nicht einmal die Gerechtigkeit der strengsten Pharisäer – kann dem Maßstab Gottes genügen (Mt 5,48). Die Bibel lehrt einheitlich, dass der Sünder nur dann gerechtfertigt wird, wenn ihm Gottes vollkommene Gerechtigkeit zugerechnet wird (vgl. 1Mo 15,6; Röm 4,4.5; 2Kor 5,21; Phil 3,4-9). Allein auf dieser Grundlage konnte der Zöllner errettet werden (und das gilt für jeden Sünder).
18,12 faste zweimal in der Woche. Damit fastete er mehr, als die Bibel irgendwo forderte (s. Anm. zu 5,33). Als der Pharisäer seine eigenen Werke hervorkehrte, bewies es, dass er seine ganze Hoffnung darauf setzte, dass er nicht so böse war wie die anderen. Ihm fehlte jeder Sinn für seine eigene Unwürdigkeit und Sünde. Vgl. V. 18-21; Mt 19,17-20. S. Anm. zu 17,7-10.
18,13 Die Demut des Zöllners ist an seiner ganzen Haltung und an seinem Tun zu erkennen. Der Mann hatte gelernt, die furchtbare Wirklichkeit seiner eigenen Sünde zu sehen. Das demütigte ihn und trieb ihn in die Buße. Er ist Punkt für Punkt das Gegenteil des Pharisäers. O Gott, sei mir Sünder gnädig! Seine einzige Hoffnung war die Gnade Gottes. Das ist das Ziel, das das Gesetz anstrebt; dorthin will es jeden Sünder führen (vgl. Röm 3,19.20; 7,13; Gal 3,22-24).
18,14 gerechtfertigt. d.h. vor Gott als gerecht erklärt vermöge ei- ner zugerechneten Gerechtigkeit (s. Anm. zu V. 9).
18,17 wie ein Kind. S. Anm. zu Mt 18,3.
18,18 S. Anm. zu Mt 19,16-29; Mk 10,17-30.
18,20 Ein Zitat aus 2Mo 20,12-16; 5Mo 5,16-20.
18,31 alles … was durch die Propheten über den Sohn des Menschen geschrieben ist. Z.B. Ps 22; 69; Jes 53; Dan 9,26; Sach 13,7.
18,32 den Heiden ausgeliefert. Mit jeder Ankündigung seines Todes (vgl. 9,22.44; 12,50; 13,32.33; 17,25) wurde Christus deutlicher. Hier erwähnt er zum ersten Mal, dass er an die Heiden ausgeliefert werden würde.
18,33 wird er wieder auferstehen. Christus hatte bereits vo- rausgesagt, dass er am dritten Tag auferstehen würde (9,22). Doch die Jünger begriffen es nicht, und als er tatsächlich auferstanden war, waren sie überrascht (24,6).
18,34 sie verstanden nichts. Die Zwölf erfassten die ganze Wahr- heit von Christi Tod und Auferstehung nicht. Grund dafür war vielleicht, dass sie ihre geliebten Vorstellungen über den Messias und seine Herrschaft auf der Erde nicht aufgeben wollten (vgl. Mt 16,22; 17,10; Apg 1,6).
18,35 Jericho. S. Anm. zu Mk 10,46. Blinder. Eigentlich waren dort zwei Blinde. Der eine sprach wahrscheinlich für beide. S. Anm. zu Mt 20,30.
18,38 Sohn Davids. Damit bestätigte er, dass er Jesus als Messias und König anerkannte. S. Anm. zu Mt 9,27. 18,42 hat dich gerettet. Oder »hat dich geheilt« (vgl. Mt 9,22; s. Anm. zu Mk 5,34).
19,2 Oberzöllner. S. Anm. zu Mt 5,46. Zachäus überwachte wahr- scheinlich einen großen Zollbezirk und ließ andere Zöllner für ihn arbeiten. Jericho war ein fl orierendes Handelszentrum und daher war Zachäus mit Sicherheit ein wohlhabender Mann. Es fällt auf, dass Lukas nur ein Kapitel zuvor die Begebenheit mit dem reichen Jüngling beschrieb und dort die Aussage des Herrn festhielt: »Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes hineinkommen« (18,24). Hier zeigt Jesus, dass bei Gott nichts unmöglich ist (vgl. 18,27).
19,3 Volksmenge. Christus reiste wahrscheinlich mit einer großen Pilgergruppe zum Passahfest nach Jerusalem. Bei dieser Volksmenge handelte es sich wahrscheinlich um Menschen aus Jericho, die die Straßen säumten, um ihn vorbeigehen zu sehen. Zweifellos hatten sie von der kürzlich geschehenen Auferweckung von Lazarus in Bethanien gehört, das weniger als 25 km entfernt lag (Joh 11). Diese Tatsache sowie sein Ruf als Heiler und Lehrer brachte die ganze Stadt in Bewegung, als bekannt wurde, dass er im Anzug sei.
19,4 Maulbeerbaum. Oder Sykomore. Ein kräftiger Baum mit nied- rigen, ausladenden Ästen. Ein kleinwüchsiger Mensch konnte auf einen Ast klettern und so über der Straße liegen. Für jemanden vom Rang des Zachäus’ war das eine unwürdige Haltung, aber er wollte Christus unbedingt sehen.
19,5 muss ich in deinem Haus einkehren. Das war keine Bitte, sondern ein Befehl und das einzige Mal in den Evangelien, dass Jesus sich selbst als Gast bei jemanden einlud (vgl. Jes 65,1). 19,6 mit Freuden. Es hätte einem Sünder und Zöllner (s. Anm. zu Mt 5,46) auch peinlich sein können, dass der vollkommene und sündlose Sohn Gottes bei ihm einkehren wollte. Doch das Herz des Zachäus war vorbereitet.
19,7 murrten sie alle. Sowohl die religiöse Elite als auch das Volk hassten Zachäus. Sie konnten nicht verstehen, welche möglicherweise berechtigte Absicht Jesus hätte haben können, diesen notorischen Sünder zu besuchen. In ihrem blinden Stolz hätten sie es auch nicht verstehen wollen. Jesus war gekommen, das Verlorene zu suchen und zu retten (V. 10). S. Anm. zu 15,2.
19,8 gebe ich es vierfältig zurück. Die Bereitschaft zur Wieder- gutmachung bewies, dass die Bekehrung des Zachäus echt war. Das war nicht etwa die Bedingung, sondern die Frucht seiner Errettung. Wenn man auf unlautere Weise zu Geld gekommen war, verlangte das Gesetz, dass man das unrecht Erworbene und einen Fünftel dazu erstattete (3Mo 5,24; 4Mo 5,6.7). Somit tat Zachäus mehr als erforderlich. Einen vierfachen Ersatz forderte das Gesetz nur dann, wenn ein Tier gestohlen oder getötet worden war (2Mo 21,37). Wurde das Tier lebendig wieder gefunden, war nur eine doppelte Erstattung nötig (2Mo 22,3). Doch Zachäus verurteilte sein eigenes Verbrechen mit besonderer Härte und erkannte damit an, dass er so schuldig war wie der übelste Räuber. Da er wahrscheinlich einen Großteil seines Vermögens durch Betrug erlangt hatte, nahm er damit eine kostspielige Verpfl ichtung auf sich. Obendrein verschenkte er noch die Hälfte seiner Güter an die Armen. Doch Zachäus hatte gerade unermessliche geistliche Schätze entdeckt und machte sich nichts aus dem Verlust materieller Reichtümer (s. Anm. zu 14,28; Mt 13,44-46). Er bildet damit einen krassen Gegensatz zum reichen Jüngling aus 18,18-24.
19,9 ein Sohn Abrahams. Ein geborener Jude, für den Christus als Retter kam (vgl. Mt 1,21; 10,6; 15,24; Joh 4,22).
19,10 der Sohn des Menschen. S. Anm. zu Mt 8,20. um zu su- chen und zu retten, was verloren ist. Das Hauptthema des Lukasevangeliums. Vgl. 5,31.32; 15,4-7.32; s. Anm. zu 1Tim 2,4; 4,10.
19,11 sie meinten. Die Jünger nahmen immer noch irrtümlicher- weise an, Christus würde bald sein irdisches Reich in Jerusalem aufrichten (s. Anm. zu 17,20).
19,12 ein fernes Land. Könige in römischen Provinzen wie Galiläa und Peräa reisten tatsächlich nach Rom, um ihr Königreich in Empfang zu nehmen. Die gesamte herodianische Dynastie war in ihrer Herrschermacht von Rom abhängig und Herodes der Große selbst war nach Rom gereist und hatte dort sein Reich erhalten. Dieses Gleichnis zeigt, wie Christus kurze Zeit später wegging, um sein Reich zu empfangen, und dass er eines Tages zurückkehren wird, um zu herrschen. Es ähnelt dem Gleichnis der anvertrauten Talente (Mt 25,14-30), doch gibt es einige bedeutende Unterschiede (s. Anm. zu V. 13). Das Gleichnis in Mt gehört zur Ölbergrede (s. Anm. zu Mt 24,1-25,46); das Gleichnis hier erzählte Jesus auf dem Weg von Jericho hinauf nach Jerusalem (vgl. V. 28). 19,13 Pfunde. Gr. mina, eine gr. Geldeinheit (s. Anm. zu 15,8), die etwas mehr betrug als drei Monatslöhne. Ein Pfund war ein Sechzigstel eines Talents, was bedeutet, dass den 10 Knechten in diesem Gleichnis eine bedeutend kleinere Geldsumme anvertraut wurde als den drei Knechten im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30).
19,14 schickten ihm eine Gesandtschaft nach. Genau das war mit Archelaus geschehen (s. Anm. zu Mt 2,22), dem Sohn Herodes des Großen, als er nach Rom ging, um sich zum Tetrarchen von Judäa ernennen zu lassen. Eine Delegation von Juden reiste mit einer Protest hinter ihm her nach Rom zum Kaiser Augustus (s. Anm. zu 2,1). Doch dieser lehnte ihren Einspruch ab und machte Archelaus trotzdem zum König. Daraufhin errichtete Archelaus seinen Palast in Jericho, nicht weit von der Stelle, wo Jesus dieses Gleichnis lehrte. Archelaus war so unfähig und despotisch, dass Rom ihn kurzerhand absetzte und durch eine Reihe von Prokuratoren ersetzte, von denen Pontius Pilatus der fünfte war. Mit diesem Gleichnis kündigte Jesus an, dass die Juden im Begriff waren, dasselbe im geistlichen Sinne mit ihrem Messias zu tun.
19,15 S. Anm. zu Mt 25,14-30. 19,15 als er wiederkam. Ein Bild für Christi Wiederkunft auf die Erde. Erst dann wird sein Reich auf dieser Erde vollständig offenbar werden. S. Anm. zu 17,20.
19,17 im Geringsten treu. S. Anm. zu V. 13. Wer relativ gerin- ge Gaben und Möglichkeiten hat, ist genauso verantwortlich, sie treu einzusetzen, wie solche, die viel mehr bekommen haben. über zehn Städte. Diese große Belohnung steht in keinem Verhältnis zu den zehn anvertrauten Pfunden. Außerdem fällt auf, dass der Lohn entsprechend dem Fleiß des Dieners ausfi el: Der Knecht, der zehn Pfunde gewonnen hatte, erhielt zehn Städte, der fünf Pfunde erwirtschaftet hatte, fünf Städte (V. 19) usw.
19,21 ich fürchtete dich. Eine Angst, die nicht aus Liebe oder Ach- tung erwuchs, sondern aus Geringschätzung für den Meister (s. Anm. zu Mt 25,24). Hätte er seinen Meister wirklich geachtet, dann hätte eine rechte Furcht nicht Faulheit, sondern vielmehr Fleiß bewirkt.
19,22 Wusstest du. S. Anm. zu Mt 25,26. Das bedeutet nicht, dass das »Wissen« des Knechtes der Wahrheit entsprach. Doch sein behauptetes Wissen reichte aus, um ihn zu verurteilen. So wird es den Gottlosen am Tag des Gerichts ergehen.
19,26 S. Anm. zu Mt 25,29.
19,27 jene meine Feinde. Diese repräsentieren die Juden, die ak- tiven Widerstand gegen Christus leisteten. erschlagt sie vor mir. Das spricht von unerbittlichem, gewaltsamen Gericht und kann sich auf die Zerstörung Jerusalems beziehen (s. Anm. zu Mt 24,2).
19,28 hinauf nach Jerusalem. Der Weg von Jericho nach Jerusa- lem war ein steiler Aufstieg mit 1.200 m Höhenunterschied auf etwa 32 km Länge. Hier beginnt die letzte Etappe der langen Reise, die in 9,51 begonnen hatte (s. Anm. dort).
19,29 Bethphage. S. Anm. zu Mt 21,1. Bethanien. Hier hielt Jesus sich oft während seiner Besuche in Jerusalem auf. S. Anm. zu 10,38. Berg, welcher Ölberg heißt. Der Hauptgipfel eines Höhenzugs, der östlich des Kidrontals, gegenüber dem Tempel, nord-südwärts verlief. Der Name stammt von den dichten Olivenhainen, die einst den Berg bedeckten. S. Anm. zu Mt 24,3.
19,30 S. Anm. zu Mt 21,1-8; Mk 11,1-8. 19,30 ein Füllen. Die anderen Evangelien sprechen von einem Esels- füllen (vgl. Sach 9,9) und Mt berichtet, dass auch das Muttertier mitgeführt wurde (s. Anm. zu Mt 21,6). auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. S. Anm. zu Mk 11,2.
19,36 breiteten sie ihre Kleider aus. S. Anm. zu Mt 21,8; Mk 11,8. Lukas übergeht die abgeschnittenen Palmzweige, die Matthäus und Markus erwähnen.
19,37 die ganze Menge der Jünger. Zweifellos waren viele Men- schen in dieser Menge keine wahren Jünger. Wundertaten. Aus Joh 12,17.18 erfahren wir, dass insbesondere die Nachricht von der Auferweckung des Lazarus viele bewegt hatte, zu kommen, um Jesus zu sehen.
19,38 Gepriesen sei der König. Mit diesem Zitat aus Ps 118,26 feierten sie Jesus als den Messias. S. Anm. zu Mt 21,9. Friede im Himmel. Nur Lukas erwähnt dieses Wort, das an die Botschaft der Engel in 2,14 erinnert.
19,39 weise deine Jünger zurecht. Die Pharisäer stießen sich da- ran, dass die Leute Jesus in dieser Weise priesen. Sie forderten ihn auf, er solle ihnen Einhalt gebieten.
19,40 dann würden die Steine schreien. Damit bezeugte er ein- deutig seine Gottheit. Vielleicht bezieht sich diese Aussage auf Hab 2,11. Die Bibel spricht oft von unbelebten Dingen der Natur, die Gott preisen. Vgl. Ps 96,11; 98,7-9; 114,7; Jes 55,12. Vgl. auch die Worte von Johannes dem Täufer in Mt 3,9 und die Erfüllung von Jesu Aussage in Mt 27,51.
19,41 Nur Lukas berichtet, dass Jesus über Jerusalem weinte. Mindestens zwei weitere Male war Christus über Jerusalem betrübt (13,34; Mt 23,37). Die Tränen scheinen nicht zum triumphalen Einzug zu passen, doch sie beweisen, dass Jesus wusste, wie oberfl ächlich die Herzen berührt waren. Daher war er trotz allem bekümmert, während er in die Stadt einritt. Die gleiche Volksmenge sollte kurz darauf schreiend seine Kreuzigung verlangen (23,21).
19,43 dich ringsum einschließen und … bedrängen. Vgl. 21,20. Das ist exakt die Methode, die Titus verwendete, als er Jerusalem im Jahr 70 n.Chr. belagerte. Er umzingelte die Stadt am 9. April und riegelte sie von der Außenwelt ab. So hielt er Tausende von Juden gefangen, die zum Passah und zum Fest der ungesäuerten Brote kurz davor nach Jerusalem gekommen waren. Die Römer zogen einen geschlossenen Wall um die Stadt und hungerten die Bewohner allmählich aus. So hielten die Römer die Stadt den Sommer über belagert und eroberten sie Stück um Stück. Anfang September fi el die Stadt.
19,44 dem Erdboden gleich machen. Das wurde buchstäblich er- füllt. Die Römer zerstörten die Stadt vollständig, einschließlich des Tempels, der Wohnhäuser und der Menschen. Männer, Frauen und Kinder wurden zu Zehntausenden niedergemetzelt. Die wenigen Überlebenden wurden gefangen weggeführt und fi elen den Spielen im römischen Circus Maximus und den Gladiatorenkämpfen zum Opfer. weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. Das bedeutet, dass Jerusalems völlige Zerstörung Gottes Gericht dafür war, dass sie ihren Messias nicht erkannt und angenommen hatten, als er zu ihnen kam (vgl. 20,13-16; Joh 1,10.11).
19,45 Hier vertrieb Jesus zum zweiten Mal die Händler aus dem Tempel; es ist ein anderes Ereignis als das aus Joh 2,14-16. Er zitiert Jes 56,7. S. Anm. zu Mt 21,12.
19,47 obersten Priester. S. Anm. zu Mt 2,4. Sie beherrschten den Tempel. Schriftgelehrten. Meistens Pharisäer, Experten in Gesetz und Überlieferung. Vornehmsten des Volkes. Prominente jüdische Laien, die im Tempel Einfl uss hatten. Als Jesus in den Tempel ging und dort wirkte, drang er ins Zentrum der gegen ihn gerichteten Opposition ein. trachten danach, ihn umzubringen. Vgl. 22,2; Mt 26,3.4; Joh 5,1618; 7,1.19.25.
20,1 an einem jener Tage. Wahrscheinlich der Dienstag der Lei- denswoche. Der triumphale Einzug war am Sonntag und die Tempelreinigung am Montag. Die Ereignisse in diesem Kapitel passen in der Chronologie der Leidenswoche am besten auf den Dienstag. Dieses Kapitel beschreibt eine Reihe sorgfältig geplanter Angriffe aus Jesus durch die führenden Juden. die obersten Priester und die Schriftgelehrten samt den Ältesten. S. Anm. zu 19,47. Jede dieser Gruppen spielte eine besondere Rolle bei den verschiedenen nun folgenden Angriffen. Auch war jede Gruppe im Sanhedrin vertreten, dem jüdischen Hohen Rat (s. Anm. zu Mt 26,59). Das lässt vermuten, dass der Hohe Rat sich bereits versammelt und beschlossen hatte, gegen Jesus vorzugehen. Die Juden griffen ihn mit einer Reihe gezielter Fragen an, um ihn in eine Falle zu locken (s. Anm. zu V. 2.22.33).
20,2 S. Anm. zu Mt 21,23.25. 20,2 Das war die erste einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fan- gen wollten. Die Frage wurde von den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten gestellt, die offensichtlich Repräsentanten des Sanhedrins waren. S. Anm. zu V. 22.33.
20,5 Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Johannes hatte unmissverständlich bezeugt, dass Jesus der Messias war. War Johannes ein Prophet und waren seine Aussagen somit wahr, hätten sie sein Zeugnis über Christus glauben sollen. Andererseits wäre es für die Pharisäer politisch töricht gewesen, die Rechtmäßigkeit von Johannes dem Täufer anzugreifen oder seine Autorität als Prophet Gottes in Abrede zu stellen. Johannes war beim Volk ungeheuer beliebt und zudem ein Märtyrer, den der verhasste Herodes umgebracht hatte. Hätten die Pharisäer die Vollmacht des Johannes in Frage gestellt, hätten sie einen Volkshelden angegriffen. Davor wussten sie sich zu hüten und redeten sich deshalb damit heraus, dass sie es nicht wüssten (V. 6).
20,8 So sage ich euch auch nicht. Jesus deckte die Heuchelei ihrer Frage auf und demaskierte ihre bösen Motive. Er vergeudete an ihnen keine Wahrheit (vgl. Mt 7,6).
20,9 S. Anm. zu Mt 21,33-45; Mk 12,1-12. 20,9 dem Volk. Nur Lukas erwähnt, dass dieses Gleichnis nicht al- lein an die führenden Juden, sondern an das ganze Volk gerichtet war.
20,13 meinen Sohn senden, den geliebten. Sowohl Lukas als auch Markus erwähnen diesen Ausdruck, der verdeutlicht, dass der Sohn in diesem Gleichnis Christus repräsentiert (s. Anm. zu Mt 21,37).
20,16 diese Weingärtner umbringen. Das beschreibt wahr- scheinlich die Zerstörung Jerusalems (s. Anm. zu 19,43). den Weinberg anderen geben. S. Anm. zu 21,24. Das sei ferne! Nur Lukas berichtet von dieser ablehnenden Reaktion der Zuhörer. Die Reaktion zeigt, dass sie die Bedeutung des Gleichnisses verstanden.
20,17 Ein Zitat aus Ps 118,22.
20,18 Jeder, der auf diesen Stein fällt … auf wen er aber fällt. S. Anm. zu Mt 21,44. Der Ausdruck war ein Zitat aus Jes 8,13-15. In diesen alttestamentlichen Versen ist Jahwe der Stein. Wie so viele andere Stellen im AT, die sich auf Christus beziehen, beweist auch diese, dass Christus der fl eischgewordene Jahwe ist.
20,20 Aufpasser. Oder »Spione«. Dass die führenden Juden zu solchen Mitteln griffen, verdeutlicht ihre Verzweifl ung. Sie konnten keinen einzigen berechtigten Anklagepunkt gegen ihn fi nden (vgl. 6,7; 11,53.54; Mt 22,15; 26,59.60). des Statthalters. Pilatus, der wegen des bevorstehenden Passahs und Festes der Ungesäuerten Brote in Jerusalem war (s. Anm. zu Mt 27,2).
20,21 S. Anm. zu Mt 22,16-22; Mk 12,13-17.
20,22 Das war die zweite einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Pharisäern und Herodianern gestellt (Mk 12,13). S. Anm. zu V. 2.33.
20,24 Wessen Bild. Das Bildnis auf dem Denar war ein Hauptgrund, weshalb die Juden die Kopfsteuer verabscheuten. Sie behaupteten, es sei ein Verstoß gegen das Gebot, sich keine Bilder zu machen, und da der Kaiser eine Stellung beanspruchte, die einer Gottheit gleichkam, war das Steuerzahlen eine unrechtmäßige Verehrung. Vielen galt es als Götzendienst. S. Anm. zu Mt 22,19; Mk 12,16.
20,25 gebt doch dem Kaiser. Christus erkannte damit an, dass alle Bürger neben ihren Pfl ichten gegenüber Gott auch Pfl ichten gegenüber dem Staat haben – und er bestätigte, dass es rechtens ist, zwischen diesen beiden Bereichen zu unterscheiden (s. Anm. zu Mt 22,21; Mk 12,17).
20,27 S. Anm. zu Mt 22,23-32; Mk 12,18-27. 20,27 Sadduzäer. S. Anm. zu Mt 3,7.
20,28 soll dessen Bruder die Frau nehmen. Das entsprach dem Gesetz der Leviratsehe aus 5Mo 25,5 (s. Anm. zu Mt 22,24).
20,33 Das war die dritte einer Reihe von Fragen, mit denen sie ihn fangen wollten. Sie wurde von den Sadduzäern gestellt (V. 27). S. Anm. zu V. 2.22. Mt 22,34-40 und Mk 12,28-34 berichten von einer letzten Frage von einem Schriftgelehrten. Lukas lässt sie in seinem Bericht aus.
20,36 den Engeln gleich. D.h. wie die Engel pfl anzen sie sich nicht fort (s. Anm. zu Mt 22,30).
20,37 bei [der Stelle von] dem Dornbusch. 2Mo 3,1-4,17. In dieser alttestamentlichen Stelle gab Gott sich Mose zu erkennen als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, wobei er die Gegenwartsform verwendete. Er sagte nicht, dass er ihr Gott war, sondern sagte »ICH BIN« ihr Gott, was zeigt, dass ihre Existenz nicht mit ihrem Tod aufgehört hatte.
20,38 ihn leben alle. Nur Lukas überliefert diesen Ausdruck. Alle Menschen – ob sie nun von ihrem irdischen Körper getrennt sind oder nicht – leben immer noch und werden ewig leben. Niemand wird beim Tod vernichtet (vgl. Joh 5,28-30).
20,39 Meister, du hast gut geantwortet! Christus hatte ein schlagkräftiges Argument für die Auferstehung der Toten geliefert. In diesem Punkt waren die Pharisäer mit ihm einig und widersprachen den Sadduzäern. Dieser Schriftgelehrte war trotz seines Hasses auf Christus über seine Antwort beglückt.
20,40 sie getrauten sich nicht mehr, ihn etwas zu fragen. Je mehr Fragen er beantwortete, desto deutlich wurde es, dass seine Weisheit und Autorität denen der Schriftgelehrten und Pharisäer weit überlegen war. Vgl. Mt 22,46; Mk 12,34.
20,41 Nachdem die führenden Juden es aufgegeben hatten, ihm Fragen zu stellen, drehte Christus den Spieß um und stellte ihnen eine Frage. S. Anm. zu Mt 22,42-45; Mk 12,35-37.
20,42 Ein Zitat aus Ps 110,1.
20,45 S. Anm. zu Mk 12,38-40.
21,1 Opferkasten. Im Vorhof der Frauen standen 13 Kästen mit trichterförmigen Öffnungen. An jedem Kasten sagte eine Aufschrift etwas über die jeweilige Verwendung des Geldes und dementsprechend wurden Opfergaben gegeben.
21,2 arme Witwe. Der gr. Begriff bezeichnet eine extreme Armut. Diese Frau war ganz verarmt und so wäre es für sie naheliegender gewesen, um Almosen zu bitten, als Almosen zu gegeben. Scherfl ein. Die kleinste Kupfermünze, die in Palästina in Gebrauch war und einen Wert von etwa einem Viertelpfennig hatte. Doch das war der ganze Lebensunterhalt dieser Frau (V. 4). S. Anm. zu Mk 12,42.
21,3 hat mehr eingelegt. D.h. verhältnismäßig mehr, gemessen an ihren Mitteln, und daher auch mehr in den Augen Gottes.
21,4 von ihrem Überfl uss. Was diese Leute gaben, war für sie kein Opfer.
21,5 schönen Steinen. S. Anm. zu Mt 24,1; Mk 13,1. Weihege- schenken. Reiche hatten Goldskulpturen, goldene Plaketten und andere Schätze für den Tempel gespendet. Herodes hatte einen etwa 1,8 m hohen goldenen Weinstock mit Trauben aus goldenen Beeren gestiftet. Die Weihegeschenke waren an den Mauern und im Säulengang angebracht. Zusammen ergaben sie einen Schatz von unvorstellbarem Wert, der von den Römern geplündert wurde, als sie den Tempel zerstörten (V. 6).
21,6 S. Anm. zu Mt 24,2-10; Mk 13,2-11.
21,8 Lauft ihnen nun nicht nach! Vgl. 17,23. S. Anm. zu Mt 24,26.
21,9 das Ende. S. Anm. zu Mt 24,6.14.
21,11 Zeichen vom Himmel. Die Parallelstellen in Mt 24,7 und Mk 13,8 enthalten diesen Ausdruck nicht. Vgl. V. 25. S. Anm. zu Mk 13,25.
21,13 Gelegenheit zum Zeugnis. Prüfungen sind stets Gelegen- heiten (Jak 1,2-4), und Verfolgung bietet oft eine Möglichkeit zum vermehrten Zeugnis.
21,14 eure Verteidigung nicht vorher überlegen. S. Anm. zu 12,11.
21,18 kein Haar. Vgl. V. 16. Das ist keine Verheißung der Be- wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit, sondern eine Garantie, dass sie keine Verluste für die Ewigkeit erleiden werden. Gott ist souverän und wird die Seinen daher selber bewahren. S. Anm. zu Joh 10,28.29.
21,19 Die wahre Bedeutung dieses Verses scheint zu sein: »Durch Ausharren erlangt ihr die Errettung«, was sich auf die endgültige Errettung bezieht, nämlich die Verherrlichung. S. Anm. zu Mt 24,13.
21,20 Jerusalem von Kriegsheeren belagert. S. Anm. zu 19,43. Ein Vergleich mit Mt 24,15.16 und Mk 13,14 legt nahe, dass dieses Zeichen eng verbunden ist mit »dem Gräuel der Verwüstung« (s. Anm. zu Mt 24,15; Dan 9,27; 11,31). Eine Vorerfüllung dieses Zeichens von Jerusalem unter Belagerung geschah im Jahr 70 n.Chr., doch die eigentliche Erfüllung steht noch bevor.
21,21 auf die Berge. S. Anm. zu Mt 24,16; Mk 13,14.
21,22 Rache. Gottes gerechte Vergeltung für Sünde.
21,23 den Schwangeren und den Stillenden. S. Anm. zu Mk 13,17. 21,24 die Zeiten der Heiden. Die Ausdruck (auch: »die Zeit der Nationen«) kommt nur in Lk vor und bezeichnet die Zeitspanne von Israels Wegführung nach Babylon (ca. 586 v.Chr.; vgl. 2Kö 25) bis zur Wiederherstellung Israels im Tausendjährigen Reich (Offb 20,1-6). In dieser Zeitspanne wird Jerusalem nach dem Ratschluss Gottes von Heiden beherrscht, bedroht oder zertreten. Sie ist außerdem gekennzeichnet von reichen geistlichen Vorrechten für die heidnischen Nationen (vgl. Jes 66,12; Mal 1,11; Mt 24,14; Mk 13,10).
21,25 es werden Zeichen geschehen. Die hier beschriebenen himmlischen Zeichen und Wunder geschehen unmittelbar vor der Wiederkunft Christi. S. Anm. zu Mt 24,29.
21,27 kommen. Ein Zitat aus Dan 7,13. S. Anm. zu Mt 24,30.31; Mk 13,26.27. Vgl. 2Th 1,7-10; Offb 19,11-16.
21,28 erhebt eure Häupter. Die furchtbaren Drangsale und Zeichen, die die Endzeit kennzeichnen, führen beim wahren Gläubigen zu einer gesteigerten Erwartung sowie zu großer Freude und letztendlichem Triumph. Erlösung. Die zukünftige Vollendung der Erlösung, wenn die Erlösten für immer mit Christus vereint sein werden.
21,29 S. Anm. zu Mt 24,32-36; Mk 13,29-32.
21,34 jener Tag. Der Tag seiner Wiederkunft. S. Anm. zu Mt 24,37. Wenn Christus von seiner Wiederkunft spricht, mahnt er stets zu Wachsamkeit (vgl. 12,37-40; Mt 25,13; Mk 13,33-37).
21,36 wachet jederzeit und bittet. S. Anm. zu 18,1. dass ihr gewürdigt werdet. Ältere Handschriften lesen: »dass ihr Kraft haben möget«.
21,37 tagsüber. D.h. während der Tage dieser letzten Woche in Jerusalem.
22,1 das man Passah nennt. S. Anm. zu Mt 26,17. Das Passahfest dauerte nur einen Tag; darauf folgte das Fest der Ungesäuerten Brote (3Mo 23,5.6). Die gesamte Festzeit konnte mit einem dieser beiden Namen bezeichnet werden (vgl. V. 7).
22,2 obersten Priester und Schriftgelehrten. S. Anm. zu 19,47;
20,1 an einem jener Tage. Wahrscheinlich der Dienstag der Lei- denswoche. Der triumphale Einzug war am Sonntag und die Tempelreinigung am Montag. Die Ereignisse in diesem Kapitel passen in der Chronologie der Leidenswoche am besten auf den Dienstag. Dieses Kapitel beschreibt eine Reihe sorgfältig geplanter Angriffe aus Jesus durch die führenden Juden. die obersten Priester und die Schriftgelehrten samt den Ältesten. S. Anm. zu 19,47. Jede dieser Gruppen spielte eine besondere Rolle bei den verschiedenen nun folgenden Angriffen. Auch war jede Gruppe im Sanhedrin vertreten, dem jüdischen Hohen Rat (s. Anm. zu Mt 26,59). Das lässt vermuten, dass der Hohe Rat sich bereits versammelt und beschlossen hatte, gegen Jesus vorzugehen. Die Juden griffen ihn mit einer Reihe gezielter Fragen an, um ihn in eine Falle zu locken (s. Anm. zu V. 2.22.33). 20,1 denn sie fürchteten das Volk. Deshalb verschworen sie sich heimlich und hofften, ihn nach den Festtagen umbringen zu können, wenn Jerusalem nicht mehr so voller Pilger sein würde (vgl. V. 6; Mt 26,4.5; Mk 14,1.2). Doch die folgenden Ereignisse liefen nicht nach ihrem eigenen, sondern nach Gottes Zeitplan ab (s. Anm. zu Mt 26,2).
22,3 fuhr aber der Satan in Judas. D.h. Judas wurde vom Satan selbst besessen. Satan erlangte offenbar zweimal die direkte Herrschaft über Judas: Einmal unmittelbar bevor er seinen Verrat mit den Hohenpriestern verabredete und ein zweites Mal beim Letzten Abendmahl (Joh 13,27), unmittelbar bevor er den Verrat ausführte.
22,4 Hauptleuten. D.h. der Tempelwache. Das waren levitische Si- cherheitskräfte.
22,5 kamen überein, ihm Geld zu geben. Mt 26,15 berichtet von 30 Silberstücken. Das war der Preis eines Sklaven (2Mo 21,32).
22,7 der Tag der ungesäuerten Brote. D.h. der erste der Fest- tage (s. Anm. zu Mt 26,17). Die Juden aus Galiläa feierten das Passah am Donnerstagabend (s. Einleitung zu Johannes: Herausforderungen für den Ausleger); daher wurden die Lämmer am Nachmittag dieses Tages geschlachtet. Jesus und die Jünger aßen das Passahmahl an diesem Abend kurz nach Sonnenuntergang (als das Passahfest offi ziell begann). Die Juden aus Judäa hingegen feierten Passah einen Tag später, am Freitag.
22,8 Petrus und Johannes. Sie werden nur bei Lk identifi ziert. Geht hin, bereitet. Das war eine umfangreiche Aufgabe. Sie mussten das Passahlamm zur Opferung in den Tempel bringen und die Vorbereitungen für ein Abendessen für dreizehn Personen treffen (V. 14). Doch Jesus selbst hatte bereits die wichtigsten Vorkehrungen für das Abendmahl getroffen und der Eigentümer des Obersaals kümmerte sich für sie um viele Details. S. Anm. zu Mt 26,18.
22,10 ein Mensch … der einen Wasserkrug trägt. Wahrschein- lich gehörte das zur Vorbereitung des Abendmahls. Wasser zu tragen war normalerweise Aufgabe der Frauen, deshalb würde ein Mann mit einem Wasserkrug auffallen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Wasserkrug so etwas wie ein verabredetes Zeichen war. Dass Christus wusste, was der Mann in dem Augenblick tun würde, da die Jünger ihn zu sehen bekommen sollten, beweist seine göttliche Allwissenheit.
22,12 einen großen, mit Polstern ausgelegten Obersaal. Einer von vielen solcher Räume, die man in Jerusalem mieten konnte. Sie dienten ausdrücklich dem Zweck, Pilgern einen Platz zum Begehen der Feste zu bieten. Zur Einrichtung gehörte ein großer Esstisch und alle notwendigen Utensilien zum Zubereiten und Servieren eines Abendmahls.
22,14 als die Stunde kam. D.h. der Sonnenuntergang, mit dem das Passahfest offi ziell begann (s. Anm. zu V. 7). setzte er sich. D.h. legte sich auf die Polster.
22,15 Mich hat herzlich verlangt. Vgl. Joh 13,1. Er wollte sie auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen sollte.
22,16 erfüllt. Mit dem Tod Jesu am folgenden Tag wurden die Sym- bole des Passahmahls erfüllt. Das Passah war sowohl ein Gedächtnismahl an die Befreiung aus Ägypten als auch ein prophetische Vorschattung auf das Opfer Christi. 22,17 er nahm den Kelch. Lukas erwähnt zwei Kelche (vgl. V. 20). Am Passah-Seder wurden vier Kelche mit verdünntem Rotwein unter den Anwesenden geteilt. Dieser Kelch war der erste dieser vier (der Kelch der Danksagung) und leitete die Einsetzung des Herrenmahls ein (s. Anm. zu 1Kor 10,16). Er markierte das Ende der Zeit des gemeinsamen Essens und Trinkens mit den Jüngern, das zum Passah gehörte (V. 18; vgl. 5,34.35; Mt 9,15; 26,29; s. Anm. zu Mk 14,25). 22,19 Das ist mein Leib. Das Brot repräsentierte seinen Leib (vgl. die Formulierung in 8,11: »Der Same ist das Wort Gottes«; ebenso V. 20). Solche bildhafte Sprache ist für das Hebräische typisch. Hier wurde weder ein eucharistisches Wunder der Transsubstantiation eingeführt noch konnten seine Jünger die Symbolik dieser Aussage missverstehen, denn sein tatsächlicher, noch nicht zerbrochener Leib war direkt vor ihren Augen. S. Anm. zu Mt 26,26. das tut. Damit begründete er die Beobachtung dieses Mahls als Verordnung für die Anbetung in der Gemeinde (s. Anm. zu 1Kor 11,23-26). zu meinem Gedächtnis. Das Passah hatte auf das damals noch zukünftige Opfer Jesu hingedeutet. Doch Christus machte aus dem Seder eine gänzlich andere Zeremonie: eine Gedächtnisfeier, die auf seinen Erlösungstod zurückblickt. 22,20 auch den Kelch. Das ist der dritte (der Kelch der Segnung) der vier Kelche bei der Passahfeier (s. Anm. zu 1Kor 10,16). nach dem Mahl. Vgl. 1Kor 11,25. Diese beiden Verse sind in ihrer Form praktisch identisch. Paulus schrieb, er habe seine Information über dieses Ereignis vom Herrn selbst empfangen (1Kor 11,23). Dieser Kelch ist der neue Bund. Der Kelch repräsentiert eindeutig nur den Neuen Bund (s. Anm. zu V. 19).
22,21 die Hand dessen, der mich verrät, ist mit mir. Lukas ordnet die Einzelheiten des Abendmahls nicht in zeitlicher, sondern in thematischer Reihenfolge (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1,3). Matthäus und Markus platzieren die Ankündigung des Verrats vor dem Austeilen von Brot und Kelch; nur Lukas platziert es danach. Nur Joh 13,30 berichtet über den Weggang des Judas aus dem Obersaal, aber Johannes erwähnt dafür Brot und Wein nicht. Daher ist es schwierig, durch einen Vergleich zu bestimmen, ob Judas den Obersaal vor oder nach dem Abendmahl verlassen hat. Allerdings scheint die Beschreibung des Lukas zu besagen, dass Judas tatsächlich beim Mahl dabei war. Wenn das stimmt, macht das seine Heuchelei und sein Verbrechen nur umso schändlicher (vgl. 1Kor 11,27-30).
22,22 wie es bestimmt ist. Jede Einzelheit der Kreuzigung Christi unterstand dem souveränen Walten Gottes und geschah im Einklang mit seinem ewigen Ratschluss. Vgl. Apg 2,23; 4,26-28. aber wehe. Dass der Verrat des Judas zum Plan Gottes gehörte, befreit Judas nicht von der Schuld an seinem Verbrechen, auf das er sich willentlich eingelassen hatte. Gottes Souveränität ist nie eine Ausrede für die Schuld des Menschen.
22,24 ein Streit. Vgl. 9,46; Mt 20,20-24. Dieser Streit war vielleicht die Ausgangssituation für die Fußwaschung (Joh 13,1-20). Der Disput zeigt, wie sehr die Frage nach der Größe das Denken der Jünger bestimmte und wie wenig sie von all dem begriffen hatten, was der Herr sie gelehrt hatte.
22,25 Wohltäter. Vgl. Mt 20,25. Diesen Titel verwendeten die heidnischen Herrscher sowohl in Ägypten als auch in Syrien. Allerdings war er eine höchst unpassende Bezeichnung. Damit wollten die Herrscher sich selbst als große Gönner ihres Volkes darstellen, während viele »Wohltäter« in Wirklichkeit große Tyrannen waren.
22,26 der Dienende. Vgl. Mt 20,26-28. Offensichtlich bezieht er sich damit auf die Fußwaschung (s. Anm. zu V. 24). Christus selbst ist in seinem gesamten Wirken das Vorbild für diese dienende Haltung (V. 27; vgl. Phil 2,5-8).
22,28 meinen Anfechtungen. Das ganzes Leben und Wirken Christi war voller Versuchungen (4,1-13); Entbehrungen (9,58); Sorgen (19,41); und Nöte (V. 44), ganz zu schweigen von den Leiden am Kreuz, von denen er wusste, dass sie nun bevorstanden.
22,29 so übergebe ich euch ein Königtum. Der Herr bestätigte die Erwartung der Jünger auf ein künftiges irdisches Reich. Es sollte zwar nicht in der Zeit und auf die Weise kommen, wie sie es erhofft hatten, doch er bestätigte die Verheißung, dass ein solches Reich tatsächlich aufgerichtet wird. Außerdem sollten sie eine führende Rolle in diesem Reich einnehmen (V. 30; vgl. Mt 19,28).
22,30 die zwölf Stämme Israels zu richten. An der Formulierung ist zu erkennen, dass es sich um eine Verheißung bezüglich des Tausendjährigen Reiches handelt. S. Anm. zu Offb 20,4. 22,31 Simon, Simon. Die Wiederholung des Namens (vgl. 10,41; Apg 9,4) gibt der Warnung zusätzlichen Ernst. Christus selbst hatte Simon den Namen Petrus gegeben (6,14), aber hier greift er wieder auf seinen alten Namen zurück – vielleicht um das fl eischliche Selbstvertrauen des Petrus umso deutlicher zu tadeln. Außerdem zeigt der Zusammenhang, dass Petrus möglicherweise einer der Wortführer im Streit aus V. 24 war. Satan hat euch begehrt. Wenngleich diese Warnung speziell an Petrus gerichtet war, so waren die anderen Jünger darin ebenso eingeschlossen. Das Pronomen steht im Plural (»euch«). zu sichten wie den Weizen. Das Bild ist sehr treffend: Es verdeutlicht, dass solche Versuchungen zwar unliebsam sind, doch eine notwendige läuternde Wirkung haben.
22,32 ich aber habe für dich gebetet. Nun spricht der Herr Petrus in der Einzahl an (»dich«) an (s. Anm. zu V. 31). Obgleich er für sie alle gebetet hat (Joh 17,6-19), sichert er hier Petrus persönlich sein Gebet zu und verheißt ihm den letztendlichen Sieg und ermutigt Petrus sogar, die anderen zu ermutigen. dass dein Glaube nicht aufhöre. Petrus selbst versagte kläglich, doch sein Glaube wurde nicht ausgelöscht (vgl. Joh 21,18.19).
22,34 geleugnet. Diese Voraussage der Verleugnung des Petrus traf Jesus offenbar im Obersaal (vgl. Joh 13,38). Mt 26,34 und Mk 14,30 berichten von einem zweiten, fast identischen Wort auf dem Ölberg auf dem Weg zum Garten Gethsemane (vgl. Mt 26,30ff; Mk 14,26ff).
22,35 Als ich euch aussandte. Vgl. 9,3; 10,4.
22,36 Aber jetzt. Bei der früheren Aussendung hatte der Herr in seiner Souveränität dafür gesorgt, dass ihnen nichts fehlte. Doch von jetzt an sollten sie mit normalen Mitteln für ihren Lebensunterhalt und ihre Sicherheit sorgen. Der Geldbeutel, die Tasche und das Schwert sind bildhafte Beschreibungen dieser Mittel (wobei das Schwert kein Symbol für Angriff, sondern für Verteidigung ist). Doch sie verstanden seine Worte irrtümlicherweise wörtlich (V. 38).
22,37 Ein Zitat aus Jes 53,12.
22,38 zwei Schwerter. Das waren kurze, dolchartige Waffen und eher Messer als Schwerter. In jener Kultur war es nicht ungewöhnlich, solche Waffen mit sich zu führen. Außer als Waffe im Kampf hatten sie eine vielfältige praktische Verwendung. Es ist genug! D.h. genug von diesem Gerede (vgl. V. 51).
22,39 Ölberg. S. Anm. zu 19,29; Mt 24,3. Es folgten ihm aber auch seine Jünger. Mt 26,36.37 und Mk 14,32.33 nennen weitere Einzelheiten. Er verließ die meisten der Jünger am Eingang zum Garten Gethsemane und nahm nur Petrus, Jakobus, und Johannes mit sich in den Garten, um dort zu beten.
22,40 an den Ort. Gethsemane. S. Anm. zu Mt 26,36; Mk 14,32. Betet. Er hatte sie bereits gewarnt – und Petrus besonders –, dass eine enorme Versuchung bevorstand (V. 31). Leider verklangen sowohl diese Warnung als auch seine Aufforderung zum Gebet unbeachtet.
22,41 ungefähr einen Steinwurf weit. D.h. in Hörweite. Sein Ge- bet war unter anderem auch zu ihrem Segen (vgl. Joh 11,41.42). 22,42 diesen Kelch. D.h. den Kelch des Zornes Gottes (vgl. Jes 51,17.22; Jer 25,15-17.27-29; Kla 4,21.22; Hes 23,31-34; Hab 2,16). nicht mein … Wille. Vgl. Mt 26,39; Joh 4,34; 5,30; 6,38; 8,29. Das bedeutet nicht, es habe ein Konfl ikt bestanden zwischen dem Willen des Vaters und dem Willen des Sohnes. Dass er vor diesem Kelch des Zornes Gottes zurückschreckte, war vielmehr ein völlig normaler Ausdruck seines Menschseins (s. Anm. zu Mt 26,39). Doch obwohl der Kelch für ihn so entsetzlich war, nahm er ihn bereitwillig an, weil das der Wille des Vaters war. In diesem Gebet unterwarf er sein ganzes menschliches Empfi nden bewusst und freiwillig dem vollkommenen Willen des Vaters. Somit bestand weder zwischen dem Vater und dem Sohn ein Konfl ikt noch zwischen der Gottheit Christi und seinem menschlichen Empfi nden.
22,43 Die Einzelheiten dieses Verses werden nur von Lukas, dem Arzt, überliefert.
22,44 wie Blutstropfen. Das lässt den gefährlichen Zustand ver- muten, der bekannt ist als Hämatidrosis, bei dem Blut in die Schweißdrüsen gelangt. Er kann verursacht werden durch extreme Angst oder körperliche Belastung. Die Kapillargefäße unter der Haut erweitern sich und platzen und so vermischt das Blut sich mit dem Schweiß. Christus selber sagte, dass er in seiner Angst an der Schwelle des Todes stand (s. Anm. zu Mt 26,38; Mk 14,34; vgl. Hebr 12,3.4).
22,45 schlafend vor Traurigkeit. Vgl. 9,32. Die emotionale Belas- tung ermüdete die Jünger ebenso wie Christus. Sie reagierten jedoch mit Resignation und gaben einem fl eischlichen Verlangen nach. So folgten sie ihrer unmittelbaren Müdigkeit, anstatt wach zu bleiben und um Kraft zu bitten, wie Christus ihnen befohlen hatte (V. 40). Alle Gründe für ihr anschließendes Versagen lassen sich aus ihrem Verhalten im Garten Gethsemane aufzeigen.
22,46 Steht auf und betet. Ein sanfter Aufruf an die Jünger, die ihm in ihrer Schwäche in einem entscheidenden Augenblick ungehorsam gewesen waren. Vielleicht forderte er sie zum Stehen auf, damit sie ihre Müdigkeit besser überwinden konnten. Mt 26,43 und Mk 14,40 zeigen, dass er sie mindestens ein weiteres Mal schlafend fand.
22,47 eine Schar. Das war eine schwerbewaffnete Gesandtschaft des Sanhedrins (Mt 26,47; Mk 14,43), begleitet von einer römischen Kohorte mit Laternen, Fackeln und Waffen (Joh 18,3).
22,48 Kuss. Eine typische Begrüßung, doch in diesem Fall war es das verabredete Zeichen, mit dem Judas Christus identifi zierte, sodass die Soldaten ihn erkennen und festnehmen konnten (vgl. Mt 26,48.49; s. Anm. zu Mk 14,44).
22,50 hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Alle vier Evangelien berich- ten von diesem Vorfall. Nur Johannes identifi ziert den Täter als Petrus und das Opfer als einen Mann namens Malchus (Joh 18,10), und nur Lukas, der Arzt, berichtet von der darauffolgenden Heilung (V. 51).
22,51 Lasst ab davon! D.h. beim Verrat und der Verhaftung (vgl. Joh 18,11). Alles lief nach Zeitplan ab (s. Anm. zu V. 22). rührte sein Ohr an und heilte ihn. Das ist der einzige Fall in der ganzen Bibel, wo Christus eine frische Wunde heilt. Dieses Wunder ist auch darin einzigartig, dass Christus einen Feind heilte, der ihn nicht darum bat und keine Anzeichen des Glaubens erkennen ließ. Außerdem ist bemerkenswert, dass selbst ein so spektakuläres Wunder keinerlei Auswirkung auf die Herzen der Männer zeigte, ebenso wenig wie die unwiderstehliche Kraft der Worte Jesu, die sie zu Boden fallen ließ (Joh 18,6). Sie setzten die Verhaftung fort, als sei nichts geschehen (V. 54).
22,53 dies ist eure Stunde. D.h. Nacht, die Stunde der Fins- ternis. Sie hatten nicht den Mut gehabt, ihn in aller Öffentlichkeit im Tempel gefangen zu nehmen, wo er täglich öffentlich gelehrt hatte. Ihre feige Taktik verriet, was wirklich in ihren Herzen war. Die Nacht war eine passende Zeit für die Diener der Macht der Finsternis (Satan), um ihr Werke auszuführen (vgl. Joh 3,20.21; Eph 5,8.12-15; 1Th 5,57).
22,54 das Haus des Hohenpriesters. Das Haus des Kajaphas. S. Anm. zu Mt 26,57. Petrus aber folgte von ferne. Alle vier Evangelien berichten darüber. Johannes erwähnt, dass noch ein weiterer Jünger – wahrscheinlich Johannes selber – ebenfalls folgte (Joh 18,15).
22,56 eine Magd. Alle vier Evangelien erwähnen sie. Offenbar war sie die Türhüterin von Hannas’ Haus (vgl. Mt 26,69; Mk 14,66; Joh 18,17).
22,57 Er aber verleugnete ihn. Joh 18,13-18 besagt, diese erste Verleugnung habe stattgefunden, als Jesus von Hannas, dem Schwiegervater des Kajaphas, verhört wurde (s. Anm. zu 3,2). Beide Berichte erwähnen ein Feuer im Hof (V. 55; Joh 18,18), daher ist es denkbar, dass die Häuser von Hannas und Kajaphas einen gemeinsamen Hof hatten. Nur Johannes berichtet vom Verhör bei Hannas; somit beschrieben die anderen Evangelien die dreifache Verleugnung des Petrus so, als habe sie im Hof des Hauses von Kajaphas stattgefunden.
22,58 sah ihn ein anderer. Mk 14,69 sagt, diese zweite Frage an Petrus sei von derselben jungen Magd gestellt worden, die ihn zuerst erkannt hatte (V. 56). Diese angebliche Diskrepanz lässt sich problemlos aufl ösen, wenn man bedenkt, dass Petrus sich unter vielen Beistehenden aufhielt und von mehreren gleichzeitig gefragt wurde (Mt 26,73). Er reagierte mit dieser zweiten Verleugnung. 22,59 er ist ein Galiläer. Das erkannten sie an seinem Dialekt (Mt 26,73).
22,61 der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Nur Lukas berichtet von diesem Blickkontakt zwischen Jesus und Petrus. Das verwendete Verb beschreibt ein Schauen, bei dem man den Angeschauten mit den Augen fi xiert. Dass Jesus Petrus sehen konnte, lässt annehmen, dass die Männer, die Jesus festhielten, ihn bereits in den Hof geführt hatten, um ihn zu schlagen (V. 63). erinnerte sich Petrus. S. Anm. zu Mt 26,75; Mk 14,72.
22,63 verspotteten und misshandelten ihn. Lukas bietet keine Einzelheiten vom erstem Verhör des Herrn bei Kajaphas, wie es in Mt 26,59-68 und Mk 14,55-65 überliefert ist. Die hier beschriebene Misshandlung fand offenbar nach diesem ersten Verhör statt, bevor der Sanhedrin sich zu seiner offi ziellen Verhandlung versammeln konnte (V. 66).
22,66 als es Tag geworden war. Gerichtsverhandlungen die nachts abgehalten wurden, sah man als unrechtmäßig an, daher wartete der Sanhedrin pfl ichtbewusst bis zum Tagesanbruch, um das Urteil auszusprechen, über das sie ohnehin bereits übereingekommen waren (vgl. Mt 26,66; Mk 14,64).
22,67 Bist du der Christus? Der Sanhedrin stellte ihm dieselben Fragen, die man ihm bereits im nächtlichen Verhör gestellt hatte, und seine Antworten waren im Grunde dieselben (vgl. V. 67-71; Mt 26,6366; Mk 14,61-64).
23,1 die ganze Versammlung. Der ganze Sanhedrin, etwa 70 Männer. Mindestens ein Ratsmitglied, Joseph von Arimathia, stimmte ihrer Verurteilung nicht zu (V. 50-52). führten ihn vor Pilatus. S. Anm. zu Mt 27,2.
23,2 abhalten will, dem Kaiser die Steuern zu zahlen. Das war eine vorsätzliche Lüge. Mitglieder des Sanhedrins hatten Jesus öffentlich darüber befragt (wobei sie gehofft hatten, ihn beim Volk in Missgunst zu bringen) und er hatte ausdrücklich das Recht des Kaisers bestätigt, Steuern zu verlangen (20,20-25). Er behauptet, er sei Christus, der König. Damit wollten sie indirekt sagen, er führe eine aufrührerische Absicht gegen Rom im Schilde. Das war eine weitere Lüge.
23,3 Du sagst es. In Joh 18,33-37 ist die Antwort des Herrn auf diese Frage ausführlicher überliefert.
23,4 keine Schuld. Die jüdischen Führer versuchten zwar ver- zweifelt, ihn anzuklagen, doch Pilatus war sich gewiss, dass Jesus kein Aufrührer war. Aber das aufgebrachte Volk schüchterte ihn ein und so fürchtete er sich, Jesus freizusprechen. Die Auskunft, dass Jesus ein Galiläer war, erleichterte ihn, denn damit hatte er eine Ausrede und konnte ihn zu Herodes schicken (V. 5.6).
23,7 Herrschaftsgebiet des Herodes. S. Anm. zu 13,31. sandte er ihn zu Herodes. Herodes war zum Fest nach Jerusalem gekommen und Pilatus nutzte diese Gelegenheit, sich aus einer politischen Klemme zu befreien, indem er Jesus zu seinem Rivalen sandte. S. Anm. zu V. 12.
23,8 hätte ihn schon längst gern gesehen. Das Interesse des Herodes an Christus wurde dadurch geschürt, dass Jesus ihn an seinen verstorbenen Kritiker Johannes den Täufer erinnerte (vgl. 9,7-9). Einmal hatte Herodes offenbar gedroht, Jesus umzubringen (13,31-33), doch da Christus sich mehr in Judäa aufhielt als in Galiläa und Peräa (wo Herodes herrschte), war der König nur von Neugier getrieben.
23,9 gab ihm keine Antwort. Bei all den verschiedenen Verhören Jesu war Herodes der einzige, dem er jedes Gespräch verweigerte. Vgl. Mt 7,6. Herodes hatte die Wahrheit längst verworfen, als Johannes der Täufer sie ihm sagte. Somit wäre es zwecklos gewesen, hätte der Herr ihm geantwortet. Vgl. Jes 53,7; Ps 38,14.15; 39,2.3.10; 1Pt 2,23.
23,11 Kriegsleuten. Seinen Sicherheitskräften. verachtete. Hero- des nahm die Begegnung mit Christus und die Anklagen gegen ihn zur Gelegenheit, sich zur Belustigung von Pilatus einen Scherz zu erlauben (V. 12). ein Prachtgewand. Oder »glänzendes Gewand«. Wahrscheinlich ein anderes Gewand als das aus Mt 27,28, welches ein Militärmantel war. Hier war es ein elegantes Königsgewand. Wahrscheinlich war es ein Stück aus der Garderobe des Herodes, auf das er verzichten konnte.
23,12 Freundschaft. Sie gründete sich auf ihre gemeinsame unge- rechte und feige Behandlung Jesu.
23,13 rief … zusammen. Pilatus wollte Christus für unschuldig er- klären (V. 14) und beabsichtigte, sein Urteil möglichst öffentlich auszusprechen. Zweifellos erwartete er, dass er damit die ganze Angelegenheit zu den Akten legen könne. 23,14.15 Pilatus und Herodes stimmten in dem Urteil überein (vgl. 1Tim 6,13).
23,16 will ich ihn züchtigen. Vgl. V. 22. Obwohl Pilatus feststellte, dass er keines Vergehens schuldig war, wollte er ihn geißeln lassen, nur um die Juden zufrieden zu stellen. Doch auch diese äußerst schwere Strafe (s. Anm. zu Mt 27,26) konnte sie nicht zufriedenstellen.
23,17 Er musste ihnen … einen freigeben. Weil es ein alter jüdi- scher Brauch war (Joh 18,39). Die Römer achteten diese Tradition.
23,18 Barabbas. S. Anm. zu Mk 15,7.
23,21 kreuzige ihn! Die Kreuzigung war die schmerzhafteste und schändlichste Hinrichtungsform der Römer. S. Anm. zu Mt 27,31.
23,22 zum dritten Mal. Pilatus bezeugte immer wieder ausdrück- lich die Unschuld Jesu (V. 4.14.15). Damit verurteilte er nicht nur die Juden, die den Tod Jesu verlangten, sondern auch sich selbst, weil er den Retter ohne Grund dem Tod übergab.
23,24 entschied Pilatus. Pilatus’ Reaktion zeigt, wie inkonsequent er war. Sein Wunsch, aus politischen Gründen die Gunst der Juden zu gewinnen, war größer als sein Wunsch, Jesus freizulassen (vgl. V. 20). Der Bericht in Joh 18,39 – 19,16 nennt wesentlich mehr Einzelheiten, wie Pilatus zu der Entscheidung kam, Jesus trotz allem zu verurteilen.
23,26 Simon von Kyrene. Alle drei synoptischen Evangelien erwäh- nen Simon. S. Anm. zu Mt 27,32; Mk 15,21.
23,28 Ihr Töchter Jerusalems. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass diese Frauen Jünger Jesu waren. Vielleicht waren sie professionelle Klageweiber, die bei jüdischen Todesfällen obligatorisch waren (s. Anm. zu Mt 9,23) und wahrscheinlich auch bei besonderen Hinrichtungen ihr Klagegeschrei erhoben. weint vielmehr über euch selbst. Die Entgegnung des Herrn war eine prophetische Warnung. Nur Lukas hat diese Worte überliefert.
23,29 Glückselig sind die Unfruchtbaren. Es wird eine Zeit kom- men, da kinderlose Frauen glücklich geschätzt werden, weil sie keine Kinder haben, deren Tod sie beklagen müssen.
23,30 sagen. Ein Zitat aus Hos 10,8. Vgl. Offb 6,16.17; 9,6.
23,31 grünen Holz … dürren. Das war wohl ein bekanntes Sprich- wort, das hier wahrscheinlich bedeutet: Wenn die Römer schon eine solche Gräueltat an Jesus verübten (das »grüne Holz« – jung, stark und voller Leben), was würden sie dann erst mit der jüdischen Nation tun (dem »dürren Holz« – alt, unfruchtbar und reif zum Gericht)?
23,32 zwei andere … Übeltäter. S. Anm. zu Mt 27,38; Mk 15,27.
23,33 Schädelstätte. In der lateinischen Bibel steht hier Calvaria, was das lat. Äquivalent zu Golgatha ist. S. Anm. zu Mt 27,33; Mk 15,22. kreuzigten. S. Anm. zu Mt 27,31.
23,34 vergib ihnen. D.h. seinen Peinigern, sowohl den Juden als auch den Römern (vgl. Apg 7,60). Eine Frucht dieses Gebets ist die Errettung tausender Menschen am Pfi ngsttag in Jerusalem (Apg 2,41). denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie waren sich der vollen Bedeutung ihrer Freveltat nicht bewusst. Sie erkannten ihn nicht als ihren Messias (Apg 13,27.28). Sie waren blind für das Licht der göttlichen Wahrheit, »denn wenn sie sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt« (1Kor 2,8). Doch ihre Unwissenheit bedeutete sicherlich nicht, dass sie Vergebung verdienten. Vielmehr war ihre geistliche Blindheit an sich schon ein Erweis ihrer Schuld (Joh 3,19). Doch das Gebet des Herrn in gerade dem Augenblick, da sie ihn am schändlichsten behandelten, ist ein Ausdruck der grenzenlosen Barmherzigkeit und Gnade Gottes. warfen das Los. S. Anm. zu Mt 27,35; Mk 15,24.
23,35 spotteten. Vgl. Ps 22,7.8.17-19.
23,36 Essig. Vgl. Ps 69,22; s. Anm. zu Mt 27,34.
23,38 eine Inschrift. Alle vier Evangelisten erwähnen diese In- schrift, doch jeder gibt eine etwas andere Variante wieder. Sowohl Lukas als auch Johannes (19,20) schreiben, dass die Inschrift auf Griechisch, Lateinisch und Hebräisch war. Daher geben die vier Evangelien möglicherweise einfach verschiedene Übersetzungen der Inschrift wieder. Noch wahrscheinlicher ist, dass alle vier Evangelisten die Inschrift verkürzt und sinngemäß wiedergeben, wobei jeder einen anderen Teil der vollständigen Inschrift auslässt. Alle vier stimmen mit Markus überein, dass die Inschrift besagte: Der König der Juden (Mt 27,37; Mk 15,26; Joh 19,19). Lukas stellt »dies ist« voran und Matthäus beginnt mit »dies ist Jesus«. Johannes beginnt mit »Jesus von Nazareth«. Wenn man alle Varianten zusammenfügt, ergibt sich als vollständige Inschrift: »Dies ist Jesus von Nazareth, der König der Juden«.
23,39 Einer der gehängten Übeltäter. Mt 27,44 und Mk 15,32 berichten, dass beide Verbrecher Christus zusammen mit der Volksmenge verspotteten. Doch als die Stunden verstrichen, wurde das Gewissen dieses Verbrechers angerührt und er kam zur Buße. Als der reulose Verbrecher seinen Spott wiederholte (V. 39), wies dieser ihn zurecht und weigerte sich, wieder in den Spott einzustimmen.
23,41 dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Vgl. V. 4.15.22. Sogar der Verbrecher bezeugte die Unschuld Jesu.
23,42 Herr, gedenke an mich. Das Gebet des bußfertigen Ver- brechers zeugt von seinem Glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt, dass Christus das Recht hat, über die Seelen der Menschen zu herrschen und dass Christus bald sein Reich antreten würde, obwohl er kurz vor seinem Tod stand. Mit dieser Bitte, Jesus möge an ihn denken, fl ehte er um Erbarmen. Das zeigt außerdem, dass der Verbrecher verstand, dass die Gnade Gottes seine einzige Hoffnung war und dass es in der Macht Jesu stand, ihm diese Gnade zu erweisen. Alle diese Einzelheiten zeigen, dass der sterbende Verbrecher wahren Glauben hatte. Daher sicherte Christus in seiner Gnade diesem Mann die Errettung zu (V. 43).
23,43 Paradies. Dieses Wort kommt im NT nur zwei weitere Male vor: in 2Kor 12,4 und Offb 2,7. Es bedeutet ursprünglich »Garten« (in der LXX wird es für Eden verwendet), doch in den drei Vorkommen im NT bezieht es sich stets auf den Himmel.
23,44 sechste Stunde … bis zur neunten Stunde. Von 12.00 Uhr mittags bis 15.00 Uhr. Lukas verwendete die jüdische Zeitrechnung. S. Anm. zu Mt 27,45; Mk 15,25. Finsternis. S. Anm. zu Mk 15,33. Diese Finsternis konnte keine normale Sonnenfi nsternis sein, da der jüdische Kalender von den Mondphasen bestimmt war und das Passah stets auf einen Vollmond fi el. Somit kommt eine Sonnenfi nsternis (die nur bei Neumond auftreten kann) nicht in Frage. Diese Finsternis war ein übernatürliches Phänomen.
23,45 Vorhang. S. Anm. zu Mt 27,51.
23,46 in deine Hände. Ein Zitat aus Ps 31,6. Die Art und Weise seines Sterbens entspricht Joh 10,18. Gekreuzigte starben normalerweise einen viel langsameren Tod. Jesus aber war hier souverän und gab einfach seine Seele auf (Joh 10,18; 19,30) und befahl sie Gott an. So hat er »sich selbst durch den ewigen Geist als ein makelloses Opfer Gott dargebracht« (Hebr 9,14).
23,47 der Hauptmann. S. Anm. zu Mt 27,54. dieser Mensch war gerecht. Mt 27,54 und Mk 15,39 überliefern die Aussage des Hauptmanns: »Dieser [Mensch] war der Sohn Gottes«. Entweder gibt Lukas eine gleichbedeutende Aussage wieder oder – was wahrscheinlicher ist – der Hauptmann sagte beides.
23,48 schlugen sie sich an ihre Brust. Nur Lukas berichtet von diesem Ausdruck der Gewissensnot und Beklemmung (vgl. 18,13). 23,49 die Frauen … von Galiläa. Mt 27,56 und Mk 15,40.41 (s. Anm. dort) berichten, dass folgende Frauen dazugehörten: Maria Magdalene (s. Anm. zu 8,2); Maria, die Mutter von Jakobus (dem Jüngeren) und Joses; Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes und viele andere. Die gleichen Frauen waren bei seiner Grablegung zugegen (V. 55; Mt 27,61; Mk 15,47) und bei seiner Auferstehung (24,1; Mt 28,1; Mk 16,1). Somit waren sie Augenzeugen aller entscheidenden Ereignisse des Evangeliums (vgl. 1Kor 15,3.4).
23,50 Joseph. S. Anm. zu Mt 27,57; Mk 15,43; Joh 19,38. Alle vier Evangelisten erwähnen ihn. Markus und Lukas identifi zieren ihn als Mitglied des Sanhedrins und nur Lukas bemerkt, dass er dem Urteil des Hohen Rates nicht zugestimmt hatte (V. 51).
23,51 auf das Reich Gottes wartete. D.h. er glaubte an den An- spruch Jesu. Joh 19,38 bezeichnet ihn als geheimen Jünger.
23,53 ein in Felsen gehauenes Grab. Joseph war wohlhabend und hatte das Grab zweifellos für seine eigene Familie errichtet, doch es war bisher ungenutzt geblieben. Dass Christus dort begraben wurde, war eine wunderbare Erfüllung von Jes 53,9.
23,54 Rüsttag. Der Freitag vor dem Sabbat.
23,55 sahen … wie sein Leib hineingelegt wurde. Joh 19,39 zufolge brachte Nikodemus hundert Pfund Gewürze und Aloe (die er wahrscheinlich beschafft hatte, während Joseph mit Pilatus um den Leib Jesu verhandelte) und er und Joseph wickelten den Leichnam mit den Gewürzen in Leintücher. Diese Frauen aus Galiläa kannten die Judäer Joseph und Nikodemus wahrscheinlich nicht. Schließlich hatten beide Männer mit den führenden Juden zu tun, die sich gemeinsam gegen Jesus verschworen hatten (V. 50; Joh 3,1). Deshalb »kehrten sie zurück« (d.h. sie gingen nach Hause), um ihre eigenen Gewürze und Duftstoffe zu bereiten (V. 56). Der Leichnam Jesu musste vor Sonnenuntergang (der Sabbatbeginn) im Grab untergebracht sein und so wurden sie mit der Einbalsamierung nicht rechtzeitig fertig. Mk 16,1 sagt, dass sie noch weitere Gewürze kauften, »als der Sabbat vorüber war«, d.h. am Samstag nach Sonnenuntergang. Dann kehrten sie am Sonntagmorgen mit den Gewürzen zum Grab zurück (24,1), in der Erwartung, die Aufgabe zu Ende zu führen, die durch den beginnenden Sabbat unterbrochen worden war.
24,1 brachten die wohlriechenden Gewürze. S. Anm. zu 23,55. Die Frauen erwarteten nicht, Christus als Auferstandenem zu begegnen, sondern hatten einfach vor, den Leichnam fertig einzubalsamieren. S. Anm. zu Mk 16,1.
24,2 den Stein von dem Grab weggewälzt. Mt 28,2-4 berich- tet, dass ein Erdbeben geschah und ein Engel den Stein wegrollte. Die römischen Wachen wurden vor Angst ohnmächtig. Markus, Lukas und Johannes erwähnen die Wachen nicht. Das heißt, dass sie wahrscheinlich fl ohen, nachdem sie aufgewacht waren und das leere Grab sahen.. Kurz darauf müssen die Frauen am Grab eingetroffen sein. 24,4 zwei Männer. Engel. Nur Lukas erwähnt beide (s. Anm. zu Mk 16,5). Markus spricht nur von dem einen, der für beide sprach. Solche geringfügigen Unterschiede in den Evangelienberichten sind alle erklärbar. Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse der Auferstehung, die aus allen vier Evangelien zusammengestellt wurde: Als die Frauen sahen, dass der Stein vom Grab weggerollt war, gingen sie ins Grab hinein und stellten fest, dass es leer war (V. 3). Während sie noch im Grab waren, erschienen plötzlich die Engel (V. 4; Mk 16,5). Der Engel, der das Wort führte, erinnerte sie an die Verheißungen des Herrn (V. 6-8) und schickte die Frauen dann zu Petrus und den anderen Jüngern, um ihnen zu berichten, dass Jesus auferstanden war (Mt 28,7.8; Mk 16,7.8). Die Frauen befolgten diese Aufforderung (V. 9-11). Die Jünger waren zunächst skeptisch (V. 11), liefen aber zum Grab. Johannes kam zuerst dort an (Joh 20,4), aber Petrus ging als erster tatsächlich ins Grab (Joh 20,6). Sie sahen, dass die Leinentücher unversehrt, aber leer dort lagen, was bewies, dass Jesus auferstanden war (V. 12; Joh 20,6-8). Sofort darauf gingen die Jünger weg (V. 12; Joh 20,10). Inzwischen kehrte Maria Magdalena zum Grab zurück und stand weinend davor, als plötzlich Christus ihr erschien (Joh 20,11-18). Das war seine erste Erscheinung (Mk 16,9). Irgendwann kurz darauf erschien er auch den anderen Frauen auf dem Weg (Mt 28,9.10). Später an diesem Tag erschien er zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (V. 13-32) sowie dem Petrus (V. 34). Für eine chronologische Aufl istung aller Erscheinungen des Auferstandenen s. Anm. zu V. 34.
24,6 wie er zu euch redete … in Galiläa. S. Anm. zu 9,22; 18,31- 33.
24,9 allen übrigen. D.h. den anderen Jüngern, die größtenteils aus Galiläa stammten und die zum Passah in Jerusalem waren.
24,10 Maria Magdalena. S. Anm. zu 8,2. Sie war die erste, die Jesus als Auferstandenen sah (Mk 16,9; Joh 20,11-18). S. Anm. zu V. 4. Johanna. Ihr Ehemann war der Verwalter von Herodes. S. Anm. zu 8,3. Maria, die Mutter des Jakobus. S. Anm. zu Mt 27,56. die übrigen. Frauen, die nirgends näher identifi ziert werden (vgl. 23,49.55).
24,11 Märchen. Die Kunde der Auferstehung erschien ihnen als Unsinn.
24,12 Petrus … lief. Johannes lief zusammen mit Petrus und kam sogar als erster am Grab an (Joh 20,4). leinenen Tücher. Die leere Hülle der Tücher, in denen der Leichnam gelegen hatte.
24,13 zwei von ihnen. Sie gehörten offensichtlich nicht zu den elf Jüngern. In V. 18 erfahren wir, dass einer von ihnen Kleopas hieß. Emmaus. Dieser Ort wird nirgends sonst in der Bibel erwähnt. Seine Lage ist nicht bekannt, doch die Tradition besagt, es sei eine heute unter dem Namen Kubeibeh bekannte Stadt etwa 11 km nordwestlich von Jerusalem.
24,16 Ihre Augen aber wurden gehalten. Gott verhinderte, dass sie ihn erkannten.
24,18 Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem. Die Kreu- zigung Jesu hatte sich bereits in ganz Jerusalem so herumgesprochen, dass die zwei entsetzt waren, dass er davon offenbar nichts wusste.
24,21 Wir aber hofften. Sie hatten auf ein sofortiges irdisches Reich gehofft. Als Jesus gekreuzigt wurde, rangen sie offenbar mit Zweifeln, ob er wirklich der Messias war, der zur Herrschaft kommen sollte. Doch hielten sie ihn immer noch für einen wahren Propheten (V. 19). der dritte Tag. Vielleicht schwingt in diesen Worten ein leichter Hoffnungsschimmer mit. Ihnen waren bereits Gerüchte über seine Auferstehung zu Ohren gekommen (V. 22-24). Vielleicht erinnerte sich Kleopas an die Verheißungen des Herrn aus 9,22 und 18,33. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er auf diese Weise sein Erstaunen ausdrückte, dass dieser Fremde noch nicht die Neuigkeit kannte, die während der letzten drei Tage in Jerusalem in aller Munde gewesen war. 24,24 etliche der Unsrigen. Petrus und Johannes (s. Anm. zu V. 12). ihn selbst aber haben sie nicht gesehen. Das stimmte. Kleopas und sein Begleiter wussten offenbar noch nichts davon, dass Jesus Maria Magdalena erschienen war (s. Anm. zu V. 4).
24,26 Musste nicht. D.h. »war das nicht notwendig?«. Die Pro- phezeiungen im AT sprachen oft von einem leidenden Knecht Jahwes (s. Anm. zu V. 27).
24,27 bei Mose und bei allen Propheten. Vers 44 nennt eine dreifache Unterteilung der Bibel, hier steht eine Kurzform, die dasselbe besagt. in allen Schriften. Gemäß der unergründlichen Weisheit der Vorsehung Gottes ist uns nicht überliefert, wie Jesus die messianischen Prophezeiungen des AT auslegte. Doch seine Auslegung umfasste zweifellos eine Erklärung des alttestamentlichen Opfersystems, denn dieses war voller Vorbilder und Symbole auf sein Leiden und Sterben. Außerdem wird er sie auf die wichtigsten prophetischen Abschnitte über die Kreuzigung hingewiesen haben, wie z.B. Ps 16,9-11; 22; 69; Jes 52,14-53,12; Sach 12,10; 13,7. Darüber hinaus hat er ihnen sicherlich die wahre Bedeutung von Bibelstellen erklärt wie 1Mo 3,15; 4Mo 21,69; Ps 16,10; Jer 23,5.6; Dan 9,26, sowie zahllose weitere messianische Prophezeiungen, insbesondere solche, die auf seinen Tod und seine Auferstehung hinweisen.
24,30 nahm er das Brot. Ein gewöhnlicher Ausdruck, der bedeu- tet, ein Mahl gemeinsam einzunehmen (V. 35).
24,31 wurden ihnen die Augen geöffnet. Von Gott. Bis zu die- sem Augenblick hatte Gott sie in seiner Souveränität daran gehindert, Jesus zu erkennen (vgl. V. 16). Sein Auferstehungsleib war verherrlicht und sah anders aus als vorher (s. die Beschreibung durch Johannes in Offb 1,13-16). Das erklärt sicherlich, warum selbst Maria ihn zuerst nicht erkannte (vgl. Joh 20,14-16). Doch hier war es Gott, der sie aktiv daran hinderte, ihn zu erkennen, bis er sie verließ. er verschwand vor ihnen. Sein Auferstehungsleib war zwar real und greifbar (Joh 20,27) und er konnte damit sogar normale Nahrung aufnehmen (V. 42.43), aber dennoch hatte er bestimmte Eigenschaften, die zeigen, dass es ein verherrlichter Leib war, der auf geheimnisvolle Weise anders war (vgl. 1Kor 15,35-54; Phil 3,21). Christus konnte leiblich erscheinen und wieder verschwinden, wie wir es in dieser Begebenheit sehen. Sein Leib konnte feste Gegenstände durchdringen, wie z.B. die Grabtücher (s. Anm. zu V. 12) oder die Wände und Türen eines verschlossenen Raums (Joh 20,19.26). Er konnte offenbar große Entfernungen in einem kurzen Augenblick zurücklegen, denn als diese Jünger wieder in Jerusalem ankamen, war Christus bereits dem Petrus erschienen (V. 34). Dass er leibhaftig in den Himmel auffuhr, zeigt, dass sein Auferstehungsleib bereits für den Himmel bestimmt war. Und doch war es sein Leib – derselbe Leib, der im Grab gelegen hatte und der dort fehlte und der sogar noch seine Erkennungszeichen trug wie die Wundmale der Nägel (Joh 20,25-27). Er war weder ein Geistwesen noch eine körperlose Erscheinung.
24,34 dem Simon erschienen. Vgl. 1Kor 15,5-8. Die Bibel erwähnt mindestens zehn verschiedene Erscheinungen Christi zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt. Er erschien folgenden Personen: 1.) Maria Magdalena am Grab (Mk 16,9; Joh 20,11-18); 2.) den Frauen auf dem Weg (Mt 28,9.10); 3.) den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (V. 13-32); 4.) Petrus (V. 34); 5.) zehn der elf Jünger, wobei Thomas fehlte (V. 36-43; Mk 16,14; Joh 20,19-25); 6.) acht Tage später den elf Jüngern einschließlich Thomas (Joh 20,26-31); 7.) sieben Jüngern am Ufer des Sees Genezareth (Joh 21,1-25); 8.) mehr als fünfhundert Jüngern, wahrscheinlich auf einem Berg in Galiläa (1Kor 15,6; s. Anm. zu Mt 28,16); 9.) Jakobus (1Kor 15,7); und 10.) den Aposteln bei der Himmelfahrt (Apg 1,3-11). Nach seiner Himmelfahrt erschien er Paulus (1Kor 15,8). Seine nächste Erscheinung wird in Herrlichkeit sein (Mt 24,30).
24,36 trat Jesus selbst in ihre Mitte. Die Türen waren geschlos- sen und verriegelt (Joh 20,19). S. Anm. zu V. 31.
24,39 Seht an meinen Händen und meinen Füßen. Er zeigte ihnen die Nägelmale, um ihnen zu beweisen, dass er es wirklich war. Vgl. Joh 20,27.
24,41 S. Anm. zu V. 31. Vgl. Apg 10,41.
24,44 im Gesetz Moses und in den Propheten und den Psal- men. D.h. im ganzen AT. S. Anm. zu V. 27.
24,45 Da öffnete er ihnen das Verständnis. Zweifellos belehrte er sie aus dem Alten Testament, wie er es zuvor auf dem Weg nach Emmaus getan hatte (s. Anm. zu V. 27). Doch der Hauptgedanke dieses Ausdrucks ist der, dass er ihren Verstand übernatürlich erleuchtete, damit sie die Wahrheiten verstanden, die er ihnen erklärte. Einst konnten sie es nicht verstehen (9,45), doch jetzt sahen sie es klar und deutlich (vgl. Ps 119,18; Jes 29,18.19; 2Kor 3,14-16).
24,46 Dieser Abschnitt enthält mehrere Gedanken, die zu Be- ginn der Apostelgeschichte wiederholt werden. Dazu gehören Jesu Leiden und Auferstehung (V. 46; Apg 1,3); die Botschaft von Buße und Sündenvergebung (V. 47; Apg 2,38); die Jünger als seine Zeugen (V. 48; Apg 1,8); die Verheißung vom Vater (V. 49; Apg 1,4); das Verweilen in Jerusalem (V. 49; Apg 1,4) und der Beginn der dortigen Evangeliumsverkündigung (V. 47; Apg 1,8); Kraft vom Himmel (V. 49; Apg 1,8); die Himmelfahrt Jesu (V. 51; Apg 1,9-11); die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem (V. 52; Apg 1,12) und ihr Zusammenkommen im Tempel (V. 53; Apg 2,46). 24,46 So steht es geschrieben. Im AT. S. Anm. zu V. 27. 24,47 Das war »der Missionsbefehl« (vgl. Mt 28,19.20; Mk 16,15). 24,49 die Verheißung meines Vaters. D.h. der Heilige Geist (Joh 14,26; 15,26; vgl. Joel 3,1.2; Apg 2,1-4).
1,1 Diese Verse bilden den Prolog, in dem viele der grundlegen- den Themen angekündigt werden, die Johannes im weiteren Verlauf behandelt, besonders das Hauptthema, dass »Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist« (V. 12-14.18; vgl. 20,31). Wir fi nden hier mehrere Schlüsselbegriffe (z.B. Leben, Licht, Zeugnis, Herrlichkeit), die im ganzen Evangelium wiederholt auftauchen. Der Rest des Evangeliums führt das Thema des Prologs weiter aus, wie das ewige »Wort« Gottes, Jesus der Messias und Sohn Gottes, Fleisch wurde und unter den Menschen diente, so dass alle, die an ihn glauben, errettet würden. Obwohl Johannes den Prolog mit dem einfachsten Vokabular des NTs abfasste, besitzen die enthaltenen Wahrheiten größtmögliche Tiefe. Sechs grundlegende Wahrheiten über Christus als den Sohn Gottes werden im Prolog vermittelt: 1.) die ewige Existenz Christi (V. 1-3); 2.) die Fleischwerdung Christi (V. 4.5); 3.) der Vorläufer Christi (V. 6-8); 4.) der unerkannte Christus (V. 9-11); 5.) der allmächtige Christus (V. 12.13); und 6.) die Herrlichkeit Christi (V. 14-18). 1,1 Im Anfang. Dies steht im Gegensatz zu 1Joh1,1, wo Johan- nes einen ähnlichen Ausdruck verwendet (»von Anfang«), um sich auf den Beginn des Dienstes Jesu und das Predigen seines Evangeliums zu beziehen. Hier jedoch fi ndet sich eine Parallele zu 1Mo 1,1, wo der gleiche Ausdruck benutzt wird. Johannes verwendete den Ausdruck im absoluten Sinne, um von dem Anfang des zeitlichen materiellen Universums zu sprechen. war. Das Verb hebt die ewige Existenz des »Wortes« hervor – die ewige Existenz Jesu Christi. Bevor es das Universum gab, existierte die zweite Person der göttlichen Dreieinheit, d.h. er existierte schon immer (vgl. 8,58). Dieses Wort wird im Gegensatz zu dem in V. 3 verwendeten Ausdruck »was entstanden ist« benutzt, womit ein Anfang in der Zeit angedeutet wird. Aufgrund des Hauptthemas des Johannes, dass Jesus Christus ewiger Gott ist, die zweite Person der göttlichen Dreieinheit, enthält sein Evangelium keinen Stammbaum wie bei Matthäus und Lukas. In Bezug auf sein Menschsein besaß Jesus einen menschlichen Stammbaum, hinsichtlich seiner Gottheit jedoch nicht. das Wort. Johannes leiht sich den Begriff »Wort« nicht nur aus dem Vokabuklar des ATs, sondern auch aus der gr. Philosophie. Dort wurde der Begriff im Wesentlichen ohne Bezug auf eine Person verwendet und deutete auf einen »göttlichen Grund« hin, auf etwas »Geistiges« oder auch auf »Weisheit«. Johannes füllte den Begriff jedoch ausschließlich mit alttestamentlicher und christlicher Bedeutung (z.B. 1Mo 1,3, wo das Wort Gottes die Welt erschuf; Ps 33,6; 107,20; Spr 8,27, wo Gott sich durch sein Wort in der Schöpfung, in seiner Weisheit und in der Errettung machtvoll darstellt) und bezog es auf eine Person, auf Jesus Christus. Der Gebrauch in der gr. Philosophie bildet somit nicht den Hintergrund in Johannes’ Gedanken. Der Begriff »Wort« dient absichtlich als eine Art Brückenwort, um nicht nur Juden zu erreichen, sondern auch die unerretteten Griechen. Johannes wählte diesen Begriff, da er sowohl Juden als auch Griechen vertraut war. das Wort war bei Gott. Das Wort war als die zweite Person der Dreieinheit seit aller Ewigkeit in vertrauter Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. Doch obwohl das »Wort« den Glanz des Himmels und die Ewigkeit mit dem Vater genoss (Jes 6,1-13; vgl. 12,41; 17,5), gab es seinen himmlischen Status bereitwillig auf, nahm Menschengestalt an und erlitt den Kreuzestod (s. Anm. zu Phil 2,6-8). war Gott. Der gr. Satzbau betont, dass das Wort das ganze Wesen und alle Merkmale der Gottheit besaß – d.h., dass Jesus, der Messias, vollkommen Gott war (vgl. Kol 2,9). Sogar in seiner Menschwerdung, als er sich selbst entleerte, hörte er nicht auf, Gott zu sein, stattdessen nahm er eine reale menschliche Natur und einen menschlichen Körper an und verzichtete freiwillig darauf, die Merkmale seiner Gottheit in Unabhängigkeit von seinem Menschsein auszuüben.
1,3 Alles ist durch dasselbe entstanden. Durch Jesus Christus hat Gott, der Vater, das ganze Universum geschaffen (Kol 1,16.17; Hebr 1,2).
1,4 Leben … Licht … Finsternis. Johannes macht den Leser mit gegenüberstellenden Themen bekannt, die im ganzen Evangelium auftauchen. »Leben« und »Licht« sind Eigenschaften des »Wortes«, die nicht nur die Personen der Gottheit gemeinsam haben (5,26), sondern auch die Menschen, die das Evangelium von Jesus Christus annehmen (8,12; 9,5; 10,28; 11,25; 14,6). Johannes benutzt das Wort »Leben« etwa 36-mal in seinem Evangelium, weitaus häufi ger als in jedem anderen Buch des NTs. In erweitertem Sinne bezieht es sich nicht nur auf physisches und zeitliches Leben, welches der Sohn der geschaffenen Welt durch seine Beteiligung an der Schöpfung verliehen hat (V. 3), sondern insbesondere auch auf das geistliche und ewige Leben, das durch den Glauben an ihn geschenkt wird (3,15; 17,3; Eph 2,5). In der Schrift sind »Licht« und »Finsternis« sehr vertraute Bilder. In intellektueller Hinsicht spricht »Licht« von der biblischen Wahrheit, während »Finsternis« für Irrtum oder Unwahrheit steht (vgl. Ps 119,105; Spr 6,23). Im moralischen Sinne meint »Licht« Heiligkeit oder Reinheit (1Joh1,5), wohingegen sich »Finsternis« auf Sünde oder Missetat bezieht (3,19; 12,35.46; Röm 13,11-14; 1Th 5,4-7; 1Joh1,6; 2,8-11). »Finsternis« besitzt eine spezielle Bedeutung hinsichtlich des Teufels (und seines dämonischen Gefolges), der über die gegenwärtige Welt des geistlich Bösen herrscht (1Joh5,19). Er ist »der Fürst, der in der Luft herrscht«, der geistliche Finsternis und Rebellion gegen Gott verursacht (Eph 2,2). Johannes verwendet den Begriff »Finsternis« 14-mal (achtmal in seinem Evangelium und sechsmal in 1Joh) – da es insgesamt nur 17-mal im NT vorkommt, erscheint es beinahe wie ein exklusives Wort des Johannes. Bei Johannes haben »Licht« und »Leben« ihre spezielle Bedeutung in Bezug auf Jesus Christus, dem »Wort« (V. 9; 9,5; 1Joh1,5-7; 5,12.20).
1,5 begriffen. Das Wort »bezwungen« würde der Bedeutung dieses Ausdrucks im Kontext näher kommen. Finsternis ist nicht in der Lage, das Licht zu überwältigen oder zu besiegen. So wie eine einzige Kerze einen dunklen Raum einnehmen kann, werden die Mächte der Finsternis durch die Person und den Kreuzestod des Sohnes bezwungen (vgl. 19,11a).
1,6 von Gott gesandt. Als Vorläufer Jesu sollte Johannes von ihm zeugen als dem Messias und Sohn Gottes. Mit dem Dienst des Johannes endeten die »400 Jahre des Schweigens« zwischen dem Ende des ATs und dem Beginn der ntl. Zeit, in denen Gott sich nicht offenbarte. Johannes. Der Name »Johannes« bezieht sich in diesem Evangelium immer auf Johannes den Täufer, niemals auf den Apostel Johannes. Der Verfasser dieses Evangeliums nennt ihn lediglich »Johannes« ohne den Zusatz »der Täufer« und unterscheidet sich dadurch von den anderen Evangelien, in denen diese zusätzliche Bezeichnung als Identifi zierung gebraucht wird (Mt 3,1; Mk 1,4; Lk 7,20). Zudem gibt sich der Apostel Johannes (oder der Sohn des Zebedäus) im Evangelium nirgendwo direkt mit seinem Namen zu erkennen, obwohl er einer der drei engsten Weggefährten Jesu war (Mt 17,1). Ein solches Auslassen ist ein starkes Argument für die Verfasserschaft des Apostels Johannes und dafür, dass seine Leser sehr wohl wussten, dass er das Evangelium abfasste, welches seinen Namen trägt. Weitere Informationen über Johannes den Täufer fi nden sich in Mt 3,1-6; Mk 1,2-6; Lk 1,5-25.57-80.
1,7 Zeugnis … Zeugnis zu geben. Den Ausdrücken »Zeugnis« oder »Zeugnis geben« wird in diesem Evangelium eine besondere Aufmerksamkeit zuteil; sie geben die Gerichtssprache des ATs wieder, wo die Wahrheit einer Sache durch mehrere Zeugen bestätigt werden musste (8,17.18; vgl. 5Mo 17,6; 19,15). Nicht nur Johannes der Täufer bezeugte, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes sei (V. 19-34; 3,27-30; 5,35), es gab zudem noch weitere Zeugen: 1.) die samaritische Frau (4,29); 2.) die Werke Jesu (10,25); 3.) der Vater (5,32-37); 4.) das AT (5,39.40); 5.) die Volksmenge (12,17) und 6.) der Heilige Geist (15,26.27). damit alle durch ihn glaubten. »Ihn« bezieht sich nicht auf Christus, sondern auf Johannes, der das Mittel zum Zeugnis über Christus war. Die Absicht dieses Zeugnisses war, dass die Menschen an Jesus Christus als den Erretter der Welt glauben würden.
1,8 Nicht er war das Licht. Während Johannes der Täufer der Übermittler des Glaubens war, ist Jesus Christus der Gegenstand des Glaubens. Obgleich die Person und der Dienst Johannes des Täufers äußerst wichtig war (Mt 11,11), war er lediglich der Vorläufer, der das Kommen des Messias ankündigte. Viele Jahre nach Johannes’ Dienst und Tod gab es noch immer Menschen, die seine untergeordnete Rolle nicht verstanden hatten (Apg 19,1-3).
1,9 Das wahre Licht … sollte in die Welt kommen. In der Fußnote der unrevidierten sowie auch der revidierten Elberfelder Bibel wird folgende mögliche Übersetzung wiedergegeben: »Das jeden Menschen, der in die Welt kommt, erleuchtet.« Die Aussage in der Luther-Bibel entspricht dieser Fußnote. Die Übersetzung – die sich im laufenden Text der beiden Elberfelder Bibeln und auch in der hier verwendeten Schlachter Bibel fi ndet – ist jedoch ebenso möglich, da sich die Worte »sollte in die Welt kommen« in grammatikaler Hinsicht sowohl auf »Licht« als auch auf »jeden Menschen« beziehen kann. Hierdurch wird die Menschwerdung Jesu Christi betont (V. 14; 3,16). welches jeden Menschen erleuchtet. Durch Gottes souveräne Macht besitzt jeder Mensch genügend Licht, um verantwortlich zu sein. Gott hat dem Menschen in der Schöpfung und im menschlichen Gewissen das von Gott Erkennbare geoffenbart. Die Folge der allgemeinen Offenbarung Gottes ist jedoch nicht die Errettung, sondern entweder die Hinführung zum vollkommenen Licht Jesu Christi oder in die Verdammung derer, die dieses »Licht« verwerfen (s. Anm. zu Röm 1,19.20; 2,12-16). Das Kommen Jesu Christi war die Erfüllung und Verkörperung des Lichtes, welches Gott in das Herz des Menschen gelegt hatte. die Welt. Der elementare Sinn dieses gr. Wortes, das u.a. die Bedeutung von »Zierde« oder »Verzierung« beinhaltet, wird in 1Pt 3,3 mit dem Wort »Schmuck« wiedergegeben. Im NT kommt es insgesamt 185-mal vor, wobei Johannes eine besondere Vorliebe für diesen Ausdruck hatte und ihn 78-mal in seinem Evangelium, 24mal in den drei Johannesbriefen und dreimal in der Offenbarung gebrauchte. Johannes verleiht ihm unterschiedliche Bedeutungen: 1.) das physikalische geschaffene Universum (V. 9; vgl. V. 3; 21,24.25); 2.) die allgemeine Menschheit (3,16; 6,33.51; 12,19) und 3.) das von Satan beherrschte unsichtbare geistliche System des Bösen und alles, was im Widerstand zu Gott, seinem Wort und seinem Volk steht (3,19; 4,42; 7,7; 14,17.22.27.30; 15,18.19; 16,8.20.33; 17,6.9.14; vgl. 1Kor 1,21; 2Kor 4,4; 2Pt 1,4; 1Joh5,19). Die letzte Bedeutung stellt den neuen und wichtigen Gebrauch des Ausdrucks im NT dar, der im JohannesEvangelium überwiegt. In den meisten Fällen hat dies Wort bei Johannes einen entschieden negativen Unterton.
1,11 sein Eigentum … die Seinen. »Sein Eigentum« bezieht sich auf die Menschheit im Allgemeinen, während der Ausdruck »die Seinen« für das jüdische Volk steht. Weil das »Wort« der Schöpfer ist, gehört ihm die Welt als Eigentum; doch die Welt erkannte ihn wegen ihrer geistlichen Blindheit nicht einmal (vgl. ebenso V. 10). Johannes verwendet den Ausdruck »die Seinen« in einem engergefassten Sinn, um sich auf Jesu menschliche Abstammung, auf das jüdische Volk, zu beziehen. Obwohl sie die Schriften besaßen, die von seiner Person und seinem Kommen erzählten, nahmen die Juden ihn nicht auf (Jes 65,2.3; Jer 7,25). Die Verwerfung des verheißenen Messias durch die Juden wird im JohannesEvangelium besonders betont (12,37-41).
1,12 Diese Verse stehen im Kontrast zu V. 10.11. Johannes schwächt die radikale Verwerfung des Messias ab durch die Hervorhebung eines gläubigen Überrestes. Es ist wie eine Vorschau auf das gesamte Buch, da die ersten zwölf Kapitel die Verwerfung Christi darstellen, während Kap. 13-21 sich auf den gläubigen Überrest konzentrieren, der ihn aufnahm. 1,12 Allen aber, die ihn aufnahmen … denen, die an seinen Namen glauben. Der zweite Satzteil beschreibt den ersten. Ihn, der das Wort Gottes ist, aufzunehmen, bedeutet, seine Ansprüche anzuerkennen, ihm zu glauben und sich ihm folglich in Treue zu ergeben. gab. Das Wort betont die Gnade Gottes, die das Geschenk der Errettung beinhaltet (vgl. Eph 2,8-10). Anrecht. Jene, die Jesus, »das Wort«, aufnehmen, erhalten das Recht, den erhabenen Titel »Kinder Gottes« führen zu dürfen. seinen Namen. Der Name bezeichnet den Charakter der Person. S. Anm. zu 14,13.14.
1,13 aus Gott. Die Seite Gottes bei der Errettung: Letzten Endes ist es nicht der Wille eines Menschen, der zur Errettung führt, sondern der Wille Gottes (vgl. 3,6-8; Tit 3,5; 1Joh2,29).
1,14 das Wort wurde Fleisch. Obwohl Christus, da er Gott ist, nicht geschaffen wurde und ewig existiert (s. Anm. zu V. 1), betont das Wort »wurde«, dass er Menschengestalt annahm (vgl. Hebr 1,1-3; 2,1418). Das ist mit Sicherheit die tiefgründigste aller Wahrheiten, denn sie bedeutet, dass der Unendliche zu etwas Endlichem wurde; der Ewige wurde der Zeit unterworfen; der Unsichtbare wurde sichtbar; der Übernatürliche beschränkte sich auf das Natürliche. In der Menschwerdung hörte er jedoch nicht auf, Gott zu sein, sondern wurde zu Gott im Fleisch, gemeint ist unverminderte Gottheit in der Gestalt eines Menschen (1Tim 3,16). wohnte. Eig.: »ein Zelt aufschlagen« oder »in einem Zelt leben«. Der Ausdruck erinnert an das Zelt im AT, wo Gott seinem Volk begegnete, bevor der Tempel gebaut wurde (2Mo 25,8). Es wurde das »Zelt der Begegnung« genannt (2Mo 33,7; »Zelt des Zeugnisses« – LXX), wo »der HERR aber mit Mose von Angesicht zu Angesicht redete, wie ein Mann mit seinem Freunde redet« (2Mo 33,11). Im NT wollte Gott, indem er Mensch wurde, unter seinem Volk in weitaus persönlicherer Weise wohnen. Als das Zelt im AT fertig war, erfüllte die Herrlichkeitswolke des Herrn das ganze Bauwerk (2Mo 40,34; vgl. 1Kö 8,10). Als das »Wort« Fleisch wurde, war die herrliche Gegenwart der Gottheit in ihm verkörpert (vgl. Kol 2,9). wir sahen seine Herrlichkeit. Obwohl die menschliche Gestalt seine Gottheit verschleiert haben mochte, erhalten wir in den Evangelien einen Einblick in seine göttliche Majestät. Auf dem Berg der Verklärung sahen die Jünger etwas von seiner Herrlichkeit (Mt 17,18). Christi Herrlichkeit wurde nicht nur in sichtbarer Weise angedeutet, sondern auch in geistlicher Hinsicht. Sie sahen, wie er Wesensmerkmale Gottes zeigte (Gnade, Güte, Barmherzigkeit, Weisheit, Wahrheit etc.; vgl. 2Mo 33,18-23). eine Herrlichkeit als … vom Vater. Jesus zeigte in seiner Gottheit die gleiche wesenhafte Herrlichkeit wie der Vater. Sie sind eins in ihrem Wesen (vgl. 5,17-30; 8,19; 10,30). Eingeborenen. Der Ausdruck »Eingeborenen« ist eine falsche Übersetzung des gr. Wortes. Das Wort stammt nicht von dem Begriff, der »zeugen« bedeutet, sondern beinhaltet vielmehr den Gedanken »des einzig Geliebten«. Deshalb trägt er die Idee von vollkommener Einzigartigkeit in sich, einer Liebe wie für keinen anderen. Durch dies Wort betont Johannes den einzigartigen Charakter der Beziehung zwischen Gott, dem Vater, und Gott, dem Sohn (vgl. 3,16.18; 1Joh4,9). Es deutet nicht die Herkunft an, sondern vielmehr die einmalige Stellung; so wurde es z.B. für Isaak gebraucht (Hebr 11,17), der Abrahams zweiter Sohn war (Ismael war der Erstgeborene; vgl. 1Mo 16,15 mit 1Mo 21,2.3). voller Gnade und Wahrheit. Johannes hatte wahrscheinlich 2Mo 33.34 im Sinn. In dieser Begebenheit bat Mose, dass Gott ihm seine Herrlichkeit zeigen möge. Der Herr erwiderte Mose, er werde all seine »Güte« an ihm vorbeiziehen lassen, und als er vorüberzog, erklärte Gott: »Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue« (2Mo 33,18.19; 34,5-7). Diese Merkmale der Herrlichkeit Gottes heben die Güte des Wesens Gottes hervor – besonders in Bezug auf die Errettung. Jesus zeigte als Jahwe im AT (8,58; »bin ich«) die gleichen göttlichen Merkmale wie in der Zeit des NTs, als er unter den Menschen wohnte (Kol 2,9).
1,15 Das Zeugnis Johannes des Täufers erhärtet die Aussage des Apostels Johannes bezüglich der ewigen Existenz des fl eischgewordenen »Wortes« (vgl. V. 14).
1,16 Gnade um Gnade. Dieser Ausdruck hebt den großen Reich- tum der Gnade hervor, den Gott der Menschheit erwiesen hat, besonders den Gläubigen (Eph 1,5-8; 2,7).
1,17 Indem sie die Wahrheit von V. 14 bekräftigen, bilden diese Verse am Ende des Prologs einen abschließenden Kontrast. Das durch Mose gegebene Gesetz war kein Erweis der Gnade Gottes, sondern zeigte vielmehr die heiligen Forderungen Gottes auf. Das Gesetz war Gottes Mittel, um dem Menschen seine Ungerechtigkeit vor Augen zu führen, und ihm dadurch die Notwendigkeit eines Erlösers – Jesus Christus – deutlich zu machen (Röm 3,19.20; Gal 3,10-14.21-26). Außerdem offenbarte das Gesetz nur einen Teil der Wahrheit und war von vorbereitender Art. Die Realität oder die vollständige Wahrheit dessen, worauf das Gesetz hinwies, kam durch die Person Jesu Christi.
1,18 der im Schoß des Vaters ist. Diese Aussage spricht von der gegenseitigen Vertrautheit, von der Liebe und dem Wissen der Gottheit (13,23; Lk 16,22.23). Aufschluss … gegeben. Theologen haben von diesem Ausdruck die Worte »Exegese« oder »auslegen« hergeleitet. So meint Johannes, dass alles, was Jesus ist und tut, Aufschluss gibt über das, was Gott ist und tut. Er legt es uns aus (14,8-10).
1,19 In diesen Versen liefert Johannes das erste von vielen Zeug- nissen, um zu beweisen, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist – damit berührt er sein Hauptthema (20,30.31). Das Zeugnis des Johannes wurde an drei verschiedenen Tagen drei unterschiedlichen Gruppen gegeben (vgl. V. 29.35.36). Jedes Mal sprach er anders über Christus und betonte unterschiedliche Aspekte. Die Vorkommnisse in diesen Versen ereigneten sich in den Jahren 26/27 n. Chr., ein paar Monate nach der Taufe Jesu durch Johannes (vgl. Mt 3,13-17; Lk 3,21.22). (Der Herr Jesus wurde einige Jahre vor dem Jahr Null geboren.) 1,19 Johannes. Johannes, der in eine Priesterfamilie hineingeboren wurde, gehörte zum Stamm Levi (Lk 1,5). Er begann seinen Dienst im Jordantal etwa im Alter von 29 oder 30 Jahren. Mutig verkündete er die Notwendigkeit der Buße und der Vorbereitung auf das Kommen des Messias. Er war der Cousin Jesu Christi und diente als sein prophetischer Vorläufer (Mt 3,3; Lk 1,5-25.36). die Juden von Jerusalem. Damit könnte der Sanhedrin gemeint sein, das Führungsgremium des jüdischen Volkes. Der Sanhedrin wurde von der hohenpriesterlichen Familie kontrolliert, daher waren die Gesandten natürlich Priester und Leviten, die ein Interesse am Dienst des Johannes besaßen, sowohl an seiner Botschaft als auch an seiner Taufe.
1,20 Ich bin nicht der Christus! Einige dachten, Johannes sei der Messias (Lk 3,15-17). Christus. Der Ausdruck »Christus« ist das gr. Äquivalent zum hebr. Wort »Messias«. 1,21 Bist du Elia? Maleachi 4,5 (s. Anm. dort) verheißt, dass der Prophet Elia zurückkommen werde, bevor der Messias sein irdisches Königreich errichtet. Sie fragten, ob Johannes der Vorläufer des Messias und somit der Elia sei. Der Engel, der Johannes’ Geburt ankündigte, sagte, dass Johannes »im Geist und in der Kraft Elias« vor Jesus hergehen werde (Lk 1,17). Das deutete an, dass nicht buchstäblich Elia, sondern jemand anders die Prophezeiung erfüllen könnte. Gott sandte Johannes, der wie Elia war, d.h. jemand, der den gleichen Dienst, die gleiche Kraft und eine ähnliche Persönlichkeit hatte (2Kö 1,8; vgl. Mt 3,4). Hätten sie Jesus als Messias angenommen, wäre diese Prophezeiung durch Johannes erfüllt worden (s. Anm. zu Mt 11,14; Mk 9,13; Lk 1,17; Offb 11,5.6). Bist du der Prophet? Das ist ein Hinweis auf 5Mo 18,15-18, wo vorhergesagt wird, dass Gott einen großen Propheten wie Mose hervorbrächte, der als seine Stimme dienen würde. Während zur Zeit des Johannes einige meinten, diese Prophezeiung bezöge sich auf einen anderen Vorläufer des Messias, wendet das NT (Apg 3,22.23; 7,37) diese Stelle auf Jesus an.
1,23 Johannes zitierte Jes 40,3 und wendete es auf sich selbst an (vgl. Mt 3,3; Mk 1,3; Lk 3,4). Im ursprünglichen Kontext von Jes 40,3 hörte der Prophet eine Stimme mit der Aufforderung, einen Weg durch die östliche Wüste zu bahnen, so dass der Gott Israels sein Volk aus dem babylonischen Exil nach Hause führen konnte. Dieser Ruf war ein prophetisches Bild, das die letzte und größte Rückkehr Israels zu seinem Gott andeutete, eine Rückkehr aus geistlicher Finsternis und Entfremdung in der geistlichen Erlösung durch den Messias (vgl. Röm 11,2527). Demütig verglich Johannes sich mit einer Stimme anstatt mit einer Person und richtete dadurch die Aufmerksamkeit allein auf Christus (vgl. Lk 17,10).
1,25 taufst. Da Johannes sich lediglich mit einer Stimme identifi ziert hatte (V. 23), kam die Frage auf, mit welcher Autorität er taufte. Das AT brachte das Kommen des Messias mit Buße und geistlicher Reinigung in Verbindung (Hes 36.37; Sach 13,1). Johannes lenkte die Aufmerksamkeit auf seine Stellung als Vorläufer des Messias; er verwendete eine traditionelle Proselytentaufe als Symbol dafür, dass Juden ebenso wie Heiden erkennen mussten, dass sie die Erlösung Gottes nicht besaßen. Auch sie benötigten geistliche Reinigung und Vorbereitung (Buße – Mt 3,11; Mk 1,4; Lk 3,7.8) für das Kommen des Messias. Eine Erklärung der Bedeutung der Taufe des Johannes s. Anm. zu Mt 3,6.11.16.17.
1,27 Die Worte Johannes des Täufers führen das Thema der Prä-Exis- tenz des Messias aus dem Prolog weiter (V. 6-8.15) und beweisen eine außergewöhnliche Demut. Bei jeder dieser Begegnungen, als Johannes die Möglichkeit hatte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, richtete er sie stattdessen auf den Messias. Johannes ging mit seiner Behauptung soweit, dass er, anders als ein Sklave, der die Schuhe seines Herrn ausziehen musste, nicht einmal würdig war, dies für den Messias zu tun.
1,28 Bethabara. Dieses Wort wurde für das im Originaltext verwen- dete »Bethanien« eingesetzt, da einige meinen, dass Johannes irrtümlicherweise Bethanien für den Ort der Geschehnisse hielt. Die Lösung liegt darin, dass es zwei Orte mit dem Namen Bethanien gab, das eine bei Jerusalem, wo Maria, Martha und Lazarus lebten (11,1) und ein weiteres »jenseits des Jordan« in der Nähe von Galiläa. Obwohl Johannes auch das andere Bethanien in der Nähe Jerusalems gut kannte, bezog er sich hier höchst wahrscheinlich auf die andere Stadt mit gleichem Namen.
1,29 Dieser Teil handelt vom Zeugnis des Johannes über Jesus vor einer zweiten Gruppe von Juden am zweiten Tag (die V. 19-28 berichten vom ersten Tag und der ersten Gruppe). Dieser Abschnitt stellt eine Art Brücke dar. Er fährt mit dem Zeugnis von Johannes dem Täufer fort, zeigt aber auch eine ausführliche Aufl istung der Titel Jesu: Lamm Gottes (V. 29.36), Rabbi (V. 38.49), Messias/Christus (V. 41), Sohn Gottes (V. 34.49), König von Israel (V. 49), Sohn des Menschen (V. 51) und »den … von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben« (V. 45). 1,29 Am folgenden Tag. Dieser Satzteil bezieht sich wahrscheinlich auf den Tag, nachdem Johannes der Delegation aus Jerusalem Antwort gab. Er leitet zudem eine Serie von Tagen ein (V. 43; 2,1), die ihren Höhepunkt in dem Wunder von Kana fi nden (2,1-11). das Lamm Gottes. Die Verwendung eines Lammes zum Opfer war den Juden nur allzu vertraut. Während des Passahfestes diente ein Lamm zum Opfer (2Mo 12,1-36); in den Prophetien Jesajas wurde ein Lamm zur Schlachtung geführt (Jes 53,7); ein Lamm gehörte zu den täglichen Opfern Israels (3Mo 14,12-21; vgl. Hebr 10,5-7). Johannes der Täufer benutzte diesen Ausdruck als Hinweis auf das vollkommene Opfer Jesu am Kreuz zur Sühnung der Sünden der Welt. Ein Thema, welches der Apostel Johannes in seinen gesamten Aufzeichnungen ausführt (19,36; vgl. Offb 5,1-6; 7,17; 17,14) und das auch in anderen ntl. Büchern auftaucht (z.B. 1Pt 1,19). die Sünde der Welt. S. Anm. zu V. 9; vgl. 3,16; 6,33.51. In diesem Zusammenhang bezeichnet »Welt« die Menschheit im Allgemeinen, nicht jede einzelne Person. Der Gebrauch des Singulars »Sünde« in Verbindung mit dem Ausdruck »der Welt« lässt darauf schließen, dass sich das Sündenopfer Jesu potentiell auf alle Menschen erstreckt – ohne Ausnahme (vgl. 1Joh2,2). Johannes macht jedoch deutlich, dass es nur für jene wirksam wird, die Christus annehmen (V. 11.12). Zur Diskussion über das Verhältnis des Todes Christi zur Welt s. Anm. zu 2Kor 5,19.
1,31 ich kannte ihn nicht. Obwohl Johannes der Cousin Jesu war, kannte er ihn nicht als den »Kommenden« oder den »Messias« (V. 30).
1,32 den Geist … herabsteigen. Gott hatte Johannes zuvor mit- geteilt, dass der verheißene Messias an diesem Zeichen zu erkennen sei (V. 33). Als Johannes das nun sah, war er in der Lage, Jesus als den Messias zu identifi zieren (vgl. Mt 3,16; Mk 1,10; Lk 3,22).
1,34 der Sohn Gottes. Obschon nur in begrenzter Weise auch Gläubige als »Söhne Gottes« bezeichnet werden können (z.B. V. 12; Mt 5,9; Röm 8,14), verwendet Johannes diesen Ausdruck hier in seiner ganzen Kraft als Titel, der auf die einzigartige Einheit und Vertrautheit hinweist, die Jesus als »Sohn« zum Vater unterhält. Er enthält den Gedanken der Gottheit Jesu als Messias (V. 49; 5,16-30; vgl. 2Sam 7,14; Ps 2,7; s. Anm. zu Hebr 1,1-9).
1,35 Dieser Abschnitt handelt vom Zeugnis des Johannes über Jesus zu einer dritten Gruppe am dritten Tag; gemeint sind einige Jünger des Johannes (die V. 19-28; 29-34 berichten von der ersten und zweiten Gruppe). Entsprechend seiner Demut (V. 27) lenkt Johannes die Aufmerksamkeit seiner Jünger auf Jesus (V. 37).
1,37 folgten Jesus nach. Obgleich das Verb »folgten« in den Auf- zeichnungen des Johannes für gewöhnlich »das Nachfolgen als Jünger« meint (V. 43; 8,12; 12,26; 21,19.20.22), kann es auch eine neutrale Bedeutung besitzen (11,31). Hier bedeutet das »Nachfolgen« nicht unbedingt, dass sie in diesem Moment zu ständigen Jüngern wurden. Es könnte gemeint sein, dass sie Jesus folgten, um ihn aufgrund des Zeugnisses des Johannes genauer kennen zu lernen. Mit dieser Begebenheit war der Anfang gemacht, dass die Jünger des Johannes, Jesus nachzufolgen begannen (z.B. Andreas; 1,40). Schließlich widmeten sie ihm ihr Leben als wahre Jünger und Apostel, als Jesus sie nach diesen Ereignissen zum beständigen Dienst berief (Mt 4,18-22; 9,9; Mk 1,1620). Zu diesem Zeitpunkt der Erzählung verlässt Johannes der Täufer die Handlung und die Aufmerksamkeit wendet sich dem Dienst Christi zu.
1,39 die zehnte Stunde. Die Juden unterteilten die Zeit des Tages- lichtes in 12 Stunden (beginnend mit dem Sonnenaufgang gegen 6 Uhr morgens). Folglich ist hier etwa 16 Uhr nachmittags gemeint. Johannes erwähnt die genaue Uhrzeit, um dadurch wahrscheinlich anzudeuten, dass er der andere Jünger des Täufers war, der zusammen mit Andreas nachfolgte (V. 40). Als ein Augenzeuge der Geschehnisse der drei aufeinanderfolgenden Tage war Johannes’ erste Begegnung mit Jesus so lebensverändernd, dass er sich an die genaue Stunde erinnern konnte, in der er den Herrn zum ersten Mal traf.
1,41 Messias. Der Begriff »Messias« ist eine Transliteration eines hebr. oder aram. Verbaladjektivs mit der Bedeutung »der Gesalbte«. Er stammt von dem Verb, dass das »Salben« einer Person bezeichnet zur Weihe für ein bestimmtes Amt oder eine bestimmte Funktion. Während der Begriff zuerst auf den König von Israel angewandt wurde (»dem Herrn sein Gesalbter« – 1Sam 16,6), den Hohenpriester (»der gesalbte Priester« – 3Mo 4,3) und an einer Stelle auf die Patriarchen (»meine Gesalbten« – Ps 105,15), dient dieses Wort vor allem jedoch, um auf den verheißenen »Kommenden« oder »Messias« hinzuweisen in seiner Rolle als Prophet, Priester und König. Der Ausdruck »Christus«, ein gr. Wort (Partizip Perfekt), das sich von dem Verb mit der Bedeutung »salben« herleitet, wurde zur Übersetzung des hebr. Begriffes herangezogen. Daher sind die Begriffe »Messias« oder »Christus« Titel Jesu und keine persönlichen Namen.
1,42 Jesus aber sah ihn an. Jesus kennt die Herzen von Grund auf (V. 43-51), und schaut nicht nur in sie hinein (V. 47.48), sondern verändert eine Person in der Weise, wie er sie haben möchte. du sollst Kephas heißen. Bis zu diesem Zeitpunkt war Petrus als »Simon, Sohn des Jonas« bekannt (der aram. Name »Jonas« bedeutet »Johannes«; vgl. 21,15-17; Mt 16,17). Der Beiname »Kephas« bedeutet auf aram. »Stein« und wird im Gr. mit »Petros« übersetzt. Jesus wies Simon den Namen »Kephas« oder »Petrus« am Anfang seines Dienstes zu (vgl. Mt 16,18; Mk 3,16). Diese Namensgebung deutet nicht nur vorausschauend auf Petrus’ spätere Benennung hin, sondern erklärt auch, wie Jesus seinen Charakter verändern und ihn hinsichtlich der Errichtung der Gemeinde gebrauchen würde (vgl. 21,18.19; Mt 16,16-18; Apg 2,14 – 4,32).
1,43 Dieser Abschnitt stellt den vierten Tag dar, seitdem Johannes der Täufer mit seinem Zeugnis begonnen hatte (vgl. V. 19.29.35).
1,44 Bethsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus. Wäh- rend Mk 1,21.29 das Haus des Petrus in Kapernaum ansiedelt, gibt Johannes an, dass er aus Bethsaida kam. Die Lösung des Problems fi ndet sich in dem Umstand, dass Petrus (und Andreas) sehr wahrscheinlich in Bethsaida aufwuchsen und später nach Kapernaum umzogen. Ebenso wurde Jesus beständig mit seiner Heimatstadt Nazareth in Verbindung gebracht, obgleich er später woanders wohnte (Mt 2,23; 4,13; Mk 1,9; Lk 1,26).
1,45 den … von welchem Mose im Gesetz und die Prophe- ten geschrieben haben. Dieser Satzteil fasst die Haltung des ganzen Johannes-Evangeliums zusammen: Jesus ist die Erfüllung der atl. Schriften (vgl. V. 21; 5,39; 5Mo 18,15-19; Lk 24,44.47; Apg 10,43; 18,28; 26,22.23; Röm 1,2; 1Kor 15,3; 1Pt 1,10.11; Offb 19,10).
1,46 Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen? Nathanael war aus Kana (21,2), einer anderen Stadt Galiläas. Während die Galiläer von den Judäern verachtet wurden, verachteten die Galiläer ihrerseits die Menschen aus Nazareth. Betrachtet man Kap. 7,52, so könnte Nathanaels Verachtung auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Nazareth eine unwichtige Kleinstadt und scheinbar ohne prophetische Bedeutung war (vgl. jedoch Mt 2,23). Später sollten einige geringschätzig vom Christentum als »der Sekte der Nazarener« reden (Apg 24,5).
1,47 keine Falschheit. Jesus meinte damit, die Direktheit Natha- naels gebe zu erkennen, dass er ein Israelit ohne doppelte Motive war, einer, der die über Jesus aufgestellten Behauptungen selbst überprüfen wollte. Der Ausdruck offenbart ein aufrichtig suchendes Herz. Es könnte eine Anspielung auf 1Mo 27,35 sein, wo Jakob im Gegensatz zu dem aufrichtigen Nathanael für seinen Betrug bekannt wurde. Die Bedeutung liegt möglicherweise darin, dass das Anwenden von Tricks nicht nur Jakob charakterisierte, sondern ebenso seine Nachkommen. In Jesu Augen war ein ehrlicher und aufrichtiger Israelit eine Ausnahme und nicht die Regel (vgl. 2,23-25).
1,48 sah ich dich. Ein kurzer Einblick in Jesu übernatürliches Wis- sen. Seine knappe Charakterisierung des Nathanael war nicht nur zutreffend (V. 47), sondern enthielt auch Informationen, die ausschließlich Nathanael wissen konnte. Vielleicht hatte Nathanael unter dem Feigenbaum irgendeine bedeutsame oder außerordentliche Erfahrung im Gespräch mit Gott gemacht und war in der Lage, Jesu Anspielung darauf zu verstehen. Auf jeden Fall wusste Jesus von dieser Begebenheit, die sonst dem Menschen nicht zugänglich war.
1,49 der Sohn Gottes … der König von Israel! Nachdem Je- sus sein übernatürliches Wissen gezeigt und Philippus Zeugnis ablegt hatte, waren Nathanaels Zweifel beseitigt. Anschließend fügte Johannes das Zeugnis des Nathanael diesem Abschnitt hinzu. Der Gebrauch des Artikels vor »Sohn Gottes« deutet höchst wahrscheinlich an, dass der Ausdruck in seiner vollen Bedeutung zu verstehen ist (vgl. V. 34; 11,27). Nathanael war jemandem begegnet, der nicht mit bloßen menschlichen Begriffen zu beschreiben war.
1,51 Wahrlich, wahrlich. Vgl. 5,19.24.25. Ein Ausdruck, der häufi g benutzt wurde, um die Wichtigkeit und Wahrheit der anschließenden Aussage hervorzuheben. den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen. Im Zusammenhang von V. 47 bezieht sich dieser Vers sehr wahrscheinlich auf 1Mo 28,12, wo Jakob von einer Leiter aus dem Himmel träumte. Jesus deutete gegenüber Nathanael an, dass, ebenso wie Jakob eine übernatürliche oder vom Himmel gesandte Offenbarung empfi ng, Nathanael und die anderen Jünger eine übernatürliche Bestätigung der Person Jesu erhalten würden. Außerdem ersetzte der Ausdruck »Sohn des Menschen« die Leiter in Jakobs Traum, womit gemeint ist, dass Jesus das Mittel zur Verbindung zwischen Gott und Menschen war. Sohn des Menschen. S. Anm. zu Mt 8,20. Das ist Jesu bevorzugte Selbstbenennung, da sie hauptsächlich von ihm ausgesprochen wurde – insgesamt über 80-mal. Im NT bezieht sie sich ausschließlich auf Jesus und wird im Wesentlichen in den Evangelien verwendet (vgl. Apg 7,56). Im vierten Evangelium taucht der Ausdruck 13-mal auf und steht meistens mit den Themen Kreuzigung, Leiden (3,14; 8,28) und Offenbarung (6,27.53) in Verbindung, aber auch im Zusammenhang mit eschatologischer Autorität (5,27; 9,39). Während der Begriff manchmal nur in Verbindung mit Menschen steht oder stellvertretend für das Wort »ich« (6,27; vgl. 6,20), nimmt er besonders eine eschatologische Bedeutung an, wenn er sich auf Dan 7,13.14 bezieht, wo der »Sohn des Menschen« oder der Messias in Herrlichkeit kommt, um sein Königreich von »dem Alten an Tagen« (d.h. dem Vater) zu empfangen.
2,1 Johannes berichtet von dem ersten großen Zeichen, das Jesus zur Demonstration seiner Gottheit tat, der Verwandlung von Wasser in Wein. Nur Gott kann aus Nichts etwas erschaffen. Johannes führt acht Wunder in seinem Evangelium auf, die »Zeichen« oder eine Bestätigung dessen darstellen, wer Jesus ist. Alle acht Wunder sind unterschiedlich, keines gleicht dem anderen (vgl. V. 11). 2,1 am dritten Tag. Diese Angabe bezieht sich auf die letzte Bege- benheit, die Berufung von Philippus und Nathanael (1,43). Hochzeit. In Palästina konnte eine solche Hochzeitsfeier eine Woche dauern. Die fi nanziellen Verpfl ichtungen lagen beim Bräutigam (V. 9.10). Es hätte einen Bräutigam in Verlegenheit gebracht, wenn er seinen Gästen keinen Wein mehr hätte anbieten können; eventuell wäre sogar mit einer möglichen Klage seitens der Verwandten der Braut zu rechnen gewesen. Kana in Galiläa. Kana war das Zuhause Nathanaels (21,2). Die genaue Lage ist unbekannt. Wahrscheinlich ist es das heutige Chirbet Qana, ein Ort ungefähr 14 km nördlich von Nazareth.
2,2 Jesus wurde samt seinen Jüngern … eingeladen. Die Tat- sache, dass Jesus, seine Mutter und seine Jünger anwesend waren, legt nahe, dass es die Hochzeit eines Verwandten oder engen Familienfreundes gewesen sein könnte. Die begleitenden Jünger waren die fünf, die in Kap. 1 erwähnt wurden: Andreas, Simon Petrus, Philippus, Nathanael und der nicht mit Namen genannte Jünger (1,35), welcher gewiss Johannes als Augenzeuge dieses Wunders war.
2,3 Wein. Der servierte Wein war der Gärung unterworfen. Um den Durst zu stillen und gleichzeitig der Trunkenheit vorzubeugen, wurde Wein im Altertum mit Wasser vermengt; dadurch wurde dem Wein ein Drittel bis ein Zehntel seiner Stärke genommen. Aufgrund des Klimas und der Umstände gor selbst »neuer Wein« schnell und besaß eine berauschende Wirkung, wenn er nicht verdünnt wurde (Apg 2,13). Da es an einem Verfahren zur Reinigung des Wassers mangelte, war mit Wasser verdünnter Wein auch ein risikoloseres Getränk als Wasser allein. Während die Bibel Trunkenheit verurteilt, verurteilt sie den Weinkonsum nicht ausdrücklich (Ps 104,15; Spr 20,1; s. Anm. zu Eph 5,18).
2,4 Frau. Die Ansprache drückt keine Unhöfl ichkeit aus, allerdings distanziert sich Jesus durch sie von seiner Mutter und ihrem Anliegen. Möglicherweise hat es die Bedeutung von »meine Dame«. was habe ich mit dir zu tun? Eine solche Aussage, die in der semitischen Sprache üblich war (Ri 11,12; 2Sam 16,10), schaffte immer eine Distanz zwischen dem Sprechenden und seinem Gegenüber, worin auch ein gewisser Vorwurf lag. Jesu Ton war nicht unhöfl ich, aber sehr klar und deutlich. Es wird die Frage aufgeworfen, was beide Seiten miteinander gemein haben. Der Tenor der Aussage Jesu war, dass er mit dem Zweck seines Auftrags auf Erden begonnen hatte, so dass er der Erfüllung seines Zieles alle anderen Aktivitäten unterordnete. Maria musste in ihm weniger den Sohn erkennen, den sie großgezogen hatte, als vielmehr den verheißenen Messias und Sohn Gottes. Vgl. Mk 3,31-35. Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Diese Aussage bezieht sich immer auf den Tod und die Erhebung Jesu (7,30; 8,20; 12,23.27; 13,1; 17,1). Er besaß einen göttlichen Zeitplan, den Gott vor Grundlegung der Welt verfügt hatte. Da die Propheten das messianische Zeitalter als eine Zeit charakterisiert hatten, in der der Wein großzügig fl ießen werde (Jer 31,12; Hos 14,8; Am 9,13.14), bezog sich Jesus wahrscheinlich auf die Tatsache, dass das Kreuz vor den Segnungen des Tausendjährigen Reiches kommen musste.
2,6 Reinigungssitte der Juden. Die sechs Wasserkrüge waren aus Stein, da Stein undurchlässiger war als Ton und Verunreinigungen verhinderte. Dadurch eigneten sie sich auch eher für zeremonielle Waschungen (vgl. Mk 7,3.4).
2,11 Zeichen. Johannes verwendete hier das Wort »Zeichen«, um von bedeutsamen Machterweisen zu sprechen, die über sich hinaus auf eine tiefere göttliche Realität verweisen, welche durch die Augen des Glaubens wahrgenommen werden können. Durch dieses Wort betont Johannes, dass Wunder nicht nur Machterweise sind, sondern dass hinter der bloßen Tat eine Bedeutung steht.
2,12 Johannes gebraucht diesen Abschnitt, in dem Jesus den Tempel mit gerechter Entrüstung reinigte, um sein Hauptthema zu stützen, dass Jesus der verheißene Messias und Sohn Gottes war. Drei Merkmale Jesu zur Bestätigung seiner Gottheit werden hier von Johannes hervorgehoben: 1.) sein Eifer für die Ehre Gottes (V. 13-17); 2.) seine Auferstehungsmacht (V. 18-22) und 3.) seine realistische Sichtweise (V. 23-25). 2,12 Danach. Der Ausdruck »danach« (oder ähnliche Formulierungen wie »nach diesem«) wird häufi g verwendet, um die einzelnen Erzählungen in diesem Evangelium zu verbinden (z.B. 3,22; 5,1.14; 6,1; 7,1; 11,7.11; 19,28.38). Dieser Vers bildet hier einen Übergang, um Jesu Wechsel von Kana in Galiläa nach Kapernaum zu erklären und schließlich seine Ankunft in Jerusalem zum Passahfest. Kapernaum lag am Nordwest-Ufer des Sees von Galiläa, ungefähr 25 km nordöstlich von Kana.
2,13 Die erste Weise, in der Johannes die Gottheit Jesu bei der Tempelreinigung darstellt, dient dazu, seinen Eifer für die Ehre Gottes deutlich zu machen. Gott allein hat das Recht, den Gottesdienst zu bestimmen. 2,13 Passah der Juden. Gemeint ist das erste von drei Passah- festen, die Johannes erwähnt (V. 13; 6,4; 11,55). Die Juden wählten das Lamm am 10. des Monats aus und feierten das Passah am 14. Tag des Mondmonats Nisan (Vollmond Ende März oder Anfang April). Sie schlachteten das Lamm zwischen 15 und 18 Uhr am Abend des Festtages. Das Passah gedenkt der Befreiung der Juden aus der ägyptischen Sklaverei, als ein Todesengel an den jüdischen Häusern »vorüber ging«, deren »Türpfosten« mit Blut bestrichen waren (2Mo 12,23-27). Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Jesu Reise nach Jerusalem zum Passah war eine normale jährliche Gewohnheit für jeden frommen männlichen Juden über 12 Jahre (2Mo 23,14-17). Zu diesem wichtigsten aller jüdischen Feste drängten sich jüdische Pilger in Jerusalem.
2,14 die Verkäufer … und die Wechsler. Während des Passahfes- tes kamen Menschen aus ganz Israel und des römischen Reiches nach Jerusalem zum Gottesdienst. Aufgrund der teilweise großen Entfernungen war es für sie beschwerlich, Opfertiere mitzubringen. Schlaue Kaufl eute, die in dieser Dienstleistung eine große Gewinnchance sahen, ließen sich im äußeren Tempelvorhof nieder, um Reisenden Tiere zu verkaufen. Die Wechsler wurden benötigt, da die Tempelsteuer, die jährlich von jedem gewissenhaften männlichen Juden ab dem 20. Lebensalter gezahlt wurde (2Mo 30,13.14; Mt 17,24-27), in jüdischen oder tyrischen Münzen entrichtet werden musste (wegen der hohen Reinheit des Silbers). Die Pilger aus fremden Ländern hatte ihr Geld in die geforderte Währung der Tempelsteuer zu wechseln. Für den Umtausch nahmen die Geldwechsler eine hohe Gebühr. Die Tierverkäufer und Geldwechsler nutzten die große Anzahl von Reisenden und den ritusbedingten Charakter des Festes zu ihrem Profi t (»Räuberhöhle«; Mt 21,13). Der Gottesdienst war zu einer haarsträubend materialistischen Religionsausübung entartet.
2,15 Während Johannes diese Tempelreinigung zu Beginn des Wir- kens Jesu festhält, berichten die synoptischen Evangelien am Ende seines Dienstes von einer Tempelreinigung während der Woche des letzten Passahs vor der Kreuzigung Jesu (Mt 21,12-17; Mk 11,15-18; Lk 19,45.46). Die historischen Begebenheiten und der literarische Kontext der beiden Tempelsäuberungen unterscheiden sich so sehr, dass der Versuch, sie miteinander gleichzusetzen, ohne Erfolg bleibt. Außerdem stehen zwei Reinigungen in völliger Übereinstimmung mit dem allgemeinen Charakter des Dienstes Jesu, denn das jüdische Volk in seiner Gesamtheit erkannte Jesu Autorität als Messias zu keiner Zeit an (Mt 23,37-39). Stattdessen verwarfen sie seine Botschaft genauso wie seine Person, was die Wiederholung einer solchen Tempelreinigung höchst wahrscheinlich macht (und ebenso notwendig). trieb sie alle zum Tempel hinaus. Wenn es um die Heiligkeit Gottes und seines Gottesdienstes ging, handelte Jesus fest entschlossen. »Alle« deutet an, dass er nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere hinaustrieb. Und dennoch, obwohl er kraftvoll handelte, geschah es nicht in Grausamkeit. Die Angemessenheit seines Handelns kann in dem Umstand erkannt werden, dass sich kein Aufruhr anschloss. Andernfalls hätte das aufgrund des Passahfestes besonders große Kontingent römischer Truppen prompt reagiert, da es in der Festung Antonia stationiert war, von der aus man den Tempelbereich überblicken konnte. Obschon der wesentliche Verweis auf das Handeln des Messias im Tausendjährigen Reich gerichtet ist, waren Jesu Tempelsäuberungen eine erste Erfüllung von Mal 3,1-3 (und Sach 14,20.21), wo von der Reinigung des Gottesdienstes seines Volkes durch den Messias die Rede ist.
2,16 Macht nicht. Um die Kraft des gr. Imperativs zur Geltung zu bringen, wäre »hört auf« eine bessere Übersetzung, die den Befehl Jesu betont, ihre gegenwärtigen Praktiken zu beenden. Gottes Heiligkeit erfordert einen heiligen Gottesdienst. meines Vaters. Johannes lieferte mit diesem Ausspruch einen unaufdringlichen Hinweis hinsichtlich der göttlichen Sohnschaft Jesu ebenso wie darauf, dass er der Messias war (s. 5,17.18). das Haus … zu einem Kaufhaus. Jesu Absicht war hier möglicherweise ein Wortspiel. Das Wort »Kaufhaus« erzeugt die Vorstellung eines mit Waren angefüllten Geschäftes.
2,17 Ein Zitat aus Ps 69,10, das darauf schließen lässt, dass Jesus kei- ne Respektlosigkeiten gegenüber Gott dulden würde. Als David diesen Psalm schrieb, wurde er verfolgt, weil er für das Haus Gott eiferte und die Ehre Gottes verteidigte. Die Jünger waren besorgt, dass Jesu Handeln die gleiche Verfolgung hervorrufen würde. Paulus zitiert die zweite Hälfte von Ps 69,10 (»Die Schmähungen derer, die dich geschmäht haben, sind auf mich gefallen.«) in Röm 15,3 und macht dadurch den messianischen Charakter des Psalms deutlich, den er für die frühe Gemeinde besaß.
2,18 Die zweite Weise, in der Johannes die Gottheit Christi bei der Tempelreinigung darstellt, diente dazu, seine Macht über den Tod mittels der Auferstehung deutlich zu machen. Nur Gott besitzt dieses Recht. 2,18 die Juden. Höchstwahrscheinlich die Tempelbevollmächtigten oder Repräsentanten des Sanhedrin (vgl. 1,19). ein Zeichen. Die Juden forderten von Jesus eine Art Wunderzeichen, das die Berechtigung seines Eingreifens in das Tempelgeschehen bestätigen würde. Die Forderung nach einem Zeichen macht deutlich, dass sie die Bedeutung des Tadels Jesu nicht verstanden hatten, der auf die Notwendigkeit einer richtigen Einstellung und auf Heiligkeit im Gottesdienst abzielte. Ein derartiges Handeln bildet in sich ein »Zeichen« der Person und Autorität Jesu. Außerdem wurde ihr Unglaube aufgezeigt, da sie nach einer deutlichen Wundertat verlangten. 2,19 Die jüdischen Autoritäten beschuldigten Jesus (Mk 14,29.58) der Drohung gegen den Tempel und bewiesen dadurch, dass sie seine Antwort nicht verstanden. Ein weiteres Mal ergänzt das Johannes-Evangelium die anderen Evangelien, indem es andeutet, dass Jesus sich auf seine Auferstehung bezieht. Ebenso wie sein Gebrauch von Gleichnissen diente Jesu verschlüsselte Aussage sehr wahrscheinlich dazu, seinen Jüngern die Wahrheit zu offenbaren, wohingegen die Bedeutung für die ihn in Frage stellenden Ungläubigen verborgen bleiben sollte (Mt 13,10.11). Die wirkliche Bedeutung dieser Aussage verstanden die Jünger jedoch erst nach seiner Auferstehung (V. 22; vgl. Mt 12,40). Wichtig ist, dass durch den Tod und die Auferstehung Christi die Anbetung im Tempel in Jerusalem aufgehoben wurde (vgl. 4,21) und in die Herzen derer gelegt wurde, die zu einem geistlichen Tempel aufgebaut wurden, welcher die Gemeinde ist (Eph 2,19-22).
2,20 In 46 Jahren ist dieser Tempel erbaut worden. Das be- zog sich nicht auf den salomonischen Tempel, da dieser während der babylonischen Eroberung im Jahr 586 v. Chr. zerstört wurde. Als die Gefangenen aus Babylon zurückkehrten, begannen Serubbabel und Josua mit dem Wiederaufbau des Tempels (Esr 1 – 4). Von den Propheten Haggai und Sacharja ermutigt (Esr 5,1 – 6,18), schlossen die Juden die Arbeit im Jahr 516 v. Chr. ab. Im Jahr 20/19 v. Chr. begann Herodes der Große mit der Rekonstruktion und dem Ausbau. 10 Jahre benötigten die Arbeiter, um den Hauptteil dieses Projektes zu beenden, an anderen Stellen wurde selbst noch zu dem Zeitpunkt gebaut, als Jesus den Tempel reinigte. Interessanterweise befand man sich noch an den restlichen Arbeiten des Gesamtbauwerkes, als der Tempel zusammen mit Jerusalem 70 n. Chr. von den Römern zerstört wurde. Die berühmte »Klagemauer« ist zum Teil auf dem Fundament des herodianischen Tempels errichtet.
2,23 Die dritte Weise, in der Johannes die Gottheit Christi bei der Tempelreinigung darstellt, dient dazu, seine alles durchschauende Sichtweise deutlich zu machen. Nur Gott kennt die Herzen der Menschen wirklich. 2,23 glaubten viele an seinen Namen … Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an. Johannes verwendete in beiden Aussagen das gleiche gr. Verb für »glauben« und »vertraute«. Auf subtile Weise zeigen diese Verse den wahren Charakter des Glaubens aus biblischer Sicht. Aufgrund ihres Wissens um die Wundertaten Jesu glaubten viele an ihn. Da Jesus ihre Herzen kannte, machte er es sich allerdings zur Gewohnheit, sich ihnen nicht von ganzem Herzen »anzuvertrauen«. V. 24 deutet darauf hin, dass Jesus nach echten Bekehrungen Ausschau hielt, anstatt nach einer Begeisterung für das Spektakuläre. Der zweite Vers hinterlässt zudem einen gewissen Zweifel an der Echtheit einiger Bekehrungen (vgl. 8,31.32). Dieser entschiedene Gegensatz zwischen V. 23 und V. 24 hinsichtlich der Art des Vertrauens verdeutlicht somit, dass der Glaube »an seinen Namen« mehr beinhalten muss als eine intellektuelle Zustimmung. Er ruft nach einer Lebensübergabe von ganzem Herzen wie bei den Jüngern Jesu (vgl. Mt 10,37; 16,24-26).
3,1 Die Geschichte von Jesus und Nikodemus stützt die großen Themen des Johannes, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes (apologetisch) ist und dass er gekommen ist, um den Menschen sein Heil anzubieten (evangelistisch). Joh 2,23.24 dient im Grunde als Einleitung zur Geschichte mit Nikodemus, da Kap. 3 deutlich Jesu Fähigkeit zeigt, die Herzen der Menschen zu kennen, weil er selbst Gott ist. Jesus stellt Nikodemus auch Gottes Erlösungsplan vor und zeigt ihm, dass er von Gott gesandt ist, um seinem Volk durch das Erlösungswerk die verheißene Errettung zu bringen (V. 14). Man könnte das Kapitel in zwei Abschnitte einteilen: 1.) Jesu Gespräch mit Nikodemus (V. 1-10); und 2.) Jesu Diskurs über Gottes Erlösungsplan (V. 11-21). 3,1 Den ersten Abschnitt, der Jesu Gespräch mit Nikodemus um- fasst, könnte man in drei Teile gliedern: 1.) Nikodemus befragt Jesus (V. 1-3); 2.) Jesus durchschaut Nikodemus (V. 4-8) und 3.) Jesus beschuldigt Nikodemus (V. 9.10). 3,1 Pharisäern. S. Anm. zu Mt 3,7. Das Wort »Pharisäer« stammt sehr wahrscheinlich von dem hebr. Wort mit der Bedeutung »absondern« und meint deshalb wohl »Abgesonderte«. Sie waren keine Abgesonderten im Sinne von Isolation, sondern in puritanischer Hinsicht, d.h., sie zeigten großen Eifer für Rituale und religiöse Reinheit nach dem mosaischen Gesetz, ebenso nach ihren eigenen Überlieferungen, die sie der Gesetzgebung des ATs hinzugefügt hatten. Obwohl ihr Ursprung unbekannt ist, scheinen sie während der makkabäischen Zeit als ein Ableger der »Chassidim« oder »Frommen« entstanden zu sein. Im Allgemeinen kamen sie aus der jüdischen Mittelschicht und bestanden größtenteils aus Laien (Geschäftsleuten) und weniger aus Priestern oder Leviten. Sie repräsentierten den orthodoxen Kern des Judentums und hatten einen starken Einfl uss auf das einfache Volk in Israel. Laut Josephus gab es 6.000 Pharisäer in der Zeit Herodes’ des Großen. Jesus verurteilte sie wegen ihrer Überbetonung äußerlicher Religiosität (Regeln und Vorschriften), die als Ersatz für eine innere geistliche Veränderung diente (V. 3.7). Nikodemus. Obgleich Nikodemus ein Pharisäer war, ist sein Name gr. Ursprungs und bedeutet »Besieger des Volkes«. Er war ein bekannter Pharisäer und Mitglied des Sanhedrin (»ein Oberster der Juden«). Über seinen familiären Hintergrund ist nichts bekannt. Schließlich kam er zum Glauben an Jesus (7,50-52) und riskierte sein Leben, indem er half, den Leichnam Jesu würdevoll zu bestatten (19,38-42). ein Oberster der Juden. Ein Hinweis auf den Sanhedrin (s. Anm. zu Mt 26,59), dem Regierungsgremium der Juden in Judäa. Es war der oberste Gerichtshof oder Hohe Rat der Juden und entstand höchstwahrscheinlich während der Perserzeit. In ntl. Zeiten bestand der Sanhedrin aus dem Hohenpriester (Vorsitzender), den Oberpriestern (ehemalige Hohenpriester und alle männl. Mitglieder der hohenpriesterlichen Familien), den Ältesten (Familienoberhäupte) und einer Reihe von Schriftgelehrten – insgesamt 71 Personen. Die Berufung war teils erblich, teils politisch motiviert. Der Sanhedrin urteilte nach dem jüdischen Gesetz über zivile und strafrechtliche Angelegenheiten. Urteile über Kapitalverbrechen erforderten allerdings die Zustimmung des römischen Prokurators (18,30-32). Nach 70 n. Chr. und der Zerstörung Jerusalems wurde der Sanhedrin aufgehoben und durch den Beth Din (»Haus des Gerichts«) ersetzt, der aus Schriftgelehrten bestand, deren Entscheidungen nur moralische und religiöse Autorität besaßen.
3,2 kam bei Nacht zu Jesus. Manche haben angenommen, dass der nächtliche Besuch von Nikodemus ein Bild der geistlichen Finsternis seines Herzens ist (vgl. 1,5; 9,4; 11,10; 13,30) oder dass er diesen Zeitpunkt aussuchte, um ungestörter mit Jesus reden zu können. Die einfachste Erklärung fi ndet sich aber wohl in der Tatsache, dass Nikodemus als Oberster der Juden die Konsequenzen fürchtete, die sich aus einem öffentlichen Gespräch mit Jesus für ihn ergeben würden. Er wählte die Nacht, um Jesus heimlich zu treffen und um nicht das Missfallen der anderen Pharisäer zu erregen, die sich größtenteils im Widerstand zu Jesus befanden.
3,3 von neuem geboren. Wörtl. heißt es »von oben her gebo- ren«. Jesus gibt die Antwort auf eine Frage, die Nikodemus nicht einmal stellte. Er erkannte, was im Herzen des Nikodemus war, und stieß zum innersten Kern seines Problems vor, zu der Notwendigkeit geistlicher Veränderung oder der Wiedergeburt durch den Heiligen Geist. Eine neue Geburt ist ein Akt Gottes, durch den der Gläubige ewiges Leben empfängt (2Kor 5,17; Tit 3,5; 1Pt 1,3; 1Joh2,29; 3,9; 4,7; 5,1.4.18). Kapitel 1,12.13 weist auch darauf hin, dass eine neue Geburt den Gedanken umschließt, »Gottes Kinder zu werden« durch das Vertrauen in den Namen des fl eischgewordenen Wortes. kann er das Reich Gottes nicht sehen. Im Kontext ist das in erster Linie eine Anspielung auf die Zugehörigkeit zum Tausendjährigen Reich am Ende des Zeitalters, was von den Pharisäern und anderen Juden inbrünstig erwartet wurde. Da die Pharisäer an das Übernatürliche glaubten, rechneten sie ungeduldig mit der verheißenen Auferstehung der Heiligen und der Errichtung des messianischen Königreiches (Jes 11,1-16; Dan 12,2). Ihr Problem war, dass sie annahmen, dass eine rein biologische Abstammung und das Halten von religiösen Äußerlichkeiten sie zum Eintritt in das Reich Gottes berechtigen würde, statt der von Jesus betonten geistlichen Veränderung (vgl. 8,33-39; Gal 6,15). Das Kommen des Königreiches am Ende des Zeitalters kann als die »Wiedergeburt« der Welt bezeichnet werden (Mt 19,28), doch die Wiedergeburt des Einzelnen muss vor dem Ende der Welt geschehen, um in das Reich Gottes zu gelangen.
3,4 Da er selbst ein Lehrer war, verstand Nikodemus die rabbinische Methode, bildliche Sprache zur Vermittlung von geistlichen Wahrheiten einzusetzen. So griff er zwar den Symbolismus Jesu auf, allerdings ohne ihn mit Inhalt füllen zu können.
3,5 aus Wasser und Geist geboren. Jesus sprach hier nicht buch- stäblich von Wasser, sondern von der Notwendigkeit der »Reinigung« (z.B. Hes 36,24-27). Wenn das AT Wasser im übertragenen Sinne benutzt, meint es immer Erneuerung oder geistliche Reinigung, besonders wenn es in Verbindung mit dem »Geist« verwendet wird (4Mo 19,17-19; Ps 51,11.12; Jes 32,15; 44,3-5; 55,1-3; Jer 2,13; Joel 3,1.2). Folglich sprach Jesus von der geistlichen Waschung oder Reinigung der Seele, was im Augenblick der Errettung mittels des Wortes Gottes durch den Heiligen Geist bewirkt wird (vgl. Eph 5,26; Tit 3,5) und zur Zugehörigkeit zum Reich Gottes erforderlich ist.
3,8 Der Wind weht, wo er will. Jesus vergleicht den Heiligen Geist mit dem Wehen des Windes, der von den Menschen nicht kontrolliert und verstanden werden kann; sie können nur die Auswirkungen des Windes wahrnehmen. Auch der Heilige Geist kann nicht kontrolliert und verstanden werden, aber sein Wirken ist offensichtlich. Wo der Geist Gottes wirkt, legt er ein unbestreitbares und unverkennbares Zeugnis ab.
3,10 der Lehrer. Der Gebrauch des bestimmten Artikels »der« ver- weist darauf, dass Nikodemus ein berühmter Lehrer im Volk Israel war, eine anerkannte religiöse Autorität, etwas Besonderes. Er genoss eine hohe Stellung unter den Rabbis oder Lehrern seiner Zeit. Jesu Erwiderung betont den gegenwärtigen geistlichen Bankrott des Volkes, da nicht einmal einer der größten jüdischen Lehrer die Belehrungen über geistliche Reinigung und Veränderung verstand, welche deutlich auf dem AT fußten (vgl. V. 5). Das sollte schließlich zeigen, dass die äußerliche Religiosität tödliche Folgen für die geistliche Wahrnehmung eines Menschen haben kann.
3,11 Diese Verse lenken die Aufmerksamkeit von Nikodemus weg und konzentrieren sich auf Jesu Diskurs über die wahre Bedeutung der Errettung. Das Schlüsselwort in diesen Versen lautet »glauben« und wird siebenmal verwendet. Die neue Geburt muss durch Glauben empfangen werden. Während die V. 1-10 von der göttlichen Seite der Errettung handeln, betonen die V. 11-21 die menschliche Reaktion auf das Wirken Gottes bezüglich der Wiedergeburt. Der Abschnitt V. 11-21 kann in drei Teile gegliedert werden: 1.) das Problem des Unglaubens (V. 11.12); 2.) die Antwort auf Unglauben (V. 13-17) und 3.) die Folgen des Unglaubens (V. 18-21). 3,11 Jesus nennt Unglauben als Grund für Unwissenheit. Im Grunde verstand Nikodemus die Worte Jesu nicht aufgrund mangelnden Intellekts, sondern weil er dem Zeugnis Jesu nicht glaubte. 3,11 nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. Das »ihr« verweist zurück auf das »wir« in V. 2, wo Nikodemus stellvertretend für sein Volk Israel sprach (»wir wissen«). Jesus erwidert in V. 11 mit einem »ihr« und deutet dadurch an, dass Nikodemus’ Unglaube repräsentativ für die ganze Nation war.
3,13 niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel. Dieser Vers widerspricht anderen religiösen Systemen, die besondere Offenbarungen von Gott beanspruchen. Jesus bestand darauf, dass niemand in den Himmel hinaufgestiegen sei, anschließend zurückkam und über himmlische Dinge sprach (vgl. 2Kor 12,1-4). Nur er hatte seinen ständigen Aufenthalt im Himmel vor seiner Menschwerdung, deshalb besitzt auch nur er wahre himmlische Weisheit (vgl. Spr 30,4).
3,14 so muss der Sohn des Menschen erhöht werden. Vgl. 8,28; 12,32.34; 18,31.32. Das ist eine versteckte Prophezeiung des Kreuzestodes Jesu. Jesus bezieht sich auf die Geschichte in 4Mo 21,59, wo die Israeliten am Leben blieben, die auf die von Mose erhöhte Schlange blickten. Die Kernaussage dieser Illustration oder Analogie liegt in dem Wort »erhöht«. Ebenso wie Mose die Schlange auf einer Stange erhöhte, so dass jeder am Leben blieb, der auf sie blickte, werden die Menschen geistlich und ewig leben, die auf Christus schauen, der am Kreuz »erhöht« wurde.
3,15 ewiges Leben. Das ist die erste von 18 Erwähnungen des »ewigen Lebens« im Johannes-Evangelium. Der Ausdruck kommt im NT nahezu 50-mal vor. Ewiges Leben meint nicht nur die ewige Dauer, sondern auch die göttliche Qualität des Lebens. Wörtl. bedeutet es das »Leben des (kommenden) Zeitalters« und bezieht sich daher auf die Auferstehung und die Existenz im Himmel in vollkommener Herrlichkeit und Heiligkeit. Dieses Leben erfährt der an Christus Glaubende schon bevor er in den Himmel kommt. Das »ewige Leben« bedeutet, das Lebendige Wort, Jesus Christus, zu besitzen. Es ist das göttliche Leben in jedem Gläubigen, das aber erst nach der Auferstehung vollends offenbar wird (Röm 8,19-23; Phil 3,20.21).
3,16 Denn so hat Gott die Welt geliebt. Der Auftrag des Soh- nes ist eng mit Gottes größter Liebe für die böse, sündige »Welt« der Menschheit verbunden (vgl. 6,32.51; 12,47; s. Anm. zu 1,9; s. Anm. zu Mt 5,44.45), die sich im Aufstand gegen ihn befi ndet. Das Wort »so« hebt die Intensität oder Größe seiner Liebe hervor. Der Vater gab seinen einzigen geliebten Sohn, um für sündige Menschen zu sterben (s. Anm. zu 2Kor 5,21). ewiges Leben. S. Anm. zu V. 15; vgl. 17,3; 1Joh5,20.
3,18 an den Namen … geglaubt. Dieser Ausdruck meint mehr als eine verstandesmäßige Zustimmung zu den Forderungen des Evangeliums. Er beinhaltet Vertrauen und eine Lebensübergabe an Christus als Herrn und Erlöser. Das führt zum Empfang einer neuen Natur (V. 7), die eine Veränderung des Herzens und Gehorsam gegenüber dem Herrn bewirkt (s. Anm. zu 2,23-25).
3,22 In diesem Evangelium bildet dieser Abschnitt das letzte Zeugnis Johannes des Täufers über Christus. Während sich sein Dienst dem Ende zuneigte, rückte das Wirken Jesu in den Vordergrund. Trotz der Tatsache, dass Johannes der Täufer einen weitläufi gen Ruhm in Israel erwarb und von der einfachen Bevölkerung und den sozial Verstoßenen im Allgemeinen akzeptiert wurde, verwarf man sein Zeugnis über Jesus, besonders die Führer Israels (vgl. Mt 3,5-10; Lk 7,29). 3,22 in das Land Judäa. Während die vorangegangene Episode mit Nikodemus in Jerusalem stattfand (2,23), das zu Judäa gehörte, meint dieser Ausdruck, dass Jesus in die ländlichen Gebiete dieser Region hinausging. taufte. Kap. 4,2 sagt ausdrücklich, dass Jesus nicht persönlich taufte, sondern dass seine Jünger diese Arbeit verrichteten.
3,23 Änon, nahe bei Salim. Die genaue Lage ist umstritten. Es könnte entweder Salim bei Sichem gemeint sein oder Salim ca. 10 km südlich von Bet Schean. Beide liegen im Gebiet von Samaria. Änon ist ein transliteriertes hebr. Wort, das »Quelle« bedeutet – an beiden möglichen Standorten gibt es viel Wasser (»viel Wasser dort«).
3,24 Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen wor- den. Das weist zudem darauf hin, dass Johannes die synoptischen Evangelien ergänzt, indem er zusätzliche Informationen liefert, die zum weiteren Verständnis der Wege Johannes des Täufers und Jesu beitragen (s. Einleitung). Bei Matthäus und Markus folgt der Versuchung Christi die Inhaftierung des Johannes. Mit dieser Aussage füllt der Apostel Johannes die Zeit zwischen der Taufe und Versuchung Jesu und der Festnahme von Johannes dem Täufer.
3,25 Es erhob sich nun eine Streitfrage. Die Streitfrage betraf möglicherweise das Verhältnis der Taufdienste von Johannes und Jesus zu der Reinigungssitte der Juden, auf die Kap. 2,6 anspielt. Der eigentliche Grund für die Sorge der Jünger des Johannes war in Wirklichkeit, dass Jesus ihm Konkurrenz machte. 3,25 Diesen Abschnitt könnte man in drei Teile gliedern, welche die Bedeutung der Dinge hervorheben, die mit dem Wirken von Johannes und Jesus in Verbindung standen: 1.) Johannes der Täufer bildete den Abschluss der alten Zeit (V. 25-29); 2.) die Überleitung zum Dienst Jesu (V. 30) und 3.) das Wirken Jesu bildete den Beginn der neuen Zeit (V. 3136). Anstatt missgünstig zu sein, bewies Johannes demütige Ergebenheit gegenüber der höheren Stellung der Person und des Dienstes Jesu.
3,26 jedermann kommt zu ihm. Der potentielle Konfl ikt zwischen Johannes und Jesus wurde durch die Tatsache verstärkt, dass sie ihren Dienst nicht weit voneinander entfernt ausübten. Da das Taufen in V. 22 erwähnt wird, ist es möglich, dass Jesus in der Nähe von Jericho gewesen war, nahe der Furten des Jordan, während Johannes etwas nördlich bei Änon taufte. Die Nachfolger des Johannes waren besonders von dem Umstand beunruhigt, dass sich so viele um Jesus scharten, während sie früher zu Johannes gekommen waren.
3,27 es sei denn, es ist ihm vom Himmel gegeben. Diese Aus- sage betont Gottes souveräne Autorität beim Erteilen von Diensten (vgl. 1Kor 4,7; 15,10).
3,29 Bräutigam; der Freund des Bräutigams. Johannes drückte das Verständnis seiner Rolle durch ein Gleichnis aus. Der »Freund des Bräutigams« war damals gleichbedeutend mit dem Organisator und Leiter einer judäischen Hochzeit (Hochzeitsfeiern in Galiläa waren etwas anders). Dieser Freund hatte seine Freude daran, wenn die Zeremonie ohne Probleme verlief. Sehr wahrscheinlich spielte Johannes auch auf atl. Aussagen an, in denen das treue Israel als die Braut des Herrn dargestellt wird (Jes 62,4.5; Jer 2,2; Hos 2,18-22).
3,31 In diesen Versen liefert Johannes der Täufer fünf Gründe für die höhere Stellung Christi: 1.) Christus hat einen himmlischen Ursprung (V. 21); 2.) Christus kennt die Wahrheit aus erster Hand (V. 32); 3.) Christi Zeugnis stimmt mit Gott immer überein (V. 33); 4.) Christus erfährt den Heiligen Geist in unbeschränkter Weise (V. 34) und 5.) Christus besitzt höchste Autorität, weil die Souveränität des Vaters ihm diesen Status verleiht (V. 35). 3,31 über allen. In diesen Versen werden mehrere Themen des ganzen Kapitels vereint. Im unmittelbaren Kontext erklärte Johannes, weshalb Jesus, das fl eischgewordene Wort, wachsen muss, denn er allein ist »von oben« (himmlischen Ursprungs) und deshalb »über allen«. Der gr. Ausdruck für »über allen« erinnert an V. 3, wo die neue Geburt »von oben her« nur erfahren werden kann durch den Glauben an die Person, die »von oben« stammt. Im Gegensatz dazu sind alle anderen »von der Erde«, was Endlichkeit und Beschränkung andeutet. Der direkte Zusammenhang meint, dass Johannes der Täufer abnehmen muss (V. 30), weil er »von der Erde« war und zu ihr gehörte. Obwohl er zur Buße und Taufe aufrief, konnte Johannes die Ratschlüsse des Himmels nicht so offenbaren wie Jesus – Gott und Mensch in einer Person.
3,34 den Geist nicht nach Maß. Gott gab seinem Sohn den Heili- gen Geist ohne Einschränkungen (1,32.33; Jes 11,2; 42,1; 61,1).
3,36 Das bildet den geeigneten Höhepunkt des Kapitels. Johannes der Täufer breitet zwei Alternativen aus, echten Glauben und aufsässigen Ungehorsam, was die Drohung des heraufziehenden Gerichts umschließt. Als Johannes in den Hintergrund trat, forderte er zum Glauben an den Sohn Gottes auf und stellte die endgültigen Konsequenzen des Unglaubens deutlich dar, d.h. er redete vom »Zorn Gottes«.
4,1 Die Geschichte der Samariterin bekräftigt Johannes’ Haupt- thema, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist. Der Schwerpunkt dieser Verse liegt nicht so sehr auf ihrer Bekehrung, sondern vielmehr auf der Tatsache, dass Jesus der Messias ist (V. 26). Während man deutlich auf ihre Bekehrung schließen kann, konzentriert sich der Apostel auf das, was die Schrift über Jesus vorhersagte (V. 25). Ebenso wichtig ist die Tatsache, dass dies Kapitel Jesu Liebe und seine Menschenkenntnis sichtbar werden lässt. Seine Liebe für die Menschen kannte keine Barrieren, denn voller Liebe und Mitgefühl versuchte er eine Frau zu erreichen, die von der Gesellschaft verstoßen war. Im Gegensatz zu den Beschränkungen menschlicher Liebe zeigt Christus das Wesen göttlicher Liebe, die keine Unterschiede macht und allumfassend ist (3,16).
4,3 verließ er Judäa. Aufgrund ihrer unverkennbaren Botschaft der Buße und des Reiches Gottes standen Johannes der Täufer und Jesus im öffentlichen Blickpunkt. Sehr wahrscheinlich wollte Jesus jegliche Schwierigkeiten mit den Jüngern des Johannes vermeiden, die Probleme mit seiner wachsenden Popularität hatten. Da auch die Pharisäer seinen zunehmenden Einfl uss verstärkt wahrnahmen, traf Jesus die Entscheidung, Judäa zu verlassen, und reiste nach Norden, um Konfl ikten aus dem Weg zu gehen.
4,4 Er musste aber durch Samaria reisen. Von Judäa nach Galiläa führten mehrere Straßen: eine entlang der Küste, eine andere durch das Gebiet von Peräa, und eine weitere mitten durch Samaria. Trotz der starken Abneigungen zwischen Juden und Samaritern berichtet der jüdische Historiker Josephus, dass es zur Zeit der großen Feste eine Angewohnheit der Judäer war, die kürzere Route durch das Gebiet der Samariter zu nehmen. Obschon das Verb »musste« sich wahrscheinlich auf die Tatsache bezieht, dass Jesus Zeit sparen und unnötige Umwege vermeiden wollte, denn die Evangelien betonen, dass der Herr sich der Erfüllung des Planes seines Vaters bewusst war (2,4; 7,30; 8,20; 12,23; 13,1; 14,31), hob der Apostel wohlmöglich die göttliche, geistliche Notwendigkeit hervor, d.h. seine Begegnung mit der samaritischen Frau war von Gott bestimmt, um ihr zu offenbaren, dass er der Messias war. Samaria. Als das Volk Israel nach der Herrschaft Salomos politisch in zwei Teile fi el, nannte König Omri die Hauptstadt des Nordreiches von Israel »Samaria« (1Kö 16,24). Schließlich bezog sich die Bezeichnung auf das ganze Gebiet und gelegentlich auch auf das gesamte Nordreich, das 722 v. Chr. (mit der Hauptstadt Samaria) in assyrische Gefangenschaft fi el (2Kö 17,1-6). Während die Assyrer den größten Teil der Bevölkerung der zehn Nordstämme wegführten (in das Gebiet des heutigen NordIrak), ließen sie eine beträchtliche Anzahl von Juden im Norden Samarias zurück und brachten viele Nicht-Juden nach Samaria. Diese beiden Gruppen heirateten untereinander und bildeten so ein Mischvolk. Schließlich traten Spannungen zwischen den aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrenden Juden und den Samaritern auf. Die Samariter wendeten sich von der Anbetung Jahwes in Jerusalem ab und errichteten ihre Anbetungsstätte auf dem Berg Garizim in Samaria (V. 20-22). Samariter betrachteten nur den Pentateuch als maßgebend. Die Folge davon war, dass die Juden die Samariter als Irrlehrer abwiesen. In der Geschichte gab es zwischen den beiden Gruppen ernsthafte ethische und kulturelle Spannungen, so dass der Kontakt von beiden Seiten soweit wie möglich vermieden wurde (V. 9; Esr 4,1-24; Neh 3,33-39; Lk 10,25-37). S. Anm. zu 2Kö 17,24.
4,5 Sichar. Diese Stadt ist wahrscheinlich das heutige Askar am Hang des Berges Ebal, gegenüber dem Berg Garizim. Die Überlieferungslinie siedelt den Jakobsbrunnen etwa 1 km südlich von Askar an. 4,5 Diese Verse beziehen sich zurück auf 1Mo 48,22, wo Jakob Joseph ein Stück Land vermachte, das er aus »der Hand der Söhne Hamors« gekauft hatte (vgl. 1Mo 33,19). Als die Juden aus Ägypten zurückkehrten, begruben sie die Gebeine Josephs in diesem Stück Land in Sichem. Das Gebiet wurde zum Erbteil der Nachkommen Josephs. Die genaue Lage des »Jakobsbrunnen« wurde durch die sicheren Überlieferungen von Juden, Samaritern, Muslimen und Christen festgelegt und befi ndet sich heute im Schatten der Krypta einer unvollendeten orthodoxen Kirche. Der hier für »Brunnen« verwendete Begriff bezeichnet eine sprudelnde Quelle, wohingegen Johannes in V. 11 und 12 einen anderen Ausdruck für »Brunnen« benutzt, der »Zisterne« oder »gegrabener Brunnen« bedeutet, was darauf hinweist, dass der Brunnen gegraben war und von einer unterirdischen Quelle gespeist wurde. Die Quelle ist auch heute noch aktiv. 4,6 müde … von der Reise. Da das Wort Fleisch wurde (1,14), litt er auch unter den körperlichen Beschränkungen seines Menschseins (Hebr 2,10-14). die sechste Stunde. Wenn Johannes die jüdische Zeiteinteilung verwendete, die bei Sonnenaufgang gegen 6 Uhr begann, war es etwa 12 Uhr mittags. Sollte Johannes die römische Zeit benutzt haben, welche um 12 Uhr mittags begann, war es etwa 6 Uhr abends.
4,7 Da kommt eine Frau aus Samaria, um Wasser zu schöp- fen. Frauen kamen im Allgemeinen in Gruppen zum Wasserschöpfen, entweder früh am Tag oder später, um der Hitze zu entgehen. Wenn die Samariterin um 12 Uhr mittags allein kam (s. Anm. zu V. 6), könnte man daraus schließen, dass ihre öffentliche Schande (V. 16-19) sie von anderen Frauen isolierte. Gib mir zu trinken! In der Öffentlichkeit mit einer Frau zu sprechen und zudem eine Samariterin um Wasser zu bitten, war für einen jüdischen Mann ein eindeutiger Verstoß gegen einen starren sozialen Brauch und ein starkes Abweichen von der gesellschaftlichen Feindseligkeit, die zwischen den beiden Gruppen existierte. Außerdem unterhielt sich ein »Rabbi« und religiöser Führer nie mit Frauen, die einen schlechten Ruf hatten (V. 18).
4,8 um Speise zu kaufen. Dieser Vers lässt erkennen, dass, da Je- sus und seine Jünger Lebensmittel von den Samaritern kaufen wollten, sie nicht einigen der selbstauferlegten Vorschriften der strengeren Juden folgten, die keine Nahrung von den ausgestoßenen Samaritern gegessen hätten.
4,10 lebendiges Wasser. Das AT bildet den Hintergrund für diesen Ausdruck, der eine wichtige metaphorische Bedeutung besitzt. In Jer
2,13 Die erste Weise, in der Johannes die Gottheit Jesu bei der Tempelreinigung darstellt, dient dazu, seinen Eifer für die Ehre Gottes deutlich zu machen. Gott allein hat das Recht, den Gottesdienst zu bestimmen. 2,13 Passah der Juden. Gemeint ist das erste von drei Passah- festen, die Johannes erwähnt (V. 13; 6,4; 11,55). Die Juden wählten das Lamm am 10. des Monats aus und feierten das Passah am 14. Tag des Mondmonats Nisan (Vollmond Ende März oder Anfang April). Sie schlachteten das Lamm zwischen 15 und 18 Uhr am Abend des Festtages. Das Passah gedenkt der Befreiung der Juden aus der ägyptischen Sklaverei, als ein Todesengel an den jüdischen Häusern »vorüber ging«, deren »Türpfosten« mit Blut bestrichen waren (2Mo 12,23-27). Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Jesu Reise nach Jerusalem zum Passah war eine normale jährliche Gewohnheit für jeden frommen männlichen Juden über 12 Jahre (2Mo 23,14-17). Zu diesem wichtigsten aller jüdischen Feste drängten sich jüdische Pilger in Jerusalem. 2,13, tadelt Jahwe die ungehorsamen Juden, weil sie ihn, »die Quelle le- bendigen Wassers«, verlassen hatten. Die atl. Propheten freuten sich auf eine Zeit, in der »lebendige Wasser aus Jerusalem fl ießen« werden (Sach 14,8; Hes 47,9). Das atl. Bild sprach von der Erkenntnis Gottes und seiner Gnade, die Reinigung, geistliches Leben und die verändernde Kraft des Heiligen Geistes bringt (vgl. Jes 1,16-18; 12,3; 44,3; Hes 36,25-27). Johannes wendet diese Themen auf Jesus Christus als dem lebendigen Wasser an, welches das ewige Leben symbolisiert, das von ihm durch den Heiligen Geist empfangen wird (vgl. V. 14; 6,35; 7,37-39). Jesus benutzte das Verlangen der Frau nach Wasser zur Aufrechterhaltung des Lebens in diesem dürren Gebiet, um ihr verständlich zu machen, dass sie eine geistliche Veränderung benötigte. 4,15 Wie Nikodemus (3,4) erkannte auch die Frau nicht, dass Jesus über ihre geistliche Not sprach. Stattdessen wollte sie dieses Wasser, um nicht mehr so häufi g zum Jakobsbrunnen kommen zu müssen.
4,16 rufe deinen Mann. Da die Frau das Wesen des ihr angebote- nen Wassers nicht verstand (V. 15), lenkte Jesus das Gespräch unvermittelt auf die reale Notwendigkeit ihrer Bekehrung und Reinigung von der Sünde. Seine gründliche Kenntnis ihres moralisch verdorbenen Lebens bewies nicht nur seine übernatürlichen Fähigkeiten, sondern richtete sich nun ganz auf ihren geistlichen Zustand.
4,18 nicht dein Mann. Sie lebte mit einem Mann zusammen, von dem Jesus sagte, dass er nicht ihr Ehemann war. Durch eine solch klare Aussage wies unser Herr den Gedanken zurück, dass bereits das Zusammenleben zweier Menschen eine Ehe darstellt. Aus biblischer Sicht beschränkt sich eine Ehe immer auf einen öffentlichen, formellen, offi ziellen und anerkannten Bund.
4,19 du ein Prophet bist. Seine Kenntnis über ihr Leben machte deutlich, dass diese aus einer übernatürlichen Quelle stammte.
4,20 auf diesem Berg. Sowohl Juden als auch Samariter wussten, dass Gott ihren Vorvätern befohlen hatte, einen besonderen Platz zu seiner Anbetung aufzusuchen (5Mo 12,5). Die Juden, die den ganzen hebräischen Kanon anerkannten, beteten in Jerusalem an (2Sam 7,5-13; 2Chr 6,6). Die Samariter, die nur den Pentateuch gelten ließen, hielten daran fest, dass Abraham zum ersten Mal in Sichem Gott einen Altar errichtete (1Mo 12,6.7). Auf Sichem konnte man vom Berg Garizim herabblicken, von dem die Israeliten die von Gott verheißenen Segnungen ausrufen sollten, bevor sie das verheißene Land in Besitz nahmen (5Mo 11,29.30). Das Ergebnis war, dass sie sich den Berg Garizim als Ort für ihren Tempel auswählten.
4,21 weder auf diesem Berg noch in Jerusalem. Es bestand kein Grund, um über den richtigen Ort zu diskutieren, da schon bald beide Plätze überholt sein würden und keine Rolle mehr für wahre Anbeter Gottes spielten. Jerusalem würde sogar samt dem Tempel zerstört (70 n. Chr.).
4,22 was ihr nicht kennt. Die Samariter kannten Gott nicht. Sie hatten keine vollständige Offenbarung Gottes, und konnten demzufolge nicht in Wahrheit anbeten. Die Juden besaßen die vollständige Offenbarung Gottes im AT; folglich kannten sie den Gott, den sie verehrten, da die Botschaft des Heils zuerst zu ihnen kam (s. Anm. zu Lk 19,9) und durch sie in die ganze Welt (vgl. Röm 3,2; 9,4.5).
4,23 die Stunde. Das bezieht sich auf Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt, wodurch die Erlösung vervollständigt wurde. wahren Anbeter. Jesus meint, dass, angesichts seines Kommens als Messias und Erlöser, Anbeter nicht ein bestimmtes Heiligtum oder ein besonderer Ort vor Gott angenehm macht, sondern ihre Anbetung Gottes durch den Sohn. Mit dem Kommen Christi verschwanden die bisherigen Unterschiede zwischen wahren und falschen Anbetern hinsichtlich des Anbetungsortes. Wahre Anbeter sind all jene, die von Herzen Gott durch den Sohn anbeten (vgl. Phil 3,3).
4,24 Gott ist Geist. Dieser Vers liefert die klassische Aussage über das Wesen Gottes als Geist. Gemeint ist, dass Gott unsichtbar ist (Kol 1,15; 1Tim 1,17; Hebr 11,27), im Gegensatz zu der physischen oder materiellen Natur des Menschen (1,18; 3,6). Die Wortreihenfolge in diesem Ausdruck legt die Betonung auf »Geist«; die Feststellung besitzt einen entschiedenen Grundton. Der Mensch könnte den unsichtbaren Gott niemals erfassen, wenn er sich ihm nicht offenbaren würde, so wie er es in der Schrift und seiner Menschwerdung tat. müssen … anbeten. Jesus spricht nicht von einem wünschenswerten Element der Anbetung, sondern von dem, was absolut notwendig ist. im Geist und in der Wahrheit. Das Wort »Geist« bezieht sich nicht auf den Heiligen Geist, sondern auf den menschlichen Geist. Jesus meint hier, dass die Anbetung einer Person nicht einfach äußeren religiösen Ritualen entsprechen oder sich auf bestimmte Orte beschränken darf, sondern mit der richtigen Herzenshaltung von innen (»im Geist«) kommen muss. Das Wort »Wahrheit« bezieht sich auf die Anbetung Gottes in Übereinstimmung mit seinem geoffenbarten Wort und konzentriert sich auf das fl eischgewordene Wort, welches schließlich den Vater offenbarte (14,6).
4,25 Messias. Auch die Samariter erwarteten das Kommen des Messias.
4,26 Ich bin’s, der mit dir redet! Jesus erklärte offen, dass er der Messias sei, obschon er gewohnt war, solche Erklärungen vor seinem jüdischen Volk zu vermeiden, welches einseitig politische und militäristische Ansichten bezüglich des Messias hatte (vgl. 10,24; Mk 9,41). Der Gebrauch von »Ich bin« erinnert an 8,58 (s. Anm. dort). Dieser Anspruch bildet den wesentlichen Kern der Begebenheit mit der samaritischen Frau.
4,27 Diese Verse bekräftigen Jesu Hinweis, dass er der Messias sei, indem sie den Beweis für seinen Anspruch liefern. Johannes stützt sein Hauptthema aus V. 20,31, indem er fünf echte, ganz subtile Beweise lieferte, dass Jesus wirklich der Messias und Sohn Gottes war: 1.) der Beweis durch seine unmittelbare Kontrolle aller Dinge (V. 27); 2.) der Beweis durch seine Wirkung auf die Frau (V. 28-30); 3.) der Beweis durch die Vertrautheit mit dem Vater (V. 31-34); 4.) der Beweis durch sein Verständnis von der menschlichen Seele (V. 35-38) und 5.) der Beweis durch seine Wirkung auf die Samariter (V. 39-42). 4,27 Unterdessen. Wären die Jünger früher zurück gekommen, hätten sie die Unterhaltung gestört und beendet, wären sie etwas später gekommen, wäre die Frau bereits weg gewesen und sie hätten seine Behauptung nicht gehört, dass er der Messias sei. Dieser Umstand verdeutlicht auf eindrückliche Weise Jesu göttliche Kontrolle in jeder Situation.
4,28 zu den Leuten. Jesus hatte eine solche Wirkung auf die Frau, dass sie die Neuigkeiten sofort unter die Leute bringen wollte, die sie aufgrund ihres Rufes zuvor gemieden hatte. Ihr Zeugnis und ihre Offenheit in Bezug auf ihr eigenes Leben beeindruckte sie so sehr, dass sie kamen, um Jesus selbst zu sehen.
4,32 Ich habe eine Speise. So wie die Samariterin die Worte Jesu hinsichtlich des Wassers missverstanden hatte (V. 15), dachten die Jünger Jesu buchstäblich an Nahrungsmittel. Johannes gebrauchte solche Missverständnisse häufi g, um die Argumentation des Evangeliums weiterzuführen (z.B. 2,20; 3,3).
4,34 Meine Speise ist die, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat. Sehr wahrscheinlich nahm Jesus Bezug auf 5Mo 8,3, wo Mose sagt, »dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern dass er von allem dem lebt, was aus dem Munde des HERRN geht« (vgl. Mt 4,4; Lk 4,4). Als er mit der samaritischen Frau sprach, tat Jesus den Willen des Vaters und empfi ng dadurch größere Nahrung und Befriedigung, als jede rein physische Nahrung ihm hätte bieten können (5,23.24; 8,29; 17,4). Abhängigkeit und Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes zeichneten Jesu ganzes Leben aus (Eph 5,17). Gottes Wille für sein Leben wird in 6,38-40 erklärt (s. Anm. dort).
4,35 noch vier Monate, dann kommt die Ernte. Die Begebenheit ereignete sich wahrscheinlich im Dezember oder Januar, was vier Monate vor der üblichen Frühjahrsernte lag (Mitte April). Getreide wurde im November gesät und im Dezember oder Januar spross das Korn in kräftig grünen Farben. Jesus gebrauchte den Umstand, dass sie von Getreidefeldern umgeben waren, die auf die Ernte warteten, um ihnen deutlich zu machen, wie dringlich es für ihn war, die Verlorenen zu erreichen, die durch die »Ernte« symbolisiert wurden. Jesus weist auf die Samariterin und die Menschen von Sichar hin (»Hebt eure Augen auf«), die in diesem Augenblick zu ihnen kamen (V. 30) und wie eine reife »Ernte« wirkten, die dringend »eingefahren«, d.h. evangelisiert werden musste. schon weiß zur Ernte. Ihre weiße Kleidung, die über dem wachsenden Korn zu sehen war, könnte wie weiße Ähren an Halmen ausgesehen haben, ein Hinweis, dass es Zeit zur Ernte war. Jesus kannte die Herzen aller Menschen (2,24), und konnte folglich erkennen, dass sie zur Errettung bereit waren (vgl. V. 39-41).
4,36 Zum Aufruf des Herrn an seine Jünger zur Evangelisation gehört die Verheißungen auf »Lohn«, Frucht, die ewige Freude bringt (V. 36), und die gegenseitige Gemeinschaft durch geteilte Privilegien (V. 37.38).
4,42 Retter der Welt. Dieser Ausdruck fi ndet sich auch in 1Joh4,14. Der Vers bildet den Höhepunkt der Geschichte mit der samaritischen Frau. Die Samariter gehören zu einer ganzen Reihe von Zeugen im Johannes-Evangelium, welche Jesus als Messias und Sohn Gottes ausweisen. Diese Episode stellt das erste Beispiel der Evangelisation zwischen zwei verschiedenen Kulturen dar (Apg 1,8).
4,43 Die Begebenheit der Heilung des königlichen Beamtensoh- nes durch Jesus bildet das zweite der acht »Zeichen«, die Johannes verwendet, um in seinen Lesern den Glauben an die wahre Identität Jesu zu wecken (V. 54). Jesus rügte den Unglauben des Beamten, der ein Wunder benötigte, um an Christus zu glauben (V. 48). Obwohl einige meinen, dass diese Geschichte die gleiche ist wie die Heilung des Dieners des Hauptmanns (Mt 8,5-13; Lk 7,2-10), existieren genügend Unterschiede, die zeigen, dass sich dieser Bericht von denen der Synoptiker unterscheidet: z.B. 1.) gibt es keinen Beweis, dass der Beamtensohn ein Nicht-Jude war; 2.) wurde der Sohn des Beamten geheilt, nicht sein Diener und 3.) Jesus reagierte weitaus negativer auf den Glauben des Beamten (V. 48) als bei dem Hauptmann (Mt 8,9). Man könnte den Abschnitt in drei Teile gliedern: 1.) Jesus erwartet Unglauben (V. 43-45); 2.) Jesus stellt sich dem Unglauben (V. 46-49) und 3.) Jesus überwindet den Unglauben (V. 50-54). 4,43 ging nach Galiläa. Nach zwei Tagen in Samaria ging Jesus nach Galiläa, um die Reise erneut aufzunehmen, die er in V. 3 begonnen hatte.
4,44 ein Prophet wird in seinem eigenen Vaterland nicht ge- achtet. Dieser Ausspruch (ebenso in Mt 13,57; Mk 6,4) weist auf den Unterschied hin zwischen der Glaubensreaktion der Samariter (V. 39) und dem charakteristischen Unglauben der Menschen aus Galiläa (und Judäa), deren zurückhaltender Glaube sehr vom Wunderwirken Jesu abhing (V. 48). Während Jesus sich in Samaria einer uneingeschränkt positiven Reaktion erfreute, ohne auf Widerstand zu treffen, waren die Herzen seiner eigenen Leute nicht offen für ihn, sondern bewiesen Widerwillen und Härte.
4,45 nahmen ihn die Galiläer auf. Der Apostel könnte diese Worte ironisch gemeint haben, besonders angesichts des unmittelbaren Kontextes von V. 44.48. Wahrscheinlich wurde er von Neugierigen aufgenommen, deren Interesse mehr den Wundern galt als dem Glauben an Jesus als dem Messias – so wie es auf »dem Fest« gewesen war (s. Anm. zu 2,23-25).
4,46 Kana in Galiläa. Die tiefe Ironie der Aussage in V. 45 wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass Jesus erst kurz vorher ein Wunder auf der Hochzeit von Kana wirkte. Anstatt mit Glauben zu reagieren, wollten die Menschen mehr Zeichen erleben (s. Anm. zu V. 48). Ihre Aufnahme seiner Person basierte auf einer äußerst fragwürdigen Grundlage. ein königlicher Beamter. Der Begriff »königlicher Beamter« kennzeichnet sehr wahrscheinlich jemanden, der offi ziell im Dienst des Königs Herodes Antipas stand, dem Vierfürsten Galiläas (4 v. Chr. bis 39 n. Chr). krank in Kapernaum. Kapernaum lag ungefähr 25 km nordöstlich von Kana.
4,47 bat ihn. Der Sprachgebrauch hier deutet darauf hin, dass er Jesus wiederholt bat, seinen Sohn zu heilen. Er wendete sich aus Verzweifl ung an Jesus, obwohl er wenig von dem erkannte, was Jesus war. V. 46 legt nahe, dass der Beamte deshalb zu dem Herrn kam, weil dieser einen Ruf als Wunderwirker hatte und weniger wegen seines Anspruchs, der Messias zu sein.
4,48 Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht. Jesus richtet diese Worte an alle Galiläer, nicht nur an den königlichen Beamten (s. Anm. zu V. 45-46). Die Reaktion der Galiläer wies grundlegende Mängel auf, da sie die Person Christi missachteten und auf beständige Wundererweise gerichtet waren. Eine derartige Haltung stellt die tiefste Stufe des Unglaubens dar.
4,50 dein Sohn lebt. Jesus erfüllte die Forderungen des galiläischen Unglaubens, indem er den Sohn des königlichen Beamten heilte. Dadurch bewies er nicht nur sein Mitgefühl, sondern auch seine wunderbare Güte, trotz eines solch ungläubigen Verlangens nach Wundern.
4,52 die siebte Stunde. Von Sonnenaufgang gerechnet etwa 13 Uhr. S. Anm. zu V. 6.
4,53 eben in der Stunde. Die einsetzende Genesung des Sohnes entsprach genau dem Zeitpunkt, als sein Vater mit Jesus sprach. Das diente zur Stärkung des Glaubens des Beamten, woraus sich ergab, dass er »samt seinem ganzen Haus« gläubig wurde.
5,1 – 7,52 Dieser Abschnitt schildert, wie sich die Vorbehalte und das Zögern gegenüber Jesus als dem Messias verdichteten (3,26; 4,1-3) und zu offener Ablehnung wurden (7,52). Der Widerstand entzündete sich an der Kontroverse wegen Jesu Heilung am Sabbat (V. 1-18). Danach verschärfte sie sich in Kap. 6, als ihn viele seiner Jünger verließen (6,66). Schließlich ging sie in Kap. 7 in offi ziellem Widerstand gegen ihn über, als die religiöse Obrigkeit erfolglos versucht hatte, ihn festzunehmen (7,20-52). Hier geht es also um Jesu Verwerfung als Messias. 5,1 Obwohl der Widerstand gegen Jesus schon lange unter der Oberfl äche schwelte (z.B. 2,13-20), zeigt die Geschichte der Heilung am Teich von Bethesda, wie die offene Feindschaft ihm gegenüber in Jerusalem und in Judäa zum Ausbruch kam. Die Begebenheit könnte in drei Teile gegliedert werden: 1.) Ausübung des Wunders (V. 1-9); 2.) der Meister wird verfolgt (V. 10-16) und 3.) seine Tötung wird geplant (V. 16-18). 5,1 ein Fest der Juden. Wiederholt verbindet Johannes seinen Bericht mit bestimmten verschiedenen jüdischen Festen (2,13; 6,4- Passahfest; 7,2- Laubhüttenfest; 10,22- Chanukka-Fest oder Fest der Tempelweihe und 11,55- Passahfest), nur an dieser Stelle bezeichnet er das konkrete Fest nicht näher.
5,2 Schaftor. Sehr wahrscheinlich ist das in Neh 3,1.32; 12,39 erwähnte Tor gemeint. Es war eine kleine Öffnung in der nördlichen Stadtmauer, westlich von der Nordost-Ecke. Es ist aber … ein Teich. Einige haben unterstellt, dass Johannes sein Evangelium vor der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. geschrieben hat, da der Gebrauch des Wortes »ist« andeutet, dass der Teich noch existierte. Jedoch verwendet Johannes häufi g die Zeitform, die als »historisches Präsens« bekannt ist, um sich auf vergangene Ereignisse zu beziehen. Folglich hat dies Argument wenig Gewicht. Weitere Erläuterungen zur Entstehungszeit des Evangeliums fi nden sich in der Einleitung: Autor und Abfassungszeit. Bethesda. »Bethesda« ist die gr. Transliteration eines hebr. (oder aram.) Namens mit der Bedeutung »Haus der Barmherzigkeit«.
5,3a lag. Zu jener Zeit war es für Menschen mit Gebrechen eine Gewohnheit, sich an diesem Teich zu treffen. Wohlmöglich haben periodisch auftretende Quellen den Teich gespeist und die Wasserbewegung verursacht (V. 7). Einige alte Zeugnisse weisen darauf hin, dass das Wasser des Teiches aufgrund von vorhandenen Mineralien eine rote Farbe hatte; daher nahm man an, dass es von medizinischem Nutzen sei. 5,3b,4 Die Aussage in der zweiten Hälfte des dritten Verses, »auf die Bewegung des Wassers warteten«, gehörte zusammen mit V. 4 nicht zum ursprünglichen Evangelium. Die frühesten und besten gr. Handschriften haben diese Worte nicht, ebenso wenig die frühen Versionen. Zudem fi nden sich darin Worte oder Ausdrücke, die für Johannes’ Schreibstil fremd sind, was gegen ihre Aufnahme spricht.
5,5 38 Jahre. Johannes liefert diese Angabe, um die Schwere der Krankheit zu betonen, von der der Mensch geplagt war. Da seine Krankheit seit nahezu vier Jahrzehnten vielen Menschen bekannt war, erkannte jeder die Echtheit der von Jesus bewirkten Heilung (vgl. V. 9). 5,6 erfuhr. (besser: »erkannt hatte«) Das Wort lässt auf eine übernatürliche Kenntnis der Situation des Mannes schließen (1,47.48; 4,17). Jesus griff diesen Mann aus vielen Kranken heraus. Es war seine souveräne Initiative, welche die Wahl unbegründet lässt.
5,8 Steh auf … geh umher. Auf die gleiche Weise, wie er bei der Schöpfung die Welt durch seine Worte ins Dasein rief (1Mo 1,3), besaßen Jesu gesprochene Worte die Macht zu heilen (vgl. 1,3; 8,58; 1Mo 1,1; Kol 1,16; Hebr 1,2). Liegematte. Das »Bett« oder die »Matte« bestand normalerweise aus Stroh und war leicht genug, so dass eine gesunde Person so einen Kranken auf der Schulter tragen konnte (vgl. Mk 2,1ff).
5,9 hob seine Liegematte auf und ging umher. Diese Aussage hebt die Vollständigkeit der Heilung hervor (vgl. V. 5).
5,10 Das AT hatte Arbeit am Sabbat verboten, aber setzte nicht fest, was »Arbeit« genau beinhaltete (2Mo 20,8-11). Die Schrift scheint auszusagen, dass »Arbeit« die übliche Beschäftigung einer Person war, doch die rabbinische Anschauung hatte eine mündliche Überlieferung entwickelt, die über das AT hinaus ging und 39 Betätigungen als verboten erklärte (Mischna Shabbath 7,2; 10,5). Dazu gehörte das Tragen jeglicher Dinge von einem Hof zum anderen. Folglich hatte der Mann die mündliche Überlieferung gebrochen, nicht aber das atl. Gesetz (s. Anm. zu V. 16). 5,10 es ist dir nicht erlaubt. Diese Worte zeigen, dass das Ju- dentum zur Zeit Jesu zu frömmlerischer Heuchlerei degeneriert war. Solch eine Heuchelei machte den Herrn Jesus besonders zornig (vgl. Mt 22.23). So benutzte er diese Begebenheit zu einer Konfrontation mit der jüdischen Gesetzlichkeit, um die Notwendigkeit nationaler Buße herauszustellen.
5,14 sündige hinfort nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt. Der Grundtenor von Jesu Bemerkung deutet an, dass Sünde ihre unausweichlichen Konsequenzen hat (vgl. Gal 6,7.8). Obwohl die Schrift deutlich macht, dass nicht alle Krankheiten eine direkte Folge der Sünde sind (vgl. 9,1-3; Lk 13,1-5), ist Krankheit manchmal ganz konkret mit der moralischen Verderbtheit einer Person verbunden (vgl. 1Kor 11,29.30; Jak 5,15). Jesus mag speziell diesen Mann ausgewählt haben, um dies zu betonen.
5,16 verfolgten. Die Zeitform des Verbs meint, dass die Juden Jesus wiederholt verfolgten, d.h. anhaltend feindlich handelten. Es war kein Einzelfall, dass sie ihren Hass gegen ihn zeigten, weil er am Sabbat heilte (vgl. Mk 3,1-6). am Sabbat. Jesus brach Gottes Gesetz nicht, da es kein Verbot enthielt, am diesem Tag Gutes zu tun (Mk 2,27). Jesus missachtete jedoch das mündliche Gesetz der Juden, d.h. »die Überlieferung der Alten« (vgl. auch Mt 15,1-9). Sehr wahrscheinlich heilte Jesus absichtlich am Sabbat, um eine Konfrontation mit ihrer religiösen Heuchlerei herauszufordern, welche sie für die wahre Verehrung Gottes blind machte (s. V. 17-47 hinsichtlich des Hauptgrundes für Jesu Konfrontation; s. Anm. zu V. 10.11).
5,17 Diese Verse liefern den eigentlichen Grund, weshalb Jesus die Juden mit ihrer religiösen Heuchelei herausforderte: Er wollte ihnen zeigen, wer er selbst war. In diesem Abschnitt beweist Christus nichts weniger als seine Gottheit. Damit ist dieser Text einer der größten christologischen Diskurse der Schrift. Hierin erhebt Jesus fünf Ansprüche, die ihn mit Gott gleich setzen: 1.) er ist Gott gleich in seiner Person (V. 17.18); 2.) er ist Gott gleich in seinen Werken (V. 19.20); 3.) er ist Gott gleich in seiner Macht und Souveränität (V. 21); 4.) er ist Gott gleich in seinem Gericht (V. 22) und 5.) er ist Gott gleich in seiner Verehrungswürdigkeit (V. 23). 5,17 Der Herr stellt sich mit Gott auf eine Stufe und handelt wie er. Gott wird nie müde (Jes. 40,28) und so wirkt auch der Sohn Gottes »solange es Tag ist«. Außerdem ist er der Herr auch des Sabbats (Mt 12,8). Interessanterweise gaben selbst die Rabbis zu, dass Gottes Arbeit nach dem Sabbat nicht aufhörte, da er das Universum aufrechterhält.
5,18 Dieser Vers bestätigt, dass die Juden die Bedeutung seiner Worte über seine Gottheit sofort verstanden hatten (s. Anm. zu V. 17).
5,19 Wahrlich, wahrlich. Vgl. V. 24.25; 1,51. Das ist eine ent- schiedene Ausdrucksweise für: »Ich sage Euch die Wahrheit.« Als Reaktion auf die Feindschaft der Juden hinsichtlich seiner Behauptung, Gott gleich zu sein, wurde Jesus sogar noch energischer und entschiedener. Im Grunde verband Jesus sein Heilen am Sabbat in direkter Weise mit dem Vater. Der Sohn handelte nie in Unabhängigkeit vom Vater, denn damit hätte er sich gegen ihn gestellt. Der Sohn tat nur das, was in absoluter Übereinstimmung mit dem Handeln des Vaters stand. Damit beweist er seine Wesensverwandtschaft mit dem Vater, und seine Wunder zeigen, dass ihm auch die gleichen Kräfte zur Verfügung stehen. Er ist Gott gleich.
5,20 größere Werke. Dies bezieht sich auf das machtvolle Werk der Totenauferweckung. Gott hat diese Macht (vgl. 1Kö 17,17-24; 2Kö 4,32-37; 5,7) ebenso wie der Herr Jesus (V. 21-29; 11,25-44; 14,19; 20,1-18).
5,23 den Sohn ehren. Dieser Vers nennt den Grund, weshalb Gott das ganze Gericht dem Sohn übergab (V. 22), das bedeutet, dass alle Menschen den Sohn ehren sollen, so wie sie den Vater ehren. Der Vers geht weit darüber hinaus, Jesus nur zu einem Botschafter zu machen, der im Namen eines Monarchen handelt – vielmehr setzt er ihn vollkommen mit dem Vater gleich (vgl. Phil 2,9-11). den Vater ehren. Jesus drehte die gegen ihn erhobene jüdische Anschuldigung der Gotteslästerung um. Stattdessen besteht Jesus darauf, dass die Annahme des Sohnes der einzige Weg sei, den Vater zu ehren. Aus diesem Grund waren die Juden diejenigen, die den Vater durch die Ablehnung seines Sohnes lästerten.
5,24 ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. Das führt die Wahrheit von V. 21 weiter aus, dass Jesus denjenigen Leben gibt, denen er es geben will. Die Menschen, die dieses Leben empfangen, werden hier als solche gekennzeichnet, die das Wort hören und dem Vater und dem Sohn glauben. Sie sind es, die ewiges Leben haben und niemals verdammt werden (Röm 8,1; Kol 1,13).
5,25 Das Thema dieser Verse ist die Auferstehung. Jesus sag- te, dass alle Menschen, Gerettete und Unerrettete, buchstäblich und physisch aus den Toten auferstehen werden. Allerdings werden nur die Geretteten sowohl eine geistliche (»die Wiedergeburt«) als auch eine physische Auferstehung zum ewigen Leben erfahren. Die Unerretteten werden zum Gericht auferstehen und zur ewigen Bestrafung durch die Trennung von Gott (d.h. zum zweiten Tod; vgl. Offb 20,6.14; 21,8). Diese Verse stellen zudem einen Beweis der Gottheit Jesu Christi dar, da der Sohn die Macht besitzt, aus den Toten aufzuerwecken (V. 25.26), und der Vater ihm das Gericht über alle Menschen gegeben hat (V. 27). Aufgrund anderer Bibelstellen wird deutlich, dass Jesus ganz allgemein über Auferstehung spricht – und nicht über die eine, generelle Auferstehung (s. Anm. zu Dan 12,2; 1Kor 15,23; 1Th 4,16). 5,25 Die Stunde kommt und ist schon da. Vgl. 4,23. Dieser Ausdruck weist auf eine schon/noch-nicht-Spannung in Bezug auf die Auferstehung hin. Jene, die wiedergeboren sind, sind bereits geistlich auferweckt (»schon da«; Eph 2,1; Kol 2,13), und dennoch erwartet sie noch eine zukünftige körperliche Auferstehung (»kommt«; 1Kor 15,3554; Phil 3,20.21).
5,26 hat er auch dem Sohn verliehen. Der ewige Sohn besaß das Recht, Leben zu geben (1,4). Der ewige Sohn hat in sich das Recht Leben zu geben, aber als Sohn des Menschen verlieh Gott ihm Leben. Indem er Mensch wurde, verzichtete Jesus freiwillig darauf, seine göttlichen Merkmale und Vorrechte in Unabhängigkeit von seinem Menschsein auszuüben (Phil 2,6-11). An dieser Stelle bestätigt Jesus, dass der Vater ihm auch in seinem Menschsein »lebengebende« Macht gewährte.
5,27 Vollmacht. Vgl. 17,2; s. Anm. zu Mt 28,18.
5,29 die das Gute … die aber das Böse getan haben. Jesus lehrt keine Rechtfertigung aus Werken (s. 6,29). Im Kontext ist das »Gute« als der Glaube an den Sohn zu verstehen, der die Grundlage für den Empfang einer neuen Natur ist, die gute Werke hervorbringt (3,21; Jak 2,1420). Das »Böse« zu tun, besteht hingegen in der Ablehnung des Sohnes (durch die Unerretteten) und in der Abneigung vor dem Licht; »denn ihre Werke waren böse« (3,18.19). Das Wesentliche ist, dass die Taten eines Menschen ihn lediglich als Erretteten oder Unerretteten ausweisen (s. Anm. zu Röm 2,5-10), menschliche Werke aber niemals Errettung bewirken.
5,30 den Willen des Vaters. Um all das zusammen zu fassen, was er von V. 19 an über sein Gleichsein mit dem Vater gesagt hatte, erhob Jesus den Anspruch, dass sein Gericht gerecht sei, da sein ganzes Handeln mit dem Wort und Willen des Vaters übereinstimmte (vgl. V. 19.20).
5,32 5Mo 17,6 und 19,15 bilden den Hintergrund zu diesem Vers, wo Zeugen die Wahrheit einer Angelegenheit bestätigen müssen (s. Anm. zu 1,7). Jesus wendet dies hier auf sich an: Seine Identität als Sohn Gottes wird durch Zeugen bestätigt: 1.) Johannes der Täufer (V. 32-35); 2.) Jesu Werke (V. 35.36); 3.) der Vater (V. 37.38) und 4.) die atl. Schriften (V. 39-47).
5,36 ebendie Werke, die ich tue. Vgl. 10,25. Die Wunder Jesu zeugten davon, dass er Gott und Messias war. Solche Wunder sind die bedeutungsvollen Zeichen, die Johannes in seinem Evangelium wiedergab, um seine in Kap. 20,30.31 beschriebene Absicht zu erfüllen (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
5,37 der Vater … hat selbst von mir Zeugnis gegeben. Vgl. Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22.
5,39 Ihr erforscht. Obgleich das Verb »erforscht« ebenso als Befehl verstanden werden kann (d.h. »erforscht die Schriften!«), bevorzugen die meisten diese im Indikativ stehende Übersetzung. Das Verb meint ein sorgfältiges Forschen in der Schrift, um »ewiges Leben« zu fi nden. Jesus zeigt jedoch auf, dass all ihr ungläubiges Bemühen, den wahren Weg zum ewigen Leben durch den Sohn Gottes zu erkennen, kläglich scheitern muss, (s. Anm. zu Mt 19,16-25; vgl. 14,6; 2Tim 3,15). von mir Zeugnis geben. Vgl. V. 45. Christus ist das Hauptthema der Schrift. S. Anm. zu 1,45.
5,40 wollt ihr nicht. Sie suchten zwar nach dem ewigen Leben, waren aber nicht gewillt, dessen einzigem Ursprung zu vertrauen (vgl. V. 24; 1,11; 3,19).
5,41 Ehre von Menschen. Hätte Jesus der Art von Messias ent- sprochen, den die Juden wollten, indem er ihnen Wunder und Nahrung gegeben hätte und darüberhinaus politische und militärische Macht, dann hätten sie ihn geehrt. Doch er wollte nur Gott gefallen (V. 19ff.).
5,43 den werdet ihr annehmen. Der jüdische Historiker Josephus berichtet, dass in den Jahren vor 70 n. Chr. eine ganze Reihe von Menschen vorgaben, der Messias zu sein. Dieser Vers stellt die jüdische Verwerfung des wahren Messias – da sie Gott weder liebten noch kannten (V. 42) – ihrer bereitwilligen Anerkennung von Scharlatanen gegenüber.
5,46 Mose … denn von mir hat er geschrieben. Jesus erwähnte aus den fünf Büchern Mose keine spezielle Aussage, obschon es ihrer viele gibt (z.B. 5Mo 18,15; vgl. 1,21; 4,19; 6,14; 7,40.52).
6,1 Die Geschichte der Speisung der 5.000 ist das vierte Zeichen, das Johannes zur Bestätigung einsetzt, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist. Es ist das einzige Wunder, von dem in allen vier Evangelien berichtet wird (Mt 14,13-23; Mk 6,30-46; Lk 9,10-17). Da Johannes Ergänzungen und zusätzliche Informationen festhielt, die in den Synoptikern nicht zu fi nden sind (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), hebt seine Schilderung die Wichtigkeit des Wunders in zweierlei Hinsicht hervor: 1.) es veranschaulicht die schöpferische Macht Christi deutlicher als jedes andere Wunder und 2.) es unterstützt Johannes’ Absicht entscheidend, die Gottheit Jesu aufzuzeigen, während es zugleich als Einleitung zu Jesu Diskurs über das »Brot des Lebens« dient (V. 22-40). Interessanterweise sprechen die beiden kreativen Wunder Jesu, die Verwandlung von Wein in Wasser (2,1-10) und die Brotvermehrung (V. 1-14), von den Hauptelementen des Mahls des Herrn (V. 53). 6,1 Danach. Zwischen Kap. 5 und 6 liegt möglicherweise eine lange Zeitspanne. Wenn das Fest in 5,1 das Laubhüttenfest war, waren wenigstens sechs Monate vergangen (von Okt. bis April). Wenn es das Passahfest war, liegt zwischen den beiden Kapiteln ein Jahr. den See von Galiläa. Kap. 6 hat eine recht ähnliche Struktur wie Kap. 5, denn beide handeln in der zeitlichen Nähe eines jüdischen Festes und beide führen zu einem Diskurs der Gottheit Jesu. Während sich das Geschehen von Kap. 5 im Süden um Judäa und Jerusalem ereignet, handelt Kap. 6 im Norden in Galiläa. Das Ergebnis beider Kapitel ist das gleiche: Jesus wird nicht nur in den südlichen sondern auch in den nördlichen Gegenden abgelehnt. S. Anm. zu 21,1.
6,2 sie seine Zeichen sahen. Die Menschenmengen folgten ihm nicht aus Glauben, sondern aus Neugier wegen seiner Wunder (V. 26). Trotz ihrer falschen Motive hatte Jesus Erbarmen mit ihnen, heilte ihre Kranken und gab ihnen Nahrung (vgl. Mt 13,14; Mk 6,34).
6,7 200 Denare. Da ein Denar den Tageslohn eines normalen Ar- beiters betrug, machten 200 Denare ungefähr 8 Monatslöhne aus. Die Menschenansammlung war allerdings so groß, dass selbst eine solch erhebliche Menge nicht zu ihrer Sättigung ausreichte.
6,10 5 000 . Die Zahl der Männer betrug 5.000, nicht eingeschlos- sen waren Frauen und Kinder, was wahrscheinlich auf insgesamt 20.000 Menschen schließen lässt.
6,14 der Prophet. Die Menge sprach von dem Propheten aus 5Mo 18,15. Leider erfolgte diese Äußerung direkt nachdem Jesus geheilt und sie gesättigt hatte, was andeutet, dass die Leute sich einen Messias wünschten, der vielmehr ihren körperlichen als ihren geistlichen Bedürfnissen entsprechen würde. Anscheinend wurde die Notwendigkeit nach geistlicher Buße und der Vorbereitung auf das Reich Gottes nicht erkannt (Mt 4,17). Sie wollten einen irdischen, politischen Messias, der all ihre Bedürfnisse erfüllen und sie von der römischen Unterdrückung befreien sollte. Ihre Reaktion ist bezeichnend für viele, die einen »Christus« wollen, der keine Forderungen an sie stellt (vgl. Mt 10,34-39; 16,24-26), sondern an den sie ihre egoistischen persönlichen Bitten richten können.
6,15 um ihn mit Gewalt zum König zu machen. Johannes er- gänzt die Information in den Evangelien von Matthäus und Markus, indem er den Grund andeutet, weshalb Jesus die Jünger entließ und sich fern von den Menschenmengen allein auf einen Berg zurückzog: Durch sein übernatürliches Wissen erkannte er, dass sie ihn nach der Heilung und Speisung zum König machen wollten. Vor lauter Begeisterung war die Menge bereit, ihre falschen politischen Absichten in die Tat umzusetzen, was Gottes Willen in Gefahr gebracht hätte.
6,16 Die Begebenheit, bei der Jesus auf dem Wasser wandelte, bildet das fünfte Zeichen im Johannes-Evangelium, mit dem der Verfasser aufzeigen will, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist (20,30.31). Das Wunder beweist die Gottheit Jesu durch seine Souveränität über die Naturgesetze.
6,17 nach Kapernaum. Mt 14,22 und Mk 6,45 lassen darauf schließen, dass Jesus seine Jünger entließ, unmittelbar nachdem er die Volksmengen gespeist hatte, um in westlicher Richtung nach Kapernaum zu gehen (V. 16.17).
6,18 ein starker Wind wehte. Der See von Galiläa liegt etwa 212 m unter dem Meeresspiegel. Kühle Luft weht von den nördlichen Bergen und südöstlichen Plateaus über den See und verdrängt die warme, feuchte Luft, wodurch die Wasseroberfl äche aufgewühlt wird.
6,19 Jesus auf dem See gehen. Die Synoptiker zeigen, dass sie aufgrund von Furcht und Dunkelheit annahmen, es sei ein Gespenst (Mt 14,26; Mk 6,49). Der Sohn Gottes, der die Welt erschuf, kontrolliert ihre Kräfte und in diesem Fall setzt er das Gravitationsgesetz außer Kraft. Es war eine wohl überlegte Handlung Jesu, da sie den Jüngern Anschauungsunterricht gab über die wahre Identität Jesu als souveräner Herr der Schöpfung (vgl. 1,3).
6,21 sogleich war das Schiff am Land. Diese Formulierung lässt erahnen, dass außer dem Wandeln auf dem Wasser ein weiteres Wunder geschah, d.h. sobald Jesus an Bord ging, gelangte das Schiff auf wundersame Weise sofort an seinen genauen Zielort.
6,22 Jesu berühmter Diskurs über das Brot des Lebens. Der Schlüsselvers ist V. 35: »Ich bin das Brot des Lebens.« Dies ist die erste von sieben nachdrücklichen »Ich bin«-Aussagen Jesu in diesem Evangelium (8,12; 10,7.9; 10,11.14; 11,25; 14,6; 15,1.5). Diese Analogie von Jesus als dem »Brot« des Lebens bestätigt Johannes’ Thema, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist (20,30.31). Obgleich Johannes von den Wundern Jesu berichtet, um seine Gottheit zu beweisen, wendet er sich von dort schnell zu Jesu Diskurs über die geistlichen Wahrheiten seiner Person, um eine ausgewogene Defi nition der Person Jesu Christi zu geben. Gemeint ist, dass er nicht nur ein Wunderwirker war, sondern der Sohn Gottes, der kam, um die Menschheit von der Sünde zu erretten (3,16). Dieser Diskurs fand in der Synagoge zu Kapernaum statt (V. 59). 6,22 Diese Verse weisen darauf hin, dass sich das Volk, das die Heilungen Jesu und die Speisung der Menschenmenge miterlebt hatte, noch an diesem Schauplatz befand (östlich des Sees) und Jesus mit gesteigerter Neugier ein weiteres Mal sehen wollte. Andere Menschen, die von den Wundertaten hörten, kamen mit Booten von Tiberias (vom Nordwest-Ufer des Sees), um ihn zu suchen.
6,26 weil ihr … gegessen habt. Durch diese Aussage betont Jesus, dass die ihm folgenden Volksmengen durch das oberfl ächliche Verlangen nach Nahrung motiviert waren, nicht aber weil sie die wahre geistliche Bedeutung der Person Jesu und seines Auftrags verstanden hatten (8,14-21; Mk 6,52).
6,27 Speise, die vergänglich ist. Jesus tadelt die Volksmenge für ihre rein materialistischen Vorstellungen über das messianische Reich (vgl. V. 26; 4,15). Obwohl das Reich des Messias eines Tages eine fassbare Realität sein würde, erkannten die Leute nicht seinen vorrangig geistlichen Charakter und die Segnung des »ewigen Lebens«, die denen zuteil wird, die dem Zeugnis Gottes über seinen Sohn glauben. Speise, die bis ins ewige Leben bleibt. Der weitere Diskurs lässt erkennen, dass dies eine Andeutung auf Jesus selbst ist (V. 35).
6,28 Werke Gottes. Sie dachten, Jesus meine, Gott würde Werke von ihnen verlangen, um das ewige Leben zu verdienen, und die glaubten sie, erbringen zu können.
6,29 das Werk Gottes, dass ihr … glaubt. Die Menge hatte Jesu Verbot in V. 27 missverstanden (»Wirkt nicht«), weshalb Jesus sie daran erinnerte, dass es falsch ist, sich ausschließlich auf materielle Segnungen zu konzentrieren. Das einzige von Gott gewünschte Werk war der Glaube oder das Vertrauen in Jesus als dem Messias und Sohn Gottes (vgl. Mal 3,1). Das »Werk«, das Gott verlangt, ist, an seinen Sohn zu glauben (vgl. 5,24).
6,30 Was tust du denn für ein Zeichen. Diese Frage war ein Be-
6,37 Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen. Die- ser Vers betont den souveränen Willen Gottes in der Auserwählung derjenigen, die zur Errettung zu ihm kommen (vgl. V. 44.65; 17,6.12.24). Der Vater hat jene vorherbestimmt, die errettet würden (s. Anm. zu Röm 8,29.30; Eph 1,3-6; 1Pt 1,2). Die absolute Souveränität Gottes ist die Grundlage für Jesu Vertrauen in den Erfolg seines Auftrags (s. Anm. zu V. 40; vgl. Phil 1,6). Die Sicherheit der Errettung ruht in der Souveränität Gottes, da Gott die Garantie dafür ist, dass »alles«, was er erwählt hat, zu ihm zur Errettung kommen wird. Der Gedanke von »gibt mir« ist der, dass jede von Gott auserwählte und gezogene Person (V. 44) als ein Geschenk der Liebe des Vaters an den Sohn betrachtet werden muss. Der Sohn nimmt jedes »Liebesgeschenk« auf (V. 37), hält an jedem fest (V. 39) und wird jedes zu ewiger Herrlichkeit auferwecken (V. 39.40). Kein Auserwählter wird verloren gehen (s. Anm. zu Röm 8,31-39). Diese errettende Absicht ist der Wille des Vaters, den der Sohn vollkommen ausführen wird (V. 38; vgl. 4,34; 10,28.29; 17,6.12.24).
6,40 jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt. Dieser Vers hebt die menschliche Verantwortung bei der Errettung hervor. Obschon Gott souverän ist, wirkt er durch den Glauben, so dass ein Mensch an Jesus als den Messias und Sohn Gottes glauben muss, der allein den einzigen Weg zur Errettung anbietet (vgl. 14,6). Allerdings ist auch der Glaube ein Geschenk Gottes (Röm 12,3; Eph 2,8.9). Die Souveränität Gottes und die menschliche Verantwortung mit dem Verstand zu erfassen, ist für den Menschen unmöglich, aber dennoch sind in den Gedanken Gottes beide Seiten vollkommen miteinander verbunden.
6,41 Dieser Abschnitt zeigt die beginnende Reaktion der Volks- menge hinsichtlich Jesu Diskurs über das Brot des Lebens und kann in drei Teile gegliedert werden: 1.) das Murren der Juden (V. 41.42); 2.) Jesus tadelt die Menge für ihre Reaktion (V. 43-46) und 3.) Jesus wiederholt seine Botschaft an die Volksmenge (V. 47-51). 6,41 murrten. Die Reaktion der Menschen in der Synagoge auf Jesu Aussage war die gleiche wie die der Juden in der Wüste, die gegen Gott murrten, bevor und nachdem sie das Manna erhalten hatten (2Mo 16,2.8.9; 4Mo 11,4-6). die Juden. In diesem Evangelium wird das Wort »Juden« häufi g mit Feindschaft gegenüber Christus in Verbindung gebracht. Es wurde in ironischer Hinsicht verwendet, um die Unangemessenheit ihrer aufkommenden Feindseligkeit gegenüber dem Messias anzudeuten. Da sie ihre Herzen verhärteten, verhärtete auch Gott ihre Herzen (vgl. 12,37-40; Jes 6,10; 53,1; Mt 13,10-15). In der Drangsalszeit wird Israel sich an Jesus als seinen wahren Messias wenden und errettet werden (Röm 11,25-27; Offb 1,7; 7,1-8; vgl. Sach 12,10-14). weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot … aus dem Himmel. Der Zorn der Juden hatte einen zweifachen Grund: 1.) dass Jesus sagte, er sei das Brot und 2.) und dass er behauptete, vom Himmel gekommen zu sein. Sowohl die Juden in Jerusalem (5,18) als auch die Galiläer reagierten negativ, als Jesus sich mit Gott gleich setzte.
6,42 dessen Vater und Mutter wir kennen. Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen, kannten sie Jesus als ihren galiläischen Landsmann. Diese Worte erinnern an Jesu Worte in 4,44, »dass ein Prophet in seinem eigenen Vaterland nicht geachtet wird«. Ihre Feindschaft hatte ihre Wurzel im Unglauben. Jesu Tod rückte näher, da ihm überall, wohin er ging, Feindschaft entgegenschlug.
6,44 ihn … zieht. Vgl. V. 65. Verbindet man die Aussagen in V. 37a und V. 44, so weisen sie darauf hin, dass das göttliche Ziehen, von dem Jesus spricht, nicht auf das reduziert werden kann, was Theologen als »vorlaufender Gnade« bezeichnen. Damit ist gemeint, dass die Befugnis, zu Christus zu kommen, angeblich der ganzen Menschheit erteilt wurde, was folglich jeden befähigt, das Evangelium einzig und allein aus eigenem Willen anzunehmen oder abzulehnen. Die Schrift zeigt auf, dass der Mensch keinen »freien Willen« besitzt, da er unter die Sünde versklavt ist (totale Verderbtheit) und nicht glauben kann, ohne dass Gott ihn dazu befähigt (Röm 3,1-19; Eph 2,1-3; 2Kor 4,4; 2Tim 1,9). Während »jeder« zum Vater kommen kann, werden nur jene wirklich zu ihm kommen, denen der Vater die Fähigkeit zum Wollen gegeben hat. Das Ziehen hier ist für jene auserwählend wirksam (es erzeugt den Wunsch), die Gott in seiner Souveränität zur Errettung auserwählt hat, d.h. diejenigen, die Gott erwählt hat, werden glauben, weil der souveräne Gott dies von aller Ewigkeit her beschlossen hat (Eph 1,9-11).
6,45 Jesus umschrieb Jes 54,13, um das Argument zu stützen, dass jemand zum Glauben und zur Buße kommt, weil er von Gott »gelehrt« und somit gezogen wurde. »Ziehen« und »Lernen« sind nur verschiedene Aspekte der souveräner Führung Gottes im Leben eines Menschen. Jene, die von Gott gelehrt sind, um die Wahrheit zu verstehen, werden auch von Gott, dem Vater, gezogen, damit sie den Sohn annehmen.
6,49 Jesus stellte das irdische und das himmlische Brot gegen- über. Das Manna, das in der Wüste vom Himmel gesandt wurde, um die Israeliten körperlich aufrechtzuerhalten, konnte weder ewiges Leben verleihen noch ihre geistlichen Bedürfnisse decken – im Gegensatz zum »Brot des Lebens« (V. 48), das in der Person Jesu, des Messias, vom Himmel kam. Dieser Kontrast wird durch die unbestreitbare Tatsache belegt, dass alle Väter starben, die in der Wüste das Manna gegessen hatten.
6,51 In diesem Abschnitt könnte man drei Teile unterscheiden: 1.) Jesu Erklärung (V. 51); 2.) die Verblüffung der Volksmenge (V. 52) und 3.) Jesu Verheißungen (V. 53-59). 6,51 Diese Erklärung wiederholt genau den Inhalt der Verse 33.35.47.48. mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. Jesus spricht hier prophetisch von seinem herannahenden Opfer am Kreuz (vgl. 2Kor 5,21; 1Pt 2,24); denn Jesus gab sein Leben freiwillig für die böse, sündige Menschheit (10,18; 1Joh2,2).
6,52 stritten. Die Verblüffung der Juden weist ein weiteres Mal da- rauf hin, dass sie die geistliche Wahrheit hinter Jesu Gleichnisreden nicht verstanden hatten. Jedesmal wenn Jesus ihnen seine Worte in versteckter Form oder anhand eines irdischen Bildes übermittelte, erkannten die Juden die geistliche Bedeutung nicht (z.B. 3,4; 4,15). Das mosaische Gesetz verbot das Trinken von Blut und das Essen von Fleisch, in dem sich noch Blut befand (3Mo 17,10-14; 5Mo 12,16; Apg 15,29). Die Juden, die nur die rein physische Perspektive erfassen konnten, waren verblüfft und verärgert.
6,53 esst … trinkt. Jesus stellt einen Vergleich auf, der eine geistliche statt einer buchstäblichen Bedeutung nahelegt: So wie das Essen und Trinken für das physische Leben notwendig ist, ist auch der Glaube an ihn und seinen Opfertod am Kreuz für das ewige Leben notwendig. Das Essen seines Fleisches und das Trinken seines Blutes symbolisiert im Bild die Notwendigkeit, Jesu Werk am Kreuz anzunehmen. Für die Juden war ein gekreuzigter Messias jedoch undenkbar (vgl. Apg 17,1-3). In ihrer gewollten Blindheit konnten die Juden die tatsächliche geistliche Bedeutung und Wahrheit hinter Jesu Aussagen wieder einmal nicht erkennen. Außerdem bezog sich Jesus hier nicht auf das Gedächtnismahl, als er vom Essen und Trinken sprach. Hierfür gibt es zwei wichtige Gründe: 1.) das Gedächtnismahl war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingesetzt und 2.) wenn Jesus vom Gedächtnismahl gesprochen hätte, würde die Schriftstelle lehren, dass jeder, der an diesem Mahl teilnimmt, ewiges Leben empfangen würde.
6,60 Diese Verse schildern die Reaktion seiner Jünger auf seine Rede über das »Brot des Lebens«. Viele seiner Jünger reagierten genauso wie die Volksmengen in Jerusalem (Kap. 5) und in Galiläa (Kap. 6) mit Unglauben und Ablehnung seiner Person. Johannes führt zwei Gruppen und deren Reaktionen auf: 1.) die falschen Jünger reagieren mit Unglauben (V. 60-66), und 2.) die Reaktion der wahren Jünger ist Glauben (V. 67-71). Nach dieser Rede blieb nur ein kleiner Kern von Jüngern übrig (V. 67).
6,61 seine Jünger … murrten. Viele Jünger Jesu zeigten die glei- che Reaktion wie die Juden in V. 41 und wie die erste Generation der Israeliten hinsichtlich des Mannas – sie murrten (2Mo 16,2).
6,64 Jesus wusste. Das erinnert an Jesu Worte in 2,23-25. Jesus kannte die Herzen der Menschen, einschließlich die der ihm nachfolgenden Jünger. Weil er wusste, dass viele nicht an ihn als Messias und Sohn Gottes glaubten, vertraute er sich ihnen nicht an. Diese falschen Jünger wurden nur von den sichtbaren Phänomenen (z.B. Wunder und Nahrung) angezogen und verstanden die wahre Bedeutung der Lehre Jesu nicht (V. 61).
6,65 habe ich euch gesagt. S. Anm. zu V. 37.44. Obwohl den Menschen befohlen wird zu glauben und sie einst für ihren Unglauben zur Rechenschaft gezogen werden, ist wahrer Glaube niemals nur eine Sache der menschlichen Entscheidung. Angesichts des Unglaubens wiederholt Jesus noch einmal, dass Gottes Souveränität bei der Auserwählung der Erretteten beteiligt war.
6,66 Jünger … gingen nicht mehr mit ihm. Die Formulierung deutet an, dass sie ihn entschlossen und endgültig verließen (vgl. 1Pt 2,6-8; 1Joh2,19).
6,69 wir haben geglaubt. Petrus’ Worte waren insofern ziemlich anmaßend, da sie darauf schließen ließen, dass wahre Jünger irgendwie mehr Einsicht hatten und aus diesem Grund glaubten.
6,70 Habe ich nicht euch Zwölf erwählt? Als Erwiderung auf Petrus’ Worte, dass die Jünger an Jesus glaubten, erinnert er sie, dass seine Souveränität sie erwählte (V. 37.44.65). Jesus erlaubte nicht einmal einen Hauch menschlichen Anspruchs auf Gottes souveräne Auserwählung. ein Teufel. Das Wort »Teufel« bedeutet »Verleumder« oder »Verkläger«. Der Gedanke ist vielleicht besser wiedergegeben mit: »einer von euch ist der Teufel«. Diese Bedeutung wird ersichtlich aus 13,2.27; Mk 8,33; Lk 22,3. Gottes größter Widersacher zieht die Fäden hinter fehlgeleiteten Menschen in der Weise, dass seine Bosheit zu der ihren wird (vgl. Mt 16,23). Durch seine göttliche Allwissenheit erkannte Jesus den Ursprung. Das bezeichnet Judas’ Charakter deutlich; er war kein wohlmeinender, leicht fehlgeleiteter Mensch, der Jesus dazu bringen wollte, seine Macht auszuüben und sein Reich zu errichten (wie einige meinen), sondern ein Werkzeug des Satans in der Ausübung vollkommener Bosheit (s. Anm. zu 13,21-30).
6,71 Ischariot. Die Bezeichnung stammt höchst wahrscheinlich von dem hebr. Wort mit der Bedeutung »Mann von Kariot«, der Name eines Dorfes in Judäa. Ebenso wie in den anderen drei Evangelien wird Judas bei seiner Namensnennung sofort als der Verräter ausgewiesen.
7,1 Der Tenor dieses Abschnitts kann mit »glühendem Hass« zusammengefasst werden, da die schwelende Abneigung gegen Jesus in Kap. 5.6 nun zum Ausbruch kam. Der Höhepunkt dieses Hasses fi ndet sich in 11,45-57, wo der Sanhedrin beratschlagte, den Sohn Gottes zu töten, was letztendlich zu seiner Kreuzigung führte. In beiden Kapiteln wird Jesus auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem beschrieben. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass hier mit dem Laubhüttenfest zwei Hauptthemen in Verbindung gebracht werden – Wasser und Licht (V. 37-39; 8,12). Während des nächsten Passahs nach diesem Laubhüttenfest wurde Jesus gekreuzigt. Die zentrale Wahrheit, die den ganzen Abschnitt beherrscht, ist, dass Jesus einen göttlichen Zeitplan hatte. Sein Leben verlief nicht planlos, sondern war Gottes souveräner und vollkommener Zeitplanung und Führung unterworfen. 7,1-13 Dieser Abschnitt besteht aus zwei Teilen: 1.) Jesus vermeidet es, Gottes souveränem Zeitplan zuwider zu handeln (V. 1-9), und 2.) im vollkommenen Gehorsam handelt Jesus zum richtigen Zeitpunkt in Gottes souveränem Plan (V. 10-13). 7,1 danach. Zwischen Kap. 6 und 7 lag sehr wahrscheinlich eine 7- monatige Zeitspanne. Während Kap. 6 zur Zeit des Passahs handelt (6,4 – April), berichtet Kap. 7 vom Laubhüttenfest (Okt.). Johannes ließ diese Monate aus, da es nicht seine Absicht war, eine lückenlose Chronologie des Lebens Christi zu geben, sondern ihn als den Messias und Sohn Gottes darzustellen und die Reaktionen der Menschen auf ihn zu schildern. zog … in Galiläa umher. Kapitel 6 deutet an, dass Jesus zwei Tage mit 20.000 Menschen verbrachte (6,22), aber sieben Monate für das Lehren seiner zwölf Jünger verwendete, die an ihn glaubten. Diese Aussage hebt in unaufdringlicher Weise die enorme Wichtigkeit der Jüngerschaft hervor, da Jesus der Ausbildung seiner späteren geistlichen Führer viel Zeit einräumte.
7,2 Laubhüttenfest. S. Anm. zu 5,1. Das Laubhüttenfest stand im AT mit dem Einbringen der Trauben- und Olivenernte in Verbindung (2Mo 23,16; 3Mo 23,33-36.39-43; 5Mo 16,13-15), das Getreide hingegen wurde zwischen April und Juni eingebracht. Das Fest fand an sieben Tagen statt, vom 15. bis 21. Tischri (Sept.-Okt.). Laut Josephus war dieses Fest das beliebteste der drei wichtigsten jüdischen Feste (Passah-, Ernte- und Laubhüttenfest). Die Landbevölkerung baute behelfsmäßige Konstruktionen aus leichten Ästen und Blättern, um die Woche darin zu verbringen (daher der Name »Laubhütten« – vgl. 3Mo 23,42). Städter hingegen errichteten ähnliche Bauten auf ihren fl achen Hausdächern oder im Hof. Das Fest war für seine Ausgießungs- und Erleuchtungszeremonien bekannt, auf die Jesus anspielte (»Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke!« – V. 37.38 und »Ich bin das Licht der Welt« – 8,12).
7,3 seine Brüder. Mt 13,55 führt »Jakobus, Joses, Simon und Ju- das« als die Brüder Jesu auf. Jakobus war der Verfasser des gleichnamigen ntl. Briefes und wurde der Leiter der Gemeinde in Jerusalem; Judas schrieb den Judasbrief. Aufgrund der Jungfrauengeburt Jesu waren sie nur seine Halbbrüder, denn Maria (nicht Josef) war sein einziges menschliches Elternteil (vgl. Mt 1,16.18.23; Lk 1,35).
7,4 öffentlich bekannt zu sein … offenbare dich der Welt. Jesu Brüder wollten, dass er sein Wunderwirken demonstrierte. Obgleich der Text ihre Motive nicht deutlich werden lässt, könnten sie ihr Anliegen aus zwei Gründen hervorgebracht haben: 1.) sie wollten die Wunder selbst sehen, um sich von ihrer Echtheit zu überzeugen, und 2.) möglicherweise hatten sie ähnlich haarsträubende politische Motive wie das Volk, nämlich, dass er ihr sozialer und politischer Messias würde. Der Empfang, den er in Jerusalem haben würde, sollte für sie die Feuerprobe sein, ob seine eigene Familie an ihn als Messias glauben würde.
7,5 Ebenso wie die Menschen in Jerusalem und Galiläa glaubten auch seine eigenen Brüder zunächst nicht an ihn. Erst nach seiner Auferstehung wurden sie seine Nachfolger (Apg 1,14; 1Kor 15,7).
7,6 Meine Zeit ist noch nicht da. Das erinnert an Jesu Worte, die er auf der Hochzeit zu Kana zu seiner Mutter sprach (s. 2,4). Es deckt auch den ersten Grund auf, weshalb Jesus noch nicht zu dem Fest ging: die Zeit Gottes war noch nicht gekommen. Die Aussage macht Jesu vollkommene Abhängigkeit und Verpfl ichtung gegenüber dem souveränen Zeitplan des Vaters für sein Leben deutlich (vgl. 8,20; Apg 1,7; 17,26). Außerdem entsprang Jesu Motivation zum Handeln nie dem Unglauben, nicht einmal dem seiner eigenen Halbbrüder. aber eure Zeit ist immer bereit. Da seine Brüder nicht an ihn glaubten, waren sie von der Welt, und wussten daher nichts von Gott oder seinen Absichten. Aufgrund ihres Unglaubens hörten sie nicht auf sein Wort, erkannten Gottes Zeitplan nicht und konnten auch das menschgewordene Wort vor ihren Augen nicht erkennen. Deshalb war für sie jeder Zeitpunkt recht, vorzugsweise der jetzige Augenblick.
7,7 Die Welt kann euch nicht hassen. Die Welt konnte Jesu Brü- der nicht hassen, weil sie von der Welt waren und die Welt liebt die, die ihr angehören (vgl. 15,18.19). Das böse System der Welt und alle, die das Wort, den Sohn Gottes, ablehnen, befi nden sich in der Gewalt des Bösen (1Joh5,19). ich bezeuge von ihr, dass ihre Werke böse sind. Ein wirklich wiedergeborener Mensch, der ein Leben zur Ehre Gottes führt, wird den Hass und die Feindseligkeit der Welt erfahren (vgl. 15,1825; 16,1-3; 2Tim 3,12).
7,8 meine Zeit ist noch nicht erfüllt. Hier wird der zweite Grund genannt, weshalb Jesus noch nicht zum Fest nach Jerusalem ging. Die Juden konnten ihn nicht töten, bevor es Gottes Zeitplan vorsah (vgl. Gal 4,4). Jesus hatte sich dem Zeitplan Gottes unterstellt und ließ keine Abweichungen von den Anordnungen Gottes zu.
7,10 im Verborgenen. Hierdurch wird angedeutet, dass der Va- ter Jesus zu diesem Zeitpunkt gestattete nach Jerusalem zu gehen. Es war das letzte Mal vor seinem Kreuzgang, dass Jesus Galiläa verließ. Die Heimlichkeit seiner Reise weist auf ein Maximum an Diskretion hin, welche das genaue Gegenteil von dem darstellte, was seine Brüder von ihm gefordert hatten (vgl. V. 4).
7,11 suchten ihn die Juden. Der Kontrast zwischen den Ausdrü- cken »die Juden« in diesem Vers und »der Volksmenge« in V. 12 deutet an, dass mit »Juden« die feindlich gesinnten jüdischen Autoritäten in Judäa gemeint waren, die ihren Hauptsitz in Jerusalem hatten. Der Suche nach Jesus lag gewiss eine feindliche Absicht zugrunde.
7,12 Gemurmel … unter der Volksmenge. Die aus Judäern, Galiläern und Juden der Diaspora (Zerstreuung) bestehende Volksmenge äußerte ihre verschiedenen Ansichten über Christus. Das Spektrum reichte von oberfl ächlicher Akzeptanz (»Er ist gut!«) bis hin zu zynischer Ablehnung (»er verführt die Leute!«). Der jüdische Talmud zeigt, dass die letztere Meinung der Verführung die vorherrschende Ansicht bei vielen Juden wurde (Babylonischer Talmud Sanhedrin 43a).
7,14 Die zunehmende Feindschaft gegenüber Jesus verhinderte seinen weiteren Lehrdienst nicht. Vielmehr erklärte Jesus unvermindert seine Ansprüche bezüglich seiner Identität und seines Auftrags. In der Mitte des Laubhüttenfestes, als die Juden aus ganz Israel nach Jerusalem gekommen waren, begann Jesus wiederum zu lehren. In diesem Abschnitt nennt Jesus die Rechtfertigung seines Dienstes und lehrt mit der Autorität des Sohnes Gottes. Es werden hier fünf Gründe angeführt, weshalb Jesu Ansprüche wahr sind: 1.) sein übernatürliches Wissen stammte vom Vater selbst (V. 15.16); 2.) die Richtigkeit seiner Lehre und seines Wissens war nachprüfbar (V. 17); 3.) sein Handeln bewies seine Selbstlosigkeit (V. 18); 4.) seine Wirkung auf die Welt war alarmierend (V. 19.20) und 5.) seine Taten bewiesen seine Identität als Sohn Gottes (V. 21-24). 7,14 Als aber das Fest schon zur Hälfte verfl ossen war. Jesus hatte möglicherweise bis zur Mitte des Festes gewartet, um einem verfrühten »triumphalen Einzug« vorzubeugen, den manche ihm aus politischen Motiven bereitet hätten. in den Tempel hinauf und lehrte. Jesus lehrte gemäß der Sitte der Lehrer oder Rabbis seiner Zeit. Führende Rabbis gingen in den Tempel und legten der anwesenden Volksmenge die atl. Schriften aus.
7,15 verwunderten. Jesus besaß göttliche Erkenntnis über die Schrift. Die Leute waren erstaunt, dass jemand, der nie in einer bedeutenden rabbinischen Schule studiert oder von großen Rabbis gelernt hatte, ein solch tiefgründiges Wissen über die Schrift an den Tag legen konnte. Sowohl der Inhalt als auch die Art und Weise des Lehrens Jesu hatten eine andere Qualität als die jedes anderen Lehrers.
7,16 von dem, der mich gesandt hat. Der Qualitätsunterschied der Lehre Jesu lag in seinem Ursprung begründet, d.h. der Vater gab sie ihm (8,26.40,46.47; 12,49.50). Sie stammte von Gott dem Vater selbst, im Gegensatz zu den Rabbinern, die sie von Menschen empfangen hatten (Gal 1,12). Während sich Rabbis lediglich auf die Autorität anderer verließen (in einer langen Kette menschlicher Tradition), gründete sich Jesu Autorität in ihm selbst (vgl. Mt 7,28.29; Apg 4,13).
7,17 Wenn jemand seinen Willen tun will, wird er erken- nen. Jene, die den Willen Gottes grundlegend tun wollen, werden von ihm durch die Bestätigung seiner Wahrheit geleitet. Gottes Wahrheit wird durch die Belehrung des Heiligen Geistes beglaubigt (vgl. 16,13; 1Joh2,20.27).
7,18 wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat. Während andere Retter und Messiasse in ihrem eigenen egoistischen Interesse handelten, und dadurch ihre Falschheit bewiesen, kam Jesus Christus als Sohn Gottes, um einzig und allein den Vater zu verherrlichen und seinen Willen zu vollbringen (2Kor 2,17; Phil 2,5-11; Hebr 10,7).
7,19 mich zu töten. Wäre Jesus ein weiterer religiöser Schwind- ler gewesen, hätte die Welt niemals mit einem derartigen Hass reagiert. Da das böse System dieser Welt seine eigenen Kinder liebt, beweist ihr Hass gegen ihn, dass er von Gott kam (15,18.19). 7,21 Ein Werk. Der Kontext macht deutlich (V. 22.23), dass Jesus auf die Heilung des Gelähmten anspielte, welche die Verfolgung durch die jüdischen Autoritäten hervorrief, da sie am Sabbat geschah (s. 5,116).
7,22 sondern von den Vätern. Die patriarchale Epoche während der Zeit Abrahams, als Gott das Zeichen der Beschneidung einsetzte (1Mo 17,10-12), welches später ein Teil des mosaischen Bundes am Sinai war (2Mo 4,26; 12,44.45). Diese Beobachtung minderte nicht nur die Wertschätzung der Juden für Mose, sondern zeigte, was noch wichtiger war, dass dieser Ritus bereits vor dem mosaischen Gesetz bestand und Vorrang vor ihm hatte (Gal 3,17). Außerdem ging die Beschneidung auch dem Sabbatgesetz voraus.
7,23 am Sabbat. Das Gesetz verlangte, dass die Beschneidung am 8. Tag geschah (3Mo 12,1-3). Wenn ein Kind am Sabbat geboren wurde, fi el der 8. Tag auf den darauffolgenden Sabbat, an dem die Juden das Kind beschnitten. Jesus meinte, dass die Juden mit der Beschneidung des Kindes ihr eigenes Sabbatgesetz brachen. Ihre Heuchelei war offensichtlich. ich habe den ganzen Menschen gesund gemacht. Jesus argumentierte, indem er das Geringere dem Größeren gegenüberstellte. Wenn durch die Beschneidung (das Geringere) die zeremonielle Reinigung eines Teils des Körpers am Sabbat erlaubt war, wie viel mehr sollte die Heilung des ganzen Körpers (das Größere) am Sabbat gestattet sein.
7,24 ein gerechtes Urteil. Während Jesus ein strenges, strafendes Gericht verbot, das selbstgerechte Gesetzlichkeit fördert (Mt 7,1), forderte er ein moralisches und biblisches Urteilsvermögen.
7,25 In diesem Abschnitt wiederholt Johannes erneut Jesu An- sprüche hinsichtlich seiner Identität als Messias und Sohn Gottes. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf seinen göttlichen Ursprung und seine Herkunft. Während zu diesem Zeitpunkt einige an ihn glaubten (V. 31), wurden die religiösen Führer nur noch ärgerlicher und planten ihn zu ergreifen (V. 32). In diesen Versen konfrontierte Jesus die Menschen mit drei Problemen: 1.) das Problem der vorherrschenden Verwirrung (V. 2529); 2.) das Problem unterschiedlicher Überzeugungen (V. 30-32) und 3.) das Problem der hinausgezögerten Bekehrung (V. 33-36). Diese drei Probleme brachten Jerusalem in einen Zustand vollkommener Orientierungslosigkeit.
7,26 er redet öffentlich. Was die Menge überraschte, war, dass Jesus unerschrocken seine Identität verkündete, trotz der Bedrohung seitens der religiösen Obrigkeit (V. 20.32). Haben etwa die Obersten wirklich erkannt. Dies deutet an, dass bei der Volksmenge und den Obersten erhebliche Unklarheit und Unsicherheit bezüglich der Frage herrschte, wer Jesus war und was man mit ihm tun sollte. Sie hatten keine festen Überzeugungen hinsichtlich der Identität Jesu, denn ihre Frage verdeutlicht ihren Zweifel und Unglauben. Sie waren ebenso über die Unfähigkeit der religiösen Führer erstaunt, ihn festzunehmen und zum Schweigen zu bringen, wenn er wirklich ein Betrüger gewesen sein sollte. Eine solche Verwirrung veranlasste die Menschen zu der Frage, ob die religiösen Führer insgeheim doch zu dem Schluss gekommen waren, dass er doch der Christus war. Bei allen Gruppierungen herrschte Unklarheit über Jesus. Christus. S. Anm. zu 1,20.41.
7,27 wird niemand wissen, woher er ist. Die Schrift gibt nur den Geburtsort des Messias an (Mi 5,1; Mt 2,5.6). Darüber hinaus hatte sich in jüdischen Kreisen eine Tradition entwickelt, die auf einer falschen Auslegung von Jes 53,8 und Mal 3,1 basierte und besagte, dass der Messias dem Volk plötzlich erscheinen würde. Angesichts dessen liegt die Bedeutung dieser Aussage sehr wahrscheinlich darin, dass die Identität des Messias als vollständig unbekannt betrachtet wird, bis er plötzlich in Israel erscheinen und es befreien würde. Im Gegensatz dazu lebte Jesus in Nazareth und war dem Volk bekannt (zumindest äußerlich) (V. 28).
7,28 rief. Jesus lenkte größte Aufmerksamkeit auf diese wichtige Lehre, indem er sie nachdrücklich verbreitete (vgl. V. 37; 1,15; 12,44). ihr kennt mich und wisst, woher ich bin. Diese Worte stehen im Gegensatz zu 8,19, wo Jesus seinen Feinden sagte, dass sie weder ihn noch den Vater kannten; somit wird hier Jesu strafende Ironie angedeutet. Jesus meinte, dass sie in Wahrheit nicht wussten, wer er wirklich war, obwohl sie glaubten, ihn zu kennen. Sie kannten ihn in irdischer Hinsicht, aber nicht im geistlichen Sinne, da sie auch Gott nicht kannten. den ihr nicht kennt. Obgleich sie dachten, dass sie Erkenntnis hatten und geistlich orientiert waren, zeigte ihre Ablehnung gegenüber Jesus ihre geistliche Blindheit (Röm 2,17-19).
7,30 seine Stunde war noch nicht gekommen. Dies gibt den Grund an, weshalb sie ihn nicht ergreifen konnten, d.h. Gottes souveräner Zeitplan für Jesus erlaubte es nicht.
7,31 Viele … glaubten. Unter dem Volk herrschten unterschiedli- che Auffassungen über Jesus. Während einige ihn ergreifen wollten, gab es in der Volksmenge einen kleinen Rest von wahrhaft Gläubigen. Die Frage in diesem Vers verlangt selbstverständlich eine negative Antwort, d.h., der Messias werde unmöglich größere Wunder tun können, als Jesus bereits getan hatte.
7,32 die Pharisäer und die obersten Priester. S. Anm. zu 3,1. Die Pharisäer und Hohenpriester hatten an sich keine gute Beziehung zueinander. Die meisten Hohenpriester waren Sadduzäer, also politische und religiöse Gegner der Pharisäer. Johannes verbindet diese beiden Gruppen wiederholt in seinem Evangelium (s.a. V. 45; 11,47.57; 18,3), um hervorzuheben, dass ihre Zusammenarbeit aus dem gemeinsamen Hass gegen Jesus erwuchs. Beide Gruppen waren durch den in V. 31 geschilderten Glauben beunruhigt, und versuchten Jesus ohne Erfolg festzunehmen, um zu vermeiden, dass er als Messias verehrt würde (V. 30). Diener. Tempelwachen, die als eine Art Polizei fungierten und sich aus Leviten zusammensetzten, die für die Ordnung in der Umgebung des Tempels zu sorgen hatten. Sie konnten vom Sanhedrin auch im Bereich außerhalb des Tempels bei religiösen Kontroversen eingesetzt werden, die die römische Politik nicht betrafen.
7,34 wo ich bin, dorthin könnt ihr nicht kommen. Jesus spricht hier von seiner Rückkehr in den Himmel zu seinem Vater nach seiner Kreuzigung und Auferstehung (s. 17,15).
7,35 Johannes betont noch einmal, wie unwissend die Juden hinsichtlich der Worte Jesu waren. Mit ihren Worten wollten sie Jesus verspotten. 7,35 die Griechen lehren. Der Ausdruck »die Griechen lehren« bezog sich wahrscheinlich auf jüdische Proselyten, die Nationen. Möglicherweise benutzt Johannes diesen Ausdruck ironisch, da das Evangelium schließlich zu den Heiden kam, aufgrund der Blindheit der Juden und der Verwerfung ihres Messias. S. Anm. zu Röm 11,7-11.
7,37 Dieser Abschnitt beinhaltet die verschiedenen Reaktionen der Menschen auf Jesu Ansprüche. Sie sind die Jahrhunderte hindurch zu universellen Reaktionsmustern gegenüber Jesus geworden. Den Abschnitt könnte man zweiteilen, in die Ansprüche Christi (V. 37-39) und die Reaktionen auf ihn (V. 40-52). Die Reaktionen kann man wiederum in fünf Unterpunkte gliedern: 1.) die Reaktion derjenigen, die von ihm überzeugt waren (V. 40-41a); 2.) die Reaktion der Gegenpartei (V. 41b42); 3.) die Reaktion derjenigen, die feindlich gesinnt waren (V. 43.44); 4.) die Reaktion derjenigen, bei denen Unklarheit herrschte (V. 45.46) und 5.) die Reaktion der religiösen Obrigkeit (V. 47-52). 7,37 am letzten … Tag. Das deutet an, dass diese Begebenheit an einem anderen Tag stattfand als die Kontroverse in V. 11-36. Wenn jemand dürstet. Wenige Jahrhunderte vor Jesus entstand die Tradition, dass in den sieben Tagen des Laubhüttenfestes ein goldenes Gefäß, gefüllt mit Wasser aus dem Teich Siloah, in einer Prozession vom Hohenpriester zurück zum Tempel getragen wurde. Wenn die Prozession am Wassertor an der Südseite des inneren Tempelhofs ankam, erklangen drei Trompeten, um den freudigen Anlass zu betonen, und die Menschen trugen Jes 12,3 vor: »Und ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils.« Am Tempel angekommen, gingen die Priester unter den Blicken von Zuschauern mit dem Wassergefäß um den Altar, während der Tempelchor das Hallel sang (Ps 113-118). Das Wasser wurde Gott zur Zeit des Morgenopfers dargebracht. Die Verwendung des Wassers symbolisierte den Segen durch ausreichenden Regen für die Ernte. Jesus gebrauchte dieses Ereignis als Anschauungsunterricht und als Gelegenheit, sein Volk am letzten Tag des Festes öffentlich aufzufordern, ihn als das lebendige Wasser anzunehmen. Seine Worte erinnern an Jes 55,1. dürstet … komme … trinke. Diese drei Worte fassen die Einladung des Evangeliums zusammen. Das Erkennen der Notwendigkeit führt dazu, dass man sich der Quelle naht und schließlich das Benötigte erhält. Die durstige und bedürftige Seele spürt das Verlangen, zum Erlöser zu kommen und trinkt, d.h. empfängt die von ihm angebotene Errettung.
7,38 lebendigen Wassers. Der Ausgießungsritus war innerhalb der jüdischen Tradition auch eine Vorschattung der eschatologischen Flüsse mit lebendigem Wasser in Hes 47,1-9 und Sach 13,1. Die Bedeutung der Einladung Jesu fi ndet sich in der Tatsache, dass er die Erfüllung all dessen war, worauf das Laubhüttenfest vorausgriff, d.h. er war der Eine, der das lebendige Wasser gab, welches dem Menschen ewiges Leben schenkt (vgl. 4,10.11).
7,39 Das sagte er aber von dem Geist. Der Heilige Geist ist die Quelle geistlichen und ewigen Lebens. S. Anm. zu 16,7.
7,41 aus Galiläa? Dies verrät die enorme Unwissenheit des Volkes, denn Jesus wurde in Bethlehem in Judäa geboren und nicht in Galiläa (Mi 5,1 vgl. Mt 2,6; Lk 2,4). Sie bemühten sich nicht einmal, seinen wirklichen Geburtsort herauszufi nden, und zeigten dadurch ihr mangelndes Interesse an den messianischen Zeugnissen.
7,43 Spaltung. S. Mt 10,34-36; Lk 12,51-53.
7,44 S. Anm. zu V. 8.30.
7,45 die Diener. Die Diener konnten Jesus nicht festnehmen, als sie mit seiner Person und seiner kraftvollen Lehre konfrontiert wurden. Da sie in religiösen Dingen geschult waren, trafen Jesu Worte sie mitten ins Herz. Hinsichtlich ihrer Identität s. Anm. zu V. 32.
7,47 Die Pharisäer machten sich über die Diener lustig, nicht wegen ihrer berufl ichen Ausübung (als Polizisten), sondern wegen ihrer religiösen Herkunft (als Leviten). Im Grunde beschuldigten sie sie, sich von einem Betrüger (Jesus) verführen zu lassen, im Gegensatz zu den Pharisäern, die in ihrer Arroganz und Selbstgerechtigkeit meinten, dass niemand sie aufgrund ihrer Weisheit und Erkenntnis betrügen könnte.
7,49 Pöbel. Herablassend stempelten die Pharisäer die Leute als »Pöbel« ab. Im Gegensatz zu sich selbst hielten die Rabbis die einfachen Leute (oder die Landbevölkerung) für unwissend und ungläubig. Unwissend nicht nur, weil sie die Schrift nicht kannten, sondern vor allem, weil die einfachen Leute nicht den mündlichen Überlieferungen der Pharisäer folgten. unter dem Fluch. Die Leute wurden als verfl ucht angesehen, da sie weder zur Elite gehörten noch ihren Anschauungen über das Gesetz folgten. 7,50-52 Nikodemus (s. 3,10) war gegenüber den Ansprüchen Jesu nicht vollständig verschlossen, so dass er ein verfahrensrechtliches Argument zu Gunsten Jesu einwarf, auch wenn er ihn nicht direkt verteidigte.
7,51 Richtet unser Gesetz. Es fi ndet sich keine ausdrückliche atl. Bibelstelle, auf die Nikodemus’ Einwand zurückzuführen wäre. Sehr wahrscheinlich bezog er sich auf rabbinische Überlieferungen aus ihrem mündlichen Gesetz.
7,52 Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen! Wirklich unwissend waren die Pharisäer, die nicht sorgfältig überprüft hatten, wo Jesus wirklich geboren wurde. Während sie die Volksmenge der Unwissenheit beschuldigten, waren sie ebenso unwissend (V. 42). Außerdem kamen aus Galiläa die Propheten Jona und Nahum.
7,53 Dieser Abschnitt, der von einer Ehebrecherin handelt, gehörte sehr wahrscheinlich nicht zum ursprünglichen Inhalt des Johannes-Evangeliums. In mehreren Handschriften wurde er an verschiedenen Stellen des Evangeliums eingefügt (z.B. nach V. 36.44.52 oder 21,25), wohingegen eine Handschrift ihn im Anschluss an Lk 21,38 aufführt. Die Gesamtheit aller erhaltenen Bibelhandschriften, die eine große Vielfalt an Textüberlieferungen repräsentiert, ist entschieden gegen die Aufnahme, da die frühesten und besten Handschriften den Text nicht enthalten. In vielen Handschriften ist die Passage gekennzeichnet, um Zweifel an ihrer Aufnahme anzudeuten. In bedeutsamen frühen Versionen ist sie nicht enthalten. Bis zum 12. Jhdt. gibt es zu dieser Stelle keine Kommentare großer Kirchenväter. Ebenso unterscheidet sich das Vokabular und der Stil dieses Abschnitts vom Rest des Evangeliums, darüber hinaus unterbricht er den Zusammenhang zwischen V. 52 und 8,12ff. Allerdings meinen viele, dass dieser Text alle Kennzeichen historischer Richtigkeit besitzt; vielleicht ist er ein Stück der mündlichen Überlieferung, die in Teilen der westlichen Kirche im Umlauf war. Trotz aller Überlegungen hinsichtlich der wahrscheinlichen Unzuverlässlichkeit dieses Abschnitts ist es möglich, sich dennoch darin zu irren, so dass es gut ist, die Bedeutung dieser Passage zu durchleuchten und sie ebenso wie Mk 16,9-20 im Text zu lassen.
8,6 um ihn zu versuchen, damit sie ihn anklagen könnten. Hätte Jesus das mosaische Gesetz verworfen (3Mo 20,10; 5Mo 22,22), wäre seine Glaubwürdigkeit dahin gewesen. Wenn er daran festgehalten hätte, wäre seine Haltung des Erbarmens und Vergebens in Frage gestellt worden.
8,7 Wer unter euch ohne Sünde ist. Das bezieht sich direkt auf 5Mo 13,10; 17,7, wo die Zeugen eines Verbrechens als erste mit der Hinrichtung beginnen sollten. Nur jene, die sich nicht der gleichen Sünde schuldig gemacht hatten, konnten sich daran beteiligen.
8,8 Vgl. V. 6. Dies schien eine hinauszögernde Handlung gewesen zu sein, die ihnen Zeit zum Nachdenken gab.
8,11 sündige nicht mehr. Eigentlich: »Gib dein sündiges Leben auf« (vgl. 3,17; 12,47; Mt 9,1-8; Mk 2,13-17).
8,12 Lässt man die Geschichte der Ehebrecherin in 7,53-8,11 aus, fügt sich dieser Vers sehr gut an 7,52. Das Wort »wieder« legt nahe, dass Jesus ein weiteres Mal zu den Menschen auf dem gleichen Laubhüttenfest sprach (s. 7,2.10). Zunächst verwendete Jesus den Ausgießungsritus (7,37-39) als ein Bild, um die geistliche Wahrheit darzustellen, dass er der Messias war, der alles erfüllte, worauf das Fest vorausgriff; dann wandte er anschließend den anderen Ritus zu, der traditionell zu dem Fest gehörte: die Erleuchtungszeremonie. Während des Laubhüttenfestes wurden vier große Kandelaber im Vorhof der Frauen angezündet und unter ihrem Lichtschein fand eine mitreißende nächtliche Feier statt. Die Menschen tanzten durch die Nacht und hielten brennende Fackeln in ihren Händen, während sie Hymnen und Lieder sangen. Die Leviten spielten auf Harfen, Leiern, Zimbeln, Trompeten und anderen Musikinstrumenten. Jesus nahm die Erleuchtungszeremonie zum Anlass, um dem Volk eine weitere geistliche Entsprechung darzustellen: »Ich bin das Licht der Welt.« 8,12 Ich bin das Licht der Welt. Das ist die zweite »Ich bin«- Aussage (s. 6,35). Johannes hat das »Licht« bereits einmal als ein Bild für Jesus verwendet (1,4). Hier ist das Bild für Jesus von manchen Anspielungen des ATs durchdrungen (2Mo 13,21.22; 14,19-25; Ps 27,1; 119,105; Spr 6,23; Hes 1,4.13.26-28; Hab 3,3.4). Die Aussage hebt Jesu Stellung als Messias und Sohn Gottes hervor (Ps 27,1; Mal 3,20). Das AT deutet an, dass das kommende Zeitalter des Messias eine Zeit sein werde, in der der Herr das Licht seines Volkes ist (Jes 60,19-22; vgl. Offb 21,23.24) ebenso wie für die ganze Erde (Jes 42,6; 49,6). Sacharja 14,5b-8 stellt Gott als das Licht der Welt dar, der seinem Volk lebendiges Wasser schenkt. Diese Bibelstelle bildete wahrscheinlich die liturgischen Lesungen für das Laubhüttenfest. Hinsichtlich der weiteren Bedeutung Jesu als dem »Licht« s. Anm. zu 1,4.5; 1Joh1,5. Wer mir nachfolgt. Das Wort »nachfolgen« beinhaltet den Gedanken an einen Menschen, der sich ganz der Person zur Verfügung stellt, der er nachfolgt. In den Gedanken Jesu gibt es keine halbherzigen Nachfolger (vgl. Mt 8,18-22; 10,38.39). Hier fi ndet sich eine versteckte Anspielung auf die Israeliten, die der Wolken- und Feuersäule folgten, welche sie während ihres Auszugs führte (2Mo 13,21).
8,13 Du legst von dir selbst Zeugnis ab. Voller Spott führen die Juden Jesu eigene Worte aus 5,31 an. Allerdings wurden seine Worte aus beiden Stellen durch die Tatsache miteinander verbunden, dass das atl. Gesetz nicht nur einen sondern mehrere Zeugen forderte, um die Wahrheit einer Sache zu bestätigen (5Mo 17,6). Nicht nur Jesus legte das Zeugnis über sich selbst als dem Messias ab, denn zuvor hatten schon viele andere diese Wahrheit bezeugt (s. Anm. zu 1,7).
8,14 Diese Verse liefern drei Gründe, weshalb das Zeugnis Jesu wahr war: 1.) Jesus kannte seine Herkunft und sein Schicksal, wohingegen die Juden selbst grundlegende geistliche Wahrheiten nicht kannten, was die Begrenztheit und Oberfl ächlichkeit ihres Urteils zeigte (V. 14.15); 2.) die vertraute Verbundenheit des Sohnes mit dem Vater bürgte für die Wahrheit des Zeugnisses Jesu (V. 16) und 3.) der Vater und der Sohn zeugten übereinstimmend von der Identität des Sohnes (V. 17.18).
8,17 in eurem Gesetz geschrieben. S. 5Mo 17,6; 19,15 und Anm. zu 1,7. 8,19 Wo ist dein Vater? Wie sie es gewohnt waren (z.B. 3,4; 4,11; 6,52), dachten die Juden wieder nur in menschlichen Vorstellungen, als sie Jesus nach seinem Vater fragten.
8,21 Jesus machte die Konsequenz seiner Verwerfung als Messias und Sohn Gottes deutlich; sie bedeutet geistlichen Tod (V. 24; vgl. Hebr 10,26-31). In diesen Versen werden vier sichere Möglichkeiten aufgezeigt, wie ein Mensch in seinen Sünden stirbt und somit den geistlichen Tod erfährt: 1.) Selbstgerechtigkeit (V. 20-22); 2.) irdische Gebundenheit (V. 23.24); 3.) Unglaube (V. 24) und 4.) vorsätzliche Unwissenheit (V. 2529). Auf die Juden, die Jesus ablehnten, trafen alle vier Kennzeichen zu. 8,21 Jesus wiederholt seine Botschaft aus 7,33.34, aber mit einem bedrohlicheren Unterton bezüglich der Konsequenzen seiner Verwerfung. Ich gehe fort. Durch seinen bevorstehenden Tod, seine Auferstehung und das Auffahren zum Vater in den Himmel.
8,22 Will er sich etwa selbst töten. Entweder waren die Juden verwirrt (s. Anm. zu 7,34.35) oder, was wahrscheinlicher ist, sie spotteten über Christus. Die jüdische Tradition verurteilte den Selbstmord als eine besonders abscheuliche Sünde, aus der sich die permanente Verbannung in den fürchterlichsten Teil des Hades ergab (Josephus, Jüdische Kriege iii.viii.5 [iii.375]). Gott überlieferte ihn zur Tötung (Apg 2,23); folglich ließ er als Gott sein eigenes Leben (10,18).
8,23 Ihr seid von unten. Es wird hier der Gegensatz zwischen dem Reich Gottes und dem der gefallenen, sündigen Welt (»von unten«) aufgezeigt. Im Kontext ist mit Welt das von Satan beherrschte unsichtbare, geistliche System des Bösen gemeint und alles, was im Widerstand zu Gott, seinem Wort und seinem Volk steht (s. Anm. zu 1,9; 1Joh5,19). Jesus sagte, dass seine Gegner in Wirklichkeit mit Satan und seinem Reich in Verbindung stehen. Durch diese Herrschaft waren sie geistlich blind (s. 2Kor 4,4; Eph 2,1-3).
8,24 wenn ihr nicht glaubt. Jesus betonte, dass die fatale, unver- zeihliche und ewige Sünde darin besteht, nicht an ihn als den Messias und Sohn Gottes zu glauben. Wenn von dieser Sünde Buße getan wird, können auch alle anderen Sünden vergeben werden. S. Anm. zu 16,8.9. ich es bin. »Es« kommt in der ursprünglichen Aussage nicht vor. Jesu Worte wurden nicht auf übliche Weise gebildet, sondern waren vom hebr. Sprachgebrauch des ATs beeinfl usst. »Ich bin« wird im absoluten Sinne gebraucht und besitzt die weitestgehende theologische Bedeutung. Es könnte eine Anspielung auf 2Mo 3,14 sein, wo der Herr seinen Namen »Ich bin« bekannt gibt, ebenso ist ein Hinweis auf Jes 40 – 55 denkbar, wo der Ausdruck »Ich bin« wiederholt auftaucht (insbesondere 43,10.13.25; 46,4; 48,12). Somit spricht Jesus von sich selbst als dem Gott (Jahwe – der HERR) des ATs und beansprucht die vollständige Gottheit für sich selbst. Dadurch rief er die Frage der Juden in V. 25 hervor. S. Anm. zu V. 58.
8,25 Wer bist du? Die Juden wollten es nicht wissen, denn Kap. 1 – 8 zeigt, dass mehrere Zeugen Jesu Identität bestätigten und er selbst in Worten und Taten während seines ganzen irdischen Dienstes bewies, dass er der Sohn Gottes und der Messias war. Zuerst. Seit Beginn des Wirkens Jesu unter den Juden.
8,28 Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet. Jesu bevorstehende Kreuzigung. werdet ihr erkennen, dass ich es bin. Da sie es abgelehnt hatten, an ihn zu glauben, und ihn ans Kreuz nagelten, werden sie eines Tages mit der furchtbaren Erkenntnis aufwachen, dass der von ihnen Verachtete derjenige war, dem sie hätten Ehre bringen sollen (vgl. Phil 2,9-11; Offb 1,7). Nach seinem Tod und seiner Himmelfahrt glaubten viele Juden an Christus, indem sie erkannten, dass der Verworfene in Wahrheit der Messias war (Apg 2,36.37.41).
8,31 Diese Verse liefern zentrale Aussagen zum Verständnis wirk- licher Errettung und echter Jüngerschaft. Um diese Dinge verständlich zu machen, legt Johannes die Betonung auf Wahrheit und Freiheit. Dieser Abschnitt konzentriert sich auf diejenigen, die anfängliche Schritte im Glauben an Jesus als den Messias und Sohn Gottes machen. Jesus wollte, dass sie in ihrem Glauben Fortschritte machten. Rettender Glaube ist nicht etwas Unbeständiges, sondern weist sich durch Festigkeit und Beständigkeit aus. Eine solche Glaubensreife zeigt sich in vollständiger Auslieferung an die Wahrheit in Jesus Christus und führt zu wirklicher Freiheit. In diesem Abschnitt fi nden sich drei besondere Kennzeichen: 1.) fortschreitende Freiheit (V. 31.32); 2.) angebliche Freiheit (V. 33.34) und 3.) verheißene Freiheit (V. 35.36). 8,31 die an ihn glaubten. Der erste Schritt zu echter Jüngerschaft ist der Glaube an Jesus Christus als Messias und Sohn Gottes. Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger. Das zeigt den zweiten Schritt zu echter Jüngerschaft. Anhaltender Gehorsam gegenüber der Schrift (vgl. Mt 28,19.20) ist die Frucht oder der Beweis echten Glaubens (s. Eph 2,10). Das Wort »bleiben« meint das ständige Festhalten an den Worten Jesu. Ein wahrer Gläubiger hält an der Lehre Jesu fest, ist ihr gehorsam und handelt entsprechend. Derjenige, der in seiner Lehre fortschreitet, hat sowohl den Vater als auch den Sohn (2Joh9; vgl. Hebr 3,14; Offb 2,26). Wirkliche Jünger sind Lernende (die wesentliche Bedeutung des Wortes) und treue Nachfolger.
8,32 die Wahrheit. »Wahrheit« bezieht sich hier nicht nur auf die Tatsachen über Jesus als Messias und Sohn Gottes, sondern auch auf seine Lehre. Ein wahrhaft geretteter und gehorsamer Nachfolger des Herrn Jesus kennt Gottes Wahrheit, die Befreiung von der Sünde (V. 34) und die Suche nach Wirklichkeit. Diese göttliche Wahrheit ist nicht durch rein verstandesmäßige Annahme zugängig (1Kor 2,14), sondern nur durch die rettende Lebensübergabe an Christus (vgl. Tit 1,1.2).
8,33 Wir … sind nie jemandes Knechte gewesen. Da die Juden häufi g in politischer Abhängigkeit von vielen Völkern standen (Ägypten, Assyrien, Babylonien, Griechenland, Syrien und Rom), müssen sie ihr inneres Freiheitsgefühl gemeint haben.
8,34 Wahrlich, wahrlich. S. Anm. zu 1,51. Jeder, der die Sünde tut. Die Art von Sklaverei, an die Jesus dachte, war nicht die körperliche Versklavung, sondern das Versklavtsein unter die Sünde (vgl. Röm 6,17.18). Mit dem Ausdruck »die Sünde tut« ist das gewohnheitsmäßige Sündigen gemeint (1Joh3,4.8.9). Die eigentliche Sklaverei ist nicht die politische oder wirtschaftliche Unterdrückung, sondern die geistliche Versklavung unter die Sünde und die Rebellion gegen Gott. Das erklärt auch, weshalb Jesus es nicht zuließ, dass man ihn lediglich zu einem politischen Messias machte (6,14.15).
8,35 Die Gedanken über Sklaverei in V. 34 wechseln nun zu der Stellung von Sklaven. Während die Juden sich für freie Söhne Abrahams hielten, waren sie in Wirklichkeit Sklaven der Sünde. Im Kontext ist der wahre Sohn Christus selbst, der die Sklaven von der Sünde befreit. Jene, die Jesus Christus von der Tyrannei der Sünde und der Sklaverei der Gesetzlichkeit freimacht, sind wirklich frei (Röm 8,2; Gal 5,1).
8,39 Wenn ihr Abrahams Kinder wärt. Der Satzbau lässt erkennen, dass Jesus bestritt, dass eine rein biologische Abstammung zur Errettung ausreichte (s. Phil 3,4-9). Der Sinn des Satzes kann so wiedergegeben werden: »Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, was ihr aber nicht seid, so würdet ihr handeln wie Abraham.« So wie Kinder genetische Merkmale von ihren Eltern erben, so werden auch wirkliche Nachkommen Abrahams handeln wie er, d.h. seinen Glauben und Gehorsam nachahmen (s. Röm 4,16; Gal 3,6-9; Hebr 11,8-19; Jak 2,21-24). Abrahams Werke. Abrahams Glaube zeigte sich in seinem Gehorsam gegenüber Gott (Jak 2,21-24). Jesus erklärte, das Verhalten der ungläubigen Juden stehe in krassem Widerspruch zu dem Verhalten Abrahams, welcher ein Leben des Gehorsams gegenüber den Geboten Gottes geführt hatte. Ihr Verhalten gegenüber Jesus bewies, dass ihr wirklicher Vater der Teufel war (V. 41.44).
8,41 Wir sind nicht unehelich geboren. Es ist gut möglich, dass die Juden auf die die Geburt Jesu umgebende Kontroverse anspielten. Die Juden kannten die Geschichte von Marias Verlobung und wussten, dass Josef nicht Jesu wirklicher Vater war; folglich deuteten sie an, dass Jesus unehelich geboren war (s. Mt 1,18-25; Lk 1,26-38).
8,42 Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben. Der Satzbau an dieser Stelle (so wie in V. 39) verneint, dass Gott wirklich ihr Vater ist. Obwohl das AT Israel seinen »erstgeborenen Sohn« nennt (2Mo 4,22) und bestätigt, dass Gott Israels Vater durch Schöpfung und Auserwählung ist (Jer 31,9), bewies der Unglaube der Juden, dass Gott nicht ihr geistlicher Vater war. Jesus betont, dass der klare Beweis und die Bestätigung des Anspruchs der Gotteskindschaft, die Liebe zu seinem Sohn Jesus ist. Da Gott Liebe ist, bringen diejenigen, die seinen Sohn lieben, auch sein Wesen zum Vorschein (1Joh4,7-11; 5,1).
8,44 Ihr habt den Teufel zum Vater. Das Verhalten sagt etwas über die Sohnschaft aus. Ein Sohn wird die Wesensmerkmale seines Vaters zeigen (vgl. Eph 5,1.2). Da die Juden durch ihre Feindseligkeit gegenüber Jesus die Verhaltensweisen des Teufels zeigten und nicht an Jesus als Messias glaubten, bestand ihre Sohnschaft im genauen Gegenteil zu ihren Ansprüchen, d.h. sie gehörten dem Teufel an. Der war ein Menschenmörder von Anfang an. Jesu Worte beziehen sich auf den Sündenfall, als der Teufel Adam und Eva versuchte und ihr geistliches Leben erfolgreich vernichtete (1Mo 2,17; 3,17-24; Röm 5,12; Hebr 2,14). Manche meinen, dass es auch ein Hinweis auf Kains Mord an Abel ist (1Mo 4,1-9; 1Joh3,12).
8,46 kann mich einer Sünde beschuldigen. Obgleich die Juden behaupteten, Jesus habe Sünden begangen (5,18), wird hier vorausgesetzt, dass die vollkommene Heiligkeit Christi nicht durch das Schweigen der Juden im Anschluss an seine Frage bewiesen wird, sondern durch sein Wissen um die Reinheit seines ganzen Lebens. Nur ein vollkommen Heiliger, der den engsten und vertrautesten Verkehr mit dem Vater hat, kann solche Worte sprechen. Die Juden konnten keinen überzeugenden Beweis erbringen, der ihn im Himmel der Sünde hätte überführen können.
8,48 du ein Samariter bist. Da die Juden Jesu Leben und Verhalten nicht angreifen konnten (V. 46), versuchten sie es mit einem Angriff auf seine Person. Dass sie Jesus als einen »Samariter« bezeichneten, kam wahrscheinlich dadurch zustande, dass die Samariter ebenso wie Jesus das exklusive Recht der Juden in Frage stellten, sich Kinder Abrahams zu nennen (s. V. 33.39).
8,51 wird er den Tod nicht sehen in Ewigkeit. Jesu Lehre zu beachten und ihm nachzufolgen, führt zu ewigem Leben (6,63.68). Der physische Tod kann ein solches Leben nicht auslöschen (s. 5,24; 6,40.47; 11,25.26).
8,52 Abraham ist gestorben. Jesu Behauptung, dass jeder, der sein Wort hält, nie sterben wird (V. 51), veranlasste die Juden zu einer scharfen Erwiderung, die wiederum ihre rein buchstäbliche und irdische Denkweise enthüllte (s. 3,4; 4,15).
8,56 Hebr 11,13 deutet an, dass Abraham den Tag Christi erkannte (»sie haben es nur von ferne gesehen«; s. Anm. dort). Abraham sah vor allem in dem fortdauernden Samen Isaaks Gottes anfängliche Erfüllung des Bundes (1Mo 12,1-3; 15,1-21; 17,1-8; vgl. 22,8), der in Christus seinen Höhepunkt fand.
8,58 Wahrlich, wahrlich. S. Anm. zu 1,51. bin ich. S. Anm. zu
6,22 Jesu berühmter Diskurs über das Brot des Lebens. Der Schlüsselvers ist V. 35: »Ich bin das Brot des Lebens.« Dies ist die erste von sieben nachdrücklichen »Ich bin«-Aussagen Jesu in diesem Evangelium (8,12; 10,7.9; 10,11.14; 11,25; 14,6; 15,1.5). Diese Analogie von Jesus als dem »Brot« des Lebens bestätigt Johannes’ Thema, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist (20,30.31). Obgleich Johannes von den Wundern Jesu berichtet, um seine Gottheit zu beweisen, wendet er sich von dort schnell zu Jesu Diskurs über die geistlichen Wahrheiten seiner Person, um eine ausgewogene Defi nition der Person Jesu Christi zu geben. Gemeint ist, dass er nicht nur ein Wunderwirker war, sondern der Sohn Gottes, der kam, um die Menschheit von der Sünde zu erretten (3,16). Dieser Diskurs fand in der Synagoge zu Kapernaum statt (V. 59). 6,22 Diese Verse weisen darauf hin, dass sich das Volk, das die Heilungen Jesu und die Speisung der Menschenmenge miterlebt hatte, noch an diesem Schauplatz befand (östlich des Sees) und Jesus mit gesteigerter Neugier ein weiteres Mal sehen wollte. Andere Menschen, die von den Wundertaten hörten, kamen mit Booten von Tiberias (vom Nordwest-Ufer des Sees), um ihn zu suchen. 6,22 Hier gab sich Jesus selbst als Jahwe zu erkennen, d.h. als der Herr des ATs. Diesem Ausdruck liegen Bibelstellen zugrunde wie 2Mo 3,14; 5Mo 32,39; Jes 41,4; 43,10, wo Gott sich als der ewige, präexistente Gott erklärt, der sich den Juden im AT selbst offenbarte. S. auch Anm. zu V. 24.28.
8,59 Da hoben sie Steine auf. Die Juden verstanden Jesu Anspruch und handelten nach 3Mo 24,16, wo gesagt wird, dass jeder gesteinigt werden soll, der den Namen Gottes lästert. verbarg sich und ging … mitten durch sie hindurch. Jesus entkam mehrfach der Festnahme und dem Tod, weil seine Stunde noch nicht gekommen war (s. Anm. zu 7,30.44; 18,6). Sehr wahrscheinlich ist in diesem Vers ein wundersames Entkommen gemeint.
9,1 Jesus tat ein Wunder, indem er einem Mann sein Sehvermö- gen schenkte, der von Geburt an blind war (V. 1). Vier Merkmale kennzeichnen diese Heilung: 1.) das Problem, das die Heilung nötig machte (V. 1); 2.) die Absicht, weshalb der Mann blind zur Welt kam (V. 2-5); 3.) die Macht, die ihn heilte (V. 6.7), und 4.) das Erstaunen der Menschen, die die Heilung sahen (V. 8-13).
9,2 wer hat gesündigt. Obwohl Sünde der Grund für Leiden sein kann, wie die Schrift deutlich mitteilt (s. 5,14; 4Mo 12; 1Kor 11,30; Jak 5,15), ist dies nicht unbedingt immer der Fall (s. Hi; 2Kor 12,7; Gal 4,13). Die Jünger nahmen wie die meisten Landsleute ihrer Zeit an, dass Sünde der wesentliche, wenn nicht sogar einzige Grund für alle Leiden war. An diesem Beispiel machte Jesus jedoch klar, dass persönliche Sünde hier nicht der Grund für die Blindheit darstellte (s. V. 3).
9,3 Jesus bestritt nicht die generelle Verbindung zwischen Sünde und Leiden, widerlegte aber den Gedanken, dass persönliche Sünde der unmittelbare Grund war. Wie aus Hi 1.2 hervorgeht, spielen Gottes Souveränität und seine Absichten in solchen Fällen eine Rolle.
9,4 solange es Tag ist. Das heißt: Solange er noch mit seinen Jün- gern auf der Erde war. Der Ausdruck bedeutet nicht, dass Jesus nach seiner Himmelfahrt aufhören würde, das Licht der Welt zu sein, sondern dass das Licht besonders hell unter den Menschen schien, als er den Willen seines Vaters auf der Erde tat (vgl. 8,12). es kommt die Nacht. S. Anm. zu 1,4.5; 1Joh1,5-7. Es ist eine besondere Andeutung auf die Finsternis, durch die Jesus während der Kreuzigung von seinen Jüngern getrennt wurde (V. 5).
9,5 bin ich das Licht der Welt. S. Anm. zu 8,12; vgl. 1,5.9; 3,19; 12,35.46. Jesus war nicht nur in geistlicher Hinsicht das Licht der Welt, sondern er gab diesem Blinden auch sein physisches Sehvermögen.
9,6 machte einen Brei mit dem Speichel. So wie er ursprünglich den Menschen aus dem Staub der Erde machte (1Mo 2,7), verwendete Jesus den Brei, um neue Augen zu bilden.
9,7 wasche dich im Teich Siloah. »Siloah« ist das hebr. Wort für »gesandt«. Der Teich Siloah lag südöstlich von Jerusalem. Die Quelle war mit dem Teich durch einen Kanal (Hiskia-Tunnel) verbunden, der das Wasser von der Gihon-Quelle ins Kidron-Tal brachte. Der Teich könnte der in Jes 22,9.11 erwähnte »untere Teich« oder »alte Teich« gewesen sein. Aus diesem Teich wurde das Wasser für den Ausgießungsritus während des Laubhüttenfestes geschöpft (s. Anm. zu 7,37-39).
9,8 Im Altertum war ein Mensch mit einer solch schweren körperli- chen Behinderung wie angeborener Blindheit zum Betteln verurteilt, um seinen Lebensunterhalt zu sichern (s. Apg 3,1-7). Die drastische Veränderung des geheilten Mannes veranlasste manche zu dem Glauben, dass diese Person nicht der Blindgeborene war.
9,13 Dieser Teil der Geschichte von der Heilung des Blinden enthält einige Schlüsselmerkmale bewussten Unglaubens: 1.) Unglaube setzt falsche Maßstäbe; 2.) Unglaube verlangt immer mehr Beweise und ist doch nie zufrieden; 3.) Unglaube untersucht die Dinge auf rein subjektiver Grundlage; 4.) Unglaube lehnt die Fakten ab und 5.) Unglaube ist ichbezogen. Sehr wahrscheinlich nahm Johannes diesen Abschnitt über den Dialog zwischen den Pharisäern und dem Blindgeborenen aus zwei Gründen auf: 1.) das Gespräch zeigt sorgfältig den Charakter bewussten und unbeweglichen Unglaubens, und 2.) die Geschichte bestätigt die erste große Spaltung zwischen der Synagoge und den neuen Nachfolgern Christi. Der Blinde war die erste uns bekannte Person, die aus der Synagoge hinausgeworfen wurde, weil sie Christus nachfolgen wollte (s. 16,1-3). 9,13 sie. Das bezieht sich auf die »Nachbarn und die ihn zuvor als Blinden gesehen hatten« (V. 8). zu den Pharisäern. Sehr wahrscheinlich brachten die Leute den Blinden zu den Pharisäern, weil das Wunder am Sabbat geschah (V. 14), und sie wussten, dass die Pharisäer denen negativ gegenüberstanden, die den Sabbat verletzten (vgl. 5,115). Zudem suchten die Leute den Rat ihrer örtlichen Synagoge und der religiösen Führer.
9,16 nicht von Gott. Sie mögen gedacht haben, dass Jesus nicht der verheißene Prophet Gottes sein konnte, da er gegen ihre Auslegung des Sabbatgesetzes verstoßen hatte (5Mo 13,2-6). eine Spaltung. Zuvor hatte bereits die Volksmenge unterschiedliche Meinungen über Jesus (7,4043); hier nun teilten sich auch die Ansichten der religiösen Obrigkeit.
9,17 Er ist ein Prophet! Während der Blinde deutlich sah, dass Jesus mehr als nur ein Mensch war, waren die sehenden aber starrsinnigen Pharisäer geistlich blind für diese Wahrheit (s. V. 39). In der Bibel ist Blindheit ein Bild für geistliche Finsternis, für die Unfähigkeit, Gott oder seine Wahrheit zu erkennen (2Kor 4,3-6; Kol 1,12-14).
9,18 die Eltern … gerufen. Während sich die Nachbarn bezüglich der Identität des Mannes geirrt haben könnten, würden die Eltern wissen, ob dies ihr Sohn war. Die Pharisäer hielten das Zeugnis des geheilten Mannes für wertlos.
9,24 Gib Gott die Ehre! Das bedeutet, dass die Pharisäer von dem Mann das Eingeständnis wollten, dass Jesus ein Sünder war, weil er gegen ihre Traditionen verstoßen und ihren Einfl uss gefährdet hatte (vgl. Jos 7,19). Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Bei der religiösen Obrigkeit herrschte genügend Einmütigkeit, um zu dem Schluss zu kommen, dass Jesus ein Sünder war (vgl. 8,46). Aufgrund dieser bereits im Voraus gefassten Meinung lehnten sie jedes Zeugnis ab, dass ein Wunder geschehen war.
9,27 Um ihre Heuchelei klar hervorzuheben, griff der Geheilte zu beißendem Spott, als er unterstellte, sie wollten Jünger Jesu werden.
9,28 Du bist sein Jünger! Wir aber sind Moses Jünger. An diesem Punkt schlug das Gespräch in wilde Beschimpfungen um. Die Schlagfertigkeit des Geheilten hatte den Standpunkt seiner Inquisitoren aufgedeckt. Was die Pharisäer betraf, war der Widerspruch zwischen Jesus und Mose unvereinbar. Wenn der Geheilte Jesus verteidigte, konnte das nur bedeuten, dass er ein Jünger Jesu war.
9,30 Der Geheilte bewies mehr geistliche Einsicht und gesunden Menschenverstand als alle religiösen Führer zusammen, die über Jesus und ihn zu Gericht saßen. Sein scharfsinniger Verstand konzentrierte sich auf ihren hartnäckigen Unglauben. Seine Logik bestand darin, dass ein solch außergewöhnliches Wunder nur darauf hinweisen konnte, dass Jesus von Gott war, denn die Juden glaubten, dass Gott entsprechend der Gerechtigkeit des Betenden antwortet (s. Hi 27,9; 35,13; Ps 66,18; 109,7; Spr 15,29; Jes 1,15; vgl. 14,13.14; 16,23-27; 1Joh3,21.22). Die Größe des Wunders konnte nur anzeigen, dass Jesus von Gott kam.
9,34 Du … willst uns lehren? Die Pharisäer waren über den Mann erzürnt, und so hielt ihre Wut sie davon ab, die scharfsinnige Einsicht zu erkennen, welche der ungebildete Mann bewiesen hatte. Zudem enthüllte die Frage ihre Unwissenheit bezüglich der Schrift; denn das AT wies darauf hin, dass im kommenden messianischen Zeitalter Blinde wieder sehen würden (Jes 29,18; 35,5; 42,7; vgl. Mt 11,4.5; Lk 4,18.19).
9,35 Während V. 1-34 von der Wiederherstellung des Sehvermö- gens des Blinden handelt, zeigt uns V. 35-41, dass Jesus ihm geistliches »Sehvermögen« schenkte. 9,35 Glaubst du. Jesus forderte den Mann auf, ihm als dem zu vertrauen, der den Menschen Gott offenbarte. Jesus legt großen Wert darauf, dass man seinen Glauben an ihn öffentlich bekennt (Mt 10,32; Lk 12,8). Sohn Gottes. Manche Übersetzungen geben hier auch Sohn des Menschen an (vgl. 1,51; 3,13.14; 5,27; 6,27.53.62; 8,28).
9,36 Herr. Hier hat das Wort »Herr« nur die Funktion einer Anrede und ist kein Hinweis darauf, dass der Mann die Gottheit Jesu verstand. Siehe auch V. 38. Da der Blinde Jesus nie zuvor gesehen hatte (V. 7) und ihm auch nicht wieder begegnete, nachdem er sich im Teich gewaschen hatte, erkannte er Jesus zunächst nicht als den, der ihn geheilt hatte.
9,39 zum Gericht. Es war nicht seine Absicht zu verdammen, son- dern vielmehr zu erretten (12,47; Lk 19,10); dass er nur einige rettete, bedeutet, dass andere verdammt werden (s. Anm. zu 3,16-21). Der letzte Teil des Verses stammt aus Jes 6,10; 42,19 (vgl. Mk 4,12). die, welche nicht sehen. Die Menschen, die wissen, dass sie sich in geistlicher Finsternis befi nden. die, welche sehen. Ironischerweise bezieht sich dies auf jene, die meinen im Licht zu leben, es aber in Wirklichkeit nicht tun (vgl. Mk 2,17; Lk 5,31). 9,40 Sind denn auch wir blind? Anscheinend fand (V. 35) Jesus den Mann an einem öffentlichen Ort, wo die Pharisäer zugegen waren und zuhörten.
9,41 bleibt eure Sünde. Jesus bezieht sich vor allem auf die Sünde des Unglaubens und seine Verwerfung als Messias und Sohn Gottes. Würden sie ihre Verlorenheit und Finsternis erkennen und ehrlich nach geistlichem Licht suchen, wären sie nicht länger der Sünde des Unglaubens schuldig. Da sie aber zufrieden waren, dass ihre Finsternis Licht für sie bedeutete, und sie Christus auch weiterhin ablehnten, blieb ihre Sünde. S. Anm. zu Mt 6,22.23.
10,1 Jesu Diskurs über sich selbst als dem »Guten Hirten« schließt sich direkt an Kap. 9 an. Jesus fuhr also fort, sich an die gleichen Menschen zu wenden. Das Problem von Kap. 9 war, dass Israel von falschen Hirten geführt wurde, die es von der wahren Erkenntnis und dem Reich des Messias abbrachten (9,39-41). In Kap. 10 gab Jesus bekannt, dass er der »Gute Hirte« ist, der von seinem Vater als Retter und König bestimmt war, im Gegensatz zu Israels falschen Hirten, die sich selbst ernannten und selbstgerecht waren (Ps 23,1; Jes 40,11; Jer 3,15; vgl. Jes 56,9-12; Jer 23,1-4; 25,32-38; Hes 34,1-31; Sach 11,16). 10,1 Schafhürde. In V. 1-30 benutzte Jesus durchgehend das Bild der Schafzucht des 1. Jahrhunderts. Die Schafe wurde in einem Stall gehalten, in den sie durch eine Tür ein- und ausgingen. Der Hirte beschäftigte einen »Türhüter« (V. 3) oder »Mietling« (V. 12) als Hilfshirten, um die Tür zu bewachen. Durch diese Tür ging der Hirte zu den Schafen. Jemand mit der Absicht, die Schafe zu stehlen oder zu verwunden, hätte versucht, sich auf andere Weise Einlass zu verschaffen. Sehr wahrscheinlich bilden die Worte aus Hes 34 den Hintergrund zur Lehre Jesu, da Gott die falschen Hirten Israels beschuldigte (d.h. die geistlichen Führer des Volkes), nicht richtig für die Herde Israel zu sorgen (d.h. das Volk). Die Evangelien enthalten eine reiche Bildsymbolik mit dem Motiv von Schafen und Hirten (s. Mt 9,36; Mk 6,34; 14,27; Lk 15,1-7).
10,3 der Türhüter. Der Türhüter war ein angestellter Hilfshirte, der den Hirten der Herde kannte, ihm die Tür öffnete, ihn bei der Pfl ege der Herde unterstützte und sie vor allem in der Nacht bewachte. die Schafe hören auf seine Stimme. Im Nahen Osten stehen Hirten an verschiedenen Orten außerhalb des Schafstalls und rufen die Schafe auf ihre eigene unverwechselbare Weise, die von ihren Schafen erkannt wird. Das Ergebnis ist, dass sich die Schafe um den Hirten versammeln. er ruft seine eigenen Schafe beim Namen. Dieser Hirte geht noch einen Schritt weiter; er ruft jedes Schaf bei seinem besonderen Namen (s. 3Joh15). Jesus drückte damit aus, dass er zu der Herde Israel kommt und seine Schafe einzeln aufruft, sich seiner messianischen Herde anzuschließen. Dies bedeutet, dass sie in gewisser Weise schon seine Schafe sind, bevor er sie mit Namen ruft (s. V. 25-27; 6,37.39.44.64.65; 17,6.9.24; 18,9).
10,4 Anders als westliche Hirten, die die Schafe von der Seite oder von hinten treiben und dazu häufi g Hunde verwenden, führen Hirten im Nahen Osten ihre Herden, indem sie vor ihnen hergehen und sie durch Zurufe lenken. Das zeichnet ein bemerkenswertes Bild von der Beziehung zwischen dem Meister und dem Jünger. Geistliche Leiterschaft im NT führt immer durch das Vorbild. Wir sind also aufgerufen, das Verhalten des Leiters nachzuahmen (vgl. 1Tim 4,12; 1Pt 5,1-3).
10,6 Gleichnis. Das Wort ist am besten übersetzt mit »sinnbildli- cher Rede« oder »Redensart« und birgt den Gedanken, dass etwas Verschlüsseltes oder Rätselhaftes mit ihr beabsichtigt ist. In 16,25.29 ist der Ausdruck noch einmal zu fi nden, in den Synoptikern sucht man jedoch vergebens nach ihm. Nachdem Jesus das Bild gebraucht hatte (V. 1-5), begann er, hervorstechende geistliche Wahrheiten daraus zu ziehen. 10,7-10 Ich bin die Tür. Das ist Jesu dritte »Ich bin«-Aussage (s. 6,35; 8,12). An dieser Stelle verändert er leicht das Bild. Während er in V. 1-5 der Hirte war, ist er hier die Tür. Während der Hirte in V. 1-5 die Schafe aus dem Stall führte, ist er hier der Eingang zum Stall (V. 9), durch den die Schafe auf gute Weiden gelangen. Dieser Abschnitt gibt Jesu Worte in 14,6 wieder, dass er der einzige Weg zum Vater ist. Er sagt damit, dass man dem Vater nur über ihn nahen und seine verheißene Rettung empfangen kann. Wie im Nahen Osten einige Hirten vor dem Eingang schliefen, um die Schafe zu bewachen, so stellt sich Jesus hier selbst als die Tür dar.
10,9 Diese beiden Verse bekräftigen in bildhafter Weise, dass der Glaube an Jesus als dem Messias und Sohn Gottes der einzige Weg ist, um von seinen Sünden und der Hölle »gerettet« zu werden und ewiges Leben zu empfangen. Nur Jesus Christus ist die wahre Quelle der Erkenntnis Gottes und die einzige Grundlage, die geistliche Sicherheit gibt.
10,11 Jesus greift einen weiteren Ausdruck aus V. 1-5 heraus, nämlich dass er der »gute Hirte« ist, im Gegensatz zu der momentanen bösen Führerschaft Israels (9,40.41). Es ist die vierte der sieben »Ich bin«-Aussagen Jesu (s. V. 7.9; 6,35; 8,12). Der Begriff »gut« beinhaltet den Gedanken von »edel« und steht im Kontrast zu dem »Mietling«, der nur aus eigenem Interesse für die Schafe sorgt. 10,11 lässt sein Leben für die Schafe. Dies ist ein Hinweis auf den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz für Sünder. Vgl. V. 15; 6,51; 11,50.51; 17,19; 18,14.
10,12 sieht den Wolf kommen und … fl ieht. Wahrscheinlich symbolisiert der Mietling (oder angestellte Arbeiter) die religiösen Führer, die in guten Zeiten ihre Pfl icht erfüllen, aber bei Gefahr nicht bereit sind, sich für die Schafe aufzuopfern. Sie bilden einen Kontrast zu Jesus, der für seine Herde sein Leben lässt (s. 15,13).
10,16 nicht aus dieser Schafhürde. Das bezieht sich auf Heiden, die auf seine Stimme hören und der Gemeinde hinzugefügt werden (vgl. Röm 1,16). Jesu Tod galt nicht nur den Juden (s. Anm. zu V. 1-3), sondern auch den Nicht-Juden, aus denen er einen neuen Leib bilde würde, die Gemeinde (s. Anm. zu 11,51.52; vgl. Eph 2,11-22).
10,17 es wieder nehme. Diese Aussage wiederholt Jesus in die- sen beiden Versen zweimal und deutet dadurch an, dass sein Opfertod nicht das Ende darstellt. Seine Auferstehung folgte zum Beweis, dass er der Messias und dass er Gott war (Röm 1,4). Sein Tod und seine Auferstehung führten zu seiner vollendeten Verherrlichung (12,23; 17,5) und zur Ausgießung des Heiligen Geistes (7,37-39; vgl. Apg 2,16-39).
10,19 Jesu Worte riefen unter den Juden wieder einmal unter- schiedliche Reaktionen hervor (s. 7,12.13). Während einige ihn beschuldigten, einen Dämon zu haben (s. 7,20; 8,48; vgl. Mt 12,22-32), kamen andere zu dem Schluss, seine Werke und Worte seien doch der Beweis, dass Gottes Zustimmung auf ihm ruhte.
10,22 Fest der Tempelweihe. Das jüdische Chanukka-Fest, womit der israelische Sieg über den syrischen Führer Antiochus IV. Epiphanes gefeiert wurde, der Israel verfolgte. Etwa im Jahr 170 v. Chr. eroberte er Jerusalem und entweihte den jüdischen Tempel, indem er im Inneren einen heidnischen Altar errichtete, um den Altar Gottes zu ersetzen. Unter der Führung eines alten Priesters namens Mattathias (aus der Familie der Hasmonäer), führten die Juden einen Guerilla-Krieg (bekannt als der Makkabäeraufstand von 166 – 142 v. Chr.) gegen Syrien und befreiten den Tempel und das Land von der syrischen Vorherrschaft bis 63 v. Chr., als Rom (Pompejus) die Macht über Judäa ergriff. Im Jahr 164 v. Chr. am 25. Kislew (etwa im Dez.) befreiten die Juden den Tempel und weihten ihn erneut. Das Fest ist auch als »Fest der Lichter« bekannt, da in jüdischen Häusern Lampen und Kerzen zum Gedenken an dies Ereignis angezündet wurden. es war Winter. Johannes ließ durch diese Angabe erkennen, dass Jesus wegen der Kälte in dem geschützten Bereich der Säulenhalle Salomos an der Ostseite des Tempels entlangging, welche nach der Auferstehung zum festen Treffpunkt der Christen wurde, wo sie das Evangelium verkündeten (s. Apg 3,11; 5,12).
10,24 sage es uns frei heraus. Im Zusammenhang mit V. 31-39 betrachtet, suchten die Juden nicht nach Klarheit über die Person Jesu, sondern wollten von ihm vielmehr die direkte Erklärung, dass er der Messias war, um ihre Angriffe gegen ihn zu rechtfertigen.
10,26 Das lässt deutlich erkennen, dass Gott seine Schafe er- wählt hat und sie ihm glauben und folgen (s. Anm. zu V. 3.16; vgl. 6,37-40.44.65).
10,28 Die Sicherheit der Schafe Jesu beruht auf ihm, dem gu- ten Hirten, der die Macht hat, sie zu bewahren. Weder Diebe und Räuber (V. 1.8) noch der Wolf (V. 12) kann ihnen schaden. V. 29 macht deutlich, dass letztlich der Vater hinter der Sicherheit der Schafe steht, da niemand etwas von Gott rauben kann, welcher in seiner Souveränität alle Dinge unter Kontrolle hat (Kol 3,3). S. Anm. zu Röm
8,31 Diese Verse liefern zentrale Aussagen zum Verständnis wirk- licher Errettung und echter Jüngerschaft. Um diese Dinge verständlich zu machen, legt Johannes die Betonung auf Wahrheit und Freiheit. Dieser Abschnitt konzentriert sich auf diejenigen, die anfängliche Schritte im Glauben an Jesus als den Messias und Sohn Gottes machen. Jesus wollte, dass sie in ihrem Glauben Fortschritte machten. Rettender Glaube ist nicht etwas Unbeständiges, sondern weist sich durch Festigkeit und Beständigkeit aus. Eine solche Glaubensreife zeigt sich in vollständiger Auslieferung an die Wahrheit in Jesus Christus und führt zu wirklicher Freiheit. In diesem Abschnitt fi nden sich drei besondere Kennzeichen: 1.) fortschreitende Freiheit (V. 31.32); 2.) angebliche Freiheit (V. 33.34) und 3.) verheißene Freiheit (V. 35.36). 8,31 die an ihn glaubten. Der erste Schritt zu echter Jüngerschaft ist der Glaube an Jesus Christus als Messias und Sohn Gottes. Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger. Das zeigt den zweiten Schritt zu echter Jüngerschaft. Anhaltender Gehorsam gegenüber der Schrift (vgl. Mt 28,19.20) ist die Frucht oder der Beweis echten Glaubens (s. Eph 2,10). Das Wort »bleiben« meint das ständige Festhalten an den Worten Jesu. Ein wahrer Gläubiger hält an der Lehre Jesu fest, ist ihr gehorsam und handelt entsprechend. Derjenige, der in seiner Lehre fortschreitet, hat sowohl den Vater als auch den Sohn (2Joh9; vgl. Hebr 3,14; Offb 2,26). Wirkliche Jünger sind Lernende (die wesentliche Bedeutung des Wortes) und treue Nachfolger. 8,31 Weder im AT noch im NT gibt es eine unerschütterlichere Aussage über die absolute, ewige Sicherheit eines jeden wirklichen Christen.
10,30 Ich und der Vater sind eins. Sowohl der Vater als auch der Sohn sorgen für vollkommenen Schutz und Bewahrung der Schafe Jesu. Die Aussage, die die gemeinsame Absicht und das Handeln beider zur Sicherheit und Geborgenheit der Herde betont, setzt eine Wesenseinheit voraus (s. 5,17-23; 17,22).
10,31 Zum dritten Mal berichtet Johannes, dass die Juden Jesus steinigen wollten (s. 5,18; 8,59). Jesu Behauptung (V. 30), dass er mit dem Vater eins war, bestätigte seinen Gottheitsanspruch und veranlasste die Juden, ihn töten zu wollen (V. 33). Obwohl das AT das Steinigen in gewissen Fällen erlaubte (z.B. 3Mo 24,16), behielten sich die Römer das Recht der Todesstrafe vor (18,31). Trotzdem versuchten ihn die außer sich geratenen Juden selbst zu töten, anstatt ihn einem Rechtsverfahren zu unterstellen (s. Apg 7,54-60).
10,33 dich selbst zu Gott machst. Unter den Juden bestand kein Zweifel, dass Jesus beanspruchte, Gott zu sein (vgl. 5,18).
10,34 Ein Zitat aus Ps 82,6, wo Gott einige ungerechte Richter »Götter« nennt und das Unglück über sie ausspricht. Jesus meint, dass dieser Psalm beweist, dass das Wort »Gott« mit Recht für andere als Gott verwendet werden kann. Jesus fragt, warum sollten die Juden an seiner Behauptung, dass er »der Sohn Gottes« ist, Anstoß nehmen, wenn es doch andere gibt, die Gott mit »Gott« oder »Söhne des Höchsten« anspricht (V. 36)?
10,35 die Schrift kann doch nicht außer Kraft gesetzt werden. Eine Bestätigung der absoluten Genauigkeit und Autorität der Schrift (s. Anm. zu Mt 5,17-19).
10,38 glaubt doch den Werken. Jesus erwartete nicht, dass man ihm nur aufgrund seiner Behauptungen glauben würde. Da er die gleichen Werke tat wie der Vater (s. Anm. zu 5,19), sollten seine Feinde dies in ihrer Beurteilung seiner Person bedenken. Allerdings hatten sie so wenig Erkenntnis von Gott, dass sie die Werke des Vaters nicht erkennen konnten – ebenso wenig wie den, den der Vater gesandt hatte (s.a. 14,10.11).
10,40 er zog wieder jenseits des Jordan. Aufgrund der zuneh- menden Feindseligkeiten (s. V. 39), verließ Jesus Judäa und ging in die schwach besiedelte Landschaft jenseits des Jordan. an den Ort, wo Johannes zuerst getauft hatte. Vgl. Mt 3,1-6; Mk 1,2-6; Lk 3,3-6. Das ist wahrscheinlich eine Andeutung auf Peräa oder Batanäa, im Gebiet des Vierfürsten Philippus östlich und nordöstlich des Sees Genezareth. Das Gebiet, in dem Johannes zu taufen begann, ist die letzte Region, in der sich Jesus vor seinem Weg nach Jerusalem und vor der Kreuzigung aufhielt. Die Menschen erinnerten sich an das Zeugnis des Johannes über Christus und bestätigten ihren Glauben an Jesus (V. 41.42). 11,1-12,50 Mit der vorangegangenen Bibelstelle (10,40-42) endet Johannes’ Schilderung vom öffentlichen Wirken Jesu. An diesem Punkt begab er sich zur Vorbereitung auf die Kreuzigung in die Abgeschiedenheit und diente seinen Jüngern und jenen, die ihn liebten. Israel hatte seine Chance bekommen; die Sonne begann zu sinken und die Nacht zog herauf. Diese beiden Kapitel bilden den Übergang zu den Kapiteln 13-21, in denen Christi Leidensgeschichte geschildert wird, d.h. die Ereignisse, die das Kreuz umgaben.
11,1 Zu Beginn von Kap. 11 steht Jesus bereits der drohenden Kreuzigung gegenüber. Die kurze Zeit, die er jenseits des Jordan verbrachte, war ihrem Ende nahe. Johannes nimmt die Schilderung auf, nachdem Jesus wieder in das Gebiet von Jerusalem zurückgekehrt war und sein Kreuzestod nur noch einige Tage vor ihm lag. In diesen letzten Tagen vor seinem Tod wechselt die Handlung im Johannes-Evangelium von Hass und Ablehnung durch die Ungläubigen (10,39) zu einem unverkennbaren und gesegneten Zeugnis der Herrlichkeit Christi. All die Ablehnung und der Hass konnten seine Herrlichkeit nicht trüben, wie die Auferweckung des Lazarus zeigte. Dieses Wunder bezeugt seine Herrlichkeit in dreifacher Hinsicht: 1.) es weist auf seine Gottheit hin; 2.) stärkt den Glauben der Jünger und 3.) führt direkt zum Kreuz (12,23). Das Kapitel kann wie folgt gegliedert werden: 1.) die Vorbereitung für das Wunder (V. 1-16); 2.) Jesu Ankunft (V. 17-37); 3.) das Wunder selbst (V. 38-44) und 4.) die Folgen des Wunders (V. 45-57). 11,1 Lazarus. Die Auferweckung des Lazarus ist das größte und dramatischste Zeichen in diesem Evangelium und der Höhepunkt seines öffentlichen Wirkens. Bisher wurde von sechs Wundern berichtet (die Verwandlung von Wasser in Wein [2,1-11], die Heilung des Sohnes des königlichen Beamten [4,46-54], die Heilung eines Kranken [5,1-15], die Vermehrung der Brote und Fische [6,1-14], das Wandeln auf dem Wasser [6,15-21] und die Heilung des Blindgeborenen [9,1-12]). Lazarus’ Auferweckung ist mächtiger als alle Wunder zuvor und sogar noch gewaltiger als die Auferweckung des Sohnes der Witwe in Nain (Lk 7,11-16) oder der der Tochter des Jairus (Lk 8,40-56), da beide unmittelbar nach dem Eintritt des Todes geschahen. Lazarus wurde auferweckt, nachdem er vier Tage im Grab gelegen und die Verwesung bereits eingesetzt hatte (V. 39). Bethanien. Dieses Bethanien unterscheidet sich von dem anderen »Bethanien jenseits des Jordan« in 1,28 (s. Anm. dort). Es liegt an der Ostseite des Ölbergs, etwa drei km von Jerusalem entfernt (V. 18) an der Straße nach Jericho. Maria … Martha. Johannes erwähnt diese Familie hier zum ersten Mal. Er erzählt die Geschichte, wie Maria Jesus salbte in 12,1-8; diese Erwähnung hier könnte andeuten, dass die ursprünglichen Leser mit den Personen und der Begebenheit bereits vertraut waren. Vgl. Lk 10,38-42.
11,3 sandten … zu ihm. Da sich Jesus jenseits des Jordan befand und Lazarus in der Nähe von Jerusalem war, dauerte es höchst wahrscheinlich einen ganzen Tag, bis die Nachricht Jesus erreichte. Aufgrund seiner Allwissenheit kannte Jesus Lazarus’ Zustand natürlich (s. V. 6; 1,47). Womöglich war er bereits gestorben, bevor der Bote Jesus erreichte, da er schon vier Tage tot war (V. 17), als Jesus nach zweitägiger Verzögerung (V. 6) und einer Tagesreise eintraf. der, den du lieb hast. Diese Aussage ist ein rührender Hinweis auf Jesu enge Freundschaft mit Lazarus. Vgl. 13,1.
11,4 damit der Sohn Gottes dadurch verherrlicht wird. Dies enthüllt die wahre Absicht, die hinter Lazarus’ Krankheit stand, nicht sein Tod, sondern dass der Sohn Gottes durch seine Auferweckung verherrlicht werden würde (vgl. V. 4; s. Anm. zu 9,3).
11,6 blieb er noch zwei Tage. Die Entscheidung, das Kommen he- rauszuschieben, führte nicht zu Lazarus’ Tod, da Jesus in seiner Allwissenheit bereits seine Not kannte. Sehr wahrscheinlich war Lazarus schon tot, als der Bote bei Jesus eintraf. Die Verzögerung geschah, weil er die Familie liebte (V. 5); diese Liebe zeigte sich deutlich, als er ihren Glauben durch Lazarus’ Auferweckung aus den Toten stärkte. Die Verzögerung stellte zudem sicher, dass Lazarus schon lang genug tot war, so dass das Wunder niemand für einen Betrug oder bloße Wiederbelebung halten konnte.
11,7 Die Jünger erkannten, dass die Feindschaft gegenüber Jesus so groß war, dass seine Rückkehr wegen der mordgierigen Juden zu seinem Tod führen könnte (vgl. 8,59; 10,31).
11,9 Tagsüber üben die meisten Menschen ihre Beschäftigung in Sicherheit aus. Bei Einbruch der Dunkelheit legen sie ihre Arbeit nieder. Die Redewendung hat allerdings eine tiefere Bedeutung. Der Sohn war solange sicher, wie er den Willen seines Vaters tat (d.h. während der Tagesstunden seines Dienstes, als er in der Lage war, sein Werk zu tun). Bald würde die Zeit (Nacht) kommen, wenn sein irdisches Werk nach Gottes Plan abgeschlossen ist und er auf den Tod »stößt«. Jesus betonte, dass er Gottes Absichten in Sicherheit vollenden könnte, solange er auf Erden war und den Willen Gottes tat – selbst jetzt zu diesem späten Zeitpunkt seines Dienstes. 11,11-13 eingeschlafen. Ein euphemistischer (wohlwollender) Ausdruck, der im NT für den Tod angewandt wird, insbesondere bei Gläubigen, die die körperliche Auferweckung zum ewigen Leben erfahren werden (vgl. 1Kor 11,30; 15,51; 1Th 4,13).
11,14 Angesichts der starken jüdischen Ablehnung gegenüber Jesus sollte die Auferweckung des Lazarus den Glauben der Jünger stärken, dass er der Messias und Sohn Gottes ist.
11,16 Thomas’ Worte spiegeln treue Hingabe wider, gleichzeitig aber auch Pessimismus. Er befürchtete, dass sie wahrscheinlich alle sterben würden. Aufgrund der erbitterten Feindschaft gegenüber Jesus war seine Befürchtung nicht unrealistisch, und hätte der Herr sie im Garten nicht beschützt (18,1-11), wären womöglich auch sie festgenommen und getötet worden. Vgl. 20,24-29.
11,17 im Grab. Mit »Grab« ist eine steinerne Grabstätte gemeint. In Judäa waren solche Gräber weit verbreitet. Man verwendete entweder eine bereits bestehende Höhle oder schlug sie aus einem Felsenmassiv aus; im Innern wurde der Boden geebnet und fl ach abgeschrägt. In die Wände wurden Vertiefungen gehauen, um weitere Familienmitglieder bestatten zu können. Vor den Eingang wurde ein Stein gerollt, um die Gruft vor wilden Tieren oder Grabräubern zu schützen (s.a. V. 38). Johannes erwähnt besonders den vierten Tag (s. Anm. zu V. 3), um die Größe des Wunders hervorzuheben, da die Juden ihre Toten nicht einbalsamierten und der Körper inzwischen schon der Verwesung unterworfen sein musste.
11,18 Diese Verse zeigen an, dass es eine recht bekannte Familie war. Die Erwähnung der Juden macht einem das große Wagnis noch deutlicher, das Jesus einging, als er sich in die Nähe Jerusalems begab, wo der Hass der jüdischen Führer auf ihn wartete.
11,21 wenn du hier gewesen wärst. Vgl. V. 32. Das ist kein Tadel an Jesus, sondern ein Zeugnis ihres Vertrauens in seine heilende Macht.
11,22 Was immer du von Gott erbitten wirst. Betrachtet man ihre Aussage in V. 39, so meinte sie hier nicht, dass sie glaubte, Jesus könnte Lazarus aus den Toten auferwecken, sondern vielmehr dass sie wusste, dass er eine besondere Beziehung zu Gott hatte und seine Gebete etwas Gutes aus diesem traurigen Ereignis hervorbringen könnten. 11,25.26 Das ist die fünfte von Jesu sieben »Ich bin«-Aussagen (s. 6,35; 8,12; 10,7.9; 10,11.14). Mit dieser Erklärung veränderte Jesus Marthas abstrakten Glauben an die Auferstehung, die »am letzten Tag« stattfi nden wird (vgl. 5,28.29), zu einem persönlichen Vertrauen in ihn, der als Einziger aus den Toten erwecken kann. Ohne den Sohn Gottes gibt es weder Auferstehung noch ewiges Leben. Zeit (»am letzten Tag«) ist für den kein Hindernis, der die Macht über Auferstehung und Leben hat (1,4), denn er kann das Leben zu jeder Zeit geben.
11,27 Sie spricht zu ihm. Ihr Bekenntnis repräsentiert den speziel- len Grund, aus dem Johannes sein inspiriertes Evangelium schrieb (vgl. 20,30.31). Vgl. Petrus’ Bekenntnis in Mt 16,16.
11,32 S. Anm. zu V. 21.
11,33 die Juden, die mit ihr gekommen waren, weinten. Laut mündlicher Überlieferung der Juden gehört zum Bestattungsbrauch, dass selbst arme Familien wenigstens zwei Flötenspieler und eine professionelle Klagefrau verpfl ichten mussten. Da die Familie womöglich begütert war, war sicher eine große Menschenmenge zugegen. seufzte er im Geist und wurde bewegt. Diese Aussage bedeutet nicht, dass Jesus beim Anblick lediglich von tiefem Beileid bewegt oder gerührt war. Der gr. Ausdruck für »seufzte« lässt immer auch an Zorn, Entrüstung oder emotionalen Unwillen denken (s. V. 38; vgl. Mt 9,30; Mk 1,43; 14,5). Höchst wahrscheinlich war Jesus über die große Trauer der Leute erzürnt, da sie indirekt Unglauben hinsichtlich der Auferstehung und der vorübergehenden Natur des Todes offenbarte. Die Menschen handelten wie Heiden, die keine Hoffnung haben (1Th 4,13). Während Leid verständlich ist, waren die Leute verzweifelt, und deuteten folglich damit an, dass sie die Auferstehung leugneten und die Schrift, die sie verheißen hatte. Jesus könnte zudem erzürnt gewesen sein, da er über den Kummer und Schmerz des Todes empört war, der durch die Sünde über den Menschen gekommen war.
11,35 Jesus weinte. Mit diesem gr. Wort verbindet man lautloses Weinen, im Gegensatz zur lauten Wehklage der Menschenmenge (s. V. 33). Seine Tränen entsprangen nicht der Trauer über Lazarus, da er ihn auferwecken würde, sondern aus dem Schmerz über eine gefallene Welt, die durch die Sünde in Leid und Tod verstrickt war. Er war »ein Mann der Schmerzen und mit Krankheit vertraut« (3,16; Jes 53,3).
11,39 er riecht schon. Obgleich die Juden aromatische Gewürze verwendeten, war es bei ihnen nicht Sitte, den Körper einzubalsamieren. Stattdessen gebrauchten sie die Gewürze, um dem widerwärtigen Gestank der Verwesung entgegenzuwirken. Sie wickelten den Leichnam in Leinentücher und fügten den einzelnen Lagen und Falten Gewürze hinzu. Die Juden umwickelten den Leichnam nicht so eng wie ägyptische Mumien, sondern eher lose, wobei der Kopf separat eingewickelt wurde. Darauf deutet die Tatsache hin, dass Lazarus das Grab verlassen konnte, bevor er von der Umwicklung befreit wurde (V. 44; vgl. 20,7).
11,41 Jesu Gebet war vielmehr sein Dank an den Vater als eine Fürbitte. Der Grund für das Wunder lag in der Bestätigung seines Anspruchs, Messias und Sohn Gottes zu sein.
11,43 Das gab einen Einblick in die Macht, die in der letzten Aufer- stehung vollständig gezeigt wird, dann wenn alle Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören und leben werden (5,25.28.29).
11,45 Jesu Lehre und sein Handeln spalteten die Juden oftmals (z.B. 6,14.15; 7,10-13; 45-52). Während einige glaubten (vgl. V. 40), informierten andere, anscheinend mit böswilliger Absicht, die Pharisäer über seine Taten.
11,47 versammelten … den Hohen Rat. Von den Pharisäern aufgestachelt, berief ein aus Hohenpriestern (frühere Hohepriester und Angehörige der hohenpriesterlichen Familie) und Pharisäern bestehendes Komitee des Sanhedrins eine Sitzung des Hohen Rates ein. Die Pharisäer konnten von sich aus keine gerichtlichen Maßnahmen gegen Jesus einleiten. Obwohl er der römischen Kontrolle unterworfen war, war der Sanhedrin das höchste Gerichtsorgan in Israel und übte in jenen Tagen judikative, legislative und exekutive Macht aus. Zur Zeit Jesu wurden die 70 Mitglieder des Hohen Rates vom Hohenpriester beherrscht – nahezu alle Priester waren Sadduzäer. Die Pharisäer bildeten eine einfl ussreiche Minderheit. Obschon die Pharisäer und Sadduzäer häufi g im Streit miteinander lagen, brachte sie ihr gemeinsamer Hass gegen Jesus zu einträchtigem Handeln.
11,48 kommen die Römer. Die Juden waren nicht gewillt, an Jesus als den Sohn Gottes zu glauben, obgleich Lazarus auferweckt wurde. Sie fürchteten, dass zunehmende Erwartungen an den Messias eine Bewegung gegen die römische Unterdrückung und Besatzung in Gang bringen könnten, welche die Römer veranlassen würde, ihnen alle Rechte und Freiheiten wegzunehmen.
11,49 Kajaphas. Kajaphas wurde ca. 18 n. Chr. vom römischen Prä- fekten, Valerius Gratus, zum Hohenpriester ernannt. Sein Schwiegervater war Hannas, der die gleiche Position zuvor in den Jahren 7-14 n. Chr. bekleidete und auch nach seiner Amtszeit großen Einfl uss ausübte (s. 18,12-14). Kajaphas behielt dieses Amt bis 36 n. Chr., als er zusammen mit Pontius Pilatus von den Römern abgesetzt wurde. Im Prozess gegen Jesus und seiner Verurteilung spielte er eine führende Rolle. In seinem Hof versammelten sich die Hohenpriester (Sadduzäer) und Pharisäer »und hielten miteinander Rat, wie sie Jesus mit List ergreifen und töten könnten« (s. Mt 26,3.4).
11,50 ein Mensch für das Volk stirbt. Er meinte nur, dass Jesus getötet werden sollte, um ihre Position zu sichern und das Volk vor den Repressalien der Römer zu verschonen. Unwissentlich verwendete Kajaphas die Sprache der Schrift und prophezeite somit den stellvertretenden Opfertod Christi für Sünder. Vgl. 2Kor 5,21; 1Pt 2,24.
11,51 weissagte er. Kajaphas erkannte nicht die Bedeutung seiner Worte. Während er Christus lästerte, verwandelte Gott seine Aussage in Wahrheit (vgl. Ps 76,11). Kajaphas trug die Verantwortung für seine böse gemeinten Worte, aber Gottes Vorsehung lenkte die Wortwahl, um den Kern seines herrlichen Erlösungsplans auszudrücken (Apg 4,27.28). Er wurde von Gott als Prophet benutzt, weil er der Hohepriester war und dieser ursprünglich das Mittel zur Verkündigung des Willens Gottes war (2Sam 15,27).
11,52 um die zerstreuten Kinder Gottes in Eins zusammen- zubringen. Im Kontext bezieht sich dies auf gläubige Juden in der Zerstreuung, die im verheißenen Land zusammengeführt werden, um das Reich Gottes zu erleben (Jes 43,5; Hes 34,12). Im weiteren Sinne gilt es auch für den Auftrag unter den Heiden (s. 12,32). Als Ergebnis des Opfertodes und der Auferstehung Christi wurden Juden und Heiden zu einer Einheit zusammengefasst, zu der Gemeinde (Eph 2,11-18).
11,53 Von jenem Tag an. Der Ausdruck deutet an, dass ihre Vor- gehensweise gegenüber Jesus nun fest stand. Sie mussten nur noch zu ihrem Ziel kommen. Es ist zu bemerken, dass Jesus bereits vor seiner Festnahme verurteilt wurde. Man hatte ihn schon der Gotteslästerung für schuldig erklärt. Das Gerichtsverfahren war nur eine Formalität zur Verkündigung eines längst gefällten Urteils (Mk 14,1.2).
11,54 Ephraim. Das bezieht sich wahrscheinlich auf die atl. Stadt Efron (s. 2Chr 13,19). Der heutige Name lautet Et-Taijibe, etwa 6 km nordöstlich von Bethel und ca. 20 km von Jerusalem. Es lag weit genug entfernt, um bis zur Zeit des Passahfestes Sicherheit zu bieten (V. 55).
11,55 Passah. Dies ist das dritte Passahfest, das im Johannes-Evan- gelium erwähnt wird (s. 2,13; 6,4), und das letzte während des irdischen Wirkens Jesu, bei dem er den Opfertod starb. Zur Chronologie der Passah-Woche, s. Einleitung zu Lk: Gliederung.
11,56 suchten sie Jesus. Die Juden, die Jerusalem zum Passahfest bevölkerten, fragten sich, ob Jesus sich zu diesem Anlass blicken ließe, und suchten bewusst nach ihm. Die Verschwörung der Hohenpriester und Pharisäer (s. V. 47; 7,12) war weithin bekannt genug, um ihre Neugier zu wecken, ob Jesus es wagen würde, sich in Jerusalem zu zeigen.
11,57 wenn jemand wisse. Die Verschwörer stellten sicher, dass die ganze Stadt voll potentieller Informanten war.
12,1 Dies Kapitel konzentriert sich auf die Reaktionen von Liebe und Hass, Glaube und Verwerfung Christi, die zum Kreuz führte. 12,1 Sechs Tage vor dem Passah. Es war höchst wahrscheinlich der vorangegangene Samstag, auf den das Passahfest sechs Tage später am Donnerstagabend bis zum Sonnenuntergang am Freitag folgte. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger.
12,3 ein Pfund echten, köstlichen Nardensalböls. Der gr. Begriff »Litra«, der für »Pfund« verwendet wurde, meint eigentlich ein Gewicht von ca. 327 g. »Narde« war ein Öl, das aus der Wurzel einer in Indien wachsenden Pfl anze gewonnen wurde. salbte Jesus die Füße. Da zu Tisch im Liegen gegessen wurde, streckten sich die Füße der Anwesenden vom Tisch weg, so dass es Maria möglich war, Jesu Füße zu salben. Die Handlung symbolisierte Marias demütige Hingabe und Liebe für Jesus.
12,5 300 Denare. Da ein Denar der Tageslohn eines gewöhnlichen Arbeiters war, entsprachen 300 Denare einem Jahreslohn (am Sabbat und anderen Feiertagen konnte kein Geld verdient werden).
12,6 ein Dieb. Judas’ soziales Engagement war in Wirklichkeit eine Fassade, hinter der sich seine Habgier verbarg. Da er der Kassenwart der Jünger war, hatte er die Möglichkeit, das Geld der Gruppe insgeheim für seine Wünsche auszugeben.
12,7 für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt. Maria salb- te die Füße Jesu, um ihre Hingabe zu zeigen, aber, so wie es bei Kajaphas der Fall war (11,49-52), brachte ihre Tat mehr zum Vorschein, als sie in diesem Augenblick erkannte. Während des 1. Jhdt. wurden großzügige Summen für Beerdigungen ausgegeben, dazu gehörten auch kostbare Parfüme, um den Verwesungsgeruch zu überdecken (s. Anm. zu 11,39).
12,8 Das bedeutet nicht, dass den Armen keine Almosen gegeben werden sollen (5Mo 15,11), vielmehr sollte es daran erinnern, dass Jesus, im Gegensatz zu den Armen, nicht immer bei ihnen sein würde. S. Mt 26,11; Mk 14,7.
12,11 gingen viele Juden hin und glaubten. Diese Aussage sig- nalisiert sowohl eine bewusste und absichtliche Abkehr von der Religion der jüdischen Obrigkeit als auch die Hinwendung zum echten Glauben an Jesus als den Messias und Sohn Gottes.
12,12 Dieser Abschnitt bezeichnet Jesu triumphalen Einzug in Jerusalem am so genannten Palmsonntag. Es ist eine der wenigen Begebenheiten im Leben Jesu, die in allen vier Evangelien berichtet wird (Mt 21,1-11; Mk 11,1-11; Lk 19,29-38). Durch diese Handlung präsentierte er sich dem Volk Israel offi ziell als der Messias und Sohn Gottes. Der Sanhedrin und andere jüdische Führer wollten ihn töten, doch nicht während der Zeit des Passahs, da sie einen Aufruhr der Volksmenge befürchteten, bei der er beliebt war (Mt 26,5; Mk 14,2; Lk 22,2). Jesus betrat die Stadt jedoch zu seiner Zeit und beschleunigte dadurch die Angelegenheit, um genau während des Passahs ans Kreuz zu gehen, als die Lämmer geopfert wurden. Wie die Schrift sagt: »Denn unser Passahlamm ist ja für uns geschlachtet worden: Christus« (1Kor 5,7; 1Pt 1,19). In Gottes perfektem Zeitplan (s. 7,30; 8,20), zu dem in Ewigkeit zuvorbestimmten Zeitpunkt, übergab er sich dem Kreuzestod (V. 23; 10,17.18; 17,1; 19,10.11; vgl. Apg 2,23; 4,27.28; Gal 4,4). 12,12 am folgenden Tag. Sonntag, der Tag nachdem Jesus Betha- nien besucht hatte (s. Anm. zu V. 1).
12,13 nahmen sie Palmzweige. Dattelpalmen gab es reichlich; auch heute noch wachsen sie in Jerusalem. Etwa zwei Jahrhunderte zuvor wurde das Schwenken von Palmenzweigen zu einem nationalen, wenn nicht sogar nationalistischen Symbol, das die inbrünstige Hoffnung signalisierte, dass ein messianischer Befreier kommen möge (6,14.15). Hosianna! Der Begriff »Hosianna« ist eine Transliteration eines hebr. Wortes mit der Bedeutung »Hilf doch, Herr!« Es war ein Ausdruck der Anerkennung oder des Lobes in Ps 118,26, den jeder Jude kannte, da dieser Psalm ein Teil des Hallel war (Ps 113-118), der während des Laubhüttenfestes (7,37) jeden Morgen vom Tempelchor gesungen wurde und ebenfalls mit dem Fest der Tempelweihe in Verbindung stand (10,22) – ganz besonders aber mit dem Passah. Nachdem das »Hosianna« ausgerufen wurde, rief die Menge Ps 118,26; bezeichnenderweise war der ursprüngliche Kontext von Ps 118 wohl eine Segensverkündigung für einen König aus der Linie Davids. Jüdische Kommentatoren des Psalms haben verstanden, dass der Vers eine messianische Bedeutung besitzt. »… der da kommt im Namen des Herrn« spricht von dem Messias, besonders im Zusammenhang mit dem Ausdruck »der König von Israel«, obwohl dieser messianische Titel in Ps 118 nicht zu fi nden ist.
12,14 Die synoptischen Evangelien liefern hier mehr Information über Jesu Wahl eines Esels (s. Mt 21,1-9; Mk 11,1-10; Lk 19,29-38). Sie nennen die Tatsache, dass Jesus bewusst plante, sich in dieser Weise dem Volk zu zeigen, als Erfüllung der messianischen Prophetie aus Sach 9,9 (wird hier zitiert). Die Worte: »Fürchte dich nicht« stehen nicht im Text von Sacharja, sondern wurden aus Jes 40,9 hinzugefügt. Erst nach seiner Himmelfahrt verstanden die Jünger die Bedeutung seines triumphalen Einzugs (vgl. 14,26).
12,19 alle Welt läuft ihm nach. »Welt« meint die Menschen im Allgemeinen, im Gegensatz zu jemand bestimmtem. Es ist klar, dass die meisten Menschen in der Welt zu dieser Zeit nicht einmal von ihm wussten, und viele in Israel nicht an ihn glaubten. »Welt« wird häufi g in diesem allgemeinen Sinn verwendet (V. 47; 1,29; 3,17; 4,42; 14,22; 17,9.21).
12,20 Höchst wahrscheinlich zum Judentum konvertierte Hei- den, die zum Passah heraufgekommen waren und in ihrem Wunsch, Jesus zu sehen, in direktem Gegensatz zu der Haltung der jüdischen Führer standen, die ihn töten wollten. In diesem Augenblick, als die jüdischen Autoritäten seine Tötung planten, suchten ihn die Heiden.
12,23 Stunde. Das bezieht sich auf die Zeit des Todes, der Auferste- hung und Erhebung Jesu (V. 27; 13,1; 17,1). Bis zu diesem Zeitpunkt lag Jesu Stunde immer in der Zukunft (2,4; 4,21.23; 7,30; 8,20). Sohn des Menschen. S. Anm. zu 1,51.
12,24 Wie das Saatkorn in der Erde stirbt, um reiche Ernte hervor- zubringen, so wird der Tod des Sohnes Gottes zur Errettung vieler Menschen führen.
12,25 Das Prinzip des Todes ist nicht nur auf Jesus anwendbar (s. V. 24), sondern auch auf seine Jünger. Als seine Nachfolger werden möglicherweise auch sie ihr Leben im Dienst und Zeugnisgeben für ihn verlieren (s. Mt 10,37-39; 16,24.25).
12,27 ist meine Seele erschüttert. Hier wurde ein starker Aus- druck verwendet, der Entsetzen, Angst und Erregung erkennen lässt. Als Jesus darüber nachdachte, den Zorn Gottes für die Sünden der Welt auf sich zu nehmen, verursachte dies Abscheu in dem sündlosen Erlöser (vgl. 2Kor 5,21).
12,28 verherrliche deinen Namen. Diese Bitte enthält den Grund- satz, nach dem Jesus lebte und nach dem er sterben würde. S. 7,18; 8,29.50. Ich habe ihn verherrlicht und will ihn wiederum verherrlichen. Der Vater antwortete dem Sohn mittels einer hörbaren Stimme. Das ist nur eines von drei Beispielen während des Wirkens Jesu, als dies geschah (vgl. Mt 3,17- seine Taufe; 17,5- seine Verklärung). 12,31 der Fürst dieser Welt. Eine Anspielung auf Satan (s. 14,30; 16,11; vgl. Mt 4,8.9; Lk 4,6.7; 2Kor 4,4; Eph 2,2; 6,12). Obwohl das Kreuz als Sieg des Teufels über Gott erscheinen mochte, wurde er in Wirklichkeit durch das Kreuz besiegt (vgl. Röm 16,20; Hebr 2,14).
12,32 ich von der Erde erhöht. Dies bezieht sich auf seine Kreuzi- gung (V. 33; 18,32). S. Anm. zu 3,14.
12,34 in Ewigkeit bleibt. Der Gebrauch des Wortes »Gesetz« war umfangreich genug, um nicht nur die 5 Bücher Mose zu beinhalten, sondern das ganze AT (s. Röm 10,4). Vielleicht dachten sie an Jes 9,6, wo verheißen wurde, dass das Reich des Messias für immer Bestand haben würde oder an Hes 37,25, wo Gott verheißen hatte, dass der letzte David Israels Fürst für immer sein werde (s.a. Ps 89,36-38).
12,35 sprach Jesus zu ihnen. Johannes hält eine letzte Auffor- derung Jesu fest, um sein Thema hervorzuheben – den Glauben an den Messias und Sohn Gottes (s. 20,30.31).
12,37 In diesen Versen liefert Johannes die biblische Erklärung für einen derart großen und verhängnisvollen Unglauben seitens des jüdischen Volkes. Die Erklärung bestand darin, dass der Unglaube nicht nur in der Schrift vorausgesehen wurde, sondern sie ihn auch erforderlich machte. In V. 38 zitiert Johannes Jes 53,1 und in V. 40 Jes 6,10 (s. Röm 10,16), beide Stellen betonen den souveränen Plan Gottes bei der Verhärtung Israels (vgl. Paulus’ Argument in Röm 9-11). Obgleich Gott ein solches Gericht vorherbestimmte, geschah es nicht ohne die Verantwortung und Schuld des Menschen (s. 8,24).
12,41 Jesaja … seine Herrlichkeit sah und von ihm redete. Dies ist eine Anspielung auf Jes 6,1 (s. Anm. dort). Johannes bringt Jesus eindeutig mit dem Gott oder Jahwe des ATs in Verbindung (s. Anm. zu 8,58). Da sich V. 41 auf Jesus bezieht, wird er zum Urheber der Verhärtung Israels gemacht. Das passt zu seiner Rolle als Richter (s. 5,22.23.27.30; 9,39).
12,42 Auf die Anschuldigung aus V. 37-41 folgen die Ausnah- men in V. 42.43 (s. 1,10.11 vs. 1,12.13). Während das Volk sein Vertrauen in Jesus anscheinend offener und leidenschaftlicher zeigte, bewiesen die an ihn glaubenden Führer Israels ihren Glauben in unzureichender, unentschlossener und sogar unechter Weise (s. Anm. zu 2,23-25; 6,60; 8,30.31). Ihr Glaube war so schwach, dass sie sich nicht offen auf seine Seite stellten, was ihre Position in der Synagoge gefährdet hätte. Dies ist eine der traurigsten Darstellungen dieser geistlichen Leiter, da sie die Ehre der Menschen höher schätzten als die Ehre Gottes und es deshalb ablehnten, Jesus öffentlich als Messias und Sohn Gottes anzuerkennen.
13,1 In diesen letzten Kapiteln vor seiner Kreuzigung wird berichtet, wie Jesus sich seinen Jüngern widmete. Während Kap. 1-12 die Aufmerksamkeit auf seine Verwerfung durch das Volk lenken (vgl. 1,11), stehen in Kap. 13-17 diejenigen Menschen im Mittelpunkt, die ihn aufnahmen (s. 1,12). Bereits in Kap. 13 beendete Jesus sein öffentliches Wirken und diente denen, die ihn aufgenommen hatten. Die Worte in den Kapiteln 13-17 wurden von Jesus in der Nacht gesprochen, bevor er verraten und festgenommen wurde, um seinen Nachfolgern sein Vermächtnis mitzuteilen (Kap. 13-16) und um für sie zu beten (Kap. 17). Bis zum Kreuz war es nur noch ein Tag. 13,1 bis ans Ende. Das bedeutet »bis zur Vollendung« mit voll- kommener Liebe. Gott liebt die Welt (3,16) und die Sünder (3,16; Mt 5,44.45; Tit 3,4) mit Erbarmen und allgemeiner Gnade, aber die Seinen liebt er mit vollkommener, erlösender und ewiger Liebe.
13,2 Mahls. Das Passahmahl am Donnerstagabend nach Sonnenun- tergang. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. der Teufel dem Judas … ins Herz gegeben. Das entlastet Judas nicht, denn sein böses Herz verlangte genau das gleiche wie der Teufel, den Tod Jesu. Der Teufel und Judas stimmten miteinander überein.
13,3 zu Gott hinging. Er stellte sich dem Verrat, der Todesangst und dem Tod, weil er wusste, dass er anschließend zum Vater erhoben würde, wo er die Herrlichkeit und Gemeinschaft empfangen würde, die er in der Ewigkeit innerhalb der Dreieinheit genossen hatte (s. 17,4.5). Das war die »vor ihm liegenden Freude«, um derer »willen er das Kreuz erduldete« (Hebr 12,2).
13,4 Die staubigen und schmutzigen Verhältnisse dieser Land- schaft machten Fußwaschungen erforderlich. Obschon die Jünger wahrscheinlich froh gewesen wären, Jesus die Füße zu waschen, konnten sie es sich nicht vorstellen, einander die Füße zu waschen. Das lag daran, dass in der damaligen Gesellschaft Fußwaschungen eine Arbeit für die niedrigsten Knechte war. Gleichgestellte wuschen sich nicht gegenseitig die Füße, Ausnahmen waren äußerst selten und kennzeichneten eine tiefe Liebe. Lukas stellt heraus (22,24), dass sie stritten, wer der Größte unter ihnen sei, so dass niemand bereit war, sich zur Fußwaschung zu beugen. Als Jesus sich bereitete, ihnen die Füße zu waschen, waren sie schockiert. Seine Handlung dient ebenso als Symbol für geistliche Reinigung (V. 6-9) und als ein Modell christlicher Demut (V. 12-17). Durch sein Beispiel gab er ihnen Unterricht im selbstlosen Dienen, was in höchster Weise durch seinen Kreuzestod veranschaulicht wurde.
13,6 Dies Vorgehen beschämte alle Jünger. Während die ande- ren schwiegen, tat Petrus seinen Mund – vielleicht im Namen aller (s. Mt 16,13-23) – vor Entrüstung darüber auf, dass Jesus sich so tief niederbeugte, seine Füße zu waschen. Er vermochte nicht über diesen demütigen Dienst hinaus den darin enthaltenen Symbolgehalt geistlicher Reinigung zu erkennen (V. 7; vgl. 1Joh1,7-9). Jesu Reaktion macht den wahren Kern seines Handelns deutlich: Wenn das Lamm Gottes einen Menschen nicht von seinen Sünden reinigt (d.h. wie im Symbol der Fußwaschung dargestellt), kann niemand Gemeinschaft mit ihm haben.
13,10 ausgenommen die Füße. Die Reinigung, die Christus bei der Errettung bewirkt, muss nie wiederholt werden – die Sühne ist zu diesem Zeitpunkt vollständig geschehen. Aber alle, die durch Gottes Gnade gerechtfertigt wurden, benötigen ständige Reinigung, da sie mit der Sünde im Fleisch zu kämpfen haben. Gläubige sind gerechtfertigt worden und haben Gerechtigkeit zugesprochen bekommen (Phil 3,8.9), doch sie bedürfen noch der Heiligung und des persönlichen Lebens in der Gerechtigkeit (Phil 3,12-14). 13,11.12 nicht alle rein. Dieser Vers bezieht sich auf Judas (6,70), der die Meute zur Ergreifung Jesu schon bald anführen sollte (18,3).
13,15 ein Vorbild. Das hier verwendete Wort lässt sowohl an »Bei- spiel« als auch an »Muster« denken (Hebr 4,11; 8,5; 9,25; Jak 5,10; 2Pt 2,6). Jesus beabsichtigte mit dieser Handlung, ein Vorbild liebevoller Demut zu geben.
13,17 glückselig seid ihr, wenn ihr es tut. Freude ist immer an den Gehorsam gegenüber dem geoffenbarten Wort Gottes gebunden (s. 15,14).
13,18 welche ich erwählt habe. Eine Anspielung auf die zwölf Jünger, die der Herr ausgewählt hatte (s. 15,16) und die er vollkommen kannte, einschließlich Judas, der zur Erfüllung der Prophezeiung aus Ps 41,10 ausgewählt wurde.
13,21 erschüttert. Zur Bedeutung des Wortes, s. Anm. zu 12,27.
13,23 Einer seiner Jünger aber, den Jesus liebte. An dieser Stel- le wird zum ersten Mal auf den Apostel Johannes, den Verfasser dieses Evangeliums, hingedeutet (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Ausdrücklich erwähnt er sich selbst am Kreuz (19,26.27), am leeren Grab (20,2-9), am See von Tiberias (21,1.20-23) und im vorletzten Vers, wo er als der Verfasser des Evangeliums genannt wird (21,24).
13,26 er … gibt ihn dem Judas … dem Ischariot. Der Gastgeber eines Festmahls (die Rolle, die Jesus ausfüllte) tunkte ein außerordentlich schmackhaftes Stück und reichte es einem Gast als ein besonderes Zeichen der Ehre oder Freundschaft. Da Jesus es Judas so mühelos reichen konnte, wurde angenommen, dass er den Ehrenplatz neben dem Herrn hatte. Obgleich er ihn verraten sollte, bewies Jesus in einer letzten Geste seine Liebe zu Judas.
13,27 fuhr der Satan in ihn. Judas war direkt von Satan selbst besessen, als er Jesus verriet. S. Anm. zu V. 2.
13,30 Es war aber Nacht. Obschon dies eine historische Angabe des Johannes war, dürfte die Aussage zudem eine tiefgründige geistliche Bedeutung haben. Es war die Stunde, in der Judas der Macht der Finsternis vollständig überliefert wurde (Satan; vgl. Lk 22,53).
13,31 verherrlicht. Nachdem Judas gegangen war, wurden die letzten Ereignisse eingeleitet. Anstatt auf die Schmerzen des Kreuzes zu schauen, blickte Jesus über das Kreuz hinaus auf die Herrlichkeit, die er bei dem Vater haben würde, wenn alles vorüber war (s. 17,4.5; Hebr 12,2).
13,33 wie ich zu den Juden sagte. Diese Erklärung fi ndet sich in 8,21.
13,34 Nachdem er seinen Weggang angekündigt und darauf be- standen hatte, dass die Jünger ihm nicht folgen könnten, begann Jesus zu erklären, was er nach seinem Weggang von ihnen erwarten würde. Liebe sollte als das charakteristische Kennzeichen der Jüngerschaft dienen (V. 35; vgl. 1Joh2,7-11; 3,10-12; 4,7-10.20.21). 13,34 Ein neues Gebot … wie ich euch geliebt habe. Das Lie- besgebot war nicht neu. 5Mo 6,5 gebot die Liebe zu Gott und 3Mo 19,18 weist uns an, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben (vgl. Mt 22,34-40; Röm 13,8-10; Gal 5,14; Jak 2,8). Allerdings setzte Jesu Liebesgebot einen ganz neuen Maßstab aus zweierlei Gründen: 1.) es war aufopfernde Liebe, für die seine Liebe als Vorbild diente (»wie ich euch geliebt«; vgl. 15,13), und 2.) es entstand durch den Neuen Bund mittels der lebensverändernden Kraft des Heiligen Geistes (vgl. Jer 31,29-34; Hes 36,24-26; Gal 5,22).
13,36 dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Sein Werk war nahezu getan, ihres begann gerade erst (Mt 28,16-20; Mk 16,15; Lk 24,47). Besonders Petrus hatte ein Werk zu verrichten (s. Anm. zu 21,1519). Nur Jesus konnte als das sündlose Opfer für die Vergehen der Welt ans Kreuz gehen und sterben (1Pt 2,22-24). Ebenso konnte nur er in der Gegenwart des Vaters mit der Herrlichkeit verherrlicht werden, die er vor seiner Menschwerdung besaß (s. 12,41; 17,1-5).
13,38 S. 18,25-27; vgl. Mt 26,71-75; Mk 16,69-72; Lk 22,54-62.
14,1 Das ganze Kapitel handelt von der Verheißung, dass Chris- tus derjenige ist, der dem Gläubigen Trost schenkt, nicht nur in seiner zukünftigen Wiederkehr, sondern auch gegenwärtig durch den Dienst des Heiligen Geistes (V. 26). Die Handlung im Obersaal, wo die Jünger sich mit Jesus vor seiner Festnahme versammelt hatten, war zu Ende. Judas war gegangen (13,30), und nun begann Jesus seine Abschiedsrede für die verbleibenden Elf. Die Welt der Jünger stand im Begriff erschüttert zu werden; sie würden verwirrt und von Angst erfüllt sein durch die Ereignisse, die bald geschehen würden. Da er ihre Not vorhersah, sprach Jesus zu ihnen, um ihre Herzen zu trösten. 14,1 Anstatt, dass die Jünger Jesus in den Stunden vor dem Kreuz stützten, musste er sie geistlich und emotional stärken. Das bringt sein Herz voll dienender Liebe zum Vorschein (vgl. Mt 20,26-28). erschrecke. Der Glaube an ihn kann vor einem aufgeregten Herzen bewahren. S. Anm. zu 12,27.
14,2 Wohnungen. Wörtl. Aufenthaltsorte, Räume oder sogar Ap- partements (im heutigen Sprachgebrauch). Sie allen befi nden sich im großen »Vaterhaus«. 14,2 Ich gehe hin … zu bereiten. Sein Weggang würde zu ihrem Nutzen geschehen, da er sie verließ, um ihnen ein himmlisches Zuhause zu bereiten, und er zurückkehren würde, um sie zu sich zu nehmen. Dies ist eine der Stellen, die von der Entrückung der Heiligen am Ende der Zeit sprechen, wenn Christus zurückkommt. Hier wird nicht beschrieben, wie Christus mit seinen Heiligen auf die Erde kommt, um sein Reich zu errichten (Offb 19,11-15), sondern wie er die Gläubigen von der Erde nimmt, um mit ihnen im Himmel zu leben. Es ist nicht seine Rückkehr in Herrlichkeit und Macht zur Zerstörung der Bösen gemeint, da hier kein Gericht über die Unerretteten geschildert wird (vgl. Mt 13,36-43; 47-50). Vielmehr wird hier von seinem Kommen berichtet, um die Seinen im Himmel zu sammeln, jene, die auf der Erde leben, und um die Körper seiner toten Heiligen aufzuerwecken. Diese Entrückung wird auch beschrieben in 1Kor 15,51-54; 1Th 4,13-18. Nach der Entrückung wird die Gemeinde die Hochzeit des Lammes halten (Offb 19,710), ihren Lohn empfangen (1Kor 3,10-15; 4,5; 2Kor 5,9.10) und später mit Christus auf die Erde zurückkehren, wenn er wiederkommt, um sein Reich aufzurichten (Offb 19,11-20,6).
14,6 Das ist Jesu sechste »Ich bin«-Aussage im Johannes-Evangeli- um (s. 6,35; 8,12; 10,7.9; 10,11.14; 11,25; 15,1.5). Als Antwort auf Thomas’ Frage (V. 5) erklärt Jesus, dass er der Weg zu Gott ist, weil er Gottes Wahrheit ist (1,14) und das Leben Gottes (1,4; 3,15; 11,25). In diesem Vers wird nachdrücklich betont, dass Jesus der einzige Zugang zum Vater ist. Zu Gott gibt es nicht viele Wege, sondern nur einen – Jesus Christus (10,7-9; vgl. Mt 7,13.14; Lk 13,24; Apg 4,12).
14,7 von nun an erkennt ihr ihn. Sie kannten Gott, weil sie Christi Dienst kennen gelernt hatten und bald seinen Tod und seine Auferstehung erleben würden. Ihn zu kennen, bedeutet Gott zu kennen. In diesem Evangelium wird immer wieder unmissverständlich hervorgehoben, dass Jesus menschgewordener Gott ist (V. 11; 1,1-3.14.17.18; 5,10-23.26; 8,58; 9,35; 10,30.38; 12,41; 17,1-5; 20,28).
14,12 der … wird größere als diese tun. Jesus meinte nicht, dass es mächtigere Werke wären, sondern dass sie ein größeres Ausmaß haben. Sie würden in der Kraft des innewohnenden Heiligen Geistes zu Zeugen in der ganzen Welt werden (Apg 1,8) und viele zur Errettung führen, weil der Tröster in ihnen wohnte. Die Betonung liegt vielmehr auf geistlichen statt auf physischen Wundern. Die Apostelgeschichte bildet den Anfang des historischen Berichts über die Wirkung, die die geisterfüllten Jünger auf die Welt hatten (vgl. Apg 17,6). weil ich zu meinem Vater gehe. Die einzige Möglichkeit, wie die Jünger Jesu zu größeren Werken befähigt sein würden, lag in der Kraft des Heiligen Geistes. Dieser konnte als Tröster jedoch erst gesandt werden, als Jesus zurück zum Vater gegangen war (V. 26; 7,39).
14,13 In der Stunde seines Weggangs tröstete Jesus sie, indem er ihnen die notwendigen Mittel gab, um ihre Aufgabe auch ohne seine unmittelbare Gegenwart zu erfüllen, auf die sie sich bisher verlassen hatten. Im »Namen Jesu« zu bitten, meint nicht, diese Worte als eine Formel ans Ende eines Gebetes zu hängen. Es bedeutet: 1.) das Gebet des Gläubigen sollte Jesu Absichten und seinem Reich dienen und nicht egoistischen Interessen; 2.) das Gebet des Gläubigen sollte auf der Grundlage der Verdienste Jesu geschehen und nicht aufgrund persönlicher Leistungen oder eigenen Wertes und 3.) das Gebet des Gläubigen sollte einzig und allein Christi Ehre suchen. S. Anm. zu 16,26-28; Über das Gebet eines Jüngers, s. Anm. zu Mt 6,9.10.
14,15 In diesen Versen verheißt Jesus den Gläubigen Trost durch fünf übernatürliche Segnungen, die die Welt nicht kennt: 1.) einen übernatürlichen Helfer (V. 15-17); 2.) ein übernatürliches Leben (V. 18.19); 3.) eine übernatürliche Verbindung (V. 20-25), 4.) einen übernatürlichen Lehrer (V. 26) und 5.) einen übernatürlichen Frieden (V. 27-31). Der Schlüssel zu alldem ist V. 15, wo mitgeteilt wird, dass diese übernatürlichen Verheißungen für jene Menschen bestimmt sind, die Jesus Christus lieben, und deren Liebe sich in Gehorsam ausdrückt. 14,15 Liebt ihr mich, so haltet meine Gebote! Vgl. V. 21-24. Liebe zu Christus und Gehorsam sind untrennbar miteinander verbunden (s. Lk 6,46; 1Joh5,2.3). »Meine Gebote« beinhalten nicht nur die im Kontext stehenden ethischen Gebote Jesu (V. 23.24), sondern die gesamte Offenbarung vom Vater (s. 3,31.32; 12,47-49; 17,6).
14,16 den Vater bitten. Das priesterliche und fürbittende Werk Christi begann mit der Bitte, dass der Vater den Heiligen Geist sende, um in den Gläubigen zu wohnen (7,39; 15,26; 16,7; s. Anm. zu 20,22; vgl. Apg 1,8; 2,4.33). einen anderen. Die genaue Bedeutung des gr. Wortes ist »ein anderer gleicher Art«, d.h. jemand wie Jesus, der seinen Platz einnimmt und sein Werk tut. Der Geist Christi ist die dritte Person der Dreieinheit; er hat das gleiche göttliche Wesen wie Jesus und ist mit ihm vollkommen eins, ebenso wie Jesus mit dem Vater eins ist. Beistand. Der gr. Ausdruck meint hier wörtl. »der (zur Hilfe) Herbeigerufene« oder der »Beiseiterufer« und beinhaltet den Gedanken eines Helfers, der ermutigt, tröstet und ermahnt (s. Anm. zu 16,7). »Bleiben« bezieht sich auf sein beständiges Wohnen in den Gläubigen (Röm 8,9; 1Kor 6,19.20; 12,13).
14,17 Geist der Wahrheit. Er ist insofern der Geist der Wahrheit, als er der Ursprung der Wahrheit ist und den Seinen Wahrheit übermittelt (V. 26; 16,12-15). Ohne ihn kann der Mensch Gottes Wahrheit nicht erkennen (1Kor 2,12-16; 1Joh2,20.27). er bleibt bei euch und wird in euch sein. Das deutet einen Unterschied im Dienst des Heiligen Geistes an den Gläubigen vor und nach Pfi ngsten an. Während es stimmt, dass der Heilige Geist allen als Quelle der Wahrheit, des Glaubens und Lebens diente, die in der ganzen Erlösungsgeschichte geglaubt haben, sagte Jesus, dass zum Dienst des Heiligen Geistes etwas Neues hinzukommen werde. Joh 7,37-39 weist darauf hin, dass dieser einzigartige Dienst wie »Ströme lebendigen Wassers« sei. Apg 19,1-7 stellt einige Gläubige des Alten Bundes vor, die den Heiligen Geist in dieser einmaligen Fülle und Vertrautheit noch nicht empfangen hatten. Vgl. Apg 1,8; 2,1-4; 1Kor 12,11-13.
14,18 Waisen. In dieser versteckten Andeutung auf seinen Tod ver- heißt Jesus ihnen, sie nicht allein zu lassen (Röm 8,9). 14,18 ich komme zu euch … ihr aber seht mich. Zum ei- nen sprach er von seiner Auferstehung, nach der sie ihn sehen würden (20,19-29). (Es wird nicht berichtet, dass Ungläubige ihn nach seiner Auferstehung sahen [s. 1Kor 15,1-9]). In anderer Hinsicht bezieht sich dies auf den Dienst der göttlichen Dreieinheit. Durch das Kommen und Bleiben des Heiligen Geistes zu Pfi ngsten würde Jesus zu seinen Gläubigen zurückkehren (16,16; vgl. Mt 28,20; Röm 8,9; 1Joh4,13).
14,19 sollt auch ihr leben. Durch seine Auferstehung und das in- newohnende Leben des Geistes Christi besitzen Gläubige ewiges Leben (s. Röm 6,1-11; Kol 3,1-4).
14,20 An jenem Tag. Das bezieht sich auf seine Auferstehung, als er lebend zu ihnen zurückkehrte.
14,21 Jesus betont ein weiteres Mal die Notwendigkeit, seinen Geboten zu gehorchen als Beweis der Liebe des Gläubigen zu ihm und zum Vater (s. Anm. zu V. 15). Das stimmt mit der Belehrung aus Jak 2,14-26 überein, dass sich wahrhaft errettender Glaube in Taten zeigt, die von Gott durch die lebensverändernde Kraft des Geistes gewirkt werden. Diese Taten sind Ausdruck der Liebe, die der Geist in die Herzen der Gläubigen ausgießt (Röm 5,5; Gal 5,22).
14,26 wird euch alles lehren. Der Heilige Geist bewegte die Herzen und den Verstand der Apostel in ihrem Dienst und half ihnen, die Bücher des NTs zu schreiben. Die Jünger verstanden viele Dinge über Jesus und seine Lehre zunächst nicht, aber aufgrund des übernatürlichen Wirkens des Heiligen Geistes gelangten sie zu einem genauen Verständnis des Herrn und seines Werkes, und stellten es in den Evangelien und den restlichen Schriften des NTs dar (2Tim 3,16; 2Pt 1,20.21). S. Anm. zu 16,7.
14,27 Frieden hinterlasse ich euch … Nicht wie die Welt gibt. Das Wort »Frieden« gibt das hebr. »Schalom« wieder, was nach des Herrn Auferstehung zu einer Begrüßung der Jünger wurde (20,19-26). Dieser Friede, der den Unerretteten unbekannt ist, hilft einem Gläubigen in Schwierigkeiten, die Fassung zu bewahren (vgl. V. 1), befreit von Furcht (Phil 4,7) und regiert in den Herzen des Volkes Gottes zur Erhaltung der Einmütigkeit (Kol 3,15). Die großartigste Verwirklichung dieses Friedens wird im Tausendjährigen Reich zu sehen sein (4Mo 6,26; Ps 29,11; Jes 9,5.6; 52,7; 54,13; 57,19; Hes 37,26; Hag 2,9; vgl. Apg 10,36; Röm 1,7; 5,1; 14,17).
14,28 größer als ich. Das war kein Eingeständnis, eine niedrigere Stellung als der Vater einzunehmen (nachdem er wiederholt den Anspruch der Gleichheit hervorgebracht hatte, s. Anm. zu V. 7-11). Stattdessen sagte Jesus, dass die Jünger ihn nicht widerwillig zum Vater gehen lassen würden, wenn sie ihn liebten, denn er kehre in das Reich zurück, in das er gehörte und zu der vollkommenen Herrlichkeit, die er aufgegeben hatte (17,5). Er kehrte zurück, um mit dem Vater die gleiche Herrlichkeit zu teilen, die größer sein würde als die, die er während seines Menschseins innehatte. Da seine Erniedrigung zu Ende war, würde seine Herrlichkeit in keiner Weise geringer sein als vor seinem Kommen auf diese Erde.
14,30 der Fürst dieser Welt. Judas war nur ein Werkzeug des »Fürsten«, der das Reich der Finsternis regiert – Satan (6,70; 13,21.27). in mir hat er nichts. Der gr. Ausdruck meint, dass Satan weder einen Anspruch auf Jesus hatte noch ihn irgendeiner Sünde beschuldigen konnte. Deshalb konnte der Teufel ihn nicht im Tod halten. Christus würde über Satan triumphieren und ihn zunichte machen (Hebr 2,14). Sein Tod war kein Anzeichen für den Sieg des Teufels, sondern dafür, dass Gottes Wille getan war (V. 31).
15,1 Anhand dieses ausgedehnten Bildes vom Weinstock und den Reben stellt Jesus die Grundlage des christlichen Lebens dar. Jesus verwendet ein Bild aus dem landwirtschaftlichen Leben seiner Zeit, den Weinstock und seine Frucht (s.a. Mt 20,1-16; 21,23-41; Mk 12,1-9; Lk 13,6-9; 20,9-16). Im AT ist der Weinstock für gewöhnlich ein Symbol für das Volk Israel (Ps 80,10-17; Jes 5,1-7; 27,2-6; Jer 2,21; 12,10; Hes 15,1-8; 17,1-21; 19,10-14; Hos 10,1.2). Jesus weist sich ausdrücklich als der »wahre Weinstock« aus und den Vater als den »Weingärtner«. Der Weinstock hat zwei Arten von Reben: 1.) Reben, die Frucht bringen (V. 2.8), und 2.) Reben ohne Frucht (V. 2.6). Die Reben, die Frucht tragen, sind wirkliche Gläubige. Obwohl der unmittelbare Zusammenhang sich auf die elf treuen Jünger bezieht, umfasst das Bild alle Gläubigen jeden Zeitalters. Die Reben ohne Frucht sind jene, die zwar das Bekenntnis des Glaubens haben, aber ihre fehlende Frucht lässt erkennen, dass nie eine Errettung stattgefunden hat und sie kein Leben vom Weinstock besitzen. Obgleich das Bild besonders im direkten Zusammenhang mit Judas gebraucht wurde, erstreckt es sich auch auf all jene Menschen, die bekennen, an Christus zu glauben, aber nicht wirklich errettet sind. Das Bild der fruchtlosen Reben, die verbrannt werden, stellt das eschatologische Gericht und die ewige Verwerfung dar (s. Hes 15,6-8). 15,1 Ich bin der wahre Weinstock. Dies ist die letzte der sieben »Ich bin«-Aussagen Jesu im Johannes-Evangelium, mit denen er seinen Anspruch erklärt, Gott zu sein (s. 6,35; 8,12; 10,7.9; 10,11.14; 11,25; 14,6). 15,2 nimmt er weg. Das Bild handelt vom Weingärtner (der Vater), der den Weinstock von abgestorbenen Zweigen befreit, um die lebenden, fruchttragenden Reben davon deutlich zu unterscheiden. Es ist ein Bild von abgefallenen Menschen, die nie wirklich geglaubt haben und zum Gericht gesammelt werden (V. 6; Mt 7,16; Eph 2,10). In ihnen pulsierte niemals das erneuernde Leben Christi (8,31.32; vgl. Mt 13,18-23; 24,12; Hebr 3,14-19; 6,4-8; 10,27-31; 1Joh2,19; 2Joh9). reinigt er. Gott nimmt im Leben des Gläubigen alle Dinge weg, die ihn am Fruchtbringen hindern, d.h. er züchtigt ihn, um Sünden und Hemmnisse hinwegzunehmen, die sein geistliches Leben austrocknen würden – ebenso wie der Winzer alles von den Reben wegnimmt, was einer optimalen Ernte schadet (Hebr 12,3-11).
15,4 Bleibt in mir. Das »Bleiben« ist ein Beweis, dass eine Er- rettung bereits stattgefunden hat (1Joh2,19) und nicht umgekehrt. Die Frucht oder der Beweis der Errettung liegt in einem anhaltenden Dienst für ihn und in dem beständigen Befolgen seiner Lehren (8,31; 1Joh2,24; Kol 1,23). Nur der in ihm bleibende Gläubige kann zurecht als Gläubiger bezeichnet werden. Das Bleiben in ihm und der Glaube an ihn beziehen sich auf den gleichen Aspekt wahrer Errettung (Hebr 3,6-19). S. Anm. zu Mt 24,13, dort wird das Ausharren der Heiligen thematisiert. 15,6 Hier fi nden wir das Bild von Zerstörung (vgl. Mt 3,10-12; 5,22; 13,40-42.50; 25,41; Mk 9,43-49; Lk 3,17; 2Th 1,7-9; Offb 20,10-15). Es stellt das Gericht dar, das alle Unerretteten erwartet.
15,7 Wahre Gläubige gehorchen den Geboten des Herrn, un- terwerfen sich seinem Wort (14,21.23). Aufgrund ihrer Hingabe an das Wort Gottes sind sie seinem Willen ergeben, weshalb ihre Gebete Frucht bringen (14,13.14) und Gottes Herrlichkeit in seiner Antwort offenbar wird.
15,9 bleibt in meiner Liebe. Vgl. Jud 21. Dies ist nicht etwas Gefühlsmäßiges oder Mystisches, sondern wird in V. 10 als Gehorsam beschrieben. Jesus lieferte das Vorbild durch seinen vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Vater, welches wir als Beispiel für unseren Gehorsam ihm gegenüber nehmen sollen.
15,11 eure Freude völlig werde. Ebenso wie Jesus bezeugte, dass sein Gehorsam gegenüber dem Vater die Grundlage seiner Freude war, so werden auch die Gläubigen die gleiche Freude erfahren, die seinen Geboten gehorchen (17,13; vgl. 16,24).
15,12 Vgl. 13,34.35. S. Anm. zu 1Joh2,7-11.
15,13 Dies ist eine Andeutung auf den höchsten Beweis und Aus- druck der Liebe Jesu (V. 12) – auf seinen Opfertod am Kreuz. Christen sind aufgerufen, einander die gleiche Art aufopfernden Gebens zu zeigen, selbst wenn dies Opfer in der Nachahmung des Beispiels Christi das eigene Leben ist (vgl. 1Joh3,16).
15,14 Freunde. Gleich wie Abraham »Freund Gottes« genannt wurde (2Chr 20,7; Jak 2,23). So wie er durch die von ihm geglaubte Gottes-Offenbarung einen außergewöhnlichen Zugang zu den Gedanken Gottes hatte, so haben auch die Nachfolger Christi das Vorrecht einer außergewöhnlichen Glaubensoffenbarung durch den Messias und Sohn Gottes und werden auch zu »Freunden« Gottes. Der Herr gab sein Leben für seine »Freunde« (V. 13; 10,11.15.17).
15,16 ich habe euch erwählt. Vgl. V. 19. Für den Fall, dass es unter den Jüngern, verursacht durch ihre Vorrechte, so etwas wie geistlichen Stolz geben sollte, macht Jesus deutlich, dass diese Privilegien nicht ihr eigenes Verdienst waren, sondern seiner souveränen Wahl entsprangen. Gott erwählte Israel (Jes 45,4; Am 3,2), aber nicht aufgrund von Verdienst (5Mo 7,7; 9,4-6). Gott erwählte Engel zu ewiger Heiligkeit (1Tim 5,21). Er erwählte Gläubige zur Errettung ohne deren Verdienst (Mt 24,24.31; s. Anm. zu Röm 8,29-33; Eph 1,3-6; Kol 3,12; Tit 1,1; 1Pt 1,2). Frucht bringt. Eine Absicht der souveränen Auserwählung Gottes ist, dass die Jünger, die mit einer solchen Offenbarung und Erkenntnis gesegnet wurden, geistliche Frucht bringen sollten. Das NT beschreibt Frucht als fromme Haltung (Gal 5,22.23), gerechtes Verhalten (Phil 1,11), Lobpreis (Hebr 13,15) und besonders die Hinführung anderer zum Glauben an Jesus als dem Messias und Sohn Gottes (Röm 1,13-16).
15,18 Da Satan das böse, sich im Aufstand gegen Gott be- fi ndliche System dieser Welt beherrscht (14,30), ist die Folge, dass die Welt nicht nur Jesus hasst, sondern auch seine Nachfolger (2Tim 3,12). Hass gegen Jesus bedeutet auch Hass gegen den Vater, der ihn sandte (V. 23).
15,20 Knecht … Herr. Dieser Grundsatz, den wir auch in 13,16 fi nden, spiegelt die offenkundige Wahrheit wider, die Jesus leitete, seine Jünger zu informieren. Sie konnten damit rechnen, so behandelt zu werden wie er, da diejenigen, die ihn hassen, Gott nicht kannten (V. 21) und sie ebenso hassen würden; und umgekehrt, jene, die ihm im Glauben zuhörten, würden auch ihnen zuhören.
15,22 so hätten sie keine Sünde. Er meinte nicht, dass sie sündlos gewesen wären, wäre er nicht auf die Erde gekommen, sondern dass sein Kommen die schwerste und tödlichste Sünde hervorbrachte – die der Verwerfung Gottes und der Rebellion gegen ihn und seine Wahrheit. Er sprach von der Sünde der Verwerfung, der bewussten und verhängnisvollen Wahl, die der Finsternis den Vorzug vor dem Licht gibt, dem Tod vor dem Leben. Er hatte so viele Wunder gewirkt und unzählige Worte zu ihnen geredet, um zu beweisen, dass er der Messias und Sohn Gottes war, doch sie waren blind in ihrer Liebe zur Sünde und in der Verwerfung des Erlösers. S. Hebr 4,2-5; 6,4-6; 10,29-31.
15,25 Jesus zitiert Ps 35,19; 69,4. Der Sinn liegt hier darin, dass, wenn David als bloßer Mensch auf so schreckliche Weise von den Feinden Gottes gehasst werden konnte, wie viel mehr würden sie Davids vollkommenen, göttlichen Nachkommen hassen; denn er war der verheißene König, welcher sie mit ihrer Sünde konfrontierte und danach für immer über sein Reich der Gerechtigkeit regieren sollte (s. 2 Sam 7,16).
15,26 Wenn aber der Tröster kommen wird. Wiederum verhieß Jesus die Sendung des Heiligen Geistes (7,39; 14,16.17.26; 16,7.13.14). Diesmal betonte er die Hilfe des Geistes beim Zeugnisgeben – der Verkündigung des Evangeliums. S. Anm. zu 16,7.
16,1 Jesus setzt seine Gedanken aus 15,18-25 fort. Es geht um den Hass der Welt auf seine Jünger und um den Widerstand gegenüber dem Zeugnis des Heiligen Geistes von ihm als Messias und Sohn Gottes. In diesem Abschnitt beschreibt der Herr detaillierter, wie der Geist Gottes der Welt gegenübertritt: Er zeugt nicht nur von Jesus, sondern überführt die Menschen auch der Sünde. Durch das Überführen von der Sünde und durch das Zeugnis des Evangeliums wendet der Geist die feindlichgesinnten Herzen der Menschen weg von der Rebellion gegen Gott und führt sie zum Glauben an Jesus als dem Herrn und Heiland. Der Abschnitt könnte in vier Teile gegliedert werden: 1.) die Jünger werden von der Welt getötet (V. 1-4); 2.) die Jünger werden vom Herrn getröstet (V. 5-7); 3.) die Menschen werden durch den Heiligen Geist überführt (V. 8-12) und 4.) die Gläubigen werden durch den Heiligen Geist in die ganze Wahrheit geleitet (V. 13-15). 16,1 Dies. Das, was er gerade in 15,18-25 gesagt hatte. Anstoß. Das Wort beinhaltet den Gedanken, jemandem eine Falle zu stellen. Der Hass der Welt ist derart, dass er versuchen würde, die Jünger zu Fall zu bringen und sie zu töten, um ihr Zeugnis von Jesus als dem Messias und Sohn Gottes zu verhindern. Jesus wollte uns nicht unvorbereitet lassen (V. 4).
16,2 Gott einen Dienst zu erweisen. Vor seiner Errettung per- sonifi zierte Paulus diese Einstellung, als er die Gemeinde verfolgte und dachte, Gott damit einen Dienst zu erweisen (Apg 22,4.5; 26,9-11; Gal 1,13-17; Phil 3,6; 1Tim 1,12-17). Durch den Hass der Welt wurde nach seiner Bekehrung aus dem Verfolger der Verfolgte (2Kor 11,22-27; vgl. Stephanus in Apg 7,54-8,3).
16,4 weil ich bei euch war. Es bestand keine Notwendigkeit, sie zu warnen, da er sie beschützte.
16,5 niemand unter euch fragt mich. Zu einem früheren Zeit- punkt hatten sie das getan (13,36; 14,5), aber jetzt waren sie so sehr mit ihren eigenen Sorgen und verwirrten Gedanken beschäftigt, dass es sie kaum noch interessierte, wohin er ging. Sie waren offensichtlich völlig von dem in Beschlag genommen, was mit ihnen passieren würde (V. 6).
16,7 so kommt der Beistand nicht. Eine weiteres Mal verheißt er den Jüngern die Sendung des Heiligen Geistes zu ihrem Trost. S. Anm. zu 15,26.27. Beim ersten Mal wurde seine lebenspendende Kraft betont (7,37-39); anschließend seine innewohnende Gegenwart (14,16.17). Als nächstes sein Dienst der Belehrung (14,26). In 15,26 wurde hervorgehoben, wie er zum Zeugnis ermächtigt.
16,8 wenn jener kommt. Bis zum Kommen des Heiligen Geistes zu Pfi ngsten waren es ab diesem Zeitpunkt schätzungsweise noch 40 Tage oder mehr (s. Apg 2,1-13). überführen. Dieses Wort hat zwei Bedeutungen: 1.) die richterliche Handlung der Urteilsbegründung mit der Aussicht auf Bestrafung (ein juristischer Begriff – Verurteilung von Sünde) oder 2.) ist es der Akt des Überzeugens. Hier ist der zweite Gedanke der bessere, da die Absicht des Heiligen Geistes nicht Verurteilung ist, sondern den Menschen von der Notwendigkeit eines Erlösers zu überzeugen. Der Sohn führt das Gericht zusammen mit dem Vater durch (5,22.27.30). In V. 14 wird gesagt, dass er seinem Volk Christi Herrlichkeiten offenbaren wird. Ebenso wird er die Schriften des NTs eingeben, die Apostel beim Schreiben leiten (V. 13) und durch die ntl. Prophezeiungen »zukünftige« Dinge offenbar machen (V. 13).
16,9 Sünde. Die Singularform deutet eine spezielle Sünde an, d.h. nicht zu glauben, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist. Das ist letzten Endes die einzige Sünde, die die Menschen in die Hölle bringt (s. Anm. zu 8,24). Da alle Menschen verderbt sind, verfl ucht durch die Übertretung des Gesetzes Gottes und von Natur aus sündig, bringt sie schließlich ihr Unwille in die Hölle, an den Herrn Jesus Christus als ihren Erlöser zu glauben (vgl. 8,24).
16,10 Gerechtigkeit. Die Absicht des Heiligen Geistes ist hier die Anmaßungen der Selbstgerechtigkeit (Heuchelei) zunichte zu machen und die Finsternis des Herzens aufzudecken (3,19-21; 7,7; 15,22.24). Während Jesus auf Erden war, verfolgte er dieses Anliegen besonders im Hinblick auf die Oberfl ächlichkeit und Leere des Judentums, das zu einer gesetzlichen Form ohne lebengebende Wirklichkeit entartet war (z.B. 2,13-22; 5,10-16; 7,24; Jes 64,4.5). Nachdem Jesus zum Vater gegangen war, führte der Heilige Geist seine überführende Funktion weiter.
16,11 Gericht. Im Kontext ist das Gericht der Welt gemeint, die unter der Herrschaft des Satans steht. Ihre Ansichten sind blind, fehlerhaft und böse, wie ihr Urteil über Christus bewies. Die Welt kann keine gerechten Urteile sprechen (7,24), doch Christi Geist sehr wohl (8,16). Alle Urteile Satans sind Lügen (8,44-47), so dass der Heilige Geist die Menschen ihrer falschen Ansicht von Christus überführen muss. Satan, der Fürst dieser Welt (14,30; Eph 2,1-3), der als der Gott dieser Welt ihr Urteilsvermögen verzerrt und die Menschen vom Glauben an Jesus als dem Messias und Sohn Gottes abwendet (2Kor 4,4), wurde am Kreuz besiegt. Obwohl der Tod Christi wie Satans größter Sieg aussah, war er sein Untergang (vgl. Kol 2,15; Hebr 2,14.15; Offb 20,10). Der Geist Gottes führt Sünder zu einem wahren Urteil.
16,13 die ganze Wahrheit. Dieser Vers weist ebenso wie 14,26 auf die übernatürliche Offenbarung der ganzen Wahrheit hin, durch die Gott sich besonders in Christus selbst gezeigt hat (V. 14.15). Das ist das Thema der inspirierten ntl. Schriften. S. Anm. zu V. 7.
16,14 Er wird mich verherrlichen. Dies ist das gleiche wie in V. 13: Christus ist der Mittelpunkt der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit des NTs (Hebr 1,1.2). Wie das NT behauptet, war Christus auch das Thema des ATs (1,45; 5,37; Lk 24,27.44; Apg 10,43; 18,28; Röm 1,1.2; 1Kor 15,3; 1Pt 1,10.11; Offb 19,10). 16,16-19 Jesus sprach von seiner Himmelfahrt (»ihr werdet mich nicht sehen«) und dem Kommen des Heiligen Geistes (»ihr werdet mich sehen«) und beanspruchte mit Nachdruck, dass der Geist und er eins sind (Röm 8,9; Phil 1,19; 1Pt 1,11; Offb 19,10). Christus wohnt in Gläubigen durch den Heiligen Geist; in dieser Hinsicht sehen sie ihn. S. Anm. zu 14,16-18.
16,20 Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Das Er- eignis, das der hasserfüllten Menschheit (»der Welt«) Freude bereitete und die Jünger Jesu betrübte, wird das gleiche Ereignis sein, welches zum Leid der Welt und zur Freude der Gläubigen führen wird. Durch das Werk Christi sollten die Jünger schon bald den wunderbaren Charakter des Erlösungsgeschenkes Gottes und seines Geistes erfahren sowie den Segen erhörter Gebete (V. 24). Die Apostelgeschichte berichtet von dem Kommen des Heiligen Geistes und von der Kraft und Freude (Apg 2,4-47; 13,52) der frühen Gemeinde.
16,22 ich werde euch aber wieder sehen. Nach der Auferstehung sah Jesus seine Jünger (20,19-29; 21,1-23; vgl. 1Kor 15,1-8). Außer dieser kurzen Zeit persönlicher Gemeinschaft (Apg 1,1-3) würde er durch seinen Geist immer bei ihnen sein (s. Anm. zu V. 16-19; 14,16-19).
16,23 an jenem Tag. Das weist auf Pfi ngsten hin, als der Heili- ge Geist kam (Apg 2,1-13) und sich Traurigkeit in Freude verwandelte. Es ist zudem eine Anspielung auf die »letzten Tage«, die durch seine Auferstehung und das Kommen des Geistes eingeleitet wurden (Apg 2,17; 2Tim 3,1; Hebr 1,2; Jak 5,3; 2Pt 3,3; 1Joh2,18). werdet ihr mich nichts fragen. Nach seinem Weggang und der Aussendung des Geistes können Gläubige ihn nicht länger befragen, da er nicht anwesend ist. Stattdessen bitten sie den Vater in seinem Namen (s. Anm. zu V. 26-28; 14,13.14).
16,24 Freude völlig wird. In diesem Fall wird die Freude der Gläu- bigen mit erhörtem Gebet in Verbindung gebracht und der vollständigen Ausstattung mit himmlischen Segnungen für alles, was mit den Absichten des Herrn im Leben einer Person übereinstimmt. S. Anm. zu 15,11.
16,25 in Gleichnissen. Das Wort meint eine bedeutungsträchtige, »verhüllte Aussage«, die im Dunkeln liegt. Was während Jesu Lebzeiten für die Jünger schwer zu begreifen schien, würde nach seinem Tod, seiner Auferstehung und dem Kommen des Heiligen Geistes klar verständlich werden (s. V. 13.14; 14,26; 15,26.27). Sie würden den Dienst Christi besser verstehen, als sie es während ihrer Zeit mit ihm taten, da der Geist sie zum Schreiben der Evangelien und Briefe inspirierte und in ihnen und durch sie wirkte.
16,26 ich sage euch nicht. Christus erklärt, was er mit dem Gebet in seinem Namen meint. Er meint nicht, dass er gebeten werden sollte, den Vater zu bitten, geradeso als wären dem Vater die Gläubigen gleichgültig, sein Sohn aber nicht. Im Gegenteil, der Vater liebt diejenigen, die Christus angehören. In Wirklichkeit sandte der Vater seinen Sohn, um sie zu erlösen und anschließend in den Himmel zurückzukehren. Das Bitten im Namen Jesu meint einfach die Bitte auf der Grundlage seines Verdienstes, seiner Gerechtigkeit und für das, was ihn ehrt und verherrlicht, so dass sein Reich gebaut würde.
16,33 damit ihr in mir Frieden habt. S. Anm. zu 14,27. Be- drängnis. Dieses Wort hat oftmals einen eschatologischen Bezug (Mk 13,9; Röm 2,9) und wird auf die Gläubigen angewandt, die wegen ihres Zeugnisses für Christus verfolgt werden (vgl. 15,18-16,4; Apg 11,19; Eph 3,13). überwunden. Die absolute Grundlage für das Durchhalten in der Verfolgung ist der Sieg Christi über die Welt (12,31; 1Kor 15,57). Durch seinen Tod machte er den Widerstand der Welt zunichte. Obschon die Welt die Gläubigen auch weiterhin angreift, sind solche Angriffe ungefährlich, da Christi Sieg dem ganzen bösen Weltsystem bereits eine vernichtende Niederlage zugefügt hat. S. Anm. zu Röm 8,35-39.
17,1 Obwohl Mt 6,9-13 und Lk 11,2-4 allgemein als »das Gebet des Herrn« (oder das »Vater unser«) bekannt wurden, war es ein Gebet, dass der Herr seinen Jüngern als ein Muster für ihre Gebete gab. Das hier festgehaltene Gebet ist wirklich das Gebet des Herrn, in dem die enge Zwiesprache zwischen Sohn und Vater zum Ausdruck kommt. Inhaltlich wird nur sehr wenig von den häufi gen Gebeten Jesu zum Vater berichtet (Mt 14,23; Lk 5,16), so dass dies Gebet etwas von dem wertvollen Inhalt seiner Fürsprache und Unterredung mit dem Vater enthüllt. Dies Kapitel bildet einen Übergang, es markiert das Ende des irdischen Wirkens Jesu und den Beginn seines fürbittenden Dienstes für Gläubige (Hebr 7,25). In vielerlei Hinsicht ist das Gebet eine Zusammenfassung des ganzen Johannes-Evangeliums. Seine Hauptthemen sind: 1.) Jesu Gehorsam gegenüber seinem Vater; 2.) die Verherrlichung seines Vaters durch Christi Tod und seine Erhebung; 3.) die Offenbarung Gottes in Jesus Christus; 4.) die Erwählung der Jünger aus der Welt; 5.) ihr Auftrag gegenüber der Welt; 6.) ihre Einheit, die die Einheit von Vater und Sohn widerspiegelt, und 7.) das letztendliche Los des Gläubigen in der Gegenwart des Vaters und des Sohnes. Das Kapitel gliedert sich in drei Teile: 1.) Jesu Gebet für sich selbst (V. 1-5); 2.) Jesu Gebet für die Apostel (V. 6-19) und 3.) Jesu Gebet für alle ntl. Gläubigen, die die Gemeinde bilden (V. 20-26). 17,1 die Stunde ist gekommen. Der Zeitpunkt seines Todes. S. Anm. zu 12,23. verherrliche deinen Sohn. Das Ereignis, welches den Sohn verherrlichen würde, war sein Tod. Durch ihn empfi ng er die Anbetung, Verehrung und Liebe von Millionen von Menschen, deren Sünden er trug. Er nahm diesen Weg zur Verherrlichung in dem Bewusstsein an, dass er dadurch zum Vater erhoben würde. Das Ziel war, dass der Vater durch seinen Erlösungsplan im Sohn verherrlicht würde. So suchte er durch seine Verherrlichung die Verherrlichung seines Vaters (13,31.32).
17,2 Vollmacht gegeben hast über alles Fleisch. Vgl. 5,27; s. Anm. zu Mt 28,18. die du ihm gegeben hast. Eine Anspielung auf Gottes Erwählung der Menschen, die zu Christus kommen werden (s. Anm. zu 6,37.44). Die biblische Lehre der Auserwählung oder Vorherbestimmung wird im ganzen NT dargelegt (15,16.19; Apg 13,48; Röm 8,29-33; Eph 1,3-6; 2Th 2,13; Tit 1,1; 1Pt 1,2).
17,3 das ewige Leben. S. Anm. zu 3,15.16; 5,24; vgl. 1Joh5,20.
17,5 verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst. Nach der Voll- endung seines Werkes (V. 4), blickte Jesus über das Kreuz hinaus und bat um die Rückkehr in die Herrlichkeit, die er mit dem Vater vor Beginn der Welt teilte (s. Anm. zu 1,1; 8,58; 12,41). Die eigentliche Vollendung des erlittenen Zorngerichts für Sünder tat Christus durch den Ausruf kund: »Es ist vollbracht« (19,30).
17,6 sie waren dein. Diese Aussage fasst Jesu ganzen Dienst zusammen, einschließlich das Kreuz, das nur wenige Stunden entfernt vor ihm lag. Ein weiteres Mal betont der Sohn, dass diejenigen, die an ihn glaubten, ihm vom Vater gegeben wurden (s. Anm. zu V. 2). »Sie waren dein« (vgl. V. 9) zeigt deutlich, dass sie schon vor ihrer Bekehrung Gott gehörten (vgl. 6,37). Dies ist aufgrund von Gottes Auserwählung wahr. Sie wurden vor Grundlegung der Welt auserwählt (Eph 1,4), als ihre Namen im Buch des Lebens des Lammes eingeschrieben wurden (Offb 17,8). Vgl. Apg 18,10, wo Gott sagt, dass er in Korinth ein großes Volk hat, das bis dahin aber noch nicht errettet war. S. Anm. zu 10,1-5.16.
17,8 glauben. Der Sohn Gottes bestätigt den echten errettenden Glauben seiner Jünger.
17,11 ich bin nicht mehr in der Welt. Sein Tod und sein Weggang zum Vater war so sicher, dass Jesus seinen Weggang als eine bereits geschehene Tatsache ansah. Er betete hier für seine Jünger, weil sie mit der Versuchung und dem Hass der Welt konfrontiert werden würden, ohne seine unmittelbare Gegenwart und seinen Schutz (15,18-16,4). Auf der Grundlage des ewigen Wesens eines unwandelbaren Gottes (»Name«) betete er für die ewige Sicherheit der Gläubigen. Er betete, dass Gläubige – ebenso wie die göttliche Dreieinheit – ewiges Einssein genießen würden. S. Röm 8,31-39.
17,12 bewahrte ich sie in deinem Namen. Jesus beschützte sie vor der Welt, wie er in 6,37-40.44 sagte. Eine Illustration davon können wir in 18,1-11 fi nden. Gläubige haben ewige Sicherheit, da sie von Christus und Gott gehalten werden. S. Anm. zu 10,28.29. Sohn des Verderbens. Dies meint Judas und weist auf sein Schicksal hin, seine ewige Verdammung (Mt 7,13; Apg 8,20; Röm 9,22; Phil 1,28; 3,19; 1Tim 6,9; Hebr 10,39; 2Pt 2,1; 3,7; Offb 17,8.11). Judas’ Abfall war nicht auf das Versagen Jesu zurückzuführen, vielmehr wurde er in der Schrift vorausgesehen und vorherbestimmt (Ps 41,10; 109,8; vgl. 13,18).
17,15 dass du sie bewahrst vor dem Bösen. An dieser Stelle lernen wir etwas über den Schutz vor Satan und allen bösen Mächten, die ihm folgen (Mt 6,13; 1Joh2,13.14; 3,12; 5,18.19). Obgleich Jesu Opfer am Kreuz Satans Niederlage war, ist er noch frei und richtet sein böses System gegen die Gläubigen. Wie die Beispiele von Hiob und Petrus zeigen (Lk 22,31.32), versucht er die Gläubigen (1Pt 5,8) und die Menschen im Allgemeinen, um sie zu zerstören (Eph 6,12), aber Gott ist der Beschützer der Christen (12,31; 16,11; vgl. Ps 27,1-3; 2Kor 4,4; Jud 24.25).
17,17 Heilige. Dies Verb fi nden wir im Johannes-Evangelium auch in V. 19; 10,36. Der Gedanke der Heiligung besteht in der Absonderung zu einem bestimmten Zweck. Also sind Gläubige allein für Gott und seine Absichten abgesondert, so dass der Gläubige nur den Willen Gottes tut und alles hasst, was auch Gott hasst (3Mo 11,44.45; 1Pt 1,16). Heiligung geschieht durch Gehorsam gegen die Wahrheit. Das ist Jesu Offenbarung all dessen, womit der Vater ihn zur Weitergabe beauftragte und was wir heute in den Schriften der Apostel fi nden. Vgl. Eph 5,26; 2Th 2,13; Jak 1,21; 1Pt 1,22.23.
17,19 ich heilige mich selbst. Das bedeutet nur, dass er für den Willen des Vaters vollkommen abgesondert war (vgl. 4,34; 5,19; 6,38; 7,16; 9,4). Er tat dies, damit alle Gläubigen durch die von ihm überbrachte Wahrheit für Gott abgesondert sein würden.
17,21 auf dass sie alle eins seien. Die Grundlage dieser Einheit ist das Festhalten an der Offenbarung, die der Vater durch den Sohn seinen ersten Gläubigen vermittelte. Gläubige sollten ebenso in der gemeinsamen Überzeugung der Wahrheit vereint sein, die im Wort Gottes empfangen wurde (Phil 2,2). Das ist nicht ein zukünftiger Wunsch, sondern es wurde beim Kommen des Heiligen Geistes Realität (vgl. Apg 2,4; 1Kor 12,13). Es ist keine auf Erfahrung beruhende Einheit, sondern die Einheit eines gemeinsamen ewigen Lebens, das alle besitzen, die der Wahrheit glauben, und das zu dem einen Leib Christi führt. S. Anm. zu Eph 4,4-6.
17,22 die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast. Das nimmt Bezug darauf, dass die Gläubigen durch den innewohnenden Heiligen Geist an allen Wesensmerkmalen Gottes teilhaben (V. 10; vgl. Kol 1,27; 2Pt 1,4), wie V. 23 deutlich macht (»ich in ihnen«).
17,23 sie zu vollendeter Einheit gelangen. Der Gedanke hier ist der, dass sie in dem gleichen geistlichen Leben der errettenden Wahrheit zusammengeführt werden. Dieses Gebet fand Erhörung in 1Kor 12,12.13; Eph 2,14-22.
17,24 bei mir seien. Dies wird im Himmel sein, wo man seine gan- ze Herrlichkeit sehen kann (vgl. V. 5). Eines Tages werden die Gläubigen nicht nur seine Herrlichkeit sehen, sondern an ihr teilhaben (Phil 3,20.21; 1Joh3,2). Bis dahin sind wir an ihr in geistlicher Hinsicht beteiligt (2Kor 3,18).
17,25 Das fasst das Gebet in diesem Kapitel zusammen und ver- heißt den beständig innewohnenden Christus und seine Liebe. Vgl. Röm 5,5.
18,1 In diesem Kapitel werden in besonderer Weise Jesu Festnah- me und sein Prozess beschrieben. Zur Bekräftigung seiner Absicht, Jesus als den Messias und Sohn Gottes darzustellen, schildert Johannes den Leidensweg Jesu so, dass durch all die entwürdigenden, schändlichen Handlungen gegenüber Jesus nur immer deutlicher wird, dass diese Ereignisse vielmehr einen ausschlaggebenden Beweis davon liefern, wer er war und weshalb er auf die Erde kam, als dass sie seine Person und seinen Auftrag beeinträchtigten (1,29; vgl. 2Kor 5,21). 18,1 ging er … hinaus. Jesu großer Mut ist in seiner Entschlossen- heit zu erkennen, ans Kreuz zu gehen, wo seine Reinheit und Sündlosigkeit verletzt wurde, als er den Zorn Gottes für die Sünden der Welt trug (3,16; s. Anm. zu 12,27). Die Zeit der »Macht der Finsternis« war gekommen (Lk 22,53; s. Anm. zu 1,5; 9,4; 13,30). Winterbach Kidron. »Winterbach« deutet an, dass es ein jahreszeitlich bedingter Bach war, der die meiste Zeit des Jahres trocken lag, aber in der Regenzeit zu einem Sturzbach wurde. Dieser Bach fl oss durch das Kidron-Tal zwischen dem Tempelberg im Osten Jerusalems und dem Ölberg weiter östlich. ein Garten. An den Hängen des Ölbergs, der nach seinen bis heute erhaltenen Olivenhainen benannt war, lagen viele Gärten. Mt 26,36 und Mk 14,32 bezeichnen einen bestimmten Garten als »Gethsemane«, was »Ölkelter« bedeutet. eintraten. Die Formulierung hier lässt darauf schließen, dass der Garten von einer Mauer umgeben war.
18,3 die Truppe und von den obersten Priestern und Pharisä- ern Diener. Der Begriff »Truppe« bezieht sich auf eine römische Kohorte. Eine vollständige römische Kohorte besaß die potentielle Stärke von 1.000 Mann (d.h. 760 Fußsoldaten und eine 240 Mann starke Kavallerie, die von einem Chiliarchen oder »Tausendschaftsführer« befehligt wurde). Normalerweise bestand eine Kohorte im Einsatz jedoch nur aus 600 Männern. Manchmal wurde auch eine Manipel (200 Mann) eine Kohorte genannt. Römische Einsatztruppen waren für gewöhnlich in Cäsarea stationiert, doch während der Festtage hatten sie ihr Lager in der Burg Antonia, an der nordwestlichen Grenze des Tempelbezirks (um wegen der großen Menschenmassen in Jerusalem gegen Ausschreitungen oder Volksaufstände vorgehen zu können). Mit der zweiten Gruppe, den »Obersten«, war die Tempelpolizei gemeint, die in erster Linie die Aufgabe der Festnahme hatte, da Jesus anschließend vor den Hohenpriester gebracht werden sollte (V. 12-14). Sie waren auf Widerstand von Jesus und seinen Nachfolgern vorbereitet (»Waffen«).
18,4 alles wusste. Johannes stellte mit Bestimmtheit fest, dass Je- sus allwissend und somit Gott ist. 18,4-8 Wen sucht ihr? Indem er die Frage zweimal stellte (V. 4.7), die jedesmal mit »Jesus, den Nazarener« beantwortet wurde (V. 5.7), zwang Jesus sie anzuerkennen, dass sie keine Autorität besaßen, seine Jünger festzunehmen. Er forderte sogar, sie gehen zu lassen (V. 8). Seine Forderung wurde durch die Macht seiner Worte untermauert. Als er »Ich bin‘s« sprach (V. 6) – eine Bezeichnung, die er zuvor schon verwendet hatte –, um seine Göttlichkeit bekannt zu geben (8,28.58; vgl. 6,35; 8,12; 10,7.9.11.14; 11,25; 14,6; 15,1.5), wichen sie zurück und fi elen zu Boden (V. 6). Dieser Machtbeweis und die entschiedene Forderung, seine Jünger gehen zu lassen, waren von großer Bedeutung, wie der nächste Vers erkennen lässt.
18,9 Ich habe keinen verloren. Jesus sagte, dass er die Jünger vor einer Festnahme bewahrte, so dass er keinen von ihnen verlieren und seine frühere Verheißung erfüllen würde (6,39.40.44; 10,28; 17,12). Er wusste, dass es ihre Tragfähigkeit überstiegen und ihren Glauben erschüttert hätte, wenn sie festgenommen und vielleicht eingesperrt oder getötet worden wären. Deshalb stellte er sicher, dass dies nicht geschah. Alle Gläubigen sind schwach und verwundbar, wenn der Herr sie nicht beschützt. Doch wie hier bezeugt, wird er niemals zulassen, dass sie über das Maß ihrer Tragfähigkeit hinaus versucht werden (1Kor 10,13). Gläubige sind für ewig sicher, nicht in ihrer eigenen Stärke, sondern aufgrund des beständigen Schutzes und der Gnade ihres Erlösers (vgl. Röm 8,35-39).
18,10 Simon Petrus. Mit Sicherheit hatte er auf Malchus’ Kopf ge- zielt, bereit einen Kampf zur Verteidigung seines Herrn zu beginnen, doch seine Liebe und sein Mut waren von Unwissenheit bestimmt. Christus heilte Malchus’ Ohr (Lk 22,51).
18,11 Soll ich den Kelch nicht trinken. Petrus’ impulsive Tapfer- keit in V. 10 war nicht nur fehl am Platz, sondern zeigte auch, dass er die zentrale Bedeutung des Todes Jesu nicht verstanden hatte. Im AT steht der »Kelch« mit Leiden und besonders Gericht in Verbindung, d.h. der Kelch des Zornes Gottes (Ps 75,9; Jes 51,17.22; Jer 25,15; Hes 23,31-34; s. Anm. zu Mt 26,39; Mk 14,36; Lk 22,42; vgl. Offb 14,10; 16,19).
18,13 zuerst … zu Hannas. Hannas war Hoherpriester von 6-15 n. Chr., als Valerius Gratus, Pilatus’ Vorgänger, ihn des Amtes enthob. Trotzdem übte Hannas weiterhin seinen Einfl uss auf das Amt aus, höchst wahrscheinlich, weil er noch als der wahre Hohepriester angesehen wurde und zudem, weil nicht weniger als fünf seiner Söhne und sein Schwiegersohn Kajaphas das Amt zu der einen oder anderen Zeit bekleideten. Zwei Gerichtsverfahren wurden gehalten: ein jüdisches und ein römisches. Der jüdische Teil begann mit einer inoffi ziellen Untersuchung durch Hannas (V. 12-14.19-23), die den Mitgliedern des Sanhedrin wahrscheinlich Zeit gab, sich eilends zu versammeln. Als nächstes folgte eine Sitzung vor dem Sanhedrin (Mt 26,57-68), bei der Übereinstimmung erzielt wurde, Jesus zu Pilatus zu bringen (Mt 27,1.2). Der römische Teil begann mit einer ersten Untersuchung durch Pilatus (V. 28-38a; Mt 27,11-14), woran sich ein Verhör durch Herodes Antipas anschloss (»diesem Fuchs« – Lk 13,32; Lk 23,6-12). Zum Schluss erschien Jesus wieder vor Pilatus (V. 38b-19,16; Mt 27,15-31). 18,13 Kajaphas. S. Anm. zu 11,49. Die Untersuchung durch Ka- japhas wird im Johannes-Evangelium nicht berichtet (s. Mt 26,57-68).
18,15 der andere Jünger … dieser Jünger. Üblicherweise wird diese Person für den »Jünger aber, den Jesus liebte« gehalten (13,23.24), gemeint ist der Apostel Johannes, der Verfasser dieses Evangeliums, der sich nirgendwo mit Namen erwähnt (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit).
18,16 Petrus. Es ist die erste der drei vorausgesagten Verleug- nungen des Petrus (s. Anm. zu 18,25-27). 18,16 war mit dem Hohenpriester bekannt. Offenbar war Jo- hannes mehr als nur ein Bekannter, denn das Wort für »bekannt« kann ebenso Freund bedeuten (Lk 2,44). Die Tatsache, dass er Nikodemus (3,1) und Joseph (19,38) erwähnt, könnte darauf schließen lassen, dass er auch andere führende Juden kannte.
18,19 Im Mittelpunkt ihres Interesses stand Jesu Anspruch, der Sohn Gottes zu sein (19,7). In einer offi ziellen jüdischen Anhörung war es gegen das Gesetz, den Angeklagten zu befragen, da ein Fall von der Gewichtigkeit der Zeugenaussagen abhängig war (s. Anm. zu 1,7). Wenn dies ein inoffi zielles Verhör vor dem im Ruhestand befi ndlichen Hohenpriester war und nicht vor dem Hohen Rat, mag Hannas angenommen haben, nicht an solche Regeln gebunden zu sein. Jesus kannte allerdings das Gesetz und forderte, dass Zeugen herangezogen würden (V. 20.21). Ein Diener erkannte, dass Jesus Hannas tadelte, und schlug ihn deshalb (V. 22).
18,23 Im Grunde forderte Jesus nur einen fairen Prozess, während seine Gegner, die das Urteil bereits beschlossen hatten (s. 11,47-57), dies nicht beabsichtigten.
18,24 Hannas erkannte, dass er mit Jesus nicht weiterkam und sand- te ihn zu Kajaphas; denn wenn Jesus zur Tötung vor Pilatus gebracht werden sollte, musste die rechtmäßige Anklage durch den gegenwärtigen Hohenpriester (Kajaphas) in seiner Funktion als Vorsitzender des Sanhedrin erhoben worden sein (s.a. Anm. zu V. 13).
18,25 Simon Petrus. Dies ist die letztendliche Erfüllung der Prophezeiung Jesu, dass Petrus ihn dreimal verleugnen würde (vgl. Mt 26,34).
18,28 Dieser Abschnitt handelt von Jesu Prozess vor Pila- tus. Obwohl Pilatus hier in jeder Szene auftaucht, bilden Jesus und sein Reich den Mittelpunkt. 18,28 Prätorium. Das Hauptquartier des befehlshabenden Offi ziers des römischen Heerlagers oder das Hauptquartier des römischen Statthalters (Pilatus). Pilatus’ eigentliches Hauptquartier war in Cäsarea, in dem Palast, den Herodes der Große für sich errichtet hatte. Allerdings hielten sich Pilatus und seine Vorgänger während der Festtage in Jerusalem auf, um mögliche Aufstände niederschlagen zu können. Jerusalem wurde zu seinem Prätorium oder Hauptquartier. früh. Dies ist eine ungefähre Zeitangabe. Sehr wahrscheinlich ist die Zeit gegen 6.00 Uhr morgens gemeint, da viele römische Amtsinhaber ihren Tag sehr früh begannen und ihn am Vormittag gegen 10.00 oder 11.00 Uhr beendeten. damit sie nicht unrein würden. Mündliche jüdische Überlieferungen bezeugen, dass ein Jude, der den Wohnsitz eines Heiden betrat, zeremoniell unrein wurde. Da sie draußen im Säulengang blieben, vermieden sie diese Verunreinigung. Johannes steckt viel Ironie in diese Aussage, indem er die Gewissenhaftigkeit der Hohenpriester bei der zeremoniellen Reinigung erwähnt, während sie bei ihrem Verfahren gegen Jesus eine unvergleichlich größere moralische Verunreinigung auf sich zogen.
18,29 Was für eine Anklage. Diese Frage eröffnete offi ziell den rö- mischen Zivilprozess, wie auch in diesem Fall gegen Jesus (im Gegensatz zum religiösen Verhandlungsabschnitt vor den Juden in V. 24). Die Tatsache, dass bei der Festnahme römische Truppen eingesetzt wurden (s. Anm. zu V. 3), beweist, dass die jüdischen Autoritäten Pilatus bereits im Voraus etwas über diesen Fall mitgeteilt hatten. Obwohl sie höchstwahrscheinlich erwartet hatten, Pilatus werde ihr Urteil über Jesus bestätigen und seinen Tod anordnen, setzte Pilatus stattdessen eine neue Anhörung durch ihn selbst an.
18,31 Wir dürfen niemand töten. Als Rom Judäa einnahm und 6 n. Chr. die direkte Herrschaft durch einen Präfekten übernahm, wurde den Juden die Hauptgerichtsbarkeit (d.h. das Recht zur Tötung) weggenommen und dem römischen Statthalter übergeben. Die Todesstrafe war das am sorgfältigsten gesicherte aller Regierungsmerkmale in den römischen Provinzen.
18,32 Jesu Wort erfüllt. Jesus hatte gesagt, dass er sterben werde, indem er »erhöht« würde (3,14; 8,28; 12,32.33). Hätten die Juden ihn getötet, so wäre es durch Steinigung geschehen. Aber Gott kontrollierte alle politischen Verfahren, um sicherzustellen, dass er nach der Urteilsverkündung von den Römern gekreuzigt und nicht wie Stephanus von den Juden gesteinigt würde (Apg 7,59). Die Juden hätten dieser Hinrichtungsart den Vorzug gegeben, die auf 5Mo 21,23 basierte. 18,34 andere. Wieder verlangte Jesus nach Zeugen (vgl. V. 20.21).
18,36 Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Mit dieser Aussage meinte Jesus, dass sein Reich nicht mit irdischen politischen und nationalen Dingen in Verbindung steht und seinen Ursprung auch nicht in diesem bösen Weltsystem hat, welches sich im Aufstand gegen Gott befi ndet. Wenn sein Reich von dieser Welt gewesen wäre, hätte er gekämpft. Die Königreiche dieser Welt erhalten sich durch Gewalt aufrecht. Das messianische Königreich entsteht nicht durch die Anstrengungen des Menschen, sondern indem der Sohn des Menschen die Sünde im Leben der Seinen eindrucksvoll und entscheidend besiegt und eines Tages bei seinem zweiten Kommen das böse Weltsystem bezwingt, dann, wenn er die irdische Form seines Reiches aufrichtet. Sein Reich war keine Bedrohung für die nationale Identität Israels oder die politische und militärische Identität Roms. Es existiert in einer geistlichen Dimension bis zum Ende des Zeitalters (Offb 11,15).
18,38 Was ist Wahrheit? Als Erwiderung auf Jesu Bemerkung über »Wahrheit« in V. 37, reagierte Pilatus mit phrasenhaftem Zynismus, in der Überzeugung, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt. Seine scharfe Erwiderung bewies, dass er nicht zu denen gehörte, die der Vater dem Sohn gegeben hatte (»jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme« – V. 37; s. Anm. zu 10,1-5). keine Schuld. Vgl. 19,4. Johannes stellt klar, dass Jesus sich keiner Sünde und keines Vergehens schuldig gemacht hatte. Auf diese Weise zeigt er die schwere Ungerechtigkeit und Schuld der Juden und Römer auf, die ihn töteten.
18,40 Barabbas aber war ein Mörder. Oder auch »Räuber«, das Wort meint jemanden, der »Beute macht, plündert« und beschreibt nicht nur einen Räuber, sondern auch einen Terroristen oder Guerillakämpfer, der an blutigen Aufständen beteiligt ist (s. Mk 15,7).
19,1 geißeln. Anscheinend hatte Pilatus Jesus ausgepeitscht, um ihn freilassen zu können (s. V. 4-6). Er hoffte, die Juden durch diese Vorgehensweise zufrieden zu stellen und durch das Leiden Jesu ein derartiges Mitleid in ihnen zu erregen, dass sie seine Freilassung wünschten (s. Lk 23,13-16). Geißelung war eine schrecklich grausame Handlung, bei der das Opfer entkleidet an einen Pfahl gebunden und von mehreren Peinigern geschlagen wurde; dies waren Soldaten, die bei Erschöpfung abgelöst wurden. Bei Opfern, die nicht die römische Staatsbürgerschaft besaßen, bestand das bevorzugte Folterinstrument aus einem kurzen Holzgriff, an dem mehrere Lederriemen befestigt waren. An jedem Lederriemen befanden sich am Ende Knochensplitter oder Metallstücke. Die Schläge waren so brutal, dass manche Opfer starben. Der Körper konnte in einem solchen Ausmaß verletzt oder aufgeschnitten werden, dass Muskeln, Adern und Knochen freigelegt wurden. Eine derartige Auspeitschung ging der Hinrichtung oftmals voraus, um das Opfer zu schwächen und aller Menschenwürde zu berauben (Jes 53,5). Offensichtlich verfolgte Pilatus damit jedoch die Absicht, Mitleid für Jesus zu wecken.
19,2 Krone aus Dornen. Diese »Krone« bestand aus den langen Stacheln (bis 30 cm lang) einer Dattelpalme und war den strahlenförmigen Kronen orientalischer Könige nachempfunden. Die langen Dornen schnitten tief in Jesu Kopf und vermehrten die Schmerzen und Blutungen. Purpurmantel. Die Farbe repräsentierte Königswürde. Der Mantel war wahrscheinlich ein militärischer Umhang, der über Jesu Schultern geworfen wurde, mit der Absicht, über seinen Anspruch, der König der Juden zu sein, zu spotten.
19,4 ich keine Schuld an ihm fi nde. S. Anm. zu 18,38.
19,5 Seht, welch ein Mensch! Pilatus präsentiert Jesus auf the- atralische Weise nach seiner Folterung durch die Soldaten. Jesu Körper war geschwollen, verunstaltet und blutüberströmt. Pilatus führte Jesus als eine geschlagene und mitleiderregende Gestalt vor, in der Hoffnung, dass die Leute Jesus freigelassen sehen wollten. Pilatus’ Äußerung ist mit Sarkasmus erfüllt, da er versuchte, auf die jüdischen Autoritäten den Eindruck zu machen, dass Jesus nicht der gefährliche Mann ist, als den sie ihn dargestellt hatten.
19,6 Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn. Die Pronomen »ihr« und »ihn« besitzen eine nachdrückliche Kraft, die Pilatus’ Entrüstung und Unwillen über die Herzlosigkeit der Juden gegenüber Jesus erkennen lässt.
19,7 Wir haben ein Gesetz. Wahrscheinlich bezieht sich dies auf 3Mo 24,16: »Wer den Namen des HERRN lästert, der soll unbedingt sterben!« (ALTE SCHLACHTER – A.d.Ü.) Die Anklage wegen Gotteslästerung (5,18; 8,58.59; 10,33.36) war ein zentraler Punkt im Prozess Jesu vor Kajaphas (s. Mt 26,57-68).
19,8 fürchtete er sich noch mehr. Viele römische Amtsinhaber waren zutiefst abergläubisch. Während die Juden Jesu Ansprüche als messianisch deuteten, verstanden die Gräko-Romanen unter dem Titel »Sohn Gottes« einen »göttlichen Menschen«, der übernatürliche Kräfte besaß. Pilatus fürchtete sich, weil er gerade erst jemanden hat auspeitschen und foltern lassen, der ihm seiner Meinung nach einen Fluch oder eine Vergeltung einbringen könnte.
19,9 Woher bist du? Er war um Jesu Herkunft besorgt. Sein aber- gläubisches Denken ließ ihn fragen, mit welcher Art von Person er es zutun hatte.
19,11 Jesu Äußerung deutet an, dass der Souveränität Gottes auch das aller Böseste nicht entkommen kann. Pilatus besaß nicht wirklich Macht (V. 10.11), und dennoch war er für sein Handeln moralisch verantwortlich. Wenn sich Jesus Widerstand und Bösem gegenüber sah, fand er oftmals Trost in der Souveränität seines Vaters (z.B. 6,43.44.65; 10,18.28.29). darum hat der, welcher mich dir ausliefert, größere Schuld. Dies kann sich sowohl auf Judas als auch auf Kajaphas beziehen. Da Kajaphas sehr aktiv an der Verschwörung gegen Jesus beteiligt war (11,49-53) und dem Hohen Rat vorstand, könnte er mit der Bemerkung gemeint sein (18,30.35). Der entscheidende Punkt ist nicht die Identität der Person, sondern ihre Schuld, die in Jesu bewusster, eigenmächtiger und kühlberechnender Auslieferung an Pilatus bestand, nachdem Kajaphas die überwältigenden Beweise gesehen und gehört hatte, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes ist. Pilatus bekam diese Gelegenheit nicht. S. Anm. zu 9,41; 15,22-24; Hebr 10,26-31.
19,12 kein Freund des Kaisers. Diese Aussage der Juden war mit Ironie erfüllt, da die Juden Rom hassten, bedeutete sie mit Gewissheit, dass auch sie keine Freunde des Kaisers waren. Aber sie kannten Pilatus’ Furcht vor Kaiser Tiberius (römischer Imperator zur Zeit der Kreuzigung Jesu) und dass er eine höchst misstrauische Persönlichkeit war und schonungslose Bestrafungen forderte. Pilatus hatte in Judäa durch mehrere ungeschickte Vorgehensweisen bereits für Unruhen gesorgt, die die Juden aufgebracht hatten. Deshalb stand er unter dem prüfenden Blick Roms, das seine weiteren Schritte überwachte. Die Juden schüchterten ihn durch die Drohung eines erneuten Aufruhrs ein, der das Ende seiner Machtausübung bedeuten konnte. Damit trieben sie ihn in die Enge, Jesus hinzurichten. 19,13 Richterstuhl. Pilatus gab dem Druck nach (V. 12) und bereitete sich vor, das Gerichtsurteil entsprechend der ursprünglichen Anklage der Aufwiegelung gegen Rom zu verhängen. Dieser »Richterstuhl« war der Platz, den Pilatus einnahm, um das offi zielle Urteil zu verkünden. Der Sitz befand sich an einem mit Steinen gepfl asterten Ort, der als »Steinpfl aster« bekannt war. Die Ironie besteht darin, dass Pilatus über den das Gerichtsurteil verkündete, dem der Vater jegliches Gericht übergeben hatte (5,22) und der einst über Pilatus eine gerechte Verurteilung aussprechen wird.
19,14 Rüsttag für das Passah. Da sich dies auf den Tag vor dem Passah bezieht, als die Vorbereitungen für das Fest schon abgeschlossen waren, beschreibt Johannes, dass Jesus etwa zu der Zeit zur Kreuzigung geführt wurde, als die Passahlämmer geschlachtet wurden. Hinsichtlich der Chronologie der Passahwoche, s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. um die sechste Stunde. Johannes hält sich hier an die römische Zeiteinteilung, nach der der Tag um Mitternacht beginnt. S. Anm. zu Mk 15,25. Seht, das ist euer König! Dies war Pilatus’ Spott – dass ein solch hilfl oser Mann der geeignete König für sie war. Diese Verspottung fand seine Fortsetzung in der Inschrift über dem Kreuz (V. 19-22).
19,17 er trug sein Kreuz. Das bezieht sich auf einen Teil des Kreu- zes, den horizontalen Balken. Der Verurteilte trug ihn auf seinen Schultern zum Hinrichtungsplatz. Jesus trug sein Kreuz bis zum Stadttor, doch aufgrund der Folgen der vorangegangenen brutalen Schläge musste es schließlich ein anderer für ihn übernehmen, Simon von Kyrene (Mt 27,32; Mk 15,21; Lk 23,26). Golgatha. Dies Wort ist eine Transliteration aus dem Gr., was wiederum eine Übersetzung des aram. Wortes mit der Bedeutung »Schädel« ist. Der Ort erhielt seinen Namen wahrscheinlich wegen seines Aussehens. Die heutige Lage dieser Stelle ist ungewiss.
19,18 kreuzigten … ihn. Jesus musste sich auf den Boden legen, während seine Arme ausgestreckt und an den horizontalen Balken genagelt wurden, den er getragen hatte. Der Balken wurde anschließend mit dem Verurteilten hochgezogen und an dem vertikalen Stamm befestigt. Seine Füße wurden an den vertikalen Balken genagelt, an dem manchmal ein Stück Holz festgemacht war, das als eine Art Sitz diente, um das Gewicht des Körpers teilweise zu stützen. Dies bezweckte jedoch keine Erleichterung, sondern sollte das Sterben hinauszögern. Nachdem er entkleidet und geschlagen wurde, hätte Jesus dort Stunden, wenn nicht sogar tagelang, in der sengenden Sonne hängen können. Um Atmen zu können, war es nötig, mit den Beinen zu drücken und den Armen zu ziehen, was entsetzliche Schmerzen verursachte. Der ganze Körper war von schrecklichen Muskelkrämpfen gequält, aber da der Zusammenbruch Ersticken bedeutete, setzte sich der Kampf ums Weiterleben fort (s. Anm. zu Mt 27,31). zwei andere. Mt (27,38) und Lk (23,33) verwenden das gleiche Wort für diese beiden wie Johannes für Barabbas – Räuber. S. Anm. zu 18,40.
19,19 schrieb eine Überschrift. Es war ein Brauch bei solchen Hinrichtungen, dem Verurteilten auf seinem Weg zur Kreuzigung eine Tafel um den Hals zu hängen. Anschließend wurde die Tafel an das Kreuz des Opfers genagelt (s. Mt 27,37; Mk 15,26; Lk 23,38). Pilatus benutzte diese Gelegenheit, um höhnische Vergeltung an den Juden zu üben, die ihn zu dieser Kreuzigung veranlasst hatten (s. Anm. zu V. 12).
19,23 seine Kleider … und dazu das Untergewand. Es war Sitte, dass die Kleider des Verurteilten in den Besitz der Henker übergingen. Die Teilung der Kleidung legt nahe, dass das Hinrichtungskommando aus vier Soldaten bestand (vgl. Apg 12,4). Das Untergewand wurde direkt auf der Haut getragen. Der Plural »Kleider« bezieht sich wahrscheinlich auf andere Kleidungsstücke, einschließlich der Oberbekleidung, einem Gürtel, Sandalen und einer Kopfbedeckung.
19,24 Johannes zitiert Ps 22,19. Dieser Psalm, in dem David sein körperliches Leid und den Spott seiner Gegner zum Ausdruck bringt, verwendet die Symbolik der üblichen Vorgehensweise bei einer Hinrichtung, bei der der Henker die Kleidung des Opfers verteilt, um das Ausmaß seines Unglücks darzustellen. Es ist bemerkenswert, dass David eine Hinrichtungsart genau beschrieben hatte, die er niemals sah. Die Bibelstelle ist eine typologische Prophetie über Jesus als Davids Erben des messianischen Throns (s. Mt 27,46; Mk 15,34).
19,25 Obschon die genaue Anzahl der hier erwähnten Frauen fraglich ist, spricht Johannes wahrscheinlich eher von vier als von drei Frauen, die beiden mit Namen genannten und die beiden ohne Namen: 1.) »seine Mutter« (Maria); 2.) »die Schwester seiner Mutter« (wahrscheinlich Salome [Mk 15,40], die Schwester von Maria und Mutter von Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus [Mt 27,56.57; Mk 15,40]); 3.) »Maria, die Frau des Klopas« (die Mutter des jüngeren Jakobus und Joses – Mt 27,56) und 4.) Maria Magdalena (»Magdalena« leitet sich ab von »Magdala«, einem Dorf am Westufer des Sees von Galiläa, 3 bis 4 km nördlich von Tiberias). Maria Magdalena spielt im Auferstehungsbericht eine bedeutende Rolle (s. 20,1-18; vgl. Lk 8,2.3 wo Jesus sie von Dämonen befreite).
19,26 den Jünger … den er lieb hatte. Das ist eine Andeutung auf Johannes (s. Anm. zu 13,23; vgl. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Jesus, der vor seinem öffentlichen Wirken der Erstgeborene und Ernährer der Familie war, legte die Verantwortung nicht auf seine Brüder, da diese seinem Dienst nicht wohlgesonnen waren, nicht an ihn glaubten (7,3-5) und wahrscheinlich auch nicht zugegen waren (ihr Zuhause war in Kapernaum – s. 2,12).
19,29 Das hier erwähnte Getränk ist nicht zu verwechseln mit dem »Essig mit Galle«, welches man ihm auf dem Weg zum Kreuz anbot (Mt 27,34), um seine Schmerzen zu lindern. Der Zweck dieses Getränks (vgl. Mk 15,36) bestand darin, sein Leben ebenso wie seine Qualen und Schmerzen zu verlängern. Es war ein billiger, säuerlicher Essigwein, der von Soldaten getrunken wurde. Der Gebrauch dieses Wortes erinnert an Ps 69,22, wo man in der LXX das gleiche Substantiv fi ndet. Ysop ist eine kleine Pfl anze, die sich besonders gut zum Besprengen eignete (s. 2Mo 12,22).
19,30 Es ist vollbracht! Das Verb beinhaltet den Gedanken, eine Aufgabe erfüllt zu haben; im religiösen Kontext meint es das Erfüllen einer religiösen Pfl icht (s. 17,4). Das vollständige Erlösungswerk war zur Vollendung gebracht. Im Gr. steht hier nur ein Wort (übersetzt mit: »es ist vollbracht«), welches in den Papyri auf Empfangsbestätigungen von Steuern gefunden wurde und »vollständig bezahlt« bedeutet (s. Kol 3,13.14). er … übergab den Geist. Der Satz gibt zu erkennen, dass Jesus seinen Geist willentlich »übergab«. Niemand nahm sein Leben von ihm, denn er gab es freiwillig (s. 10,17.18).
19,31 Rüsttag. Damit ist Freitag gemeint, der Vortag oder »Rüst- tag« für den Sabbat. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. damit die Leichname nicht während des Sabbats am Kreuz blieben. Das übliche Vorgehen der Römer war es, die Gekreuzigten bis zu ihrem Tod am Kreuz hängen zu lassen (was Tage dauern konnte); ihre verwesenden Körper wurden anschließend zum Fraß der Geier. Das mosaische Gesetz bestand darauf, dass kein Aufgehängter nach der Hinrichtung über Nacht hängen blieb (5Mo 21,22.23). Hätte man einen solchen Menschen dort belassen, wäre das Land verunreinigt worden, da sich der Hingerichtete unter dem Fluch Gottes befand. ihnen die Beine zerschlagen … würden. Um den Tod aus bestimmten Gründen zu beschleunigen, zerschlugen Soldaten die Beine des Opfers mit einer Eisenstange. Dieses Vorgehen zog nicht nur eine Schockwirkung und zusätzlichen Blutverlust nach sich, sondern verhinderte auch, dass der Gekreuzigte zum Atmen mit den Beinen drücken konnte (s. Anm. zu V. 18.) – und folglich erstickte das Opfer.
19,34 Die Soldaten durchbohrten Jesu Seite so tief, dass Blut und Wasser herausfl oss. Entweder drang der Speer in Jesu Herz oder zum Grund seiner Brusthöhle. Was auch immer der Fall gewesen sein mag, Johannes erwähnt den Ausfl uss von »Blut und Wasser«, um zu betonen, dass Jesus zweifellos tot war.
19,35 der das gesehen hat. Gemeint ist der Apostel Johannes, der ein Augenzeuge dieser Geschehnisse war (V. 26; 13,23; 20,2; 21,7.20; vgl. 1Joh1,1-4).
19,36 Johannes zitiert entweder aus 2Mo 12,46 oder 4Mo 9,12. Beide Stellen schreiben vor, dass dem Passahlamm kein Knochen gebrochen werden durfte. Da das NT Jesus als das Passahlamm darstellt, das die Sünden der Welt hinweg nimmt (1,29; vgl. 1Kor 5,7; 1Pt 1,19), besitzen diese Verse eine besondere typologisch-prophetische Bedeutung. Das Zitat in V. 37 stammt aus Sach 12,10 und deutet an, dass Gott selbst durchbohrt wurde, als man seinen Beauftragten, den Hirten, durchbohrte (Sach 13,7; vgl. Sach 11,4.8.9.15-17). Die Qual und Buße der Juden in Sacharja – aufgrund ihrer Verletzung des Hirten Gottes – steht in typologisch-prophetischer Weise für die Zeit des Kommens des Sohnes Gottes, des Messias. Dann, wenn er zurückkehrt, wird Israel die Verwerfung und Tötung seines Königs beklagen (vgl. Offb 1,7).
19,38 Joseph von Arimathia. Dieser Mann taucht in allen vier Evangelien nur in Verbindung mit der Grablegung Jesu auf. Die synoptischen Evangelien berichten, dass er dem Sanhedrin angehörte (Mt 27,57), reich war (Mt 27,57) und das Reich Gottes erwartete (Lk 23,51). Johannes bewertete den Gedanken einer geheimen Jüngerschaft negativ (s. 12,42.43), aber nachdem Joseph öffentlich seinen Ruf und sogar sein Leben riskierte, indem er um den Leib Jesu bat, stellte ihn Johannes in positiverem Licht dar.
19,39 Nikodemus. S. Anm. zu 3,1-10. etwa 100 Pfund. Eine ungenaue Auffassung des im gr. Original verwendeten Begriffs, da diese Gewürzmischung eher 65 als 100 Pfund wog. Myrrhe war ein sehr wohlriechendes, klebriges Harz, welches die Juden pulverisierten und mit Aloe mischten, einem Pulver des aromatischen Sandelholzes. Die Juden balsamierten ihre Toten nicht ein, sondern verwendeten dieses Verfahren, um den Geruch der Verwesung zu unterdrücken (s. Anm. zu 11,39).
19,40 Gewürzen … Tücher. Die Gewürze wurden sehr wahrschein- lich auf die ganze Breite der Leinentücher gelegt, welche anschließend um Jesu Körper gewickelt wurden. Weitere Gewürze wurden unter den Körper und möglicherweise auch um ihn herum gelegt. Das klebrige Harz trug zur Haftung der Tücher bei.
19,41 Garten … neues Grab. Nur Johannes berichtet, dass das Grab sich nahe bei dem Ort befand, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Da der Sabbat, an dem jegliche Arbeit unterbrochen werden musste, fast begonnen hatte (6.00 Uhr nachmittags bei Sonnenuntergang), war die Nähe des Grabes hilfreich. Johannes erwähnt nicht, dass Joseph von Arimathia einen Stein vor die Graböffnung gerollt hatte und dass Maria Madgdalena und Maria, die Mutter Joses, sahen, wo er hingebracht wurde (Mt 27,58-61). Über den Zeitpunkt des Todes des Herrn und seine Grablegung, s. Anm. zu Mt 27,45.57-61.
20,1 Dies Kapitel berichtet davon, wie Jesus seinen Nachfolgern erschien: 1.) bei der Begegnung mit Maria Magdalena (V. 1-18); 2.) mit den 10 Jüngern (V. 19-23) und 3.) mit Thomas (V. 24-29). Ungläubigen erschien Jesus nicht (s. 14,19; 16,16.22), da sie der Beweis seiner Auferstehung ebenso wenig überzeugt hätte wie seine Wunder (Lk 16,31). Der Gott dieser Welt hatte sie geblendet und sie vom Glauben abgehalten (2Kor 4,4). Aus diesem Grund erschien Jesus ausschließlich den Seinen, um ihren Glauben an den lebendigen Christus zu stärken. Die Begegnungen mit Jesus machten einen derart tiefgehenden Eindruck auf die Jünger, dass aus Feiglingen, die sich aus Furcht versteckt hatten, mutige Zeugen Jesu wurden (z.B. Petrus; s. 18,27; vgl. Apg 2,14-39). Mit der Schilderung dieser Begegnungen mit dem Auferstandenen beabsichtigte Johannes ein weiteres Mal aufzuzeigen, dass Jesu physische Auferstehung der krönende Beweis seiner Messianität und Gottessohnschaft war und dass er sein Leben für die Seinen gab (10,17.18; 15,13; vgl. Röm 1,4). 20,1 am ersten Tag der Woche. Eine Anspielung auf den Sonntag. Seit diesem Zeitpunkt treffen sich Gläubige am Sonntag und erinnern sich an die wunderbare Auferstehung des Herrn (s. Apg 20,7; 1Kor 16,2). Er wurde als der Tag des Herrn bekannt (Offb 1,10). S. Anm. zu Lk 24,4.34. kommt Maria Magdalena früh, als es noch fi nster war, zum Grab. Vielleicht erschien Jesus zuerst Maria Magdalena, weil er ihr diese Gnade durch seine persönliche und liebevolle Treue erweisen wollte, die doch eine so schreckliche Vergangenheit hinter sich hatte. Sicherlich lag der Grund auch in ihrer tiefen Liebe zu ihm, dass sie vor allen anderen am Grab erschien. Der Zweck ihres Kommens bestand darin, die Vorbereitungen der Grablegung des Leibes Jesu abzuschließen; deshalb brachte sie weitere Spezereien zur Salbung des Leichnams (Lk 24,1).
20,2 dem anderen Jünger, den Jesus lieb hatte. Gemeint ist der Verfasser Johannes. Sie haben … genommen. Obschon Jesus seine Auferstehung mehrfach vorausgesagt hatte, war es mehr als sie zu diesem Zeitpunkt glauben konnte. Es würde »vieler sicherer Kennzeichen« (Apg 1,3) der Begegnung mit ihm bedürfen, damit sie glauben konnten.
20,5 sah die leinenen Tücher daliegen. Es bestand ein Un- terschied zwischen der Auferweckung des Lazarus (11,44) und der Auferstehung Jesu. Lazarus kam aus dem Grab, während er noch mit Grabtüchern umwickelt war, wohingegen Jesu Körper, trotz seiner physischen Existenz, verherrlicht und in der Lage war, die Grabtücher hinter sich zurückzulassen, in ähnlicher Weise wie er später in einen verschlossenen Raum trat (s. V. 19.20; vgl. Phil 3,21). die leinenen Tücher … das Schweißtuch. Der Zustand dieser Gegenstände deutete nicht auf Kampf hin, nicht auf ein eiliges Auswickeln des Körpers durch Grabräuber, die den Körper sowieso nicht ausgewickelt hätten, da der Transport des eingewickelten Körpers an einen anderen Ort viel leichter und angenehmer gewesen wäre. Alle Begegnungen lassen darauf schließen, dass den Körper niemand weggenommen hatte, sondern dass er durch die Grabtücher hindurch entwich und sie im Grab zurück ließ.
20,8 der andere Jünger. Johannes sah die Grabtücher und wurde durch sie überzeugt, dass er auferstanden war.
20,9 sie verstanden die Schrift noch nicht. Aber zu diesem Zeit- punkt verstanden weder Petrus noch Johannes, dass die Schrift sagte, Jesus werde auferstehen (Ps 16,10). Dies macht der Bericht von Lk deutlich (24,25-27.32.44-47). Jesus hatte seine Auferstehung vorhergesagt (2,17; Mt 16,21; Mk 8,31; 9,31; Lk 9,22), aber sie konnten es nicht begreifen (Mt 16,22; Lk 9,44.45). Während Johannes sein Evangelium schrieb, hatte sich in der Gemeinde ein Verständnis der atl. Prophezeiung über die Auferstehung des Messias entwickelt (vgl. »noch nicht«).
20,11 weinte. Marias Gefühl der Trauer und des Verlustes hatte sie möglicherweise zum Grab zurückgeführt. Anscheinend war sie Petrus und Johannes noch nicht wieder begegnet und wusste daher nichts von der Auferstehung (s. V. 9). 20,12 zwei Engel. Lk (24,4) beschreibt die beiden. Mt (28,2.3) und Mk (16,5) berichten nur von einem. Johannes erwähnt die Engel, um aufzuzeigen, dass der Körper nicht von Grabräubern weggenommen wurde. Es war das Wirken der Macht Gottes.
20,14 wusste nicht, dass es Jesus war. Der Grund, weshalb Maria Jesus nicht erkannte, ist unklar. Möglicherweise, weil ihre Augen verweint waren (V. 11). Vielleicht aber auch, weil ihre lebendigen Erinnerungen an Jesu verletzten Körper noch in ihr nachwirkten und seine Erscheinung nach der Auferstehung so ganz anders war, dass sie ihn nicht erkennen konnte. Eventuell konnte sie ihn ebenso wenig erkennen wie die beiden Emmaus-Jünger, weil Jesus sich ihr noch nicht offenbar gemacht hatte (s. Lk 24,16).
20,16 Maria! Was auch immer der Grund gewesen sein mag, dass sie Jesus nicht erkennen konnte, in dem Moment, als er »Maria« rief, erkannte sie ihn sofort. Das erinnert an Jesu Worte: »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach« (10,27; vgl. 10,3.4).
20,17 Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufge- fahren. Aus Furcht ihn wieder zu verlieren, wollte Maria sich an seine physische Gegenwart klammern. Jesu Hinweis auf seine Himmelfahrt lässt erkennen, dass er nur vorübergehend bei ihnen sein würde, und obschon sie verzweifelt wünschte, er möge bei ihr bleiben, war ihm dies nicht möglich. Jesus war nur 40 Tage bei ihnen und fuhr dann in den Himmel auf (Apg 1,3-11). Nachdem er zum Vater gegangen war, sandte er den Heiligen Geist (»den Beistand«), so dass sie sich nicht verlassen fühlen mussten (s. Anm. zu 14,18.19). meinen Brüdern. Die Jünger wurden »Knechte« oder »Freunde« genannt (15,15), aber nicht »Brüder« – bis zu diesem Zeitpunkt. Diese neue Beziehung zu Christus wurde durch das stellvertretende Kreuzeswerk Jesu ermöglicht (Röm 8,14-17; Gal 3,26.27; Eph 1,5; Hebr 2,10-13).
20,19 an jenem Tag. S. Anm. zu V. 1. die Türen verschlossen waren. Das gr. Wort deutet an, dass die Türen aus Angst vor den Juden verschlossen waren. Da die religiöse Obrigkeit ihren Führer hatte töten lassen, erwarteten sie berechtigterweise, Jesu Schicksal könne ihr eigenes werden. Friede sei mit euch! S. Anm. zu 14,27; 16,33. Jesu Begrüßung ergänzt seinen Ausruf »es ist vollbracht«, denn sein Werk am Kreuz brachte Frieden zwischen Gott und seinen Kindern (Röm 5,1; Eph 2,14-17).
20,20 Jesus bewies, dass der ihnen Erschienene der gleiche war wie der Gekreuzigte (vgl. Lk 24,39).
20,21 Dieser Auftrag baut auf Joh 17,18 auf. S. Mt 28,19.20.
20,22 Da die Jünger den Heiligen Geist erst in ca. 40 Tagen, also zu Pfi ngsten empfi ngen (Apg 1,8; 2,1-3), muss diese Aussage als eine Zusicherung seitens Jesu verstanden werden, dass der Heilige Geist kommen werde.
20,23 S. Anm. zu Mt 16,19; 18,18. Dieser Vers gibt Christen nicht die Vollmacht, Sünden zu vergeben. Jesus sagte, dass der Gläubige aufgrund des Werkes Christi von der Sicherheit der Sündenvergebung durch den Vater sprechen kann, wenn ein Sünder Buße getan hat und dem Evangelium glaubt. Der Gläubige kann auch mit Bestimmtheit sagen, dass die Sünden derer nicht vergeben sind, die die Botschaft der Vergebung Gottes durch den Glauben an Christus nicht annehmen.
20,24 Thomas wurde bereits als treu aber pessimistisch darge- stellt. Jesus tadelt Thomas nicht, sondern zeigt ihm stattdessen den Beweis seiner Auferstehung. Jesus berührte liebevoll seinen Schwachpunkt (2Tim 2,13). Thomas’ Reaktion beweist, dass Jesus die Jünger eindringlich von seiner Auferstehung überzeugen musste; sie waren keine leichtgläubigen Menschen, die geneigt waren, an eine Auferstehung zu glauben. Sie hätten die Auferstehung nicht erfunden, da sie sogar widerwillig an sie glaubten, als sie ihre Beweise sahen.
20,28 Mein Herr und mein Gott! Mit diesen Worten erklärte Tho- mas seinen festen Glauben an die Auferstehung und folglich die Gottheit Jesu, dem Messias und Sohn Gottes (Tit 2,13). Dies ist das größte Bekenntnis, das ein Mensch machen kann. Thomas’ Bekenntnis kann als der passende Höhepunkt der Schreibabsicht des Johannes gelten (s. V. 30.31).
20,29 Jesus sah die Zeit voraus, in der ein solch handfester Beweis, wie ihn Thomas erhielt, nicht mehr verfügbar sein würde. Nachdem Jesus für immer zum Vater aufgefahren war, glaubten alle Christen, ohne den auferstandenen Herrn gesehen zu haben. Jesus verkündete denen einen besonderen Segen, die ohne das dem Thomas gewährte Vorrecht glauben würden (1Pt 1,8.9).
20,30 Diese Verse stellen das Ziel und die Absicht dar, mit der Johannes das Evangelium schrieb (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
21,1 Der Epilog oder Anhang zum Johannes-Evangelium. Wäh- rend 20,30.31 den Abschluss des vierten Evangeliums bilden, bieten die Informationen am Ende seiner Arbeit ein Gegengewicht zu seinem Prolog in 1,1-18. Der Epilog beschäftigt sich im Grunde genommen mit fünf Fragen, die in Kap. 20 unbeantwortet blieben. 1.) Wird Jesus nicht mehr in direkter Weise für die Seinen sorgen (vgl. 20,17)? Diese Frage wird in V. 1-14 beantwortet. 2.) Was geschah mit Petrus? Petrus hatte Christus dreimal verleugnet und fl oh anschließend. Petrus wurde das letzte Mal in 20,6-8 gesehen, wo er und Johannes das leere Grab erblickten, aber nur Johannes glaubte (20,8). Diese Frage wird in V. 15-17 beantwortet. 3.) Was wird aus der Zukunft der Jünger, jetzt, wo sie ohne ihren Meister sind? Diese Frage beantwortet V. 18.19. 4.) Sollte Johannes sterben? Jesus gibt die Antwort in V. 20-23. 5.) Warum berichtet das JohannesEvangelium nicht von anderen Dingen, die Jesus tat? Johannes beantwortet das in V. 24.25. 21,1 See von Tiberias. Ein anderer Name für den See von Galiläa, den nur Johannes verwendete (s. 6,1).
21,2 Simon Petrus. In allen Aufl istungen der Apostel steht er an erster Stelle, was auf seine Führungsposition in der Gruppe schließen lässt (z.B. Mt 10,2).
21,3 Ich gehe fi schen! Die plausibelste Erklärung, weshalb Petrus und die anderen zum Fischen an den See von Galiläa gingen, ist, dass sie der Anordnung des Herrn gehorchten, ihn in Galiläa zu treffen (Mt 28,16). Während sie auf Jesu Eintreffen warteten, gingen Petrus und die anderen auf Fischfang, womit sie früher ihren Lebensunterhalt verdient hatten.
21,4 Dies könnte eine weitere Begebenheit gewesen sein, in der der Herr sich von seinen Jüngern nicht erkennen ließ (20,14.15; vgl. Lk 24,16).
21,7 der Jünger, den Jesus lieb hatte. Johannes erkannte schon bald, dass der Fremde der auferstandene Herr war, da nur er eine solch übernatürliche Kenntnis und Macht besaß (V. 6). Spontan sprang Petrus ins Wasser, um den Herrn zu erreichen.
21,8 etwa 200 Ellen. Ungefähr 90 m vom Ufer entfernt.
21,9 Fisch … und Brot. Anscheinend hatte der Herr dieses Früh- stück bereitet, so wie er die Volksmengen mit Nahrung versorgt hatte (6,1-13).
21,11 153 . Dass Johannes die genaue Zahl nennt, stützt die Tatsa- che, dass er als Verfasser ein Augenzeuge der von ihm geschilderten Ereignisse war (1Joh1,1-4). Dass Jesus hier für den Fisch sorgte, deutet an, dass er sich auch weiterhin um die Bedürfnisse seiner Jünger kümmern würde (s. Phil 4,19; Mt 6,25-33).
21,14 das dritte Mal. Das bezieht sich nur auf das Erscheinen des Herrn im Johannes-Evangelium, das erste Mal fi nden wir in 20,19-23 und das zweite in 20,26-29.
21,15 Die Bedeutung dieser Verse hängt vom Gebrauch zweier Synonyme für Liebe ab. Wenn zwei Synonyme im Kontext in unmittelbarer Nähe stehen, wird ein geringfügiger Unterschied in der Bedeutung hervorgehoben. Als Jesus Petrus fragte, ob er ihn liebt, benutzte er ein Wort für Liebe, das vollkommene Hingabe andeutet. Petrus erwiderte mit einem Wort für Liebe, das seine Zuneigung für Jesus erkennen lässt, aber nicht unbedingt seine vollkommene Hingabe. Dies tat er nicht, weil er diese größere Liebe nicht zum Ausdruck bringen wollte, sondern weil er ungehorsam gewesen war und den Herrn in der Vergangenheit verleugnet hatte. Vielleicht konnte er jetzt nicht behaupten, dass er eine solche Hingabe hat, da sein bisheriges Leben diesen Anspruch nicht bezeugte. Jesus machte Petrus die Notwendigkeit einer unerschütterlichen Hingabe deutlich, indem er ihn wiederholt fragte, ob ihm seine größte Liebe galt. Die entscheidende Botschaft ist hier, dass Jesus von seinen Nachfolgern vollkommene Hingabe fordert. Ihre Liebe für ihn muss größer sein als ihre Liebe zu allem anderen. Jesus konfrontierte Petrus mit
1,1 ersten Bericht. Das Lukasevangelium (Lk 1,1-4; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Dieser Bericht beschrieb das Leben und die Lehrtätigkeit Jesu bis zu seiner Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt (Lk 24,51). Theophilus. Der ursprüngliche Empfänger dieses Buches. S. Anm. zu Lk 1,3. alles, was Jesus anfi ng zu tun und zu lehren. Jesus hatte die Jünger durch Wort und Tat in allem unterwiesen, was notwendig war, um sein Werk fortzuführen. Am Kreuz hatte er das Erlösungswerk vollendet, doch die Verkündigung der Herrlichkeit dieser Erlösung stand noch ganz am Anfang. 1,2 aufgenommen. Christi Himmelfahrt zum Vater (vgl. Lk 24,51). Lukas beschreibt mit diesem Ausdruck noch drei weitere Male (V. 9.11.22) das Ende des irdischen Wirkens des Herrn (vgl. Joh 6,62; 13,1.3; 16,28; 17,13; 20,17). die er erwählt hatte. In seiner Souveränität erwählte der Herr die Apostel zum Heil und zum Dienst (vgl. Joh 6,70; 15,16). durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte. Der Heilige Geist war die Kraftquelle für Jesu irdisches Wirken (vgl. Mt 4,1; 12,18; Mk 1,12; Lk 3,22; 4,1.14.18) und für den Dienst der Apostel (vgl. Lk 24,49; Joh 14,16.17; 16,7). Mit »Befehl« sind hier autoritative Wahrheiten des NT gemeint, die den Aposteln geoffenbart wurden (vgl. Joh 14,26; 16,13-15).
1,3 erwies er sich … durch viele sichere Kennzeichen. Vgl. Joh 20,30; 1Kor 15,5-8. Um den Aposteln Freimütigkeit für die Verkündigung seiner Botschaft zu verleihen, betrat Jesus einen verschlossenen Raum (Joh 20,19), zeigte seine Kreuzigungs-Wundmale (Lk 24,39) und aß und trank mit den Jüngern (Lk 24,41-43). 40 Tagen. Das ist die Zeitspanne zwischen Jesu Tod und Himmelfahrt, während der er den Aposteln und anderen Gläubigen immer wieder erschienen ist (1Kor 15,5-8) und somit überzeugende Beweise für seine Auferstehung lieferte. Reich Gottes. Vgl. 8,12; 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31. Hier bezieht sich dieser Ausdruck auf die Sphäre des Heils, auf das von Gnade bestimmte Reich der göttlichen Herrschaft über die Herzen der Gläubigen (s. Anm. zu 1Kor 6,9; Eph 5,5; vgl. 17,7; Kol 1,13.14; Offb 11,15; 12,10). Das Reich Gottes war das vorherrschende Thema bei Jesu Wirken auf der Erde (vgl. Mt 4,23; 9,35; Mk 1,15; Lk 4,43; 9,2; Joh 3,3-21).
1,4 als er mit ihnen zusammen war. Die alternative Lesart »als er mit ihnen aß« wird bevorzugt (vgl. 10,41; Lk 24,42.43). Dass Jesus aß, ist ein weiterer Beweis für seine leibhaftige Auferstehung. die Verheißung des Vaters abzuwarten. Jesus verhieß mehrfach, dass Gott ihnen seinen Heiligen Geist senden werde (Lk 11,13; 24,49; Joh 7,39; 14,16.26; 15,26; 16,7; s. Anm. zu Joh 20,22).
1,5 Johannes hat mit Wasser getauft. S. Anm. zu 2,38; Joh 1,33. mit Heiligem Geist getauft werden. Die Apostel mussten bis zum Pfi ngsttag warten, doch seit diesem bedeutenden Ereignis werden alle Gläubigen bei der Errettung mit dem Heiligen Geist getauft (s. Anm. zu 1Kor 12,13; vgl. Röm 8,9; 1Kor 6,19.20; Tit 3,5.6). nicht lange nach diesen Tagen. Gottes Verheißung wurde nur 10 Tage später erfüllt.
1,6 stellst du in dieser Zeit für Israel die Königsherrschaft wie- der her? Die Apostel glaubten immer noch, dass die irdische Form des messianischen Reiches bald aufgerichtet würde (vgl. Lk 19,11; 24,21). Außerdem wussten sie, dass in Hes 36 und Joel 2 der Beginn des Reiches mit dem Kommen des von Jesus verheißenen Heiligen Geistes verknüpft ist.
1,7 Dieser Vers zeigt, dass die Erwartung der Apostel eines buchstäb- lichen, irdischen Reiches das widerspiegelte, was Christus gelehrt und was das AT vorausgesagt hatte. Andernfalls hätte er sie in diesem wichtigen Aspekt seiner Lehre korrigiert. Zeiten oder Zeitpunkte. Diese beiden Begriffe bezeichnen Merkmale, Zeitperioden und Ereignisse der irdischen Königsherrschaft Christi, die mit seiner Wiederkunft beginnt (Mt 25,21-34). Der genaue Zeitpunkt seiner Wiederkunft bleibt jedoch ein nicht geoffenbartes Geheimnis (Mk 13,32; vgl. 5Mo 29,28).
1,8 Der Auftrag an die Apostel, das Evangelium zu verbreiten, war der vornehmliche Zweck, wozu der Heilige Geist ihnen Kraft verlieh. Dieses Ereignis änderte auf dramatische Weise den Verlauf der Weltgeschichte, und das Evangelium gelangte schließlich bis in alle Teile der Erde (Mt 28,19.20). Kraft empfangen. Die Apostel hatten bereits erlebt, dass der Heilige Geist sie durch seine Kraft rettete, leitete, belehrte und durch sie Wunder wirkte. Nur kurze Zeit später empfi ngen sie seine innewohnende Gegenwart und eine neue Dimension der Kraft zum Zeugnis (s. Anm. zu 2,4; 1Kor 6,19.20; Eph 3,16.20). Zeugen. Das sind Menschen, die die Wahrheit über Jesus Christus weitersagen (vgl. Joh 14,26; 1Pt 3,15). Das gr. Wort bedeutet »jemand, der für seinen Glauben stirbt«, denn das war der übliche Preis, ein Zeuge zu sein. Judäa. Das Gebiet, in dem Jerusalem lag. Samaria. Die Region, die nördlich an Judäa grenzte (s. Anm. zu 8,5).
1,9 emporgehoben. S. Anm. zu V. 2. Gott, der Vater, nahm Jesus mit seinem Auferstehungsleib aus dieser Welt heraus und setzte ihn an seinen rechtmäßigen Platz zu seiner Rechten (Lk 24,51; vgl. 2,33; Joh 17,1-6). eine Wolke. Als die Apostel die Himmelfahrt beobachteten, erschien dies sichtbare Zeichen für die Gegenwart der Herrlichkeit Gottes. Einige von ihnen erlebten hier nicht zum ersten Mal diese göttliche Herrlichkeit (Mk 9,26) und es war auch nicht das letzte Mal, dass Jesus in Begleitung von Wolken auftritt (Mk 13,26; 14,62; s. Anm. zu Offb 1,7).
1,10 zwei Männer in weißer Kleidung. Zwei Engel in Menschen- gestalt (vgl. 1Mo 18,2; Jos 5,13-15; Mk 16,5). 1,11 Männer von Galiläa. Alle Apostel stammten aus Galiläa (außer Judas, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits umgebracht hatte; vgl. V. 18). in derselben Weise. Eines Tages wird Christus zur Erde zurückkehren (zum Ölberg), und zwar in derselben Weise, wie er aufgefahren ist (in Wolken). Dann wird er sein Reich aufrichten (vgl. Dan 7,13; Sach 14,4; Mt 24,30; 26,64; Offb 1,7; 14,14).
1,12 Berg, welcher Ölberg heißt. Dieser große Hügel befi ndet sich östlich von Jerusalem jenseits des Kidrontals und erhebt sich gut 60 m über die Stadt. Von dort aus fuhr Jesus in den Himmel auf (Lk 24,50.51). Sabbatweg. Etwa 850 m (2.000 Ellen). Das war die größte Distanz, die ein gesetzestreuer Jude am Sabbat zurücklegen durfte, wenn er sich an die Vorschrift aus 2Mo 16,29 halten wollte. Dieses Maß ist eine Überlieferung, die auf Israels Wüstenlager zurückgeht. Die Zelte am Rand des Lagers waren 2.000 Ellen vom Heiligtum in der Mitte des Lagers entfernt, und das war die längste Entfernung, die jemand gehen musste, um das Heiligtum am Sabbat zu erreichen (Jos 3,4; vgl. 4Mo 35,5).
1,13 Obergemach. Dort hatten sie das letzte Abendmahl gefeiert (Mk 14,15) und dort war Jesus den Aposteln nach seiner Auferstehung erschienen. Bartholomäus. S. Anm. zu Mt 10,3. Dieser Jünger wurde auch Nathanael genannt (Joh 1,45-49; 21,2). Jakobus, der Sohn des Alphäus. S. Anm. zu Mt 10,2. Er ist identisch mit Jakobus dem Jüngeren, der auch der »Kleine« genannt und somit von Jakobus, dem Bruder des Johannes, unterschieden wird (Mk 15,40). Zelot. S. Anm. zu Mt 10,4. Judas, der Sohn des Jakobus. Die bevorzugte Lesart ist »der Bruder des«. S. Anm. zu Mt 10,3. Er war auch als Thaddäus bekannt (Mk 3,18).
1,14 beständig … im Gebet. Das ist der Beginn der Gewohnheit, im Namen Jesu zu beten (vgl. Joh 14,13.14). zusammen mit den Frauen. Dazu gehören zweifellos Maria Magdalena, Maria, die Frau des Klopas, die Schwestern Maria und Martha sowie Salome. Möglicherweise waren auch einige Ehefrauen der Apostel dabei. (vgl. 1Kor 9,5). Maria, der Mutter Jesu. S. Anm. zu Lk 1,27.28. Marias Name wird hier zum letzten Mal in der Bibel erwähnt. Brüdern. Jesu Halbbrüder, die in Mk 6,3 namentlich aufgeführt werden: Jakobus, Joses, Judas und Simon. Jakobus war der Führer der Jerusalemer Gemeinde (12,17; 15,13-22) und Autor des nach ihm benannten Briefes. Judas schrieb den Judasbrief. Zu diesem Zeitpunkt waren sie Neubekehrte, die zum Glauben an Jesus als ihren Gott, Retter und Herrn gekommen waren. Noch 8 Monate zuvor waren sie ungläubig (Joh 7,5).
1,15 in diesen Tagen. Irgendwann während der zehn Tage des Ge- bets und der Gemeinschaft der Gläubigen zwischen der Himmelfahrt und Pfi ngsten. Petrus. S. Anm. zu Mt 10,2. Der anerkannte Führer der Apostel übernahm die Leitung. 1,16 Männer und Brüder. Die 120 versammelten Gläubigen (V. 15). es musste dieses Schriftwort erfüllt werden. Die beiden ATStellen, die Petrus in V. 20 zitiert, sind Ps 69,26 und 109,8. Wenn Gott etwas prophezeit, wird es geschehen (vgl. Ps 115,3; Jes 46,10; 55,11). der Heilige Geist durch den Mund Davids. Eine der eindeutigsten Aussagen der Bibel über göttliche Inspiration. Gott sprach durch Davids Mund. Das »Sprechen« bezieht sich eigentlich auf seine Schriften (s. Anm. zu 2Pt 1,21).
1,17 das Los dieses Dienstes empfangen. Judas Ischariot war ei- ner der 12, doch war er niemals wirklich errettet. Deshalb wird er »Sohn des Verderbens« genannt (Joh 17,12). S. Mt 26,24; Joh 6,64.70.71; vgl. 2,23; Lk 22,22.
1,18 Dieser erwarb einen Acker. Da das Landstück von dem Geld erworben wurde, das die führenden Juden Judas für seinen Verrat an Jesus gezahlt hatten und das er ihnen zurückgegeben hatte (Mt 27,310), bezeichnet Lukas Judas als den Käufer (vgl. Sach 11,12.13). Lohn der Ungerechtigkeit. Die 30 Silberstücke, die Judas bekommen hatte. stürzte kopfüber. Judas hatte sich offenbar an einem Baum erhängt, der über einen Abgrund ragte (Mt 27,5). Wahrscheinlich riss das Seil oder brach der Ast (oder der Knoten löste sich), so dass sein Körper auf dem felsigen Abgrund zerschmetterte.
1,19 Akeldama … Blutacker. Der aram. Name des Landstücks, das die führenden Juden erworben hatten. Die Tradition bezeichnet ein Feld südlich von Jerusalem als diesen Blutacker, im Hinnomtal, wo dieses Tal das Kidrontal kreuzt. Der Boden dort eignete sich gut zur Töpferei; daher nennt Matthäus ihn »Töpferacker« (Mt 27,7.10; s. Anm. zu V. 18).
1,20 es steht geschrieben. S. Anm. zu V. 16. Mit der Bibel benutz- te Petrus den überzeugendsten Beweis, um den Gläubigen zu versichern, dass Judas’ Abfall und die Wahl eines anderen Apostels an seiner Stelle Gottes Absicht entsprach (vgl. Ps 55,13-16).
1,21 die mit uns gegangen. Die erste Anforderung für Judas’ Nachfolger war, dass er Jesus bei seinem irdischen Wirken begleitet hatte.
1,22 von der Taufe des Johannes. D.h. von Jesu Taufe durch Jo- hannes den Täufer (Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21-23). mit uns Zeuge seiner Auferstehung. Als zweite Anforderung an den Nachfolger von Judas musste er den Auferstandenen gesehen haben. Die Auferstehung hatte in der apostolischen Verkündigung zentrale Bedeutung (vgl. 2,24.32; 3,15; 5,30; 10,40; 13,30-37).
1,23 Barsabas, mit dem Beinamen Justus. Barsabas bedeutet »Sohn des Sabbats«. Justus (»der Gerechte«) war Josephs lat. Name. Im Römischen Reich hatten viele Juden gleichbedeutende heidnische Namen. Matthias. Der Name bedeutet »Gabe Gottes«. Der antike Historiker Eusebius behauptet, Matthias sei einer der 70 von Lk 10,1 gewesen.
1,24 welchen … du erwählt hast. Judas’ Nachfolger sollte von Gottes Souveränität bestimmt werden (s. Anm. zu V. 20).
1,25 seinen eigenen Ort. Mit seinem Verwerfen Christi wählte Ju- das sein eigenes Schicksal in der Hölle. Es ist nicht ungerecht zu sagen, dass Judas und alle anderen Verlorenen in die Hölle gehören (vgl. Joh 6,70).
1,26 warfen das Los. Eine im AT übliche Methode, Gottes Willen herauszufi nden (vgl. 3Mo 16,8-10; Jos 7,14; Spr 18,18; s. Anm. zu Spr 16,33). Hier wird das Losverfahren zum letzten Mal erwähnt; als der Heilige Geist kam, wurde es überfl üssig.
2,1 der Tag der Pfi ngsten. »Pfi ngsten« bedeutet »Fünfzigster« und bezeichnet das »Fest der Wochen« (2Mo 34,22.23) oder »Erntefest« (3Mo 23,16), das 50 Tage nach dem Passah im Mai/Juni gefeiert wurde (3Mo 23,15-22). Es war eins von drei alljährlichen Festen, zu denen das ganze Volk nach Jerusalem kommen musste (s. Anm. zu 2Mo 23,14-19). Am Pfi ngsttag wurde ein Opfer der Erstlingsfrucht dargebracht (3Mo 23,20). Der Heilige Geist kam an diesem Tag als Erstlingsfrucht des Erbes der Gläubigen (vgl. 2Kor 5,5; Eph 1,11.14). Die Gläubigen, die an diesem Tag zur Gemeinde vereint wurden, waren außerdem die Erstlingsfrucht der vollen Ernte aller Gläubigen, die noch folgen sollten. einmütig beisammen. Im Obersaal, der in 1,13 erwähnt wird.
2,2 ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind. Lukas’ Vergleich beschreibt, wie Gott handelte, als er den Heiligen Geist sandte. Wind wird in der Schrift häufi g als Bild für den Heiligen Geist verwendet (vgl. Hes 37,9.10; Joh 3,8).
2,3 Die Jünger hätten nicht begreifen können, was das Kommen des Heiligen Geistes bedeutet, wenn der Herr in seiner Souveränität das Geschehen nicht mit einem sichtbaren Phänomen veranschaulicht hätte. Zungen wie von Feuer. Genau wie das Windgeräusch symbolisch war, so waren dies keine buchstäblichen Flammen, sondern übernatürliche Zeichen, die wie Feuer aussahen. Sie zeigten an, dass Gott den Heiligen Geist auf jeden einzelnen Gläubigen gesandt hatte. In der Bibel symbolisiert Feuer oft die Gegenwart Gottes (vgl. 2Mo 3,2-6). Dass Gott hier feuerähnliche Phänomene verwendet, steht in Parallele zum Erscheinen der Taube bei der Taufe Jesu (Mt 3,11; Lk 3,16).
2,4 alle. Die Apostel und die 120. Vgl. Joel 3,1-5. vom Heiligen Geist erfüllt. Im Gegensatz zur Taufe mit dem Heiligen Geist, die nur ein einziges Mal geschieht, wenn Gott einen Gläubigen in den Leib Jesu einfügt (s. Anm. zu 1Kor 12,13), ist das Erfülltwerden mit Heiligem Geist eine wiederholbare Realität im Leben des Gläubigen. Gott fordert den Gläubigen zu einem beständig vom Geist beherrschten Verhalten auf; nur dann kann er vom Heiligen Geist erfüllt werden (s. Anm. zu Eph 5,18). Petrus und viele andere der Gläubigen aus Apg 2 wurden später mehrfach vom Heiligen Geist erfüllt (z.B. 4,8.31; 6,5; 7,55), woraufhin sie freimütig das Wort Gottes verkündeten. Die Fülle des Geistes wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus und nicht nur auf eine freimütige Verkündigung (vgl. Eph 5,19-33). in anderen Sprachen. Wörtl. »in anderen Zungen«, d.h. in bekannten Fremdsprachen (s. Anm. zu V. 6; 1Kor 14,1-25) und nicht in ekstatischen Lauten. Diese vom Heiligen Geist eingegebenen Fremdsprachen waren ein Gerichtszeichen für das ungläubige Israel (s. Anm. zu 1Kor 14,21.22). Außerdem zeigten sie, dass sich Gottes Volk von nun an aus allen Nationen zusammensetzt und markierten damit den Übergang von Israel zur Gemeinde als Volk Gottes. Das »Zungenreden« kommt in der Apostelgeschichte nur zwei weitere Male vor (10,46; 19,6).
2,5 Juden, gottesfürchtige Männer. Hebräische Männer, die nach Jerusalem gepilgert waren. Sie wollten das Pfi ngstfest in Jerusalem feiern (s. Anm. zu V. 1) und somit den zeremoniellen jüdischen Kalender befolgen. S. Anm. zu 2Mo 23,14-19.
2,6 dieses Getöse. Nicht der Klang der verschiedenen Sprachen, sondern das Sturmgeräusch (V. 2). in seiner eigenen Sprache reden. Als die Jünger Jesu sprachen, hörte jeder Pilger in der Menge jeweils die Sprache bzw. den Dialekt seines Heimatlandes.
2,7 Galiläer. Bewohner der vorwiegend ländlichen Region von Nord- israel in der Umgegend des Sees Genezareth. Galiläische Juden hatten einen bestimmten regionalen Akzent, und die Juden aus dem südlichen Judäa hielten sie für ungebildet und einfältig. Als die Judäer bemerkten, dass es Galiläer waren, die in so vielen verschiedenen Sprachen redeten, waren sie sehr erstaunt.
2,9 Die Aufl istung verschiedener Länder und Völkergruppen be- weist einmal mehr, dass die Jünger keine unverständlichen Laute von sich gaben, sondern in bekannten menschlichen Sprachen redeten. 2,9 Parther. Sie lebten im heutigen Iran. Meder. Zur Zeit Daniels herrschten sie zusammen mit den Persern, hatten sich jedoch in Parthien angesiedelt. Elamiter. Sie stammten vom südwestlichen Teil des parthischen Reiches. Mesopotamien. Das bedeutet »zwischen den Flüssen« (nämlich zwischen Tigris und Euphrat). Dort lebten zu jener Zeit noch viele Juden, die Nachkommen derer waren, die dort einst in Gefangenschaft lebten und niemals nach Judäa zurückgekehrt waren (vgl. 2Chr 36,22.23). Judäa. Das gesamte Gebiet, das früher von David und Salomo regiert wurde, einschließlich Syrien. 2,9 Kappadocien, Pontus und Asia, Phrygien und Pamphy- lien. Das waren alles Bezirke in Kleinasien, der heutigen Türkei.
2,10 Ägypten. Dort lebten viele Juden, insbesondere in Alexandria. Das Land umfasste damals in etwa dasselbe Gebiet wie das heutige Ägypten. Libyens bei Kyrene. Diese Gebiete lagen westlich von Ägypten entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste. Rom. In der Hauptstadt des Reiches lebte vom 2. Jhdt. v.Chr. an eine ansehnliche jüdische Bevölkerung. Proselyten. Heidnische Konvertiten zum Judentum. Die Juden in Rom waren besonders fl eißig in der jüdischen Mission.
2,11 Kreter. Bewohner der Mittelmeerinsel Kreta südlich von Grie- chenland. Araber. Juden, die südlich von Damaskus unter den nabatäischen Arabern lebten (vgl. Gal 1,17). wir hören sie in unseren Sprachen. S. Anm. zu V. 6. großen Taten Gottes. Die Jünger zitierten aus dem AT, was Gott für sein Volk getan hat (vgl. 2Mo 15,11; Ps 40,6; 77,12; 96,3; 107,21). Ein solcher Lobpreis war zu den Festzeiten in Jerusalem häufi g zu hören.
2,13 süßen Weines. Ein Getränk, von dem man betrunken werden konnte.
2,14 Nach dem Kommen des Heiligen Geistes war Petrus’ Predigt das erste bedeutende Ereignis der Kirchengeschichte. Die 3.000, die sich bei dieser Predigt bekehrten, bildeten zusammen mit den 120 bereits gläubigen Jüngern die Gemeinde (V. 41-47). 2,14 mit den Elf. Zu diesen Aposteln gehörte auch der neu einge- setzte Matthias, der an die Stelle von Judas Ischariot getreten war (s. Anm. zu 1,23.24).
2,15 die dritte Stunde. Nach jüdischer Zeitrechnung drei Stunden nach Sonnenaufgang, d.h. 9.00 Uhr morgens.
2,16 S. Einleitung zu Joel: Herausforderungen für den Ausleger; s. Anm. zu Joel 3,1-5. Joels Verheißung wird sich erst dann endgültig erfüllen, wenn das Tausendjährige Reich gekommen ist. Doch Petrus wendet diese Verheißung bereits hier an und zeigt dadurch, dass das Pfi ngstereignis eine Vorerfüllung und ein Vorgeschmack dessen war, was im Tausendjährigen Reich geschehen wird, wenn Gott seinen Heiligen Geist auf alles Fleisch ausgießt (vgl. 10,45).
2,17 letzten Tagen. Dieser Ausdruck bezieht sich auf das gegenwär- tige Zeitalter der Heilsgeschichte, das sich vom ersten Kommen Christi (Hebr 1,2; 1Pt 1,20; 1Joh2,18) bis zu seiner Wiederkunft erstreckt. meinem Geist. S. Anm. zu 1,2.5.8. 2,17 alles Fleisch. Das bedeutet, dass alle Menschen den Hei- ligen Geist empfangen werden, denn ins Tausendjährige Reich werden ausschließlich Erlöste hineinkommen (vgl. Mt 24,29-25,46; Offb 20,4-6). 2,17 Gesichte … Träume. Träume (1Mo 20,3; Dan 7,1) und Visionen (1Mo 15,1; Offb 9,17) gehören zu den auffälligsten Offenbarungsmitteln Gottes, da sie in ihrem Wesen bildhaft sind. Sie sind zwar nicht auf Gläubige beschränkt (z.B. Abimelech, 1Mo 20,3 und Pharao, 1Mo 41,1-8), doch blieben sie in erster Linie den Propheten und Aposteln vorbehalten (vgl. 4Mo 12,6). Während sie im AT relativ häufi g vorkommen, sind sie im NT eher selten. Visionen von Gott stehen in der Apostelgeschichte im Zusammenhang entweder mit Petrus (Kap. 10.11) oder mit Paulus (Kap. 9.18; vgl. 2Kor 12,1). In den meisten Fällen offenbarten sie apokalyptische Bilder (vgl. Hes, Dan, Sach, Offb). Wir sollten sie weder in biblischen Zeiten noch jetzt als alltäglich betrachten. Doch eines Tages, in der Trübsalszeit, wird Gott Visionen und Träume benutzen, wie es in Joel 3,1-5 verheißen ist.
2,18 weissagen. Im Tausendjährigen Reich wird Gottes Wahrheit fl ächendeckend verkündet.
2,19 Wunder … Zeichen. Vgl. 4,30; 5,12; 14,3; 15,12. »Wunder« versetzen die Leute in Erstaunen, denn sie sehen dabei übernatürliche Vorgänge. »Zeichen« weisen auf die Kraft Gottes hinter den Wundern hin – Wunder bleiben sinnlos, solange sie nicht auf Gott und seine Wahrheit hinweisen. Solche Werke wurden oft vom Heiligen Geist durch die Apostel (5,12-16) und ihre Begleiter (6,8) gewirkt, um sie als Botschafter der Wahrheit Gottes zu autorisieren. Vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4. Blut und Feuer und Rauchdampf. Diese Phänomene stehen allesamt in Verbindung mit Jesu Wiederkunft und dem Zeichen für die Aufrichtung des irdischen Reiches: Blut (Offb 6,8; 8,7.8; 9,15; 14,20; 16,3); Feuer (Offb 8,5.7.8.10) und Rauch (Offb 9,2.3.17.18; 18,9.18).
2,20 die Sonne … in Finsternis … und der Mond in Blut. Vgl. Mt 24,29.30; s. Anm. zu Offb 6,12. Tag des Herrn. S. Einleitung zu Joel: Herausforderungen für den Ausleger; s. Anm. zu 1Th 5,2. Dieser »Tag des Herrn« wird mit der Wiederkunft Jesu Christi kommen (vgl. 2Th 2,2; Offb 19,11-15).
2,21 Jeder, der den Namen des Herrn anruft. Bis zu dieser Stun- de des Gerichts und Zorns wird jeder, der sich an Christus als Herrn und Retter wendet, errettet werden (s. Anm. zu Röm 10,10-13).
2,22 Das ist der Hauptabschnitt von Petrus’ Predigt, mit der er Jesus Christus als Israels Messias vorstellt und verteidigt. 2,22 Jesus von Nazareth. Der demütige Name, mit dem der Herr häufi g während seines irdischen Wirkens bezeichnet wurde (Mt 21,11; Mk 10,47; Lk 24,19; Joh 18,5). beglaubigt … durch Kräfte und Wunder und Zeichen. Durch vielfältige übernatürliche Geschehnisse und Werke bestätigte Gott Jesus als den Messias (vgl. Mt 11,1-6; Lk 7,20-23; Joh 3,2; 5,17-20; 8,28; Phil 2,9; s. Anm. zu 1,3; 2,19).
2,23 nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung. Gott hatte von der ewigen Vergangenheit her (2Tim 1,9; Offb 13,8) als Teil seines vorherbestimmten Planes beschlossen, dass Jesus den Erlösungstod sterben sollte (4,27.28; 13,27-29). durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen. Eine Anklage gegen die »Männer von Israel« (V. 22), gegen die ungläubigen Juden, die für Jesus die Todesstrafe gefordert hatten, die von den Römern vollstreckt wurde. Dass die Kreuzigung von Gott vorherbestimmt war, ist keine Entschuldigung für diejenigen, die diesen Tod veranlasst haben. 2,24 unmöglich. Aufgrund seiner göttlichen Macht (Joh 11,25; Hebr 2,14) und der Verheißung und dem Ratschluss Gottes (Lk 24,46; Joh 2,1822; 1Kor 15,16-26), konnte der Tod Jesus nicht im Grab halten.
2,25 David nämlich sagt. Der Herr sprach durch David prophe- tisch von seiner Auferstehung (s. Anm. zu Ps 16,8-11).
2,27 Totenreich. Wörtl. »Hades«. Vgl. V. 31; s. Anm. zu Lk 16,23. Das ist im NT die Entsprechung zum alttestamentlichen Wort für »Grab« oder »Scheol«. Manchmal bezeichnet es die Hölle (Mt 11,23), doch hier ist damit allgemein der Ort gemeint, an den die Toten gelangen.
2,29 sein Grab ist unter uns. Als Erinnerung für die Juden, dass Davids Körper niemals auferstanden war und David selbst also nicht die Prophezeiung aus Ps 16 erfüllt hat.
2,30 Petrus legte die Bedeutung von Ps 16 aus und erklärte, dass sich diese Verse nicht auf David beziehen, sondern auf Jesus Christus. Christus sollte auferstehen und regieren (V. 30; vgl. Ps 2,1-9; 89,4). 2,30 Da er nun ein Prophet war. Petrus zitierte Ps 132,11. Als Sprachrohr Gottes wusste David, dass Gott seinen Eid erfüllen (2Sam 7,11-16) und der Christus kommen wird.
2,31 Petrus zitierte Ps 16,10.
2,32 hat Gott auferweckt. Vgl. V. 24; 10,40; 17,31; 1Kor 6,14; Eph 1,20. Dadurch hat er bestätigt, dass er Christi Werk am Kreuz angenommen und gutgeheißen hat. dafür sind wir alle Zeugen. Die Prediger der Urgemeinde verkündeten die Auferstehung (3,15.26; 4,10; 5,30; 10,40; 13,30.33.34.37; 17,31).
2,33 Nachdem Jesus auferstanden und in den Himmel aufgefahren war, hat Gott seine Verheißung erfüllt, den Heiligen Geist zu senden (vgl. Joh 7,39; Gal 3,14) und diesen Pfi ngsttag als einmaliges Ereignis der Heilsgeschichte festgesetzt. zur Rechten Gottes erhöht. S. Anm. zu 7,55.
2,34 Der Herr sprach zu meinem Herrn. Petrus zitierte einen wei- teren Psalm (Ps 110,1) über die Erhöhung des Messias durch die Auffahrt zur Rechten Gottes und erinnert seine Zuhörer, dass dies nicht von David erfüllt wurde (da die leibhaftige Auferstehung noch nicht geschehen war; s. Anm. zu V. 29), sondern von Jesus Christus (V. 36). Petrus war ein Augenzeuge dieser Himmelfahrt (1,9-11).
2,36 Petrus fasst seine Predigt mit einer vollmächtigen Aussage zu- sammen, die Gewissheit verleiht: Die Prophezeiung der Auferstehung und Erhöhung Christi im AT beweist mehr als überzeugend, dass der gekreuzigte Jesus der Messias ist. zum Herrn als auch zum Christus. Jesus ist sowohl Gott als auch der gesalbte Messias (vgl. Röm 1,4; 10,9; 1Kor 12,3; Phil 2,9.11).
2,37 drang es ihnen durchs Herz. Das gr. Wort für »drang« be- deutet »stach« oder »schnitt« und bezeichnet somit etwas Plötzliches und Unerwartetes. Petrus’ Zuhörer wurden von seiner Aussage ins Herz getroffen, dass sie ihren eigenen Messias umgebracht hatten, und daher waren sie betrübt, bußfertig und zutiefst geistlich überführt.
2,38 Tut Buße. Das bezeichnet eine Änderung des Sinnens und Trachtens, mit der sich ein Mensch von der Sünde weg- und zu Gott hinwendet (1Th 1,9). Zu einer solchen Veränderung gehört mehr als nur die Furcht vor den Konsequenzen des Gerichts Gottes. Wer echte Buße hat, sieht ein, dass er sich von dem Bösen der Sünde trennen und die Person und das Werk Jesu Christi – und ihn allein – völlig annehmen muss. Petrus forderte seine Zuhörer auf, Buße zu tun, denn anders konnten sie keine echte Bekehrung erleben (s. Anm. zu Mt 3,2; vgl. 3,19; 5,31; 8,22; 11,18; 17,30; 20,21; 26,20; Mt 4,17). lasse sich taufen. Dieses gr. Wort bedeutet wörtl. in Wasser »untertauchen«. Petrus gehorchte dem Befehl Jesu aus Mt 28,19 und drängte diejenigen, die Buße tun und sich zur Errettung zum Herrn Jesus Christus wenden wollten, sich durch die Wassertaufe mit seinem Tod, seinem Begräbnis und seiner Auferstehung zu identifi zieren (vgl. 19,5; Röm 6,3.4; 1Kor 12,13; Gal 3,27; s. Anm. zu Mt 3,2). Hier fordert zum ersten Mal ein Apostel öffentlich Menschen zu diesem Ritual auf. Zuvor hatten sich viele Juden von Johannes dem Täufer taufen lassen (s. Anm. zu Mt 3,13) und kannten außerdem die Taufe von heidnischen Konvertiten zum Judentum (Proselyten). auf den Namen Jesu Christi. Der Neubekehrte musste damit eine entscheidende, aber zugleich kostenaufwendige Identifi kation auf sich nehmen. zur Vergebung der Sünden. Richtiger übersetzt heißt es: »wegen der Vergebung der Sünden«. Die Taufe bewirkt keine Vergebung und Reinigung von Sünden. S. Anm. zu 1Pt 3,20.21. Die Vergebung muss vor dem Ritual der Taufe stattfi nden (V. 41). Bei echter Buße vergibt Gott die Sünden (vgl. Eph 1,7) und deshalb sollten sich die neuen Gläubigen taufen lasen. Die Taufe wurde jedoch zu einem feststehenden Gehorsamsakt und somit zum Synonym für die Errettung. Wenn man daher sagte, man sei »zur Vergebung getauft«, war das gleichbedeutend mit der Aussage, man sei errettet. S. Anm. zu »eine Taufe« in Eph 4,5. Jeder Gläubige hat volle Sündenvergebung (Mt 26,28; Lk 24,47; Eph 1,7; Kol 2,13; 1Joh2,12). die Gabe des Heiligen Geistes. S. Anm. zu 1,5.8.
2,39 die Verheißung. S. Anm. zu 1,4. allen, die ferne sind. Die Heiden, die ebenfalls am Segen des Heils teilhaben sollten (vgl. Eph 2,11-13). so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. Die Errettung geht letztendlich vom Herrn aus. S. Anm. zu Röm 3,24.
2,41 die nun bereitwillig sein Wort annahmen, ließen sich taufen. S. Anm. zu V. 38. 3 000. Dass Lukas eine bestimmte Anzahl angibt, lässt vermuten, dass über die Bekehrungen und Taufen Buch geführt wurde (s. Anm. zu V. 38). Archäologische Ausgrabungen an der Südseite des Tempelbergs haben zahlreiche jüdische Mikwaot zutage befördert. Das waren große taufbeckenartige Anlagen, wo sich jüdische Pilger selber untertauchten und sich dadurch rituell reinigten, bevor sie den Tempel betraten. Von diesen Becken existierten mehr als genug, um die große Anzahl von Taufen in relativ kurzer Zeit durchzuführen.
2,42 Lehre der Apostel. Die Schrift war die Grundlage für das geistliche Wachstum und die Reifung des Gläubigen. Sie war Gottes offenbarte Wahrheit, die die Apostel empfangen hatten (s. Anm. zu Joh 14,26; 15,26.27; 16,13) und kontinuierlich lehrten. S. Anm. zu 2Pt 1,19-21; 3,1.2.16. Gemeinschaft. Wörtl. »Partnerschaft« oder »Teilhabe«. Christen leben in Gemeinschaft mit Jesus Christus und mit allen anderen Gläubigen (1Joh1,3) und daher ist es ihre geistliche Pfl icht, sich gegenseitig zu Gerechtigkeit und Gehorsam zu motivieren (vgl. Röm 12,10; 13,8; 15,5; Gal 5,13; Eph 4,2.25; 5,21; Kol 3,9; 1Th 4,9; Hebr 3,13; 10,24.25; 1Pt 4,9.10). Brotbrechen. Das bezieht sich auf den Tisch des Herrn bzw. das Gemeinschaftsmahl. Für alle Christen ist es selbstverständlich, diesem Auftrag des Herrn nachzukommen (vgl. 1Kor 11,24-29). Gebeten. Das persönliche Gebet der einzelnen Gläubigen sowie das gemeinschaftliche Gebet der Gemeinde (s. 1,14.24; 4,24-31; vgl. Joh 14,13.14).
2,43 Wunder und Zeichen. S. Anm. zu V. 19. Im NT hatten nur die Apostel und ihre engsten Mitarbeiter die Fähigkeit, Wunder zu wirken (z.B. Philippus in 8,13; vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4). Die Wunder bewirkten beim Volk Ehrfurcht und Respekt vor der Macht Gottes.
2,44 alle Dinge gemeinsam. S. 4,32. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, dass die ersten Christen in einer Kommune lebten oder allen Besitz in einen gemeinsamen Topf gaben und gleichmäßig unter sich teilten, sondern dass sie auf ihren Besitz keinen besonderen Wert legten und bereit waren, ihn je nach Bedürfnis ohne weiteres für andere zu verwenden.
2,45 verkauften die Güter. Das zeigt, dass sie ihren Besitz nicht in einen gemeinsamen Topf gegeben hatten (s. Anm. zu V. 44), sondern ihn verkauften und somit Gelder für die bedürftigen Gläubigen verfügbar machten (vgl. V. 46; 4,34-37; 2Kor 8,13.14).
2,46 jeden Tag … im Tempel. Die Gläubigen gingen in den Tempel, um Gott zu preisen (V. 47), die tägliche Gebetszeit einzuhalten (vgl. 3,1) und das Evangelium zu bezeugen (V. 47; 5,42). brachen das Brot in den Häusern. Das bezieht sich auf das tägliche Teilen der Nahrungsmittel unter den Gläubigen. mit Frohlocken und in Einfalt des Herzens. Die Gemeinde in Jerusalem war voller Freude, weil sie sich ganz und gar auf Jesus Christus konzentrierte. S. Anm. zu 2Kor 11,3; Phil 3,13.14.
2,47 Der Herr aber tat … hinzu. Vgl. V. 39; 5,14. S. Anm. zu Mt 16,18. Die Errettung ist das souveräne Werk Gottes.
3,1 die neunte Stunde, da man zu beten pfl egte. 15.00 Uhr am Nachmittag. Die Juden hatten drei tägliche Gebetszeiten (Ps 55,18); die anderen beiden waren um 9.00 Uhr vormittags (die dritte Stunde) und 12.00 Uhr mittags (die sechste Stunde).
3,2 die Pforte des Tempels … die man »die Schöne« nennt. Eine große und verzierte Pforte im östlichen Teil des Tempelbezirks, die den Vorhof der Heiden vom Vorhof der Frauen trennte. Almosen. Eine mildtätige Geldspende.
3,3 in den Tempel. Bettler hielten den Tempel für den einträglichs- ten Ort ihrer Beschäftigung, da tagtäglich Menschenmengen vorbeikamen, die Gott mit ihren guten Werken beeindrucken wollten. Dazu gehörten auch Opfergaben für den Tempelschatz.
3,10 Schönen Pforte. S. Anm. zu V. 2.
3,11 Halle Salomos. Ein Säulengang, der entlang des Vorhofs der Heiden um den Tempel herumführte. Dort hatte Jesus einst über den guten Hirten gelehrt (Joh 10,23). Vgl. Jes 35,6.
3,13 Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs. Eine Bezeich- nung für Gott, mit der die jüdischen Zuhörer des Petrus vertraut waren (vgl. 2Mo 3,6.15; 1Kö 18,36; 1Chr 29,18; 2Chr 30,6; Mt 22,32). Mit diesem Ausdruck, der Gottes Bundestreue betont, verdeutlichte er, dass er denselben Gott und Messias verkündete, den die Propheten verkündet hatten. seinen Knecht Jesus. Die üblichere Lesart ist: »seinen Knecht Jesus«. Petrus beschrieb Jesus als persönlichen Repräsentanten Gottes. Das ist ein im NT ungewöhnlicher Titel für Jesus, der an nur vier anderen Stellen vorkommt (V. 26; 4,27.30; Mt 12,18), aber im AT eine wesentlich vertrautere Bezeichnung für den Messias ist (Jes 42,1-4.19; 49,5-7; s. Anm. zu 52,13-53,12; vgl. Mt 20,28; Joh 6,38; 8,28; 13,1-7). Pilatus … ihn freisprechen wollte. Pontius Pilatus, der römische Statthalter beim Prozess gegen Jesus, stammte aus einer nationalen Tradition, die sehr großen Wert auf juristische Gerechtigkeit legte (vgl. 16,37.38; 22,25-29; 25,16). Er wusste, dass die Kreuzigung Jesu ungerecht wäre und erklärte ihn deshalb sechsmal für unschuldig (Lk 23,4.14.15.22; Joh 18,38; 19,4.6) und versuchte wiederholte Male, ihn freizusprechen (Lk 23,13-22; s. Anm. zu Joh 19,12.13).
3,14 den Heiligen. Vgl. Ps 10,10; Lk 4,34; Joh 6,69. Gerechten. Vgl. 1Joh2,1. ein Mörder. Barabbas (Mt 27,16-21; Mk 15,11; Lk 23,18; Joh 18,40).
3,15 Fürsten des Lebens. Das gr. Wort für »Fürst« bedeutet Urheber, Pionier oder Gründer. In Hebr 2,10 und 12,2 ist es mit »Urheber« bzw. »Anfänger« übersetzt und beschreibt Jesus als den göttlichen Schöpfer des Lebens (vgl. Ps 36,10; Hebr 2,10; 12,2; 1Joh5,11.20). getötet … Gott aus den Toten auferweckt; dafür sind wir Zeugen. Pet rus’ freimütige und wirkungsvolle Erklärung (vgl. 1Kor 15,3-7) war eine klare Verteidigung der Auferstehung Jesu und führte weitere Beweise für diese Tatsache an. Petrus’ Aussage, dass Christus auferstanden ist, war unbestreitbar, denn die Juden konnten niemals einen Gegenbeweis erbringen, indem sie beispielsweise den Leichnam Jesu gefunden hätten.
3,18 durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündig- te. Vgl. 1Mo 3,15; Ps 22; Jes 53; Sach 12,10.
3,19 Zeiten der Erquickung … Zeiten der Wiederherstel- lung. »Zeiten« sind Zeitalter, Epochen oder Perioden. Hier werden zwei Beschreibungen für das künftige Zeitalter des Tausendjährigen Reiches angeführt. Das wird daraus deutlich, dass zwischen diesen Beschreibungen Jesus Christus als derjenige genannt wird, der von Gott gesandt wurde, um diese Zeiten herbeizuführen. Petrus spricht hier von Christi irdischer Herrschaft (s. Anm. zu 1,7; vgl. Röm 11,26). Dieses Zeitalter wird gekennzeichnet sein von allen Arten von Segnungen und Erneuerungen (vgl. Jes 11,6-10; 35,1-10; Hes 34,26; 44,3; Joel 2,26; Mt 19,28; Offb 19,1-10). 3,19 tut nun Buße und bekehrt euch. S. Anm. zu 2,38; Mt 3,2. Das Wort »bekehren« kommt im NT häufi g vor und bezeichnet die Hinwendung des Sünders zu Gott (9,35; 14,15; 26,18.20; Lk 1,16.17; 2Kor 3,16; 1Pt 2,25). eure Sünden ausgetilgt. Vgl. Ps 51,11; Jes 43,25; 44,22. »Austilgen« vergleicht Vergebung mit dem vollständigen Auslöschen von Tinte von der Oberfl äche eines Schriftstücks (Kol 2,14).
3,22 Ein Zitat aus 5Mo 18,15. Moses wurde von den Juden als ihr erster und größter Prophet in Ehren gehalten und die Juden glaubten, dass »ein Prophet wie mich« sich auf den Messias bezieht.
3,23 Ein Zitat aus 5Mo 18,19; vgl. 3Mo 23,29. Petrus’ Zuhörer be- fanden sich in der Gefahr, ihre Bundessegnungen zu verlieren, indem sie den Messias verwarfen.
3,24 Propheten, von Samuel an. Samuel wird im AT als Pro- phet bezeichnet (1Sam 3,20). Obwohl er nicht direkt über Christus prophezeite, salbte er David als König und sprach von seinem Königreich (1Sam 13,14; 15,28; 16,13; 28,17). Die Verheißungen an David wurden bzw. werden erst in Christus erfüllt (vgl. 2Sam 7,10-16).
3,25 in deinen Samen. Ein Zitat aus 1Mo 22,18; 26,4. Jesus Christus war die letztendliche Erfüllung des abrahamitischen Bundes und dessen Segnungen (Gal 3,16), die den Juden immer noch zur Verfügung stehen.
3,26 Gott … erweckte. S. Anm. zu 2,32. seinen Knecht. S. Anm. zu V. 13.
4,1 Priester. Das Priesteramt begann im AT mit Aaron und seinen Söhnen (3Mo 8). Sie waren die menschlichen Vermittler zwischen dem heiligen Gott und den sündigen Menschen und zeichneten sich durch drei Eigenschaften aus: 1.) Sie waren von Gott zum Priesterdienst erwählt und ausgesondert; 2.) sie mussten in ihrem Charakter heilig sein und 3.) nur ihnen war erlaubt, sich am Großen Versöhnungstag für das Volk bei Gott zu verwenden, und zwar zusammen mit dem Hohenpriester als entscheidendem Mittelsmann (3Mo 16). Vgl. 4Mo 16,5. Hauptmann des Tempels. Der Leiter der Tempelpolizei (die aus Leviten bestand) und zweithöchster Funktionär nach dem Hohenpriester. Die Römer hatten die Kontrolle über den Tempel an die Juden delegiert. Sadduzäer. S. Anm. zu 23,8; Mt 3,7.
4,2 in Jesus die Auferstehung aus den Toten verkündigten. Dar war für die führenden Juden der anstößigste Teil der Botschaft der Apostel. Diese Führer hatten Jesus als Gotteslästerer hingerichtet – und jetzt verkündeten Petrus und Johannes seine Auferstehung.
4,3 schon Abend. Die Juden behielten Petrus und Johannes über Nacht im Gefängnis, da das jüdische Gesetz keine nächtlichen Prozesse erlaubte. Um den Sanhedrin einzuberufen, war es an diesem Nachmittag bereits zu spät (s. Anm. zu V. 15) und so wurden die Apostel erst am nächsten Tag vor dem Hohen Rat verhört.
4,4 5 000. Das ist nicht die Anzahl derer, die sich bei Petrus’ letzter Botschaft bekehrten, sondern die Gesamtsumme von Männern in der Jerusalemer Gemeinde zu diesem Zeitpunkt.
4,5 Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten. Der Sanhed- rin, das führende Gremium der Juden, setzte sich aus diesen Gruppen zusammen (s. Anm. zu V. 15).
4,6 Hannas … Kajaphas. S. Anm. zu Joh 18,13. Obwohl Hannas (6-15 n.Chr.) abgesetzt worden war und Kajaphas als neuer Hoherpriester amtierte (18-36 n.Chr.), behielt Hannas diesen Titel bei und übte großen Einfl uss aus. Johannes und Alexander. Es ist unsicher, wer sie waren. »Johannes« könnte eine alternative Lesart für »Jonathan« sein, einer von Hannas’ Söhnen und späterer Nachfolger von Kajaphas im Hohenpriesteramt (ab 36 n.Chr.).
4,8 Petrus klagte den Sanhedrin an und verkündete das Evan- gelium vor denselben Männern, die Jesus verurteilt und sich selber zu Feinden Gottes gemacht hatten. 4,8 vom Heiligen Geist erfüllt. S. Anm. zu 2,4. Da Petrus vom Hei- ligen Geist beherrscht und geleitet wurde, konnte er die Verfolgung verkraften und das Evangelium vollmächtig verkünden (vgl. Lk 12,11.12). Obersten … Ältesten. S. Anm. zu V. 5. 4,11 verworfen … zum Eckstein. Ein Zitat aus Ps 118,22 (s. Anm. dort); vgl. Eph 2,19-22; 1Pt 2,4-8.
4,12 kein anderer Name. Das weist darauf hin, dass Errettung ein- zig und allein durch Glauben an Jesus Christus erlangt werden kann und alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen sind. Es gibt nur zwei Wege unter allen Religionen: Den breiten Weg der vermeintlichen Errettung aus Werken, der zum ewigen Tod führt, und den schmalen Weg des Glaubens an Jesus, der zum ewigen Leben führt (Mt 7,13.14; vgl. Joh 10,7.8; 14,6). Leider waren der Sanhedrin und seine Anhänger auf dem ersteren Weg.
4,13 ungelehrte Leute und Laien. Petrus und Johannes hatten keine Ausbildung in den rabbinischen Schulen genossen und konnten keine Titel in AT-Theologie vorweisen.
4,15 Es wäre riskant gewesen, die beiden Apostel zu züchtigen, da sie gegen keine Gesetze verstoßen und ein Wunder gewirkt hatten, das die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt auf sich gezogen hatte. Doch der Sanhedrin war überzeugt, er müsse die Verkündigung der vorwurfsvollen Wahrheit verhindern, dieser Hohe Rat habe den Messias hinrichten lassen. 4,15 Hohen Rat. Der Sanhedrin, die Regierungsbehörde und der oberste Gerichtshof der Juden. Er hatte 71 Mitglieder, einschließlich des Hohenpriesters (s. Anm. zu V. 5).
4,19 euch mehr zu gehorchen als Gott. Christen sollten der Re- gierung Gehorsam leisten (Röm 13,1-7; 1Pt 2,13-17), aber wenn die Bestimmungen der Regierung eindeutig gegen Gottes Wort verstoßen, müssen sie Gott gehorchen (vgl. 2Mo 1,15-17; Dan 6,5-11).
4,23 obersten Priester. Eine kleine Gruppe innerhalb des Sanhe- drins (s. Anm. zu V. 15), die sich zusammensetzte aus den ehemaligen Hohenpriestern und Mitgliedern der einfl ussreichen Priesterfamilien (s. Anm. zu Mt 2,4). Ältesten. S. Anm. zu V. 5.
4,24 Die anderen Jünger ließen sich durch Petrus’ und Johan- nes’ Erfahrung nicht beängstigen oder entmutigen, sondern freuten sich darüber. Sie vertrauten, dass Gott alles souverän in seiner Hand hält, einschließlich ihrer Leiden. Außerdem trösteten sie sich damit, dass der Widerstand, den sie erlitten, im AT bereits vorausgesagt war (V. 25.26). 4,24 Herr. Das gr. Wort ist im NT ein ungebräuchlicher Titel für Gott und bedeutet »absoluter Meister« (Lk 2,29; 2Tim 2,21; 2Pt 2,1; Jud 4; Offb 6,10). Das zeigt, wie sehr die Jünger die Souveränität Gottes anerkannten.
4,25 durch den Mund deines Knechtes David. S. Anm. zu 1,16. In den jüngsten Ereignissen sahen die Jünger eine Erfüllung der Verse Ps
2,1 der Tag der Pfi ngsten. »Pfi ngsten« bedeutet »Fünfzigster« und bezeichnet das »Fest der Wochen« (2Mo 34,22.23) oder »Erntefest« (3Mo 23,16), das 50 Tage nach dem Passah im Mai/Juni gefeiert wurde (3Mo 23,15-22). Es war eins von drei alljährlichen Festen, zu denen das ganze Volk nach Jerusalem kommen musste (s. Anm. zu 2Mo 23,14-19). Am Pfi ngsttag wurde ein Opfer der Erstlingsfrucht dargebracht (3Mo 23,20). Der Heilige Geist kam an diesem Tag als Erstlingsfrucht des Erbes der Gläubigen (vgl. 2Kor 5,5; Eph 1,11.14). Die Gläubigen, die an diesem Tag zur Gemeinde vereint wurden, waren außerdem die Erstlingsfrucht der vollen Ernte aller Gläubigen, die noch folgen sollten. einmütig beisammen. Im Obersaal, der in 1,13 erwähnt wird. 2,1 die hier zitiert werden.
4,28 deine Hand und dein Ratschluss. Gott hat die ganze Ge- schichtsschreibung gemäß seines Planes ausgeführt. Die Kreuzigung Jesu war keine Ausnahme (s. Anm. zu 2,23; vgl. Röm 8,29.30; 1Kor 2,7; Eph 1,5-11).
4,30 Zeichen und Wunder. S. Anm. zu 2,19. heiligen Knechtes. S. Anm. zu 3,13.
4,31 erbebte die Stätte. Wie bereits am Pfi ngsttag zeigte auch hier ein wahrnehmbares Phänomen die Gegenwart des Heiligen Geistes an (s. Anm. zu 2,2.3). mit Heiligem Geist erfüllt. S. Anm. zu V. 8; 2,4.
4,32 alle Dinge waren ihnen gemeinsam. S. Anm. zu 2,44- 46. Die Gläubigen verstanden, dass sie mit allem, was sie hatten, Gott gehörten. Wenn also ein Bruder oder eine Schwester etwas brauchte, waren diejenigen, die das Benötigte geben konnten, dazu verpfl ichtet, dies auch zu tun (vgl. Jak 2,15.16; 1Joh3,17). Dabei gingen sie so vor, dass sie das Geld zunächst zu den Aposteln brachten und diese es weiter verteilten (V. 35.37).
4,33 Zeugnis von der Auferstehung. S. Anm. zu 1,22. große Gnade. Das bedeutet »Gunst« und hat hier eine zweifache Bedeutung: 1.) Gunst von den Menschen außerhalb der Gemeinde. Die Außenstehenden waren beeindruckt von der Liebe und Einheit der Gläubigen (vgl. 2,47); und 2.) Gunst von Gott, der reichen Segen gewährte.
4,36 Joses … Barnabas … ein Levit. Lukas stellt Barnabas als ein Paradebeispiel derer vor, die die Einnahmen von ihrem veräußerten Besitz spendeten. Barnabas gehörte zum priesterlichen Stamm der Leviten und kam gebürtig von der Insel Cypern. Er wurde später in der Apostelgeschichte ein Begleiter des Paulus und eine herausragende Gestalt (vgl. 9,26.27; 11,22-24.30; Kap. 13-15). Zypern. Die drittgrößte Insel im Mittelmeer nach Sizilien und Sardinien. Sie liegt knapp 100 km westlich der syrischen Küste (s. Anm. zu 13,4).
4,37 besaß einen Acker und verkaufte ihn. Im AT war es Leviten verboten, Ländereien in Israel zu besitzen (4Mo 18,20.24; 5Mo 10,9), doch dieses Gesetz war offenbar nicht mehr in Kraft. Möglicherweise befand sich das Landstück aber auf Cypern.
5,1 Ananias … Saphira. Dieses Paar ist das klassische Beispiel für Heuchelei unter Christen, die Geistlichkeit vortäuschen, um andere zu beeindrucken (vgl. Mt 6,1-6.16-18; 15,7; 23,13-36). Sie gehörten zur »Menge der Gläubigen« (4,32) und hatten eine Beziehung zum Heiligen Geist (V. 3) und doch blieben sie Heuchler.
5,2 schaffte etwas von dem Erlös für sich beiseite. Die Tat an sich war keine Sünde. Doch hatten die beiden – vielleicht vorschnell – versprochen, den gesamten Erlös dem Herrn zu geben. Die äußerliche Sünde war ihre Lüge bezüglich des Umfangs des Betrages, den sie der Gemeinde geben wollten, doch die tiefere, schlimmere Sünde war ihre geistliche Heuchelei, die auf Selbstsucht basierte.
5,3 Satan dein Herz erfüllt. Im Gegensatz zu Barnabas’ vom Hei- ligen Geist geleitetem Verhalten waren Ananias und Saphira vom Satan inspiriert (4,37). 5,3 den Heiligen Geist belogen. Ananias muss offenbar dem Herrn versprochen haben, den gesamten Betrag abzuliefern. Er belog den Heiligen Geist, der in ihm wohnte (1Kor 6,19.20) und in der Gemeinde gegenwärtig war (Eph 2,21.22).
5,5 große Furcht. S. V. 11. Sie fürchteten sich, weil Heuchelei und Sünde in der Gemeinde solch schlimme Konsequenzen hat. Die Menschen lernten daraus, dass der Tod die Konsequenz von Sünde sein kann (s. 1Kor 11,30-32; 1Joh5,16). Diese Furcht traf nicht nur die unmittelbaren Augenzeugen, sondern alle, die von diesem Gericht Gottes erfuhren (V. 11). Vgl. 1Pt 3,10; 4,17.
5,6 Die Juden balsamierten ihre Toten nicht ein, sondern begru- ben sie gewöhnlich noch am selben Tag, insbesondere wenn jemand durch einen Gerichtsschlag Gottes getötet wurde (s. 5Mo 21,22.23).
5,9 den Geist des Herrn zu versuchen. Saphira war davon ausge- gangen, dass Gott nachsichtig ist, aber damit war sie zu weit gegangen. Nun musste demonstriert werden, wie töricht und sündig eine solche dreiste Mutmaßung ist und so erlitt auch sie Gottes Zuchtmaßnahme.
5,11 Gemeinde. Das ist das erste Vorkommen des Wortes »Gemein- de« in der Apostelgeschichte, wenngleich es die üblichste Bezeichnung für die Versammlung der Gläubigen ist (vgl. 4,32).
5,12 Zeichen und Wunder. S. Anm. zu 2,19. Halle Salomos. S. Anm. zu 3,11.
5,13 wagte keiner sich ihnen anzuschließen. S. Anm. zu V. 5. Diese Ungläubigen hatten Respekt vor den Jüngern Jesu, doch fürchteten sie sich davor, als Gemeindeglieder möglicherweise sterben zu müssen.
5,14 eine Menge von Männern und Frauen. Einerseits hielten sich die Ungläubigen von ihnen fern, weil sie die Konsequenzen der Sünde fürchteten, doch andererseits hörten große Mengen das Evangelium, wurden mit Freuden gläubig und schlossen sich der Gemeinde an.
5,15 Petrus … Schatten. Die Leute glaubten wirklich, Petrus habe eine göttliche Heilungskraft und sie könnten sogar durch seinen Schatten geheilt werden (vgl. 3,1-10). Doch die Bibel sagt nicht, dass jemals jemand durch Petrus’ Schatten geheilt wurde. Vielmehr erstreckte sich Gottes heilende Kraft offenbar weit über Petrus’ Schatten hinaus (V. 16, »viele … alle wurden geheilt«). Diese vielen Heilungen waren eine Erhörung des Gebetes aus 4,29.30.
5,16 unreinen Geistern. Vgl. Mt 10,1; 12,43-45; Mk 1,23-27; 5,1- 13; 6,7; 9,25; Lk 4,36; 8,29; 9,42. Das sind Dämonen, gefallene Engel (Offb 12,3), die wegen ihrer gemeinen Bosheit so bezeichnet werden. Sie leben häufi g in Ungläubigen, insbesondere in solchen Menschen, die ihrer verdorbenen Natur freien Lauf lassen.
5,17 Hohepriester. S. Anm. zu 4,6. Hier kann sich der Titel entwe- der auf Hannas (vgl. 4,6) oder auf Kajaphas beziehen. Sadduzäer. S. Anm. zu 23,8; Mt 3,7.
5,18 in öffentlichen Gewahrsam. Das öffentliche Gefängnis.
5,19 ein Engel des Herrn. Dieses Wesen darf nicht verwechselt werden mit dem »Engel des Herrn« im AT (s. Anm. zu 2Mo 3,2). 5,20 Worte dieses Lebens. Das Evangelium (vgl. Phil 2,16; 1Joh1,1-4). Jesus Christus kam in diese Welt und bot geistlich Toten überströmendes und ewiges Leben an (vgl. Joh 1,4; 11,25; 1Joh5,20). 5,28 Lehre. Das Evangelium von Jesus Christus (s. Anm. zu 2,14-40; 4,12.13). das Blut dieses Menschen auf uns. Der Sanhedrin hatte offenbar die kühne Aussage seiner Anhänger vergessen, die sie vor Pilatus gemacht hatten: Die Verantwortung für Jesu Tod sollte auf sie und auf ihre Kinder kommen (Mt 27,25).
5,29 Gott mehr gehorchen als den Menschen. S. Anm. zu 4,19.
5,30 ans Holz gehängt. Vgl. 5Mo 21,23; Gal 3,13.
5,31 Fürsten. S. Anm. zu 3,15. zu seiner Rechten erhöht. S. Anm. zu 1,9; Mk 6,19; Phil 2,9-11. um Israel Buße … zu gewähren. Errettung für die Juden. Die Errettung erfordert Buße (vgl. 2,38; 3,19; 17,30; 20,21; 26,20). Zum Wesen von Buße s. Anm. zu 2Kor 7,9-12.
5,32 auch der Heilige Geist. Jeder Gläubige empfängt den Heili- gen Geist in dem Augenblick, wenn er dem Evangelium gehorcht und somit gerettet wird (s. Anm. zu 2,4; vgl. Röm 8,9; 1Kor 6,19.20).
5,34 Gamaliel. Wie sein Großvater, der berühmte Rabbi Hillel, war Gamaliel der bekannteste Rabbi seiner Zeit. Er führte die liberale Fraktion der Pharisäer an. Sein berühmtester Schüler war der Apostel Paulus (22,3).
5,36 Theudas. Ein ansonsten unbekannter Jude, der zu Beginn des 1. Jhdts. einen Aufstand in Judäa angeführt hatte. Er darf nicht verwechselt werden mit dem späteren Theudas, den Josephus als Revolutionär erwähnt.
5,37 trat Judas der Galiläer auf. Der Gründer der Zeloten, der eine andere Revolte in Palästina Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. anführte. Die Zeloten waren eine jüdische Gruppierung von fanatischen Nationalisten, die glaubten, die römische Besatzungsmacht in Judäa müsse mit radikalen Methoden gestürzt werden. Sie versuchten sogar, gegen Rom die Waffen zu ergreifen. Tagen der Volkszählung. Eine Volkszählung, die Quirinius als Statthalter von Syrien im Jahr 6-7 n.Chr. verordnet hatte (vgl. Lk 2,2).
5,38 Die Mitglieder des Sanhedrins hörten auf Gamaliels Rat. Doch aufgrund der Schrift hätte Gamaliel entschiedener und weniger pragmatisch sein und Jesus als den auferstandenen Messias annehmen müssen.
5,40 gaben ihnen Schläge. Die Apostel wurden zu Unrecht ausge- peitscht, wahrscheinlich mit 39 Schlägen. Mit dieser Zahl vermied man üblicherweise, versehentlich die alttestamentliche Beschränkung von 40 Schlägen zu überschreiten (vgl. 5Mo 25,3).
6,1 als die Zahl der Jünger wuchs. S. Anm. zu 4,4. Die Gemeinde wuchs möglicherweise auf über 20.000 Männer und Frauen an. Hellenisten … Hebräer. »Hebräer« waren die in Judäa geborenen Juden, und Hellenisten waren Juden aus der Diaspora. Da die Hellenisten Teile der gr. Kultur übernommen hatten, waren sie den einheimischen Juden verdächtig. Witwen … übersehen wurden. Die Hellenisten meinten, ihre Witwen würden nicht angemessen an der Lebensmittelverteilung beteiligt, die die Gemeinde zur Versorgung der Bedürftigen anbot (vgl. 1Tim 5,3-16).
6,2 Tischen zu dienen. Das Wort »Tische« kann sich auf Tische be- ziehen, die für Geldangelegenheiten verwendet wurden (vgl. Mt 21,12; Mk 11,15; Joh 2,15) oder auch auf Tische zum Servieren von Mahlzeiten. Jedenfalls hätte es die Zwölf von ihren vorrangigen Aufgaben abgelenkt, wenn sie sich um einen dieser beiden Bereiche hätten kümmern müssen (s. Anm. zu V. 4).
6,3 sieben Männern. Das waren keine Diakone im Sinne des spä- teren Gemeindeamtes (1Tim 3,8-13), obgleich sie zum Teil dieselben Aufgaben hatten wie diese Amtsinhaber. Stephanus und Philippus (die einzigen der 7, die auch noch an anderer Stelle der Schrift erwähnt werden) waren eindeutig Evangelisten und nicht Diakone. Die Apostelgeschichte spricht später von Ältesten (14,23; 20,17), aber nicht von Diakonen. Daher bestand das dauerhafte Amt von Diakonen zu dieser Zeit anscheinend noch nicht. voll Heiligen Geistes. Vgl. V. 5; s. Anm. zu 2,4. 6,4 Gebet und Dienst des Wortes (vgl. V. 2) sind die vornehmsten Aufgaben für Gemeindeleiter.
6,5 Die 7 Männer, die die Gemeinde erwählte, hatten alle griechi- sche Namen, was bedeutet, dass sie Hellenisten waren. Möglicherweise entschied sich die Gemeinde für sie als Ausdruck der Liebe und Einheit, um so die offensichtliche Unausgewogenheit hinsichtlich der hellenistischen Witwen auszugleichen. sie erwählten Stephanus … Nikolaus. Zu Stephanus’ Dienst s. 6,9-7,60. Sein Märtyrertod löste die Verbreitung des Evangeliums über Judäa hinaus aus (8,1-4; 11,19). Auch Philippus spielte eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung des Evangeliums (vgl. 8,424.26-40). Über die anderen fünf ist nichts Näheres bekannt. Einer alten Überlieferung zufolge wurde Prochorus der Sekretär des Apostels Johannes, als dieser sein Evangelium schrieb. Nikolaus war ein heidnischer Konvertit zum Judentum aus Antiochia.
6,6 beteten und legten ihnen die Hände auf. Dieses Zeichen wur- de von Jesus bei seinen Heilungen angewendet (Mk 6,5; Lk 4,40; 13,13; vgl. 28,8) Im AT legten die Opfernden den Opfertieren die Hände auf und drückten damit die Identifi kation mit dem Opfer aus (3Mo 8,14.18.22; Hebr 6,2). Doch im symbolischen Sinne bedeutet die Handaufl egung, dass man eine Person und ihren Dienst bestätigt, unterstützt und sich damit identifi ziert. S. 1Tim 4,14; 5,22; 2Tim 1,6; vgl. 4Mo 27,23.
6,7 Eine von Lukas’ häufi gen zusammenfassenden Aussagen über das Wachstum der Gemeinde und die Ausbreitung des Evangeliums (vgl. 2,41.47; 4,4; 5,14; 9,31; 12,24; 13,49; 16,5; 19,20). eine große Zahl von Priestern. Die Bekehrung einer großen Zahl von Priestern kann ausschlaggebend gewesen sein für den gewalttätigen Widerstand gegen Stephanus. dem Glauben gehorsam. S. Anm. zu Röm 1,5.
6,8 Wunder und große Zeichen. S. Anm. zu 2,19.
6,9 Dieser Vers beschreibt anscheinend drei Synagogen: die Synagoge der Libertiner, eine zweite Synagoge, die sich aus Kyrenäern und Alexandrinern zusammensetzte, und eine dritte aus Juden aus Cilicien und Asien. Aufgrund der kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen diesen drei Gruppen ist es unwahrscheinlich, dass sie alle ein und dieselbe Synagoge besuchten. Synagoge. Das waren die Versammlungsstätten, die in der Zeit zwischen den Testamenten aufgekommen waren, als die zerstreuten Juden (üblicherweise Hellenisten), die den Tempel nicht aufsuchen konnten, sich an ihrem Wohnort trafen, um Gott anzubeten und das AT zu lesen. S. Anm. zu Mk 1,21. Libertiner. Nachkommen von jüdischen Sklaven, die von Pompejus gefangen genommen (63 v.Chr.) und nach Rom weggeführt worden waren. Später wurden sie freigelassen und bildeten eine jüdische Gemeinschaft in Rom. Kyrenäer. Männer aus Kyrene, einer Stadt in Nordafrika. Simon, den die Römer gezwungen hatten, Jesu Kreuz zu tragen, kam gebürtig aus Kyrene (Lk 23,26). Alexandriner. Alexandria war ebenfalls eine nordafrikanische Stadt in der Nähe der Nilmündung. Der vollmächtige Prediger Apollos kam aus Alexandria (s. Anm. zu 18,24). Cilicien und Asia Römische Provinzen in Kleinasien (der heutigen Türkei). Da Paulus’ Heimatstadt Tarsus in Cilicien lag, besuchte er wahrscheinlich diese Synagoge. stritten mit Stephanus. Das gr. Wort für »streiten« bezeichnet eine mündliche Auseinandersetzung. Zweifellos diskutierten sie über solche Themen wie den Tod und die Auferstehung Jesu und über die Beweise aus dem AT, dass Jesus der Messias war.
6,11 Lästerworte … gegen Mose und Gott. Da seine Gegner in der öffentlichen Debatte gegen Stephanus nicht die Oberhand gewinnen konnten, griffen sie zu Betrug und Verschwörung. Wie bereits bei Jesus (Mt 26,59-61) bestachen sie heimlich falsche Zeugen, um Lügen über Stephanus zu verbreiten. Es waren schwere Anklagen, denn auf Gotteslästerung stand die Todesstrafe (3Mo 24,16).
6,14 Jesus, der Nazarener, wird diese Stätte zerstören. Noch eine Lüge, denn Jesu Aussage (Joh 2,19) bezog sich auf seinen eigenen Leib (Joh 2,21).
6,15 Angesicht … eines Engels. Lauter, ruhig und von unerschüt- terlicher Gelassenheit spiegelte er die Gegenwart Gottes wider (vgl. 2Mo 34,29-35). 7,1 Hohepriester. S. Anm. zu 4,6. Wahrscheinlich Kajaphas (s. Anm. zu Joh 18,13), der dieses Amt bis 36 n.Chr. innehatte. Verhält sich denn dies so? Anders ausgedrückt: »Was haben Sie darauf zu erwidern?«
7,2 Anscheinend beantwortete Stephanus die Frage des Hohen- priesters nicht. Stattdessen präsentiert er eine meisterhafte, detaillierte Verteidigung des christlichen Glaubens aus dem AT und schließt mit einer Verurteilung der führenden Juden, weil sie Jesus verworfen haben. 7,2 Der Gott der Herrlichkeit. Ein Titel Gottes, der nur hier und in Ps 29,3 verwendet wird. Gottes Herrlichkeit ist die Summe seiner Eigenschaften (s. Anm. zu 2Mo 33,18.19). Abraham … Mesopotamien … bevor er in Haran wohnte. 1Mo 12,1-4 spricht von dieser Wiederholung der Berufung, nachdem Abraham sich in Haran niedergelassen hatte (ca. 800 km nordwestlich von Ur). Offenbar hatte Gott Abraham ursprünglich berufen, als dieser noch in Ur lebte (vgl. 1Mo 15,7; Neh 9,7) und wiederholte dann diesen Ruf in Haran (s. Anm. zu 1Mo 11,31-12,3).
7,3 Ein Zitat aus 1Mo 12,1.
7,4 Land der Chaldäer. Dort lag Abrahams ursprüngliche Heimat- stadt Ur (1Mo 11,28.31; 15,7; Neh 9,7). nach dem Tod seines Vaters. Auf den ersten Blick besagen 1Mo 11,26.32 und 12,4 scheinbar, dass Terach nach Abrahams Wegzug aus Haran noch 60 Jahre lebte. Terach war 70, als sein ältester Sohn geboren wurde (1Mo 11,26), und Abraham verließ Haran mit 75 (1Mo 12,4; Terach wäre dann 145 gewesen); Terach wurde aber 205 Jahre alt (1Mo 11,32). Die beste Lösung für diesen scheinbaren Konfl ikt ist, dass Abraham nicht Terachs erstgeborener Sohn war, sondern nur als erster erwähnt wird (1Mo 11,26), weil er der bekannteste seiner Söhne ist. Demnach wurde Abraham geboren, als Terach 130 war.
7,5 Ein Zitat aus 1Mo 17,8; 48,4.
7,6 400 Jahre lang. Das ist direkt aus 1Mo 15,13.14 entnommen, wo Gott selbst die exakte Zahl der Jahre Israels in Ägypten abrundet (430 Jahre, 2Mo 12,40).
7,7 Ein Zitat aus 2Mo 3,12.
7,8 Bund der Beschneidung. Die Beschneidung war das Zeichen des abrahamitischen Bundes (s. Anm. zu 1Mo 17,11). zwölf Patriarchen. Die 12 Söhne Jakobs, die zu den Stammvätern der 12 Stämme Israels wurden (1Mo 35,22-26).
7,13 zweiten Mal. Joseph offenbarte sich seinen Brüdern bei ihrer zweiten Reise nach Ägypten, wo sie Getreide kaufen wollten (1Mo 43,13; 45,1-3).
7,14 Jakob … und seine ganze Verwandtschaft von 75 Seelen. 1Mo 46,26.27; 2Mo 1,5; 5Mo 10,22 geben eine Zahl von 70 Person an. Die LXX (die gr. Übersetzung des AT, die Stephanus als Hellenist sicherlich benutzt hat) liest in 1Mo 46,27 jedoch »fünfundsiebzig«. Die fünf weiteren Personen waren die in Ägypten geborenen Nachkommen Josephs. S. Anm. zu 1Mo 46,26.27.
7,16 sie wurden … in das Grab gelegt. »Sie« bezieht sich auf Joseph (Jos 24,32) und seine Brüder, aber nicht auf Jakob, der in Abrahams Grab in Machpelah bestattet wurde (1Mo 50,13). das Abraham … gekauft hatte. Jos 24,32 sagt, dass Jakob dieses Grab gekauft hatte, wenngleich Abraham bereits einen Altar in Sichem errichtet hatte (1Mo 12,6.7) und wahrscheinlich das Landstück, auf dem er ihn baute, erworben hatte. Abraham siedelte dort jedoch nicht und so fi el das Land an die Bewohner Hamors zurück. Dann erwarb Jakob das Land wiederum von Sichem (1Mo 33,18-20), ähnlich wie Isaak den Brunnen in Beerseba zurückkaufte (1Mo 26,28-31), den einst Abraham gegraben hatte (1Mo 21,27-30). Es ist klar, dass Joseph in Sichem begraben wurde, wie er es erbeten hatte (1Mo 50,25; 2Mo 13,19; Jos 24,32). Das AT sagt nicht, wann Josephs Brüder begraben wurden, aber Stephanus offenbart hier, dass auch ihr Grab in Sichem ist.
7,18 König … der Joseph nicht kannte. S. Anm. zu 2Mo 1,8.
7,19 ihre Kinder auszusetzen. Nur die männlichen Säuglinge (2Mo 1,15-22).
7,20 Mose … ausgesetzt wurde. In Gottes Vorsehung wurde er jedoch von Pharaos Tochter gerettet. S. Anm. zu 2Mo 2,5-10.
7,23 40 Jahre alt. Moses Leben lässt sich in drei Abschnitte von jeweils 40 Jahren unterteilen. Die ersten 40 Jahre umfassen seine Jugend und seine Zeit am Hof des Pharao, der zweite Abschnitt ist sein Exil in Midian (V. 29.30) und der dritte Lebensabschnitt dreht sich um die Ereignisse von Israels Exodus und Wüstenwanderung (V. 36).
7,27 Vgl. V. 35. Ein Zitat aus 2Mo 2,14.
7,29 fl oh … Midian. Weil er befürchtete, Pharao könnte von sei- nem Totschlag des Ägypters erfahren (V. 28) und ihn als Anführer einer Rebellion der Juden ansehen. zwei Söhne. Gersom (2Mo 2,22) und Elieser (2Mo 18,4).
7,30 Berges Sinai. S. Anm. zu 2Mo 19,3-10. Engel des Herrn. S. Anm. zu 2Mo 3,2.
7,32 Ein Zitat aus 2Mo 3,6.15.
7,33 Ein Zitat aus 2Mo 3,5.
7,34 Ein Zitat aus 2Mo 3,7.8.
7,35 Wer hat dich … eingesetzt. Ein Zitat aus 2Mo 2,14. diesen sandte Gott als Obersten und Erlöser. Damit begann Israels lange Geschichte des Verwerfens ihrer von Gott gesandten Befreier (vgl. Mt 21,33-46; 23,37). Engels. Der Engel des Herrn (V. 30). S. Anm. zu 2Mo 3,2.
7,36 Wunder und Zeichen. Die zehn Plagen in Ägypten und die Wunder der Wüstenwanderung (z.B. die Teilung des Roten Meers, 2Mo 14,1-31; das Wunder der Wasserversorgung in Rephidim, 2Mo 17,1-7; und die Vernichtung von Korah, Datan und Abiram, 4Mo 16,1-17,5). S. Anm. zu 2,19.
7,37 Einen Propheten wie mich. Ein Zitat aus 5Mo 18,15; ein Hinweis auf den Messias (vgl. Joh 1,21.25; 6,14; 7,40). 7,38 Gemeinde in der Wüste. Israel (vgl. 2Mo 12,3.6.19.47; 16,1.2.9.10; 17,1; 35,1; 3Mo 4,13; 16,5; 4Mo 1,2; 8,9; 13,26; 14,2; Jos 18,1). Engel … auf dem Berg Sinai. Das ist höchstwahrscheinlich der Engel des Herrn (V. 30.35), dem eine große Engelschar diente (vgl. 5Mo 33,3; Gal 3,19; Hebr 2,2). S. Anm. zu V. 53. lebendige Worte. Das Gesetz, das Mose von Gott durch den Engel des Herrn und ein ganzes Heer von Engeln empfi ng (vgl. Hebr 4,12; 1Pt 1,23).
7,39 nicht gehorsam sein wollten. Israel verwarf Mose als Führer und sehnte sich nach der Sklaverei in Ägypten zurück (vgl. 4Mo 11,5).
7,40 Mache uns Götter. Eine von Menschen gemachte Darstellung des wahren Gottes (2Mo 32,1-5), die verboten war (2Mo 20,4). Ein Zitat aus 2Mo 32,1.23.
7,41 ein Kalb. S. Anm. zu 2Mo 32,4.
7,42 Gott … gab sie dahin. Ein Zitat aus Am 5,25-27. Als Gericht gab er sie ihrer Sünde und ihrem Götzendienst hin (vgl. Hos 4,17; s. Anm. zu Röm 1,24.26.28). Heer des Himmels. Israels götzendienerische Verehrung von Sonne, Mond und Sternen begann in der Wüste und dauerte bis zur babylonischen Gefangenschaft (vgl. 5Mo 4,19; 17,3; 2Kö 17,16; 21,3-5; 23,4; 2Chr 33,3.5; Jer 8,2; 19,13; Zeph 1,5). 7,43 Babylon. Amos schrieb »Damaskus« (Am 5,27), wohingegen Stephanus Babylon sagte. Amos prophezeite die Gefangenschaft des Nordreichs in Assyrien und damit eine Wegführung noch über Damaskus hinaus. Später wurde das Südreich in die Gefangenschaft nach Babylon geführt. Stephanus wurde hier inspiriert, die Prophezeiung so auszudehnen, dass sie das Gericht über die gesamte Nation umfi ng und die Geschichte von Israels Götzendienst zusammenfasste und ihre Folgen zeigte.
7,44 Um die falsche Anklage zu widerlegen, er habe gegen den Tempel gelästert (6,13.14), erzählte Stephanus die Geschichte des Heiligtums nach und zeigte somit seinen Respekt davor. 7,44 Zelt des Zeugnisses. Der Vorläufer des Tempels (2Mo 25,8.9.40). 7,48 der Höchste. Ein im AT üblicher Titel Gottes (vgl. 1Mo 14,18-20.22; 4Mo 24,16; 5Mo 32,8; 2Sam 22,14; Ps 7,18; 9,3; 18,14; 21,8; 73,11; 87,5; 91,1; 107,11; Jes 14,14; Kla 3,35.38; Dan 4,14.21.22.29.31; 7,25).
7,49 Ein Zitat aus Jes 66,1.2. Stephanus verdeutlicht damit, dass Gott größer ist als der Tempel und die führenden Juden daher der Gotteslästerung schuldig sind, weil sie Gott auf den Tempel beschränkten.
7,51 Auf dem Höhepunkt seiner Rede klagte Stephanus die führenden Juden an, dass sie Gott genauso verworfen haben wie ihre Vorfahren im AT. 7,51 Halsstarrigen. So starrsinnig wie ihre Vorväter (2Mo 32,9; 33,5). Unbeschnittenen an Herz und Ohren. Damit waren sie so unrein vor Gott wie unbeschnittene Heiden (s. Anm. zu 5Mo 10,16; Jer 4,4; Röm 2,28.29). widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist. Indem sie die Boten des Heiligen Geistes samt ihrer Botschaft verwarfen. Vgl. mit Jesu Predigt in Mt 23,13-39.
7,52 des Gerechten. S. Anm. zu 3,14.
7,53 Gesetz auf Anordnung von Engeln. S. 5Mo 33,2; Gal 3,19; Hebr 2,2. Die Bibel sagt nicht genau, welche Rolle sie bei der Gesetzgebung hatten, aber die Schrift belegt klar, dass sie dabei zugegen waren.
7,54 knirschten mit den Zähnen. Vor Wut und Verärgerung (vgl. Ps 35,16; 37,12; Mt 8,11.12; 13,41.42.50; 22,13; 24,51; 25,30; Lk 13,28).
7,55 voll Heiligen Geistes. S. Anm. zu 2,4. die Herrlichkeit Gottes. Jesaja (Jes 6,1-3), Hesekiel (Hes 1,26-28), Paulus (2Kor 12,24) und Johannes (Offb 1,10) empfi ngen ebenfalls Visionen von der himmlischen Herrlichkeit Gottes.
7,56 Sohn des Menschen. S. Anm. zu Dan 7,13.14. zur Rech- ten Gottes stehen. So wird Jesus häufi g beschrieben (2,34; vgl. Mt 22,44; 26,64; Lk 22,69; Eph 1,20; Kol 3,1; Hebr 1,3; 8,1; 10,11.12; 12,2).
7,58 legten ihre Kleider … nieder … Saulus. Hier kommt Pau- lus zum ersten Mal in der Bibel vor. Dass er nahe genug bei dem Vorfall stand, um auf die Kleider von Stephanus’ Mördern aufzupassen, zeigt, wie tief er in diese schmutzige Angelegenheit verwickelt war (s. Anm. zu 8,1).
7,59 steinigten. Das war die laut Gesetz für Gotteslästerung vor- geschriebene Strafe (3Mo 24,16); hier war es jedoch keine formale Hinrichtung, sondern eine gemeine Mordtat des Pöbels. 7,60 rechne ihnen diese Sünde nicht an. Wie bereits Jesus (Lk 23,34), so bat auch Stephanus Gott um Vergebung für seine Mörder. entschlief er. Eine im NT übliche Beschönigungsform für den Tod von Gläubigen (vgl. Joh 11,11-14; 1Kor 11,30; 15,20.51; 1Th 4,14; 5,10).
8,1 zugestimmt. Paulus’ mörderischer Hass auf alle Gläubigen zeigte sich hier in seiner Haltung gegenüber Stephanus (1Tim 1,1315). zerstreuten sich. Die Verfolgung, angeführt von einem Juden namens Saulus von Tarsus, zerstreute die Jerusalemer Gemeinde und führte zur ersten missionarischen Aktion der Gemeinde. Nicht alle Angehörigen der Gemeinde in Jerusalem waren zur Flucht gezwungen; die Hauptlast wurde den Hellenisten, zu denen Stephanus wahrscheinlich gehörte, aufgebürdet (vgl. 11,19.20). ausgenommen die Apostel. Sie blieben aufgrund ihrer Hingabe an Christus in Jerusalem, um sich um die dortigen Gläubigen zu kümmern und dieses Gebiet weiter zu evangelisieren (vgl. 9,26.27). 8,2 gottesfürchtige Männer. Wahrscheinlich fromme Juden (vgl. 2,5; Lk 2,25), die damit öffentlich gegen Stephanus’ Hinrichtung protestierten.
8,3 verwüstete die Gemeinde. Der Ausdruck »verwüsten« be- deutete in außerbiblischer Literatur, dass eine Stadt zerstört oder ein Mensch von einem wilden Tier zerfl eischt wurde.
8,4 zogen umher. Dieser gr. Begriff wird in der Apostelgeschich- te häufi g für missionarische Aktivitäten verwendet (V. 40; 9,32; 13,6; 14,24; 15,3.41; 16,6; 18,23; 19,1.21; 20,2).
8,5 Philippus. Vgl. 6,5. Der erste in der Bibel erwähnte Missionar und der erste, der den Titel »Evangelist« erhielt (21,8). eine Stadt von Samaria. Die antike Hauptstadt des Nordreichs Israels, die nach über 200 Jahren Götzendienst und Rebellion gegen Gott schließlich an die Assyrer fi el (722 n.Chr.). Nachdem die Assyrer einen Großteil des Volkes in andere Länder ausgebürgert hatten, siedelten sie in dieser Region Heiden aus anderen Gegenden an. Das Ergebnis war eine Mischkultur aus Juden und Heiden, die als Samariter bekannt wurde (s. Anm. zu Joh 4,9.20).
8,7 unreine Geister. S. Anm. zu 5,16.
8,9 Zauberei. Magie. Ursprünglich eine Bezeichnung für die Prak- tiken der Medo-Perser und eine Mischung aus Wissenschaft und Aberglauben, einschließlich Astrologie, Weissagung und Okkultismus (s. Anm. zu 5Mo 18,9-12; Offb 9,21).
8,10 die große Kraft Gottes. Simon behauptete, mit Gott in Verbindung zu stehen. Die ersten Kirchenväter bezeichnen ihn als einen der Begründer des Gnostizismus. Diese Lehre behauptete, es gäbe eine Stufenfolge göttlicher Energieströme, die zu Gott führten und »Kräfte« genannten wurden. Die Leute glaubten, Simon stünde auf der Spitze dieser Leiter.
8,13 Simon … glaubte. Sein Glaube war von rein selbstsüchtigen Motiven bestimmt und kann daher nicht als echt bezeichnet werden. Vgl. Joh 2,23.24. Er meinte, Glaube sei eine äußere Handlung, durch die er die Kraft bekommen könne, die er an Philippus bestaunte. Da er Philippus nachfolgte, konnte er außerdem mit seinen früheren Anhängern in Kontakt bleiben.
8,15 den Heiligen Geist empfi ngen. S. Anm. zu 2,4.
8,16 noch auf keinen von ihnen gefallen. Dieser Vers unterstützt nicht die falsche Auffassung, Christen würden den Heiligen Geist erst später nach der Errettung empfangen. Hier liegt eine Übergangssituation vor und in dieser Phase war es nötig, dass die Apostel die Aufnahme einer neuen Volksgruppe in die Gemeinde bestätigten und bezeugten. Wegen der Feindseligkeit zwischen Juden und Samaritern war es äußerst wichtig, dass die Samariter den Heiligen Geist vor den Augen der Jerusalemer Gemeindeführer empfi ngen. Somit wurde die Einheit der Gemeinde gewährleistet. Der verzögerte Geistesempfang verdeutlichte außerdem, dass auch die Samariter sich der apostolischen Autorität unterwerfen mussten. Mit derselben Verzögerung wurden die ersten Heiden in die Gemeinde aufgenommen (10,44-46; vgl. 15,6-12; 19,6).
8,17 legten sie ihnen die Hände auf. Das drückt die Bestätigung und Solidarität seitens der Apostel aus. S. Anm. zu 6,6. empfi ngen den Heiligen Geist. Dass dies wahrnehmbar geschah, bedeutet wahrscheinlich, dass die Gläubigen hier ebenfalls in Sprachen redeten, genau wie die Jünger am Pfi ngsttag (s. Anm. zu 2,4), die Heiden in 10,46 und wie die Johannesjünger in 19,6, als sie den Heiligen Geist empfi ngen. Als Samariter, Heiden und Gläubige des Alten Bundes zur Gemeinde hinzugefügt wurden, stellte sich die Einheit der Gemeinde dar. Das Zeugnis Gottes auf der Erde konnte nun nicht mehr nur eine einzige Nation (Israel) sein, sondern war von jetzt an die Gemeinde aus Juden, Heiden, halbjüdischen Samaritern und früheren Gläubigen des Alten Bundes (19,1-7). Sie alle wurden nun als neutestamentliche Gläubige zusammengefügt. Um diese Einheit zu demonstrieren, war es unbedingt nötig, dass sich das Phänomen von Pfi ngsten, das an den gläubigen Juden offenbart wurde, bei jeder Aufnahme einer neuen Volksgruppe musterhaft wiederholte. Dieses Muster umfasste die Gegenwart der Apostel sowie ein wahrnehmbares Zeichen für den Empfang des Heiligen Geistes in Form des Sprachenredens (2,5-12).
8,22 Obwohl Simon sich zweifellos fürchtete, wollte er nicht Buße tun und Vergebung suchen, sondern lediglich den Konsequenzen seiner Sünde entkommen.
8,26 Gaza. Eine von fünf größeren Städten der Philister. Die ur- sprüngliche Stadt wurde im 1. Jhdt. v.Chr. zerstört; später wurde eine neue Stadt in der Nähe der Mittelmeerküste erbaut.
8,27 Äthiopier. Äthiopien war damals ein großes Reich südlich von Ägypten. Kämmerer. Wörtl. »Eunuch«. Dieser Ausdruck bezeichnet entweder einen Kastrierten oder allgemein einen Regierungsangestellten. Wahrscheinlich war er beides, denn Lukas bezeichnet ihn sowohl als Eunuchen als auch als jemanden, der am Hof der Königin ein autoritatives Amt als Schatzmeister innehatte. Damit war er gewissermaßen ein Finanzminister. Als körperlich Kastrierter war ihm sowohl der Zugang zum Tempel verwehrt (5Mo 23,2) als auch die Möglichkeit, als Proselyt ein echter Jude zu werden. Kandake. Wahrscheinlich kein Name, sondern ein offi zieller Titel (wie Pharao oder Kaiser) der Königinmutter in diesem Land.
8,28 las den Propheten Jesaja. Er wusste, wie wichtig es war, Gott in der Heiligen Schrift zu suchen (Lk 24,25-27; Joh 5,39.46; Röm 10,12-15).
8,32 Die Schriftstelle, die er las. Jesaja 53,7.8.
8,34 von wem sagt der Prophet dies? Seine Ratlosigkeit war verständlich. Sogar die jüdischen Religionsexperten waren geteilter Meinung über die Bedeutung dieses Abschnitts. Manche meinten, das zur Schlachtung geführte Lamm repräsentiere Israel, andere dachten, Jesaja spräche von sich selbst, und wieder andere glaubten, Jesaja beschreibe hier den Messias.
8,37 Dieser Vers fehlt in den ältesten und zuverlässigsten Manuskrip- ten. 8,39 entrückte der Geist des Herrn den Philippus. Elia (1Kö 18,12; 2Kö 2,16) und Hesekiel (Hes 3,12.14; 8,3) wurden ebenfalls auf wunderbare Weise enthoben. Das war für die Karawane eine eindrückliche Bestätigung, dass Philippus Gottes Repräsentant war.
8,40 Asdod. Eine Stadt im ehemaligen Philistäa, gut 30 km nördlich von Gaza. Cäsarea. Dort lebte Philippus wahrscheinlich mit seiner Familie (21,9; s. Anm. zu 9,30).
9,1 Saul. S. Einleitung zum Römerbrief: Autor und Abfassungszeit. Der Apostel Paulus hieß ursprünglich Saulus und war somit benannt nach Saul, dem ersten König Israels. Er war gebürtiger Jude und hatte in Jerusalem unter Gamaliel die Schriften studiert (22,3) und war Pharisäer geworden (23,6). Außerdem hatte er von seinem Vater das römische Bürgerrecht geerbt (22,8). Die Verse 1-19 beschreiben die äußeren Umstände seiner Bekehrung (s.a. 22,1-22; 26,9-20). In Philipper 3,1-14 beschreibt er seine innere geistliche Bekehrung (s. Anm. dort). Drohung und Mord. S. 1Tim 1,12.13; 1Kor 15,9.
9,2 Damaskus. Eine sehr alte Stadt und die Hauptstadt von Syrien, knapp 100 km vom Mittelmeer und gut 250 km nordöstlich von Jerusalem. Offensichtlich lebten dort viele Juden und hellenistische Gläubige, die wegen der Verfolgung aus Jerusalem gefl ohen waren (8,2). Anhänger des Weges. Die Bezeichnung für den christlichen Glauben stammt daher, dass Jesus sich als »der Weg« bezeichnet hatte (Joh 14,6) und kommt in der Apostelgeschichte mehrfach vor (19,9.23; 22,4; 24,14.22). Es ist eine treffende Bezeichnung, denn das Christentum ist der Weg Gottes (18,26), der Weg ins Heiligtum (Hebr 10,19.20) und der Weg der Wahrheit (Joh 14,6; 2Pt 2,2).
9,3 Das war die erste von sechs Visionen des Paulus in der Apostel- geschichte (vgl. 16,9.10; 18,9.10; 22,17.18; 23,11; 27,23.24). 9,3 ein Licht vom Himmel. Die Erscheinung Jesu Christi in Herr- lichkeit (vgl. 22,6; 26,13), die nur von Saulus gesehen werden konnte (26,9).
9,4 warum verfolgst du mich? Zwischen Christus und seinen Nachfolgern besteht eine untrennbare Einheit. Mit seiner Christenverfolgung griff Saulus direkt Christus an. Vgl. Mt 18,5.6.
9,5 Stachel. Treibstock, mit dem Vieh getrieben und »angestachelt« wurde (26,14).
9,10 Ananias. Einer der Gemeindeleiter in Damaskus und somit ein Ziel auf Saulus’ »Liste« (vgl. 22,12).
9,11 Gasse, die man »die Gerade« nennt. Diese Straße, die von Ost nach West quer durch Damaskus verläuft, existiert auch heute noch und wird Darb el-Mustaqim genannt. Tarsus. Der Geburtsort von Paulus und eine wichtige Stadt in der römischen Provinz Cilicien. Sie lag an den Ufern des Flusses Kydnos nahe der Grenze nach Kleinasien und Syrien und war ein Handels- und Bildungszentrum. Am Hafen am Kydnus fl orierte der Handel, und die Universität gehörte zusammen mit denen in Athen und Alexandria zu den besten der römischen Welt.
9,15 auserwähltes Werkzeug. Wörtl. »ein Gefäß der Erwählung«. Zwischen Paulus’ Errettung und seinem Dienst bestand keine Lücke, sondern eine perfekte Kontinuität. Gott erwählte ihn, um seine Gnade zu allen Menschen zu bringen (Gal 1,1; vgl. 1Tim 2,7; 2Tim 1,11). Paulus verwendet das Wort »Gefäß« vier weitere Male (Röm 9,21.23; 2Kor 4,7; 2Tim 2,21). vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israels. Zuerst in seinem Dienst verkündete Paulus den Juden das Evangelium (13,14; 14,1; 17,1.10; 18,4; 19,8), doch war er in erster Linie als Bote für die Heiden berufen (Röm 11,13; 15,16). Gott berief ihn außerdem zum Dienst mit dem Evangelium für Könige wie z.B. Agrippa (25,23-26,32) und wahrscheinlich auch den Kaiser (vgl. 25,10-12; 2Tim 4,16.17).
9,17 legte ihm die Hände auf. S. Anm. zu 6,6. erfüllt wirst mit dem Heiligen Geist. S. Anm. zu 2,4. Der Heilige Geist hatte im Leben des Paulus bereits gewirkt: Er hatte ihn von Sünde überführt (Joh 16,9), von der Herrschaft Christi überzeugt (1Kor 12,3), einen neuen Menschen aus ihm gemacht (Tit 3,5) und wohnte dauerhaft in ihm (1Kor 12,13). Nun wurde er mit dem Heiligen Geist erfüllt und für den Dienst gestärkt (vgl. 2,4.14; 4,8.31; 6,5.8; s. auch Anm. zu Eph 5,16). Saulus empfi ng den Heiligen Geist ohne die Anwesenheit eines Apostels, denn er war Jude (die Aufnahme von Juden in den Leib der Gemeinde war bereits zu Pfi ngsten begründet worden) und weil er selber ein Apostel war, denn Christus hatte ihn persönlich zum Dienst erwählt und beauftragt (Röm 1,1).
9,20 der Sohn Gottes ist. Der Inhalt von Paulus’ Botschaft war, dass Jesus Christus Gott ist (s. Anm. zu Hebr 1,4.5).
9,23 Als aber viele Tage vergangen waren. Eine Spanne von drei Jahren. Während dieser Zeit hatte Paulus im nabatäischen Arabien gewirkt. Diese Gegend erstreckt sich von Damaskus aus südlich bis zur Sinai-Halbinsel (s. Anm. zu Gal 1,17.18).
9,24 Tore. Damaskus war mit schweren Mauern befestigt und somit waren die Tore die einzigen konventionellen Fluchtwege.
9,25 ließen ihn in einem Korb … hinab. Ein »Korb« war ein gro- ßer gewobener Tragekorb, mit dem Heu- oder Strohballen oder auch Stoffrollen transportiert wurden.
9,27 Barnabas. S. Anm. zu 4,36.
9,29 Hellenisten. Dieselbe Gruppe, die mit Stephanus gestritten hatte (s. Anm. zu 6,1).
9,30 Cäsarea. Vgl. 8,40. Eine wichtige Stadt am Mittelmeer, nahe an der Grenze zur Provinz Syrien. Als Hauptstadt der römischen Provinz Judäa und Sitz des römischen Statthalters diente sie als Hauptquartier einer großen römischen Garnison. schickten ihn nach Tarsus. Paulus verschwand nun einige Jahre von der Bildfl äche des öffentlichen Wirkens. Allerdings ist es möglich, dass er während dieser Zeit einige Gemeinden in der Umgegend von Syrien und Cilicien gegründet hat (15,23; Gal 1,21).
9,31 hatten nun die Gemeinden Frieden … und wurden auf- erbaut. Zu verdanken war diese Ruhe u.a. der Bekehrung des Paulus sowie politischen Veränderungen. Ein strengerer römischer Statthalter und die Ausdehnung der Macht des Herodes Agrippa unterband die Verfolgung.
9,32 Lydda. Im AT Lod genannt. Die Stadt lag etwa 16 km südöst- lich von Joppe. Hier kreuzten sich die Straßen von Ägypten nach Syrien und von Joppe nach Jerusalem.
9,33 Aeneas. Er wird wörtl. als »ein gewisser Mensch« beschrieben, was ihn als Ungläubigen ausweist (vgl. V. 36). Aufgrund der eingeschränkten medizinischen Kenntnis seiner Zeit war seine Lähmung unheilbar.
9,35 Saron. Die Ebene um Lydda und Joppe, die sich nördlich bis Cäsarea erstreckte.
9,36 Joppe. Eine Küstenstadt, die heute als Jaffa bekannt ist und im Süden von Tel Aviv liegt. Tabitha. Sie war besser bekannt unter ihrem gr. Namen »Dorkas«. Beides bedeutet übersetzt »Gazelle«.
9,37 Obergemach. Dieser Raum ähnelte dem Obersaal in 1,13; 2,1. Es war zwar üblich, Tote unverzüglich zu begraben, doch die Gläubigen in Joppe hatten einen anderen Plan.
9,38 nahe bei Joppe. 16 km südöstlich.
9,39 Röcke und Kleider. Enganliegende Unterwäsche und lange Obergewänder.
9,43 Simon, einem Gerber. Vgl. 10,5.6. Mit seinem Quartier bei einem Gerber bricht Petrus mit einer kulturellen Schranke. Die Juden verachteten diesen Beruf, weil der Gerber ständig mit den Häuten toter Tiere arbeitete. Die örtliche Synagoge sonderte sich wahrscheinlich von Simon ab.
10,1 ein Hauptmann. Einer von den 60 Offi zieren einer römischen Legion, von denen jeder 100 Männer befehligte (s. Anm. zu Mt 8,5). Schar, die man »die Italische« nennt. Oder »italische Kohorte«. Zehn Kohorten von je 600 Mann bildeten eine Legion.
10,2 gottesfürchtig. Ein Terminus Technicus, mit dem die Juden solche Heiden bezeichneten, die ihre Götzenreligion verworfen hatten und Jahwe, den Gott Israels, anbeteten. Gottesfürchtige befolgten zwar die Ethik des ATs, waren aber keine vollen Proselyten des Judentums, da sie nicht beschnitten waren. Kornelius empfi ng nun die rettende Erkenntnis Gottes in Christus (s. Anm. zu Röm 1,20). 10,3 um die neunte Stunde. 15.00 Uhr nachmittags (s. Anm. zu 3,1).
10,4 ihrer gedacht. Sie waren wie ein Gedächtnisopfer. Kornelius’ Gebete, seine Hingabe, sein Glaube und seine Güte waren wie ein angenehmes Opfer, dessen Duft zu Gott aufstieg.
10,7 gottesfürchtigen Kriegsknecht. S. Anm. zu V. 1.2.
10,9 auf das Dach, um zu beten. Gebete wurden stets auf den Dächern jüdischer Häuser verrichtet (2Kö 23,12; Jer 19,13; 32,29). sechste Stunde. 12.00 Uhr mittags.
10,12 all die vierfüßigen Tiere. Sowohl reine als auch unreine Tie- re. Gott hatte spezielle Speisevorschriften bezüglich des Verzehrs solcher Tiere erlassen, um die Israeliten von ihren götzendienerischen Nachbarvölkern zu trennen. (vgl. 3Mo 11,25.26).
10,13 schlachte und iss. Mit dem Beginn des Neuen Bundes und der Berufung der Gemeinde hob Gott diese Speisevorschriften auf (vgl. Mk 7,19).
10,14 Gemeines oder Unreines. Unheiliges oder Verunreinigtes.
10,15 Was Gott gereinigt hat. Gott schaffte nicht nur die Speise- vorschriften des ATs ab, sondern ermöglichte in der Gemeinde sogar die Einheit zwischen Juden (symbolisiert durch die reinen Tiere) und Heiden (repräsentiert durch die unreinen Tiere). Diese Einheit war durch den uneingeschränkt gültigen Opfertod Christi möglich geworden (s. Anm. zu Eph 2,14).
10,22 von einem heiligen Engel die Weisung erhalten. Vgl. V. 3-6.
10,23 rief er sie herein. Anständige Juden luden keine Heiden in ihre Häuser ein, insbesondere keine Soldaten der verhassten römischen Armee. etliche Brüder. Sechs jüdische Jünger (11,12), die in V. 45 als die »Gläubigen aus der Beschneidung« bezeichnet werden.
10,26 auch ich bin ein Mensch. Vgl. 14,11-15; Offb 22,8.9. Nur der dreieinige Gott verdient unsere Anbetung.
10,28 nicht erlaubt. Wörtl. »ein Tabu brechend«. Petrus hatte sein ganzes Leben die jüdischen Normen und Traditionen befolgt. Seine Bemerkungen zeigen, dass er diesen neuen Maßstab annahm, demzufolge die Juden die Heiden nicht mehr als minderwertig betrachten sollten.
10,34 dass Gott die Person nicht ansieht. Das lehrt sowohl das AT (5Mo 10,17; 2Chr 19,7; Hi 34,19) als auch das NT (Röm 2,11; 3,29.30; Jak 2,1). Die Realität dieser Wahrheit nahm für Petrus nun neue Dimensionen an.
10,35 ihm angenehm. Dieses gr. Wort bedeutet »gekennzeichnet von gnädiger Manifestation des (göttlichen) Wohlgefallens.
10,36 Frieden verkünden. Christus hat durch seinen Opfertod den Lohn der Sünde bezahlt und damit Frieden zwischen Mensch und Gott gemacht (s. Anm. zu Röm 5,1-11).
10,37 Taufe, die Johannes verkündigte. Vgl. 1,22; 13,24; 18,25; 19,34; s. Anm. zu Mt 3,2-12. Macht
10,38 wie Gott Jesus … gesalbt hat. Vgl. 4,27. Der Anfang des irdischen Wirkens Jesu (vgl. Mt 3,13-17; Lk 3,21.22).
10,41 erwählten Zeugen. Jesus erschien nach seiner Auferstehung nur Gläubigen (vgl. 1Kor 15,5-8).
10,43 jeder, der an ihn glaubt. Das einzige Mittel der Errettung ist: Glauben allein an Christus (s. Anm. zu Röm 1,16; vgl. Joh 3,14-17; 6,69; Röm 10,11; Gal 3,22; Eph 2,8.9).
10,44 fi el der Heilige Geist auf alle. S. Anm. zu 2,4; 8,17. 10,45 aus der Beschneidung. Vgl. 11,2. Jüdische Christen (s. Anm. zu V. 23).
10,46 Sprachen. Wörtl. »Zungen«. S. Anm. zu 2,4; 8,17.
11,3 hast mit ihnen gegessen! Die jüdischen Gläubigen regten sich darüber auf, dass Petrus in so dreister Weise gegen die jüdische Sitte verstoßen hatte. Für sie war es schwierig zu begreifen, dass Jesus auch über heidnische Gläubige Herr ist.
11,4 Vgl. 10,1-23.28-33.
11,14 dein ganzes Haus. Das bezieht sich auf jede Person unter der Autorität und Fürsorge des Kornelius, der das Evangelium verstand und glaubte (vgl. 16,15.31), ausgenommen unmündige Kleinkinder.
11,15 am Anfang. Gott bestätigte die Errettung der Heiden mit demselben Phänomen, das sich auch zu Pfi ngsten ereignet hatte (s. Anm. zu 8,17).
11,16 mit Heiligem Geist getauft. S. Anm. zu 1,5.
11,18 hat denn Gott auch den Heiden die Buße zum Leben gegeben. Das ist eine der schockierendsten Erfahrungen in der Geschichte der Juden; doch im AT war dieses Ereignis bereits vorausgesagt (Jes 42,1.6; 49,6; s. Anm. zu 2,38).
11,19 S. Anm. zu 8,1-3. Phönizien. Die Küstengegend unmittelbar nördlich von Judäa mit den Hafenstädten und Handelszentren Tyrus und Zidon. Zypern. S. Anm. zu 4,36. Antiochia. Antiochia lag gut 300 km nördlich von Zidon und war eine bedeutende heidnische Metropole und nach Rom und Alexandria die drittgrößte Stadt des Römischen Reiches.
11,20 Männer aus Zypern und Kyrene. S. Anm. zu 6,9; 13,4. Griechisch sprechenden. Wörtl. »Hellenisten«. Vgl. 6,1; 9,29. Die bevorzugte Lesart ist aber »Griechen« oder »griechisch sprechenden Juden« (s. Anm. zu 6,1).
11,21 Hand des Herrn. Das bezeichnet Gottes Macht, die sich so- wohl in seinem Gerichtshandeln zeigt (vgl. 2Mo 9,33; 5Mo 2,15; Jos 4,24; 1Sam 5,6; 7,13) als auch in seinem Segen (Esr 7,9; 8,18; Neh 2,8.18). Hier bedeutet der Ausdruck Segen.
11,22 Barnabas. S. Anm. zu 4,36. Da er ein Jude aus Cypern war, entstammte er einem ähnlichen Hintergrund wie die Jünger, die den Gemeindeaufbau in Antiochia begonnen hatten.
11,25 Tarsus. S. Anm. zu 9,11. um Saulus aufzusuchen. Das war keine leichte Aufgabe. Seit Saulus’ Flucht aus Jerusalem waren etliche Jahre vergangen (9,30). Offenbar war er wegen seinem neuen Bekenntnis als Christ enterbt und gezwungen worden, sein Haus zu verlassen (Phil 3,8).
11,26 Christen. Ein spöttischer Ausdruck, der so viel bedeutet wie »von der Sekte Christi« Vgl. 26,28; 1Pt 4,16. 11,27 Propheten. Sie verkündeten die Wahrheiten des NTs (vgl. 1Kor 14,32; Eph 2,20; s. Anm. zu 13,1; 21,9; Eph 4,11).
11,28 Agabus. Einer der Propheten aus Jerusalem, der Jahre später eine wichtige Rolle im Dienst des Paulus spielte (21,10.11). eine große Hungersnot. Mehrere antike Autoren (Tacitus [Annalen XI.43], Josephus [Altertümer XX.ii.5] und Sueton [Claudius 18]) bestätigen schwere Hungersnöte in Israel etwa 45-46 n.Chr. über den ganzen Erdkreis. Die Hungersnot erstreckte sich über die Grenzen Judäas hinaus. Kaiser Claudius. Römischer Kaiser von 41-54 n.Chr.
11,30 Ältesten. Hier wird zum ersten Mal diese Bezeichnung für die Hirten und Aufseher der Gemeinden erwähnt (15,4.6.22.23; 16,4; 21,18). Die Ältesten einer Gemeinde waren eine Gruppe gottesfürchtiger Männer und verantwortlich für die Leitung der Gemeinde (s. Anm. zu 1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9). Schon bald nahmen sie die Führungsrolle in den Gemeinden ein und traten nach der Übergangsphase an die Stelle der Apostel und Propheten, durch die das Fundament der Gemeinde gelegt worden war (vgl. Eph 2,20; 4,11).
12,1 König Herodes. Der Enkel von Herodes dem Großen, Herodes Agrippa I, regierte von 37-44 n.Chr. Er hatte sich in Rom einiges zu Schulden kommen lassen und war nach Judäa gefl ohen. Kaiser Tiberius verhaftete ihn wegen einiger unbedachter Bemerkungen, doch nach Tiberius’ Tod wurde er freigelassen und als Herrscher von Nordpalästina eingesetzt. Im Jahr 41 n.Chr. wurde dieses Gebiet an Judäa und Samaria angegliedert. Als Schutzmaßnahme im Hinblick auf seine wackelige Beziehung zu Rom pfl egte er die Gunst bei den Juden, indem er die Christen verfolgte. 12,2 Jakobus. Der erste Märtyrer unter den Aposteln (s. Anm. zu Mt 10,2). mit dem Schwert. Die Art der Hinrichtung weist darauf hin, dass Jakobus beschuldigt wurde, das Volk zur Verehrung falscher Götter zu verführen (vgl. 5Mo 13,13-16). Tage der ungesäuerten Brote. Das einwöchige Fest anschließend an das Passah (s. Anm. zu 2Mo 23,14-19; Mt 26,17).
12,4 vier Abteilungen. Jede Abteilung bestand aus vier Soldaten. Sie wechselten sich rund um die Uhr mit der Bewachung des Petrus ab. Die ganze Zeit über waren zwei Wachen mit Petrus in seiner Zelle verkettet, während die anderen beiden draußen an der Kerkertür standen (V. 6).
12,12 Maria. Markus wird in Kol 4,10 als Vetter des Barnabas be- zeichnet. Maria war also Barnabas’ Tante. Johannes … Markus. Er war der Vetter von Barnabas (Kol 4,10) und in seiner Jugend mit Petrus befreundet (1Pt 5,13). Später begleitete er Barnabas und Paulus nach Antiochia (V. 25) und Cypern (13,4.5). Er verließ die beiden Missionare in Perge (13,13), weshalb Paulus sich weigerte, ihn auf der zweiten Missionsreise mitzunehmen (15,36-41). Stattdessen ging Markus mit Barnabas nach Cypern (15,39). Er verschwand von der Bildfl äche, bis er als wieder angenommener Begleiter und Mitarbeiter des Paulus in Rom auftaucht (Kol 4,10; Phim 24). Als Paulus zum zweiten Mal in Rom inhaftiert war, wollte er, dass Johannes Markus zu ihm kommt, weil er ihm nützlich sei (2Tim 4,11). Markus schrieb das nach ihm benannte zweite Evangelium. Bei dieser Aufgabe war Petrus ihm eine wertvolle Hilfe (1Pt 5,13).
12,15 sein Engel. Im jüdischen Aberglauben hatte jeder Mensch seinen eigenen Schutzengel, der die Gestalt dieser Person annehmen konnte.
12,17 Jakobus. Der Bruder des Herrn, der nun der Führer der Ge- meinde in Jerusalem war (s. Einleitung zu Jakobus; s. Anm. zu 15,13). er ging hinaus. Abgesehen von einer kurzen Erwähnung in Kap. 15 verschwindet Petrus für den Rest der Apostelgeschichte von der Bildfl äche; von hier an dreht sich Lukas’ Bericht um Paulus und seinen Dienst.
12,19 Herodes. S. Anm. zu V. 1. ließ sie … abführen. D.h. er ließ sie hinrichten. Dem Codex Iustinianus zufolge (IX. 4,4) musste eine Wache, die einen Gefangenen entkommen ließ, genau die Strafe tragen, die eigentlich den Häftling erwartet hätte. Cäsarea. S. Anm. zu 9,30.
12,20 Herodes. S. Anm. zu V. 1. Tyrus und Zidon. Zwei Hafen- städte nördlich von Cäsarea in einer Region namens Phönizien. Zwischen diesen beiden Städten und der Provinz Galiläa bestand eine gegenseitige Abhängigkeit, wenngleich Tyrus und Zidon mehr von Galiläa abhingen (s. Anm. zu Mk 3,8). Blastus. Der Schatzmeister des Königs fungierte als Mittelsmann zwischen Herodes und den Vertretern von Tyrus und Zidon.
12,21 an einem bestimmten Tag. An einem Festtag zu Ehren von Herodes’ Patron, dem römischen Kaiser Klaudius. ein königliches Gewand. Josephus zufolge trug er ein Gewand aus Silber.
12,23 weil er Gott nicht die Ehre gab. Das war das Vergehen, weswegen Herodes von Gott gerichtet wurde (im Jahr 44 n.Chr.). Letztendlich wird Gott alle richten, die dieses Verbrechens schuldig sind (Röm 1,18-23). 12,23 von Würmern zerfressen. Josephus zufolge erlitt Herodes fünf Tage lang schreckliche Schmerzen, bevor er starb.
12,25 die Hilfeleistung ausgerichtet hatten. Nach dem Tod des Herodes überbrachten sie die Hilfslieferung für die Jerusalemer Gemeinde, die unter der Hungersnot litt (11,30). Johannes … Markus. S. Anm. zu V. 12.
13,1 Kapitel 13 markiert einen Wendepunkt in der Apostelgeschich- te. Die ersten 12 Kapitel konzentrieren sich auf Petrus; die restlichen Kapitel drehen sich um Paulus. Bei Petrus lag der Schwerpunkt auf der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem und Judäa; mit Paulus liegt der Schwerpunkt nun auf der Verbreitung des Evangeliums in der römischen Welt, ausgehend von Antiochia. Propheten. Sie spielten in der apostolischen Gemeinde eine bedeutende Rolle (s. Anm. zu 1Kor 12,28; Eph 2,20). Sie verkündeten Gottes Wort und waren in den ersten Jahren der Gemeinde dafür zuständig, örtliche Gemeinden zu unterweisen. Manchmal empfi ngen sie neue Offenbarungen praktischer Natur (vgl. 11,28; 21,10). Diese Funktion endete mit dem Aufhören der zeitweiligen Zeichengaben. Ihr Amt wurde ersetzt durch Hirten, Lehrer und Evangelisten (s. Anm. zu Eph 4,11). Barnabas. S. Anm. zu 4,36. Simeon … genannt Niger. »Niger« heißt »schwarz«. Womöglich war er dunkelhäutig, ein Afrikaner oder beides. Nichts deutet auf eine Identität mit Simon von Kyrene hin (Mk 15,21). Lucius von Kyrene. Das ist weder der Lucius aus Röm 16,21 noch Lukas, der Arzt und Autor der Apostelgeschichte. mit dem Vierfürsten Herodes erzogen. Das kann auch übersetzt werden: »war der Pfl egebruder von«. Manahen wurde in der Familie von Herodes dem Großen erzogen. Der »Vierfürst Herodes« war Herodes Antipas, der Herodes der Evangelien (s. Anm. zu Mt 14,1).
13,2 dienten. Dieser Begriff stammt von einem gr. Wort ab, das in der Bibel den Priesterdienst bezeichnet. In der Leitung einer Gemeinde zu arbeiten, ist ein Dienst der Anbetung und erfordert geistliche Opfer für Gott. Dazu gehören Gebete, Betreuung der Herde sowie Verkündigen und Lehren des Wortes. fasteten. Fasten steht oft in Verbindung mit wachendem, inbrünstigem Gebet (vgl. Neh 1,4; Ps 35,13; Dan 9,3; Mt 17,21; Lk 2,37) und beinhaltet entweder den Verlust der Esslust oder den bewussten Verzicht auf Essen, um sich auf geistliche Dinge zu konzentrieren (s. Anm. zu Mt 6,16.17).
13,3 legten ihnen die Hände auf. S. Anm. zu 6,6
13,4 Seleucia. Diese Stadt diente als Hafen von Antiochia und be- fand sich etwa 25 km entfernt an der Mündung des Orontes. Zypern. S. Anm. zu 4,36. Saulus und Barnabas entschlossen sich, ihre Missionsreise dort zu beginnen, weil diese Insel Barnabas’ Heimat war, nur zwei Tagesreisen von Antiochia entfernt lag und eine große jüdische Bevölkerung hatte.
13,5 in Salamis angekommen. Der Haupthafen und das Handels- zentrum von Cypern. Synagogen. S. Anm. zu 6,9. Paulus gewöhnte sich an, wenn er in eine neue Stadt kam, stets zuerst den Juden das Evangelium zu verkündigen (vgl. V. 14.42; 14,1; 17,1.10.17; 18,4.19.26; 19,8). Denn als Jude hatte er eine offene Tür und konnte dort das Wort ergreifen und das Evangelium vorstellen. Außerdem hätten die Juden ihm niemals zugehört, wenn er zuvor zunächst zu den Heiden gegangen wäre. Johannes als Diener. S. Anm. zu 12,12.
13,6 Paphos. Die Hauptstadt von Cypern und somit Sitz der rö- mischen Regierung. Außerdem war Paphos ein bedeutendes Zentrum der Aphrodite-Verehrung (die gr. Aphrodite entspricht der röm. Venus) und somit eine Brutstätte für alle Arten der Unmoral. einen Zauberer … einen Juden. »Zauberer« wird besser mit »Magier« übersetzt. Ursprünglich hatte dieser Ausdruck keine sündige Bedeutung, doch später bezeichnete er alle Arten von Okkultismus und ähnlichen Praktiken. Dieser Magier verwendete seine Erkenntnis zum Bösen (s. Anm. zu 8,9).
13,7 Statthalter. Ein anderes Wort und ein anderes Amt als z.B. bei Pilatus. Dieser römische Staatsdiener fungierte als Provinzstatthalter (vgl. 18,12).
13,8 Elymas. Der gr. Name von Bar-Jesus und eine Transliteration des arabischen Wortes für Magier.
13,9 Saulus, der auch Paulus heißt. Paulus’ hebräische und römi- sche Namen.
13,13 kamen nach Perge in Pamphylien. Perge war eine größere Stadt in der römischen Provinz Pamphylien in Kleinasisen, gut 300 km nordwestlich von Cypern an der gegenüberliegenden Mittelmeerküste. Johannes trennte sich jedoch von ihnen. Welche Gründe Johannes Markus für diese Trennung auch gehabt haben mag, hat Paulus sie jedenfalls nicht akzeptiert (15,38). Seine Abreise hat zwar die Mission nicht behindert, doch führte dieser Vorfall später zu einem Konfl ikt zwischen Paulus und Barnabas (15,36-40), der letztlich aber beigelegt wurde (vgl. Kol 4,10; 2Tim 4,11). S. Anm. zu 12,12.
13,14 Antiochia in Pisidien. Dieses Antiochia darf nicht verwech- selt werden mit dem Antiochia in Syrien, wo die erste heidenchristliche Gemeinde entstanden war. Dieses Antiochia lag im Bergland Kleinasiens (der heutigen Türkei).
13,15 Vorlesung des Gesetzes und der Propheten. Die Schriftle- sung. Das war der dritte Teil der Synagogen-Liturgie, nach der Rezitation des schema (5Mo 6,4) und weiteren Gebeten, doch vor der Lehrverkündigung, die gewöhnlich auf dem verlesenen Schriftwort basierte. die Obersten der Synagoge. Die allgemeinen Aufseher der Synagoge (s. Anm. zu 6,9). Sie bestimmten u.a., wer aus den Schriften vorlas.
13,16 die ihr Gott fürchtet. S. Anm. zu 10,2.
13,19 sieben Heidenvölker. S. Anm. zu 5Mo 7,1. nach dem Los. Eine bessere Lesart ist: »als ein Erbe«.
13,20 etwa 450 Jahren. S. Einleitung zum Buch Richter. Samuel, dem Propheten. Der letzte Richter, der Saul als den ersten König salbte (s. Einleitung zu 1. Samuel; s. Anm. zu 3,24).
13,21 Saul. S. Anm. zu 1Sam 9,2.
13,22 einen Mann nach meinem Herzen. S. Anm. zu 1Sam
13,14 Antiochia in Pisidien. Dieses Antiochia darf nicht verwech- selt werden mit dem Antiochia in Syrien, wo die erste heidenchristliche Gemeinde entstanden war. Dieses Antiochia lag im Bergland Kleinasiens (der heutigen Türkei). 13,14 Manche würden bezweifeln, dass diese Bezeichnung auf David zutrifft, da er sich zeitweise als schlimmer Sünder erwies (vgl. 1Sam 11,1-4; 12,9; 21,10-22,1). Doch kein Mensch nach dem Herzen Gottes ist vollkommen; aber ein solcher wird, wie David, Sünde erkennen und Buße darüber tun (vgl. Ps 32.38.51). Paulus zitierte 1Sam 13,14 und Ps 89,21.
13,23 nach der Verheißung. Die Prophetie des ATs kündet den Messias als Nachkommen Davids an (vgl. 2Sam 7,12-16; Ps 132,11; Jes 11,10; Jer 23,5). Jesus ist die Erfüllung der AT-Prophezeiungen über den kommenden Messias (Mt 1,1.20.21; Röm 1,3; 2Tim 2,8).
13,24 Taufe der Buße. Vgl. 1,22; 10,37.
13,26 die Gott fürchten. S. Anm. zu 10,2.
13,27 Obersten. Die vermeintlichen AT-Experten: Schriftgelehrte, Pharisäer, Sadduzäer und Priester.
13,28 Pilatus. S. Anm. zu 3,13; Mt 27,2.
13,29 Holz … Grab … auferweckt. Das AT sagte voraus, dass Christus an einem Kreuz hingerichtet werden sollte (Ps 22; 5Mo 21). Diese Prophezeiung wurde aufgeschrieben, als diese Hinrichtungsform noch gar nicht in Gebrauch war. Auch seine Bestattung in einem »Grab« war prophezeit (Jes 53,9), obwohl Kreuzigungsopfer gewöhnlich in Massengräbern verscharrt wurden. Der Höhepunkt der Botschaft des Paulus war die Auferstehung Christi und der letztendliche Beweis, dass Jesus der Messias ist und drei spezifi sche Prophezeiungen erfüllte (s. Anm. zu V. 33-35). 13,31 Zeugen. Über 500 (vgl. 1Kor 15,5-8).
13,33 Ein Zitat aus Ps 2,7.
13,34 Ein Zitat aus Jes 55,3.
13,35 Ein Zitat aus Ps 16,10; s. Anm. zu 2,27.
13,39 durch das Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden. Das Halten des mosaischen Gesetzes befreite niemanden von seiner Sünde (vgl. Röm 3,28; 1Kor 1,30; Gal 2,16; 3,11; Phil 3,9). Doch der Sühnetod Jesu erfüllte vollkommen alle Forderungen des Gesetzes Gottes und ermöglichte allen, die glauben, die Vergebung aller Sünden (Gal 3,16; Kol 2,13.14). Einzig und allein die Vergebung, die Christus anbietet, kann Menschen von ihren Sünden befreien (Röm 3,20.22).
13,41 Ein Zitat aus Hab 1,5.
13,43 gottesfürchtige Proselyten. Uneingeschränkte Konvertiten zum Judentum, die beschnitten worden waren. bei der Gnade Gottes zu bleiben. Die wahrhaft Erretteten harren aus und bestätigen die Echtheit ihrer Errettung, indem sie in der Gnade Gottes bleiben (vgl. Joh 8,31; 15,1-6; Kol 1,21-23; 1Joh2,19). Diejenigen Zuhörer der Missionare, die intellektuell von der Botschaft überzeugt worden, aber nicht bis zum rettenden Glauben durchgedrungen waren, standen in der Gefahr, in Gesetzlichkeit zu fallen, anstatt Christus wirklich anzunehmen. Diese Möglichkeit wollten Paulus und Barnabas mit ihrer Ermutigung verhindern.
13,46 Euch … zuerst. Gott bot seinen Heilsplan zuerst den Juden an (Mt 10,5.6; 15,24; Lk 24,47; Röm 1,16). Zwar lag das Hauptgewicht in Paulus’ Wirken auf der Heidenmission, dennoch wollte er gern erleben, dass Juden errettet werden (Röm 9,1-5; 10,1) und verkündete daher in vielen Städten zuerst seinen Volksgenossen das Evangelium (s. Anm. zu V. 5). wenden wir uns zu den Heiden. Weil die Juden das Evangelium verwarfen. Gott hatte das Heil niemals als exklusiven Besitz der Juden vorgesehen (Jes 42,1.6; 49,6).
13,47 Ein Zitat aus Jes 49,6.
13,48 zum ewigen Leben bestimmt. Eine der klarsten Aussagen der Bibel über Gottes Souveränität in der Errettung. Gott erwählt den Menschen zum Heil – und nicht umgekehrt (Joh 6,65; Eph 1,4; Kol 3,12; 2Th 2,13). Der Glaube selbst ist eine Gabe Gottes (Eph 2,8.9).
13,51 schüttelten diese den Staub von ihren Füßen. Die Feind- seligkeit der Juden gegenüber den Heiden war so groß, dass sie nicht einmal heidnischen Staub ins Land Israel hineinkommen ließen. Die symbolische Handlung von Paulus und Barnabas bedeutet offenbar, dass sie die Juden in Antiochia um nichts besser als die Heiden ansahen. Sie hätten sie nicht schärfer verurteilen können.
13,52 voll … Heiligen Geistes. S. Anm. zu 2,4; Eph 5,18.
14,1 Ikonium. Ein kultureller Schmelztiegel aus Phrygiern, Griechen, Juden und römischen Kolonisten, etwa 130 km südöstlich von Antiochia in Pisidien.
14,3 Zeichen und Wunder … geschehen ließ. S. Anm. zu 2,19. Solche Manifestationen der Macht Gottes bestätigten, dass Paulus und Barnabas für Gott sprachen.
14,4 Aposteln. S. Anm. zu Röm 1,1; Eph 4,11. Barnabas war nicht im selben Sinne ein Apostel wie Paulus und die Zwölf, da er weder ein Augenzeuge des Auferstandenen noch von Christus berufen war. Das Wort »Apostel« übersetzt man hier am besten mit »Boten« (vgl. 2Kor 8,23; Phil 2,25). Das Verb bedeutet »senden«. Die Zwölf und Paulus waren »Apostel Christi« (2Kor 11,13; 1Th 2,6), während Barnabas und einige andere »Apostel der Gemeinden« waren (2Kor 8,23).
14,5 steinigen. Das beweist, dass ihre jüdischen Gegner dazu ange- stiftet hatten, denn die Steinigung war eine jüdische Hinrichtungsform, die üblicherweise bei Gotteslästerung eingesetzt wurde.
14,6 Städte Lykaoniens, Lystra und Derbe. Lykaonien war ein Be- zirk der römischen Provinz Galatien. Lystra lag etwa 30 km von Ikonium entfernt und war die Heimatstadt von Lois, Eunike und Timotheus (16,1; 2Tim 1,5). Lukas erwähnt bei Lystra keine Synagoge, und da Paulus dort seine Verkündigung mit einer Rede zu einer Volksmenge begann, lebten in Lystra wahrscheinlich nur sehr wenige Juden. Derbe lag etwa 65 km südöstlich von Lystra.
14,11 Die seltsame Reaktion der Bewohner von Lystra auf die Hei- lung wurzelte in ihrer örtlichen traditionellen Kultur. Einer Überlieferung zufolge hatten die Götter Zeus und Hermes Lystra in unerkennbarer Gestalt besucht und um Essen und Unterkunft gebeten. Überall wurden sie abgewiesen, außer von einem Bauern namens Philemon und seiner Frau Baucis. Die Götter rächten sich mit einer Überschwemmung, die alle dahinraffte. Die bescheidene Hütte von Philemon und Baucis verwandelten sie jedoch in einen Tempel, wo das Ehepaar als Priester und Priesterin diente. Da die Bewohner von Lystra den Fehler ihrer Vorfahren nicht wiederholen wollten, hielten sie Barnabas für Zeus und Paulus für Hermes. 14,11 lykaonisch. Paulus und Barnabas konnten nicht verstehen, was die Leute vorhatten.
14,13 Priester des Zeus. Seine Aufgabe war es, die Leute zur An- betung der beiden Männer anzuleiten, die sie für Götter hielten.
14,14 zerrissen sie ihre Kleider. Ein jüdischer Ausdruck des Ent- setzens und Verabscheuens bei einer Gotteslästerung (s. Anm. zu Mt 26,65).
14,15 S. Anm. zu 17,23.24. Da das Volk in Lystra heidnisch war und das AT nicht kannte, passte Paulus seine Botschaft den Zuhörern an. Anstatt den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu verkünden, appellierte er an die allgemeine und verstandesmäßige Erkenntnis des einen Gottes, der die Welt erschaffen hat (vgl. 17,22-26; Jon 1,9). 14,15 nichtigen. Eine treffende Beschreibung für Götzendienst und falsche Religionen.
14,16 Er ließ … alle Heiden ihre eigenen Wege gehen. Der Weg, den sie alle gegangen sind, ist beschrieben in Röm 1,18-32.
14,17 sich selbst nicht unbezeugt gelassen. Gottes Vorsehung und seine Schöpfermacht bezeugen dem menschlichen Verstand, dass Gott existiert (Röm 1,18-20). Ein weiteres Zeugnis ist das Gewissen des Menschen, in das Gott sein moralisches Gesetz hineingelegt hat (Röm 2,13-15).
14,19 steinigten Paulus … in der Meinung, er sei gestorben. Manche behaupten, Paulus sei an der Steinigung gestorben und verbinden diese Begebenheit mit der Erfahrung, die er in 2Kor 12 beschreibt. Aber das stimmt nicht, denn »in der Meinung« bedeutet, dass sie in ihrer Meinung falsch lagen. Die übliche Verwendung dieses Wortes im NT belegt, dass die Volksmenge sich in ihrer Vermutung irrte und Paulus nicht tot war. Und wenn Paulus auferweckt wurde, warum schreibt Lukas das dann nicht? Das ist ein weiteres Argument zugunsten dieser Auslegung. Außerdem stimmen die Zeitangabe für Paulus’ Entrückungserlebnis und der Zeitpunkt dieser Steinigung nicht überein.
14,20 Derbe. S. Anm. zu V. 6.
14,22 Reich Gottes. S. Anm. zu 1,3.
14,23 Älteste bestimmt. S. Anm. zu 11,30.
14,24 Pisidien. Eine bergige und raue Region ohne Gelegenheiten zur Evangelisation. Pamphylien. S. Anm. zu 13,13.
14,25 Perge. S. Anm. zu 13,13.
14,26 von dort. So endete Paulus’ erste Missionsreise. Antiochia. S. Anm. zu 11,19.
14,28 eine nicht geringe Zeit. Etwa ein Jahr.
15,1 Die ganze Kirchengeschichte hindurch war es üblich, dass sich die Leiter der Gemeinden versammelten, um Lehrfragen zu klären. In den ersten Jahrhunderten der Kirche führen Historiker sieben ökumenische Konzilien auf, insbesondere die Konzilien von Nizäa (325 n.Chr.) und Chalcedon (451). Doch das wichtigste Konzil war das allererste, das Konzil von Jerusalem, denn dort wurde die Antwort auf die allerentscheidendste Lehrfrage formuliert: »Was muss ein Mensch tun, um errettet zu werden?« Die Apostel und Ältesten bekämpften Bestrebungen, Gesetzlichkeit und Ritualismus als nötige Voraussetzungen der Errettung festzulegen. Sie bestätigten ein für allemal, dass das Heil vollkommen aus Gnade durch Glauben an Christus ist. 15,1 aus Judäa. S. Anm. zu 1,8. einige. Judaisten, d.h. Irrlehrer, selbsternannte Wächter der Gesetzlichkeit, die eine Lehre der Errettung aus Werken verkündeten. Wenn ihr euch nicht … beschneiden lasst, so könnt ihr nicht gerettet werden! Vgl. V. 24. Das war die Irrlehre, die die Judaisten verbreiteten. S. Anm. zu 1Mo 17,10-12. 15,2 Leiter der Jerusalemer Gemeinde (s. Anm. zu 11,30). nach Jerusalem. S. Anm. zu 18,22. Ältesten.
15,4 Paulus und Barnabas und andere berichteten sehr ausführlich die vielen Werke, die Gott durch ihre Bemühungen vollführte. Zweifellos wiesen sie ausreichend und überzeugend nach, dass die Errettung der Heiden echt war (vgl. 10,44-48; 11,17.18).
15,7 stand Petrus auf. Petrus hielt die erste von den drei Reden auf diesem Konzil. Sie gipfelten in einer der stärksten Verteidigungen der Errettung aus Gnade durch Glauben allein, die wir in der Bibel fi nden. Petrus begann seine Argumentation mit einem Rückblick, wie Gott in der Anfangszeit der Gemeinde Heiden errettet hat und dass dabei weder eine Beschneidung erforderlich war, noch das Halten des Gesetzes oder irgendwelche Rituale. Damit meinte er die Errettung von Kornelius und seiner Familie (10,44-48; 11,17.18). Wenn Gott keine zusätzlichen Anforderungen für die Errettung stellt, sollten auch die Judaisten nicht mehr fordern. durch meinen Mund. S. 10,1-48.
15,8 ihnen den Heiligen Geist gab. Die Judaisten hätten vielleicht einwenden können, dass Kornelius und die anderen gar nicht errettet seien, weil sie die gesetzlichen Bedingungen nicht erfüllten. Doch um dieses Argument zu entkräften, erinnert Petrus daran, dass Gott ihnen den Heiligen Geist gegeben und so die Echtheit ihrer Errettung unter Beweis gestellt hatte (s. Anm. zu 2,4).
15,10 ein Joch. Das ist eine Beschreibung für das Gesetz und die Gesetzlichkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt 23,4; vgl. Lk 11,46). Die Lehrer der Gesetzlichkeit erwarteten von den Heiden, eine Last zu tragen, die sie selber nicht zu tragen bereit waren.
15,11 durch die Gnade des Herrn Jesus Christus. Eine über- zeugende Bestätigung der Errettung aus Gnade durch Glauben allein (s. Anm. zu Röm 3,24.25).
15,12 Barnabas und Paulus. Sie hielten die zweite Rede, in der sie von dem Werk Gottes berichteten, das er auf ihrer gerade beendeten ersten Missionsreise unter den Heiden getan hatte. Zeichen und Wunder. S. Anm. zu 2,19.
15,13 ergriff Jakobus das Wort. Auch er bezeugte mit dieser drit- ten Verteidigungsrede, dass die Errettung allein aus Glauben ist, indem er erklärte, wie Gottes Zukunftspläne – das Heil für die Heiden – mit seinem gegenwärtigen Wirken übereinstimmen.
15,14 ein Volk für seinen Namen. S. Anm. zu Kap. 10.11. Vgl. Mal 2,2.5; 3Joh7. 15,15-17 Jakobus zitiert eine Prophezeiung von Amos (9,11.12) über das Tausendjährige Reich. Damit beweist er, dass die Errettung von Heiden nicht dem Plan Gottes für Israel widerspricht, denn im Tausendjährigen Reich werden Gottes Boten den Heiden das Heil verkünden (Sach 8,20-23).
15,17 Völker, über die mein Name ausgerufen worden ist. Wörtl. »Nationen« bzw. »Heiden«. Jakobus argumentiert damit, dass Amos nichts von Heiden sagt, die jüdische Proselyten werden. Wenn im Tausendjährigen Reich Heiden errettet werden können, ohne Juden zu werden, dann brauchen sie sich auch jetzt nicht zu Proselyten machen zu lassen.
15,19 keine Lasten aufl egen. Das gr. Wort für »Lasten aufl egen« bedeutet »jemandem etwas in den Weg werfen, um ihn zu ärgern«. Das Jerusalemer Konzil entschied nach Erwägung aller Tatsachen, dass das Halten des Gesetzes und Begehen von Ritualen keine Bedingungen für die Errettung sind. Die Judaisten sollten aufhören, den Heiden Lasten und Ärgernisse aufzuerlegen.
15,20 Jakobus und die anderen Führungspersonen wollten nicht, dass die Heiden ihre Freiheit in Christus ungezügelt ausnutzten, denn das könnte die jüdischen Gläubigen animieren, sich dieselben Freiheiten herauszunehmen und so ihr Gewissen zu verletzen. Deshalb schlug Jakobus vor, die Heiden sollten auf vier heidnische und götzendienerische Dinge verzichten, die gegen das mosaische Gesetz verstießen. So würde verhindert, dass die Juden Anstoß nehmen könnten. Verunreinigung durch die Götzen. Nahrungsmittel, die heidnischen Göttern geopfert worden waren und dann auf dem Fleischmarkt angeboten wurden. Da Götzendienst für Juden höchst abscheulich und von Gott verboten war (vgl. 2Mo 20,3; 34,17; 5Mo 5,7), vermieden sie alles, was mit Götzen zu tun hatte, einschließlich Götzenopferfl eisch (vgl. 1Kor 8,1-13). Unzucht. Allgemeine sexuelle Sünden, aber insbesondere die Orgien im Zusammenhang mit der Verehrung heidnischer Götter. Die Heiden sollten vermeiden, den Juden Anstoß zu geben, die in Sachen Ehe und allen Beziehungen zum anderen Geschlecht sehr feinfühlig waren. Erstickten und vom Blut. Das sind Speiseverbote (1Mo 9,4; 3Mo 3,17; 7,26; 17,12-14; 19,26; 5Mo 12,16.23; 15,23; 1Sam 14,34; Hes 33,25).
15,22 Judas. Über ihn ist nichts weiteres bekannt, außer dass er ein Prophet war (V. 32). Silas. S. Anm. zu V. 40. Auch bekannt als Silvanus. Er begleitete Paulus auf seiner zweiten Missionsreise (V. 40; 16,19.25.29; 17,4.10.14.15; 18,5) und war später der Sekretär (Schreiber) des Petrus, als dieser den »ersten Petrusbrief« verfasste (1Pt 5,12).
15,23 in Antiochia und in Syrien und Cilicien. Antiochia war die Hauptstadt von Syrien und Cilicien, die als gemeinsamer Bezirk von Rom verwaltet wurden. Die Gemeinden in Cilicien waren wahrscheinlich von Paulus gegründet worden, als er nach seiner Flucht aus Jerusalem dorthin ging (9,30).
15,24 verwirrt … unsicher gemacht. Das gr. Wort für »verwirren« bedeutet »zutiefst beunruhigen«, »verblüffen« oder »Angst einjagen«. Das gr. Wort für »unsicher machen« bezeichnete in außerbiblischer Literatur jemanden, der Bankrott ging. Zusammen genommen beschreiben diese Begriffe treffend das Chaos, das die Judaisten angerichtet hatten. beschneiden. Vgl. V. 1; s. Anm. zu 1Mo 17,10-12.
15,26 ihr Leben hingegeben. Oder »ihr Leben riskiert«. Auf der ersten Missionsreise erlebten sie Verfolgung (13,50), und Paulus wurde beinahe umgebracht (14,19.20).
15,29 S. Anm. zu V. 20.
15,34 Dieser Vers ist in den besten Handschriften nicht enthalten.
15,36 sehen, wie es um sie steht. Über die Verkündigung des Evangeliums hinaus erkannte Paulus auch seine Verantwortung, sich um die geistliche Weiterentwicklung der neuen Gläubigen zu kümmern (Mt 28,19.20; Eph 4,12.13; Phil 1,8; Kol 1,28; 1Th 2,17). Deshalb plante er seine zweite Missionsreise mit derselben Route wie die erste.
15,37 Johannes, der Markus genannt wird. S. Anm. zu 12,12; 13,13.
15,39 Auseinandersetzung … trennten. Sie trennten sich nicht im Frieden, sondern in erbitterter Unstimmigkeit bezüglich Johannes Markus. Der biblische Befund weist Paulus’ Entscheidung als die richtige aus. Das gilt besonders deshalb, weil er ein Apostel Jesu Christi war. Allein aufgrund dieser Tatsache hätte Barnabas sich seiner Autorität unterwerfen sollen. Doch später haben sie sich wieder versöhnt (1Kor 9,6). Zypern. S. Anm. zu 13,4.
15,40 Silas. Er war ein absolut geeigneter Begleiter des Paulus, denn er war ein Prophet und konnte das Wort Gottes verkünden und lehren. Als Jude hatte er Zugang zu den Synagogen (s. Anm. zu 6,9) und als römischer Staatsbürger (16,37) erfreute er sich derselben Vorteile und Sicherheiten wie Paulus. Seine Stellung als anerkannter Führer in der Jerusalemer Gemeinde war nützlich, um Paulus’ Lehre zu bekräftigen, dass Heiden allein aus Gnade allein durch Glauben errettet werden (s. Anm. zu V. 22).
15,41 Syrien und Cilicien. Paulus besuchte Gemeinden, die er wahrscheinlich gegründet hatte, bevor er zur Gemeinde in Antiochia gekommen war (Gal 1,21). Auch dort war die Frage nach der Beschneidung aufgekommen.
16,1 Derbe und Lystra. S. Anm. zu 14,6. ein Jünger namens Timotheus. Ein junger Mann (etwa um die 20 Jahre alt) hohen Ansehens, ein »wahres Kind im Glauben« (1Tim 1,2; vgl. 2Tim 1,2), der später Paulus’ »rechte Hand« wurde (1Kor 4,17; 1Th 3,2; Phil 2,19; s. Einleitung zu 1. Timotheus) und im Wesentlichen Johannes Markus ersetzte. Nachdem die Ältesten der örtlichen Gemeinde ihn offi ziell dazu beauftragt hatten (1Tim 4,14; 2Tim 1,6), schloss er sich Paulus und Silas an. eines griechischen Vaters. Die Grammatik legt nahe, dass sein Vater bereits verstorben war. Da er sowohl Jude als auch Heide war, hatte Timotheus Zugang zu beiden Kulturen. Das war für die Missionsarbeit eine unentbehrliche Hilfe.
16,3 ließ ihn beschneiden. Damit wollte Paulus erreichen, dass Timotheus bei den Juden akzeptiert würde und uneingeschränkten Zugang zu den Synagogen bekäme (s. Anm. zu 6,9), die er zusammen mit Paulus und Silas aufsuchte. Wäre Timotheus nicht beschnitten worden, dann hätten die Juden vermutet, er habe sein jüdisches Erbe verworfen und den Entschluss gefasst, als Heide zu leben. 16,4 Beschlüsse. Die Bestimmungen des Jerusalemer Konzils (s. Anm. zu 15,23-29).
16,6 Heiligen Geist … Asia. Paulus durfte nicht seiner Absicht nachgehen und in Kleinasien wirken (der heutigen Türkei) und in solchen Städten wie Ephesus, Smyrna, Philadelphia, Laodicea, Kolossä, Sardis, Pergamos und Thyatira.
16,7 Mysien … Troas. Der nordwestliche Teil der Provinz Kleina- sien. 16,7 Bithynien. Eine separate römische Provinz nordöstlich von Mysien. der Geist ließ es ihnen nicht zu. Nachdem der Heilige Geist sie geleitet hatte, nicht weiter nach Norden zu reisen, gab es für sie kein anderes Reiseziel als nur Troas, eine Hafenstadt an der Ägäis.
16,9 Das war die zweite von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 18,9.10; 22,17.18; 23,11; 27,23.24). 16,9 Mazedonien. Die Region am gegenüberliegenden Ufer der Ägäis auf dem griechischen Festland. Dort lagen die Städte Philippi und Thessalonich. Bedeutsam ist, dass die Missionare mit diesem Schritt das Evangelium aus Asien nach Europa brachten.
16,10 wir. Hier wechselt Lukas von der dritten zur ersten Person und zeigt damit an, dass er sich Paulus, Silas und Timotheus anschloss (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit).
16,11 Samothrace. Eine Insel in der Ägäis etwa auf halbem Weg zwischen Kleinasien und dem griechischen Festland. Dort übernachteten sie, um den Gefahren des Segelns im Dunkeln zu entgehen. Neapolis. Die Hafenstadt von Philippi.
16,12 Philippi. S. Einleitung zum Philipperbrief. Philippi lag etwa 15 km landeinwärts von Neapolis und war benannt nach Philippus II. von Mazedonien (dem Vater Alexanders des Großen). eine römische Kolonie. Philippi wurde im Jahr 31 v.Chr. römische Kolonie und hatte damit Freiheitsrecht (sie verwaltete sich selbst und war unabhängig von der Provinzregierung), war steuerbefreit und hatte das Recht auf vollen Landbesitz.
16,13 an den Fluss. Offenbar lebten hier nicht genug Juden, um die zehn männlichen, einem Haus vorstehenden Juden aufzubringen, die zur Gründung einer Synagoge erforderlich waren. In solchen Fällen trafen sich die Juden an einer Gebetsstätte unter freiem Himmel und in der Nähe eines Gewässers. Dieser Platz befand sich höchstwahrscheinlich an der Stelle, wo die Straße nach Philippi den Fluss Gangites überquert. Frauen, die zusammengekommen waren. Ein weiterer Hinweis auf einen Mangel an jüdischen Männern ist, dass es Frauen waren, die sich hier versammelten, um zu beten, aus dem AT-Gesetz zu lesen und über das Gelesene zu diskutieren.
16,14 gottesfürchtige. Wie bereits Kornelius, so glaubte auch Lydia an den Gott Israels, war aber keine vollständige Proselytin (vgl. 10,2). Lydia … aus der Stadt Thyatira. Ihre Heimatstadt lag in der römischen Provinz Lydia. Daher steht ihr Name »Lydia« wahrscheinlich mit ihrer Herkunft in Verbindung. Purpurhändlerin. Sie handelte mit Purpurstoffen. Da Purpurfarbstoff extrem teuer war, wurden Purpurkleider üblicherweise von Königen und Reichen getragen. Folglich warf Lydias Geschäft einen ansehnlichen Profi t ab, und daher war ihr Haus groß genug, um das Missionarsteam (V. 15) und die neu entstandene Gemeinde in Philippi aufzunehmen (V. 40). der Herr tat ihr das Herz auf. Ein weiterer Beweis für die Souveränität Gottes in der Errettung (s. Anm. zu 13,48).
16,15 ihr Haus. S. Anm. zu 11,14. Vgl. V. 31.
16,16 Wahrsagegeist. Wörtl. ein »Pyton-Geist«. Dieser Ausdruck stammt aus der gr. Mythologie. Pyton war eine drachenähnliche Schlange, die das Orakel in Delphi bewachte. Diese Frau war ein Medium und stand in Kontakt mit Dämonen, die angeblich die Zukunft voraussagen konnten. S. Anm. zu 5Mo 18,9-12.
16,17 des höchsten Gottes. Hebr. El Eljon, der absolut souveräne Gott, ist ein alttestamentlicher Titel für den Gott Israels und kommt im AT über 50-mal vor (s. 1Mo 14,18-22; Ps 78,35; Dan 5,18).
16,18 Ich gebiete dir in dem Namen Jesu Christi. Der Dämon gehorchte Paulus’ Befehl und verließ die Frau aufgrund der apostolischen Autorität des Paulus. Die Fähigkeit zur Dämonenaustreibung war eine besondere Gabe der Apostel Christi (Mk 3,15; 2Kor 12,12).
16,20 Juden … bringen unsere Stadt in Unruhe. Auch damals gab es schon Antisemitismus. Der römische Kaiser Klaudius erließ etwa zu dieser Zeit einen Befehl, dass alle Juden aus Rom wegziehen sollten (18,2). Das erklärt, warum die Philipper nur Paulus und Silas verhafteten, denn Lukas war Grieche und Timotheus Halbgrieche.
16,21 verkündigen Gebräuche … nicht erlaubt … Römer. The- oretisch stimmte es, dass römische Staatsbürger keinerlei ausländische Religion ausüben durften, die nicht vom Staat genehmigt war. Dass sie jedoch ein Chaos anrichteten, war eine falsche Anklage.
16,22 Hauptleute. Jede römische Kolonie verfügte über zwei sol- che Männer, die als Richter dienten. In diesem Fall handelten sie nicht nach römischem Recht: Sie untersuchten nicht die Anklage, führten kein Verhör durch und gaben Paulus und Silas keine Chance, sich zu verteidigen. schlagen. Das war eine unrechtmäßige Bestrafung, da sie keines Vergehens überführt worden waren. Die Gerichtsdiener (V. 35), die dem Befehl der Hauptleute unterstanden, führten diese Züchtigung mit einem Bündel Stöcken durch. Dieselbe Strafe erlitt Paulus zwei weitere Male (2Kor 11,25).
16,24 innere Gefängnis … in den Stock. Der »Sicherheitstrakt« des Gefängnisses. Als weitere Sicherheitsmaßnahme legte der Wärter ihre Füße »in den Stock«. Diese Methode war darauf ausgelegt, schmerzhafte Krämpfe zu verursachen. Daher wurden die Beine des Häftlings dabei so weit wie möglich gespreizt.
16,27 Türen des Gefängnisses geöffnet sah … wollte sich tö- ten. Anstatt auf die Demütigung und eine schmerzhafte Hinrichtung zu warten. Ein römischer Soldat, der einen Gefangenen entkommen ließ, bezahlte seine Nachlässigkeit mit seinem eigenen Leben (12,19; 27,42).
16,31 Glaube an den Herrn Jesus Christus. Man muss glauben, dass er der ist, als der er sich offenbart hat (Joh 20,31) und an das glauben, was er getan hat (1Kor 15,3.4; s. Anm. zu Röm 1,16). du und dein Haus. Alle Familienangehörigen, Bediensteten und Gäste, die das Evangelium verstehen und glauben konnten, hörten das Evangelium und wurden gläubig (s. Anm. zu 11,14). Das schließt unmündige Kleinkinder nicht mit ein. Vgl. V. 15.
16,37 Römer. Einem römischen Staatsbürger eine körperliche Züchtigung aufzuerlegen, war ein schweres Vergehen. Und dass Paulus und Silas keinen Prozess bekommen hatten, machte die Sache noch schlimmer. Folglich sahen die Hauptleute sich in der Gefahr, ihres Amtes enthoben zu werden und Philippis Privilegien als römische Kolonie zu verwirken (s. Anm. zu V. 12).
17,1 Amphipolis und Apollonia … Thessalonich. Die Reiserou- te führte sie südwestlich von Philippi entlang der Via Egnatia. Amphipolis lag etwa 50 km von Philippi entfernt und Apollonia weitere 50 km. Der Reisebericht lässt vermuten, dass die Reisegruppe in diesen Städten lediglich übernachtete. 65 km hinter Apollonia lag Thessalonich, die Hauptstadt Mazedoniens, wo etwa 200.000 Menschen lebten. Thessalonich war eine bedeutende Hafenstadt und ein wichtiges Handelszentrum. Synagoge. S. Anm. zu 13,5. Lukas erwähnt nur in dieser Stadt eine Synagoge, was eine Erklärung sein kann, warum Paulus und seine Begleiter sich nicht länger in den anderen Städten aufhielten.
17,2 nach seiner Gewohnheit. Paulus begann seine Verkündi- gung in jeder Stadt stets bei den Juden (s. Anm. zu 13,5). an drei Sabbaten. So lange dauerte sein anfängliches öffentliches Wirken. Die tatsächlich in Thessalonich zugebrachte Zeit war länger, vielleicht sogar vier bis sechs Monate.
17,5 das Haus Jasons. Der Pöbel nahm an, dass sich Paulus, Silas und Timotheus dort aufhalten. Über Jason wissen wir nur, dass er wahrscheinlich ein Jude war, denn Jason war ein Name, der von vielen in der Zerstreuung lebenden Juden angenommen wurde.
17,7 gegen die Verordnungen des Kaisers. Eines der schlimms- ten Verbrechen im Römischen Reich war es, sich zu einem anderen König zu bekennen als zum Kaiser (vgl. Joh 19,15).
17,9 gegen Bürgschaft. Eine Art Pfand oder Kaution, die Jason verwirken würde, wenn Paulus und seine Begleiter weiterhin Probleme verursachten. Folglich blieb ihnen keine andere Wahl, als Thessalonich zu verlassen.
17,10 Beröa. Eine wichtige Stadt, die nicht an einer Hauptstraße lag. Synagoge. S. Anm. zu 13,5.
17,15 Athen. Das kulturelle Zentrum Griechenlands. In ihrer Blü- tezeit war Athen die Heimatstadt der bekanntesten Philosophen der Geschichte, u.a. von Sokrates, Platon und Aristoteles, der wohl der einfl ussreichste Philosoph überhaupt war. Zwei weitere Philosophen lehrten dort: Epikur, der Begründer des Epikureismus, und Zenon, der Begründer des Stoizismus. Das waren damals zwei der vorherrschenden Philosophien (s. Anm. zu V. 18).
17,16 voller Götzenbilder. Athen war auch das religiöse Zentrum Griechenlands. Hier konnte praktisch jegliche bekannte Gottheit verehrt werden. Weil hier der heidnische Götzendienst derart grassierte, war Athen in Paulus’ Augen eine Stadt voller verlorener Menschen, die alle verdammt waren zu einer Ewigkeit ohne Christus.
17,17 Synagoge. S. Anm. zu 13,5.
17,18 epikureischen und auch der stoischen Philosophen. Die epikureische Philosophie lehrte, das Hauptziel des Menschen sei, Leid zu vermeiden. Die Epikureer waren Materialisten: Sie verleugneten nicht die Existenz Gottes, doch glaubten sie, er habe nichts mit den Angelegenheiten der Menschen zu schaffen. Leib und Seele eines Menschen würden sich ihrem Glauben zufolge nach dem Tod auflösen. Die Stoiker lehrten, Ziel des Lebens sei es, einen Zustand der Unbeeinfl ussbarkeit durch Lust oder Schmerz zu erreichen und somit selbstbestimmend zu sein. Schwätzer. Wörtl. »Samen-Picker«. Einige der Philosophen hielten Paulus für einen Hobbyphilosoph, der keine eigenen Ideen hat, sondern nur unter den vorherrschenden Philosophien etwas herauspickte und daraus eine Philosophie ohne Tiefgang zurechtzimmerte.
17,19 Areopag. Ein Gerichtshof, der nach dem Hügel benannt war, auf dem die Gerichtsverhandlungen stattfanden. Paulus wurde nicht formal verhört, sondern nur aufgefordert, seine Lehre zu verteidigen.
17,22 auf die Verehrung von Gottheiten bedacht. Wörtl. »Göt- ter fürchtet«.
17,23 Dem unbekannten Gott. Die Athener waren Suprana- turalisten, d.h. sie glaubten an übernatürliche Mächte, die in den Lauf der Naturgesetze eingriffen. Zumindest erkannten sie an, dass es jemanden gibt, den sie mit ihrem Verstand nicht fassen konnten und der alles gemacht hat. Somit hatte Paulus die Gelegenheit, ihnen den Schöpfergott vorzustellen, der von Menschen erkannt werden kann (5Mo 4,35; 1Kö 8,43; 1Chr 28,9; Ps 9,11; Jer 9,23; 24,7; 31,34; Joh 17,3). Bei der Evangelisation von Heiden begann Paulus stets mit der Schöpfung als allgemeine Offenbarung Gottes (vgl. 14,15-17). Wenn er Juden das Evangelium verkündete, fi ng er beim AT an (V. 10-13).
17,24 Gott, der die Welt gemacht hat. Diese Lehre widersprach eindeutig sowohl den Epikureern, die glaubten, die Materie sei ewig und brauche keinen Schöpfer, als auch den Stoikern, die als Pantheisten glaubten, Gott sei ein Teil aller natürlichen Dinge und könne sich nicht selbst erschaffen haben. Paulus’ Lehre wird in der ganzen Bibel unterstützt (1Mo 1,1; Ps 146,5.6; Jes 40,28; 45,18; Jer 10,12; 32,17; Jon 1,9; Sach 12,1; Eph 3,9; Kol 1,16; Offb 4,11; 10,6).
17,26 aus einem Blut. Da alle Menschen von Adam und damit von einem einzelnen Mann abstammen, sind in Gottes Augen alle Menschen gleich. Diese Lehre war ein Schlag gegen den Nationalstolz der Griechen, die glaubten, alle Nichtgriechen seien nur Barbaren (s. Anm. zu Röm 1,14). im Voraus verordnete Zeiten. Gott lenkt in seiner Souveränität den Aufstieg und Fall von Nationen und Reichen (vgl. Dan 2,36-45; Lk 21,24). die Grenzen ihres Wohnens. Gott ist es, der den Nationen ihre ethnische Identität gegeben hat sowie ihr spezifi sches geografi sches Territorium (5Mo 32,8), und er bestimmt die Grenzen ihrer Eroberungen (vgl. Jes 10,12-15).
17,27 den Herrn suchen sollten. Das ist Gottes Ziel, wohin er den Menschen bringen will und wozu er sich als Schöpfer, Herrscher und Lenker der Welt offenbart. Die Menschen haben keine Ausrede dafür, dass sie Gott nicht kennen, denn er offenbart sich im Gewissen des Menschen und in der sichtbaren Welt (s. Anm. zu Röm 1,19.20; 2,15).
17,28 in ihm leben, weben und sind wir. Ein Zitat von dem kre- tischen Dichter Epimenedes.
17,29 göttlichem Geschlecht. Ein Zitat von Aratus, der aus Paulus’ Heimatregion Cilicien stammte. nicht … Gold oder Silber. Wenn der Mensch von Gott stammt, wie der griechische Dichter andeutete, ist es töricht zu meinen, Gott sei nichts weiter als ein von Menschen gemachtes Götzenbild. Eine solche Denkweise verdeutlicht die Absurdität des Götzendienstes (vgl. Jes 44,9-20).
17,30 die Zeiten der Unwissenheit hinweggesehen. S. Anm. zu Röm 3,25. 17,31 Mann, den er dazu bestimmt hat. Jesus Christus (Joh 5,22-27).
17,32 Auferstehung der Toten. Die gr. Philosophie glaubte nicht an die Auferstehung des Leibes.
17,34 Mitglied des Areopag. Ein Mitglied des Gerichtshofes auf dem Areopag (s. Anm. zu V. 19).
18,1 Korinth. S. Einleitung zu 1. Korinther. Das führende politische und wirtschaftliche Zentrum Griechenlands. Die Stadt befand sich an einem strategisch wichtigen Punkt auf der Landenge von Korinth, die die Halbinsel Peloponnes mit dem übrigen Griechenland verband. Praktisch der gesamte Verkehr zwischen Nord- und Südgriechenland musste die Stadt durchqueren. Weil Korinth ein Handelszentrum war und alle Arten von Reisenden beherbergte, hatte die Stadt eine unstete Bevölkerung, die moralisch zutiefst verkommen war. Außerdem gab es dort den Tempel der Liebesgöttin Aphrodite. Eintausend Tempelpriesterinnen kamen allabendlich in die Stadt, um ihrem Gewerbe der rituellen Prostitution nachzugehen.
18,2 Aquila … Priscilla. Dieses Ehepaar wurde zu Paulus’ besten Freunden. Sie riskierten sogar ihr Leben für ihn (Röm 16,3.4). Bei den anderen fünf Erwähnungen dieses Paares in der Schrift wird Priscilla zuerst genannt, was bedeuten kann, dass sie einen höheren sozialen Status hatte als Aquila oder dass sie in der Gemeinde die Bedeutendere von den beiden war. Wahrscheinlich waren sie bereits Christen, als Paulus sie kennen lernte, denn sie kamen aus Rom, wo bereits eine Gemeinde existierte (Röm 1,7.8). Claudius. S. Anm. zu 11,28. dass alle Juden Rom verlassen sollten. Dieser Erlass zwang Priscilla und Aquila, Rom etwa im Jahr 49 n.Chr. zu verlassen (s. Anm. zu 16,20).
18,3 Zeltmacher. Das kann auch Lederarbeiter bedeuten.
18,4 Synagoge. S. Anm. zu 13,5. Griechen. Gottesfürchtige Hei- den in der Synagoge (s. Anm. zu 10,2).
18,5 Silas und Timotheus aus Mazedonien. Paulus’ Wunsch gemäß hatten sich Silas und Timotheus ihm in Athen angeschlossen (17,15). Von dort aus hatte er Timotheus zurück nach Thessalonich gesandt (1Th 3,1-6). Paulus hatte Silas offenbar irgendwohin nach Mazedonien geschickt, möglicherweise nach Philippi (vgl. Phil 4,15; 2Kor 11,9), denn von dieser Provinz aus kehrte er nach Korinth zurück.
18,6 Euer Blut sei auf euerem Haupt. Paulus machte seine Geg- ner völlig dafür verantwortlich, dass sie Christus lästerten und seine Botschaft verwarfen (vgl. Jos 2,19; 2Sam 1,16; 1Kö 2,37; Hes 18,13; 33,4; Mt 27,25).
18,7 gottesfürchtigen Mannes. S. Anm. zu 16,14. Justus, des- sen Haus. Ein Heide, der sich für den Gott Israels interessierte und Kontakt zur benachbarten Synagoge hatte. Seinem Namen nach war er ein Römer, und da Römer üblicherweise drei Namen hatten, hieß er möglicherweise Gajus Titius Justus, was bedeutet, dass er derselbe Gajus war, der in Röm 16,23 und 1Kor 1,14 erwähnt wird.
18,8 Krispus, der Synagogenvorsteher. Die Bekehrung dieser an- gesehenen Führungsperson muss Wellen der Erregung in der jüdischen Gemeinschaft ausgelöst haben (s. Anm. zu 6,9). samt seinem ganzen Haus. S. Anm. zu 11,14.
18,9 Das war die dritte von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 22,17.18; 23,11; 27,23.24).
18,10 ich habe ein großes Volk in dieser Stadt. Gott hatte eine Anzahl von Menschen in Korinth zum Heil bestimmt, die das Evangelium bisher nicht gehört hatten (vgl. 13,48; Röm 10,13-15). Als Auswirkung der Verkündigung des Paulus wurden die Erwählten zum Glauben bewegt (Tit 1,1).
18,11 ein Jahr und sechs Monate. Paulus’ längster Aufenthalt in einer Stadt, ausgenommen von Ephesus (20,31) und Rom (28,30).
18,12 Als aber Gallion Statthalter von Achaja war. Von Juli 51 n.Chr. bis Juni 52. Richterstuhl. Eine große, erhobene Steinplattform auf dem Marktplatz vor der Residenz des Statthalters. Dort hielt er öffentliche Prozesse ab.
18,13 gesetzwidrigen. Das Judentum war zwar keine offi zielle Religion, wurde in der römischen Welt jedoch toleriert und das Christentum wurde als Sekte des Judentums angesehen. Die Juden in Korinth behaupteten, Paulus’ Lehre gehöre nicht zum Judentum und solle daher verboten werden. Hätte Gallion hier zugunsten der Juden gehandelt, wäre das Christentum möglicherweise im ganzen Römischen Reich verboten worden.
18,14 Gallion war nicht dumm und durchschaute die Taktik der Juden. Er weigerte sich, in diese, seiner Meinung nach interne jüdische Streiterei hineingezogen zu werden und erließ daher ein »Urteil im Schnellverfahren«: Er erklärte offi ziell, dass kein Verbrechen vorliegt, sondern dass es nur ein Streit um Worte sei, und legte den Fall zu den Akten.
18,17 Sosthenes … schlugen ihn. Diese Griechen hatten Gründe für ihre Feindseligkeit gegenüber Sosthenes: Entweder ließen sie ihre generelle Feindschaft gegenüber den Juden an ihm aus, oder sie waren verärgert über seinen erfolglosen Versuch als führender Jude, einen Prozess gegen Paulus in Gang zu bringen. Da er der Synagogenvorsteher war, hatte er den Fall vor Gallion vorgetragen. Später bekehrte er sich zu Christus (1Kor 1,1).
18,18 Priscilla und Aquila. S. Anm. zu V. 2. Dass sie Paulus beglei- ten konnten, bedeutet, dass die Gemeindeleitung in Korinth gut besetzt war mit Männern wie Gajus, Sosthenes, Stephanas und Krispus. das Haupt hatte scheren lassen; denn er hatte ein Gelübde. Um Gott seine Dankbarkeit zu zeigen, weil er ihm durch eine schwierige Zeit in Korinth durchgeholfen hatte, legte er das Gelübde des Nasiräers ab. Das war ein besonderes Versprechen der Absonderung und Weihe für Gott (vgl. 4Mo 6,2-5.13-21). Das Gelübde galt allgemein für eine bestimmte Zeitspanne, wenngleich Simson (Ri 13,5), Samuel (1Sam 1,11) und Johannes der Täufer (Lk 1,15) ihr ganzes Leben über Nasiräer waren. Wenn zu Paulus’ Zeit jemand außerhalb von Jerusalem ein solches Gelübde ablegte, musste er sich am Ende des Gelübdes seinen Kopf kahl scheren und danach den geschorenen Schopf innerhalb von 30 Tagen im Tempel präsentieren. Kenchreä. Der östliche Hafen von Korinth. 18,19 Ephesus. Die wichtigste Stadt in Kleinasien (s. Einleitung zum Epheserbrief). ließ jene dort zurück. Priscilla und Aquila blieben in Ephesus, um ihr Geschäft aufzubauen. Offenbar lebten sie mehrere Jahre in Ephesus – in ihrem Haus kam eine Gemeinde zusammen (1Kor 16,19) –, bevor sie nach Rom zurückkehrten (Röm 16,3-5). Synagoge. S. Anm. zu 13,5.
18,22 hinauf … hinab nach Antiochia. Lukas beschreibt die Ge- ografi e zwar nicht besonders detailliert, doch ist daraus erkennbar, dass Paulus nach Jerusalem ging, um dort die Gemeinde zu begrüßen. Da Jerusalem höher lag als die umliegende Region, mussten Reisende »hinaufgehen«, um dorthin zu gelangen und »hinab«, wenn sie von dort fortzogen. Paulus musste auch deshalb nach Jerusalem zurückkehren, um sein Gelübde zu erfüllen. So endete die zweite Missionsreise.
18,23 einige Zeit. Möglicherweise vom Sommer 52 bis zum Früh- ling 53. Galatien und Phrygien. S. Anm. zu 16,6. Mit der Rückkehr des Paulus in diese Gebiete begann seine dritte Missionsreise.
18,24 Apollos. Ein alttestamentlich Gläubiger und Jünger Johannes des Täufers (V. 25). Nachdem Aquila und Priscilla ihn weiter unterwiesen hatten (V. 26), entwickelte er sich zu einem vollmächtigen christlichen Prediger. Seine Tätigkeit hatte tiefen Einfl uss auf die Korinther (vgl. 1Kor 1,12). Alexandria. Eine bedeutende Stadt in Ägypten in der Nähe der Nilmündung. Im 1. Jhdt. lebte dort eine umfangreiche jüdische Bevölkerung. Somit war Apollos in einer jüdischen Kultur aufgewachsen, obwohl er außerhalb Israels geboren war. der mächtig war in den Schriften. Dieser Ausdruck wird nur hier verwendet und bezeichnet Apollos’ ATSchriftkenntnis. Dieses Wissen ermöglichte ihm in Kombination mit seiner Redegabe, die jüdischen Widersacher in Grund und Boden zu reden (V. 28).
18,25 Weg des Herrn. Zu diesem Wissen gehörte nicht der christ- liche Glaube (vgl. V. 26). Im AT beschreibt dieser Ausdruck die geistlichen und moralischen Maßstäbe, die Gott seinem Volk vorschrieb (1Mo 18,19; Ri 2,22; 1Sam 12,23; 2Sam 22,22; 2Kö 21,22; 2Chr 17,6; Ps 18,22; 25,8.9; 138,5; Spr 10,29; Jer 5,4.5; Hes 18,25.29; 33,17.20; Hos 14,10). Taufe des Johannes. Trotz seiner Kenntnis des ATs verstand Apollos die christliche Wahrheit nicht ganz. Die Taufe des Johannes sollte Israel auf die Ankunft des Messias vorbereiten (vgl. Lk 1,16.17; s. Anm. zu 2,38; Mt 3,6). Apollos hatte diese Botschaft angenommen und erkannte sogar an, dass Jesus von Nazareth Israels Messias ist. Doch fehlte es ihm an Verständnis solch grundlegender christlicher Wahrheiten wie der Bedeutung von Christi Tod und Auferstehung, dem Wirken des Heiligen Geistes und der Gemeinde als Gottes neuem Volk und Zeugnis. Er war ein erlöster alttestamtlich Gläubiger (V. 24).
18,26 den Weg Gottes noch genauer. Aquila und Priscilla vervoll- ständigten Apollos’ Ausbildung in geistlichen Wahrheiten, indem sie ihn in die Fülle des christlichen Glaubens einführten.
18,27 Achaja. S. Anm. zu V. 12. Apollos hatte vor, von Kleinasien (der heutigen Türkei) aus nach Korinth auf das griechische Festland zu reisen (19,1). die Brüder … schrieben. Derartige Empfehlungsbriefe waren in der Anfangszeit der Gemeinde üblich (vgl. Rom 16,1.2; 1Kor 16,10; 2Kor 3,1.2; Kol 4,10). Die Christen in Ephesus bezeugten damit ihren korinthischen Brüdern, dass Apollos nun ein vollständig unterwiesener Christ ist.
18,28 der Christus. Der Messias Israels.
19,1 höhergelegenen Gebiete. Das Gebiet in Kleinasien nördlich von Ephesus, wo Lukas vor dem Einschub über Apollos’ Wirken Paulus verließ (18,23). Mit dem Weg durch diese Gegend wählte er die direkte Route nach Ephesus und nicht den üblicheren Handelsweg. Ephesus. S. Einleitung zum Epheserbrief. einige Jünger. Jünger von Johannes dem Täufer (V. 3) und daher alttestamentlich Gläubige. Dass sie den christlichen Glauben noch nicht vollständig verstanden, wird aus ihrer Antwort auf Paulus’ Frage deutlich (V. 2). Das gr. Wort für »Jünger« bedeutet »Schüler«, »Lernender« oder »Nachfolger« und bezieht sich nicht immer auf Christen (vgl. Mt 9,14; 11,2; Mk 2,18; Lk 5,33; 7,18.19; 11,1; Joh 1,35; 6,66). Nachfolger Johannes des Täufers, wie diese Gruppe, gab es bis ins 2. Jhdt.
19,2 Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Die Frage zeigt, wie unsicher Paulus hinsichtlich ihres geistlichen Zustands war. Da alle Christen zum Zeitpunkt ihrer Errettung den Heiligen Geist empfangen (s. Anm. zu Röm 8,9; 1Kor 12,13), offenbart ihre Antwort, dass sie noch keine vollständigen Christen waren. Sie hatten die christliche Taufe noch nicht empfangen (sie waren lediglich »auf die Taufe des Johannes« getauft), was weiter bestätigt, dass sie noch keine Christen waren (s. Anm. zu 2,38).
19,4 Taufe der Buße … glauben … an den Christus Jesus. Die- se Jünger hatten nicht erkannt, dass Jesus von Nazareth der Eine war, auf den Johannes’ Taufe hindeutete. Paulus erklärte ihnen nicht, wie sie den Heiligen Geist empfangen könnten, sondern belehrte sie über Jesus Christus.
19,5 taufen auf den Namen des Herrn Jesus. Sie glaubten dem Evangelium, das Paulus ihnen erklärte und kamen zum rettenden Glauben an den Herrn Jesus Christus (vgl. 2,41). Wenngleich die Taufe von allen Christen gefordert wird, rettet sie nicht (s. Anm. zu 2,38).
19,6 als Paulus ihnen die Hände aufl egte. Das symbolisiert ihre Einverleibung in die Gemeinde (s. Anm. zu 8,17). Auch als die Gemeinde geboren wurde, waren Apostel anwesend (Kap. 2), und ebenso, als die Samariter (Kap. 8) und Heiden (Kap. 10) in die Gemeinde aufgenommen wurden. In allen diesen Fällen verfolgte Gott die Absicht, die Einheit der Gemeinde zu verdeutlichen. redeten in Sprachen und weissagten. Das diente als Beweis, dass sie nun Glieder der Gemeinde waren (s. Anm. zu 8,17). Auch sie brauchten einen wahrnehmbaren Beweis, dass der Heilige Geist nun in ihnen wohnte, denn sie hatten zuvor nicht gehört, dass er gekommen sei (V. 2).
19,8 Synagoge. S. Anm. zu 13,5. drei Monate. So lange hielt sich Paulus sonst nirgends in einer Synagoge auf, abgesehen möglicherweise von Korinth. Reich Gottes. S. Anm. zu 1,3.
19,9 verstockten. Das gr. Wort bezeichnet stets eine trotzige Auf- lehnung gegen Gott (Röm 9,18; Hebr 3,8.13.15; 4,7). Wenn man die Wahrheit verwirft, führt das zu einem verhärteten Herzen und so wird die lebensspendende Botschaft des Heils schließlich zu einem »Geruch zum Tode« (2Kor 2,16). den Weg. S. Anm. zu 9,2. in der Schule eines gewissen Tyrannus. Tyrannus war entweder der Besitzer dieses Hörsaals oder ein Philosoph, der dort lehrte. Wenn Letzteres der Fall war, dann war sein Name – der »unser Tyrann« bedeutet – womöglich ein Spitzname, den seine Schüler ihm verpasst hatten. Paulus nutzte diesen Raum während der Nachmittagspause (von etwa 11.00 bis 16.00 Uhr), da er ansonsten während dieser Zeit leergestanden hätte.
19,10 zwei Jahre. So lange lehrte Paulus in der Schule des Tyran- nus; insgesamt wirkte er noch länger in Ephesus (vgl. 20,31). alle, die in der Provinz Asia wohnten … hörten. Obwohl Paulus wahrscheinlich die ganze Zeit über Ephesus nicht verließ, verbreiteten seine Bekehrten (vgl. 2Tim 2,2) das Evangelium in der ganzen Provinz Kleinasien (der heutigen Türkei). Innerhalb dieser zwei Jahre entstanden Gemeinden in Kolossä und Hierapolis sowie möglicherweise einige der sechs weiteren Gemeinden aus Offb 2-3 (eine von den sieben dort aufgeführten Gemeinden ist Ephesus).
19,11 ungewöhnliche Wunder. Diese Wunder bestätigten, dass Paulus ein Bote Gottes war, denn das NT lag noch nicht vollständig vor, um die Wahrheit seiner Botschaft prüfen zu können (vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4).
19,12 Schweißtücher oder Gürtel. Die Stirnbänder und Klei- dungsstücke, die Paulus bei seiner Arbeit als Zeltmacher trug. In der Antike war der Glaube weit verbreitet, dass auf diese Weise mystische Kräfte übertragen werden könnten. So glaubten die Leute z.B., Petrus’ Schatten hätte eine heilende Wirkung (vgl. 5,15; Mt 9,21). 19,13 herumziehenden jüdischen Beschwörern. Simon (8,9-25) und Bar-Jesus (13,6-12) sind weitere Beispiele für solche Scharlatane (vgl. Mt 12,27). Im Gegensatz zur absoluten Autorität, die Jesus und seine Apostel über Dämonen ausübten, versuchten diese Exorzisten, die Dämonen zu vertreiben, indem sie ein mächtigeres Geistwesen anriefen – in diesem Fall den Herrn Jesus.
19,14 jüdischen Hohenpriesters Skevas. Da kein jüdischer Hoherpriester dieses Namens historisch bezeugt ist, hatte Skevas sich diesen Titel wahrscheinlich unberechtigt angeeignet, um die Leute zu beeindrucken.
19,15 Jesus … Paulus weiß ich. Der Dämon erkannte, dass die Exor zisten keine Autorität über ihn hatten (anders als bei Jesus und Paulus) und widersetzte sich ihrem Versuch, ihn aus seinem Opfer auszutreiben. Das bestätigt, dass die Macht zur Dämonenaustreibung nur Jesus und seinen Aposteln zu Eigen war und niemandem sonst. Das bezeugen sogar die Dämonen.
19,16 Vgl. Mk 5,1-4.
19,19 Bücher. Bücher über geheime magische Formeln. Die Ver- brennung beweist, dass die Buße der Magier echt war (s. Anm. zu 2,38), denn als die Bücher vernichtet waren, konnten sie ihre Praktiken nicht wieder ausüben. 50 000 Silberlinge. Das waren 50.000 Tagelöhne für einen gewöhnlichen Arbeiter – eine erstaunliche Geldsumme, die angegeben wird, um zu zeigen, wie weit verbreitet die magischen Praktiken in Ephesus waren.
19,21 nahm sich Paulus im Geist vor. Wahrscheinlich nicht im Heiligen Geist, sondern in seinem eigenen Geist. Mazedonien und Achaja. S. Anm. zu 16,9; 18,12. Diese Provinzen auf dem griechischen Festland lagen in entgegengesetzter Richtung von Jerusalem. Doch Paulus nahm diesen weiten Umweg auf sich, um eine Gabe für die Bedürftigen in der Jerusalemer Gemeinde zu sammeln (Röm 15,25-27; 1Kor 16,1-4; 2Kor 8.9). muss ich auch Rom sehen. Paulus hatte die Reichshauptstadt bisher nicht besucht, doch aufgrund der strategischen Wichtigkeit der dortigen Gemeinde musste er dieses Versäumnis bald nachholen. Außerdem wollte er Rom als Ausgangspunkt für die Mission in der wichtigen und großen Region Spanien benutzen (Röm 15,22-24). Diese einfache Erklärung markiert einen Wendepunkt in der Apostelgeschichte; von hier an war Rom Paulus’ Ziel. Später sollte er dort als römischer Gefangener ankommen (28,16).
19,22 Timotheus und Erastus. Zu Timotheus s. Anm. zu 16,1. Über Erastus ist nichts Näheres bekannt. Obwohl dieser Name noch zwei weitere Male in der Bibel auftaucht (Röm 16,23; 2Tim 4,20), kann der Erastus hier nicht mit Sicherheit mit einem der beiden anderen Erwähnungen identifi ziert werden. Paulus sandte diese beiden Mitarbeiter voraus, damit sie ihm beim Sammeln der Opfergabe helfen.
19,23 des Weges. S. Anm. zu 9,2.
19,24 Demetrius, ein Silberschmied. Das war wahrscheinlich nicht der Gläubige, den Johannes lobend erwähnt (3Joh12), denn dieser Name war häufi g. silberne Tempel. Heiligtümer der Göttin Diana (Artemis). Diese Tempel wurden als Hausgötzen verwendet sowie bei der Anbetung im Dianatempel. Diana. Sie war auch als »Artemis« bekannt. Zentrum ihrer Verehrung war der große Dianatempel in Ephesus, der zu den sieben Weltwundern der Antike zählte. Dieser Kult war im ganzen Römischen Reich weit verbreitet. Der in diesem Abschnitt beschriebene Aufruhr fand wahrscheinlich statt, als in Ephesus gerade das jährliche Frühlingsfest zu Ehren Dianas gefeiert wurde. beträchtlichen Gewinn. Diese Aussage legt nahe, dass Demetrius der Anführer der Silberschmied-Gilde war. Das würde erklären, weshalb er beim Widerstand gegen die christlichen Prediger die Initiative ergriff.
19,27 Demetrius spielte geschickt mit den Ängsten seiner Zuhörer vor fi nanziellem Ruin, mit ihrem religiösen Fanatismus und ihrer Sorge um das Ansehen der Stadt. Die christlichen Missionare, so argumentierte er, seien eine Bedrohung für den Fortgang des Wohlstands in Ephesus. Die gewaltsame Reaktion seiner Zuhörer zeigt, dass sie diese Warnung ernst nahmen (V. 28).
19,29 Gajus und Aristarchus. Diese Männer werden als Maze- donier beschrieben, obwohl in 20,4 Derbe, eine Stadt in Galatien, als Heimatstadt von Gajus genannt wird. Möglicherweise handelt es sich in
20,4 um einen anderen Gajus.
19,31 Asiarchen. Wörtl. »Asias Erste«. Diese Aristokraten setzten sich mit aller Kraft für die Interessen Roms ein. Zwar regierte immer nur ein einziger Asiarch gleichzeitig, doch den Titel trugen sie ihr ganzes Leben lang. Das freundschaftliche Verhältnis von Paulus zu solch mächtigen, einfl ussreichen Männern zeigt, dass sie zumindest ihn oder seine Botschaft nicht als kriminell ansahen. Daher gab es keinen berechtigten Grund für den Aufruhr.
19,32 Versammlung. Der aufgebrachte Pöbel versammelte sich im Theater. Obwohl Paulus so mutig war und eine Rede vor dieser Volksmenge halten wollte, baten die Asiarchen ihn (zusammen mit den Christen aus Ephesus, V. 30), nicht dorthin zu gehen (V. 31). Sie befürchteten einerseits die Gefahr für Paulus und andererseits, dass seine Anwesenheit die bereits explosive Situation eskalieren lassen könnte.
19,33 Alexander. Wahrscheinlich weder der Irrlehrer, der später in Ephesus aktiv war (1Tim 1,20), noch der Alexander, der Paulus in Rom zu schaffen machte (2Tim 4,14), denn dieser Name war sehr gebräuchlich. Entweder war er ein Judenchrist oder ein Sprecher der jüdischen Gemeinschaft in Ephesus. Jedenfalls ist das Motiv der Juden klar, weshalb sie ihn vorschoben: Sie wollten sich von den Christen distanzieren und ein Massaker unter den Juden verhindern. wollte sich … verantworten. Entweder wollte er die Christen verteidigen oder die Juden, je nachdem, welche Gruppe er vertrat.
19,34 ein Jude. Aus welchem Grund die Juden Alexander auch vorgeschoben haben mögen, schlug ihr Ansinnen jedenfalls fehl. Die Menge schrie ihn nieder und brach in eine wahnsinnige Demonstration religiösen Fanatismus’ aus: Zwei Stunden lang besangen sie monoton den Namen ihrer Göttin.
19,35 Stadtschreiber. Sozusagen der Bürgermeister von Ephesus. Er war der Mittelsmann zwischen dem Stadtrat und der römischen Regierung. Letztere würde ihn persönlich für den Aufruhr zur Verantwortung ziehen. vom Himmel gefallenen [Bildes]. Wahrscheinlich ein Meteorit, denn diese wurden mit der Diana-Verehrung in Verbindung gebracht. 19,38-40 Der Stadtschreiber (V. 35) beschuldigte richtigerweise die Volksmenge für den Aufruhr und wies darauf hin, dass sie besser ein normales juristisches Verfahren hätten anstreben und sich an das Gericht und die Statthalter wenden sollen, wenn sie irgendwelche Klagen hatten. Das hätte das Risiko vermieden, von Rom schwerwiegende Konsequenzen auferlegt zu bekommen.
20,1 zog er fort. Paulus zog auf seinem Weg nach Jerusalem Rich- tung Griechenland weiter (s. Anm. zu 19,21). Mazedonien. S. Anm. zu 16,9. 20,2 jene Gebiete durchzogen. Mazedonien und Achaja (s. Anm. zu 19,21).
20,3 drei Monate. Die meiste oder ganze Zeit davon verbrachte er wahrscheinlich in Korinth. da ihm die Juden nachstellten. S. 9,20.23; 13,45; 14,2.19; 17,5-9.13; 18,6.12.13; 19,9; 21,27-36; 23,12-15. Traurigerweise kam die Opposition gegen Paulus’ Dienst meistens von seinen eigenen Volksgenossen (vgl. 2Kor 11,26). Die jüdische Gemeinschaft von Korinth hasste Paulus, weil sie seinetwegen so kläglich vor Gallion versagt hatte (18,12-17) und wegen der für sie ärgerlichen Bekehrung zweier ihrer angesehensten Führungspersonen, Krispus (18,8) und Sosthenes (18,17; 1Kor 1,1). Lukas beschreibt keine Einzelheiten des jüdischen Komplotts, doch zweifellos wollten sie Paulus auf seiner Reise nach Judäa umbringen. Auf einem Schiff voller jüdischer Pilger wäre der Apostel eine leichte Beute gewesen. Wegen dieser Gefahr änderte Paulus seine Pläne und segelte nicht von Griechenland nach Syrien. Stattdessen ging er nordwärts nach Mazedonien, setzte von dort über die Ägäis nach Kleinasien und nahm dort ein anderes Schiff. Wegen dieser Verzögerung konnte Paulus nicht mehr rechtzeitig zum Passah in Judäa ankommen, doch beeilte er sich, wenigstens vor Pfi ngsten dort anzukommen (V. 16).
20,4 um einen anderen Gajus. 20,4 Sopater von Beröa … Trophimus. Paulus’ Reisegefährten kamen aus verschiedenen Provinzen, in denen er gewirkt hatte. Diese Männer waren wahrscheinlich die offi ziellen Repräsentanten ihrer Gemeinden, die erwählt waren, Paulus beim Überbringen der Gabe nach Jerusalem zu begleiten (s. Anm. zu 19,21; vgl. 1Kor 16,3.4).
20,5 auf uns. Die Verwendung der ersten Person Plural zeigt, dass Lukas sich Paulus in Philippi anschloss (V. 6). Da er ein Heide war, konnte er dort bleiben und weiter wirken, nachdem Paulus und Silas Philippi verlassen mussten (16,20.39.40). Mit diesem Vers beginnt der zweite von drei »Wir-Abschnitten«, in denen Lukas von gemeinsamen Reisen mit Paulus berichtet (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Troas. S. Anm. zu 16,7.8. 20,6 Tagen der ungesäuerten Brote. D.h. das Passahfest (2Mo 12,17). von Philippi. Paulus überquerte zusammen mit Lukas und möglicherweise Titus die Ägäis von Philippi nach Troas. Wegen ungünstiger Winde dauerte diese Schiffsreise fünf Tage. Paulus’ frühere Schifffahrt von Troas nach Neapolis (dem Hafen von Philippi) hatte nur zwei Tage gedauert (16,11). In Troas trafen sie den Rest ihrer Reisegruppe wieder.
20,7 ersten Tag der Woche. Am Sonntag versammelte sich die Gemeinde zum Gottesdienst, denn das war der Tag der Auferstehung Christi. Vgl. Mt 28,1; Mk 16,2.9; Lk 24,1; Joh 20,1.19; 1Kor 16,2. Die Schriften der Kirchenväter bestätigen, dass die Gemeinde sich auch nach Abschluss des NTs weiterhin am Sonntag versammelte. Die Bibel verlangt von Christen nicht, den Samstag als Sabbat zu begehen: 1.) Der Sabbat war das Zeichen für den mosaischen Bund (2Mo 31,16.17; Neh 9,14; Hes 20,12), wohingegen Christen unter dem Neuen Bund sind (2Kor 3; Hebr 8); 2.) es gibt im NT kein Gebot, den Sabbat zu halten; 3.) ein Sabbatgebot wurde zum ersten Mal zur Zeit Moses gegeben (2Mo 20,8); 4.) das Konzil von Jerusalem (Kap. 15) verordnete den Heidenchristen nicht, den Sabbat zu halten; 5.) Paulus warnte Christen niemals davor, den Sabbat zu brechen; und 6.) das NT lehrt ausdrücklich, dass es nicht erforderlich ist, den Sabbat zu halten (s. Anm. zu Röm 14,5; Gal 4,10.11; Kol 2,16.17). um das Brot zu brechen. Die übliche Mahlzeit in Verbindung mit dem Gedächtnismahl (1Kor 11,20-22).
20,8 Lampen. Wegen des Qualms dieser Öllampen ist es verständ- lich, dass Eutychus einschlief (V. 9). Obersaal. S. Anm. zu 1,13. In ihrer Anfangszeit versammelte sich die Gemeinde in Privathäusern (Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Phim 2); die ersten Kirchengebäude gehen auf das 3. Jhdt. zurück.
20,9 Junger Mann. Das gr. Wort deutet an, dass er zwischen sieben und vierzehn Jahre alt war. Sein junges Alter, der Rauch der Öllampen und die fortgeschrittene Zeit (V. 7) ließen schließlich seinen Versuch scheitern, wach zu bleiben. Er schlief ein, stürzte aus dem offenen Fenster und starb.
20,10 seine Seele ist in ihm. Das bedeutet nicht, dass er nicht gestorben sei, sondern dass ihm sein Leben wiedergegeben wurde. Als Arzt wusste Lukas, ob jemand tot ist oder nicht und sagt daher unmissverständlich (V. 9), dass Eutychus tatsächlich gestorben war.
20,13 Assus. Gut 30 km südlich von Troas auf der anderen Seite einer kleinen Halbinsel. zu Fuß. Da das Schiff um die Halbinsel herum segeln musste, ist Paulus wahrscheinlich nicht viel später in Assus angekommen. Paulus entschloss sich vermutlich, nach Assus zu wandern, damit er unterwegs die Gläubigen aus Troas, die ihn begleiteten, weiter unterrichten konnte.
20,14 Mitylene. Die wichtigste Stadt auf der Insel Lesbos, südlich von Assus.
20,15 Chios. Eine Insel an der Küste Kleinasiens, südlich von Lesbos. Auf Chios wurde der griechische Dichter Homer geboren. Samos. Eine Insel an der Küste in der Nähe von Ephesus. Hier wurde der berühmte Mathematiker Pythagoras geboren. Trogyllium. Ein Gebirgsvorsprung, der zwischen Samos und Milet in die Ägäis ragt. Ob das Schiff dort hielt, ist unklar, da viele gr. Handschriften Trogyllium nicht erwähnen. Milet. Eine Stadt in Kleinasien, die etwa 50 km von Ephesus entfernt liegt.
20,16 beschlossen, an Ephesus vorbeizusegeln. Paulus versuch- te immer noch, Jerusalem vor Pfi ngsten zu erreichen (50 Tage nach dem Passah) und wollte sich daher mit den Ältesten (Hirten, Aufsehern) der Gemeinde von Ephesus in Milet treffen.
20,19 unter vielen Tränen. Die Gründe, weshalb Paulus weinte, waren: 1.) die vielen, die Christus nicht kannten (vgl. Röm 9,2.3); 2.) die ringenden, unreifen Gläubigen (2Kor 2,4); und 3.) die Bedrohung durch Irrlehrer (V. 29.30). Nachstellungen der Juden. S. 2Kor 11,24.26. Ironischerweise verdankten die Ältesten von Ephesus diese Möglichkeit, sich mit Paulus zu treffen, dem Komplott der Juden von Korinth (s. Anm. zu V. 3).
20,20 öffentlich und in den Häusern. Paulus hatte in der Sy- nagoge gelehrt (19,8; s. Anm. zu 6,9) und in der Schule des Tyrannus (19,10). Diese öffentliche Lehrtätigkeit unterstützte er durch praktische Unterweisung Einzelner und kleiner Hausgruppen. 20,21 Buße. Ein wesentliches Element des Evangeliums (s. Anm. zu 2,38; vgl. 26,20; Mt 4,17; Lk 3,8; 5,32; 24,47).
20,22 gebunden im Geist. Paulus’ tiefes Pfl ichtbewusstsein ge- genüber seinem Herrn, der ihn erlöst und zum Dienst berufen hat, trieb ihn voran. Auch die drohenden Gefahren und Entbehrungen hielten ihn nicht zurück (V. 23).
20,23 der Heilige Geist … Zeugnis gibt. Paulus wusste, dass er in Jerusalem verfolgt werden würde (vgl. Röm 15,31), doch von den genaueren Umständen erfuhr er erst, als er die Prophezeiung von Agabus hörte (21,10.11).
20,24 meinen Lauf … den Dienst, den ich von dem Herrn Je- sus empfangen habe. Vgl. 2Tim 4,7. das Evangelium der Gnade Gottes. Eine passende Beschreibung, da das Heil allein auf der Gnade Gottes beruht (Eph 2,8.9; Tit 2,11).
20,25 dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet. Paulus war sich bewusst, dass ihn in Jerusalem heftiger Widerstand erwartete und daher nahm er an, er werde nie wieder nach Kleinasien zurückkehren. Möglicherweise besuchte er diese Region doch noch einmal nach der Freilassung aus seiner ersten römischen Haft, doch diese Möglichkeit konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht voraussehen. Reich Gottes. S. Anm. zu 1,3.
20,26 rein bin von aller Blut. Vgl. Hes 33,7-9; Jak 3,1.
20,27 ganzen Ratschluss Gottes. Der ganze Plan und Ratschluss Gottes für das Heil des Menschen in ganzer Fülle: Die göttlichen Wahrheiten über die Schöpfung, Erwählung, Erlösung, Rechtfertigung, Sohnschaft, Bekehrung, Heiligung, Leben in Heiligkeit und Verherrlichung. Paulus verurteilte aufs Schärfste solche, die die Wahrheit der Bibel verfälschen (2Kor 2,17; 2Tim 4,3.4; vgl. Offb 22,18.19).
20,28 Eine angebrachte Warnung, denn diese Gefahren standen in Ephesus bevor, wie uns in anderen Bibelbüchern überliefert ist (1Tim 1,3-7.19.20; 6,20.21; Offb 2,2). Die Gemeinden in Galatien wurden bereits von Irrlehrern geplagt (Gal 1,6), ebenso die Gemeinde in Korinth (2Kor 11,4). 20,28 habt nun Acht auf euch selbst. Paulus wiederholte die- se Aufforderung zur Selbstprüfung, als Timotheus, sein junges Kind im Glauben, als Gemeindehirte in Ephesus diente (1Tim 4,16; 2Tim 2,20.21). Aufsehern. Sie sind identisch mit Ältesten und Hirten (s. Anm. zu 1Tim 3,1). Dieser Begriff betont die Verantwortung der Führer, über die Versammlung zu wachen und sie zu behüten. Im Zusammenhang der Warnung vor Irrlehrern ist das eine passende Verwendung dieses Wortes. Wenn die ganze Gemeinde ihren Kurs bestimmt, reduziert das die biblische Autorität der Ältesten auf ein Minimum zugunsten eines kulturellen und demokratischen Prozesses, und diese Vorstellung ist dem NT fremd (vgl. 1Th 5,12.13; Hebr 13,17). durch sein eigenes Blut. S. Anm. zu 1Pt 1,18. Paulus glaubte so fest an die Einheit von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, dass er Jesu Tod so beschrieb, als habe Gott sein Blut vergossen, obwohl Gott keinen Leib hat (Joh 4,24; vgl. Lk 24,39) und daher auch kein Blut. 20,29 räuberische Wölfe. Dieses Bild stamm von Jesus selbst (Mt 7,15; 10,16) und betont, welch extreme Gefahr Irrlehrer für die Gemeinde sind.
20,30 aus eurer eigenen Mitte. Noch gefährlicher als Angriffe von außen ist es, wenn innerhalb der Gemeinde Leute (insbesondere Führungspersonen) vom wahren Glauben abfallen (1Tim 1,20; 2Tim 1,15; 2,17; vgl. Jud 3.4.10-13). verkehrte Dinge. Das gr. Wort bedeutet »verzerrt« oder »verdreht«. Irrlehrer verdrehen Gottes Wort zugunsten ihrer eigenen bösen Ziele (13,10; 2Pt 3,16).
20,31 drei Jahre. Die gesamte Dauer von Paulus’ Wirken in Ephe- sus, einschließlich der zwei Jahre Unterricht an der Schule des Tyrannus (19,10).
20,32 Wort seiner Gnade. Die Bibel, die Überlieferung von Gottes gnädigem Handeln mit der Menschheit. aufzuerbauen. Die Bibel ist für alle Christen die Quelle für geistliches Wachstum (1Th 2,13; 2Tim 3,16.17; 1Pt 2,2). Da die Gemeinde »der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit« ist (1Tim 3,15), müssen ihre Leiter mit dieser Wahrheit vertraut sein. Erbteil. S. Anm. zu 1Pt 1,4. 20,33 begehrt. Geldliebe ist ein Kennzeichen von Irrlehrern (vgl. Jes 56,11; Jer 6,13; 8,10; Mi 3,11; Tit 1,11; 2Pt 2,3), doch Paulus’ Dienst war davon nicht geprägt. S. Anm. zu 1Tim 6,3.5.
20,34 diese Hände für meine Bedürfnisse … gesorgt. Paulus hatte das Recht, seinen Lebensunterhalt durch das Evangelium zu verdienen (1Kor 9,3-14) und nahm manchmal materielle Unterstützung an (2Kor 11,8.9; Phil 4,10-19). Doch häufi g arbeitete er für seinen Lebensunterhalt. So konnte er »das Evangelium von Christus kostenfrei darbieten« (1Kor 9,18).
20,35 sich der Schwachen annehmen. Vgl. 1Kor 4,12; 1Th 2,9; 2Th 3,8.9. Worte des Herrn Jesus. Das ist das einzige direkte Zitat von Worten Jesu aus seinem irdischen Wirken außerhalb der Evangelien. Die Bibel enthält nicht alle Worte und Taten Jesu (Joh 21,25).
20,37 fi elen Paulus um den Hals. Das ist in der Bibel ein übli- cher Ausdruck höchster Gefühlsregung und Zuneigung (vgl. 1Mo 33,4; 45,14; 46,29).
21,1 losgerissen. Das verdeutlicht noch einmal, wie schwer es den Männern Gottes fi el, Abschied voneinander zu nehmen (20,37.38). geradewegs nach Kos. Die wichtigste Stadt auf der Insel Kos. Rhodos. Eine Insel südöstlich von Kos und zugleich der Name ihrer bedeutendsten Stadt. Im dortigen Hafen stand die große Statue, die als »Koloss von Rhodos« bekannt ist und zu den sieben Weltwundern der Antike zählt. Patara. Eine geschäftige Hafenstadt im äußersten Süden von Kleinasien. Paulus und die anderen hatten nun den Südwestzipfel von Kleinasien passiert. Jeder Hafen, den sie anliefen, bedeutete eine Tagesreise, denn nachts segelte das Schiff nicht.
21,2 ein Schiff fanden … nach Phönizien. Paulus erkannte, dass er Jerusalem nicht mehr vor Pfi ngsten erreichen würde, wenn er sich weiterhin an der Küste entlang hangelte. Deshalb entschloss er zu riskieren, direkt über das Mittelmeer nach Tyrus zu segeln (V. 3). Dieses Schiff war wahrscheinlich wesentlich größer als die kleinen Küstenboote, auf denen sie bisher gereist waren. Das Schiff, mit dem Paulus später Richtung Rom in See stach, fasste 276 Passagiere (27,37). Dieses Schiff war wahrscheinlich ähnlich groß.
21,3 Zypern. S. Anm. zu 11,19. Tyrus. S. Anm. zu 12,20; vgl. Jos 19,29; Mt 11,21. Die Reise über das Mittelmeer von Patara nach Tyrus dauerte normalerweise fünf Tage.
21,4 Jünger. Die Gemeinde in Tyrus war von einigen Gläubigen gegründet worden, die nach Stephanus’ Märtyrertod aus Jerusalem gefl ohen waren (11,19). Paulus selbst hatte diese Verfolgung einst angeführt. Paulus … solle nicht nach Jerusalem hinaufziehen. Das war kein Befehl des Heiligen Geistes an Paulus, nicht nach Jerusalem zu gehen. Vielmehr hatte der Heilige Geist den Gläubigen in Tyrus geoffenbart, dass Paulus in Jerusalem Verfolgung erleiden würde. Verständlicherweise versuchten sie (wie kurz darauf seine Freunde, V. 12), ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Paulus war vom Herrn Jesus nach Jerusalem gesandt worden (20,24); der Heilige Geist hätte ihm niemals befohlen, diesen Auftrag zu verwerfen. 21,7 Ptolemais. Das alttestamentliche Akko (Ri 1,31), das sich 40 km südlich von Tyrus befand.
21,8 die wir Paulus begleiteten. Dieser Ausdruck fehlt in den besseren gr. Handschriften. Aus V. 11 ist klar, dass Paulus seine Gefährten bis nach Cäsarea begleitete. Cäsarea. S. Anm. zu 8,40. Evangelisten Philippus. S. Anm. zu 6,5. Er wird als einziger in der Bibel »Evangelist« genannt, obwohl Paulus Timotheus aufforderte, das Werk eines Evangelisten zu tun (2Tim 4,5). Philippus und Paulus waren einst Feinde, doch nun verkündeten sie gemeinsam das Evangelium der Gnade Gottes. den Sieben. S. Anm. zu 6,3.
21,9 Töchter, Jungfrauen. Dass sie Jungfrauen waren, kann ein Hinweis darauf sein, dass sie von Gott zu einem besonderen Dienst berufen waren (vgl. 1Kor 7,34). In der Anfangszeit sah die Gemeinde diese Frauen als wichtige Informationsquellen über die Anfangszeit der Gemeinde an (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). weissagten. Lukas offenbart nicht, welcher Art ihre Prophezeiung war. Vielleicht hatten sie einen dauerhaften prophetischen Dienst oder aber sie prophezeiten nur dieses eine Mal. Da Frauen keine Prediger oder Lehrer in der Gemeinde sein sollen (1Kor 14,34-36; 1Tim 2,11.12), dienten sie mit ihrer Gabe wahrscheinlich Einzelpersonen. Für eine Erklärung zu neutestamentlichen Propheten s. Anm. zu 11,27; 1Kor 12,28; Eph 4,11.
21,10 Prophet namens Agabus. S. Anm. zu 11,28. aus Judäa … herab. Cäsarea lag zwar in Judäa, aber die Juden sahen diese Stadt als ausländisch an, weil sie Sitz der römischen Regierung war (s. Anm. zu 18,22).
21,11 Gürtel. Im AT führten die Propheten ihre Botschaften manchmal anschaulich vor (vgl. 1Kö 11,29-39; Jes 20,2-6; Jer 13,111; Hes 4.5). Agabus’ Vorführung symbolisierte Paulus’ Verhaftung und Einkerkerung durch die Römer. Hände der Heiden. Paulus wurde zwar von den Juden falsch verklagt (V. 27.28), doch verhaftet und eingekerkert wurde er von den Römern (V. 31-33).
21,12 sowohl wir als auch die Einheimischen. Paulus’ Freunde (Lukas und die anderen Reisebegleiter) sowie die Christen aus Cäsarea. 21,13 für den Namen. Die Taufe (s. Anm. zu 2,38; vgl. 8,16; 10,48; 19,5), Heilungen (3,6.16; 4,10), Zeichen und Wunder (4,30) und die Verkündigung (4,18; 5,40; 8,12) wurden allesamt im Namen des Herrn Jesus Christus ausgeübt. Sein Name repräsentiert alles, was er ist.
21,14 Der Wille des Herrn geschehe! Ein zuversichtlicher Aus- druck des Vertrauens, dass Gottes Wille das Beste ist (vgl. 1Sam 3,18; Mt 6,10; Lk 22,42; Jak 4,13-15).
21,15 hinauf nach Jerusalem. Jerusalem lag südöstlich von Cäsa- rea auf einer Hochebene. Daher gingen Reisende nach Jerusalem stets dorthin »hinauf« (vgl. 11,2; 15,2; 18,22; Mk 10,32; Lk 2,22; Joh 2,13; Gal 1,17.18).
21,16 Mnason. Sein gr. Name kann bedeuten, dass er ein hellenis- tischer Jude war. In diesem Fall haben sich Paulus und seine heidnischen Begleiter entschlossen, bei ihm einzukehren, weil er mit der gr. Kultur vertraut war. Für ihn war die Beherbergung einer Gruppe von Heiden einfacher als für einen judäisch-jüdischen Gastgeber. alten Jünger. Möglicherweise einer von denen, die am Pfi ngsttag errettet worden waren. Wenn das der Fall war, dann war Mnason womöglich eine weitere historische Informationsquelle für Lukas.
21,17 in Jerusalem angekommen. Wahrscheinlich rechtzeitig zum Pfi ngstfest, wie Paulus es geplant hatte (20,16). nahmen uns die Brüder mit Freuden auf. Weil die Gruppe die dringend nötige Hilfsgabe mitbrachte. Was noch wichtiger ist: Die Gläubigen in Jerusalem freuten sich auch deshalb, weil die heidnischen Bekehrten, die Paulus begleiteten, einen sichtbaren Beweis lieferten für Gottes Werk in der römischen Welt. Diese anfängliche, inoffi zielle Begrüßung fand möglicherweise in Mnasons Haus statt.
21,18 Jakobus. Der Halbbruder Jesu und führende Kopf der Jerusa- lemer Gemeinde (s. Anm. zu 12,17). Jakobus, der Bruder von Johannes, war bereits von Herodes hingerichtet worden (12,2). alle Ältesten. Da hier von Ältesten die Rede ist, hatten die Apostel offenbar die Leitung der Gemeinde von Jerusalem auf diese Ältesten übertragen, weil sie selbst oft zu evangelistischen Diensten unterwegs waren. Man hat spekuliert, es seien 70 Älteste gewesen und damit genauso viele wie Mitglieder im Sanhedrin. Angesichts der enormen Größe der Jerusalemer Gemeinde gab es wahrscheinlich mindestens 70. Gott hatte verordnet, dass die Gemeinde nach dem Weggang der Apostel von Ältesten geleitet werden sollte (vgl. 14,23; 20,17; 1Tim 5,17; Tit 1,5; Jak 5,14; 1Pt 5,1.5).
21,19 bis ins Einzelne. Bei seinem offi ziellen Vortrag über seine Missionsarbeit erzählte Paulus keine bedeutungslosen Binsenweisheiten, sondern berichtete detailliert von den Ereignissen seiner Reise (vgl. 11,4). Wie bereits zuvor (vgl. 14,27; 15,4.12), gab Paulus auch hier Gott alle Ehre für diese Erfolge.
21,20 Eiferer für das Gesetz. Einige jüdische Gläubige übten wei- terhin das mosaische Zeremonialgesetz aus. Im Gegensatz zu den Judaisten (s. Anm. zu 15,1) sahen sie das Gesetz nicht als Mittel zur Errettung an.
21,21 Abfall von Mose. Die Judaisten verbreiteten die Lüge, Pau- lus lehre die jüdischen Gläubigen, sich von ihrem Erbe loszusagen. Dass Paulus jedoch die jüdischen Bräuche nicht verworfen hatte, ist daraus ersichtlich, dass er Timotheus beschnitt (16,1-3) und ein Nasiräer-Gelübde ablegte (18,18).
21,23 ein Gelübde. Ein Nasiräer-Gelübde, das völlige Hingabe an Gott symbolisierte (s. Anm. zu 18,18; 4Mo 6,1-21).
21,24 lass dich reinigen. Da er gerade von einem längeren Auf- enthalt in heidnischen Gebieten zurückgekehrt war, wurde Paulus als zeremoniell unrein angesehen. Deshalb musste er sich einer rituellen Reinigung unterziehen, bevor er (als ihr Geldgeber) an der Zeremonie teilnehmen konnte, die das Gelübde von vier Männern beendete. trage die Kosten für sie. Die Kosten für die Tempelzeremonie, bei der die vier sich ihre Köpfe scheren lassen und die Opfer des Nasiräer-Gelübdes darbringen mussten. Die Kosten für andere zu tragen, wurde als Akt der Barmherzigkeit betrachtet und damit lieferte Paulus einen weiteren Beweis, dass er dem jüdischen Erbe nicht abgeschworen hatte. das Haupt scheren. Diese Praxis war üblicherweise mit dem Nasiräer-Gelübde verbunden (4Mo 6,18).
21,25 S. Anm. zu 15,19. Jakobus erklärte, dass seine Bitte an Paulus in keiner Weise den Entschluss über die Pfl ichten von bekehrten Heiden ändert, der auf dem Jerusalemer Konzil gefasst worden war. Da Paulus ein Jude war, ließ sich dieser Entschluss nicht auf ihn anwenden.
21,26 nachdem er sich hatte reinigen lassen. S. Anm. zu V. 24. 21,27 sieben Tage. Die Dauer des Reinigungsprozesses (s. Anm. zu V. 24). Am dritten und siebten Tag musste Paulus sich im Tempel präsentieren. Das darauf folgende Ereignis fand am siebten Tag statt, als der Prozess fast beendet war. Juden aus der Provinz Asia. Wahrscheinlich aus Ephesus, da sie Trophimus als Heiden erkannten (V. 29). Sie hielten sich in Jerusalem auf, um das Pfi ngstfest zu begehen.
21,28 das Volk und das Gesetz und diese Stätte. Paulus’ Geg- ner erhoben drei falsche Anklagen gegen ihn. Sie behaupteten, er lehre die Juden, ihrem Erbe zu entsagen. Das war dieselbe Lüge, die die Judaisten überall verbreiteten (s. Anm. zu V. 21). Der zweite Vorwurf, Paulus sei gegen das Gesetz, war zwar falsch, aber in dieser Situation äußerst gefährlich. Ursprünglich war Pfi ngsten das Fest der Erstlingsfrüchte der Ernte. Doch zu dieser Zeit war es zu einem Fest geworden, mit dem die Juden die mosaische Sinai-Gesetzgebung begingen. Daher hatten die Juden während dieses Festes eine besondere Leidenschaft für das Gesetz. Die dritte Anklage der Lästerung bzw. Verunreinigung des Tempels war bereits bei der Ermordung des Herrn Jesus (Mk 14,57.58) und des Stephanus (6,13) erhoben worden. Alle drei Anklagen waren natürlich vollkommen falsch. Griechen in den Tempel geführt. Die Juden aus Kleinasien beschuldigten Paulus, Trophimus über den Vorhof der Heiden hinaus in den Tempelbereich geführt zu haben, der von Heiden nicht betreten werden durfte. Ein solcher Vorwurf war absurd, denn das hätte bedeutet, dass Paulus das Leben seines Freundes aufs Spiel gesetzt hätte (die Römer hatten den Juden die Erlaubnis erteilt, jeden Heiden hinzurichten, der auf diese Weise den Tempel verunreinigte).
21,30 die Türen verschlossen. Von den Tempelwachen, denn wenn Paulus auf Tempelareal getötet worden wäre, hätte das den Tempel entweiht (vgl. 2Kö 11,15). Sie machten jedoch keine Anstalten, den Apostel vor der Meute zu retten, die ihn erschlagen wollte. 21,31 Befehlshaber. Der Tribun (Claudius Lysias, 23,26), der die römische Kohorte in Jerusalem befehligte. Er war der ranghöchste römische Offi zier, der in Jerusalem stationiert war (die offi zielle Residenz des Statthalters war in Cäsarea, s. Anm. zu 8,40). der Schar. Die 1.000 Mann starke römische Besatzungsstreitmacht. Ihr Hauptquartier war die Burg Antonia, die, auf einer Anhöhe gelegen, den Tempelbezirk überragte. Von diesem vorteilhaften Punkt aus erkannten römische Wachen den Aufruhr und informierten den Befehlshaber.
21,32 Soldaten und Hauptleute. Der Plural »Hauptleute« legt na- he, dass Lysias mindestens 200 Soldaten mitnahm, da jeder Hauptmann 100 Männer befehligte.
21,33 zwei Ketten. Lysias vermutete, Paulus sei irgendeines Verge- hens schuldig (da die Juden so wild auf ihn einstürmten) und ließ ihn verhaften. Der Tribun dachte, er wüsste, wer Paulus ist (V. 38).
21,34 Kaserne. Die Burg Antonia, die den Tempelkomplex über- ragte. 21,36 Hinweg mit ihm! Oder »Bring ihn um!« (vgl. 22,22; Lk 23,18; Joh 19,15).
21,37 Du verstehst Griechisch? Dass Paulus die Sprache der Ge- bildeten sprach, verwunderte Lysias, der meinte, sein Gefangener sei ein unzivilisierter Verbrecher.
21,38 der Ägypter, der … einen Aufruhr erregte. Lysias’ Frage zeigt, für wen er Paulus fälschlicherweise hielt. Der Ägypter war ein falscher Prophet, der einige Jahre zuvor verheißen hatte, er werde die Römer vertreiben. Bevor er jedoch seinen Plan ausführen konnte, wurden seine Streitkräfte von den römischen Truppen unter der Führung des Statthalters Felix angegriffen und vernichtend geschlagen. Obwohl mehrere Hundert seiner Anhänger getötet oder gefangen genommen wurden, konnte er selbst entkommen. Lysias dachte, dieser Rädelsführer sei zurückgekehrt und von der Meute gefasst worden. Meuchelmörder. Die so genannten »Sikarier« waren eine Terroristengruppe, die aufgrund ihres jüdischen Nationalismus’ sowohl Römer umbrachten als auch Juden, die sie für Sympathisanten Roms hielten. Da sie häufi g die Deckung einer Menschenmenge nutzen, um ihre Opfer zu erdolchen, vermutete Lysias, die Volksmenge habe einen ihrer Führer auf frischer Tat ertappt.
21,39 Tarsus. S. Anm. zu 9,11. Tarsus war eine wichtige Kulturstadt mit einer Universität vergleichbaren Ranges wie die in Athen oder Alexandria. 22,1-22 Paulus’ erste von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,3023,10; 24,10-21; 25,1-12; 26,1-29; 28,17-29).
22,2 in hebräischer Sprache. Aramäisch, das war die Sprache, die üblicherweise in Palästina gesprochen wurde (vgl. 2Kö 18,26; Jes 36,11). S. Anm. zu 21,37.
22,3 Ich bin ein jüdischer Mann. Eine Antwort auf die falsche Anklage einiger Juden aus Kleinasien (s. Anm. zu 21,21). geboren in Tarsus. S. Anm. zu 21,39. Cilicien. S. Anm. zu 6,9. Tarsus war die wichtigste Stadt Ciliciens. erzogen in dieser Stadt. Paulus wurde zwar unter den hellenistischen Juden in der Diaspora geboren, wuchs aber in Jerusalem auf. Gamaliel. S. Anm. zu 5,34. Dass Paulus ein Schüler des damals gefeiertsten Rabbiners war, bezeugte einmal mehr, dass die Anklagen gegen ihn völlig absurd waren. Gesetzes der Väter. Als Schüler des Gamaliel wurde Paulus sowohl im AT als auch in den rabbinischen Überlieferungen intensiv ausgebildet. Außerdem war er ein Pharisäer, was er hier vor der Menge jedoch nicht erwähnt. Angesichts dieser Tatsachen war der Vorwurf, Paulus bekämpfe das Gesetz (s. Anm. zu 21,21), einfach lächerlich.
22,4 Ich verfolgte diesen Weg. S. Anm. zu 9,2. Da Paulus nach dem Märtyrertod des Stephanus die Verfolgung der christlichen Gemeinde angeführt hatte (vgl. Gal 1,13), stellte sein einstiger Eifer für das jüdische Erbe den Eifer seiner Zuhörer weit in den Schatten. 22,5 die ganze Ältestenschaft. Der Sanhedrin (s. Anm. zu 4,15; Mt 26,59).
22,6 Der zweite von drei Berichten über die Bekehrung des Pau- lus (vgl. 9,1-19; 26,12-18). 22,6 am Mittag. Mit seinem Hinweis auf die Tageszeit verdeutlicht Paulus, wie strahlend hell das Licht vom Himmel tatsächlich war. Es überstrahlte die Sonne sogar in ihrem Zenit.
22,7 Vgl. 9,4.5.
22,9 die Stimme … hörten sie nicht. Das widerspricht nicht 9,7. Da Jesus nur zu Paulus redete, verstand nur er die Aussagen des Herrn. Seine Begleiter hörten das Geräusch, verstanden die Worte aber nicht (vgl. Joh 12,29).
22,11 Glanzes jenes Lichtes. Paulus’ Begleiter sahen das Licht, doch nur er sah den Herrn Jesus Christus (V. 14; 9,7.17.27; 26,16; 1Kor 9,1; 15,8).
22,12 Ananias. S. Anm. zu 9,10. Sein Zeugnis als geachtetes Mit- glied der jüdischen Gemeinschaft von Damaskus war für Paulus’ feindselige Zuhörer von hoher Bedeutung. 22,14 den Gerechten. Ein Titel des Messias (vgl. 3,14; 7,52; Jes 53,11).
22,15 ein Zeuge für ihn. Paulus zögerte nie zu behaupten, er habe dort auf dem Weg nach Damaskus den auferstandenen, verherrlichten Christus gesehen (s. Anm. zu V. 11).
22,16 deine Sünden abwaschen. Von der Grammatik her steht der Ausdruck »indem du den Namen des Herrn anrufst« vor »steh auf, lass dich taufen«. Die Errettung geschieht, wenn man den Namen des Herrn anruft (Röm 10,9.10.13) und nicht bei der Taufe (s. Anm. zu 2,38).
22,17 als ich nach Jerusalem zurückgekehrt war. Nach einer kurzen Zeit in Damaskus (9,20-25) und drei Jahren im nabatäischen Arabien (Gal 1,17.18). eine Verzückung. Paulus wurde jenseits seiner Sinneswahrnehmung in den Bereich des Übernatürlichen geführt und empfi ng eine Offenbarung von Jesus Christus. Das war eine einzigartige Erfahrung unter den Aposteln, da nur Petrus (10,10; 11,5) und Johannes (Offb 1,10) ähnliche Offenbarungen empfi ngen. Sie war die vierte von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 23,11; 27,23.24).
22,20 Zeugen. S. Anm. zu 6,5; 7,54-60. zustimmte. S. 8,1.
22,21 Die Volksmenge konnte es nicht ertragen, dass Paulus nachdrücklich darauf beharrte, der Herr habe ihn zu den verachteten Heiden gesandt, um ihnen zu dienen. Für sie war die Lehre, dass Heiden errettet werden können, ohne zuerst jüdische Proselyten zu werden (was ihnen vor Gott die Stellung von Juden einbrachte), eine unerträgliche Lästerung.
22,23 die Kleider von sich warfen. Entweder um sich bereit zu machen, Paulus zu steinigen oder weil sie wegen dieser »Lästerung« so hochgradig erregt waren (s. Anm. zu 14,14) oder in einem wahnwitzigen Wutanfall – oder, was am wahrscheinlichsten ist, aus allen drei Gründen. Als ihre Leidenschaft wegen des verletzten Nationalstolzes entbrannte, verlor die Menge jegliche Selbstbeherrschung. Staub in die Luft schleuderten. Als Zeichen heftigster Gefühlsaufwallungen (vgl. 2Sam 16,13; Hi 2,12; Offb 18,19).
22,24 ließ der Befehlshaber ihn in die Kaserne führen. Lysias erkannte, dass er Paulus persönlich verhören musste. Er ordnete seinen Soldaten an, den Häftling in die Burg Antonia und in Sicherheit vor der aufgebrachten Meute zu bringen. ihn unter Geißelhieben zu verhören. Eine brutale römische Verhörungsmethode. Viele Gefangene starben, nachdem sie mit dem römischen Flagellum ausgepeitscht worden waren (das waren mit Eisenstücken versehene Lederriemen an einem Holzgriff.)
22,25 festband. Als Vorbereitung auf sein Verhör unter Geißelung. Das Straffen von Paulus’ Rückenhaut hätte die Einwirkungen des Flagellums auf seinen Körper noch erhöht. Hauptmann. S. Anm. zu 10,1; Mt 8,5. In der 1.000 Mann starken Garnison in Jerusalem gab es demnach 10 Hauptleute. einen Römer. Römische Staatsbürger waren von solchen brutalen Verhörmethoden ausgenommen (durch Gesetze von Valerius und Porcius). Paulus machte nun Gebrauch von seinem Recht als römischer Staatsbürger. Seine Behauptung wurde nicht in Frage gestellt, denn auf die falsche Behauptung einer römischen Staatsangehörigkeit stand die Todesstrafe.
22,26 Hab Acht … dieser Mensch ist ein Römer! Der Haupt- mann informierte seinen Befehlshaber, dass Paulus Römer sei und warnte Lysias vor einer Handlung, die seine militärische Karriere beendet oder ihn sogar seinen Kopf gekostet hätte.
22,28 für eine große Summe. Das römische Bürgerrecht war offi - ziell nicht käufl ich, doch manchmal konnte es durch Bestechung korrupter Beamter erworben werden. 22,30 – 23,10 Paulus’ zweite von sechs Verteidigungsreden (vgl. V. 1-21; 24,10-21; 25,1-12; 26,1-29; 28,17-29).
22,30 Obersten Priestern samt ihrem ganzen Hohen Rat. Er berief eine inoffi zielle Versammlung des Sanhedrin ein (s. Anm. zu 4,15.23). 23,1 Hohen Rat. Der Sanhedrin (s. Anm. zu 4,15; Mt 26,59). guten Gewissen. S. Anm. zu 2Kor 1,12; vgl. 24,16; 2Tim 1,3.
23,2 der Hohepriester Ananias. Das ist nicht Hannas aus den Evangelien (s. Anm. zu Lk 3,2). Dieser Ananias war einer der grausamsten und korruptesten Hohenpriester Israels (s. Anm. zu 4,6). Seine pro-römische Politik entfremdete ihn von den Juden, die ihn schließlich beim Auftakt einer Revolte gegen Rom ermordeten (66 n.Chr.). befahl … ihn … zu schlagen. Eine verbotene Handlung, die aber zu Ananias’ brutalem Charakter passt. Das Verb, das hier mit »schlagen« übersetzt ist, wurde auch verwendet, als die Meute auf Paulus einprügelte (21,32) und als die Soldaten Jesus schlugen (Mt 27,30). Das war nicht nur eine Ohrfeige, sondern grausame Hiebe..
23,3 getünchte Wand. Vgl. Hes 13,10-16; Mt 23,27. gegen das Gesetz. Paulus entbrannte vor Wut, weil der Hohepriester so schamlos gegen das jüdische Gesetz verstieß. Als Jesus in einer ähnlichen Situation entgegen dem Gesetz geschlagen wurde, reagierte er mit einer sanftmütigen Frage nach dem Grund für den Schlag (Joh 18,23). Paulus’ Reaktion war falsch, wie er kurz darauf zugibt (V. 5). Obwohl Ananias ein durchtriebener Mensch war, bekleidete er immer noch ein von Gott verordnetes Amt und verdiente somit den Respekt, der dieser Stellung gebührte.
23,4 Schmähst. Die Beistehenden waren entsetzt, dass Paulus den Hohenpriester so barsch tadelte. Das Wort für »schmähen« kommt auch in Joh 9,28 vor, wo es die höhnischen Bemerkungen der führenden Juden über den Blinden bezeichnet, den Jesus geheilt hatte. Petrus verwendete dieses Wort zur Beschreibung der Misshandlungen, die Jesus erduldete (1Pt 2,23).
23,5 Ich wusste nicht. Es gibt verschiedene Auffassungen, warum Paulus nicht »wusste«, dass es der Hohepriester war: 1.) Hier zeigt sich wiederum, dass Paulus ein Augenleiden hatte (vgl. Gal 4,15); 2.) Paulus war so ärgerlich, dass er vergaß, mit wem er sprach oder 3.) er war sarkastisch, da Ananias sich nicht wie ein Hoherpriester verhielt. Die einfachste Erklärung ist, Paulus’ Aussage so zu verstehen, wie er es sagt. Er war viele Jahre nicht mehr in Jerusalem gewesen und konnte Ananias wahrscheinlich nicht wiedererkennen. Da es eine außerordentliche Versammlung des Sanhedrin war (s. Anm. zu 22,30), trug der Hohepriester nicht seine Amtskleidung. es steht geschrieben. Ein Zitat aus 2Mo 22,27.
23,6 Aufgrund von Ananias’ Hochmut und seinem unrechtmäßigen Verhalten kam Paulus zu der Überzeugung, dass er kein faires Verhör vor dem Sanhedrin bekommen würde. Deshalb entschloss er sich zu einem kühnen Schritt. Als Pharisäer und möglicherweise ehemaliges Mitglied des Sanhedrin (s. Anm. zu 26,10) kannte Paulus die Spannungen zwischen den beiden Parteiungen im Sanhedrin. Er suchte daher Unterstützung bei den Pharisäern und er erinnerte sie, dass er selbst ein Pharisäer war. Dann brachte er das Thema auf die bedeutendste theologische Differenz zwischen ihnen und den Sadduzäern (s. Anm. zu V. 7). So entfachte Paulus hier einen Disput zwischen den Parteien des Sanhedrin. Sadduzäern … Pharisäern. S. Anm. zu Mt 3,7. Ratsversammlung. S. Anm. zu 4,15.
23,7 entstand ein Streit. Zwischen Sadduzäern und Pharisäern bestanden erhebliche soziale, politische und theologische Differenzen. Als Paulus die Frage nach der Auferstehung aufbrachte, suchte er die Unterstützung der Pharisäer bei dieser vielleicht wichtigsten theologischen Streitfrage (s. Anm. zu V. 8). Da die Auferstehung Jesu Christi auch das zentrale Thema des christlichen Glaubens ist, war dies kein zynischer Trick von Paulus, mit dem er den Sanhedrin wegen einer nebensächlichen Lehrfrage spalten wollte.
23,8 Sadduzäer … Pharisäer. Die Sadduzäer akzeptierten nur die fünf Bücher Mose (den Pentateuch) als von Gott inspirierte Schriften. Da sie (fälschlicherweise, vgl. Mt 22,23-33) behaupteten, der Pentateuch lehre keine künftige Auferstehung, leugneten die Sadduzäer die Auferstehung. Die Pharisäer glaubten jedoch an die Auferstehung und an das Leben nach dem Tod. Daher standen ihre Lehren dem Christentum näher als die der Sadduzäer. Interessanterweise berichtet die Bibel von Bekehrungen von Pharisäern (15,5; Joh 3,1), aber nicht von Sadduzäern.
23,9 Schriftgelehrten von der Partei der Pharisäer. Ihre theolo- gische Uneinigkeit mit den Sadduzäern war derart heftig, dass sie bereit waren, Paulus zu verteidigen – obwohl er der Anführer der verhassten Christensekte war (vgl. 24,5).
23,11 trat der Herr zu ihm. Die fünfte von sechs Visionen des Paulus in der Apostelgeschichte (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 22,17.18; 27,23.24), die er alle zu entscheidenden Zeitpunkten in seinem Dienst empfi ng. in Rom Zeugnis ablegen. Jesus ermutigte Paulus mit der Ankündigung, dass sein Wunsch, Rom zu besuchen (Röm 1,9-11; 15,23), in Erfüllung gehen werde.
23,12 verschworen sich. Wörtl. »sie sprachen ein Anathema über sich selbst« (vgl. Gal 1,8.9) und riefen somit für den Fall, dass sie versagten, Gottes Gericht auf sich herab (vgl. 1Sam 14,44; 2Sam 3,35; 19,13; 1Kö 2,23; 2Kö 6,31).
23,14 Obersten Priestern und Ältesten. S. Anm. zu 4,23; Mt 16,21. Als Sadduzäer waren sie eher geneigt, die Verschwörer zu unterstützen. Offenbar ausgeschlossen waren die Schriftgelehrten, die in der Mehrzahl Pharisäer waren und ihre Bereitschaft demonstriert hatten, Paulus zu verteidigen (V. 9).
23,16 der Sohn der Schwester des Paulus. Der einzige deutliche Hinweis in der Bibel auf Paulus’ Familie (zu den anderen möglichen Hinweisen s. Röm 16,7.11.21). Warum dieser junge Mann in Jerusalem war und nicht bei der Familie in Tarsus, ist nicht bekannt. Außerdem ist unklar, warum er seinen Onkel warnen wollte, denn Paulus war von seiner Familie wahrscheinlich enterbt worden, als er Christ wurde (Phil 3,8). ging in die Kaserne hinein und berichtete es dem Paulus. Da Paulus sich nicht in Arrest befand, sondern lediglich in Sicherheitsverwahrung, durfte er Besucher empfangen.
23,17 Hauptleute. S. Anm. zu 22,25.
23,23 Lysias sah ein, dass er Paulus aus Jerusalem herausfüh- ren und zu seinem vorgesetzten Statthalter Felix nach Cäsarea bringen musste. Nur so konnte er das Komplott der Verschwörer vereiteln, eine möglicherweise explosive Konfrontation mit den Juden vermeiden und Paulus’ Leben schützen. 23,23 Soldaten … Reiter … Lanzenträger. Die »Soldaten« wa- ren Legionäre, d.h. eine Elitetruppe der römischen Armee; die »Reiter« waren von der Kavallerie der Garnison und die »Lanzenträger« oder Speerwerfer waren leichter bewaffnet als die Legionäre. Lysias sandte nahezu die Hälfte seiner 1000 Mann starken Garnison aus. Das zeigt, wie ernst er das Komplott gegen Paulus nahm. dritten Stunde der Nacht. 21.00 Uhr.
23,26 Statthalter Felix. S. Anm. zu 24,3.
23,27 erfuhr, dass er ein Römer ist. In Wirklichkeit hatte Ly- sias das erst festgestellt, nachdem er Paulus verhaftet hatte (22,25.26). Lysias versuchte sich vor dem Statthalter im bestmöglichen Licht darzustellen. Deshalb erwähnte er auch weder seinen Befehl, Paulus auszupeitschen (22,24) noch seine irrige Annahme, er sei der berüchtigte ägyptische Rädelsführer (21,38).
23,29 Streitfragen ihres Gesetzes. Dass Lysias keinerlei Vergehen gegen das römische Gesetz erwähnte, war gleichbedeutend mit einer Erklärung der Unschuld von Paulus.
23,30 zu sagen, was gegen ihn vorliegt. Aufgrund der Verschwö- rung gegen Paulus war jedes weitere Verhör des Apostels in Jerusalem zu riskant und so war es erforderlich, dass Lysas den Fall Felix aufbürdete.
23,31 Antipatris. Ein römischer Militärposten etwa 65 km von Je- rusalem entfernt. Dort rasteten viele Reisende, die von Jerusalem nach Cäsarea unterwegs waren. Von Jerusalem aus in einer Nacht dorthin zu gelangen (V. 32), bedeutete einen erschöpfenden Gewaltmarsch für die Fußsoldaten.
23,32 Reiter. Da die Gefahr von Hinterhalten in der vorwiegend heid- nischen Region Samaria wesentlich geringer war, wurden die Fußsoldaten nicht mehr gebraucht.
23,33 Cäsarea. S. Anm. zu 8,40.
23,34 aus welcher Provinz er sei. Felix musste zuerst feststellen, ob er rechtlich für Paulus’ Fall zuständig war. aus Cilicien. Judäa und Cilicien befanden sich zu dieser Zeit beide unter syrischer Verwaltung. Somit hatte Felix die Autorität, Paulus zu verhören.
23,35 Prätorium des Herodes. Felix’ offi zielle Residenz in Cäsarea.
24,1 Nach fünf Tagen. In dieser kurzen Zeit packten die führenden Juden ihre Sachen, heuerten einen Anwalt (»Redner«) und reisten nach Cäsarea. Vielleicht fürchteten sie, Felix würde Paulus freilassen, wenn sie sich nicht mit Nachdruck für die Anklage einsetzten. der Hohepriester Ananias. S. Anm. zu 23,2. Ältesten. Die wichtigsten Führer des Sanhedrin (s. Anm. zu 4,5). Tertullus. Möglicherweise ein Römer, aber wahrscheinlich ein hellenistischer Jude (vgl. V. 6).
24,3 Felix. Statthalter von Judäa von 52 bis 59 n.Chr. Felix war ein ehemaliger Sklave, dessen Bruder (ein Günstling von Kaiser Claudius) ihn in die Stellung eines Statthalters bringen konnte. Die einfl ussreichen Römer seiner Zeit sahen ihn nicht hoch an und während seiner Zeit als Statthalter erreichte er nur wenig. Er schlug den Ägypter und seine Anhänger (s. Anm. zu 21,38), doch seine Brutalität verärgerte die Juden und führte zwei Jahre nach Paulus’ Verhör zu seiner Absetzung als Statthalter durch Kaiser Nero (V. 27).
24,5 Nach der obligatorischen Lobrede auf Felix begann Tertullus mit seinen konkreten Anklagen gegen Paulus. Dazu gehörte Aufwiegelung (ein Verstoß gegen römisches Recht), Sektiererei (ein Verstoß gegen das jüdische Gesetz) und Tempelentweihung (ein Verstoß gegen Gottes Gebote). 24,5 eine Pest. Diese Aussage verdeutlicht zwar den Hass des San- hedrin auf Paulus und die Christen, war aber keine konkrete Anklage wegen eines Vergehens. einen, der Aufruhr stiftet. Die erste und (an einem römischen Gericht) schwerwiegendste Anklage gegen Paulus: Aufruhr (Rebellion). Die Römer tolerierten Rädelsführer nicht (wie die anwesenden Juden ein paar Jahre später am eigenen Leib erfahren sollten, nämlich 66 n.Chr.). Wären die jüdischen Führer imstande gewesen, diese Anklage gegen Paulus zu beweisen, dann wäre der Apostel schwer bestraft worden, möglicherweise mit der Todesstrafe. Tertullus vermied behutsam die Erwähnung jeglicher konkreten Vorfälle, weil Felix dann nämlich den Fall womöglich dem zuständigen Statthalter übertragen hätte, in dessen Bezirk sich der Vorfall ereignet hatte. Die Juden wollten, dass Paulus vor einem Statthalter verhört wurde, der unter ihrem Einfl uss stand. Anführer der Sekte der Nazarener. Der zweite Vorwurf gegen Paulus war Sektiererei (Irrlehre). Tertullus’ verachtungsvolle Bezeichnung des Christentums als »Sekte der Nazarener« (vgl. 6,14; Joh 1,46; 7,41.52) sollte Paulus als Anführer einer messianischen Sekte darstellen, die für Rom gefährlich war.
24,6 versuchte sogar, den Tempel zu entheiligen. Die dritte Anklage gegen Paulus war Tempelentweihung und Gotteslästerung. Die jüdischen Führungspersonen wiederholten durch ihren Sprecher die falsche Anklage der Juden aus Kleinasien (21,28). Sie versuchten die wilde Prügelei der gegen Paulus aufgebrachten Volksmenge zu überspielen und behaupteten fälschlicherweise, sie hätten ihn verhaftet. 24,6 Er versuchte … zu dir kommen sollten. In vielen al- ten Handschriften fehlt dieser Abschnitt, der die Frage aufwirft, wen zu verhören Tertullus Felix auffordert. Wenn dieser Abschnitt weggelassen wird, dann bittet Tertullus Felix, Paulus zu befragen; doch der Apostel hätte Tertullus’ falsche Anklagen lediglich abgestritten. Wenn der Abschnitt authentisch ist, dann beschuldigt Tertullus fälschlicherweise Lysias, er habe seine Autorität überschritten und sich in ein berechtigtes Vorgehen der Juden eingemischt. Damit behauptete Tertullus, dass Lysias diese falsche Darstellung der Ereignisse bestätigen würde, wenn er verhört werde. Das könnte Felix’ Entschluss erklären, das Verhör bis zur Ankunft von Lysias zu vertagen (V. 22).
24,7 Eine weitere Unwahrheit, mit der die Juden die Schuld für den Vorfall auf Lysias schieben wollten. In Wirklichkeit war der jüdische Mob der Gewalttätigkeit schuldig. Lysias hatte den Aufruhr beendet und Paulus gerettet. 24,10-21 Paulus’ dritte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 25,1-12; 26,1-29; 28,17-19).
24,10 seit vielen Jahren Richter. Sowohl als Statthalter als auch vorher bei seiner Tätigkeit unter dem Statthalter von Samaria. Im Gegensatz zu Tertullus schmeichelte Paulus Felix nicht, sondern erinnerte ihn an seine Vertrautheit mit jüdischen Gesetzen, Bräuchen und Lehren. Felix war somit zu einem gerechten Urteil verpfl ichtet.
24,11 zwölf Tage. Von denen er fünf Tage in Cäsarea auf seine Ankläger gewartet hatte (V. 1). Mehrere der verbleibenden sieben Tage war er mit seinen Reinigungsriten beschäftigt gewesen (s. Anm. zu 21,24.27). Paulus wollte damit herausstellen, dass er überhaupt keine Zeit gehabt hatte, eine Revolte anzuzetteln, selbst wenn er gewollt hätte.
24,14 dem Weg. S. Anm. zu 9,2. im Gesetz und in den Prophe- ten. Das bezieht sich auf das AT (s. Mt 7,12). Die Sadduzäer lehnten einen Großteil des ATs ab (s. Anm. zu 23,8), während sowohl sie als auch die Pharisäer das Zeugnis des ATs über Jesus Christ verwarfen (vgl. Lk 24,27.44; Joh 1,45; 5,39.46). Im Gegensatz dazu sah Paulus die ganze Heilige Schrift als inspiriert an und glaubte alles, was darin gelehrt wurde.
24,15 Hoffnung zu Gott. Die große Hoffnung der Juden war die Auferstehung (Hi 19,25-27; Dan 12,2). Somit war Paulus – und nicht die liberalen Sadduzäer – dem Hauptgedanken der herkömmlichen jüdischen Theologie treu.
24,16 unverletztes Gewissen. S. Anm. zu 23,1.
24,17 Almosen … und Opfer. Der einzige Hinweis in der Apostel- geschichte auf das Überbringen der Opfergabe, die Paulus für die armen Gläubigen in Jerusalem gesammelt hatte (s. Anm. zu 19,21). Paulus wollte in Jerusalem alles andere als Streit stiften, nämlich humanitäre Hilfe überbringen.
24,18 Juden aus der Provinz Asia. S. Anm. zu 21,27. gereinigt. S. Anm. zu 21,24.
24,21 Wegen der Auferstehung der Toten. Glaube an die Auf- erstehung war weder nach jüdischem noch nach römischem Recht ein Vergehen. Paulus war auch nicht für die alte Fehde zwischen Sadduzäern und Pharisäern verantwortlich, die nach Paulus’ Aussage zu einem offenen Streit entbrannt war.
24,22 über den Weg recht genau Bescheid wusste. Wahr- scheinlich durch seine Frau Drusilla, die eine Jüdin war (24,24). verwies er sie auf eine spätere Zeit. Die Zeugen für Paulus’ angebliches Verbrechen (die Juden aus Kleinasien) hatten versäumt, zu diesem Verhör zu kommen. Auch die jüdischen Führer konnten Paulus kein Verbrechen nachweisen. Das einzige Urteil, das Felix in Übereinstimmung mit dem römischen Recht aussprechen konnte, war die Unschuldserklärung für Paulus. Das hätte jedoch die Juden noch wütender gemacht und womöglich weiteren Ärger verursacht. Da Felix als Statthalter in erster Linie für die Wahrung der Ordnung verantwortlich war, hielt er es für den besten Entschluss, keinen Entschluss zu treffen und den Prozess unter dem Vorwand zu vertagen, er brauche weitere Informationen von Lysias. der Befehlshaber, herabkommt. Lysias’ schriftlicher Bericht hatte bereits erklärt, dass es bei diesem Streitfall um Fragen des jüdischen Gesetzes ginge (23,29) und dass Paulus keines Verbrechens schuldig sei (23,29). Es ist schwer einzusehen, was er noch hätte hinzufügen können und es gibt keinen Hinweis darauf, dass Felix ihn jemals vorlud. 24,24 Drusilla. Die jüngste Tochter von Agrippa I. (s. Anm. zu 12,1) und Felix’ dritte Gattin. Felix war von ihrer Schönheit überwältigt und hatte sie von ihrem Ehemann weggelockt. Zur Zeit von Paulus’ Verhör war sie noch keine 20 Jahre alt.
24,25 von Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und dem zu- künftigen Gericht. Aufgrund seines heiligen Wesens verlangt Gott von allen Menschen »Gerechtigkeit« (Mt 5,48; 1Pt 1,15.16). Diesem absoluten Maßstab zu entsprechen, erfordert »Enthaltsamkeit«. Die Konsequenz von fehlender Selbstbeherrschung und Abweichung von Gottes gerechtem Maßstab ist »Gericht« (wenn man nicht errettet ist). wurde Felix von Furcht erfüllt. Da er mit einer Frau zusammenlebte, die er von ihrem Mann weggelockt hatte, mangelte es Felix an »Gerechtigkeit« und »Enthaltsamkeit«. Die Erkenntnis, dass ihm das »Gericht« droht, versetzte ihn in Schrecken und so schickte er Paulus eilends fort. wenn ich aber gelegene Zeit fi nde. Der Augenblick der Überführung von Sünde verstrich und Felix verpasste törichterweise seine Gelegenheit zur Buße (vgl. 2Kor 6,2).
24,26 dass er von Paulus Geld erhalten würde. Das römische Gesetz verbot, Bestechungsgelder anzunehmen, was aber dennoch übliche Praxis war.
24,27 bekam Felix den Porcius Festus zum Nachfolger. S. Anm. zu V. 3. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem ehemaligen Sklaven Felix, gehörte Festus dem römischen Adel an. Über seine kurze Amtszeit als Statthalter (er starb zwei Jahre nach Amtsantritt) ist wenig bekannt, doch der jüdische Historiker Josephus beschreibt ihn als besser als seine Vorgänger und Nachfolger. die Juden zu Dank verpfl ichten. Weil die Juden sich wegen seiner Brutalität in Rom beschwerten, was ihm schließlich die Amtsenthebung einbrachte. Er hatte einen Aufruhr in Cäsarea gewaltsam niedergeschlagen und die Juden wütend gemacht. Nun wollten sich die Juden in Rom beschweren und ihn absetzen lassen. Kaiser Nero rief ihn nach Rom zurück, wo ihn eine schwere Strafe erwartete, wenn sein einfl ussreicher Bruder Pallas nicht Fürsprache für ihn einlegte. 25,1-12 Paulus’ vierte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 24,10-21; 26,1-29; 28,17-29).
25,1 nach drei Tagen von Cäsarea hinauf nach Jerusalem. Um sich mit der Situation in seiner neuen Provinz vertraut zu machen.
25,3 Anschlag. Ein zweites Komplott, mit dem ein Attentat geplant wurde. Diesmal waren die Mitglieder des Sanhedrin jedoch nicht die Komplizen (vgl. 23,14.15), sondern die Attentäter selbst.
25,4 Festus. S. Anm. zu 24,27. Cäsarea. S. Anm. zu 8,40. Als römi- scher Regierungssitz in Judäa war Cäsarea der richtige Platz für Paulus, einen Römer, um verhört zu werden.
25,6 Richterstuhl. Das bedeutet, dass sein Verhör ein offi zieller rö- mischer Gerichtsprozess war (s. V. 10.17; 18,12; Mt 27,19; Joh 19,13).
25,9 die Juden zu Dank verpfl ichten. Vgl. 24,27.
25,10 Richterstuhl des Kaisers. Mit Festus’ Kompromiss bekamen die jüdischen Führer alles, was sie erhofft hatten. Sie hatten vor, Paulus umzubringen, bevor er nach Jerusalem kam. Deshalb lehnte Paulus Festus’ Kompromissversuch ab und erinnerte den Statthalter, dass er vor dem kaiserlichen Richterstuhl stand, wo er als römischer Staatsbürger volles Recht auf einen Prozess hatte.
25,11 Ich berufe mich auf den Kaiser! Er berief sich auf sein Recht als römischer Staatsangehöriger, einen Prozess in Rom zu bekommen.
25,12 seinem Rat. Festus’ Ratgeber. zum Kaiser sollst du gehen! Mit dem Gewähren dieser Berufung trat der Statthalter diesen Fall an den Kaiser ab.
25,13 König Agrippa. Herodes Agrippa II., Sohn des Herodes, der Jakobus umbringen und Petrus verhaften ließ (s. Anm. zu 12,1). Er war der letzte Angehörige der Herodes-Dynastie, der eine bedeutende Rolle für die neutestamentliche Geschichtsschreibung spielte. Sein berühmter Onkel Herodes Antipas war der Herodes, der in den Evangelien vorkommt (Mk 6,14-29; Lk 3,1; 13,31-33; 23,7-12) und sein Urgroßvater Herodes der Große herrschte zur Zeit der Geburt Jesu (Mt 2,1-19; Lk 1,5). Agrippa war zwar nicht Regent von Judäa, kannte sich aber gut mit jüdischen Angelegenheiten aus (vgl. 26,3). Bernice. Sie war nicht Agrippas Frau, sondern seine Begleiterin und Schwester (ihre Schwester Drusilla war mit dem früheren Statthalter Felix verheiratet). Ihre inzestuöse Beziehung war Gesprächsthema in Rom, wo Agrippa aufgewachsen war. Bernice war eine Zeit lang Mätresse von Kaiser Vespasian und später von seinem Sohn Titus, kehrte jedoch stets zu ihrem Bruder zurück.
25,19 Religion. Derartige Anklagen gehörten nicht vor ein römi- sches Gericht (vgl. 18,12-16).
25,20 nicht wusste. Festus war ein heidnischer Römer und Neuling in Judäa. Daher war von ihm nicht zu erwarten, dass er die theologischen Differenzen zwischen Christen und Juden verstünde.
25,21 des Kaisers … zum Kaiser. Im Gr. zwei verschiedene Begrif- fe; das erste bedeutet »verehrungswürdig« (manche übernehmen wörtl.: »Augustus«) und war ein üblicher Titel für den Kaiser. Der damals regierende Kaiser war der berüchtigte Nero.
25,22 Ich möchte den Menschen auch gerne hören! Die Zeit- form des gr. Verbs bedeutet, dass Herodes schon seit langem Paulus zu hören wünschte. Als Experte für jüdische Angelegenheiten (vgl. 26,3) freute er sich darauf, den führenden Sprecher des Christentums persönlich anzuhören.
25,23 Agrippa und Bernice. Die beiden sind in Lukas’ Bericht unzertrennlich (vgl. V. 13; 26,30); sie ist eine ständige Erinnerung an Agrippas skandalöses Privatleben (s. Anm. zu V. 13). Obersten. Die fünf Tribune, die die fünf in Cäsarea stationierten Kohorten befehligten (s. Anm. zu 10,1). angesehensten Männern. Die bürgerlichen Führungspersonen der Stadt.
25,25 Kaiser. Wörtl. »Verehrungswürdiger«. S. Anm. zu V. 21.
25,26 Ich weiß … nichts Gewisses. Da Festus den Hintergrund der Anklagen gegen Paulus nicht verstand, wusste er nicht, was er in seinem offi ziellen Bericht an Nero schreiben sollte. Für einen Provinzstatthalter war es töricht, wenn nicht sogar gefährlich, einen Gefangenen ohne konkrete Anklagepunkte zum Kaiser zu schicken. besonders dir, König Agrippa. Festus hoffte, Herodes könne ihm aufgrund seiner Fachkenntnis im Judentum (26,3) die Anklagen gegen Paulus verständlich erklären. 26,1-29 Paulus’ fünfte von sechs Verteidigungsreden (vgl. 22,1-21; 22,30-23,10; 24,10-21; 25,1-12; 28,17-19).
26,1 erlaubt, für dich zu reden. Da niemand anwesend war, der Paulus anklagte, erlaubte Herodes Paulus, seine Verteidigung vorzutragen. streckte Paulus die Hand aus. Eine übliche Geste zu Beginn einer Rede (vgl. 12,17; 13,16; 19,33).
26,3 alle Gebräuche und Streitfragen der Juden genau kennst. S. Anm. zu 25,26. Paulus’ Hauptziel war nicht, sich zu verteidigen, sondern Agrippa und die anderen Zuhörer zur Bekehrung zu bewegen (V. 28.29).
26,5 als ein Pharisäer. S. Anm. zu Mt 3,7; vgl. Phil 3,5.
26,6 Hoffnung auf die Verheißung. Auf das Kommen des Messias und seines Reiches (vgl. 1,6; 3,22-24; 13,23-33; 1Mo 3,15; Jes 7,14; 9,6; Dan 7,14; Mi 5,1; Tit 2,13; 1Pt 1,11.12).
26,7 zwölf Stämme. Eine im NT übliche Bezeichnung für Israel (vgl. Mt 19,28; Jak 1,1; Offb 21,12). Die zehn Nordstämme waren nicht verloren. Vor und nach dem Exil hatten sich Vertreter aus allen zehn übrigen Stämmen unter die zwei südlichen Stämme gemischt. Dieser Prozess hatte unter der Regierung von Hiskia (2Chr 30,1-11) und Josia (2Chr 34,1-9) begonnen.
26,8 Paulus hielt es für unbegreifbar, dass er verurteilt werden sollte, weil er an die Auferstehung glaubte, obwohl sie die große Hoffnung der Juden war (s. Anm. zu 24,15). 26,10 Heiligen. Christliche Gläubige (1Kor 1,2). gab ich die Stimme dazu. Wörtl. »warf ich meinen Kieselstein«. Das bezieht sich auf den antiken Brauch, abgegebene Stimmen mit farbigen Kieselsteinen zu kennzeichnen. Dieser Vers kann außerdem ein Hinweis darauf sein, dass Paulus früher Mitglied des Sanhedrin war.
26,11 wollte ich sie … zur Lästerung zwingen. Sie mussten ih- rem Glauben an Jesus Christus abschwören. 26,12-14 Paulus’ dritter Bekehrungsbericht im NT (s. Anm. zu 9,119; 22,6-21).
26,16 das, worin ich mich dir noch offenbaren werde. S. 18,9.10; 22,17-21; 23,11; 2Kor 12,1-7; Gal 1,11.12.
26,17 Heiden, unter die ich dich jetzt sende. Paulus’ Sendungs- auftrag als Heidenapostel (Röm 11,13; 1Tim 2,7).
26,18 um ihnen die Augen zu öffnen. Ungläubige sind von Satan blind gemacht für geistliche Wahrheiten (2Kor 4,4; 6,14; vgl. Mt 15,14). von der Finsternis zum Licht. Da Ungläubige sich in der Finsternis geistlicher Blindheit befi nden, benutzt die Bibel häufi g Licht als Bild für Errettung (V. 23; 13,47; Mt 4,16; Joh 1,4.5.7-9; 3,19-21; 8,12; 9,5; 12,36; 2Kor 4,4; 6,14; Eph 5,8.14; Kol 1,12.13; 1Th 5,5; 1Pt 2,9; 1Joh1,7; 2,810). Vergebung der Sünden. Das ist die wichtigste Folge der Errettung (s. Anm. zu 2,38; vgl. 3,19; 5,31; 10,43; 13,38; Mt 1,21; 26,28; Lk 1,77; 24,47; 1Kor 15,3; Gal 1,4; Kol 1,14; Hebr 8,12; 9,28; 10,12; 1Pt 2,24; 3,18; 1Joh2,1.2; 3,5; 4,10; Offb 1,5). ein Erbteil. Die Segnungen, derer sich die Gläubigen im Himmel ewig erfreuen werden (vgl. 20,32; Eph 1,11.14.18; Kol 1,12; 3,24; Hebr 9,15). denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind. Die Bibel lehrt immer wieder klar und deutlich, dass die Errettung allein aus Glauben und ohne menschliche Werke geschieht (13,39; 15,9; 16,31; Joh 3,14-17; 6,69; Röm 3,2128; 4,5; 5,1; 9,30; 10,9-11; Gal 2,16; 3,11.24; Eph 2,8.9; Phil 3,9).
26,20 Werke … die der Buße würdig sind. Echte Buße ist un- trennbar verbunden mit einer veränderten Lebensweise (s. Anm. zu 2,38; Mt 3,8; Jak 2,18).
26,21 die Juden … suchten mich umzubringen. S. 21,27-32. Der wahre Grund, im Gegensatz zu den Lügen der jüdischen Führungspersonen (24,6).
26,22 die Propheten und Mose. S. Anm. zu 24,14. Die Begriffe »Mose« und »Gesetz« werden austauschbar verwendet, da Mose der Autor der fünf Bücher des Gesetzes, des Pentateuch, war.
26,23 Christus leiden … Erstling aus der Auferstehung der Toten. Die Leiden (Ps 22; Jes 53) und die Auferstehung (Ps 16,10; vgl. 13,30-37) des Messias sind zentrale Themen der Lehre des Paulus und werden auch im AT klar gelehrt.
26,24 du bist von Sinnen! Festus war erstaunt, dass ein Gelehrter wie Paulus tatsächlich glauben konnte, ein Toter könne wieder auferstehen. Das hätte kein vernünftiger Römer akzeptiert. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten, unterbrach Paulus bei seinen Ausführungen und rief, dass Paulus’ enorme Gelehrsamkeit ihn in den Wahnsinn getrieben habe (vgl. Mk 3,21; Joh 8,48.52; 10,20).
26,26 nicht im Verborgenen geschehen. Jesu Tod und die Be- hauptung der Christen, er sei von den Toten auferstanden, waren in Judäa allseits bekannte Tatsachen.
26,27 Glaubst du den Propheten? Paulus’ scharfsinnige Fra- ge brachte Herodes in ein Dilemma. Wenn er seinen Glauben an die Propheten zugab, müsste er ebenso eingestehen, dass die Lehren der Propheten über den Tod und die Auferstehung des Messias richtig sind. Dieses Eingeständnis hätte ihn aber vor seinen römischen Freunden als dumm hingestellt. Wenn er die Propheten jedoch verleugnete, hätte das seine jüdischen Untertanen wütend gemacht.
26,28 Es fehlt nicht viel, und du überredest mich. Eine bessere Übersetzung wäre: »Meinst du, du könntest mich überzeugen, nach solch einer kurzen Zeit Christ zu werden!« Als Agrippa das Dilemma erkannte, in dem er steckte, konterte er mit einer Gegenfrage.
26,30 Nach dem Verhör besprachen Agrippa und Festus Paulus’ Fall unter vier Augen. Beide stimmten überein, dass er keines Verbrechens schuldig war und freigelassen werden könnte, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.
27,1 wir. Das Personalpronomen »wir« weist darauf hin, dass Pau- lus’ guter Freund Lukas, der ab 21,18 abwesend war, hier wieder zu ihm stieß. Wahrscheinlich lebte er in der Nähe von Cäsarea und konnte sich somit während Paulus’ Haftzeit um ihn kümmern. Nun schloss er sich dem Apostel auf seiner Romreise an. Hauptmann … von der Kaiserlichen Schar. Eine Kohorte (ein Regiment) dieses Namens war während der Regierungszeit von Agrippa II. in Judäa stationiert (s. Anm. zu 25,13). Julius hatte hier womöglich eine außerordentliche Dienststelle und wurde mit solchen Aufgaben betraut wie z.B. der Begleitung bedeutender Häftlinge.
27,2 Adramyttium. Eine Stadt an der Nordwestküste Kleinasiens (der heutigen Türkei) in der Nähe von Troas, wo der Hauptmann ein Schiff nach Italien ausfi ndig machen wollte. reisten wir ab. Von Cäsarea segelte das Schiff 110 km nordwärts bis Zidon. in Begleitung des Aristarchus. Er war beim Aufruhr in Ephesus (19,29) von der Volksmenge ergriffen worden, als er Paulus mit der Opfergabe nach Jerusalem begleitete (20,4). Aristarchus saß später mit Paulus zusammen in Rom in Haft (Kol 4,10).
27,3 liefen wir in Zidon ein. S. Anm. zu 12,20. Die dortigen Christen dienten Paulus. Möglicherweise versorgten sie ihn mit Proviant für die Reise.
27,4 segelten unter Zypern hin. Sie hielten sich an die Lee-Seite der Insel (d.h. sie passierten sie zwischen der Insel und dem Festland), weil sie dort Schutz vor den heftigen Winden suchten.
27,5 bei Cilicien und Pamphilien. S. Anm. zu 2,10; 6,9. Myra in Lycien. Einer der Haupthäfen der kaiserlichen Getreidefl otte, deren Schiffe Getreide aus Ägypten nach Italien brachten.
27,6 ein Schiff aus Alexandria. Es gehörte zur kaiserlichen Ge- treidefl otte.
27,7 Knidus. Ein Hafen auf einer Halbinsel im äußersten Südwesten Kleinasiens, der ebenfalls für Schiffe der Getreidefl otte eingerichtet war. Von Knidus aus konnte das Schiff nicht weiter nach Westen segeln, weil der Gegenwind zu stark war. Es musste nach Süden steuern und gelangte so nach Kreta. unter Kreta hin. Die große Insel an der Südwestküste Kleinasiens bot einigen Schutz vor den heftigen Nordwestwinden, die gegen das Schiff stürmten. Salmone. Ein Vorgebirge an Kretas Nordostküste.
27,8 Die schönen Häfen … Lasäa. Das Schiff kämpfte sich zum südöstlichen Zipfel Kretas vor und fand schließlich Schutz in der Bucht der »schönen Häfen«.
27,9 das Fasten bereits vorüber. S. Anm. zu Sach 7,3; vgl. 3Mo 23,26-32. Reisen auf offenem Meer waren von Mitte September bis Mitte November gefährlich, danach bis Ende Februar gar nicht möglich. Da das Fasten (der Große Versöhnungstag) Ende September oder Anfang Oktober bereits vorüber war, wäre eine Weiterreise äußerst riskant gewesen.
27,10 mit Schädigung und großem Verlust. Wegen der fort- geschrittenen Jahreszeit und den Schwierigkeiten, die sie bereits erlebt hatten, riet Paulus, in dieser Bucht zu überwintern.
27,11 Hauptmann. S. Anm. zu 10,1. Da das Schiff zur kaiserlichen Getreidefl otte gehörte (s. Anm. zu V. 5), war nicht der Steuermann oder Schiffseigner der hochrangigste Mann an Bord, sondern Julius. Steuermann. Der Schiffskapitän.
27,12 ungeeignet zum Überwintern. Die professionellen See- leute meinten, die Bucht der schönen Häfen eigne sich nicht zum Überwintern (s. Anm. zu V. 9). Phönix. Etwa 65 km von den schönen Häfen mit einem Hafen, der einen besseren Schutz vor den Winterstürmen bot.
27,14 Euroklydon. Die bevorzugte Lesart ist Euraquilon, was vom gr. Wort euros (»Ostwind«) und dem lat. Wort auquilo (»Nordwind«) stammt. Das ist ein heftiger, gefährlicher Sturm, der von den Seeleuten auf dem Mittelmeer sehr gefürchtet wurde.
27,16 Klauda. Eine Insel 35 km südwestlich von Kreta. das Beiboot meistern. Die Seeleute nutzten den Schutz der Insel Klauda und begannen, das Schiff für den Sturm zu takeln und die Beiboote des Schiffes an Bord zu ziehen.
27,17 indem sie das Schiff untergürteten. Bei dieser Prozedur wurden Taue um den Schiffsrumpf gezogen und festgezurrt, die das Schiff stabilisierten, damit es von den Schlägen der Wellen nicht auseinandergebrochen wurde. Syrte. Eine Region mit vielen Sandbänken und Untiefen an der Küste Afrikas, die als »Schiffsgrab« äußerst gefürchtet war. zogen sie die Segel ein. Dieser Ausdruck kann auch übersetzt werden mit »ließen sie den Anker herab«. Zweifellos machten die Seeleute beides, da es Selbstzerstörung gewesen wäre, den Anker bei gehissten Segeln abzulassen.
27,18 warfen sie … Ladung über Bord. Sie warfen alle unnötige Ausrüstung und Fracht über Bord und erleichterten somit das Schiff. So konnte es leicht über die Wellen gleiten.
27,23 Die letzte von sechs Visionen des Paulus, die Lukas überlie- fert hat (vgl. 9,3-6; 16,9.10; 18,9.10; 22,17.18; 23,11).
27,24 vor den Kaiser treten. Der Engel bestätigte die Verheißung, die Jesus selbst zu einem früheren Zeitpunkt Paulus gegeben hatte (23,11).
27,27 vierzehnte Nacht. Seitdem sie von den schönen Häfen los- gesegelt waren (V. 13). Adriatischen Meer. Das zentrale Mittelmeer, nicht die heutige Adria zwischen Italien und Kroatien. Die heutige Adria war zur Zeit des Paulus als Golf von Adria bekannt. vermuteten. Die Matrosen hörten wahrscheinlich das Geräusch von Wellen, die an ein Ufer schlugen.
27,28 ließen das Senkblei hinunter. Ein Gewicht, das am Ende eines Seils befestigt war. Damit maßen sie die Wassertiefe. 20 Faden … 15 Faden. 36 m … 27 m. Die abnehmende Wassertiefe bestätigte, dass das Schiff auf Land zusteuerte.
27,29 warfen sie vom Heck des Schiffes vier Anker aus. Damit versuchten sie, das Schiff auf der Stelle zu halten und den Bug auf das Ufer gerichtet zu lassen.
27,30 das Boot. Dasselbe Beiboot, das sie zuvor an Bord geholt hatten (V. 16). sie wollten vom Bug Anker auswerfen. Um das Schiff zusätzlich zu stabilisieren (vgl. V. 29).
27,33 ohne Nahrung. Aufgrund von Krankheit und der Schwierig- keit, Nahrung zuzubereiten und zu konservieren, hatten Passagiere und Besatzung in den letzten zwei Wochen nur wenig oder nichts gegessen.
27,34 keinem von euch wird ein Haar vom Haupt fallen. Ein bekanntes jüdisches Sprichwort (1Sam 14,45; 2Sam 14,11; 1Kö 1,52; Lk 21,18), das absolute Bewahrung beschreibt.
27,37 276 Seelen. Als hochseetaugliches Schiff war es beträchtlich größer als das kleinere Schiff, mit dem Paulus von Cäsarea nach Lycien gesegelt war.
27,38 erleichterten sie das Schiff. S. Anm. zu V. 18.
27,41 eine Sandbank. Eine Sandbank oder ein Riff kurz vor dem Ufer.
27,42 Die Soldaten aber fassten den Plan, man solle die Ge- fangenen töten. Sie wussten nämlich, dass sie bestraft oder getötet würden, wenn ihre Häftlinge entkommen (vgl. 12,19; 16,27).
28,1 Melite. Das ist wahrscheinlich Malta. Diese Insel ist 27 km lang, 14 km breit und liegt etwa 100 km südlich von Sizilien. Keiner der Seeleute war schon einmal in dieser Bucht gewesen (sie ist heute unter dem Namen St.-Paulus-Bucht bekannt), in der sie Schiffbruch erlitten.
28,3 Otter. Eine Giftschlange. Vgl. Mk 16,18.
28,6 sagten, er sei ein Gott. S. 14,11.12.
28,7 der Vornehmste. Der gr. Ausdruck bezeichnet Publius als den römischen Statthalter von Malta. 28,8 am Fieber und an der Ruhr krank. Das gastrische Fieber (es wird von einer Mikrobe verursacht, die in Ziegenmilch vorkommt), das auf Malta häufi g war. Ruhr war oft die Folge schlechter Hygiene und in der Antike weit verbreitet.
28,11 Nach drei Monaten. Da Seereisen zu dieser Zeit gefährlich waren (s. Anm. zu 27,9). Schiff von Alexandria. Wahrscheinlich wieder ein Schiff der kaiserlichen Getreidefl otte (s. Anm. zu 27,5.6). Dioskuren. Figuren der Zwillinge Castor und Pollux, in der gr. Mythologie die Söhne des Zeus. Die Griechen glaubten, dieses Zwillingspaar beschütze die Seeleute.
28,12 Syrakus. Eine bedeutende Stadt auf Sizilien. Die Tradition be- sagt, dass Paulus dort während des dreitägigen Aufenthalts des Schiffes eine Gemeinde gründete.
28,13 Regium. Ein Hafen am südlichen Zipfel des italienischen Fest- lands. Dort wartete das Schiff einen Tag lang auf günstige Winde, um durch die Straße von Messina segeln zu können (zwischen Sizilien und dem italienischen Festland). Puteoli. Das heutige Pozzuoli an der Bucht von Neapel in der Nähe von Pompeji. Puetoli war der Haupthafen von Rom und der wichtigste Hafen Italiens und daher auch der bedeutendste Hafen für die ägyptische Getreidefl otte (s. Anm. zu 27,5).
28,14 Rom. Fast wie eine Fußnote erwähnt Lukas die Ankunft der Gruppe in der kaiserlichen Hauptstadt und das Erreichen von Paulus’ lang ersehntem Ziel (s. Anm. zu 19,21).
28,15 Forum Appii. Eine Marktstadt 70 km südlich von Rom an der Via Appia. Tres Tabernae. Wörtl. »drei Herbergen«. Ein Rastort an der Via Appia, etwa 48 km südlich von Rom.
28,16 übergab der Hauptmann die Gefangenen dem Obers- ten der Leibwache. Viele gr. Handschriften lassen diesen Ausdruck aus. Wenn er zum Originaltext gehört, weist er entweder darauf hin, dass Julius die Gefangenen an seinen vorgesetzten Offi zier auslieferte oder an den Befehlshaber der Prätorianer, der Leibwache des Kaisers. für sich
1,1 Paulus. Siehe Einleitung: Autor und Abfassungszeit. Knecht. dou- los, das übliche Wort für Sklave im NT. In der gr. Kultur wurde dieser Begriff zwar häufi g für den unfreiwilligen, dauerhaften Sklavendienst gebraucht, doch wertet Paulus ihn auf, da er ihn in seinem hebr. Sinn verwendet. So beschreibt das Wort einen Diener, der sich selbst bereitwillig dem Dienst für seinen Herrn hingibt, den er liebt und achtet (2Mo 21,5.6; Gal 1,10; Tit 1,1; vgl. 1Mo 26,24; 4Mo 12,7; 2Sam 7,5; Jes 53,11). Apostel. Das gr. Wort bedeutet »Gesandter«. Im NT bezieht es sich in erster Linie auf die 12 Männer, die Jesus zu seinen Begleitern erwählte (Mk 3,13-19), einschließlich Matthias, den die anderen Apostel als Ersatz für Judas wählten (Apg 1,15-26). Der Herr verlieh ihnen die Vollmacht, ihre Apostelschaft durch Wunder zu bestätigen (Mt 10,1; 2Kor 12,12) und gab ihnen Autorität, als seine Bevollmächtigten zu sprechen – alle Bücher des NT wurden entweder von einem Apostel selbst oder unter der Aufsicht eines Apostels geschrieben (vgl. Joh 14,26). Ihre Lehre ist die Grundlage der Gemeinde (Eph 2,20). Christus selbst erwählte Paulus für diese Position (Apg 9,15; 22,14; 26,16; vgl. Gal 1,1) und rüstete ihn für die Erfüllung seines Auftrags aus (Gal 1,12.16). Evangelium Gottes. Das gr. Wort, das als Verb und Substantiv etwa 60 Mal in diesem Brief vorkommt, bedeutet »gute Nachricht« (s. Mk 1,1). In Rom war dieser Begriff für die Verehrung des Kaisers als Gott üblich. Der Herold der Stadt gebrauchte ihn für den Beginn wichtiger Bekanntmachungen über den Kaiser, wie z.B. der Geburt eines kaiserlichen Sohnes. Doch die gute Nachricht des Apostels stammt nicht vom Kaiser, sondern von Gott, ihr Ursprung liegt bei Gott. Die Botschaft, dass Gott Sünde vergibt, von der Macht der Sünde befreit und ewige Hoffnung gibt (1,16; vgl. 1Kor 15,1-4), wird uns nicht nur als gnädiges Angebot vorgestellt, sondern auch als Gebot, dem wir gehorchen müssen (10,16). Paulus war von dieser Botschaft entfl ammt (1Kor 9,23).
1,2 das er zuvor verheißen hat. Die jüdischen Widersacher des Paulus warfen ihm vor, er predige eine Lehre, die mit dem Judentum nichts zu tun habe (Apg 21,28). Doch im AT gibt es eine Fülle von Prophezeiungen über Christus und das Evangelium (1Pt 1,10-12; vgl. Mt 5,17; Hebr 1,1). seine Propheten. Alle Schreiber des AT. »Das Gesetz und die Propheten« sind das gesamte AT (Apg 24,14). Das Gesetz – oder der Pentateuch – wurde jedoch von Mose geschrieben, den die Schrift ebenfalls einen Propheten nennt (5Mo 18,15). heilige Schriften. Anders als die rabbinischen Schriften, die im 1. Jhdt. populär waren – und häufi g fl eißiger studiert wurden als die Schrift selbst –, aber das Evangelium Gottes nicht vermittelten, lehrten die von Gott inspirierten alttestamentlichen Schriften es gewiss (vgl. Lk 24,25.27.32; Joh 5,39; Apg 3,18; 7,52; 10,43; 13,32; 26,22.23; s. Anm. zu 1Mo 3,15). Die Propheten sprachen eindeutig von einem Neuen Bund (Jer 31,31-34; Hes 36,25-27; vgl. Hebr 8,6-13) und vom Messias, dessen Opfer diesen Neuen Bund ermöglichen würde (Jes 9,6.7; 53,1-12).
1,3 hervorgegangen. Jesus wurde in einem jungfräulichen Mut- terleib vom Heiligen Geist empfangen (Lk 1,35; vgl. Jes 7,14) und auf normale Weise geboren. Dieses Wort betont, dass er eine tatsächliche historische Gestalt ist. Viele bekannte Schreiber der Antike, wie z.B. der römische Historiker Tacitus (Annalen 15,44), der berühmte jüdische Geschichtsschreiber Josephus (Altertümer 2,18,3), und Plinius der Jüngere (Briefe 10,96.97) bestätigen die Historizität Jesu. Samen Davids. Im AT war prophezeit, dass der Messias ein Nachkomme Davids sein würde (2Sam 7,12.13; Ps 89,3.4.19.24; Jes 11,1-5; Jer 23,5.6). Sowohl Maria, die Mutter Jesu (Lk 3,23.31), als auch Joseph, sein rechtmäßiger Vater (Mt 1,6.16; Lk 1,27), waren Nachkommen Davids. Johannes macht den Glauben, dass Christus im Fleisch gekommen ist, zum entscheidenden Test für die Rechtgläubigkeit (1Joh 4,2.3). Weil er vollkommen Mensch ist – und ebenso vollkommen Gott – konnte und kann er als Stellvertreter (Joh 1,29; 2Kor 5,21) und als mitfühlender Hoherpriester (Hebr 4,15.16) für den Menschen eintreten.
1,4 erwiesen. Der gr. Begriff, von dem unser deutsches Wort »Ho- rizont« abstammt, bedeutet »bestimmen«, »defi nieren«. Genau wie der Horizont als scharf bezeichnete Demarkationslinie die Erde vom Himmel trennt, so klar trennt die Auferstehung Jesu Christi ihn von der übrigen Menschheit. Sie bietet den unbestreitbaren Beweis, dass er der Sohn Gottes ist (s. Anm. zu 10,9). Sohn Gottes. Dieser Titel, der annähernd 30 Mal in den Evangelien vorkommt, identifi ziert Jesus Christus als wesensgleich mit Gott. S. Anm. zu Joh 1,34.49; 10,36; 11,27; 19,7 (vgl. Hebr 1,5; 2Sam 7,14). Die Auferstehung erklärte eindeutig, dass Jesus Gott und zugleich Ausdruck Gottes in Menschengestalt ist. Er war zwar bereits vor der Fleischwerdung der ewige Sohn, doch als er in der Fleischwerdung in die Welt kam, wurde er vor der ganzen Welt als Sohn Gottes erklärt und nahm die Rolle der Unterwerfung unter den Vater auf (s. Anm. zu Ps 2,7; Hebr 1,5.6). Geist der Heiligkeit. In seiner Fleischwerdung unterwarf Christus sich freiwillig dem Willen des Vaters ausschließlich unter der Leitung, Vermittlung und Kraft des Heiligen Geistes (Mt 3,16; Lk 4,1; Joh 3,34; s. Anm. zu Apg 1,2). Auferstehung von den Toten. Sein Sieg über den Tod war das größte Zeugnis und der überzeugendste Beweis, dass er der Sohn Gottes ist (s. Anm. zu 10,9; vgl. Apg 13,29-33; 1Kor 15,14-17).
1,5 Gnade. Die unverdiente Gunst, die Gott schuldigen Sündern er- weist. Hier fi nden wir die erste Erwähnung des wichtigsten Aspekts des Evangeliums in diesem Buch: die Errettung ist ein Geschenk Gottes, die absolut nichts mit menschlichen Bemühungen oder Leistungen zu tun hat (3,24.27; 4,1-5; 5,20, 21; s. Anm. zu Eph 2,8.9). Aposteldienst. Der Begriff »Apostel« bezieht sich zwar in einzigartiger Weise auf die Zwölf (s. Anm. zu 1,1), aber in einem weiteren und weniger offi ziellen Sinn können alle als Apostel bezeichnet werden, die von Gott mit der Heilsbotschaft ausgesandt sind (vgl. Apg 14,14; Röm 16,7; Hebr 3,1). Glaubensgehorsam. Wahrer rettender Glaube bringt stets Gehorsam gegenüber Jesus Christus und Unterwerfung unter ihn als Herrn hervor (16,19.26; vgl. 10,9.10; vgl. Mt 7,13.14.22-27; Jak 2,17-20).
1,6 Berufene. S. Anm. zu 1,7. In den neutestamentlichen Briefen bezieht sich die »Berufung« stets auf Gottes wirksamen Ruf der erwählten Sünder zum Heil (vgl. 8,28-30). Damit ist nicht der allgemeine Ruf zum Glauben gemeint, der an alle Menschen ergeht (vgl. Mt 20,16).
1,7 Rom. Siehe Einleitung: Hintergrund und Umfeld. Geliebte Got- tes … berufene Heilige. Der gr. Text führt hier 3 verschiedene Vorrechte an: 1.) Gott hat den Seinen seine Liebe erwiesen (5,5; 8,35; Eph 1,6; 2,4.5; 1Joh 3,1). 2.) Er hat nicht nur seine allgemeine, äußerliche Einladung zum Glauben an das Evangelium an sie gerichtet (Jes 45,22; 55,6; Hes 33,11; Mt 11,28; Joh 7,37; Offb 22,17), sondern seine wirksame Berufung – bzw. er hat all jene zu sich gezogen, die er zum Heil auserwählt hat (8,30; 2Th 2,13.14; 2Tim 1,9; s. Anm. zu Joh 6,44). 3.) Gott hat die Gläubigen von der Sünde für sich selbst abgesondert, damit sie Geheiligte sind (1Kor 3,16.17; 1Pt 2,5.9). Gnade … Friede. Der Standardgruß des Apostels Paulus (1Kor 1,3; 2Kor 1,2; Gal 1,3; Eph 1,2; Phil 1,2; Kol 1,2; 1Th 1,1; 2Th 1,2; 1Tim 1,2; 2Tim 1,2; Tit 1,4; Phlm 3).
1,8 danke ich meinem Gott. In jedem seiner Briefe drückte Paulus seine Dankbarkeit gegenüber den Empfängern aus (z.B. 1Kor 1,4), außer im Galaterbrief, denn aufgrund der Abirrung der Galater vom wahren Evangelium sah er von jeglichem einleitenden Lob ab (Gal 1,6-12). euer Glaube. Die Echtheit ihrer Errettung. Das Zeugnis der Gemeinde in Rom war derart stark, dass der Kaiser Klaudius im Jahr 49 n.Chr alle Juden aus der Stadt vertrieb. Grund dafür war der Einfl uss von »Chrestus«, womit zweifellos Christus gemeint war (vgl. Apg 18,2). in der ganzen Welt. Da Rom das Zentrum des Römischen Reiches und der bewohnten Welt war, wurde alles, was dort geschah, weltweit bekannt.
1,9 in meinem Geist diene. Im NT bezieht sich dieses Wort für »die- nen« stets auf religiösen Dienst und wird manchmal mit »Gottesdienst« oder »Anbetung« übersetzt. Paulus hatte die oberfl ächliche, heuchlerische Religiosität der Pharisäer erlebt und den abergläubischen Hedonismus des heidnischen Götzendienstes. Sein geistlicher Dienst (s. Anm. zu 12,1) erwuchs jedoch nicht unterwürfi ger Furcht oder gesetzlicher Verpfl ichtung, sondern war echt und aufrichtig (vgl. Phil 3,3; 2Tim 1,3; 2,22).
1,10 in meinen Gebeten. Paulus schrieb seine Gebetsanliegen häufi g auf (Eph 3,14-19; Phil 1,9-11; Kol 1,9-11; 2Th 1,11.12) und drängte seine Leser, mit ihm zusammen zu beten (15,30-32; 1Th 5,17; Eph 6,18). Willen Gottes. Gottes souveräne Führung der Umstände des Paulus (vgl. Mt 6,10; Apg 21,11-14; Jak 4,13.14).
1,11 geistliche Gnadengabe. Das gr. Wort, das hier treffend mit »Gnadengabe« übersetzt ist, heißt charisma und bedeutet eine geistliche Befähigung durch den Geist Gottes. Im Römerbrief bezeichnet dieser Begriff: 1.) Christus selbst (5,15.16); 2.) allgemeine Segnungen von Gott (11,29; vgl. 1Tim 6,17) und 3.) besondere geistliche Gaben, die den Gliedern des Leibes zum Dienst für den ganzen Leib gegeben wurden (12,6-8; vgl. 1Kor 12,1-31; 1Pt 4,10.11). Paulus meint hier wahrscheinlich alle drei.
1,12 gegenseitigen Austausch. Ein Ausdruck der Demut des Apostels (vgl. 1Pt 5,3.4). 1,13 Frucht. Die Bibel führt drei Arten von geistlicher Frucht an: 1.) Geistliche Charaktereigenschaften, die den vom Geist geführten Gläubigen auszeichnen (Gal 5,22.23); 2.) gerechte Taten (6,22; Phil 4,16.17; Hebr 13,15) und 3.) Neubekehrte (16,5). In diesem Zusammenhang spricht Paulus wahrscheinlich von der dritten Art. Der Wunsch nach Neubekehrten erfüllte sich schließlich während seiner Haft in Rom (Phil 4,22). unter den übrigen Heiden. Das bedeutet, dass die Gemeinde in Rom hauptsächlich aus Nichtjuden bestand. 1,14 Schuldner. Paulus war Gott gegenüber verpfl ichtet (vgl. 1Kor 9,16-17), seine von ihm erteilte Aufgabe zu erfüllen und den Heiden zu dienen (1,5; Apg 9,15). Griechen. Menschen verschiedener Nationalität, die die griechische Sprache, Kultur und Bildung angenommen hatten. Sie waren zur Zeit der Apostel die gebildete Elite. Aufgrund ihres großen Interesses an griechischer Philosophie wurden sie als »weise« angesehen. Da diese griechische Kultur vorherrschte, benutzte Paulus dieses Wort manchmal als Bezeichnung für alle Heiden (vgl. 3,9). Barbaren. Eine von den Griechen eingeführte abfällige Bezeichnung für alle, die kein Griechisch gelernt hatten und nicht in der gr. Kultur unterrichtet waren. Wenn jemand in einer Fremdsprache redete, hörte sich das für die Griechen wie »bar-bar-bar« oder unverständliches Geplapper an. Im engsten Sinn bezog sich dieser Begriff zwar auf die unkultivierten und ungebildeten Massen, wurde aber oft zur Beschreibung aller Nichtgriechen verwendet – der Unweisen der Welt. Paulus will hier herausstellen, dass Gott nicht die Person ansieht – das Evangelium muss sowohl die Elite als auch die Ausgestoßenen der Welt erreichen (vgl. Joh 4,4-42; Jak 2,1-9).
1,15 Evangelium. S. Anm. zu 1,1.
1,16 Diese beiden Verse fassen die Aussage des ganzen Briefes zusammen: Das Evangelium Jesu Christi, das Paulus in den folgenden Kapiteln entfalten und erklären wird. 1,16 Ich schäme mich nicht. In Philippi hatte man ihn eingekerkert (Apg 16,23.24), in Thessalonich gegeißelt (Apg 17,10), aus Beröa herausgeschmuggelt (Apg 17,14), in Athen ausgelacht (Apg 17,32), in Korinth zum Narren gemacht (1Kor 1,18.23), und in Galatien gesteinigt (Apg 14,19). Dennoch brannte Paulus darauf, das Evangelium auch in Rom zu verkündigen – dem Zentrum der damaligen politischen Macht und der heidnischen Religion. Weder Spott noch Kritik, noch körperliche Verfolgung konnten ihm seine Zuversicht nehmen. S. Anm. zu 2Kor 4,5-18; 11,23-28; 12,9.10. Kraft. Das deutsche Wort »Dynamit« stammt von diesem gr. Wort ab. Wenngleich sich die Botschaft für manche töricht anhörte (1Kor 1,18), ist das Evangelium wirksam, weil die Allmacht Gottes mit ihr einhergeht (vgl. 2Mo 15,6; 5Mo 32,39; Hi 9,4; Ps 33,8.9; 89,13; 106,8.9; Jes 26,4; 43,13; Jer 10,12; 27,5; Mt 28,18; Röm 9,21). Nur Gottes Kraft kann die sündige Natur des Menschen überwinden und ihm neues Leben geben (5,6; 8,3; Joh 1,12; 1Kor 1,18.23-25; 2,1-4; 4,20; 1Pt 1,23). Errettung. Oder: Heil. Dieses Schlüsselwort, das 5-mal im Römerbrief vorkommt (als Verb kommt es achtmal vor), bedeutet grundsätzlich »Befreiung« oder »Rettung«. Die Kraft des Evangeliums rettet Menschen aus ihrer Verlorenheit (Mt 18,11), vor dem Zorn Gottes (Röm 5,9), aus willentlicher geistlicher Unwissenheit (Hos 4,6; 2Th 1,8), vom Übel der Genusssucht (Lk 21,34) und aus der Finsternis falscher Religion (Kol 1,13; 1Pt 2,9). Sie rettet Menschen vor der letztendlichen Strafe für ihre Sünden, d.h. vor der ewigen Trennung von Gott und der ewigen Qual (s. Anm. zu Offb 20,6). glaubt. Vertrauen, sich verlassen auf oder glauben an. Wenn dieses Wort im Zusammenhang der Errettung verwendet wird, steht es gewöhnlich im Präsens (Gegenwartsform), was betont, dass Glauben nicht nur ein einmaliges Geschehen ist, sondern ein fortdauernder Zustand. Wahrer rettender Glaube ist übernatürlichen Ursprungs und eine Gabe der Gnade Gottes, die er im Herzen hervorbringt (s. Anm. zu Eph 2,8). Dieser Glaube ist das einzige Mittel, durch das ein Mensch die erforderliche wahre Gerechtigkeit erlangen kann (vgl. 3,22.25; 4,5.13.20; 5,1; s. Anm. zu 4,1-25). Rettender Glaube besteht aus drei Elementen: 1.) rational: Der Verstand versteht das Evangelium und die Wahrheit über Jesus Christus (10,14-17); 2.) emotional: Das Annehmen dieser Tatsachen als wahrhaftig geht einher mit Betrübnis über die Sünde und mit Freude über die Barmherzigkeit und Gnade Gottes (6,17; 15,13); und 3.) willentlich: der Sünder unterwirft seinen Willen Christus und vertraut sich ihm an als die einzige Hoffnung auf Errettung (s. Anm. zu 10,9). Echter Glaube bringt stets echten Gehorsam hervor (s. Anm. zu 4,3; vgl. Joh 8,31; 14,23.24). zuerst für den Juden. Gott erwählte Israel als Nation seines Zeugnisses (2Mo 19,6) und gab Israel bestimmte Vorrechte (3,2; 9,4.5). Der Dienst Jesu galt in erster Linie Israel (Mt 15,24) und das Heil für die Welt sollte aus Israel kommen (Joh 4,22; vgl. 13,46). Griechen. S. Anm. zu 1,14.
1,17 die Gerechtigkeit Gottes. Eine bessere Übersetzung wäre »Gerechtigkeit von Gott her«. Ein Hauptthema dieses Briefes. In seinen verschiedenen Formen kommt dieser Begriff über 30 Mal im Römerbrief vor. Gerechtigkeit ist der Zustand vollkommener Übereinstimmung mit Gottes vollkommenem Gesetz und seinem heiligen Charakter. Auch andere Wörter, die von derselben gr. Wurzel stammen, kommen etwa weitere 30-mal vor und werden gewöhnlich übersetzt mit »gerechtfertigt«, »Rechtfertigung« etc. Nur Gott allein ist in sich selbst gerecht (5Mo 32,4; Hi 9,2; Ps 11,7; 116,5; Joh 17,25; Röm 3,10; 1Joh 2,1; Offb 16,5). Der Mensch hingegen erlangt – zu seinem Verderben – nicht den gottgemäßen Maßstab moralischer Vollkommenheit (3,23; Mt 5,48). Aber das Evangelium offenbart, dass Gott auf der Grundlage des Glaubens – und allein des Glaubens – gottlosen Sündern seine Gerechtigkeit zurechnet (s. Anm. zu 3,21-24; 4,5; 2Kor 5,21; Phil 3,8.9). aus Glauben zum Glauben. Das kann ein paralleler Ausdruck sein zu »für jeden, der glaubt« (1,16). Dann bedeutet es, dass Paulus den Glauben jedes einzelnen Gläubigen herausgreift und sagt, dass der Glaube von diesem zum nächsten geht usw. Oder aber Paulus will sagen, dass die Gerechtigkeit, die von Gott verliehen wird, von Anfang bis Ende vollkommen auf der Grundlage des Glaubens beruht. wie geschrieben steht. S. Anm. zu Hab 2,4. Der Gerechte wird aus Glauben leben. Paulus will beweisen, dass Gott schon immer Sünder durch Gnade auf Grundlage des Glaubens gerechtfertigt hat. Gott machte Abraham zum Vorbild und Muster des Glaubens (4,22-25; Gal 3,6.7) und nennt ihn daher »Vater aller Gläubigen« (4,11.16). An anderer Stelle verwendet Paulus genau denselben Ausdruck, um zu zeigen, dass niemand jemals vor Gott als gerecht erklärt worden ist, außer durch Glauben allein (Gal 3,11) und dass wahrer Glaube sich im Wandel beweisen wird (Phil 2,12.13). Dieser Ausdruck betont, dass wahrer Glaube kein momentanes Ereignis ist, sondern ein Lebensstil – er dauert an. Diese Dauerhaftigkeit wird als Ausharren der Heiligen bezeichnet (vgl. Kol 1,22.23; Hebr 3,12-14). Ein Hauptthema der Geschichte Hiobs ist, dass rettender Glaube niemals aufhört oder zerstört werden kann, wie sehr Satan sich auch darum bemühen mag. S. Anm. zu 8,31-39.
1,18 – 3,20 Nachdem Paulus das Thema der Gerechtigkeit von Gott eingeführt hat (1,17), das er ausführlich behandeln wird (3,21 – 5,21), legt er nun die überwältigenden Beweise für die Sündhaftigkeit des Menschen dar. Dabei unterstreicht er, wie dringend der Mensch diese Gerechtigkeit braucht, die nur Gott ihm verleihen kann. Er unterbreitet Gottes Anklage sowohl gegen unreligiöse, unmoralische Menschen (1,18-32; die Heiden) als auch gegen religiöse, äußerlich moralische Menschen (2,1 – 3,8; die Juden) und kommt zu der Schlussfolgerung, dass alle Menschen gleicherweise das Gericht Gottes verdienen (3,9-20). 1,18 Gottes Zorn. Kein impulsiver, launenhafter Zornausbruch gegen Menschen, die Gott nicht leiden kann, sondern die beherrschte, entschlossene Reaktion eines gerechten Gottes auf Sünde (vgl. Ps 2,5.12; 45,7; 75,8; 76,6.7; 78,49-51; 90,7-9; Jes 51,17; Jer 25,15.16; Joh 3,36; Röm 9,22; Eph 5,6; Kol 3,5.6). wird geoffenbart. genauer: »wird ständig geoffenbart«. Dieses Wort bedeutet so viel wie »aufdecken«, »sichtbar machen«, »bekannt machen«. Gott offenbart seinen Zorn auf zweierlei Weise: 1.) indirekt, durch die natürlichen Konsequenzen des Verstoßens gegen sein universales moralisches Gesetz und 2.) direkt durch sein persönliches Eingreifen (das AT zeigt deutliche Beispiele für ein solches Eingreifen – vom Urteil über Adam und Eva bis zur Sintfl ut, vom Feuer und Schwefel auf Sodom bis zur babylonischen Gefangenschaft). Am drastischsten offenbarte Gott seinen heiligen Zorn und Hass auf Sünde, als er sein göttliches Zorngericht über seinen Sohn am Kreuz ergehen ließ. Gott hat verschiedene Arten von Zorn: 1.) ewiger Zorn, das ist die Hölle, 2.) eschatologischer Zorn, das ist der jüngste Tag, der Tag des Herrn, 3.) Zorn in Form von Folgen wie z.B. die Sintfl ut und die Zerstörung von Sodom und Gomorra, 4.) Zorn als Konsequenz, das ist das Prinzip von Saat und Ernte, und 5.) preisgebender Zorn, wenn seine Nachsicht und Geduld zu Ende ist und er die Menschen ihren Sünden dahingibt (für Beispiele dieses Zorns s. Anm. zu Ps 81,11.12; Spr 1,2331; Hos 4,17). An dieser Stelle handelt es sich um diese fünfte Form; die ganze Menschheitsgeschichte hindurch überlässt Gott die Bösen sich selbst und gibt sie somit ihrer Sünde und deren Folgen hin (V. 24-32). Gottlosigkeit. Das ist fehlende Achtung, Verehrung und Anbetung des wahren Gottes – eine mangelhafte Beziehung zu ihm (vgl. Jud 14.15). Ungerechtigkeit. Dieser Begriff spricht von den Folgen der Gottlosigkeit: Die Gedanken, Worte und Werke entsprechen nicht dem Charakter und dem Gesetz Gottes (s. Anm. zu 1,17). die Wahrheit … aufhalten. Obwohl die Beweise in Form des Gewissens (1,19; 2,14), der Schöpfung (1,20) und des Wortes Gottes unbestreitbar sind, widerstehen und widerstreben die Menschen der Wahrheit Gottes, weil sie an ihren Sünden festhalten (vgl. Ps 14,1; Joh 3,19.20).
1,19 unter ihnen offenbar. Gott hat in souveräner Weise Indizien- beweise für seine Existenz in die menschliche Natur hineingelegt. Durch seinen Verstand und sein moralisches Empfi nden kann der Mensch diese Beweise erkennen (1,20.21.28.32; 2,15).
1,20 sein unsichtbares Wesen. Das bezieht sich insbesondere auf die beiden in diesem Vers genannten Wesenseigenschaften. seine ewige Kraft. Der Schöpfer, der alle Dinge gemacht hat und sie beständig erhält, muss eine gewaltige, unbegreifl iche Macht haben. Gottheit. Das ist seine göttliche Natur, insbesondere seine Treue (1Mo 8,21.22), Güte und Gnade (Apg 14,17). an den Werken. Die Schöpfung vermittelt eine klare, unmissverständliche Botschaft über die Person Gottes (vgl. Ps 19,1-8; 94,9; Apg 14,15-17; 17,23-28). dass sie keine Entschuldigung haben. Gott zieht alle Menschen zur Verantwortung dafür, dass sie sich weigerten, das anzuerkennen, was er ihnen in seiner Schöpfung von sich gezeigt hatte. Auch die Menschen, die nie eine Gelegenheit hatten, das Evangelium zu hören, haben mit der Schöpfung ein unverkennbares Zeugnis für die Existenz und den Charakter Gottes bekommen – und haben es missachtet. Wenn jemand auf die ihm gegebene Offenbarung reagiert – und wenn es nur die natürliche Offenbarung ist – wird Gott dafür sorgen, dass dieser Mensch auf irgendeine Weise das Evangelium hört (vgl. Apg 8,26-39; 10,1-48; 17,27). 1,21 Gott erkannten. Aufgrund der allgemeinen Offenbarung (V. 19.20) ist der Mensch sich der Existenz, Macht und göttlichen Natur Gottes bewusst. haben sie ihn nicht als Gott geehrt. Das höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu verherrlichen (3Mo 10,3; 1Chr 16,2429; Ps 148; Röm 15,5.6). Die Bibel fordert den Menschen immer wieder dazu auf (Ps 29,1.2; 1Kor 10,31; Offb 4,11). Ihn zu ehren bzw. zu verherrlichen bedeutet, seine Eigenschaften anzuerkennen und ihn für seine Vollkommenheiten zu loben (vgl. 2Mo 34,5-7). Es bedeutet, seine Herrlichkeit zu erkennen und ihn dafür zu rühmen. Wenn der Mensch diese Verherrlichung verweigert, ist das die schlimmste Beleidigung des Schöpfers (Apg 12,22.23). nicht gedankt. Die Menschen weigern sich anzuerkennen, dass alles Gute, woran sie sich erfreuen, von Gott kommt (Mt 5,45; Apg 14,15-17; 1Tim. 6,17; Jak 1,17). nichtigen Wahn. Die Suche des Menschen nach Sinn und Zweck wird nur zu leeren, sinnlosen Schlussfolgerungen führen. ihr unverständiges Herz wurde verfi nstert. Wenn der Mensch die Wahrheit verwirft, macht er damit Platz für jegliche Finsternis geistlichen Lugs und Trugs (vgl. Joh 3,19.20).
1,22 Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden. Der Mensch versucht seine Sünde rational zu erklären und beweist damit seine völlige Torheit, indem er sich eigene Philosophien über Gott, das Universum und sich selbst erdenkt und daran glaubt (vgl. Ps 14,1; 53,1).
1,23 haben die Herrlichkeit … vertauscht mit einem Bild. Sie setzten die Verehrung von Götzen an die Stelle der Anbetung des wahren Gottes. Historiker berichten, dass viele antike Kulturen ursprünglichen keine Götzen hatten. Beispielsweise gab es keinen Götzendienst bei der Gründung der Reiche Persien (Herodot, Historien 1,31), Rom (Varro in Augustinus, Der Gottesstaat 4,31) und auch Griechenland und Ägypten (Lukian, Die syrische Göttin 34). Eusebius, ein Historiker aus dem 4. Jhdt. n.Chr., schreibt, dass es in den ältesten Zivilisationen keine Götzen gab. Der älteste Götzendienst, der in der Bibel erwähnt wird, ist der von Abrams Familie in Ur (Jos 24,2). Das erste Gebot verbietet Götzendienst (2Mo 20,3-5). Die Propheten zeigten immer wieder, wie lächerlich und töricht Götzendienst ist (Jes 44,9-17; vgl. 2Kö 17,13-16). Die falschen, durch Götzendienst verehrten Götter gibt es zwar nicht, aber oft nehmen Dämonen ihre Stelle ein (1Kor 10,20).
1,24 Dieser Abschnitt beschreibt die Abwärtsspirale des preisge- benden Zorns (s. Anm. zu V. 18) im Leben des Menschen, den Gott seinen Sünden dahingibt. Paulus zeigt das Wesen (V. 24.25), den Ausdruck (V. 26.27) und das Ausmaß (V. 28-32) der Sündigkeit des Menschen. 1,24 Gott hat sie dahingegeben. Das ist im Gr. ein juristischer Aus- druck, der verwendet wird, wenn ein Angeklagter der Urteilsvollstreckung überliefert wird. Wenn die Menschen Gott fortwährend verwerfen, dann wird er auch sie verwerfen (vgl. Ri 10,13; 2Chr 15,2; 24,20; Ps 81,11.12; Hos 4,17; Mt 15,14; Apg 7,38-42; 14,16). Das erreicht er 1.) indirekt, indem er das Böse nicht länger zurückhält und damit die Sünde ihren ungehinderten Lauf nehmen lässt, und 2.) direkt durch bestimmte göttliche Gerichte und Strafen. Unreinheit. Ein allgemeiner Ausdruck, der oft für Aas und Moder oder den Inhalt von Gräbern verwendet wird. Hier bezieht er sich auf sexuelle Unmoral (2Kor 12,21; vgl. Gal 5,19-23; Eph 5,3; 1Th 4,7), die im Herzen beginnt und zur Verunehrung des Leibes führt.
1,25 Lüge. Eine Leugnung der Existenz Gottes und seines Rechts, Gehorsam und Ehre zu empfangen (V. 19-21; Jes 44,20; Jer 13,25; vgl. Joh 8,44).
1,26 Gott hat sie dahingegeben. S. Anm. zu V. 18.24. enteh- rende Leidenschaften. In V. 26.27 werden diese Leidenschaften als Homosexualität identifi ziert. Diese Sünde wird in der Bibel durchweg verurteil (1Mo 19; 3Mo 18,22; 1Kor 6,9-11; vgl. Gal 5,19-21; Eph 5,3-5; 1Tim 1,9.10; Ri 7). Frauen. Hier steht nicht das normale gr. Wort für Frauen, sondern ein allgemeiner Begriff. Paulus nennt die Frauen zuerst, um das Ausmaß der Ausschweifung unter dem preisgebenden Zorn zu verdeutlichen, denn in den meisten Kulturen sind Frauen weniger anfällig für Unmoral als Männer.
1,27 haben den … Lohn … an sich selbst empfangen. Hier wirkt das Gesetz von Saat und Ernte (Gal 6,7.8). Paulus verweist auf die selbstzerstörerische Natur der Sünde. AIDS ist nur eines von vielen erschreckenden Beispielen dafür.
1,28 Gott hat sie dahingegeben. S. Anm. zu 1,18.24. unwürdig. Die Übersetzung eines gr. Wortes, das so viel bedeutet wie »eine Prüfung nicht bestanden haben«. Es wurde häufi g für nutzlose, wertlose Metalle benutzt, die man wegwarf, weil sie zu viele Verunreinigungen enthielten. Gott hat die Gesinnung des Menschen geprüft und für wert- und nutzlos befunden (vgl. Jer 6,30).
1,32 erkennen. Die Menschen sind nicht unwissend, sondern üben offene Rebellion (s. Anm. zu 2,15).
2,1 Nachdem Paulus die Sündhaftigkeit der unmoralischen Hei- den aufgezeigt hat (1,18-32), legt er seine Anklage gegen den religiösen Moralisten vor – sei er Jude oder Heide. Dazu führt er sechs Prinzipien an, anhand derer Gott richtet: 1.) Erkenntnis (V. 1), 2.) Wahrheit (V. 2.3), 3.) Schuld (V. 4.5), 4.) Werke (V. 6-10), 5.) kein Ansehen der Person (V. 11-15) und 6.) Motivation (V. 16). 2,1 Darum bist du nicht zu entschuldigen … der du richtest. Sowohl Juden (an die Paulus sich hier in erster Linie richtet, vgl. V. 17) als auch moralisierende Heiden irren, wenn sie von sich meinen, sie seien von Gottes Gericht ausgenommen, weil sie die unmoralischen Exzesse aus Kap. 1 nicht ausgeübt haben. Solche Menschen haben eine größere Erkenntnis als die morallosen Heiden (3,2; 9,4) und damit auch eine größere Verantwortung (vgl. Hebr 10,26-29; Jak 3,1). verurteilst du dich selbst. Wenn jemand genug Erkenntnis hat, um andere zu verurteilen, so verdammt er sich selbst. Denn er zeigt, dass er mit seiner Erkenntnis sehr wohl auch seinen eigenen Zustand beurteilen könnte. verübst ja dasselbe. Sie verurteilten andere, aber entschuldigten ihre eigenen Sünden. Selbstgerechtigkeit beruht auf zwei fatalen Fehlern: 1.) Man setzt Gottes Moralmaßstab herab, indem man Äußerlichkeiten betont; 2.) man unterschätzt das Ausmaß der eigenen Sündhaftigkeit (vgl. Mt 5,20-22.27.28; 7,1-3; 15,1-3; Lk 18,21).
2,2 der Wahrheit entsprechend. Das bedeutet »recht«. Alles, was Gott tut, ist naturgemäß recht (vgl. 3,4; 9,14; Ps 9,4.8; 96,13; 145,17; Jes 45,19).
2,3 S. Anm. zu V. 1.
2,4 verachtest. Wörtl. »herabdenken«. Das Unterschätzen oder sogar das Verachten des Wertes einer Person oder einer Sache. Güte. Ein Ausdruck von Gottes »allgemeiner Gnade«, d.h. den Segnungen, die Gott allen Menschen erteilt (vgl. Mt 5,45; Apg 14,15-17). Geduld. Dieses Wort, das »zurückhalten« bedeutet, wurde manchmal für einen Waffenstillstand zwischen verfeindeten Parteien verwendet. Gott vernichtet nicht augenblicklich jeden, der eine Sünde begeht, sondern wartet mit seinem Gericht geduldig (vgl. 3,25). Er rettet Sünder körperlich und zeitlich vor der verdienten Strafe (s. Anm. zu 1Tim 4,10). So zeigt er ihnen seinen rettenden Charakter, damit sie sich an ihn wenden und sich geistlich und ewig erretten lassen. Langmut. Dieses Wort weist darauf hin, wie lange Gott seine Güte und Geduld zeigt: über lange Zeitperioden (vgl. 2Pt 2,5). Diese drei Begriffe sprechen zusammen von Gottes allgemeiner Gnade, d.h. von den Mitteln, durch die Gott seine Gnade der ganzen Menschheit zeigt (vgl. Hi 12,10; Ps 119,68; 145,9). Buße. Sich von der Sünde abwenden und Christus zuwenden, um von ihm Vergebung und Errettung zu empfangen. S. Anm. zu 2Kor 7,9-11.
2,5 Verstocktheit … Herzens. Der medizinische Begriff »Sklerose« (wie z.B. in »Arteriosklerose«, eine Verhärtung der Arterien) stammt von diesem gr. Wort ab. Hier geht es aber nicht um ein körperliches Leiden, sondern um geistliche Verhärtung (Hes 36,26; Mt 19,8; Mk 3,5; 6,52; 8,17; Joh 12,40; Hebr 3,8, 15; 4,7). unbußfertigen Herzens. Die Weigerung, Buße zu tun (vgl. V. 4) und Gottes Sündenvergebung durch Jesus Christus anzunehmen. häufst du dir selbst Zorn auf. Gottes Vergebungsangebot zurückzuweisen und an der eigenen Sünde festzuhalten, bedeutet, sich weiteren Zorn von Gott aufzuhäufen und ein schwereres Gericht zu verdienen (s. Anm. zu Hebr 10,26-30; Offb 20,12). Tag des Zorns und … Gerichtes. Das bezieht sich auf das letzte Gericht über die Bösen. Es wird am Ende des Tausendjährigen Reiches vor dem großen weißen Thron stattfi nden (s. Anm. zu Offb 20,11-15).
2,6 S. Anm. zu 2,1-16. Die Schrift lehrt überall, dass die Erret- tung nicht auf Werken gründet (s. Anm. zu 4,1-4; Eph 2,8.9), doch lehrt sie auch stets, dass Gottes Gericht auf Grund der Taten des Menschen geschieht (Jes 3,10.11; Jer 17,10; Joh 5,28.29; 1Kor 3,8; 2Kor 5,10; Gal 6,7-9; vgl. Röm 14,12). Paulus beschreibt die Taten zweier verschiedener Gruppen: der Erlösten (V. 7.10) und der Unerlösten (V. 8.9). Die Taten der Erlösten sind nicht die Grundlage, aber der Erweis ihrer Errettung. Die Erlösten sind nicht vollkommen und sind anfällig für Sünde, aber ihr Leben zeigt unbestreitbare Indizien göttlicher Gerechtigkeit (s. Anm. zu Jak 2,14-20.26).
2,7 ewiges Leben. Ewig nicht nur hinsichtlich der Dauer – denn auch Ungläubige werden ewig leben (2Th 1,9; Offb 14,9-11) –, sondern auch hinsichtlich der Qualität (s. Anm. zu Joh 17,3). Ewiges Leben ist eine bestimmte Art von Leben, nämlich das heilige Leben des ewigen Gottes, das er den Gläubigen gibt.
2,8 selbstsüchtig. Dieses Wort konnte ursprünglich einen Mietling oder Söldner bezeichnen, also jemanden, der für Geld alles tut, ungeachtet der Auswirkungen seines Tuns auf andere. Zorn. S. Anm. zu 1,18.
2,9 zuerst über den Juden. Genau wie die Juden die ersten waren, die das Evangelium hören und annehmen konnten (1,16), so werden sie auch die ersten sein, die von Gott gerichtet werden, wenn sie es ablehnen (vgl. Am 3,2). Israel wird ein schwereres Gericht empfangen, weil es mehr Licht und Segnungen bekommen hatte (s. 9,3.4).
2,11 Ansehen der Person. Wörtl. »Annahmen des Gesichtes«, d.h. jemandem Aufmerksamkeit widmen, nur aufgrund seiner Position, seines Wohlstands, Einfl usses, seiner Popularität oder seines Äußeren. Weil Gott dem Wesen nach gerecht ist, kann er unmöglich jemanden bevorzugen (Apg 10,34; Gal 2,6; Eph 6,7.8; Kol 3,25; 1Pt 1,17).
2,12 ohne Gesetz gesündigt. Die Heiden, die keine Gelegenheit hatten, Gottes Moralgesetz zu kennen (2Mo 20,1ff.), werden für ihren Ungehorsam gerichtet werden, und zwar entsprechend ihrer beschränkten Erkenntnis (s. Anm. zu 1,19.20). durch das Gesetz verurteilt. Die Juden sowie viele Heiden, die Zugang zu Gottes Moralgesetz hatten, werden sich für ihre größere Erkenntnis verantworten müssen (vgl. Mt 11,20-23; Hebr 6,4-6; 10,26-31).
2,13 sollen gerechtfertigt werden. S. Anm. zu 3,24; vgl. Jak 2,20-26.
2,14 von Natur aus tun, was das Gesetz verlangt. Menschen aus heidnischen Kulturen haben in der Regel eine gewisse Wertschätzung für die grundlegendsten Lehren des Gesetzes Gottes, auch ohne dass sie das geschriebene Gesetz kennen, und sie versuchen diese Grundprinzipien zu praktizieren. Für solche Kulturen ist es normal, instinktiv (s. Anm. zu V. 15) Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Mitleid und Güte anderen gegenüber zu schätzen. Dadurch zeigen sie, dass das Gesetz Gottes in ihre Herzen geschrieben ist. sich selbst ein Gesetz. Dass sie einige gute Werke tun und einige böse Taten ablehnen, weist hin auf eine innere Kenntnis des Gesetzes Gottes. Diese Kenntnis wird am Tag des Gerichts gegen sie zeugen.
2,15 Werk des Gesetzes. Diesen Ausdruck versteht man wahr- scheinlich am besten als »dieselben Werke, die das mosaische Gesetz vorschreibt«. Gewissen. Wörtl. »Mit-Wissen«. Es ist das instinktive Gespür für Recht und Unrecht, das bei Zuwiderhandeln ein Schuldgefühl produziert. Zusätzlich zum inneren Bewusstsein über das Gesetz Gottes verfügen die Menschen über ein Warnsystem, das ausschlägt, wenn sie das Gesetz bewusst missachten oder dagegen verstoßen. Paulus fordert die Gläubigen auf, nicht gegen ihr eigenes Gewissen zu handeln oder andere zum Verstoß gegen ihr Gewissen zu verleiten (13,5; 1Kor 8,7.12; 10,25.29; 2Kor 5,11; vgl. 9,1; Apg 23,1; 24,16). Denn wiederholtes Unterdrücken der Stimme des Gewissens stumpft es ab und bringt es schließlich zum Schweigen (1Tim 4,2). S. 2Kor 1,12; 4,2.
2,16 an dem Tag. S. Anm. zu 2,5. das Verborgene. Das bezieht sich in erster Linie auf die Motive hinter den Werken der Menschen (1Chr 28,9; Ps 139,1-3; Jer 17,10; Mt 6,4.6.18; vgl. Lk 8,17; Hebr 4,12). durch Jesus Christus. S. Anm. zu Joh 5,23. meinem Evangelium. Nicht die persönliche Botschaft des Paulus, sondern die von Gott offenbarte Botschaft über Jesus Christus (s. Anm. zu 1,1). Sie ist eine »Gute Nachricht« im Licht der schlechten Nachricht vom Gericht.
2,17 Nachdem Paulus gezeigt hat, dass äußerlich moralische Menschen – Juden genau wie Heiden – von Gottes Gericht verurteilt werden, wendet er sich nun ausschließlich an die Juden, das Bundesvolk Gottes. Nichts kann sie vor Gottes gerechtem Gericht schützen: weder ihr Erbe (V. 17a) noch ihre Erkenntnis (V. 17b-24), noch ihre Zeremonien, nicht einmal die Beschneidung (V. 25-29). 2,17 Juden. Die Nachkommen Abrahams und Isaaks wurden vorher Hebräer und Israeliten genannt, doch im 1. Jhdt. war der Name »Juden« zur üblichsten Bezeichnung für sie geworden. »Jude« stammt von »Juda« (hebr. »Lobpreis«); das war einer der 12 Stämme und die Bezeichnung für die südliche Hälfte von Salomos Reich nach seinem Tod. Von der Zeit der babylonischen Gefangenschaft an trug das ganze Geschlecht diesen Namen. Ihr großes Erbe (vgl. 1Mo 12,3) war ihnen jedoch Anlass zu Stolz und Selbstgefälligkeit (vgl. Jon 4,2; Mi 3,11.12; Mt 3,7-9; Joh 8,31-34.4059). Das führte nicht zu »Lobpreis«, sondern stattdessen zu Gericht.
2,19 Leiter der Blinden … Erzieher der Unverständigen. Weil sie das Gesetz besaßen, hielten sich die Juden für geistlich überlegene Lehrer: Leiter für blinde Heiden (vgl. Mt 23,24-28), ein Licht (vgl. Jes 42,6), weise in den Wegen Gottes und imstande, Unmündige zu lehren (das bezieht sich wahrscheinlich auf heidnische Proselyten, die zum Judentum übergetreten waren).
2,21 Eine Reihe von Fragen, die den Kontrast herausstellen sollen zwischen der Praxis der Juden und ihrer Erkenntnis und Lehre (vgl. Ps 50,16-20; Mt 23,3.4; Jak 3,1).
2,22 du begehst Tempelraub? Das kann sich auf Beiseiteschaffen von Geldern beziehen, die an den Tempel gespendet wurden oder auf das Zurückhalten eines Teils der Tempelsteuer oder der Opfergaben (vgl. Mal 3,8-10). Wahrscheinlicher jedoch bezieht es sich auf die verbreitete Praxis, heidnische Tempel zu plündern, die Götzen und Gefäße zu verkaufen und so im Namen der Religion Profi t daraus zu schlagen (vgl. Apg 19,37).
2,24 wie geschrieben steht. Ein Zitat aus Jes 52,5.
2,25 Beschneidung. S. Anm. zu 1Mo 17,11. hat Wert. Als Gehor- samsakt und als Erinnerung an ihre Bundesbeziehung zu Gott (s. Anm. zu 1Mo 17,10-14). Unbeschnittenheit. Ein Jude, der ständig Gottes Gesetz übertritt, hat genauso wenig eine rettende Beziehung zu Gott wie ein unbeschnittener Heide. Ohne die entsprechende innere Realität war das äußere Symbol nichts.
2,26 als Beschneidung angerechnet. Gott wird den glaubenden Heiden mit derselben Gunst ansehen wie einen beschnittenen, glaubenden Juden.
2,27 Der demütige Gehorsam des Heiden gegenüber dem Gesetz sollte ein Tadel für den Juden sein, der trotz seiner großen Vorrechte im Ungehorsam lebt.
2,28 äußerlich. Das bezieht sich auf die leiblichen Nachkommen Abrahams, die nach der Vorschrift beschnitten waren (vgl. 9,6; Mt 3,9).
2,29 der ist ein Jude. Ein wahres Kind Gottes; der geistliche Sa- me Abrahams (s. 4,16; vgl. Gal 3,29). Beschneidung geschieht am Herzen. Der äußere Ritus hat nur dann einen Wert, wenn er die innere Realität eines Herzen widerspiegelt, das von Sünde weg und zu Gott hin abgesondert ist. Vgl. 5Mo 10,16; 30,6. Geist … Buchstaben. Errettung resultiert nicht aus äußerlichen Anstrengungen, das Gesetz zu erfüllen, sondern aus dem Wirken des Geistes Gottes am Herzen.
3,2 Aussprüche. Gr. logion, eine Verkleinerungsform des im NT üblichen Wortes logos, das normalerweise mit »Wort« übersetzt wird. Hier geht es um wichtige Aussagen oder Botschaften, insbesondere um übernatürliche Offenbarungen. Paulus bezieht sich mit diesem Wort auf das gesamte AT – die Juden empfi ngen die eigenen Worte des wahren Gottes (5Mo 4,1.2; 6,1.2; vgl. Mk 12,24; Lk 16,29; Joh 5,39). Der Besitz des AT war für die Juden ein großer Vorzug, denn es enthielt die Wahrheit der Errettung (2Tim 3,15) und die Grundelemente des Evangeliums (Gal 3,8). Als Paulus schrieb »verkündige das Wort« (2Tim 4,2), meinte er damit die »Aussprüche Gottes« (1Pt 4,11), die in der Heiligen Schrift aufgezeichnet sind.
3,3 Paulus hat eben gelehrt, Gott werde seine Verheißungen nicht an jedem leiblichen Nachkommen Abrahams erfüllen. Er wusste, dass jüdische Leser dieser Aussage widersprechen würden: Er erkläre damit die alttestamentlichen Verheißungen Gottes an die Juden für nichtig. Aber die Antwort des Apostels entspricht sowohl der ausdrücklichen als auch der impliziten Lehre des AT: Bevor ein Jude die Verheißungen erben kann – und sei er noch so rein in seiner Abstammung –, muss er Buße tun und glauben (vgl. 9,6.7; Jes 55,6.7). 3,3 die Treue Gottes. Gott wird alle Verheißungen erfüllen, die er dem Volk Israel gegeben hat, auch wenn einzelne Juden wegen ihres Unglaubens diese Verheißungen nicht erlangen.
3,4 jeder Mensch als Lügner. Auch wenn die ganze Menschheit sich einig wäre, Gott sei untreu und halte seine Verheißungen nicht, bewiese das nur, dass alle Menschen Lügner sind und Gott wahrhaftig ist (vgl. Tit 1,1). wie geschrieben steht. Ein Zitat aus Ps 51,6.
3,5 Paulus geht auf den vorausgeahnten Einwand ein, seine Lehre stelle die Heiligkeit und die Reinheit Gottes in Frage (s. Anm. zu 3,3.4). 3,5 Gottes Gerechtigkeit beweist. S. Anm. zu 1,17. Durch den Kontrast: wie ein Juwelier einen Diamanten auf schwarzem Samt präsentiert, um den Edelstein besser zur Geltung zu bringen. (Ich rede nach Menschenweise). Paulus gibt die schwache, unbliblische Logik seiner Gegner wieder, die das Produkt ihres natürlichen, nicht wiedergeborenen Denkens ist. 3,6 richten. Ein Hauptthema der Schrift (1Mo 18,25; Ps 50,6; 58,11; 94,2), Hier bezieht es sich wahrscheinlich auf den großen künftigen Gerichtstag (s. Anm. zu 2,5). Paulus will sagen, dass Gott keine gerechte Grundlage für das Gericht hätte, wenn er über Sünde hinwegsähe.
3,8 verleumdet. Die Gegner des Paulus verdrehten seine Botschaft von der Errettung allein aus Gnade und allein durch Glauben. Sie wendeten ein, dieses Evangelium biete nicht nur einen Freipass zum Sündigen, sondern es fordere geradezu zum Sündigen heraus (5,20; 6,1.2).
3,9 Paulus beendet seine Anklageschrift gegen die Menschheit mit der Zusammenfassung: Juden wie auch Griechen sind vor Gott schuldig (s. Anm. zu 1,18 – 3,20). 3,9 Haben wir etwas voraus? »Wir« bezieht sich wahrscheinlich auf die Christen in Rom, die diesen Brief empfi ngen. Christen haben keine bessere Natur als all jene, von denen Paulus gezeigt hat, dass sie unter Gottes Verdammungsurteil stehen. Griechen. S. Anm. zu 1,14. unter der Sünde. Von Sünde versklavt und beherrscht.
3,10 Paulus stellt eine Reihe von AT-Zitaten zusammen, die den verwerfl ichen Charakter (V. 10-12), die verwerfl iche Sprache (V. 13.14), und das verwerfl iche Verhalten (V. 15-17) aller Menschen herausstellen. Neun Mal verwendet er Wörter wie »keiner« und »alle« und zeigt so die Universalität der Sündhaftigkeit und Rebellion des Menschen. 3,10 Zitate aus Ps 14,1-3; 53,1-3. 3,10 wie geschrieben steht. Die übliche Einleitung von alttesta- mentlichen Zitaten (vgl. 1,17; 2,24; 3,4; Mt 4,4.6.7.10). Die Zeitform des gr. Verbs betont die Kontinuität und Fortdauer. Was geschrieben steht, hat göttliche Autorität. Es ist keiner gerecht. Der Mensch ist unumschränkt böse (vgl. Ps 14,1; s. Anm. zu 1,17).
3,11 keiner, der verständig ist. Der Mensch ist unfähig, die Wahrheit Gottes zu erfassen oder Gottes Maßstab für Gerechtigkeit zu begreifen (s. Ps 14,2; 53,3; vgl. 1Kor 2,14). Seine geistliche Blindheit beruht nicht auf mangelnder Möglichkeit (1,19.20; 2,15), sondern ist ein Ausdruck seiner Verdorbenheit und Rebellion (Eph 4,18). keiner … der nach Gott fragt. Besser übersetzt: keiner, der Gott sucht. S. Ps 14,2. Dieser Vers besagt eindeutig, dass die falschen Religionen dieser Welt die Versuche des gefallenen Menschen sind, dem wahren Gott zu entkommen, und nicht ihn zu suchen. Der Mensch neigt von Natur dazu, seine eigenen Interessen zu verfolgen (vgl. Phil 2,21), aber seine einzige Hoffnung ist, dass Gott ihn sucht (Joh 6,37.44). Wenn ein Mensch Gott sucht, beruht das einzig und allein darauf, dass Gott an seinem Herzen gewirkt hat (Ps 16,8; Mt 6,33).
3,12 abgewichen. S. Ps 14,3. Dieses Wort bedeutet eigentlich »sich in die falsche Richtung neigen«. Man konnte es für Soldaten verwenden, die in die falsche Richtung liefen oder desertierten. Alle Menschen drängt es, Gottes Weg zu verlassen und ihren eigenen Weg zu gehen (vgl. Jes 53,6). keiner, der Gutes tut. S. Anm. zu V. 10.
3,13 offenes Grab. S. Ps 5,9. Gräber versiegelte man nicht nur aus Achtung vor den Verstorbenen, sondern auch um den Anblick und den Geruch des verwesenden Leichnams zu verbergen. Wie ein unversiegeltes Grab den Vorübergehenden ermöglicht, den Grabinhalt zu sehen und zu riechen, so offenbart auch die offene Kehle des Unerretteten – d.h. seine verdorbene Sprache – den Moder seines Herzens (vgl. Spr 10,31.32; 15,2.28; Jer 17,9; Mt 12,34.35; 15,18; Jak 3,1-12). Otterngift. S. Ps 140,3; vgl. Mt 3,7; 12,34.
3,14 Fluchen. Ein Zitat aus Ps 10,7. Fluchen bedeutet, jemanden das Schlimmste zu wünschen und diesen Wunsch in verletzender Sprache offen auszudrücken. Bitterkeit. Der offene und öffentliche Ausdruck emotionaler Feindseligkeit gegenüber einem Gegner (vgl. Ps 64,3.4).
3,15 Ein Zitat aus Jes 59,7.8.
3,16 Verwüstung und Elend. Der Mensch beschädigt und zerstört alles, womit er in Berührung kommt und hinterlässt auf seinem Weg eine Spur von Schmerz und Leid.
3,17 Weg des Friedens. Nicht das fehlende Gefühl inneren Frie- dens, sondern der Hang des Menschen zu Streit und Zank, sei es zwischen Einzelpersonen oder Völkern (vgl. Jer 6,14).
3,18 Gottesfurcht. S. Ps 36,1. Der wahre geistliche Zustand des Menschen zeigt sich nirgends deutlicher als daran, dass er sich Gott nicht unterwirft und ihn nicht so verehrt, wie es ihm gebührt. Biblische Gottesfurcht ist 1.) eine Ehrfurcht vor seiner Größe und Herrlichkeit und 2.) eine Furcht vor den Folgen der Verstöße gegen seine Heiligkeit (s. Anm. zu Spr 1,7; vgl. Spr 9,10; 16,6; Apg 5,1-11; 1Kor 11,30).
3,19 denen, die unter dem Gesetz sind. Das ist jeder unerrette- te Mensch. Die Juden empfi ngen das geschriebene Gesetz durch Mose (3,2) und bei den Heiden sind die Werke des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben (2,15). So sind beide Gruppen vor Gott verantwortlich. jeder Mund verstopft … schuldig. Gegen Gottes Urteilsspruch, mit dem er die ganze Menschheit als schuldig erklärt, gibt es keine Verteidigung.
3,20 Werke des Gesetzes. Niemand schafft es, alles zu tun, was Gottes Moralgesetz verlangt. Damit ist jeder Mensch wegen seiner Unzulänglichkeit verfl ucht (s. Anm. zu Gal 3,10.13). gerechtfertigt. S. Anm. zu 3,24. durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Das Gesetz deckt Sünde auf, kann aber nicht erretten. S. Anm. zu 7,7.
3,21 – 5,21 Nachdem Paulus in nachvollziehbarer Weise bewiesen hat, dass alle Menschen sündig sind und Rechtfertigung brauchen (1,18 – 3,20), fährt er mit dem Thema fort, das er in 1,17 eingeleitet hatte: Gott hat in seiner Gnade eine Gerechtigkeit bereitgestellt, die von ihm kommt und die er allein auf Grundlage des Glaubens verleiht (3,21 – 5,21). 3,21 Jetzt aber. Das bezieht sich nicht auf einen Zeitpunkt, sondern auf einen Richtungswechsel im Gedankengang des Apostels. Nachdem er gezeigt hat, dass der Mensch aus eigener Anstrengung unmöglich Gerechtigkeit erlangen kann, beginnt Paulus nun mit dem Erklären der Gerechtigkeit, die Gott selbst bereitstellt. außerhalb vom Gesetz. Völlig ohne Gehorsam gegenüber irgendeinem Gesetz (4,15; Gal 2,16; 3,10.11; 5,1.2.6; Eph 2,8.9; vgl. Phil 3,9; 2Tim 1,9; Tit 3,5). Gerechtigkeit. S. Anm. zu 1,17. Diese Gerechtigkeit ist einzigartig: 1.) Ihre Quelle ist Gott (Jes 45,8). 2.) Sie leistet Genüge sowohl der erforderten Strafe als auch den Vorschriften des Gesetzes. Christi Tod zahlt stellvertretend die Strafe, die den Übertretern des Gesetzes Gottes rechtmäßig auferlegt ist. Und sein vollkommener Gehorsam gegenüber allen Anforderungen des Gesetzes erfüllt Gottes Forderung unumschränkter Gerechtigkeit (2Kor 5,21; 1Pt 2,24; vgl. Hebr 9,28). 3.) Weil Gottes Gerechtigkeit ewig ist (Ps 119,142; Jes 51,8; Dan 9,24), wird der einmal Gerechtfertigte diese Gerechtigkeit nie wieder verlieren. von dem Gesetz und den Propheten bezeugt. S. Anm. zu 1,2.
3,22 durch den Glauben … allen … die glauben. S. Anm. zu 1,16. 3,22 kein Unterschied … die Herrlichkeit Gottes. Eine einge- fügte Anmerkung, die erklärt, dass Gott seine Gerechtigkeit allen verleihen kann, die glauben, seien es Juden oder Heiden, weil alle Menschen ohne Ausnahme kläglich scheitern und dem Maßstab Gottes nie genügen.
3,23 alle haben gesündigt. Diese Anklage hat Paulus bereits nach- gewiesen (1,18 – 3,20).
3,24 gerechtfertigt. Dieses Verb und verwandte Wörter, die von derselben gr. Wurzel abstammen (z.B. Rechtfertigung), kommen etwa 30-mal im Römerbrief vor, dabei besonders häufi g im Abschnitt
2,13 sollen gerechtfertigt werden. S. Anm. zu 3,24; vgl. Jak 2,20-26. 2,13 – 5,1. Dieser juristische bzw. gerichtliche Ausdruck stammt vom gr. Wort für »gerecht« und bedeutet »als gerecht erklären«. Dieser rechtfertigende Urteilsspruch beinhaltet: Vergebung der Sündenschuld und -strafe und das Zurechnen bzw. Verleihen der Gerechtigkeit Christi zugunsten des Gläubigen. Dadurch erhält der Mensch die positive Gerechtigkeit, die er braucht, um von Gott angenommen zu werden. Gott erklärt einen Sünder allein auf der Grundlage der Verdienste von Christi Gerechtigkeit als gerecht. Die Sünden des Gläubigen rechnete Gott Christus an, als er den Opfertod am Kreuz starb (Jes 53,4.5; 1Pt 2,24) und er rechnet Jesu vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Gesetz dem gläubigen Christen an (vgl. 5,19; 1Kor 1,30; s. Anm. zu 2Kor 5,21; Phil 3,9). Der Sünder empfängt dieses Geschenk der Gnade Gottes allein durch Glauben (3,22.25; s. Anm. zu 4,1-25). Heiligung ist hingegen das Werk Gottes, durch das er den bereits Gerechtfertigten gerecht macht; sie ist etwas anderes als die Rechtfertigung, folgt aber ohne Ausnahme darauf (8,30). ohne Verdienst … durch seine Gnade. Rechtfertigung ist ein Geschenk der Gnade Gottes, das er allen bußfertigen, glaubenden Sündern zuteilt. Das geschieht völlig ohne jedes Zutun menschlicher Verdienste oder Werke (s. Anm. zu 1,5). Erlösung. Dieser bildhafte gr. Ausdruck stammt vom Sklavenmarkt der Antike. Es bedeutet die Zahlung des erforderlichen Kaufpreises für den Sklaven oder Gefangenen, durch den dieser frei wird. Die einzige ausreichende Zahlung, um Sünder von der Sklaverei der Sünde und der verdienten Strafe loszukaufen, geschah »in Christus Jesus« (1Tim 2,6; 1Pt 1,18.19). Sie wurde an Gott gezahlt und hat so seiner Gerechtigkeit Genüge geleistet.
3,25 Ihn hat Gott … verordnet. Besser übersetzt: Ihn hat Gott … dargestellt. Dieses großartige Opfer geschah nicht im Geheimen, sondern Gott hat seinen Sohn auf Golgatha öffentlich für alle sichtbar dargestellt. zum Sühnopfer. Dieser Begriff (auch »Sühne«, »Sühnopfer«, »Sühnedeckel«) ist von entscheidender Bedeutung für das Opfer Christi. Es vermittelt den Gedanken der Genugtuung oder Befriedigung. Hier bedeutet es, dass Jesu Opfertod die angegriffene Heiligkeit sühnte und den Zorn Gottes stillte, der sich gegen die richtete, für die Christus starb (Jes 53,11; Kol 2,11-14). Das entsprechende hebr. Wort bezeichnete den sog. Gnadenstuhl, das ist der Deckel der Bundeslade (Sühnedeckel). Am Großen Versöhnungstag sprengte der Hohepriester das Blut des geschlachteten Tieres auf diesen Sühnedeckel und erwirkte so Sühnung für die Sünden des Volkes. In heidnischen Religionen ist nicht der Gott bzw. Götze dafür zuständig, den Zorn der verletzten Gottheit zu stillen, sondern der Opfernde bzw. Anbeter. Doch in Wirklichkeit kann der Mensch ohne Christus Gottes Gerechtigkeit nicht Genüge leisten, außer dadurch, dass er die Ewigkeit in der Hölle verbringt. Vgl. 1Joh 2,2. durch den Glauben. S. Anm. zu 1,16. die Sünden ungestraft ließ. Das bedeutet weder Gleichgültigkeit noch Vergebung. Gottes Gerechtigkeit fordert, dass jede Sünde und jeder Sünder bestraft wird. Gott hätte gerecht gehandelt, wenn er Adam und Eva nach ihrer ersten Sünde vernichtet hätte und mit ihnen die ganze Menschheit. Doch in seiner Güte und Nachsicht (s. 2,4) hielt er sein Gericht eine bestimmte Zeit lang zurück (vgl. Ps 78,38.39; Apg 17,30.31; 2Pt 3,9).
3,26 Zurückhaltung. S. Anm. zu 2,4. um seine Gerechtigkeit … zu erweisen. Durch die Fleischwerdung, das sündlose Leben und den stellvertretenden Tod Christi. gerecht sei und … rechtfertige. In der Weisheit seines Ratschlusses konnte Gott Jesus anstelle von Sündern strafen und dadurch die Schuldigen rechtfertigen, ohne seine Gerechtigkeit zu kompromittieren.
3,27 Wo bleibt nun das Rühmen? Vgl. 4,1.2; 1Kor 1,26-29.
3,28 durch den Glauben gerechtfertigt. S. Anm. zu V. 24. Das Wort »allein« kommt zwar im gr. Text nicht vor, aber »allein durch den Glauben« ist genau das, was Paulus meint (vgl. 4,3-5; s. Anm. zu Jak 2,24). Werke des Gesetzes. S. Anm. zu V. 20. 3,29 Gott … auch der Heiden. Es gibt nur einen wahren Gott (vgl. 1Kor 8,5.6). 3,31 Paulus wusste, dass man ihm des Antinomismus (der Ablehnung jeglichen Gesetzes) beschuldigen würde, wenn er lehrte, dass der Mensch ohne Einhalten des Gesetzes gerechtfertigt wird. Deshalb leitet er hier die Verteidigung ein, die er später in den Kap. 6-7 weiterführen wird. durch den Glauben … bestätigen wir das Gesetz. Errettung aus Gnade durch Glauben schwächt das Gesetz nicht herab, sondern unterstreicht seine wahre Bedeutung: 1.) Sie beinhaltet die Bezahlung der geforderten Strafe, die das Gesetz für Übertretung fordert, nämlich den Tod; 2.) sie erfüllt den ursprünglichen Zweck des Gesetzes: Als Lehrer zeigt das Gesetz dem Menschen seine völlige Unfähigkeit, Gottes gerechten Forderungen Folge zu leisten und treibt den Menschen somit zu Christus (Gal 3,24); und 3.) sie verleiht den Gläubigen die Fähigkeit, dem Gesetz zu gehorchen (8,3.4).
4,1 Abraham, unser Vater. Um die Rechtfertigung allein durch Glauben zu beweisen, verweist Paulus auf das Vorbild Abrahams, denn die Juden sahen in Abraham das vornehmste Beispiel eines Gerechten (Joh 8,39). Dieses Beispiel zeigt eindeutig, dass das Judentum mit seiner Werkgerechtigkeit vom Glauben des Patriarchen und Vorvaters der Juden abgewichen war. In einem geistlichen Sinne war Abraham auch der Vorfahr der vorwiegend heidenchristlichen Gemeinde in Rom (s. Anm. zu 1,13; 4,11.16; vgl. Gal 3,6.7).
4,2 aus Werken gerechtfertigt. Als gerecht erklärt auf Grundlage menschlicher Anstrengungen (s. Anm. zu 3,24). Ruhm. Wären Abrahams eigene Werke die Grundlage seiner Rechtfertigung gewesen, dann hätte er sich mit Recht vor Gott rühmen können. Deshalb ist die hypothetische Annahme aus V. 2 undenkbar (Eph 2,8.9; 1Kor 1,29).
4,3 Ein Zitat aus 1Mo 15,6 und eine der deutlichsten Aussagen der Bibel über Rechtfertigung (s. Anm. zu 3,24). glaubte. Abraham war ein Mann des Glaubens (s. Anm. zu 1,16; vgl. 4,18-21; Gal 3,6.7.9; Hebr 11,8-10). Doch Glaube ist kein verdienstliches Werk. Er ist niemals die Grundlage für die Rechtfertigung, sondern lediglich der Kanal, über den sie empfangen wird. Auch der Glaube ist eine Gabe von Gott. S. Anm. zu Eph 2,8. Gerechtigkeit. S. Anm. zu 1,17; 3,21. angerechnet. Vgl. V. 5.9.10.22. Kann auch übersetzt werden mit »zugeschrieben« (V. 6.8.11.23.24). Dieses gr. Wort kommt allein 9-mal in Kap. 4 vor. Es wird sowohl in fi nanziellem als auch juristischem Zusammenhang verwendet und bedeutet, etwas zu nehmen, was jemandem gehört und es einem anderen zugestehen und diesen als Besitzer ansehen. Es beschreibt eine einseitige Transaktion – Abraham hat nichts dafür getan, um die Rechtfertigung zu erlangen; Gott hat sie ihm ohne Verdienst angerechnet. Gott nahm seine eigene Gerechtigkeit und rechnete sie Abraham so zu, als ob sie dem Patriarchen tatsächlich zueigen gewesen sei. Das tat Gott, weil Abraham an ihn glaubte (s. Anm. zu 1Mo 15,6).
4,4 Paulus weitet seine Argumentation nun von Abraham auf alle Menschen aus und verdeutlicht damit, dass der juristische Akt Gottes, einen Menschen als gerecht zu erklären, absolut nichts mit irgendwelchen menschlichen Werken zu tun hat. Wenn die Errettung auf der Grundlage eigener Leistung beruhte, dann wäre Gott schuldig, Errettung zu gewähren. Aber die Errettung ist immer eine souverän erteilte Gabe der Gnade Gottes (3,24; Eph 2,8.9), die er niemandem schuldet, aber denen gibt, die glauben (vgl. 1,16). Da Glaube im Gegensatz zu Werken steht, muss Glaube das Ende jeglicher Versuche bedeuten, Gottes Gunst durch persönliche Verdienste zu erwerben.
4,5 der den Gottlosen rechtfertigt. Nur diejenigen, die jeden Anspruch auf einen guten Charakter aufgeben und ihre Gottlosigkeit anerkennen, sind Kandidaten für die Rechtfertigung (vgl. Lk 5,32). angerechnet. S. Anm. zu V. 3.
4,6 Um seine Argumentation zu belegen, zieht Paulus Ps 32,1.2 heran. Das ist ein Bußpsalm Davids, den der König nach seinem Ehebruch mit Batseba und der Ermordung ihres Gatten schrieb (2Sam 11). Trotz der ungeheuren Schwere seiner Sünde und obwohl er kein persönliches Verdienst vorweisen konnte, erfuhr David den Segen der zugeschriebenen oder angerechneten Gerechtigkeit.
4,9 Paulus ahnte voraus, was seine jüdischen Leser denken wür- den: Wenn Abraham allein durch seinen Glauben gerechtfertigt wurde, warum hat Gott dann ihm und seinen Nachkommen die Beschneidung vorgeschrieben? Mit seiner Antwort widerlegt Paulus hier nicht nur die Einwände der Beschneidungsverfechter, sondern auch von Millionen anderer, die immer noch an irgendwelchen religiösen Ritualen oder Leistungen als Grundlage ihrer Gerechtigkeit festhalten. S. Anm. zu 1Mo 15,6. 4,9 Beschnittenen. Das sind die Juden (s. Anm. zu 1Mo 17,10-14; vgl. Apg 15,19-29; Röm 2,25-29; 4,11; Gal 5,1-4; 6,12; Phil 3,2-5). Unbeschnittenen. Das sind alle Heiden (s. Anm. zu 2,25-29).
4,10 Nicht als er beschnitten, sondern als er noch unbeschnit- ten war. Die Reihenfolge des Geschehens in 1. Mose beweist die Richtigkeit des Arguments. Abraham war 86 Jahre alt, als Ismael geboren wurde (1Mo 16,16), und erst mit 99 Jahren wurde er beschnitten. Doch Gott hatte ihn bereits als gerecht erklärt, noch bevor Ismael überhaupt empfangen wurde (1Mo 15,6; 16,2-4). Das sind mindestens 14 Jahre vor Abrahams Beschneidung.
4,11 ein Vater aller Gläubigen. Ethnisch gesehen ist Abraham der Vater aller Juden (der Beschnittenen); geistlich gesehen ist er der Vater sowohl der gläubigen Juden (V. 12) als auch der gläubigen Heiden (der Unbeschnittenen; V. 11). Vgl. 4,16; Gal 3,29. 4,11 Zeichen. Ein Hinweis darauf, dass der Mensch geistlich gerei- nigt werden muss (vgl. 2,28.29; Jer 4,3.4; 9,24-26) und ein Zeichen für die Bundesbeziehung zwischen Gott und seinem Volk (s. Anm. zu 1Mo 17,11). Siegel. Ein äußeres Zeichen für die Gerechtigkeit, die Gott ihm wegen seines Glauben zugerechnet hatte.
4,13 Genauso wenig wie Abraham durch das Ritual der Beschnei- dung gerechtfertigt wurde (V. 9-12), wurde er durch das Halten des mosaischen Gesetzes gerechtfertigt (V. 13-15). 4,13 nicht durch das Gesetz. D.h. nicht als Resultat des Haltens des Gesetzes. Verheißung, dass er Erbe der Welt sein solle. Ein Hinweis auf Christus und damit auf das Herz des Bundes, den Gott mit Abraham und seinen Nachkommen schloss (s. Anm. zu 1Mo 12,3; 15,5; 18,18; 22,18). Das letztendliche Ziel dieses Bundes war, dass durch den Samen Abrahams die ganze Welt gesegnet werden sollte (1Mo 12,3). Paulus sagt ausdrücklich, dass mit »dem Samen« Christus gemeint ist und dass diese Verheißung tatsächlich eine Ankündigung des Evangeliums ist (Gal 3,8.16; vgl. Joh 8,56). Alle Gläubigen werden, weil sie in Christus sind, Erben dieser Verheißung (Gal 3,29; vgl. 1Kor 3,21-23). Gerechtigkeit des Glaubens. Die Gerechtigkeit, die durch Glauben von Gott empfangen wird (s. Anm. zu 1,17).
4,14 die vom Gesetz. Wenn nur diejenigen die Verheißung empfan- gen, die das Gesetz vollkommen halten – was unmöglich ist – dann wäre Glaube wertlos. die Verheißung unwirksam gemacht. Eine Verheißung, die als Voraussetzung eine unmöglich zu erfüllende Bedingung hat, ist unnütz und dasselbe wie gar keine Verheißung (s. Anm. zu V. 13).
4,15 Das Gesetz bewirkt Zorn. Dadurch, dass es die Sünde des Menschen aufdeckt (vgl. 7,7-11; Gal 3,19.24). 4,16 aus Glauben. Rechtfertigung geschieht allein durch Glauben (s. Anm. zu 1,16.17 und 3,24). aufgrund von Gnade. Doch die Kraft der Rechtfertigung ist nicht der Glaube des Menschen, sondern die Gnade Gottes (s. Anm. zu 1,5). Verheißung. S. Anm. zu V. 13. demjenigen aus dem Gesetz. Das sind gläubige Juden. dem aus dem Glauben Abrahams. Das sind die gläubigen Heiden. unser aller Vater. S. Anm. zu V. 11.
4,17 wie geschrieben steht. Ein Zitat aus 1Mo 17,5. der die Toten lebendig macht. Abraham hatte dies selber erfahren (Hebr 11,11.12; vgl. Röm 4,19). ruft, was nicht ist, als wäre es da. Ein weiterer Hinweis auf die juristische Natur der Rechtfertigung. Gott kann glaubende Sünder als gerecht erklären, obwohl sie nicht gerecht sind, indem er ihnen seine Gerechtigkeit zurechnet. In gleicher Weise hat er Jesus »Sünden« zugerechnet und ihn bestraft, obwohl er kein Sünder war. Wen er rechtfertigt, den wird er dem Bild seines Sohnes gleichgestalten (8,29.30).
4,18 Nachdem Paulus gezeigt hat, dass Rechtfertigung durch Glauben geschieht und nicht durch Werke (V. 1-8) und dass sie aus Gnade geschenkt wird und nicht als Lohn für das Halten des Gesetzes (V. 9-17), zieht er nun die Schlussfolgerung und zeigt, dass die Rechtfertigung ein Werk der Macht Gottes und nicht ein Werk menschlicher Anstrengung ist (V. 18-25). 4,18 wo nichts zu hoffen war. Aus menschlicher Sicht schien es unmöglich (vgl. V. 19). Vgl. 1Mo 17,5. gemäß der Zusage. Ein Zitat aus 1Mo 15,5.
4,19 schwach im Glauben. Wenn Zweifel das persönliche Vertrau- en auf Gottes Wort beeinträchtigt. den erstorbenen Mutterleib der Sara. Sie war nur 10 Jahre jünger als Abraham (1Mo 17,17), also 90 Jahre alt (weit über das gebärfähige Alter hinaus), als sie die Verheißung des Isaak empfi ng. 4,20 Verheißung. Die Verheißung der Geburt eines Sohnes (1Mo 15,4; 17,16; 18,10). indem er Gott die Ehre gab. Wenn man Gott glaubt, bestätig man seine Existenz und seinen Charakter und gibt ihm somit Ehre (vgl. Hebr 11,6; 1Joh 5,10). 4,22 Darum. Wegen seines Glaubens (s. 1Mo 15,6).
4,23 nicht allein um seinetwillen. Jede Schriftstelle hat eine allge- meine Anwendung (vgl. 15,4; 2Tim 3,16.17) und Abrahams Erfahrung ist keine Ausnahme. Wenn Abraham durch Glauben gerechtfertigt wurde, dann werden alle anderen auf derselben Grundlage gerechtfertigt. 4,25 Eine freie Wiedergabe von Jes 53,12 nach der LXX (die gr. Übersetzung des AT). Möglicherweise hat Paulus diese Worte von einem frühen christlichen Glaubensbekenntnis oder einem Lied übernommen bzw. zitiert. dahingegeben. D.h. gekreuzigt. zu unserer Rechtfertigung. Die Auferstehung beweist, dass Gott das Opfer seines Sohnes angenommen hat und somit gleichzeitig gerecht sein und doch den Gottlosen rechtfertigen kann.
5,1 Paulus bringt hier seine These, dass Gott Sünder allein auf der Grundlage des Glaubens rechtfertigt, zum Abschluss. Im Folgenden korrigiert er die falsche Vorstellung, dass Gläubige die Errettung zwar durch Glauben erlangen, sie aber durch Werke bewahren. Er erklärt, dass sie ewig mit Jesus Christus verbunden sind und nicht durch menschliche Bemühungen bewahrt werden, sondern durch die Macht Jesu Christi (vgl. Jes 11,5; Ps 36,5; Kla 3,23; Eph 1,18-20; 2Tim 2,13; Hebr 10,23). Die Anzeichen für diese ewige Verbindung sind für den Christen: 1.) sein Frieden mit Gott (V. 1), 2.) seine Stellung in Gnade (V. 2a); 3.) seine Hoffnung der Herrlichkeit (V. 2b-5a), 4.) sein Empfangen der Liebe Gottes (V. 5b-8), 5.) seine gewisse Verschonung vor dem Zorn Gottes (V. 9.10) und 6.) seine Freude im Herrn (V. 11). 5,1 Da wir nun … gerechtfertigt sind. Die gr. Satzkonstruktion betont, dass Rechtfertigung eine einmalige juristische Erklärung mit dauerhaften Folgen ist (s. Anm. zu 3,24). Es ist kein fortdauernder Prozess. Frieden mit Gott. Das ist kein subjektives, inneres Gefühl der Ruhe und Gelassenheit, sondern eine äußere, objektive Realität. Gott hat erklärt, dass er sich mit jedem Menschen im Kriegszustand befi ndet, weil der Mensch in sündiger Rebellion gegen ihn und gegen seine Gebote lebt (V. 10; vgl. 1,18; 8,7; 2Mo 22,24; 5Mo 32,21.22; Ps 7,11; Joh 3,36; Eph 5,6). Doch das erste bedeutende Ergebnis der Rechtfertigung ist, dass die Feindschaft des Sünders gegen Gott für immer beendet ist (Kol 1,21.22). Die Bibel bezeichnet dieses Ende des Konfl ikts als persönliche Versöhnung mit Gott (V. 10.11; 2Kor 5,18-20).
5,2 Zugang. Dieser Begriff kommt nur an zwei weiteren Stellen im NT vor (Eph 2,18; 3,12). Er bezieht sich immer auf den Zugang des Gläubigen zu Gott durch Jesus Christus. Was für den Juden des AT undenkbar war (vgl. 2Mo 19,9.20.21; 28,35), steht nun allen offen, die zu Christus kommen (Jer 32,38.40; Hebr 4,16; 10,19-22; vgl. Mt 27,51). stehen. Die dauerhafte, sichere Stellung des Gläubigen in der Gnade Gottes (vgl. V. 10; 8,31-34; Joh 6,37; Phil 1,6; 2Tim 1,12; Jud 24). Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch beinhaltet der neutestamentliche Gebrauch des Wortes keinerlei Ungewissheit; es spricht von etwas als gesichert Feststehendem, das nur noch nicht verwirklicht ist. Die endgültige Bestimmung des Gläubigen ist es, an der Herrlichkeit Gottes teilzuhaben (8,29.30; Joh 17,22; 2Kor 3,18; Phil 3,20.21; 1Joh 3,1.2) und diese Hoffnung wird Wirklichkeit werden, weil Christus selbst sich dafür verbürgt (1Tim 1,1). Ohne die deutlichen und feststehenden Verheißungen des Wortes Gottes hätte der Gläubige keine Grundlage für eine Hoffnung (15,4; Ps 119,81.114; Eph 2,12; vgl. Jer 14,8).
5,3 Bedrängnis. Dieses Wort bezeichnet Druck wie z.B. den Druck einer Presse, die aus Oliven die Flüssigkeit herauspresst. Hier geht es nicht um den üblichen Druck des Alltagslebens (vgl. 8,35), sondern um die unausweichlichen Drangsale der Nachfolger Jesu, die sie wegen ihrer Beziehung zu ihm erleiden (Mt 5,10-12; Joh 15,20; 2Kor 4,17; 1Th 3,3; 2Tim 3,12; 1Pt 4,19). Solche Schwierigkeiten bringen reichen geistlichen Gewinn (V. 3.4). Standhaftigkeit. Wird auch mit »Geduld« übersetzt. Es bedeutet Ausdauer und die Fähigkeit, unter Belastung standzuhalten (15,5; Kol 1,22.23; 2Th 1,4; Offb 14,12).
5,4 Bewährung. Eine bessere Übersetzung wäre: »bewährter Cha- rakter«. Das gr. Wort bedeutet einfach »Beweis«. Es bezeichnete die Prüfung von Metallen auf ihre Reinheit. Hier ist es die Prüfung des christlichen Charakters (vgl. Jak 1,12). Christen können sich in den Drangsalen rühmen, weil diese Drangsale segensreiche Folgen haben.
5,5 die Liebe Gottes ist ausgegossen. Gott hat seine Liebe zu uns (vgl. V. 8) reichlich ausgegossen, und zwar in einem solchen Maß, dass unsere Herzen davon überfl ießen. Nach den objektiven Aspekten unserer Sicherheit in Christus wendet Paulus sich nun den inneren und mehr subjektiven zu. Mit unserer Liebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat (1Kor 16,22; vgl. Gal 5,22; Eph 3,14-19; 1Joh 4,7-10), hat Gott in unseren Herzen den Erweis hineingelegt, dass wir ihm gehören. durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist. Ein wunderbares Zeugnis der Liebe Gottes zu uns (8,9.14.16.17; Joh 7,38.39; 1Kor 6,19.20; 12,13; Eph 1,18).
5,6 kraftlos. Wörtl. »hilfl os«. Sünder sind geistlich tot und unfähig, irgendetwas zu ihrer eigenen Rettung zu tun (Joh 6,44; Eph 2,1). zur bestimmten Zeit. Zum von Gott erwählten Zeitpunkt (vgl. Gal 4,4). Christus ist … für Gottlose gestorben. Gottes Liebe zu den Seinen ist unerschütterlich, weil sie sich nicht auf unsere Liebenswürdigkeit gründet, sondern auf die Beständigkeit seines Charakters. Gottes größte Liebestat geschah, als wir in einem höchst unliebenswürdigen Zustand waren (vgl. Mt 5,46).
5,7 Gerechten … Wohltäter. So ungewöhnlich ein solches Opfer auch wäre, will Paulus hier lediglich sagen, dass wir weder Gerechte noch Wohltäter waren. Dennoch gab Christus sich für uns als Opfer hin.
5,9 Wie viel mehr. Was Paulus nun sagt, ist sogar noch erstaunli- cher und wunderbarer. durch sein Blut. Durch seinen gewaltsamen, stellvertretenden Tod. Wenn vom Blut des Heilands die Rede ist, soll uns klargemacht werden, dass er bei seinem Tod Blut vergossen hat (das war notwendig, um die Vorbilder der Opfer des AT zu erfüllen). Mit dem Begriff »Blut« ist aber nicht allein die Körperfl üssigkeit gemeint. Die Schreiber des NT verwenden dieses Wort als anschauliche Umschreibung für einen gewaltsamen Tod (s. Mt 23,30.35; 27,4-8.24.25; Joh 6,53-56; Apg 5,28; 20,26). Das Blut spricht zudem von seinem Tod und seinem gesamten Sühnewerk (vgl. 3,25; Eph 1,7; 2,13; Kol 1,14.20; Hebr 9,12; 10,19; 13,12; 1Pt 1,2.19; 1Joh 1,7; Offb 1,5). gerechtfertigt. S. Anm. zu 3,24. Zorn. S. Anm. zu 1,18. Christus trug die volle Gewalt des Zornes Gottes an der Stelle des Sünders. Für den Sünder bleibt kein weiterer Zorn übrig (s. 8,1; 1Th 1,10; 5,9).
5,10 gerettet durch sein Leben. Als wir Feinde Gottes waren, konnte Christus uns durch seinen Tod mit Gott versöhnen. Da wir nun Kinder Gottes sind, kann der Retter uns erst recht durch seine lebendige Macht bewahren.
5,11 Versöhnung. Zwischen Gott und Sündern. S. Anm. zu 2Kor 5,18-20.
5,12 In einem der rätselhaftesten Abschnitte der Bibel erklärt Paulus, wie der Tod eines einzelnen Menschen Rettung für viele bieten kann. Um seine Aussage zu beweisen, verweist er auf Adam und verdeutlicht somit die prinzipielle Möglichkeit, dass die Tat eines einzelnen Menschen unaufhaltsame Konsequenzen für viele andere hat. 5,12 gleich wie … Sünde in die Welt gekommen. Nicht eine bestimmte einzelne Sünde kam in die Welt, sondern die innewohnende Neigung zum Sündigen. So wurde der Mensch von Natur aus zum Sünder. Aufgrund seines ersten Ungehorsams vererbte Adam diese innere sündige Natur an alle seine Nachkommen. Diese Natur ist vom Augenblick der Empfängnis an gegenwärtig (Ps 51,5) und macht es dem Menschen somit unmöglich, auf Gott wohlgefällige Weise zu leben. Satan, der Vater der Sünde (1Joh 3,8), trat zuerst mit Versuchung an Adam und Eva heran (1Mo 3,1-7). durch einen Menschen. Als Adam sündigte, sündigte mit ihm die gesamte Menschheit in seinen Lenden (V. 18; vgl. Hebr 7,7-10). Da seine Sünde seine innere Natur umformte und zu geistlichem Tod und Verdorbenheit führte, würde diese sündige Natur auch an seine Nachkommenschaft durch Zeugung weitergereicht (Ps 51,5). Tod. Ursprünglich war Adam nicht dem Tod unterworfen, aber durch seine Sünde wurde der Tod eine bittere Gewissheit für ihn und seine Nachkommen. Der Tod hat 3 verschiedene Erscheinungsformen: 1.) der geistliche Tod bzw. die Trennung von Gott (vgl. Eph 1,1, 2; 4,18), 2. der körperliche Tod (Hebr 9,27) und 3.) der ewige Tod (auch »zweiter Tod« genannt), der nicht nur die ewige Trennung von Gott bedeutet, sondern auch die ewige Qual im Feuersee (Offb 20,11-15). weil sie alle gesündigt haben. Weil in den Lenden Adams bereits die gesamte Menschheit existierte, die durch Vererbung seinen gefallenen Zustand und seine Verdorbenheit übernahm, kann man sagen, dass in Adam alle gesündigt haben. Daher sind die Menschen nicht Sünder, weil sie sündigen, sondern vielmehr sündigen sie, weil sie Sünder sind.
5,13 wo aber kein Gesetz ist. Das ist die Zeit von Adam bis Mose, als Gott das mosaische Gesetz noch nicht gegeben hatte. wird die Sünde nicht in Rechnung gestellt. S. Anm. zu Apg 17,3; 2Kor 5,19. Zwar wurden alle Menschen als Sünder angesehen (V. 12), da jedoch keine ausdrückliche Liste von Geboten vorlag, wurden ihnen ihre jeweiligen Übertretungen nicht strikt angerechnet.
5,14 Dennoch herrschte der Tod. Doch auch ohne das Gesetz war der Tod eine allumfassende Realität. Von Adam bis Mose waren alle Menschen dem Tod unterworfen. Grund dafür waren nicht ihre sündigen Verstöße gegen das mosaische Gesetz (das sie noch nicht hatten), sondern ihre ererbte sündige Natur. nicht … gesündigt hatten wie Adam. Das sind jene, die über keine besondere Offenbarung verfügten, wie Adam sie hatte (1Mo 2,16.17) oder jene, die das mosaische Gesetz hatten (vgl. V. 13), aber dennoch gegen die Heiligkeit Gottes sündigten, d.h. diejenigen, die »ohne Gesetz gesündigt haben« (2,12). ein Vorbild dessen, der kommen sollte. Adam und Christus ist gemeinsam, dass ihre Tat Auswirkungen für viele andere hat. Mit diesem Ausdruck leitet Paulus seine Erörterung von der Vererbung der Sünde Adams über zum Thema der Anrechnung der Gerechtigkeit Christi.
5,15 In diesem Abschnitt untersucht Paulus die Gegensätze zwi- schen der Verdammung bewirkenden Tat Adams und dem Erlösungswerk Christi. Sie unterscheiden sich in ihrem Wirkungsgrad (V. 15), ihrem Ausmaß (V. 16), ihren Auswirkungen (V. 17), ihrem Wesen (V. 18.19) und ihrer Macht (V. 20.21). 5,15 die Vielen gestorben sind. Paulus verwendet das Wort »vie- le« in V. 15 mit zwei verschiedenen Bedeutungen, genau wie das Wort »alle« in V. 18. Er hat bereits gezeigt, dass alle Menschen ausnahmslos die Sündenschuld tragen und deshalb dem Tod unterworfen sind (s. Anm. zu V. 12). Somit muss sich »die Vielen«, die sterben, auf alle Nachkommen Adams beziehen. wie viel mehr. Die eine Erlösungstat Christi war unermesslich größer als die eine Verdammungstat Adams.
5,16 Geschenk. Die Errettung aus Gnade. das Urteil aus der ei- nen Übertretung. S. Anm. zu 5,12. Verurteilung. Der Urteilsspruch Gottes; das Gegenteil von Rechtfertigung. viele Übertretungen. Adam brachte mit nur einer einzigen Übertretung die Verdammnis über alle Menschen, mit seiner willentlichen Tat des Ungehorsams. Christus befreit jedoch die Erwählten von der Verurteilung vieler Übertretungen. Rechtfertigung. S. Anm. zu 3,24.
5,17 der Tod zur Herrschaft kam. Adams Sünde zog für alle den Tod nach sich. Das ist genau das Gegenteil dessen, was er erwartete und was Satan versprochen hatte: »Ihr werdet sein wie Gott« (1Mo 3,5). Christi Opfer brachte Errettung für alle, die glauben. Geschenk der Gerechtigkeit. S. Anm. zu 1,17 und 3,24; s.a. 2Kor 5,21; Phil 3,8.9. im Leben herrschen. Im Gegensatz zu Adams Tat hat Christi Werk genau das erreicht, was er beabsichtigte (vgl. Phil 1,6), d.h. geistliches Leben bewirkt (vgl. Eph 2,5).
5,18 Die Zusammenfassung des Vergleichs zwischen Adam und Christus. 5,18 Verurteilung. S. Anm. zu V. 16. die Gerechtigkeit des Ei- nen. Damit ist kein einzelnes Ereignis gemeint, sondern allgemein der Gehorsam Jesu (vgl. V. 19; Lk 2,49; Joh 4,34; 5,30; 6,38), der im Tod am Kreuz als höchsten Erweis dieses Gehorsams gipfelte (Phil 2,8). für alle Menschen. Das kann nicht bedeuten, dass alle Menschen errettet werden, denn errettet werden nur die, die an Jesus Christus glauben (vgl. 1,16.17; 3,22.28; 4,5.13). Vielmehr verwendet Paulus wie beim Wort »viele« in V. 15 hier »alle« mit zwei verschiedenen Bedeutungen, um so eine Parallele zu zeigen, eine im hebr. AT übliche Praxis.
5,19 zu Gerechten gemacht. Dieser Ausdruck bezieht sich wahr- scheinlich nicht auf die Veränderung des Charakters, sondern auf die persönliche rechtliche Stellung vor Gott. Das liegt nahe, weil Paulus in diesem gesamten Abschnitt die Rechtfertigung der Verdammnis gegenübergestellt und die Lehre der Heiligung noch nicht eingeführt hat. In den Kap. 6-8 behandelt er dieses Thema der Umgestaltung des Sünders, die eine Folge der Erlösung ist.
5,20 Das Gesetz aber ist daneben hereingekommen. Vgl. Gal 3,19. Das mosaische Gesetz ist zwar makellos (7,12), aber es veranlasste den Menschen noch mehr zum Sündigen (vgl. 7,8-11). Dadurch wurde der Mensch sich seiner eigenen Sündigkeit und Unfähigkeit, Gottes vollkommenem Maßstab zu entsprechen, noch mehr bewusst (7,7; Gal 3,21.22). So diente das Gesetz als Erzieher, der den Menschen zu Christus führt (Gal 3,24).
5,21 Die endgültige Zusammenfassung der Analogie zwischen Adam und Christus.
6,1 – 8,39 Paulus verlässt nun die Lehre der Rechtfertigung – Recht- fertigung besteht darin, dass Gott den gläubigen Sünder für gerecht erklärt (3,20 – 5,21) – und beginnt mit der Darlegung der praktischen Konsequenzen der Errettung für die Gerechtfertigten. Er erläutert insbesondere die Lehre der Heiligung. Heiligung besteht darin, dass Gott im Gläubigen praktische Gerechtigkeit hervorbringt (6,1 – 8,39). 6,1 Paulus beginnt seine Lektion über Heiligung mit einer Argu- mentation, dass alle, die von Gott gerechtfertigt worden sind, trotz ihrer sündigen Vergangenheit persönliche Heiligung erfahren werden (vgl. 1Kor 6,9-11a; 1Tim 1,12.13). 6,1 Sollen wir in der Sünde verharren. Aufgrund seiner früheren Erfahrungen als Pharisäer konnte Paulus vorausahnen, welche hauptsächlichen Einwände seine Kritiker bringen würden. Er hatte bereits auf einen erwarteten Vorwurf angespielt: Man befürchtete, dass die Lehre einer Rechtfertigung, die allein auf der Grundlage der freien Gnade Gottes beruht, die Menschen zum Sündigen ermuntern würde (vgl. 3,5.6.8).
6,2 Das sei ferne! Wörtl. »Möge es nicht sein!« Dieser Ausdruck kommt in den Paulusbriefen 14-mal vor (10-mal im Römerbrief: 3,4.6.31; 6,2.15; 7,7.13; 9,14; 11,1.11) und ist das stärkste gr. Idiom zum Zurückweisen einer Aussage. Es drückt das Entsetzen darüber aus, dass jemand die betreffende Aussage überhaupt in Erwägung ziehen könnte. wir, die wir der Sünde gestorben sind. Damit ist nicht der tägliche Kampf des Gläubigen mit der Sünde gemeint, sondern ein einmaliges, in der Vergangenheit vollendetes Ereignis. Weil wir »in Christus« sind (6,11; 8,1) und er an unserer Stelle gestorben ist (5,6-8), werden wir als mit ihm gestorben angesehen. Das ist die fundamentale Voraussetzung von Kap. 6. Den Rest des Kapitels wird Paulus dazu verwenden, diese Grundlage zu erläutern und zu bekräftigen.
6,3 in Christus Jesus hinein getauft. Das bezieht sich nicht auf die Wassertaufe. Vielmehr benutzt Paulus das Wort »getauft« in einem bildhaften Sinn, genau wie wir sagen könnten, dass jemand in seiner Arbeit »völlig versunken« ist oder in einer Notlage eine »Feuertaufe« durchmacht. Jeder Christ wurde, als er zum Glauben an Christus kam, geistlich in die Person Christi versenkt, d.h. mit ihm verbunden und identifi ziert (vgl. 1Kor 6,17; 10,2; Gal 3,27; 1Pt 3,21; 1Joh 1,3; s. Anm. zu Apg 2,38). Die Wassertaufe drückt diese Realität sicherlich symbolisch aus, denn schließlich ist es der Zweck der Taufe, die Umgestaltung des Gerechtfertigten zu verdeutlichen. in seinen Tod. Das bedeutet, dass sich das Versenken bzw. Identifi zieren insbesondere auf den Tod und die Auferstehung Jesu bezieht. Das wird Paulus nun näher erklären (s. 6,4-7).
6,4 mit ihm begraben. Da wir durch Glauben mit ihm vereinigt sind, wie die Taufe es symbolisiert, werden sein Tod und sein Begräbnis auch zu unserem Tod und Begräbnis. in einem neuen Leben. Wenn wir in Christus gestorben und begraben sind, dann gilt auch, dass wir mit ihm in seiner Auferstehung verbunden sind. Dann hat unser Leben eine neue Qualität und einen neuen Charakter; es ist ein neues Lebensprinzip. Das spricht von der Wiedergeburt des Gläubigen (vgl. Hes 36,26; 2Kor 5,17; Gal 6,15; Eph 4,24). Das alte Leben war von Sünde geprägt, das neue Leben hingegen ist von Gerechtigkeit gekennzeichnet.
6,6 unser alter Mensch. Die nicht wiedergeborene Natur des Gläubigen. Das gr. Wort für »alt« bezeichnet nicht etwas zeitlich Altes, sondern etwas Verbrauchtes und Nutzloses. Unser altes Ich ist mit Christus gestorben und unser jetziges Leben ist ein neues, von Gott gegebenes, ja, sogar Christi eigenes Leben (vgl. Gal 2,20). Wir wurden aus der Gegenwart und der Herrschaft der nicht wiedergeborenen Natur herausgenommen, und somit sollten wir nicht den verbleibenden Erinnerungen an unsere alten sündigen Wege nachhängen, als stünden wir immer noch unter dem üblen Einfl uss des alten Menschen (s. Anm. zu Eph 4,20-24; Gal 5,24; Kol 3,9.10). Leib der Sünde. Im Grunde ein Synonym zu »unser alter Mensch«. Paulus verwendet die Wörter »Leib« und »Fleisch« als Bezeichnung für sündige Neigungen in Verbindung mit körperlichen Schwachheiten und Lüsten (z.B. 8,10.11.13.23). Obwohl das alte Ich tot ist, hat die Sünde immer noch ein Standbein in unserem vergänglichem Fleisch oder in unserer nicht erlösten menschlichen Natur mit ihren bösen Lüsten (7,14-24). Der Gläubige hat keine zwei miteinander wettstreitenden Naturen – die alte und die neue, sondern eine neue Natur, die immer noch im unerlösten Fleisch eingeschlossen ist (s. Anm. zu V. 12). Der Ausdruck »Fleisch« ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem körperlichen Leib, denn dieser kann auch ein Werkzeug zur Heiligkeit sein (V. 19; 12,1; 1Kor 6,20). außer Wirksamkeit gesetzt. Als kraftlos oder stillgelegt angesehen.
6,7 wer gestorben ist. D.h. gestorben durch die Vereinigung mit Christus (s. Anm. zu V. 3). von der Sünde freigesprochen. Nicht mehr von ihr beherrscht und gesteuert.
6,8 dass wir auch mit ihm leben werden. Der Kontext legt nahe, dass Paulus nicht nur meint, dass Gläubige ewig in der Gegenwart Jesu leben werden, sondern dass alle, die mit Christus gestorben sind – d.h. alle wahren Gläubigen –, hier auf der Erde ein Leben führen werden, dass in völliger Übereinstimmung mit seiner Heiligkeit steht.
6,9 herrscht. Spricht von Beherrschung, Steuerung, Macht. Vgl. V. 11.12.
6,10 ist er der Sünde gestorben. Christus starb der Sünde in zwei- erlei Sinn: 1.) hinsichtlich der Strafe für die Sünde – er hat ihre rechtlichen Konsequenzen und Forderungen an den Sünder erfüllt, und 2.) hinsichtlich der Macht der Sünde – er hat für immer ihre Macht über die gebrochen, die ihm angehören. Und sein Tod braucht niemals wiederholt zu werden (Hebr 7,26.27; 9,12.28; 10,10; vgl. 1Pt 3,18). Paulus will damit sagen, dass auch die Gläubigen in derselben Weise der Sünde gestorben sind. lebt er für Gott. Zu Gottes Ehre.
6,11 Paulus spricht nun die logische Schlussfolgerung für seine Leser an: Wenn das alte Ich gestorben ist, warum hat der Gläubige dann weiterhin mit Sünde zu kämpfen und wie kann die neue Natur zur Herrschaft gelangen (s.a. 7,1-25)? Sein Appell umfasst 2 Schlüsselwörter: »haltet euch für« (V. 11b.12) und »gebt euch hin« (V. 13.14). 6,11 Also auch ihr. Das unterstreicht die Wichtigkeit, dass seine Le- ser verstehen, was er gerade erklärt hat. Ohne diese Grundlage wäre die folgende Belehrung sinnlos. In der Bibel ist Erkenntnis und Verständnis stets die Grundlage für die Praxis (vgl. Kol 3,10). Haltet euch. Das Wort bedeutet buchstäblich rechnen oder anrechnen. Doch in übertragener Weise bezeichnet es das absolute, uneingeschränkte Vertrauen auf etwas, von dessen Wahrheit man innerlich überzeugt ist. Das Verhalten und die Entscheidungen werden von diesem Vertrauen bestimmt. Paulus meint damit keine Gedankenspiele, mit denen wir uns selbst überlisten und »positiv denken« oder dergleichen. Vielmehr fordert er uns auf, im Glauben das anzunehmen, was Gott als Wahrheit geoffenbart hat. für die Sünde tot. S. V. 2-7. in Christus. Das ist der Lieblingsausdruck des Apostels für unser Einssein mit Christus. Hier kommt er zum ersten Mal im Römerbrief vor (vgl. Eph 1,3-14).
6,12 sterblichen Leib. Die einzige verbleibende Stelle, an welcher der Gläubige für die Sünde verwundbar ist. Das Gehirn und seine Denkvorgänge gehören zum Leib und sie bringen daher unsere Seele mit sündigen Lüsten in Versuchung (s. Anm. zu V. 6; vgl. 8,22.23; 1Kor 15,53; 1Pt 2,9-11).
6,13 gebt euch hin. Bezeichnet eine Willensentscheidung. Bevor die Sünde Macht über einen Gläubigen haben kann, muss sie erst über seinen Willen Eingang fi nden (vgl. Phil 2,12.13). eure Glieder. Die Gliedmaßen des Leibes, das Hauptquartier, von dem aus die Sünde beim Gläubigen operiert (7,18.22-25; vgl. 12,1; 1Kor 9,27). Werkzeuge der Ungerechtigkeit. Werkzeuge zum Vollbringen dessen, was gegen Gottes heiligen Willen und gegen sein heiliges Gesetz verstößt.
6,14 die Sünde wird nicht herrschen. Es muss möglich sein, dass Sünde die Herrschaft über unseren Leib ausübt, denn sonst wäre die Aufforderung des Apostels unnötig (V. 13). Aber unser Leib muss nicht von Sünde beherrscht sein, und deshalb ist Paulus zuversichtlich, dass die Gläubigen das nicht zulassen werden. nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Das bedeutet nicht, dass Gott sein Moralgesetz annulliert habe (3,31; vgl. Mt 5,17-19). Das Gesetz ist gut, heilig und gerecht (7,12; vgl. 1Tim 1,8), aber der Mensch kann es nicht halten, und deshalb verfl ucht es ihn. Das Gesetz kann niemandem helfen, dem sittlichen Maßstab Gottes zu entsprechen (vgl. 7,7-11), sondern es kann uns diesen Maßstab nur anlegen und uns somit nur verdammen, weil wir nicht ihm entsprechend leben. Aber der Gläubige steht nicht mehr unter dem Gesetz als Voraussetzung dafür, von Gott angenommen zu werden. Denn diese Voraussetzung ist unerfüllbar und dient nur dazu, dem Menschen seine Sündigkeit zu zeigen (s. Anm. zu 3,19.20; vgl. Gal 3,10-13). Vielmehr ist der Gläubige unter Gnade, und diese Gnade befähigt ihn, die gerechten Forderungen des Gesetzes wahrhaft zu erfüllen (7,6; 8,3.4). In Kap. 7 erläutert Paulus diesen grundlegend wichtigen Begriff mit einem vollständigen Kommentar.
6,15 In diesem Abschnitt führt der Apostel seine Lehre der Hei- ligung fort. Paulus erinnert seine Leser hier an ihre einstige Versklavung unter die Sünde und an ihre neue Versklavung unter die Gerechtigkeit. Er möchte, dass sie in Unterwerfung unter ihren neuen Herrn und Meister Jesus Christus leben und sich nicht wieder von den Sünden einfangen lassen, die ihr früheres Leben prägten. Diese Sünden haben keinerlei Anspruch mehr auf die Gläubigen. 6,15 Sollen wir sündigen. Vgl. 3,5.6.8; 6,1. nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. S. Anm. zu V. 14.
6,17 Vorbild der Lehre, dem ihr euch übergeben habt. Das Wort für »Vorbild« bezeichnet im Gr. eine Gussform, in die ein Handwerker fl üssiges Metall gießt. Paulus will damit sagen, dass Gott seine neugeborenen Kinder in eine Form göttlicher Wahrheit gießt (12,2; vgl. Tit 2,1). Neue Gläubige haben das natürliche und zwingende Verlangen, Gottes Wort zu kennen und zu befolgen (1Pt 2,2).
6,18 Nachdem ihr … befreit wurdet. S. Anm. zu V. 2. der Ge- rechtigkeit dienstbar. Wört. »der Gerechtigkeit versklavt«. S. V. 16.
6,19 menschlich reden … Schwachheit eures Fleisches. Mit seinen Vergleichen von Meister und Sklave passt Paulus sich der Menschlichkeit seiner Leser an und macht es ihnen leichter, die göttliche Wahrheit zu begreifen. eure Glieder. S. Anm. zu V. 13. Gesetzlosigkeit. Der Appetit der Sünde wächst nur dann wie ein wildes Tier, wenn sie genährt wird (1Mo 4,7).
6,21 Frucht. Oder Nutzen.
6,22 von der Sünde frei. S. Anm. zu V. 2. Heiligung. Sklave Gottes zu sein, bringt den Segen der Heiligung mit sich und das Ergebnis davon ist ewiges Leben. 6,23 Dieser Vers nennt 2 unerbittliche Tatsachen: 1.) geistlicher Tod ist der Lohn für allen Sündendienst; 2.) ewiges Leben ist das freie Geschenk, das Gott dem Sünder unverdient gibt, wenn er an seinen Sohn glaubt (vgl. Eph 2,8.9).
7,1 – 8,4 Da Paulus weiß, dass besonders seine jüdischen Leser Fra- gen über die Beziehung zwischen Gesetz und Glauben an Christus haben, beginnt er nun mit einer Erläuterung dieser Beziehung (er erwähnt das Gesetz in diesem Abschnitt 27-mal). In einer detaillierten Darlegung dessen, was es bedeutet, nicht unter Gesetz zu sein, sondern unter Gnade (6,14.15), lehrt Paulus: 1.) Das Gesetz kann einen Gläubigen nicht mehr verdammen (7,1-6); 2.) es überführt Ungläubige und Gläubige von Sünde (7,7-13); 3.) es kann einen Sünder nicht von Sünde befreien (7,14-25); und 4.) Gläubige, die in der Kraft des Geistes wandeln, können das Gesetz erfüllen (8,1-4). 7,1 mit Gesetzkundigen. Wörtl. »die das Gesetz Kennenden«. Da- rin ist zwar das geschriebene Gesetz Gottes mit eingeschlossen, aber Paulus bezieht sich hier nicht auf einen bestimmten Gesetzeskodex, sondern auf ein allgemeines Prinzip, das für alle Gesetze gilt – sei es ein griechisches, römisches, jüdisches oder biblisches Gesetz. herrscht. übt Rechtsgewalt aus. Auch bei einem noch so schweren Vergehen wird ein Verbrecher nicht mehr verfolgt oder bestraft, wenn er gestorben ist.
7,2 Diese beiden Verse verwenden einen einfachen Vergleich. An- hand des Eherechts veranschaulicht der Apostel, was er im vorigen Vers über die Rechtsgewalt des Gesetzes gesagt hat. Dieser Abschnitt lehrt nicht, dass allein der Tod eines Ehepartners dem anderen Partner eine Wiederheirat erlaubt, denn hier geht es überhaupt nicht um die Lehre von Scheidung und Wiederheirat. Sowohl Christus selbst als auch Paulus haben dieses Thema an anderer Stelle behandelt (vgl. Mt 5,31.32; 19,312; 1Kor 7,10-15).
7,3 Das Gesetz, welches das Verhalten einer Ehefrau bestimmt, hat kein Verfügungsgewalt mehr über sie, wenn ihr Mann gestorben ist. Witwen haben das Recht, wieder zu heiraten und Paulus ermutigt die jüngeren Witwen sogar dazu, sofern ihr Kandidat ein Gläubiger ist (1Kor 7,39; 1Tim 5,14). Sogar unrechtmäßig Geschiedene können wieder heiraten (s. Anm. zu 1Kor 7,8.9).
7,4 Also. Nun folgt die logische Schlussfolgerung oder Anwendung von der kurzen Argumentation des Apostels (V. 1-3). getötet worden. Die grammatische Form dieses Verbs betont zwei wichtige Dinge: 1.) Dieser Tod geschah zu einem bestimmten Zeitpunkt; 2.) jemand anderes – in diesem Fall Gott selbst – verursachte diesen Tod (beachte das Passiv: »getötet worden«). Wenn der Sünder an Gottes Sohn glaubt, erklärt Gott ihn für tot für die Verurteilung und Strafe des Gesetzes (vgl. 8,1). durch den Leib des Christus. Weil er als Stellvertreter für Sünder die vom Gesetz geforderte Todesstrafe erlitt. damit ihr einem anderen zu Eigen seid. Genau wie die Witwe (V. 2.3) frei war und wieder heiraten konnte, so ist der Gläubige befreit von seiner Beziehung zu einem Gesetz, das ihn verdammte. So kann er nun »wieder heiraten« bzw. »einem anderen gehören«, nämlich nicht mehr dem Gesetz, sondern Christus (vgl. 2Kor 11,5; Eph 5,24-27). Frucht. Ein verändertes Leben mit neuem Charakter (Gal 5,22.23) und neuem Verhalten (Joh 15,1.2; Phil 1,11; vgl. 2Kor 5,21; Gal 2,19.20; Eph 2,10; s. Anm. zu 1,13).
7,5 Fleisch. Mit diesem Ausdruck beschreibt die Bibel in einem nicht moralischen Sinne den Menschen als leibliches Wesen (Joh 1,14) und in einem moralisch bösen Sinne die unerlöste menschliche Natur (s. Anm. zu 6,6; Röm 8; Gal 5; Eph 2), d.h. diesen Überrest des alten Menschen, den jeder Gläubige behält, bis er seinen Herrlichkeitsleib bekommt (8,23). »Im Fleisch« bezeichnet hier einen Menschen, der nur in der Sphäre der gefallenen Menschheit handeln kann. Es handelt sich also um eine unerlöste, nicht wiedergeborene Person (8,9). Zwar kann auch der Gläubige Werke des Fleisches vollbringen, doch kann er nie wieder »im Fleisch« sein. in unseren Gliedern. S. Anm. zu 6,13. die Leidenschaften der Sünden. Die überwältigenden Impulse, Böses zu denken und zu tun. Die Menschen »im Fleisch« sind von diesen Impulsen gekennzeichnet (Eph 2,3). durch das Gesetz. Wenn dem Ungläubigen Einschränkungen auferlegt werden, wird seine rebellische Natur wach und dann will er genau das tun, was das Gesetz ihm verbietet (s. Anm. zu V. 8; vgl. 1,32). dem Tod Frucht bringen. Die sündigen Leidenschaften, die im Ungläubigen wirken, führen zu einer Ernte des ewigen Todes (s. Anm. zu 5,12; vgl. Gal 6,7.8).
7,6 vom Gesetz frei geworden. Das ist nicht die Freiheit, das zu tun, was das Gesetz verbietet (6,1.15; 8,4; vgl. 3,31), sondern Freiheit von den geistlichen Forderungen und Strafen des Gesetzes Gottes (s. Anm. zu V. 4; vgl. Gal 3,13). Weil wir in Christus starben, als er starb (s. Anm. zu 6,2), hat das Gesetz mit seiner Verurteilung und seinen Strafen keine Rechtsgewalt mehr über uns (V. 1-3). dienen. Das ist die Verbform des Wortes für »Sklave« (s. Anm. zu 1,1); hier steht es jedoch parallel zur Versklavung unter die Gerechtigkeit (vgl. 6,22). Dadurch wird betont, dass dies kein freiwilliger Dienst ist. Der Gläubige ist nicht nur imstande, gerecht zu handeln, sondern er wird tatsächlich gerecht handeln. im neuen Wesen des Geistes. Ein neuer Zustand des Denkens, bewirkt vom Geist und charakterisiert von einem neuen Verlangen und einer neuen Fähigkeit, das Gesetz Gottes zu halten (s. Anm. zu 8,4). im alten Wesen des Buchstabens. Das geschriebene Gesetz, das nur Feindschaft und Verdammnis hervorbrachte.
7,7 Ist das Gesetz Sünde? Die Leser sollten nicht zur Schlussfolge- rung kommen (aus V. 4-6), das Gesetz selbst sei schlecht (vgl. V. 12). ich hätte die Sünde nicht erkannt. Das Gesetz offenbart den Maßstab Gottes. Wenn ein Gläubiger sich an diesem Maßstab misst, kann er seine Sünde genau erkennen, denn sie ist all das, was nicht diesem Maßstab entspricht. Paulus verwendet im restlichen Teil des Kapitels das Personalpronomen »ich«. So spricht er von seiner eigenen Erfahrung als Beispiel für das, was sowohl für Unerlöste gilt (V. 7-12) als auch für Christen (V. 13-25). begehren. Ein Zitat aus 2Mo 20,17; 5Mo 5,21.
7,8 Anlass durch das Gebot. Das Wort »Anlass« bezeichnet einen Ausgangspunkt oder eine Operationsbasis für eine Expedition. Die Sünde benutzt die einzelnen Forderungen des Gesetzes als Operationsbasis, von wo aus sie ihr böses Werk ausführt. Wird die rebellische Natur des Sünders mit Gottes Gesetz konfrontiert, dann ist das Verbotene für sie noch attraktiver. Das Verbotene ist nicht nur an sich attraktiv, sondern weil es verboten ist, bietet es eine Gelegenheit, den Eigenwillen durchzusetzen. die Sünde tot. Das bedeutet nicht leblos oder nicht existent (s. Anm. zu 5,12.13), sondern untätig. Das Gesetz regt die Sünde zu voller Aktivität an, sodass sie den Sünder überwältigt.
7,9 ohne Gesetz. Das ist weder Unkenntnis des Gesetzes noch Gleichgültigkeit (vgl. Phil 3,6), sondern eine rein äußerliche, unvollkommene Vorstellung vom Gesetz. als das Gebot kam. Als er irgendwann vor seiner Bekehrung anfi ng, die wahren Forderungen von Gottes Moralgesetz zu verstehen. lebte die Sünde auf. Er erkannte seinen wahren Zustand als hoffnungslos verdorbener Sünder (vgl. 1Tim 1,15). ich starb. Er erkannte seinen geistlich toten Zustand und sah ein, dass all seine religiösen Titel und Errungenschaften wertlos waren (Phil 3,7.8).
7,10 zum Leben gegeben. Theoretisch hätte vollkommener Ge- horsam gegenüber dem Gesetz zu ewigem Leben geführt und damit zu Glück und Heiligkeit. Doch niemand außer Christus konnte – oder könnte – dem Gesetz jemals vollständig gehorchen (2Kor 5,21; s. Anm. zu 10,5).
7,11 die Sünde … verführte mich. Sie führte ihn nämlich zu der Erwartung, durch das Halten des Gesetzes ewiges Leben zu erlangen – doch fand er nur den Tod (V. 10) – und sie überzeugte ihn, aufgrund seiner eigenen Verdienste und guten Werke könne Gott ihn annehmen.
7,12 Obwohl das Gesetz Sünde offenbart, anregt und verurteilt und somit dem Sünder den Tod bringt, ist das Gesetz an sich nicht böse (vgl. V. 7). Vielmehr ist das Gesetz ein vollkommener Spiegel von Gottes heiligem Charakter (vgl. V. 14.16.22; Ps 19,7-11) und der Maßstab, wie Gläubige ihm gefallen können.
7,13 Hat nun das Gute mir den Tod gebracht? Die Ursache geistlichen Todes ist nicht das gute Gesetz, sondern die Sünde. damit die Sünde überaus sündig würde. Ein Bewusstsein für die wahre Natur der Sünde und für ihren todbringenden Charakter, der den Sünder zur Einsicht führt, dass er Errettung braucht. Das ist der wahre Zweck, dem das Gesetz nach Gottes Absicht dienen soll (Gal 3,19-22).
7,14 Einige Ausleger deuten diese Beschreibung der inneren Konfl ikte des Apostels als einen Erfahrungsbericht aus seinem Leben, bevor er zu Christus kam. Sie verweisen darauf, dass Paulus sich beschreibt als »unter die Sünde verkauft« (V. 14), »nichts Gutes wohnt« in ihm (V. 18) und er ist ein »elender Mensch«, gefangen in einem »Todesleib« (V. 24). Diese Schilderung widerspricht scheinbar seiner Beschreibung des Gläubigen in Kap. 6 (vgl. V. 2.6, 7.11.17.18.22). Wir sollten den Text so verstehen, dass Paulus hier über einen Gläubigen spricht. Dieser möchte dem Gesetz Gottes gehorchen und hasst seine Sünde (V. 15.19.21); er erkennt demütig, dass in ihm als Mensch nichts Gutes wohnt (V. 18); er sieht die Sünde in sich, aber sie ist nicht alles, was in ihm ist (V. 17.20-22); und er dient Jesus Christus mit seinem Sinn (V. 25). Paulus hat bereits gezeigt, dass keine dieser Eigenschaften jemals auf einen Unerretteten zutreffen (vgl. 1,18-21.32; 3,10-20). Dass Paulus in V. 14-25 das Präsens verwendet, ist ein starkes Indiz dafür, dass er sein gegenwärtiges Leben als Christ beschreibt. Aus diesen Gründen scheint es sicher zu sein, dass Kap. 7 einen Gläubigen beschreibt. Doch auch unter denen, die sich in dieser Auffassung einig sind, gibt es Meinungsverschiedenheiten. Einige sehen in der beschriebenen Person einen fl eischlichen Christen, andere einen gesetzlichen Gläubigen, der enttäuscht ist von seinen vergeblichen Versuchen, durch das Einhalten des mosaischen Gesetzes Gott aus eigener Kraft zu gefallen. Aber das Personalpronomen »ich« bezieht sich auf Paulus selbst, der ein Vorbild an geistlicher Gesundheit und Reife war. So muss V. 14-25 also eine Beschreibung aller Christen sein – einschließlich der geistlichsten und reifsten. Wenn sie sich im Licht des gerechten Maßstabs des Gesetzes Gottes aufrichtig selber prüfen, erkennen sie, wie weit sie von diesem Maßstab entfernt sind. Paulus gesteht sein diesbezügliches Versagen in einer Reihe von vier Wehklagen ein (V. 14-17.18-20.21-23.24.25). 7,14 das Gesetz ist geistlich. D.h. es ist ein Spiegel des Charakters Gottes. fl eischlich. Wört. »aus Fleisch«. Das bedeutet an die Erde gebunden, sterblich und noch in einem unerlösten Menschsein gefangen. Paulus sagt nicht, er sei noch »im Fleisch« (s. Anm. zu 7,5), aber das Fleisch ist in ihm. unter die Sünde verkauft. Der Gläubige wird nicht mehr gänzlich von der Sünde beherrscht (wie ein Ungläubiger, vgl. 6,6), aber die Sünde hält seinen fl eischlichen Leib mitsamt seinen Gliedern in Gefangenschaft (V. 23; vgl. V. 18). Er wird von Sünde verunreinigt und dadurch wird sein innerer Wunsch, dem Willen Gottes zu gehorchen, enttäuscht.
7,15 billige ich nicht. Wörtl. »erkenne ich nicht«. Dieses Erkennen bedeutet mehr als nur das Wahrnehmen von Tatsachen und beinhaltet den Gedanken an eine vertraute Beziehung (vgl. Gal 4,9). Im weiteren Sinne bezeichnete dieses Wort manchmal ein Gutheißen, Akzeptieren oder Billigen (vgl. 1Kor 8,3). In diesem Sinne wird es auch hier gebraucht, d.h. Paulus stellte fest, dass er Dinge tat, die er nicht guthieß.
7,16 so stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist. Seine neue Natur verteidigt den Maßstab Gottes – das vollkommen gerechte Gesetz ist für seine Sünde nicht verantwortlich (V. 12). Seine neue Natur sehnt sich danach, das Gesetz zu ehren und es vollkommen einzuhalten (V. 22).
7,17 vollbringe nicht mehr ich dasselbe. Das gr. Adverb für »nicht mehr« bezeichnet eine vollständige und dauerhafte Veränderung. Sein neuer innerer Mensch (s. Anm. zu 6,6), das neue »Ich«, billigte die Sünde nicht mehr, die immer noch in seinem Fleisch wohnte. Sein alter Mensch hatte die Sünde gebilligt (vgl. V. 22; Gal 2,20), doch seine neue Natur missbilligte sie zutiefst. Viele Ausleger haben diese Ausführungen fehlgedeutet und gemeint, Paulus leugne hier die persönliche Verantwortlichkeit für seine Sünde und vertrete eine Form des griechischen Dualismus (dieser Dualismus führte später zur Gnosis; s. Einleitung zum 1. Johannesbrief). Dieser Dualismus lehrte, der Leib sei böse und der Geist gut. Somit sündigten die Anhänger dieser Lehre ohne Skrupel und behaupteten dabei, sie seien dafür nicht verantwortlich, weil ihre Sünde nur das Produkt ihres fl eischlichen Leibes sei, während ihr Geist davon unberührt und unbefl eckt bliebe. Doch Paulus hat bereits seine persönliche Schuld für seine Sünde eingestanden (V. 14; vgl. 1Joh 1,10). die Sünde, die in mir wohnt. Seine Sünde entspringt nicht seinem neuen, erlösten inneren Menschen (»ich«), sondern seiner unerlösten Menschheit, seinem Fleisch »in mir« (Gal 5,17).
7,18 in mir … nichts Gutes wohnt. Das Fleisch dient als Basissta- tion, von dem aus die Sünde im Leben des Christen operiert. Das Fleisch ist nicht in sich selbst sündig (s. Anm. zu 6,6), aber aufgrund seiner gefallenen Natur ist es noch der Sünde unterworfen und ist durch und durch von ihr verunreinigt. in meinem Fleisch. Der noch unerlöste Teil des gegenwärtigen Wesens des Gläubigen (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5).
7,20 vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde. S. Anm. zu V. 17.
7,21 Gesetz. Das bezieht sich nicht auf Gottes Gesetz, sondern auf ein unumstößliches geistliches Prinzip.
7,22 ich habe Lust an dem Gesetz Gottes. Als neuer, gerecht- fertigter Mensch befürwortet der Gläubige die Sünde nicht mehr, sondern stimmt freudig dem Gesetz Gottes zu und verurteilt Sünde (Ps 1,2; 119,14.47.77.105.140; vgl. 2Kor 4,16; Eph 3,16).
7,23 ein anderes Gesetz. Ein geistliches Prinzip, das dem Prinzip aus V. 21 entspricht. Aber dieses Prinzip, das Paulus als »das Gesetz der Sünde« identifi ziert, wirkt in den Gliedern seines Leibes – d.h. in seiner unerlösten und noch sündigen Menschheit (s. Anm. zu 6,6) – und streitet gegen seinen Wunsch, dem Gesetz Gottes zu gehorchen. das Gesetz meiner Gesinnung. Gleichbedeutend mit dem neuen inneren Menschen (2Kor 5,17; s. Anm. zu 6,6), der dem Gesetz Gottes gehorchen möchte (s. Anm. zu V. 21.22). Paulus sagt nicht, seine Gesinnung sei geistlich und sein Leib von Natur aus böse (s. Anm. zu V. 17).
7,24 Ich elender Mensch. Bekümmert und frustriert beklagt Paulus seine Sünde (vgl. Ps 38,14; 130,1-5). Ein Gläubiger erkennt seine eigene Sündigkeit im Maß seiner Erkenntnis der Heiligkeit Gottes und Vollkommenheit seines Gesetzes. erlösen. Dieses Wort bedeutet »aus Gefahr erretten« und bezeichnete einen Soldaten, der seinen verwundeten Kameraden vom Schlachtfeld schleppt. Paulus sehnte sich nach Errettung von seinem sündigen Fleisch (vgl. 8,23). Todesleib. Die unerlöste Menschheit des Gläubigen, deren Operationsbasis sich im Leib befi ndet (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5). Der Überlieferung nach hatte ein alter Stamm in der Nähe von Tarsus die Gewohnheit, dem Mörder den Leichnam seines Opfers anzubinden, sodass der Mörder durch die sich ausbreitende Verwesung langsam infi ziert und hingerichtet wurde. Möglicherweise denkt Paulus hier an dieses Bild.
7,25 Die erste Hälfte dieses Verses beantwortet die gerade von Paulus gestellte Frage (V. 24): Er ist sich gewiss, dass Christus ihn bei seiner Wiederkunft letztendlich erretten wird (vgl. 8,18.23; 1Kor 15,52.53.56.57; 2Kor 5,4). Die zweite Hälfte ist eine Zusammenfassung der beiden Seiten des von Paulus beschriebenen Konfl ikts (V. 14-24). ich selbst. Sein neuer erlöster Mensch (s. Anm. zu 6,6). mit der Gesinnung. S. Anm. zu V. 23. mit dem Fleisch. S. Anm. zu 6,6.12; 7,5. Gesetz der Sünde. S. Anm. zu V. 23.
8,1 So. Die Folge bzw. Konsequenz der soeben gelehrten Wahrheit. Normalerweise kennzeichnet dieses Wort die Schlussfolgerung aus unmittelbar vorangegangenen Versen. Hier jedoch leitet es die gewaltigen Schlussfolgerungen der gesamten Lehre der ersten sieben Kapiteln ein: Rechtfertigung geschieht allein durch Glauben auf der Grundlage von Gottes überwältigender Gnade. keine Verdammnis. Das Wort »Verdammnis« kommt nur 3-mal im NT vor, und zwar nur im Römerbrief (vgl. 5,16.18). Es wird ausschließlich in einem juristischen Zusammenhang verwendet und bedeutet das Gegenteil von Rechtfertigung. Es spricht von einem Schuldurteil und von der Strafe, die dieses Urteil fordert. Keine Sünde eines Gläubigen – weder eine vergangene noch gegenwärtige, noch zukünftige Sünde – kann ihm vorgehalten werden, da die Strafe von Christus gezahlt und dem Gläubigen Gerechtigkeit zugerechnet worden ist. Und keine einzige Sünde wird diesen Urteilsspruch Gottes jemals rückgängig machen (s. Anm. zu V. 33). welche in Christus Jesus sind. D.h. jeder wahre Christ. In Christus sein bedeutet, mit ihm einsgemacht zu sein (s. Anm. zu 6,2.11; vgl. 6,1-11; 1Kor 12,13.27; 15,22). nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. In den ältesten Manuskripten steht dieser Ausdruck nicht an dieser Stelle, sondern am Ende von V. 4. Möglicherweise handelt es sich um eine versehentliche Einfügung eines Abschreibers.
8,2 Der Geist, der in den Kap. 1-7 nur einmal erwähnt worden ist (vgl. 1,4), wird in Kap. 8 fast 20-mal genannt. Er befreit uns von Sünde und Tod (V. 2.3), befähigt uns, das Gesetz Gottes zu erfüllen (V. 4), verändert unsere Natur und gibt uns Kraft zum Sieg über unser unerlöstes Fleisch (V. 5-13), bestätigt unsere Annahme als Gottes Kinder (V. 14-16), und garantiert unsere zukünftige Herrlichkeit (V. 17-30). 8,2 Das Wort »denn« leitet die Begründung ein, weshalb es für den Gläubigen keine Verdammnis gibt: Das Gesetz, das nur Sünde und Tod hervorbrachte (7,5.13), wurde vom Geist durch ein neues, einfaches Gesetz ersetzt, das Leben hervorbringt: das Gesetz des Glaubens (3,27) bzw. die Botschaft des Evangeliums. das Gesetz des Geistes des Lebens. Dieser Ausdruck ist gleichbedeutend mit »das Evangelium«, das Gesetz des Glaubens. Gesetz der Sünde und des Todes. Das Gesetz Gottes. Es ist zwar gut, heilig und gerecht (7,12), aber aufgrund der Schwachheit des Fleisches (s. Anm. zu 7,7-11; 8,3) kann es nur Sünde und Tod hervorbringen (7,5.13).
8,3 was dem Gesetz unmöglich war. Das Gesetz konnte Sünder nicht von der Strafe befreien (Apg 13,38.39; Gal 3,10) und sie nicht gerecht machen (Gal 3,21). durch das Fleisch kraftlos. Aufgrund der Verdorbenheit des nicht wiedergeborenen Menschen war das Gesetz kraftlos und konnte keine Gerechtigkeit bewirken (Gal 3,21). seinen Sohn. S. Anm. zu Ps 2,7; Gal 4,4; Phil 2,6.7; Hebr 1,1-5. in der gleichen Gestalt wie das Fleisch der Sünde. Richtiger übersetzt: »Gleichheit« bzw. »Entsprechung des sündigen Fleisches«. Obgleich Christus in seiner Fleischwerdung vollkommen Mensch wurde (s. Anm. zu 1,3), nahm er nur die äußere Erscheinung des sündigen Fleisches an, denn er war völlig ohne Sünde (Hebr 4,15). die Sünde im Fleisch verurteilte. Am Kreuz erging das volle Verdammungsurteil Gottes über die Sünde über das sündlose Fleisch Christi (Jes 53,4-8; vgl. Phil 2,7).
8,4 die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit. Die Gedanken, Worte und Taten, die das Moralgesetz Gottes fordert. Der zeremonielle Teil des mosaischen Gesetzes ist beiseite gesetzt worden (Kol 2,14-17). Die grundsätzliche Verantwortung für den zivilen Teil (die Anwendung des Moralgesetzes in einer Gesellschaft) ist auf die menschlichen Regierungen übertragen worden (13,1-7). Das Moralgesetz ist im Charakter Gottes begründet und in den Zehn Geboten als Grundriss dargestellt. Die komprimierteste Form ist das Gebot Jesu: Du sollst Gott lieben und du sollst deinen Nächsten lieben wie sich selbst. Das Moralgesetz wurde niemals außer Kraft gesetzt, sondern wird im Neuem Bund autoritativ bestätigt. Jeder Ungläubige steht immer noch unter diesem Gesetz: Es fordert Vollkommenheit und verurteilt den Übertreter, bis er zu Christus kommt (Gal 3,23-25). Jeder Gläubige fi ndet darin den Maßstab für sein Verhalten. erfüllt. Obwohl der Gläubige nicht mehr an die Verurteilung und Strafe gebunden ist, die das Moralgesetz fordert (7,6), spiegelt das Gesetz immer noch den moralischen Charakter Gottes und seinen Willen für seine Geschöpfe wider. Doch was die äußerlichen, geschriebenen Gebote nicht erreichen konnten, kann der Geist tun: Er schreibt das Gesetz in unsere Herzen (Jer 31,33.34) und gibt uns die Kraft, dem Gesetz zu gehorchen. nicht gemäß dem Fleisch wandeln, sondern gemäß dem Geist. Das ist keine Ermahnung, sondern eine faktische Aussage, die auf alle Gläubigen zutrifft. »Wandeln« spricht von einem Lebensstil, d.h. von den Lebens- und Denkgewohnheiten, von denen das Leben eines Menschen geprägt ist (vgl. Lk 1,6; Eph 4,17; 1Joh 1,7). Da in jedem wahren Christen der Heilige Geist wohnt (V. 9), wird jeder Christ die Frucht tragen, die der Geist in seinem Leben hervorbringt (Gal 5,22.23). 8,5 die gemäß des Fleisch sind. Alle Ungläubigen (s. Anm. zu V. 4). trachten nach. Dieses gr. Verb spricht von einer grundsätzlichen Orientierung des Denkens – von der Gesinnung eines Menschen einschließlich seiner Gefühle, Denkprozesse und seines Willens (vgl. Phil 2,2.5; 3,15.19; Kol 3,2). Paulus will sagen, dass der Ungläubige grundsätzlich dazu neigt, die Begierden seines unerlösten Fleisches zu befriedigen (Phil 3,19; 2Pt 2,10). die gemäß des Geist sind. Alle Gläubigen (s. Anm. zu V. 4).
8,6 das Trachten des Fleisches. »Trachten« ist die Substantivform des Verbs aus V. 5. »Des Fleisches« heißt wörtl. »aus Fleisch«. Hier haben wir eine einfache geistliche Gleichung: Wenn ein Mensch sein Denken auf das Fleisch richtet, ist er geistlich tot (vgl. 1Kor 2,14; Eph 2,1). das Trachten des Geistes. Eine Beschreibung, die auf jeden Gläubigen zutrifft. Wer seine Gesinnung auf die Dinge des Geistes richtet, ist geistlich lebendig und lebt in Frieden mit Gott (s. Anm. zu 5,1; vgl. Eph 2,5).
8,7 Feindschaft gegen Gott. Das Problem des Ungläubigen ist viel umfassender als nur der praktische Ungehorsam. Die ungehorsamen Taten sind lediglich Auswirkungen des inneren fl eischlichen Zwangs. Seine grundsätzliche Neigung und seine Orientierung auf die eigene Befriedigung richten sich in direkter Feindschaft gegen Gott. Daran ändert auch äußerlich aufgesetzte Religiosität oder Moral nichts. Sogar die guten Werke von Ungläubigen erfüllen nicht wirklich Gottes Gesetz, denn sie kommen aus dem Fleisch, aus einem rebellischen Herzen, und beruhen auf eigennützigen Motiven (s. Anm. zu 5,1).
8,8 im Fleisch. S. Anm. zu 7,5.
8,9 in euch wohnt. Das bedeutet, dass der Geist im Gläubigen wie in einem eigenen Haus wohnt. Der Geist Gottes nimmt Wohnung in jedem, der sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt. Vgl. 1Kor 6,19.20; 12,13. Wenn bei jemanden keine Anzeichen zu sehen sind, dass der Heilige Geist in ihm wohnt, und er keine Frucht des Geistes zeigt (Gal 5,22.23), dann hat dieser Mensch kein Recht zu behaupten, Christus sei sein Retter und Herr.
8,10 der Leib … tot um der Sünde willen. Der Leib ist unerlöst und tot in Sünde (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5; vgl. 8,11.23). der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Beim »Geist« handelt es sich hier wahrscheinlich nicht um den Heiligen Geist, sondern um den Geist des Gläubigen. Wenn Gottes Geist in einem Menschen wohnt (V. 9), dann ist der Geist dieses Menschen lebendig (vgl. Eph 2,5) und kann wahre Gerechtigkeit hervorbringen (vgl. V. 4).
8,11 eure sterblichen Leiber. S. Anm. zu 6,12; vgl. 8,23.
8,12 dem Fleisch. Unserer unerlösten Menschheit, d.h. diesem Komplex sündiger Leidenschaften, die die Sünde durch unseren Leib als das eine ihr verbleibende Domizil erzeugt (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5).
8,13 die Taten des Leibes tötet. Das ist die erste Anweisung des Apostels darüber, was seine Leser im Kampf gegen die Sünde tun müssen. Diese Aufforderung macht etliche falsche Ansichten zunichte, wie Gläubige geheiligt werden: 1.) Die Vorstellung, dass wir in einem einzigen krisenartigen Augenblick perfekt werden; 2.) die Vorstellung, dass wir »Gott das Steuer übergeben« und selber passiv bleiben müssen; 3.) die Vorstellung, dass eine wendepunktartige Entscheidung uns auf eine höhere Ebene der Heiligkeit befördert. Vielmehr sagt Paulus hier, das der Geist uns mit der Energie und Vollmacht ausstattet, um unsere Sünden beständig und fortschreitend zu töten. Das ist ein Prozess, der in diesem Leben niemals beendet wird. Das Mittel, das der Geist zu diesem Prozess benutzt, ist unser Glaubensgehorsam gegenüber den einfachen Geboten der Bibel (s. Anm. zu Eph 5,18; Kol 3,16; vgl. 13,14; Ps 1,2; 119,11; Lk 22,40; Joh 17,17; 1Kor 6,18; 9,25-27; 1Pt 2,11).
8,14 durch den Geist Gottes geleitet. Gläubige werden nicht durch subjektive innere Eindrücke geleitet oder durch eine imaginäre Stimme des Herzens, die in den Entscheidungen des Lebens Führung bietet. So etwas lehrt die Bibel an keiner Stelle. Vielmehr leitet Gottes Geist die Gläubigen objektiv manchmal durch eine Zusammenstellung von Umständen (Apg 16,7), aber in erster Linie durch: 1.) Erleuchtung, d.h. Gott macht uns eine Aussage der Schrift klar, sodass unser sündiger, begrenzter Verstand sie versteht (Lk 24,44.45; 1Kor 2,14-16; Eph 1,17-19; vgl. Eph 3,16-19; Kol 1,9); und 2.) Heiligung, d.h. Gott befähigt uns, der Schrift zu gehorchen (Gal 5,16.17; 5,25). Söhne Gottes. Wenn jemand die Leitung des Geistes auf diese Weise erfährt, erlangt er Gewissheit, dass Gott ihn in seine Familie aufgenommen hat (s. Anm. zu 8,15-17; 1Joh 3,2; für weitere Prüfungen wahren Glaubens siehe die Einleitung zu 1. Johannes: Historische und theologische Themen.)
8,15 Geist der Knechtschaft … fürchten. Nicht wiedergeborene Menschen sind aufgrund ihres sündigen Lebens unter ihre Todesfurcht versklavt (Hebr 2,14.15). Sie sind Sklaven ihrer Angst vor der Strafe des Gerichts Gottes (1Joh 4,18). Geist der Sohnschaft. Das spricht in erster Linie nicht davon, dass Gott uns bei unserer Wiedergeburt als Söhne annimmt (s. Anm. zu Eph 1,5; Gal 4,5-7), sondern von einem vom Geist bewirkten Bewusstsein für die gewaltige Realität, dass Gott uns zu seinen Kindern gemacht hat, sodass wir ohne Furcht und Zögern zu ihm als unseren geliebten Vater kommen können. Das schließt die Zuversicht ein, dass wir wahrhaft Söhne Gottes sind. Abba. Ein aramäisches Wort für Vater, das besondere Vertrautheit ausdrückt. Wie die dt. Wörter »Papa« oder »Vati« vermittelt es den Gedanken von Zärtlichkeit, Abhängigkeit und einer Beziehung ohne Furcht oder Vorbehalt (vgl. Mk 14,36).
8,16 gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist. In der röm. Kultur mussten für eine rechtmäßig verbindliche Adoption 7 zuverlässige Zeugen anwesend sein, die die Gültigkeit dieses Vorgangs bestätigten. Gottes Heiliger Geist bestätigt die Gültigkeit unserer Adoption. Das geschieht nicht durch irgendeine mystische innere Stimme, sondern durch die Frucht, die er an uns hervorbringt (Gal 5,22.23) und durch die Kraft, die er uns zum geistlichen Dienst darreicht (Apg 1,8).
8,17 Erben. Jeder Gläubige ist zu einem Erben Gottes, unseres Va- ters, gemacht worden (Mt 25,34; Gal 3,29; Eph 1,11; Kol 1,12; 3,24; Hebr 6,12; 9,15; 1Pt 1,4). Wir werden das ewige Heil (Tit 3,7), Gott selbst (Kla 3,24; vgl. Ps 73,25; Offb 21,3), Herrlichkeit (5,2) und das ganze Universum (Hebr 1,2) erben. Nach jüdischer Sitte war der erstgeborene Sohn Haupterbe, doch nach römischem Gesetz wurde das Erbe unter allen Kindern gleichmäßig aufgeteilt, und das Gesetz schützte den geerbten Besitz. Miterben. Gott hat seinen Sohn zum Erben aller Dinge eingesetzt (Hebr 1,2). Jedes angenommene Kind wird durch die Gnade Gottes das volle Erbe erlangen, welches Christus durch Gottes Recht erlangt (vgl. Mt 25,21; Joh 17,22; 2Kor 8,9). wenn wir … mit ihm leiden. Das Leiden des Gläubigen um seines Herrn willen – sei es Leid in Form von Spott, Verunglimpfung oder körperlicher Verfolgung (Mt 5,10-12; Joh 15,18-21; 2Kor 4,17; 2Tim 3,12) – beweist, dass er die Herrlichkeit erlangen wird.
8,18 Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. Ein Vo- rausblick auf die Auferstehung des Leibes (V. 23) und die anschließende ewige Herrlichkeit des Gläubigen: seine völlige Gleichgestaltung mit Christus. S. Phil 3,20.21; Kol 3,4; 1Joh 3,2.
8,19 Schöpfung. Das umfasst das gesamte physische Universum, ausgenommen die Menschen, die der Apostel in den Versen 22 und 23 diesem Begriff gegenüberstellt. Die ganze Schöpfung wird wie eine Person beschrieben, die sich nach der Umgestaltung aus dem Zustand des Fluches sehnt. die Offenbarung. Wörtl. »Enthüllung« oder »Aufdeckung«. Wenn Christus wiederkommt, werden die Kinder Gottes an seiner Herrlichkeit teilhaben. S. Anm. zu V. 18.
8,20 Vergänglichkeit. Wegen der Sünde des Menschen verfl uchte Gott das physische Universum (1Mo 3,17-19). Nunmehr erfüllt kein Teil der Schöpfung gänzlich die ursprüngliche Absicht Gottes.
8,21 befreit. Vgl. 2Pt 3,10; Offb 21,4.5.
8,23 Erstlingsgabe des Geistes. Genau wie die ersten Früchte an einem Baum auf eine baldige Ernte hoffen lassen, so gibt die Frucht, die der Geist jetzt an uns hervorbringt (Gal 5,22.23) Anlass zu Hoffnung, dass wir eines Tages Christus gleich sein werden. seufzend. Mit Betrübnis über unsere bleibende Sündigkeit (7,24; vgl. Ps 38,4.9.10). Sohnesstellung. Wörtl. »Annahme zur Sohnschaft«. Der Prozess, der mit Gottes Auserwählung begann (Eph 1,5) und uns durch die Errettung zu seinen Kindern machte (Gal 4,5-7), wird in unserer Verherrlichung gipfeln, das ist die vollständige Verwirklichung unseres Erbes (s. V. 29.30). die Erlösung unseres Leibes. Nicht nur der Leib, sondern alle Aspekte der gefallenen menschlichen Natur, die bis dahin noch unerlöst geblieben waren (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5; vgl. 1Kor 15,35-44; Phil 3,20.21; 2Pt 1,3.4; 1Joh 3,2).
8,24 Hoffnung. S. Anm. zu 5,2. 8,26 Ebenso. So wie die Schöpfung (V. 22) und die Gläubigen (V. 23) beide nach der endgültigen Wiederherstellung seufzen, so seufzt auch der Geist. mit unaussprechlichen Seufzern. Göttliche Äußerungen innerhalb der Trinität, die nicht in Worten ausgedrückt werden können, aber tiefgründige Bitten für das Wohlergehen jedes Gläubigen bedeuten (vgl. 1Kor 2,11). Dieses Werk des Heiligen Geistes geschieht parallel zum hohenpriesterlichen Werk der Fürsprache des Herrn Jesus für die Gläubigen (s. Hebr 2,17.18; 4,14-16; 7,24-26).
8,27 das Trachten des Geistes. Es sind keine Worte nötig, weil der Vater versteht, was der Geist denkt und seinen Gedanken zustimmt. S. Anm. zu Jud 20.
8,28 Die besten Manuskripte lesen diesen Vers: »Wir wissen, dass Gott alle Dinge … bewirkt.« zum Besten. In seiner Vorsehung ordnet Gott alle Ereignisse des Lebens – sogar Leiden, Versuchungen und Sünde – zu dem Zweck, dass sie unserem zeitlichen und ewigen Wohl dienen (vgl. 5Mo 8,15.16). berufen. Vgl. V. 30; s. Anm. zu 1,7. Wie in den NT-Briefen stets der Fall, handelt es sich bei dieser Berufung um Gottes wirksame Berufung seiner Erwählten, die sie zur Errettung bringt.
8,29 zuvor ersehen. Das spricht nicht nur von Gottes Allwissen- heit, d.h. dass er in der ewigen Vergangenheit wusste, wer zu Christus kommen würde. Vielmehr spricht es von einer vorherbestimmenden Auswahl (vgl. Apg 2,23: eine unumstößliche Regel der gr. Grammatik, die so genannte Granville-Sharp-Regel, setzt »vorherbestimmt« gleich mit »Vorkenntnis«; s. Anm. zu 1Pt 1,1.2 und vgl. mit 1,20: der Ausdruck muss in beiden Versen gleichbedeutend ausgelegt werden). S. Anm. zu Erwählung in 9,10-24. vorherbestimmt. Wörtl. »markieren«, »einsetzen« oder »vorher bestimmen«. Wen Gott auserwählt hat, den bestimmt er auch zu seinen erwählten Zielen, nämlichen seinem Sohn gleich zu sein (s. Anm. zu Eph 1,4.5.11). dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden. Das Ziel von Gottes vorherbestimmtem Ratschluss für die Seinen ist es, dass sie Jesus Christus gleich gemacht werden. Das ist der »Kampfpreis der himmlischen Berufung« (Phil 3,14); vgl. Eph 4,13; Kol 1,28; Phil 3,20.21; 1Joh 3,2. Erstgeborene. Der Vorzügliche, der einzige rechtmäßige Erbe (vgl. Ps 89,27; Kol 1,15-18; Offb 1,5). Jesus Christus hat den Vorrang unter denen, die ihm gleichgestaltet und damit zu seinen »Brüder« gemacht werden.
8,30 vorherbestimmt. S. Anm. zu V. 29. berufen. S. Anm. zu 1,7. gerechtfertigt. S. Anm. zu 3,24. verherrlicht. Paulus verwendet hier die Vergangenheitsform für ein zukünftiges Ereignis und betont somit dessen Gewissheit (vgl. V. 18.21; 2Tim 2,10).
8,31 Paulus beendet seine Lehre über die Sicherheit des Gläubi- gen in Christus mit einem Crescendo von Fragen und Antworten, mit denen er auf die Sorgen eingeht, die seinen Leser womöglich immer noch zu schaffen machten. Das Ergebnis ist ein geradezu poetischer Lobpreis auf die Gnade Gottes, die völliges Heil zu allen brachte, die auserwählt sind und glauben. Es ist ein feierliches Lied auf die ewige Sicherheit in Christus. 8,31 Ist Gott für uns. Die gr. Konstruktion wird besser übersetzt mit: »Weil Gott für uns ist.«
8,32 Paulus will sagen: Kann Gott für seine Kinder weniger tun, als er für seine Feinde getan hat? alles. Das bezieht sich entweder auf alle Sünden des Gläubigen (wenn »schenken« »vergeben« bedeutet, s.u.) oder auf alles, was zur Vollendung seines Ratschlusses nötig ist, den er sich in der Auserwählung der Erretteten vorgesetzt hat (V. 29.30; vgl. Phil 1,6). schenken. Dieses Wort bedeutet »aus Gnade erteilen«. Paulus verwendet es häufi g für Vergebung (2Kor 2,7.10; 12,13; Kol 2,13; 3,13) und diese Bedeutung hat er womöglich auch hier im Sinn.
8,33 Der Schauplatz dieser Verse ist der Gerichtssaal Gottes. 8,33 die Auserwählten Gottes. S. Anm. zu V. 29.30. Gott … der rechtfertigt. S. Anm. zu 3,24. Wer könnte jemanden erfolgreich anklagen, der von Gott als gerecht erklärt worden ist?
8,34 verurteilen. Für schuldig erklären und ein bestrafendes Ur- teil aussprechen. Es gibt vier Gründe, weshalb ein Gläubiger niemals für schuldig befunden werden kann: 1.) Der Tod Christi, 2.) seine Auferstehung, 3.) sein Platz zur Rechten Gottes und 4.) seine ständige Fürsprache für die Gläubigen. für uns eintritt. Vgl. Jes 53,12; Hebr 7,25.
8,35 Die hier aufgelisteten Erfahrungen und Personen, die den Gläubigen nicht von der Liebe Gottes in Christus trennen können, waren für Paulus nicht nur Theorie. Es ist vielmehr ein persönliches Zeugnis eines Mannes, der am eigenen Leib Angriffe dieser Feinde erlebt und siegreich überlebt hatte. 8,35 Liebe des Christus. Das ist nicht unsere Liebe zu Christus, sondern seine Liebe zu uns (Joh 13,1), und hier insbesondere die Liebe, die er in der Errettung gezeigt hat (1Joh 4,9.10). Drangsal. S. Anm. zu 5,3. Hier bezieht sich dieses Wort wahrscheinlich auf die Art von Widrigkeiten, die allen Menschen gemein sind. Angst. Das spricht von Gefangensein an einem engen, ungemütlichen Platz, von beengenden Umständen. Verfolgung. Das sind Leiden, die uns andere Menschen wegen unserer Beziehung zu Christus zufügen (Mt 5,10-12). 8,36 Ein Zitat von Ps 44,22 aus der LXX (der antiken gr. Übersetzung des hebr. AT).
8,37 überwinden wir weit. Ein zusammengesetztes gr. Wort, das so viel bedeutet wie »über-besiegen«, d.h. vollständig siegreich sein ohne jede wirkliche Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit. 8,38 Fürstentümer. Gefallene Engel oder Dämonen (vgl. Eph 6,12; Kol 2,15; Jud 6). Gewalten. Der Plural dieses oft verwendeten Wortes für »Macht« weist hier entweder hin auf Wunder oder auf Autoritätspersonen.
8,39 weder Hohes noch Tiefes. Das sind übliche astronomische Begriffe für die höchsten bzw. tiefsten Punkte einer Sternenbahn. Im ganzen Leben kann uns nichts widerfahren, was uns von der Liebe Christi trennen könnte. Möglicherweise will Paulus damit das ganze Weltall in seinem ganzem Ausmaß einschließen. noch irgendein anderes Geschöpf. Falls Paulus irgendetwas oder irgendjemanden ausgelassen hat, so deckt dieser Ausdruck alles ab, ausgenommen den Schöpfer selbst. Liebe Gottes. Vgl. 5,5-11.
9,1 Gewissen. S. Anm. zu 2,15. im Heiligen Geist. Dem Gewissen kann man nur dann vertrauen, wenn es vom Heiligen beherrscht wird. Dennoch bleibt es unvollkommen und seine Warnungen müssen stets im Licht des Wortes Gottes geprüft werden (vgl. 1Kor 4,3-5).
9,3 verbannt. Das gr. Wort ist anathema, was so viel bedeutet wie »dem Verderben in der ewigen Hölle preisgeben« (vgl. 1Kor 12,3; 16,22; Gal 1,8.9). Obwohl Paulus wusste, dass dieser Tausch nicht möglich war (8,38.39; Joh 10,28), war es dennoch ein aufrichtiger Ausdruck seiner tiefen Liebe zu seinen Mitjuden (vgl. 2Mo 32,32).
9,4 Israeliten. Die Nachkommen Abrahams über Jakob, dessen Namen Gott in »Israel« änderte (1Mo 32,28). Sohnschaft. Nicht im Sinne der automatischen Errettung aller, die als Juden geboren wurden (s. Anm. zu 8,15-23; vgl. 9,6), sondern die souveräne Auswahl einer ganzen Nation, welcher Gottes besondere Berufung galt sowie sein Bund und sein Segen, und die ihm als Zeugnis dienen sollte (2Mo 4,22; 19,6; Hos 11,1; vgl. Jes 46,3.4). Herrlichkeit. Die Wolke der Herrlichkeit (Schechina). Sie ist im AT ein Bild für die Gegenwart Gottes (2Mo 16,10; 24,16.17; 29,42.43; 3Mo 9,23). Die Gegenwart seiner Herrlichkeit war das herausragende Kennzeichen des Allerheiligsten, sowohl in der Stiftshütte als auch später im Tempel. Dieses Allerheiligste war sozusagen der Thronsaal Jahwes als König Israels (2Mo 25,22; 40,34; 1Kö 8,11). Bündnisse. S. Anm. zu 1Mo 9,16. Ein Bündnis ist ein rechtlich verbindliches Versprechen, eine Übereinkunft oder ein Vertrag. Im NT kommt das Wort »Bündnisse« drei Mal im Plural vor (Gal 4,24; Eph 2,12). Bis auf einen Bund sind alle Bündnisse Gottes mit dem Menschen ewig und unilateral, d.h. Gott verheißt, etwas zu bewirken, was nicht von der Reaktion auf seine verheißene Wohltat abhängig ist, sondern nur auf seinem eigenen Charakter beruht. Die 6 biblischen Bündnisse sind: 1.) Der Bund mit Noah (1Mo 9,8-17); 2.) der Bund mit Abraham (1Mo 12,1-3; s. Anm. zu 4,13); 3.) der Gesetzesbund, der durch Mose am Berg Sinai gegeben wurde (2Mo 19-31; vgl. 5Mo 29.30); 4.) der priesterliche Bund (4Mo 25,10-13); 5.) der Bund eines ewigen Königtums durch den Sohn Davids (2 Sam. 7,8-16); und 6.) der Neue Bund (Jer 31,31-34; Hes 37,26; vgl. Hebr 8,6-13). Bis auf den mosaischen Bund sind alle diese Bündnisse ewig und unilateral. Der Sinaibund ist weder ewig noch unilateral, da er durch Israels Sünde gebrochen und aufgehoben wurde. An seine Stelle ist der Neue Bund getreten (vgl. Hebr 8,7-13). Gottesdienst. Oder »Tempeldienst«. Das bezieht sich auf das gesamte Opfer- und Ritualsystem, das Gott durch Mose offenbart hatte (vgl. 2Mo 29,43-46). Verheißungen. Damit ist wahrscheinlich der verheißene Messias gemeint, der aus Israel kommen und ewiges Leben und ein ewiges Reich bringen sollte (vgl. Apg 2,39; 13,32-34; 26,6; Gal 3,16.21).
9,5 Väter. Die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, durch die die Verheißung des Messias erfüllt wurde. Christus … hochgelobter Gott. Diese Aussage war nicht in erster Linie als Segensspruch gedacht, sondern als Bekenntnis zur Oberhoheit und Gottheit Christi.
9,6 Wort Gottes. Das bezieht sich insbesondere auf die Vorrechte und Verheißungen, die Gott Israel offenbart hatte (V. 4; vgl. Jes 55,11; Jer 32,42). nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel. Nicht alle leiblichen Nachkommen Abrahams sind wahre Erben der Verheißung (s. Anm. zu 2,28.29).
9,7 Um die Wahrheit von V. 6 zu illustrieren, erinnert Paulus seine Leser: Sogar die nationalen Verheißungen an Abraham galten nicht allen seinen leiblichen Nachkommen, sondern nur denen, die von seinem Sohn Isaak abstammten. Vgl. 1Mo 21,12. Kinder. Nur die Nachkommen Isaaks konnten wahrhaft Kinder Abrahams genannt werden und waren damit Erben dieser nationalen Verheißungen (1Mo 17,19-21).
9,8 Kinder des Fleisches. Abrahams andere Kinder, die er von Hagar und Ketura hatte, waren nicht zum Erbe der nationalen Verheißungen auserwählt. Kinder Gottes. Durch diese Parallele zeigt Paulus: Genau wie nicht alle Nachkommen Abrahams zum natürlichen Volk Gottes – d. h. zur Nation Israel – gehörten, so gilt auch, dass nicht alle tatsächlichen Kinder Abrahams durch Isaak zum wahren geistlichen Volk Gottes gehören und die Verheißungen in Anspruch nehmen können, die Abrahams geistlichen Kindern gelten (4,6.11; vgl. 11,3.4).
9,9 Ein Zitat aus 1Mo 18,10.
9,11 die Kinder. Die Zwillinge Jakob und Esau. weder Gutes noch Böses getan. Dass Gott nicht Esau, sondern Jakob zur Fortführung der leiblichen Abstammungslinie erwählt hatte, basierte nicht auf Jakobs persönlichem Verdienst oder Versagen. der gemäß der Auserwählung gefasste Vorsatz Gottes. Vielmehr beruhte Gottes Auswahl Jakobs einzig und allein auf seinem souveränen Ratschluss. Das ist ein perfektes Beispiel für die Erwählung zum Heil. Gott hat einige Juden zum Heil erwählt, und einige Heiden – aber nicht alle. nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden. Dass Gott Jakob noch vor seiner Geburt und ohne persönlichen Verdienst erwählte, zeigt, dass die Erwählung zum geistlichen Leben unabhängig von jeder menschlichen Anstrengung geschieht und allein auf Gottes freier Wahl basiert, der als Schöpfer das Recht hat, zu erwählen, wen er will. s. Anm. zu 8,29; vgl. 1Kor 1,9).
9,12 Ein Zitat aus 1Mo 25,23.
9,13 Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst. Ein Zitat aus Mal 1,2.3. Hier geht es nicht um emotionalen Hass auf Esau und seine Nachkommen. Maleachi schrieb diese Aussage über 1.500 Jahre nach dem Tod dieser beiden Männer. Er blickte zurück auf sie und auf die beiden Nationen (Israel und Edom), die aus ihren Lenden hervorgegangen waren. Gott hatte den einen zum Segen und zur Bewahrung erwählt, den anderen überließ er dem göttlichen Gericht.
9,14 Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Wiederum ahnt Pau- lus, welche Einwände seine Leser gegen seine Lehre vorbringen würden: Wenn Gott einige Menschen zum Heil erwählt hat und andere nicht, und er dabei ihre Werke und Verdienste außer Acht lässt, dann könnte man meinen, er handle willkürlich und ungerecht (vgl. 1Mo 18,25; Ps 7,9; 48,10; 71,19; 119,137.142; Jer 9,23.24).
9,15 Ein Zitat aus 2Mo 33,19. Als Antwort auf den Vorwurf, eine solche Lehre über Gottes souveräne Erwählung sei unvereinbar mit seiner Gerechtigkeit, zitiert Paulus diesen alttestamentlichen Abschnitt, der eindeutig zeigt, dass Gott absolut souverän ist und erwählt, wer gerettet werden soll, ohne dabei gegen seine anderen Eigenschaften zu verstoßen. Er bestimmt es, wer Barmherzigkeit empfängt.
9,16 es. Gottes gnädige Auswahl eines bestimmten Volkes zum ewi- gen Leben (s. Anm. zu 8,29). jemandes Wollen. Die Errettung wird nicht durch eine menschliche Entscheidung ausgelöst – sogar der Glaube ist eine Gabe Gottes (s. Anm. zu 1,16; vgl. Joh 6,37; Eph 2,8.9). Laufen. Die Errettung wird nicht durch menschliche Bemühungen verdient (s. Anm. zu V. 11).
9,17 Ein Zitat aus 2Mo 9,16. Wie bereits in V. 15 ist auch dies ein alttestamentliches Zitat, das beweist, dass Gott souverän erwählt, wer seinen Zielen dienen soll und wie das geschieht. auferstehen lassen. Dieser Begriff bedeutet »aufstehen lassen«, »aufrichten« und bezeichnete häufi g das Aufstehen bzw. Aufkommen einer Führungsperson oder einer Nation, der oder die dadurch in eine führende Position kamen (vgl. Hab 1,6; Sach 11,16). Zweifellos dachte Pharao, seine Stellung und sein Handeln seien Ergebnis seiner eigenen Entscheidung, seine eigenen Zwecke zu verfolgen, aber in Wirklichkeit hatte er diese Stellung, weil er Gottes Zielen dienen musste. mein Name. Die Summe des Charakters Gottes (vgl. 2Mo 34,5-7).
9,18 Gottes machtvolle Errettung Israels aus der Hand Pharaos ver- deutlicht zwei damit einhergehende Wahrheiten: Mose wie auch Pharao waren beide verdorbene Sünder, sogar Mörder, und verdienten gleichermaßen den Zorn Gottes und ewige Strafe. Doch Mose empfi ng Barmherzigkeit, während Pharao unter das Gericht Gottes kam, denn so war es Gottes souveräner Wille (vgl. 11,7; Jos 11,18-20; 1Th 5,9; 2Pt 2,12). verstockt. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »verhärten«, »hart machen«. Doch beschreibt es häufi g bildhaft, dass jemand starrsinnig wird bzw. gemacht wird. In 2. Mose lesen wir 10-mal, dass Gott das Herz Pharaos verhärtete (z.B. 4,21; 7,3.13), und einige andere Male, dass Pharao selber sein Herz verhärtete (z.B. 8,32; 9,34). Das bedeutet nicht, dass Gott aktiv Unglauben oder ein anderes Übel in Pharaos Herz gelegt hätte (vgl. Jak 1,13), sondern vielmehr, dass er nicht mehr an Pharaos Herz wirkte. Bisher hatte sein göttliches Wirken Pharao vor Sünde bewahrt, doch nun ließ er Pharaos böses Herz ungehindert seiner Sünde nachgehen (vgl. 1,24.26.28).
9,19 Warum tadelt er dann noch? Der Einwand lautet: Wie kann Gott jemanden Sünde und Unglauben vorwerfen, wenn Gott doch in seiner Souveränität das Schicksal dieses Menschen vorausbestimmt hat?
9,20 o Mensch, wer bist denn du, dass du mit Gott rechten willst? Aus Paulus’ Antwort wird deutlich, dass sie sich nicht an solche richtet, die aufrichtige Fragen zu dieser schwierigen Lehre haben, sondern an solche, die versuchen, ihre eigene Sünde und ihren Unglauben zu entschuldigen. 9,20 Paulus verwendet das aus dem AT bekannte Gleichnis vom Töpfer (vgl. Jes 64,6-8; Jer 18,3-16). Wenn ein Mensch Gottes Erwählung bestimmter Sünder zum Heil in Frage stellt, ist das so irrational, wie wenn ein Stück Ton die Absicht des Töpfers in Frage stellen sollte, und dazu ist es anmaßend.
9,22 Diese Verse sollen nicht den Ursprung des Bösen identifi zie- ren oder logisch erklären, warum Gott das Böse zugelassen hat, sondern sie geben 3 Gründe an, weshalb Gott jetzt die Gegenwart und den Einfl uss des Bösen zulässt: 1.) Um seinen Zorn zu erweisen; 2.) um seine Macht zu verkünden; und 3.) um den Reichtum seiner herrlichen Gnade zu zeigen. Niemand wird ungerecht behandelt: Manche empfangen die Gerechtigkeit, die sie verdienen (6,23) und andere empfangen Gnade und Barmherzigkeit. 9,22 wollte. aktives Wollen, nicht passives Dulden. Gefäße des Zorns. Paulus knüpft an sein Gleichnis vom Töpfer an und spricht hier von denen, die nicht von Gott zum Heil erwählt sind, sondern die als gerechte Strafe für ihre Sünde Gottes Zorn erleiden werden (s. Anm. zu 1,18). getragen. Es wäre gerecht, wenn Gott Sünder bei ihrer ersten Sünde sofort vernichtet. Aber er vergilt ihnen nicht mit der ewigen Strafe, die jede Sünde unverzüglich verdienen würde, sondern trägt bzw. erträgt geduldig ihre Rebellion. S. Anm. zu 2,4. zum Verderben zugerichtet. Durch ihre eigene Ablehnung Gottes. Gott macht Menschen nicht sündig, sondern belässt sie in den Sünden, die sie sich selber ausgesucht haben (s. Anm. zu V. 18).
9,23 Herrlichkeit. Die Größe von Gottes Charakter, die insbeson- dere in der Gnade, Barmherzigkeit, im Mitgefühl und in der Vergebung gesehen wird, die er Sündern in Christus gewährt. Gefäßen der Barmherzigkeit. Die von Gott zum Heil Erwählten. die er zuvor … bereitet hat. Das bezieht sich auf göttliche Erwählung (s. Anm. zu V. 29).
9,25 Paulus beendet seine Erläuterung, dass Israels Unglaube nicht Gottes Erlösungsplan widerspricht, indem er aus dem AT zeigt: Der Unglaube entspricht genau dem, was die Propheten gesagt hatten (V. 25-29) und er stimmt überein mit Gottes Forderung des Glaubens (V. 30-33). 9,25 Paulus zitiert Hos 1,9.10; 2,23. Hosea sprach von der end- gültigen Wiederherstellung Israels für Gott, aber Paulus betont hier, dass eine Wiederherstellung notwendigerweise die derzeitige Entfremdung des Volkes von Gott bedingt. Daher steht Israels Unglaube im Einklang mit der Offenbarung des AT.
9,27 S. Jes 10,22.23. Jesaja prophezeite, dass aufgrund des Un- glaubens des Volkes das südliche Reich Juda erobert und die Bewohner zerstreut und somit zeitweilig von Gott verworfen werden würden. Paulus stellt heraus, dass die von Jesaja beschriebene Zerstreuung lediglich ein Vorausblick darauf war, dass Israel den Messias verwerfen und anschließend zerstört und zerstreut werden würde.
9,29 S. Jes 1,9. Wiederum wird nur ein Überrest Israels den Zorn Gottes überleben, und zwar allein aufgrund seines Erbarmens. Herr der Heerscharen. Vgl. Jak 5,4. Dieser AT-Titel für Gott heißt hebr. Jahwe Zebaoth und spricht von seiner allumfassenden Souveränität.
9,30 Zum Schluss seiner Lektion über Gottes souveräne Erwäh- lung erinnert Paulus seine Leser daran, dass Gott zwar einige für seine Barmherzigkeit erwählt hat, aber dass die Verlorenen nicht aufgrund von irgendetwas gerichtet werden, das Gott ihnen getan hat, sondern aufgrund ihres eigenen Unwillens, dem Evangelium zu glauben (vgl. 1Th 2,10). Sünder werden wegen ihrer eigenen Sünden verdammt, und die größte Sünde ist, dass sie Gott und Christus ablehnen (vgl. 2,2-6.9.12; Joh 8,21-24; 16,8-11). 9,30 die Gerechtigkeit aus Glauben. Gerechtigkeit, die von Gott kommt und auf Grundlage des Glaubens erteilt wird (s. Anm. zu 1,17).
9,31 Gesetz der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit, die durch Halten des Gesetzes verdient wird (vgl. 3,20; s. Anm. zu 8,3).
9,32 nicht aus Glauben. S. Anm. zu 3,21-24. aus Werken des Gesetzes. Durch Erfüllen aller Vorschriften des Gesetzes (vgl. Gal 2,16; 3,2.5, 10).
9,33 S. Jes 8,14 und 28,16. Lange vor dem Kommen des Messias hatten die alttestamentlichen Propheten vorausgesagt, dass Israel seinen Messias verwerfen werde. Das veranschaulicht erneut, dass der Unglaube Israels sich mit der Schrift deckt.
10,1 Flehen zu Gott für Israel. Dass Paulus als Apostel für die Hei- den berufen war, (11,13; Apg 9,15) änderte nichts an seiner ständigen Fürbitte zu Gott (vgl. 1Tim 2,1-3) um die Errettung Israels (vgl. 1,16; Joh 4,22; Apg 1,8) und ebenfalls nichts an seinen eigenen evangelistischen Bemühungen um die Juden.
10,2 Eifer für Gott. Dieser Eifer zeigte sich in ihrer Buchstabentreue zum Gesetz und im heftigen Widerstand gegen jeden Gegner des Judentums (Apg 22,3; 26,4.5; Gal 1,13.14; Phil 3,5.6).
10,3 die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen. Sie erkannten weder Gottes eigene Gerechtigkeit, die im Gesetz und dem übrigen AT offenbart ist (wodurch die Juden ihre eigene Ungerechtigkeit hätten erkennen müssen), noch die Gerechtigkeit, die von Gott auf Grundlage des Glaubens zugeteilt wird (s. Anm. zu 1,17). ihre eigene Gerechtigkeit. Diese eigene Gerechtigkeit basierte auf ihrem Erfüllen von Gottes Gesetz und häufi g auch auf den weniger anspruchsvollen Maßstäben ihrer eigenen Traditionen (Mk 7,1-13).
10,4 Christus ist das Ende des Gesetzes. Das gr. Wort, das hier mit »Ende« übersetzt ist, kann zwar auch »Erfüllung« oder »Abschluss« bedeuten, aber hier geht es nicht darum, dass Christus durch seine Lehre (Mt 5,17.18) oder sein sündloses Leben das Gesetz vollkommen erfüllt hat (2Kor 5,21). Vielmehr zeigt die zweite Hälfte des Verses, was Paulus meinte: Glaube an Christus als Herrn und Erretter beendet die vergebliche Suche des Sünders nach Gerechtigkeit durch seine eitlen Versuche, in eigener Kraft das Gesetz zu halten und sich so selber zu retten (vgl. 3,20-22; Jes 64,6; Kol 2,13.14).
10,5 die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt. Eine Stel- lung der Gerechtigkeit vor Gott auf Grundlage des Gehorsams gegenüber dem Gesetz. Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben. Ein Zitat aus 3Mo 18,5. Wer auf eine Gerechtigkeit hofft, die auf Gehorsam gegenüber dem Gesetz basiert, muss notwendigerweise in jedem Detail dem Gesetz genügen (Gal 3,10; Jak 2,10; vgl. 5Mo 27,26). Das ist absolut unmöglich.
10,6 Paulus personifi ziert die Gerechtigkeit aus Glauben und legt ihr ein Zitat aus 5Mo 30,12.13 in den Mund. Er will sagen, dass die Gerechtigkeit aus Glauben keine unmögliche Odyssee durch das Universum erfordert, um Christus zu fi nden.
10,8 Das Wort ist dir nahe. Ein Zitat aus 5Mo 30,14. Die Reise aus V. 6.7 ist unnötig, weil Gott den Weg des Heils klar geoffenbart hat: Durch Glauben wird man errettet. Wort des Glaubens. Die Botschaft des Glaubens ist der Weg zu Gott.
10,9 Jesus als den Herrn bekennst. Das ist nicht lediglich das Anerkennen, dass er Gott und Herr des Universums ist – denn das erkennen sogar die Dämonen als Wahrheit an (Jak 2,19). Dieses Bekenntnis ist die persönliche, vorbehaltlose Überzeugung, dass Jesus auch der Herr und Meister über mein eigenes Leben ist. Dieser Ausdruck umfasst Buße und Abkehr von Sünden, Vertrauen auf Jesus zur Errettung und die Unterwerfung unter ihn als Herrn. Das ist der willentliche Aspekt des Glaubens (s. Anm. zu 1,16). in deinem Herzen glaubst. S. Anm. zu 1,16. dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat. Die Auferstehung Christi ist das höchste Gültigkeitssiegel für sein Werk (vgl. Joh 2,18-21). Glaube an die Auferstehung ist heilsnotwendig, denn sie beweist, dass Christus Gottes Sohn ist und dass der Vater sein stellvertretendes Opfer für Sünder angenommen hat (4,24; vgl. Apg 13,32.33; 1Pt 1,3.4). Ohne Auferstehung gibt es kein Heil (1Kor 15,14-17). S. Anm. zu 1,4. wirst du gerettet. S. Anm. zu 1,16.
10,10 bekennt. Dieses gr. Wort bedeutet wörtl. »dasselbe sa- gen« oder »übereinstimmen mit«. Wer Jesus als Herrn bekennt (V. 9), stimmt mit der Erklärung des Vaters überein, dass Jesus Retter und Herr ist.
10,11 Ein Zitat aus Jes 28,16 und 49,23. Dieses Zitat zeigt nicht nur, dass die Errettung aus Gnade allein durch Glauben schon immer Gottes Plan war, sondern dass dieser Plan schon immer für alle galt – einschließlich der Heiden (1,16; 3,21.22; 2Pt 3,9; s.a. Jon 3,5).
10,12 Es ist ja kein Unterschied. Vgl. 3,22.23; Gal 3,28.29; Eph 2,11-13; 3,4-6. 10,13 Mit seinem Zitat aus Joel (2,32) betont Paulus, dass die Errettung für alle Menschen aus allen Nationen und Völkern bereitsteht. den Namen des Herrn anruft. Dieser aus dem AT vertraute Ausdruck (z.B. Ps 79,5.6; 105,1; 116,4.5) bezeichnet keinen Verzweifl ungsruf an irgendeine Gottheit, sondern an den einen wahren Gott, der sich geoffenbart hat und dessen Offenbarung nunmehr das Anerkennen Jesu Christi als Herrn einschließt (V. 9) sowie das Anerkennen des Einen, der Jesus von den Toten auferweckt hat (V. 9).
10,14 Paulus will mit dieser Reihe rhetorischer Fragen vor allem zeigen, dass zuerst eine klare Verkündigung des Evangeliums nötig ist, wenn wahrer, rettender Glaube folgen soll. Wahrer Glaube hat stets einen Inhalt – das offenbarte Wort Gottes. Errettung wird denen zuteil, die das Evangelium hören und glauben.
10,15 lieblich … die Füße derer, die Frieden verkündigen. Ein Zitat aus Jes 52,7. Die so willkommene Kunde ist die frohe Botschaft, die diese Füße bringen.
10,16 dem Evangelium gehorcht. Die frohe Botschaft ist nicht nur ein gnädiges Angebot, sondern eine Aufforderung zu Glauben und Buße (1,4-6; 2,8; 6,17; Apg 6,7; 2Th 1,7.8; Hebr 5,9). unserer Verkündigung geglaubt. Ein Zitat aus Jes 53,1. Die Verkündigung, die Jesaja hier meint, ist die Botschaft vom stellvertretenden Tod Christi (Jes 53,5), das ist die frohe Botschaft des Evangeliums.
10,17 Glaube aus der Verkündigung. Wörtl. »aus dem Gehör- ten«. S. Anm. zu V. 14.15. durch Gottes Wort. Die bevorzugte Lesart ist »durch das Wort Christi«, d.h. »durch die Botschaft über Christus«, nämlich das Evangelium (vgl. Mt 28,19.20; Apg 20,21). 10,18 Paulus führt dieses Zitat von Ps 19,4 aus der LXX an (der gr. Übersetzung des hebr. AT). Er zeigt damit, dass auch David begriffen hatte, dass Gottes Selbstoffenbarung auf der ganzen Erde bekannt war (vgl. 1,18-20; Jer 29,13; Mt 24,14; Joh 1,9; Kol 1,5.6).
10,19 Israel kannte nicht die Heilsbotschaft seiner eigenen Schriften, einschließlich der Wahrheit, dass das Evangelium die Heiden erreichen würde, wie es in 5Mo 32,21 und Jes 65,1.2 verheißen war. 10,19 das, was kein Volk ist. Das sind die Heiden, die nicht zu Israel als Gottes besonderem, auserwähltem Volk gehörten.
10,20 Ein Zitat aus Jes 65,1.2.
10,21 ungehorsamen. Wörtl. »widersprechend« oder »dagegen- redend«. Während seiner gesamten Geschichte hatte Israel dem Wort Gottes widersprochen – dieses Mal der Wahrheit des Evangeliums (vgl. Mt 21,33-41; Lk 14,21-24).
11,1 In diesem Abschnitt beantwortet Paulus die Frage, die sich logischerweise aus 10,19-21 ergibt: Setzt Gott Israel für immer beiseite, weil dieses Volk Christus abgelehnt hat? Damit ist die Frage aufgeworfen, ob man Gott noch vertrauen könne, dass er seine bedingungslosen Verheißungen an dieses Volk einhält (vgl. Jer 33,19-26). 11,1 verstoßen. Von sich stoßen. Die Frage im gr. Grundtext lässt eine verneinende Antwort erwarten. Trotz Israels Ungehorsam (9,1-13; 10,14-21) hat Gott sein Volk nicht verworfen (vgl. 1Sam 12,22; 1Kö 6,13; Ps 89,31-37; 94,14; Jes 49,15; 54,1-10; Jer 33,19-26). Das sei ferne! Die stärkste Form der Verneinung im Gr. (s. Anm. zu 6,2).
11,2 das er zuvor ersehen hat. S. Anm. zu 8,29. Israels Ungehor- sam hebt Gottes vorherbestimmte Liebesbeziehung zu diesem Volk nicht auf. Elia. S. Anm. zu 1Kö 17,1.
11,3 Ein Zitat aus 1Kö 19,10.
11,4 Ein Zitat aus 1Kö 19,18. Baal. S. Anm. zu 1Kö 16,31.32; vgl. 4Mo 22,41.
11,5 ein Überrest. Wenngleich die Nation als ganze Jesus verwor- fen hatte, so kamen dennoch Tausende einzelner Juden zum Glauben an ihn (vgl. Apg 2,41; 4,4; 6,1). Gnadenwahl. Wörtl. »Auswahl der Gnade«. Gott erwählte seinen Überrest nicht aufgrund eines vorausgesehenen Glaubens, guter Werke, geistlicher Würdigkeit oder ethnischen Erbes, sondern allein aufgrund seiner Gnade (vgl. 5Mo 7,7.8; Eph 2,8.9; 2Tim 1,9).
11,6 aus Gnade … nicht mehr um der Werke willen. Mensch- liche Anstrengungen und Gottes Gnade schließen sich gegenseitig aus; nur eines kann der Heilsweg sein (vgl. 3,21-31; 4,1-11; 9,11; Gal 2,16.21; 3,11.12.18; Tit 3,5).
11,7 Was Israel sucht. Trotz ihres religiösen Eifers hatten die da- maligen Juden die Gerechtigkeit Gottes nicht erlangt (9,31.32; 10,2.3). die Auswahl. Die von Gott in seiner Gnade Erwählten hingegen suchten und fanden seine Gerechtigkeit (s. Anm. zu 9,30; 10,4). wurden verstockt. Das bedeutet hier so viel wie »blind gemacht«, und zwar durch einen richterlichen Akt Gottes (vgl. 2Mo 4,21; 7,3; 9,12; 10,20.27; 11,10; 14,4.8.17; 5Mo 2,30; Joh 12,40) als Antwort auf ihre verstockten Herzen (vgl. 2Mo 8,15.32; 9,34; 10,1; 2Chr 36,13; Ps 95,8; Spr 28,14; Mt 19,8; Mk 3,5; Eph 4,18; Hebr 3,8.15; 4,7).
11,8 Diese AT-Zitate illustrieren beide Gottes richterliches Verhär- ten des ungläubigen Volkes Israel und zeigen, dass Paulus der Lehre des AT nicht widerspricht, sondern im völligen Einklang damit steht. 11,8 wie geschrieben steht. S. Anm. zu 3,10. Der erste Satz ist ein Zitat aus Jes 29,10 und der restliche Teil stammt aus 5Mo 29,4.
11,9 übertragen aus Ps 69,22.23. Man hielt den »Tisch« einer Person für einen sicheren Platz, aber der Tisch des Gottlosen ist eine Falle. Viele Menschen vertrauen gerade auf die Dinge, durch die sie verdammt werden. 11,11 gestrauchelt … fallen. Die Form der Frage (s. Anm. zu V. 1) und die leidenschaftliche Verneinung bestätigen, dass Israels Blindheit, Verhärtung und Abfall nicht unumkehrbar sind. ihren Fall. Israels Verwerfung Jesu Christi. das Heil den Heiden. Das war im AT lange vo rausgesagt (vgl. 1Mo 12,3; Jes 49,6; Mt 8,11.12; 21,43; 22,1-14; Apg 13,46.47; 28,25-28). um sie zur Eifersucht zu reizen. Gott will sein Heilsangebot an die verachteten Heiden (s. Anm. zu Apg 22,21-23) dazu verwenden, das Volk Israel zurück zu ihm zu ziehen (V. 25-27). 11,12 Reichtum der Welt. Die reiche Wahrheit der Errettung (1Mo 12,3; Jes 49,6; vgl. 2Kor 8,9). ihr Verlust. Da die heidenchristliche Gemeinde Jesus von Nazareth als ihren Messias anerkannte, bekam sie das Vorrecht, als Gottes Volk Gottes Zeugnis zu sein. ihre Fülle. Ihre künftige geistliche Erneuerung (Offb 7,4.9; vgl. Sach 8,23; 12,10; 13,1; 14,9.11.16). Israels »Fall« und »Verlust« sind nur zeitweilig (V. 25-27).
11,13 Apostel der Heiden. S. Apg 18,6; 22,21; 26,17.18; Eph 3,8; 1Tim 2,7.
11,14 meine Volksgenossen. Wörtl. »mein Fleisch«, d.h. seine Mitjuden (s. Anm. zu 9,3).
11,15 ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt … ihre An- nahme. S. Anm. zu V. 12. Leben aus den Toten. Nicht die leibliche Auferstehung, sondern das Erstehen aus dem geistlichen Tod zum geistlichen Leben (Joh 5,24). Dieser Ausdruck beschreibt außerdem die künftige geistliche Wiedergeburt Israels (vgl. V. 25-27; Sach 12,10; 13,1).
11,16 Erstlingsgabe. Der erste Teil der Ernte; er wurde dem Herrn gegeben (2Mo 23,19; 34,26; 3Mo 2,12; 23,10; 4Mo 15,19-21; 18,12.13; 5Mo 18,4). heilig … auch der Teig. Weil die Erstlingsgabe die gesamte Ernte repräsentierte, konnte das erste Stück Teig als heilig, d.h. für Gott abgesondert, bezeichnet werden (vgl. 2Mo 31,15; 3Mo 27,14.30.32; Jos 6,19). Wurzel. Die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob. S. Anm. zu 4,13. Zweige. Die Nachkommen der Patriarchen: das Volk Israel.
11,17 In diesem Abschnitt warnt Paulus die Heiden vor Stolz und Überheblichkeit (vgl. V. 18.20), denn wegen dieser Dinge wurde Israel verworfen und wurden die Heiden eingepfropft. 11,17 Zweige ausgebrochen. S. Jer 5,10; 11,16.17; Mt 21,43. Einige, aber nicht alle Zweige Israels (s. Anm. zu V. 16) wurden entfernt; Gott bewahrte sich stets einen gläubigen Überrest (vgl. V. 3.4). ein wilder Ölzweig … eingepfropft. Oliven waren in der Welt der Antike ein wichtiges Erzeugnis. Ölbäume wurden häufi g mehrere hundert Jahre alt, und einzelne Zweige hörten oft auf, Frucht zu tragen. Dann wurden Zweige von jüngeren Bäumen eingepfropft, und das mehrte die Fruchtbarkeit wieder. Paulus will sagen, dass die alten, fruchtlosen Zweige (Israel) herausgebrochen und Zweige von einem wilden Ölbaum (die Heiden) eingepfropft wurden. an der Wurzel und der Fettigkeit. Da die Heiden nun eingepfropft sind, sind sie als geistliche Erben Abrahams Teilhaber der reichen Bundessegnungen Gottes (s. Anm. zu 4,11; Gal 3,29). des Ölbaums. Der Ort göttlichen Segens; Gottes Heilsbund mit Abraham (1Mo 12,1-3; 15,1-21; 17,1-27).
11,18 überhebe dich nicht. In der Gemeinde gibt es keinen Platz für geistlichen Stolz, und noch viel weniger für Antisemitismus – denn wir sind die geistlichen Nachkommen Abrahams (4,11.16; Gal 3,29). Zweige. Die ungläubigen Juden, die herausgebrochen wurden. die Wurzel trägt dich. Die Heiden sind nicht die Quelle des Segens, sondern wurden in den Heilsbund eingepfropft, den Gott mit Abraham geschlossen hatte (vgl. Gal 3,6-9.13.14).
11,19 Zweige. S. Anm. zu V. 17. eingepfropft. S. Anm. zu V. 18.
11,20 Unglauben … Glauben. Die Zweige wurden nicht aufgrund von Volkszugehörigkeit, Abstammung, sozialem oder intellektuellem Hintergrund oder äußerer Moral herausgebrochen bzw. eingepfropft, sondern einzig und allein aufgrund des Glaubens. Die Errettung geschieht immer und ausnahmslos allein durch Glauben (vgl. 1,16.17; Eph 2,8.9). fürchte dich. S. 1Kor 10,12; 2Kor 13,5. Gott wird die abgefallene Kirche richten (vgl. Offb 2,15.16; 3,16), genauso gewiss, wie er das abgefallene Israel gerichtet hat. 11,21 Wenn Israel (die »natürlichen Zweige«) nicht verschont wurde, obwohl es Gottes Bundesvolk war, warum sollten dann die Heiden als Fremdlinge bezüglich der Bündnisse (Eph 2,11.12; s. Anm. zu 9,4) Schonung erwarten, wenn sie gegen die Wahrheit des Evangeliums sündigen?
11,22 sieh nun die Güte und die Strenge Gottes. Alle Eigen- schaften Gottes wirken harmonisch zusammen. Zwischen seiner Güte und Liebe einerseits und seiner Gerechtigkeit und seinem Zorn andererseits bestehen keinerlei Konfl ikte. Wer sein gnädiges Heilsangebot annimmt, erfährt seine Güte (2,4); wer es ablehnt, erfährt seine Strenge (2,5). die, welche gefallen sind. Die ungläubigen Juden aus V. 12-21. Wer Gottes Heilsangebot ausschlägt, bringt den totalen geistlichen Ruin über sich. sofern du … bleibst. Rettender Glaube harrt stets aus (vgl. Joh 8,31; 15,5.6; Kol 1,22.23; Hebr 3,12-14; 4,11; 1Joh 2,19). abgehauen. Dieses Wort stammt von derselben gr. Wurzel wie der Begriff, der in diesem Vers bereits mit »Strenge« übersetzt wurde. Gott wird jeden, der ihn verwirft, zügig und streng richten.
11,23 In Zukunft wird Israel zur Buße über seinen Unglauben kommen und seinen Messias annehmen (Sach 12,10). In den Worten der obigen Analogie ausgedrückt, wird Gott dann die (gläubigen) Juden freudig in den Ölbaum seines Bundes zurückpfropfen, weil das ihr ursprünglicher Platz ist (9,4) – im Gegensatz zu den wilden Zweigen (die Heiden, vgl. Eph 2,11.12).
11,25 Geheimnis. Dieses Wort bezeichnet neutestamentliche Wahr- heiten, die zuvor noch nicht offenbart worden waren (s. Anm. zu 1Kor 2,7; Eph 3,3-6). Dieses Geheimnis besteht aus zwei Komponenten: 1.) Israel wurde zum Teil geistlich verhärtet und 2.) wird diese Verhärtung nur so lange andauern, wie Gott es bestimmt hat. S. Anm. zu 16,25. selbst für klug haltet. Eine weitere Warnung an die Heiden vor geistlichem Stolz und Überheblichkeit (s. Anm. zu V. 17-24). zum Teil Verstockung. Die Verstockung oder Blindheit betrifft nicht jeden einzelnen Juden. Zu allen Zeiten hat Gott sich stets einen gläubigen Überrest bewahrt (s. Anm. zu V. 5.17). bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist. »Bis« bezieht sich auf einen bestimmten Zeitpunkt, »Vollzahl« spricht von Vollständigkeit, »eingegangen ist« gibt ein gr. Verb wieder, das häufi g eine künftige Errettung bezeichnet (vgl. Mt 5,20; Mk 9,43.45.47; Joh 3,5; Apg 14,22). Israels geistliche Verstockung (die mit ihrem Verwerfen von Jesus als Messias begann) wird so lange dauern, bis die vollständige Zahl erwählter Heiden zur Errettung gelangt ist.
11,26 Ein Zitat aus Jes 59,20.21. 11,26 ganz Israel. Das ist nicht der gläubige Überrest von Juden, die im jetzigen Zeitalter zur Gemeinde gehören, sondern es sind alle erwählten Juden, die am Ende der Trübsalszeit noch leben (s. Anm. zu V. 5.17). Da der damalige Überrest bereits die Wahrheit des Evangeliums angenommen hat (s. Anm. zu V. 25), kann es hier nicht um diesen gehen, denn dieser Überrest braucht die Errettung, die dieser Vers verheißt, nicht mehr anzunehmen. Aus Zion wird der Erlöser kommen. S. Ps 14,7; 53,6; Jes 46,13. Die Herrschaft des Herrn Jesus Christus wird mit dem Berg Zion verbunden sein (Ps 110,2). Zion. S. Anm. zu 9,33. 11,27 Bund. Der Bund mit Abraham (1Mo 12,1-3; Jes 59,21). wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde. Ein Zitat aus Jes 27,9. Eine notwendige Vorbedingung für die Errettung Israels (vgl. Hes 36,2529; Hebr 8,12).
11,28 Evangelium … Feinde. Israels zeitweilige Situation während der Zeit seiner geistlichen Verstockung (s. Anm. zu V. 25). hinsichtlich der Auserwählung. Aus der Perspektive der ewigen Erwählung gesehen, wird Israel immer Gottes Bundesvolk bleiben (s. Anm. zu V. 1). um der Väter willen. Die Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob), d.h. die Empfänger des Bundes mit Abraham (2Mo 2,24; 3Mo 26,4; 2Kö 13,23).
11,29 Gottes Gnadengaben … können ihn nicht reuen. S. Anm. zu V. 1. Genau wie die Erwählung einzelner Gläubiger ist auch Gottes souveräne Erwählung Israels bedingungslos und unabänderlich, weil sie in seinem unveränderlichen Wesen begründet ist und im unilateralen, ewigen Bund mit Abraham zum Ausdruck kommt (s. Anm. zu 9,4).
11,30 Gott wird seine Gnade auch den ungläubigen Juden er- weisen, genau wie er sie auch den ungläubigen Heiden erwiesen hat (vgl. Röm 5,8). Die Errettung sowohl von Juden als auch von Heiden entspringt stets der Barmherzigkeit Gottes (vgl. 1Tim 1,12-14). 11,32 Gott ist nicht der Urheber von Sünde (Ps 5,4; Hab 1,13; Jak 1,13), aber er ließ es zu, dass der Mensch seinen sündigen Neigungen nachging. So wird Gott dadurch verherrlicht, dass er seine Gnade und Barmherzigkeit gegenüber ungehorsamen Sündern erweist (vgl. Eph 2,2; 5,6).
11,33 Die Majestät, Erhabenheit und Weisheit von Gottes Plan, der in V. 1-32 geoffenbart ist, veranlasste Paulus zu diesem Lobpreis. Diese Doxologie ist nicht nur eine angemessene Antwort auf Gottes künftigen Plan für Israel (Kap. 9-11), sondern auch auf die ganze Darlegung der Rechtfertigung durch Glauben (Kap. 1-11). 11,33 Weisheit. S. Ps 104,24; Dan 2,20; Eph 3,10; Offb 7,12. Erkenntnis. Gottes Allwissenheit (vgl. 1Sam 2,3; 1Kö 8,39; Ps 44,21; 147,5). Gerichte. Gottes Vorsätze oder Ratschlüsse, die das menschliche Denken übersteigen (vgl. Ps 36,6). Wege. Die Methoden, die Gott wählte, um seine Vorsätze zu verwirklichen (vgl. Hi 5,9; 9,10; 26,14).
11,34 Ein Zitat aus Jes 40,13.
11,35 Ein Zitat aus Hi 41,11.
11,36 S. 1Kor 8,6; 15,28; Eph 1,23; 4,6; Hebr 2,10. Gott ist die Quelle, der Erhalter und das rechtmäßige Ziel von allem, was existiert.
12,1 – 16,27 In diesen letzten 5 Kapiteln erklärt Paulus sehr detail- liert, wie Gläubige die lehrmäßigen Wahrheiten der Kap. 1-11 ausleben sollen. Gott hat den Gläubigen in seiner Gnade so viel gegeben, dass sie nun zu dankbarem Gehorsam ermahnt werden. 12,1 ermahne. Die Grundbedeutung dieses gr. Wortes ist »zur Hilfe, zur Seite rufen«. Der Herr benutzte ein verwandtes Wort als Titel für den Heiligen Geist, das häufi g mit »Tröster« übersetzt wird (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7). Zum Bedeutungsumfang dieses Wortes gehören auch »ermahnen«, »ermuntern« und »beraten«. Paulus sprach als Ratgeber zu seinen Lesern, aber sein Rat hatte das volle Gewicht seines Apostelamtes. nun. Oder »daher«. Das bezieht sich auf den letzten Vers seiner Doxologie in 11,36. Da Gott alles zu seiner Herrlichkeit gewirkt hat, müssen wir uns diesem Zweck hingeben. Barmherzigkeit Gottes. Wörtl. »Barmherzigkeiten« (Plural). Das sind die gewaltigen Gnadenerweise Gottes, die Paulus in den ersten 11 Kapiteln vorgestellt hat. Dazu gehören Gottes Liebe (1,7; vgl. 5,5; 8,35.39), Gnade (1,6.7; 3,24; 5,2.20.21; 6,15), Gerechtigkeit (1,17; 3,21.22; 4,5.6.22-24; 5,17.19) und die Gabe des Glaubens (1,5.17; 3,22.26; 4,5.13; 5,1; 10,17; 12,3). eure Leiber darbringt als ein lebendiges … Opfer. Unter dem Alten Bund hatte Gott tote Tiere als Opfer angenommen. Doch da Christi Opfer diese Vorschattungen erfüllt hat, haben die alttestamentlichen Opfer keine Bedeutung mehr (Hebr 9,11.12). Für den Gläubigen in Christus ist es der einzige für Gott annehmbare Gottesdienst, sich selbst völlig dem Herrn aufzuopfern. Der – zwar noch unerlöste (s. Anm. zu 6,6.12; 7,5; vgl. 8,11.23) – Körper des Gläubigen muss Gott als Werkzeug der Gerechtigkeit hingegeben werden (6,12.13; vgl. 8,11-13). vernünftiger Gottesdienst. »Vernünftig«, im Gr. steht »logisch«. Im Licht all der geistlichen Reichtümer des Gläubigen, die er allein aufgrund der Gnade Gottes besitzt (Röm 11,33.36), ist es die logische Folge, dass er Gott die höchste Form des Gottesdienstes schuldet. Dieser Aussage liegt der Gedanke des priesterlichen, geistlichen Dienstes zugrunde, der ein wichtiger Bestandteil des alttestamentlichen Gottesdienstes war.
12,2 passt euch nicht … an. »Anpassen« spricht vom Annehmen einer äußeren Erscheinung, die etwas widerspiegelt, was innerlich nicht vorhanden ist, also eine Art Maskerade oder Schauspielerei. Die Form des Wortes impliziert, dass dies bei den Lesern bereits der Fall war. So ermahnt sie Paulus, diesem Prozess Einhalt zu gebieten. diesem Weltlauf. Oder »Zeitalter«. Das bezieht sich auf die Glaubens- und Wertesysteme – oder den Zeitgeist – der jeweiligen Zeit und Mode der Welt. Diese Summe zeitgemäßer Denkweisen und Werte bildet die moralische Atmosphäre unserer Welt und wird stets von Satan beherrscht (vgl. 2Kor 4,4). verändern. Das gr. Wort, von dem das Fremdwort »Metamorphose« stammt (ein Umwandlungsprozess, z.B. von einer Raupe zum Schmetterling), bezeichnet eine Veränderung der äußeren Erscheinung. Mit demselben Wort beschreibt Matthäus die Verklärung des Herrn (Mt 17,2). Genau wie Christus bei der Verklärung für kurze Zeit und in begrenzter Weise seine innere, göttliche Natur und Herrlichkeit zeigte, sollten Christen ihre innere, erlöste Natur hervortreten lassen, und zwar nicht nur einmal, sondern täglich (vgl. 2Kor 3,18; Eph 5,18). Erneuerung eures Sinnes. Diese Umwandlung kann nur geschehen, wenn der Heilige Geist unser Denken verändert, indem wir beständig die Bibel lesen und darüber nachdenken (Ps 119,11; vgl. Kol 1,28; 3,10.16; Phil 4,8). Der erneuerte Sinn ist erfüllt und beherrscht vom Wort Gottes. der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes. Ein geheiligtes Leben, das Gott gefällt. Diese Worte sind der Sprache der alttestamentlichen Opfer entlehnt und beschreiben ein moralisch und geistlich makelloses Leben, genau wie die Opfertiere makellos sein mussten (vgl. 3Mo 22,19-25).
12,3 Gnade. Die unverdiente Gunst Gottes, durch die Paulus zum Apostel berufen wurde und die ihm geistliche Autorität verlieh (Röm 1,1-5; vgl. 1Kor 3,10; Gal 2,9) und außerdem aufrichtige Demut hervorbrachte (1Tim 1,12-14). sich zu denken gebührt. Ein gesundes Urteilsvermögen, das den Gläubigen erkennen lässt, dass er in sich selbst nichts ist (vgl. 1Pt 5,5) und das die Frucht der Demut hervorbringen wird (vgl. 3Joh 9). Maß des Glaubens. Die angemessene Proportion der geistlichen Gabe – bzw. der übernatürlichen Begabung und Befähigung –, die der Heilige Geist jedem Gläubigen gibt (s. Anm. zu 1Pt 4,10.11), damit er seine Aufgabe im Leib Christi erfüllen kann (1Kor 12,7.11). »Glauben« ist hier nicht rettender Glaube, sondern vielmehr treue Verwalterschaft, d.h. die Art und Menge von Glauben, die für die Ausübung der jeweils eigenen Gabe erforderlich ist (vgl. 1Kor 12,7.11). Jeder Gläubige empfängt genau die Gabe und die Befähigung, die er braucht, um seine Rolle im Leib Christi zu erfüllen. 12,4-8 Eine von zwei Abschnitten im NT (vgl. 1Kor 12,12-14), die allgemeine Kategorien geistlicher Gaben aufl istet. Bei beiden Aufl istungen liegt die Betonung nicht darauf, dass der Gläubige seine Gabe richtig erkennen soll, sondern auf der treuen Ausübung der einzigartigen Befähigung, die Gott jedem einzelnen gegeben hat. Die Unterschiede zwischen den beiden Listen weisen eindeutig darauf hin, dass diese Gaben wie eine Palette von Grundfarben sind, aus denen Gott bei jedem Gläubigen eine Mischung auswählt und dem Leben des Jüngers somit einen einzigartigen Farbton verleiht (s. Anm. zu V.6-8; 1Kor 12,12-14).
12,4 an einem Leib viele Glieder. Wie dem natürlichen Leib hat Gott in seiner Souveränität auch dem Leib Christi verschiedene Glieder und Bestandteile gegeben, die als Einheit zusammengehören (s. Anm. zu 1Kor 12,14-20).
12,5 in Christus. S. Anm. zu 8,1; Eph 1,3-14.
12,6 Gnadengaben. S. Anm. zu 12,3. gemäß der uns verliehe- nen Gnade. D.h. völlig unverdient (s. Anm. zu V. 3). Sowohl die Gabe selbst (1Kor 12,4), als auch die besondere Weise, wie sie eingesetzt wird (1Kor 12,5) sowie die geistlichen Ergebnisse (1Kor 12,6) sind alle souverän vom Heiligen Geist gewählt und haben nichts mit persönlichem Verdienst zu tun (1Kor 12,11). Weissagung. Oder Prophetie. S. Anm. zu 1Kor 12,10. Dieses gr. Wort heißt wörtl. übersetzt etwa »hervorsagen« und beinhaltet nicht unbedingt Vorhersagen der Zukunft oder irgendwelche mystischen oder übernatürlichen Aspekte. Zwar sagten in der Apg einige Propheten zukünftige Ereignisse voraus (11,27.28; 21,10.11), doch andere sagten nichts über die Zukunft, sondern redeten die Wahrheit Gottes und ermutigten und stärkten so ihre Hörer (15,32; vgl. V. 22-31). Die Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass im 1. Jhdt., bevor das NT vervollständigt wurde und die Zeichengaben aufhörten (s. Anm. zu 1Kor 13,8; vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,3.4), Prophetie sowohl nicht-offenbarende als auch offenbarende Facetten umfasste. In ihrem nicht-offenbarenden Sinn bezeichnet »Prophetie« einfach die Fähigkeit, das Wort Gottes öffentlich zu verkündigen (s. Anm. zu 1Kor 14,3.24.25; 1Pt 4,11). in Übereinstimmung mit dem Glauben. D.h. in Übereinstimmung mit der vollständig offenbarten Botschaft bzw. Gesamtlehre des christlichen Glaubens (Jud 3; vgl. 2Tim 4,2). Der Prediger muss genau darauf achten, dass er dieselbe Botschaft verkündet, die auch die Apostel überlieferten. Oder dieser Ausdruck bezieht sich auf das persönliche Verständnis des Gläubigen und seine Einsicht ins Evangelium (s. Anm. zu V. 3).
12,7 Dienst. gr. Diakonie, davon abgeleitet »Diakone«. Das Wort bezeichnet alle, die dienen. Diese Gabe hat, wie die Gabe der Hilfeleistung (1Kor 12,28), eine breite Anwendung und umfasst jede Art praktischer Hilfe (vgl. Apg 20,35; 1Kor 12,28). Lehre. Die Fähigkeit, Gottes Wahrheit auszulegen, zu erklären, systematisch darzulegen und anderen klar zu vermitteln (vgl. Apg 18,24.25; 2Tim 2,2). Hirten müssen diese Lehrgabe haben (1Tim 3,2; Tit 1,9; vgl. 1Tim 4,16), doch auch viele reife, qualifi zierte Laien haben sie. Lehren ist etwas anderes als predigen (prophezeien) – zwar nicht inhaltlich, aber was die einzigartige Fähigkeit der öffentlichen Verkündigung betrifft (s. Anm. zu V. 6).
12,8 Ermahnung. Die Gabe, die einen Gläubigen befähigt, andere zum Gehorsam und zum Befolgen des Wortes Gottes zu bewegen (s. Anm. zu V. 1). Sie kann in negativer Weise eingesetzt werden, um bei Sünden zurechtzuweisen und zu korrigieren (2Tim 4,2), oder auch in positiver Weise zur Ermutigung, Tröstung und Stärkung von entmutigten und belasteten Gläubigen (vgl. 2Kor 1,3-5; Hebr 10,24.25). gibt. Das aufopfernde Teilen und Geben der eigenen Mittel und seiner selbst, um die Bedürfnisse anderer zu stillen (vgl. 2Kor 8,3-5.9; 11; Eph 4,28). Einfalt. Einfachheit, Redlichkeit und offenherzige Großzügigkeit. Der Gläubige mit der richtigen Herzenshaltung erwartet für seine Gabe nicht Dankbarkeit oder persönliche Anerkennung, sondern gibt, um Gott zu ehren (vgl. Mt 6,2; Apg 2,44.45; 4,37-5,11; 2Kor 8,2-5). vorsteht. Paulus nennt dieses Gabe »Verwaltung« (1Kor 12,28), was so viel bedeutet wie »Leitung« Der Steuermann auf einem Schiff heißt »Vorsteher« (Apg 27,11; Offb 18,17). Im NT bezeichnet dieses Wort nur Leiterschaft in der Familie (1Tim 3,4, 5.12) und in der Gemeinde (1Kor 12,28; 1Tim 5,17; vgl. Apg 27,11; Offb 18,17). Auch hier gilt, dass die Leiter der Gemeinde diese Gabe ausüben müssen, wenngleich die Gabe sich gewiss nicht auf die Leiter beschränkt. Barmherzigkeit übt. Jemand, der aktiv Mitgefühl und Aufmerksamkeit für solche zeigt, die von Leid und Sorgen geplagt sind, und der sowohl die Bereitschaft als auch die Mittel hat, um ihnen zu helfen. Diese Gabe geht häufi g mit der Gabe der Ermahnung einher. Freudigkeit. Diese Einstellung ist entscheidend, damit die Gabe der Barmherzigkeit eine wirkliche Hilfe wird. Sonst stärkt man oft nur das Selbstmitleid des Leidenden (vgl. Spr 14,21.31; Lk 4,18.19).
12,9 Dieser Abschnitt ist eine umfassende und verpfl ichtende Liste von Charakterzügen, die das vom Heiligen Geist erfüllte Leben kennzeichnen (vgl. Joh 15,8; Eph 2,10). Paulus ordnet diese Charaktermerkmale in 4 Kategorien: 1.) persönliche Pfl ichten (V. 9), 2.) familiäre Pfl ichten (V. 10-13), 3.) Pfl ichten gegenüber anderen (V. 14-16) und 4.) Pfl ichten gegenüber denen, die uns anfeinden (V. 17-21). 12,9 Liebe. Die höchste Tugend im NT, die sich völlig auf die Be- dürfnisse und das Wohlergehen des anderen konzentriert und alles tut, was zum Stillen dieser Bedürfnisse erforderlich ist (vgl. Mt 22,37-39; Gal 5,22; 1Pt 4,8; 1Joh 4,16; s. Anm. zu 1Kor 13). ungeheuchelt. S. Anm. zu Mt 6,2. Christliche Liebe muss lauter und aufrichtig sein, ohne jede Selbstsucht und Arglist.
12,10 In der Bruderliebe seid herzlich gegeneinander. Die Hin- gabe an andere Christen in geschwisterlicher Liebe, die sich nicht auf persönliche Attraktivität oder Sympathie gründet (vgl. 1Th 4,9). Diese Art von Liebe ist das wichtigste Kennzeichen, an dem die Welt uns als Nachfolger Jesu erkennen kann (Joh 13,35; vgl. 1Joh 3,10.17-19). in der Ehrerbietung komme einer dem anderen zuvor. Das Praktizieren echter Wertschätzung und Anerkennung der Mitgläubigen, indem man ihnen den Vorrang gibt (Phil 2,3).
12,11 Was immer wert ist, dass wir es als Christen tun, ist es auch wert, dass wir es mit Begeisterung und Fleiß tun (Joh 9,4; Gal 6,10; Hebr 6,10.11; vgl. Pred 9,10; 2Th 3,13). Faulheit und Gleichgültigkeit verhindern nicht nur Gutes, sondern fördern das Böse (Spr 18,9; Eph 5,15.16). brennend im Geist. Wörtl. »im Geist kochend«. Wir sollen so viel Hitze haben, dass wir produktiv sind, allerdings auch nicht so viel, dass wir die Selbstbeherrschung verlieren (vgl. Apg 18,25; 1Kor 9,26; Gal 6,9).
12,12 fröhlich in Hoffnung. Freude über die Wiederkunft Jesu und über unsere baldige Erlösung (s. Anm. zu 5,2; 8,19; vgl. Mt 25,21; 1Kor 15,58; 2Tim 4,8). Bedrängnis. S. Anm. zu 5,3. haltet stand. Beharrlichkeit (s. Anm. zu 5,3). beharrlich im Gebet. Vgl. Apg 2,42; 1Th 5,17; 1Tim 2,8.
12,13 Nehmt Anteil. Das gr. Zeitwort bedeutet »Gemeinschaft, Partnerschaft haben«, »untereinander teilen«. Das entsprechende Hauptwort wird meist mit »Gemeinschaft« übersetzt (Apg 2,42.44; vgl. 4,32; ein hierzu gehöriges Adjektiv steht in 1Tim 6,17.18). übt willig Gastfreundschaft. Wörtl. »strebt nach Liebe zu Fremden« (Hebr 13,2). Hier geht es um mehr als nur die Aufnahme von Freunden. Zu neutestamentlicher Zeit war Reisen gefährlich und Gasthäuser waren verkommen, knapp und teuer. Deshalb öffneten die damaligen Gläubigen ihre Häuser für Reisende, insbesondere für Mitchristen (2Tim 1,16-18; 3Joh 5-8; vgl. Lk 14,12-14; 1Pt 4,9). Gemeindeleiter sollten in dieser Tugend mustergültig sein (Tit 1,8).
12,14 Segnet, die euch verfolgen. Christen sollen Feinde so be- handeln, als seien sie ihre Freunde (Lk 6,27-33; vgl. Mt 5,44; Lk 23,34; Apg 7,60; 1Pt 2,21-23).
12,15 Freut euch … weint. Sich freuen an den Segnungen, An- erkennungen und am Wohlergehen anderer, ungeachtet der eigenen Situation (vgl. 1Kor 12,26; 2Kor 2,3), und aufmerksam und mitfühlend sein für die Sorgen anderer (Kol 3,12; Jak 5,11; vgl. Lk 19,41-44; Joh 11,35).
12,16 gleichgesinnt gegeneinander. Unvoreingenommen und vorurteilslos sein (s. Anm. zu 2,11; Jak 2,1-4.9; vgl. Apg 10,34; 1Tim 5,21; 1Pt 1,17). trachtet nicht nach hohen Dingen. Hochmut und selbstsüchtiger Stolz (vgl. Phil 2,3). haltet euch nicht selbst für klug. Christen sollen nicht eingebildet sein und sich anderen Gläubigen gegenüber nicht überlegen geben (vgl. 1,22).
12,17 Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Das alttestamentli- che Gesetz »Auge um Auge, Zahn um Zahn« war weder im AT noch im NT dazu gedacht, von Einzelpersonen angewendet zu werden, sondern war ein Maßstab für das gesellschaftliche Zusammenleben, um gutes Zusammenleben unter den Menschen zu bewirken (1Th 5,15; s. Anm. zu 2Mo 21,23.24; vgl. 3Mo 24,20; 5Mo 19,21; 1Pt 3,8.9). auf das bedacht, was … gut ist. Christen sollen alles an sich Richtige und Ehrliche anerkennen. Auf »Gutes« bedacht zu sein, bedeutet auch, sich sichtbar und offensichtlich richtig zu verhalten, wenn man von anderen, insbesondere von Ungläubigen, beobachtet wird.
12,18 Ist es möglich. Wir sollten zwar alles in unseren Kräften Ste- hende tun, um mit anderen in Frieden zu leben. Aber nicht immer wird Frieden sein, weil er auch von der Einstellung und Reaktion der anderen abhängt. 12,19 Zorn. Gottes Zorn (s. Anm. zu 1,18). Rache. Göttliche Heimzahlung, ein Zitat aus 5Mo 32,35.
12,20 feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Das bezieht sich auf die antike ägyptische Sitte, dass jemand, der öffentlich Reue zeigen wollte, eine Pfanne glühender Kohlen auf seinem Kopf trug. Die Kohlen repräsentierten den brennenden Schmerz der Schande und Schuld. Wenn Gläubige ihren Feinden liebevoll helfen, sollte das diese Leute zur Beschämung über ihren Hass und ihre Feindschaft führen (vgl. Spr 25,21.22).
13,1 Jedermann ordne sich … unter. Dieses gr. Wort verwendete man für den bedingungslosen Gehorsam eines Soldaten gegenüber seinem Vorgesetzten. Die Bibel kennt nur eine Ausnahme, nämlich wenn dieser Gehorsam Ungehorsam gegenüber Gottes Wort verlangen würde (2Mo 1,17; Dan 3,16-18; 6,7.10; s. Anm. zu Apg 4,19.20; 5,28.29). den Obrigkeiten. Jede Position ziviler Autorität, ungeachtet ihrer Kompetenz, Moralität, Vernünftigkeit oder Eigenschaften (1Th 4,11.12; 1Tim 2,1.2; Tit 3,1.2). es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre. Da allein er der souveräne Herrscher des Universums ist (Ps 62,11; 103,19; 1Tim 6,15), hat er auf der Erde 4 Autoritäten eingerichtet: 1.) Die Regierung hat Autorität über alle Bürger; 2.) die Gemeinde hat Autorität über alle Gläubigen; 3.) die Eltern haben Autorität über ihre Kinder und 4.) die Arbeitgeber haben Autorität über ihre Angestellten. eingesetzt. Die Autorität menschlicher Regierung stammt von Gott und wird von ihm defi niert. Er hat die menschlichen Regierungen zum Guten eingesetzt, damit sie in dieser bösen, gefallenen Welt der Sünde Schranken setzen.
13,2 widersetzt sich der Ordnung Gottes. Da alle Regierungen von Gott verordnet sind, bedeutet Ungehorsam gegen sie Aufl ehnung gegen Gott. Verurteilung. Nicht die Verurteilung durch Gott, sondern die Bestrafung durch die Regierung für das Übertreten eines Gesetzes (s. Anm. zu V. 4).
13,3 nicht wegen guter Werke zu fürchten, sondern wegen böser. Sogar die korruptesten, gottlosesten Regierungen fungieren als Abschreckung gegen Verbrechen. tue das Gute … Lob empfangen. Friedsame und gehorsame Bürger brauchen die zivile Autorität nicht zu fürchten. Nur wenige Regierungen fügen denen Leid zu, die ihre Gesetze befolgen. Tatsächlich loben die Regierungen gewöhnlich solche Bürger.
13,4 Gottes Dienerin, zu deinem Besten. Indem sie hilft, das Böse in Schranken zu halten und Leben und Besitz schützt. Paulus machte sich die Aufgabe der römischen Regierung, das Gute zu fördern, zunutze, als er sich auf seine Rechte als römischer Bürger berief, um gerecht behandelt zu werden (Apg 16,37; 22,25.29; 25,11). trägt das Schwert. Das symbolisiert das Recht der Regierung, Übeltäter zu bestrafen, auch mit dem Tod (1Mo 9,6; vgl. Mt 26,52; Apg 25,11). zum Zorngericht. Nicht Gottes Zorn, sondern die Strafe, die von der zivilen Autorität auferlegt wird.
13,5 sich unterzuordnen. S. Anm. zu V. 1. um des Gewissens willen. Nicht nur um Strafe von der zivilen Autorität zu vermeiden, sondern weil wir vor Gott dazu verpfl ichtet sind (s. Anm. zu 2Kor 1,12).
13,6 Deshalb. Weil Gott die menschliche Regierung eingesetzt hat und Unterwerfung fordert (V. 1-5). Steuern. Das gr. Wort bezieht sich auf Steuern von Einzelpersonen, insbesondere von solchen, die zu einer eroberten Nation gehören und dem Fremdherrscher tributpfl ichtig sind. Das macht die Steuern noch unbeliebter. Diese Steuer war üblicherweise eine kombinierte Einkommens- und Vermögenssteuer. Hier verwendet Paulus den Begriff im umfassendsten Sinn, um alle Arten von Steuern einzuschließen. Jesus lehrte ausdrücklich, dass man die Steuern zahlen musste, sogar an die heidnische römische Regierung (Mt 22,17-21). Er war darin selbst ein Vorbild und zahlte bereitwillig die Tempelsteuer (Mt 17,24-27).
13,7 gebt … was ihr schuldig seid. Das gr. Wort bezeichnet ein Geben als Gegenleistung. Das wird durch das Wort »schuldig« bekräftigt. Paulus wiederholt hier, dass Steuernzahlen eine Pfl icht ist (s. Anm. zu V. 6). Zoll. Zoll oder Steuern auf Güter. Furcht … Ehre. Gott verlangt, dass wir allen öffentlichen Angestellten und Beamten Respekt und Wertschätzung entgegenbringen.
13,8 Seid niemand etwas schuldig. Das verbietet nicht das Leihen von Geld, was die Bibel erlaubt und regelt (vgl. 2Mo 22,25; 3Mo 25,3537; 5Mo 15,7-9; Neh 5,7; Ps 15,5; 37,21.26; Hes 22,12; Mt 5,42; Lk 6,34). Paulus will sagen, dass alle unsere fi nanziellen Verpfl ichtungen bei Fälligkeit gezahlt werden müssen. S. Anm. zu 5Mo 23,19.20; 24,1013. dass ihr einander liebt. Gläubige sollen nicht nur andere Christen lieben (Joh 13,34.35; 1Kor 14,1; Phil 1,9; Kol 3,14; 1Th 4,9; 1Tim 2,15; Hebr 6,10; 1Pt 1,22; 4,8; 1Joh 2,10; 3,23; 4,7.21), sondern auch Nichtchristen (Mt 5,44; Lk 6,27.35; vgl. Lk 6,28, 34; Röm 12,14.20; Gal 6,10; 1Th 5,15). das Gesetz erfüllt. S. Anm. zu 13,10.
13,9 Um zu zeigen, dass die Liebe das Gesetz erfüllt, zitiert Paulus 4 der Zehn Gebote, die sich auf das zwischenmenschliche Leben beziehen, und bindet sie in ein übergeordnetes Gebot des AT ein. Er zitiert 2Mo 20,13-15.17 (vgl. 5Mo 5,17-19.21). zusammengefasst … Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Dieses Gebot aus 3Mo 19,18 schließt alle Gebote Gottes über das zwischenmenschliche Leben ein (Mt 22,39). Wenn wir unseren Nächsten wirklich lieben (d.h. jeden, mit dem wir in Kontakt stehen, vgl. Lk 10,25-37), werden wir nur das tun, was seinen besten Interessen entspricht (13,10).
13,10 die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Wenn wir andere mit derselben Fürsorge behandeln wie uns selbst, werden wir gegen keines der Gebote Gottes verstoßen, die sich auf das zwischenmenschliche Leben beziehen (Mt 7,12; Jak 2,8).
13,11 Zeit. Hier ist nicht die Zeit als Dauer, sondern der Zeitpunkt gemeint (vgl. 3,26; Mt 16,3; Mk 1,15; Lk 21,8; Apg 1,7; 3,19; Offb 1,3). Schlaf. Geistliche Gleichgültigkeit und Trägheit, d.h. fehlende Reaktion auf die Dinge Gottes. unsere Errettung. Nicht unsere Rechtfertigung, sondern die Verherrlichung, also der abschließende Teil unserer Erlösung (s. Anm. zu 8,23). näher. Wir werden verherrlicht werden, wenn Jesus wiederkommt (s. Anm. zu 8,23). Dieses Ereignis rückt mit jedem Tag näher. Die Bibel benutzt die Wiederkunft Jesu immer wieder als Ansporn zu einem geheiligten Leben (2Kor 5,10; Tit 2,11-13; Hebr 10,24.25; Jak 5,7.8; 1Pt 4,7-11; 2Pt 3,11-14).
13,12 Nacht. Die Nacht der Verdorbenheit des Menschen und der Herrschaft Satans (vgl. 1Th 5,4.5). Tag. Der Tag der Wiederkunft und Herrschaft Christi (vgl. 1Th 5,2-4). ablegen. Im Licht der bevorstehenden Wiederkunft Christi ermahnt Paulus die Gläubigen, Buße zu tun über ihre Sünden und sich von ihnen abzuwenden (2Pt 3,14; 1Joh 2,28; vgl. Eph 4,22; Kol 3,8-10; Hebr 12,1.14; Jak 1,21; 1Pt 2,1; 4,1-3). Waffen des Lichts. Schutz durch praktische Gerechtigkeit (vgl. Eph 6,11-17).
13,13 Lasst uns anständig wandeln. Durch ein Leben, das Gott gefällt und das in unserem äußeren Verhalten die innere Realität des Erlöstseins widerspiegelt (vgl. 6,4; 8,4; Lk 1,6; Gal 5,16; 25; Eph 2,10; 4,1.17; 5,2.8.15; Phil 1,27; 3,16.17; Kol 1,10; 2,6; 1Th 2,12; 4,1.12; 1Pt 2,12; 1Joh 2,6; 2 Joh 4.6). Schlemmereien. Fresserei, hemmungslose Sinnlichkeit (vgl. Gal 5,21; 1Pt 4,3). Unzucht und Ausschweifungen. Sexuelle Unmoral (vgl. 1Kor 6,18; Eph 5,3; Kol 3,5; 1Th 4,3; 2Tim 2,22). Streit und Neid. Diese beiden Untugenden sind eng miteinander verwandt (vgl. 1Kor 3,3; 2Kor 12,20; Gal 5,20; Phil 1,15; 1Tim 6,4), denn Streit ist häufi g eine Folge von Neid.
13,14 sondern zieht den Herrn Jesus Christus an. Ein zusam- menfassender Ausdruck für den geistlichen Prozess der Heiligung, durch den die Geretteten dem Bild des Herrn gleichgestaltet werden (vgl. 2Kor 3,18; Gal 4,19; Phil 3,13.14; Kol 2,7; 1Joh 3,2.3). Paulus vergleicht diesen Prozess mit dem Aus- und Anziehen von Kleidung, was die Gedanken und das Verhalten symbolisiert. S. Anm. zu Eph 4,20-24. pfl egt. Dieses Wort übersetzen andere mit »Vorsorge treiben für«. Die meisten Sünden entstehen, weil wir zuerst bösen Absichten und Begierden in unseren Gedanken Raum geben und ihnen nachhängen (vgl. Jak 1,14.15). das Fleisch. S. Anm. zu 7,5. Begierden. S. Gal 5,17; Eph 2,3.
14,1 Die Vielfalt in der Gemeinde führt vor Augen, mit welcher Macht Christus die unterschiedlichsten Menschen zu einer Einheit zusammenführen kann. Doch Satan stachelt oft das Fleisch des Menschen an, um diese Einheit anzugreifen. Die Einheit ist oft dann bedroht, wenn reife (starke) Gläubige – Juden wie Heiden – mit unreiferen (schwachen) Gläubigen zusammenprallen. Die starken jüdischen Gläubigen verstanden ihre Freiheit in Christus und erkannten, dass sie nicht mehr an die zeremoniellen Vorschriften des mosaischen Gesetzes gebunden waren. Die reiferen Heiden verstanden, dass Götzen keine Götter sind und dass sie deshalb ohne Bedenken Fleisch essen konnten, das Götzen geweiht worden war. Doch in beiden Fällen wurde das Gewissen der schwächeren Brüder beunruhigt, und diese waren sogar versucht, gegen ihr Gewissen zu handeln (etwas, das man sich nie angewöhnen sollte) und unter den resultierenden Schuldgefühlen gesetzlicher zu werden oder sogar zu sündigen. Da Paulus wusste, dass die reiferen Juden und Heiden diese Probleme verstehen konnten, richtete er den Großteil seiner Ausführungen zu diesem Thema an sie. 14,1 Nehmt … an. Persönliches und willentliches gegenseitiges Annehmen. den Schwachen im Glauben. Dieser Ausdruck charakterisiert jene Gläubige, die noch nicht frei sind von ihren früheren religiösen Gewohnheiten. Dem schwachen jüdischen Gläubigen fi el es schwer, die Rituale und Vorschriften des Alten Bundes aufzugeben. Er dachte, er sei weiterhin an die Speisegesetze, den Sabbat und die Opfer im Tempel gebunden. Der schwache heidnische Gläubige war vorher in heidnischem Götzendienst und dessen Rituale versunken gewesen. Er meinte, er würde sich mit verunreinigen, wenn er Berührung hatte mit Dingen, die auch nur entfernt zu seiner Vergangenheit gehörten. Dazu gehörte z.B. das Essen von Götzenopferfl eisch, das auf dem Markt verkauft wurde. Beide Gruppen von schwachen Gläubigen hatten hier ein überaus empfi ndsames Gewissen und waren nicht reif genug, sich von diesen Vorstellungen zu lösen. Vgl. 1Kor 8,1-13. ohne über Gewissensfragen zu streiten. Genauer übersetzt: »nicht um seine Meinungen (Vorbehalte) zu verurteilen«. Der reife Gläubige sollte nicht über die aufrichtigen, aber unreifen Gedanken richten, von denen der schwache Gläubige sich leiten ließ.
14,2 Einer glaubt. Der starke Gläubige, dessen reifer Glaube ihm erlaubt, in seiner Freiheit in Christus das preiswerte Fleisch zu essen, das auf dem heidnischen Markt verkauft wurde (es war billig, weil es zuvor einer heidnischen Gottheit geopfert worden war; s. Anm. zu 1Kor 8,1-13). Gemüse. Die schwachen jüdischen und heidnischen Gläubigen verzichteten ganz auf Fleisch, um nichts essen zu müssen, das unrein oder Götzen geopfert worden war.
14,3 verachte … richte. »Verachten« bedeutet, jemanden gering- schätzen. »Richten« bedeutet »verdammen«. Paulus verwendet diese Begriffe synonym: Der Starke verachtete den Schwachen als gesetzlich und selbstgerecht und der Schwache verurteilt den Starken als verantwortungslos oder gar als verdorben.
14,4 Er steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Es kommt darauf an, wie Christus jeden einzelnen Gläubigen bewertet. Bei seiner Beurteilung berücksichtigt er keine religiöse Tradition oder persönlichen Vorlieben (vgl. 8,33.34; 1Kor 4,3-5).
14,5 hält einen Tag höher. Der schwache jüdische Gläubige fühlte sich genötigt, den Sabbat und andere besondere Tage des Judentums zu beobachten, obwohl Gott dies nicht mehr forderte (vgl. Gal 4,9.10; s. Anm. zu Kol 2,16.17). Der schwache Heidenchrist andererseits wollte sich von den Festen seines früheren Heidentums absondern, weil sie unmoralisch und götzendienerisch waren. hält alle Tage gleich. Die reiferen Gläubigen hatten derartige Sorgen nicht. jeder sei seiner Meinung gewiss. In Fragen, zu denen die Schrift keine ausdrücklichen Gebote oder Verbote aufstellt, muss jeder Christ seinem eigenen Gewissen folgen. Da das Gewissen ein von Gott gegebener Warnmechanismus ist und auf den höchsten Moralmaßstab des eigenen Denkens reagiert (2,14.15), ist es höchst unvernünftig, sich im Ignorieren des Gewissens zu üben. Es ist besser, auf die Stimme des Gewissens zu hören. Dann wird der Verstand mit zunehmender Reife und fortschreitendem Lernprozess das Gewissen nicht mehr auf unwichtige Dinge aufmerksam machen.
14,6 Der starke Gläubige isst alles, was ihm gefällt und dankt dem Herrn dafür. Der schwache Bruder richtet seine Ernährung nach seinen zeremoniellen Vorstellungen aus und dankt dem Herrn, dass er um seinetwillen auf etwas verzichten darf. In beiden Fällen danken die Gläubigen dem Herrn. So liegt also dieselbe Motivation zugrunde. für den Herrn. Ob man nun schwach ist oder stark, gilt in jedem Fall: Hinter den Entscheidungen des Gläubigen bei Gewissensfragen muss die Motivation stehen, dem Herrn zu gefallen.
14,7 lebt sich selbst … stirbt sich selbst. Der Blickpunkt des Lebens als Christ ist niemals das eigene Ich – alles was wir tun, sollte darauf zielen, unserem Herrn zu gefallen (vgl. 1Kor 6,20; 10,31).
14,9 sowohl über Tote als auch über Lebende Herr. Christus starb nicht nur, um uns von Sünde zu befreien, sondern um uns zu seinen Sklaven zu machen (6,22) und Herrscher sowohl über die Heiligen zu sein, die bereits in seiner Gegenwart sind, als auch über die noch auf der Erde Lebenden Gläubigen (vgl. Phil 2,11; 1Tim 6,15; Offb 17,14; 19,16).
14,10 richtest … verachtest. S. Anm. zu V. 3. deinen Bruder. Ein Mitgläubiger in Christus. vor dem Richterstuhl des Christus. Die bevorzugte Lesart ist »der Richterstuhl Gottes« (s. Anm. zu 1Kor 3,1315). Jeder Gläubige wird für sich selbst Rechenschaft ablegen und seine Entscheidungen werden vom Herrn gerichtet werden – einschließlich der Entscheidungen über Gewissensfragen. Allein auf dieses Urteil kommt es an (s. Anm. zu 1Kor 4,1-5; 2Kor 5,9.10). 14,11 es steht geschrieben. Ein Zitat aus Jes 45,23; 49,18 (vgl. Phil 2,10.11).
14,13 richten. S. Anm. zu V. 3. sondern das richtet vielmehr. Hier steht dasselbe gr. Wort wie im ersten Teil des Verses, das auch in V. 3.10. vorkommt. Bei den drei bisherigen Vorkommen in diesem Kapitel bedeutete es »verdammen«. Hier in V. 13b hat es eine positive Bedeutung: »bestimmen« oder »eine sorgfältige Entscheidung treffen«. Paulus will mit diesem Wortspiel verdeutlichen, dass die Gläubigen nicht ihre Brüder verurteilen, sondern stattdessen ihr bestes Urteilsvermögen zum Nutzen der Mitgläubigen einsetzen sollten. Anstoß. Die Tat eines Gläubigen, die einen anderen veranlasst, in Sünde zu fallen, obwohl das betreffende Verhalten vielleicht sogar von der Bibel erlaubt ist (1Kor 8,9).
14,14 Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus. Diese Wahrheit resultierte nicht aus seinem eigenen Denken oder aus der Lehre anderer, sondern beruhte auf göttlicher Offenbarung (vgl. Gal 1,12). S. Anm. zu 1Kor 7,12. nichts an und für sich unrein. S. Anm. zu Apg 10,15; vgl. Mk 7,15; 1Tim 4,3-5; Tit 1,15. unrein. Das gr. Wort bedeutete ursprünglich »gemein«, erhielt dann aber die Bedeutung von »unrein« oder »böse« (s. Anm. zu Apg 10,14). der etwas für unrein hält. Wenn ein Gläubiger überzeugt ist, dass ein bestimmtes Verhalten Sünde ist, dann sollte er es auf keinen Fall tun – auch wenn seine Ansicht falsch ist. Wenn er es doch tut, wird er sein Gewissen verletzen, Schuld auf sich laden (vgl. 1Kor 8,4-7; s. Anm. zu 2,15) und gerät vielleicht in noch stärkere Gesetzlichkeit, anstatt sich geistlich gesund zur Freiheit weiterzuentwickeln (s. Anm. zu V. 5).
14,15 betrübt. Das gr. Wort bezieht sich auf Verursachen von Schmerz oder Leid. Wenn ein schwacher Gläubiger einen Bruder sieht, der etwas seiner Ansicht nach Sündiges tut, kann er dadurch verletzt werden. Noch schlimmer ist jedoch, wenn der starke Gläubige seinen schwächeren Bruder veranlasst, gegen sein Gewissen zu verstoßen (vgl. 1Kor 8,8-13). Liebe. S. Anm. zu 1Kor 13,1-13. Wenn der starke Christ nach der Liebe wandelt, wird er Feingefühl und Verständnis für die Schwachheit seines Bruders haben (1Kor 8,8-13). Verdirb. Dieses Wort bezeichnet eine vollständige Zerstörung. Im NT wird es oft für ewige Verdammnis verwendet (Mt 10,28; Lk 13,3; Joh 3,16; Röm 2,12). In diesem Zusammenhang jedoch bezeichnet es die schwere Schädigung des geistlichen Wachstums (vgl. Mt 18,3.6.14). denjenigen, für den Christus gestorben ist. Das ist jeder Christ (vgl. 1Kor 8,11).
14,16 euer Bestes. Die rechtmäßige Ausübung christlicher Freiheit (vgl. 1Kor 10,23-32). verlästert. Wenn Ungläubige sehen, wie ein Christ seine Freiheit in Christus missbraucht und einem schwächeren Bruder Schaden zufügt, werden sie schließen, das Christentum sei voller liebloser Menschen. Das wäre ein schlechtes Zeugnis für Gott (vgl. 2,24).
14,17 Reich Gottes. Der Bereich der Erlösung, wo Gott in den Her- zen derer regiert, die er errettet hat (s. Anm. zu Apg 1,3; 1Kor 6,9). Essen und Trinken. Das sind keine wesentlichen Dinge, sondern äußerliche Verhaltensregeln. Gerechtigkeit. Ein geheiligtes, gehorsames Leben (vgl. Eph 6,14; Phil 1,11). Friede. Die von Liebe geprägte Gelassenheit, die der Heilige Geist verleiht und die bei jedem Gläubigen seine Beziehung zu Gott und zu seinen Mitgläubigen charakterisieren sollte (Gal 5,22). Freude im Heiligen Geist. Ein weiterer Bestandteil der Frucht des Geistes – die dauerhafte Herzenshaltung des Lobes und Dankes in allen Umständen. Sie entspringt der Zuversicht in Gottes Souveränität (Gal 5,22; 1Th 1,6).
14,18 von den Menschen geschätzt. Besser übersetzt: »den Men- schen bewährt«. Das gr. Wort bezeichnet die Gutheißung nach sorgfältiger Prüfung, wie z.B. ein Juwelier einen Edelstein unter die Lupe nimmt und seine Qualität und seinen Wert bestimmt. Christen befi nden sich unter dem Mikroskop einer skeptischen Welt, die genau beurteilt, wie sie miteinander leben und umgehen (vgl. Joh 13,35; Phil 2,15).
14,20 das Werk Gottes. Ein Mitchrist, der nicht durch eigene Wer- ke, sondern durch die Werke des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes erlöst ist (vgl. V. 15; Eph 2,10). alles rein. Die Handlungsfreiheit, die Gott den Gläubigen zuteilt und die an sich gut ist (vgl. V. 14.16). der es mit Anstoß isst. Jemand, der die von Gott gegebene Freiheit leichtfertig und eigennützig missbraucht und dadurch seinen schwächeren Bruder verletzt.
14,21 Anstoß. S. Anm. zu V. 13. Ärgernis nehmen oder schwach werden. Dieser Ausdruck ist in den besseren Manuskripten nicht enthalten.
14,22 Der stärkste Christ kann sich selber schaden, wenn er die ihm von Gott gegebene Freiheit verlästert (Gal 5,1) oder diese Freiheit gedankenlos zur Schau trägt, ohne die möglichen Auswirken auf andere zu bedenken (vgl. 1Kor 10,23-32). 14,22 Habe ihn für dich selbst vor Gott. Besser übersetzt: »Habe ihn als deine eigene Überzeugung vor Gott.« Paulus nötigt den starken Gläubigen, seine Freiheit zu verstehen, sich darüber zu freuen und sie für sich und Gott auszuleben. was er gutheißt. Der starke Gläubige bewahrt sich ein intaktes Gewissen, weil er die schwachen Mitgläubigen nicht zum Straucheln veranlasst.
14,23 Wer aber zweifelt, der ist verurteilt. Wenn der schwache Bruder gegen sein Gewissen handelt, sündigt er. Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht. Die Gedanken und Taten, die das Gewissen verurteilt.
15,1 Wir, die Starken. S. Anm. zu 14,1-12. tragen. Das Wort steht für das Tragen eines Gewichtes. Es wird verwendet für das Tragen eines Wasserkrugs (Mark 14,13), für das Tragen eines Menschen (Apg 21,35) und bildlich für das Tragen einer Verpfl ichtung (Apg 15,10). Die Starken sollen nicht einfach die Schwachheiten ihrer schwächeren Brüder tolerieren, sondern die Lasten auf ihren Schultern erleichtern, indem sie liebevoll und praktisch Rücksicht auf sie nehmen (Gal 6,2; vgl. 1Kor 9,19-22; Phil 2,2-4). Gebrechen. Besser übersetzt: »Schwachheiten«. Schwachen. S. Anm. zu 14,1.
15,2 Erbauung. Aufbauen und stärken. Das ist im Grunde derselbe Aufruf, den Paulus bereits früher machte (14,19), hier nur mit der zusätzlichen Bedingung der Selbstaufopferung (1Kor 10,23.24; vgl. Phil 2,2-5).
15,3 Christus hatte nicht an sich selbst Gefallen. Sein höchs- tes Ziel war es, Gott zu gefallen und seinen Willen zu vollbringen (Joh 4,34; 5,30; 6,38; 8,25.27-29; Phil 2,6-8). wie geschrieben steht. Ein Zitat aus Ps 69,9. Die Schmähungen … sind auf mich gefallen. »Schmähungen« bedeutet Verleumdung, falsche Beschuldigungen und Beleidigungen. Die Menschen hassen Gott und denselben Hass erweisen sie auch dem Einen, den er gesandt hat, um sich zu offenbaren (vgl. Joh 1,10.11.18).
15,4 alles, was zuvor geschrieben worden ist. Das von Gott geoffenbarte AT. zu unserer Belehrung zuvor geschrieben. Christen leben zwar unter dem Neuen Bund und stehen nicht unter der Autorität des Alten Bundes, doch Gottes Moralgesetz hat sich nicht geändert und die ganze Schrift hat geistlichen Nutzen (1Kor 10,6.10.11; 2Pt 1,20.21). Wenn Paulus vom Nutzen der Heiligen Schrift spricht, meint er auch das NT, spricht aber in erster Linie vom AT (2Tim 3,15-17). Ausharren. S. Anm. zu 5,3. Trost. Wörtl. »Ermutigung«. Das Wort Gottes informiert die Gläubigen nicht nur, wie sie ausharren können, sondern ermutigt sie dabei auch. Hoffnung. S. Anm. zu 5,2. Ohne die klaren und gewissen Verheißungen des Wortes Gottes hätte der Gläubige keine Grundlage für eine Hoffnung (vgl. Ps 119,81.114; Eph 2,12; Jer 14,8).
15,5 untereinander eines Sinnes zu sein. Paulus drängt die Star- ken und die Schwachen (s. Anm. zu 14,1-12), trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten über zweitrangige Fragen nach liebevoller, geistlicher Harmonie zu streben, wenn es um Dinge geht, zu denen die Bibel schweigt.
15,6 einmütig, mit einem Mund. Unsere Einheit sollte sowohl real (einmütig, d.h. mit einer Gesinnung) als auch wahrnehmbar (mit einem Mund) sein. Doch das Ziel von Einheit ist nicht, anderen Gläubigen einen Gefallen zu tun, sondern Gott zu verherrlichen. Gott und Vater. Dieser Ausdruck betont die Gottheit Christi. Jesus ist kein angenommener Sohn Gottes; er ist vom selben inneren Wesen und derselben Natur wie Gott. Das ist eine höchst wichtige Beziehung, die im NT immer wieder genannt wird (2Kor 1,3; 11,31; Eph 1,3; Kol 1,3; 1Pt 1,3).
15,7 nehmt einander an. S. Anm. zu 14,1. gleichwie auch Chris- tus uns angenommen hat. Wenn der vollkommene, sündlose Sohn Gottes bereit war, Sünder in die Familie Gottes aufzunehmen, wie viel mehr sollten Sünder, die selbst Vergebung erfahren haben, bereit sein, einander von Herzen anzunehmen, auch wenn sie in Gewissensfragen verschieden denken (Mt 10,24; 11,29; Eph 4,32-5,2).
15,8 ein Diener der Beschneidung. Jesus wurde als Jude geboren (s. Anm. zu Mt 1,1) und als Kind wurde er beschnitten und so mit dem Bundeszeichen am Leib markiert (s. Anm. zu 4,11; 1Mo 17,10-14). die Verheißungen an die Väter. Der Bund mit Abraham, den Gott sowohl Isaak als auch Jakob nochmals bestätigte (s. Anm. zu 4,13).
15,9 Paulus zeigt nun, dass es schon immer Gottes Plan gewesen war, Juden und Heiden zusammen in sein Reich zu bringen. Dazu zitiert er aus dem Gesetz, den Propheten und zwei Mal aus den Psalmen – das sind alle drei anerkannten Teile des AT – und weist Gottes Plan aus ihren eigenen Schriften nach. So mildert Paulus die Vorurteile der Judenchristen gegen ihre heidnischen Brüder. 15,9 dass aber die Heiden Gott loben sollen um der Barmher- zigkeit willen. Weil er einem Volk, das außerhalb des Bundes stand, seine Gnade und Barmherzigkeit erwiesen hat (s. Anm. zu 10,11-21; 11,11-18). wie geschrieben steht. Ein Zitat aus 2Sam 22,50 und Ps 18,49. Der Psalmist singt Gott unter der Nationen Lob. Das ist eine Anspielung auf die Errettung der Heiden.
15,10 Ein Zitat aus 5Mo 32,43.
15,11 Ein Zitat aus Ps 117,1.
15,12 Ein Zitat aus Jes 11,10. Wurzel Isais. Eine Bezeichnung für Jesus als Nachkomme Davids und somit Nachkomme von Davids Vater Isai (s. Anm. zu Offb 5,5).
15,13 Gott der Hoffnung. Gott ist die Quelle ewiger Hoffnung, ewigen Lebens und ewigen Heils, und für jeden Gläubigen ist er der Inhalt der Hoffnung (s. Anm. zu 5,2). durch die Kraft des Heiligen Geistes. Der Gläubige erhält diese Hoffnung durch die Bibel (vgl. 15,4; Eph 1,13.14), die vom Heiligen Geist geschrieben wurde und die der Heilige Geist auf das Herz jedes Gläubigen anwendet.
15,14 Paulus will seine Beziehung zu den Gläubigen in Rom nicht dadurch gefährden, dass er gefühllos, voreingenommen oder lieblos erscheint. Deshalb erklärt er hier, warum er einen so unverblümten Brief an eine Gemeinde schreibt, die er nicht gegründet und nie besucht hat. 15,14 Gütigkeit. Ein edler Charakterzug. Die Gläubigen in Rom hassten das Böse und liebten Gerechtigkeit. Davon war ihr Leben geprägt. Erkenntnis. Bezieht sich auf tiefe, persönliche Erkenntnis. Offenbar waren die Gläubigen in Rom lehrmäßig gesund (Kol 2,2.3). Das ist eine Illustration für die Tatsache, dass Wahrheit und Tugend untrennbar zusammengehören (vgl. 1Tim 1,19). ermahnen. Ermutigen, warnen oder beraten. Ein umfassender Begriff, der sowohl Verkündigung (1Kor 14,3) als auch persönliche Beratung (s. Anm. zu 12,1) umfasst. Jeder Gläubige ist verantwortlich, andere Gläubige mit Gottes Wort zu ermutigen und zu stärken. Gott befähigt ihn dazu (2Tim 3,16).
15,15 um euch wieder zu erinnern. Trotz ihrer geistlichen Stärke mussten diese Christen an Wahrheiten erinnert werden, die sie bereits kannten, aber schnell vernachlässigen oder sogar vergessen konnten (vgl. 1Tim 4,6; 2Tim 2,8-14; Tit 3,1).
15,16 Diener. Dieses gr. Wort wurde allgemein für öffentliche Äm- ter verwendet. Doch im NT bezeichnet es meistens jemanden, der Gott in irgendeiner Art öffentlichen Gottesdienstes dient (z.B. Phil 2,17; Hebr 1,7.14; 8,1.2.6), z.B. einen Priester (Lk 1,23). für die Heiden. Obwohl Paulus in den Städten, die er bereiste, das Evangelium gewöhnlich zuerst den Juden verkündete (s. Anm. zu Apg 13,5), galt seine Berufung als Apostel in erster Linie den Heiden (11,13; Apg 9,15). das Opfer. Nachdem Paulus sich als Diener bezeichnet und somit ein Wort mit priesterlichem Unterton verwendete hat, erklärt er, dass sein Priesterdienst darin besteht, Gott eine Opfergabe in Form von vielen heidnischen Bekehrten darzubringen.
15,17 Rühmen. Paulus prahlte nie mit seinen Errungenschaften als Apostel, sondern rühmte sich nur dessen, was Christus durch ihn gewirkt hatte (1Kor 1,27-29.31; 2Kor 10,13-17; 12,5.9; Gal 6,14; 1Tim 1,1216).
15,19 Zeichen und Wundern. S. Anm. zu Apg 2,19; 2Kor 12,12. Gott benutzte sie, um wahre Verkündigung und Lehre als echt zu erweisen. nach Illyrien. Die Region die etwa dem früheren Jugoslawien entspricht. Illyrien ist von Jerusalem etwa 2.300 km entfernt.
15,20 Evangelium. S. Anm. zu 1,1. auf den Grund eines ande- ren. Das Ziel des Apostels war es, solche Menschen zu erreichen, die das Evangelium noch nie gehört hatten. Das ist im NT die Hauptaufgabe eines Evangelisten (Eph 4,11). Doch ein Hirte und Lehrer hat den entscheidenden Dienst auf der Grundlage aufzubauen, die ein solcher Evangelist gelegt hat (vgl. 1Kor 3,6).
15,21 wie geschrieben steht. Ein Zitat aus Jes 52,15; s. Anm. zu 3,10. Dieses Zitat bezieht sich in erster Linie auf Christi Wiederkunft, aber in seiner freieren Anwendung spricht es auch vom Evangelisationsprozess, der zur Zeit der Apostel begann und die ganze Kirchengeschichte über fortdauert, bis Christus wiederkommt.
15,22 verhindert worden, zu euch zu kommen. Die Form des gr. Verbs beschreibt einen Zustand. Der Apostel blieb längere Zeit verhindert; ein äußerer Umstand hatte das Hindernis geschaffen. In seiner Vorsehung hatte Gott Paulus davon abgehalten, nach Rom zu reisen (vgl. Apg 16,7).
15,23 Sorgfältige und durchdachte Planung ist kein Anzeichen für mangelndes Vertrauen in Gottes Vorsehung. Aber wie Paulus müssen auch wir unsere Pläne immer der Prüfung des Herrn unterstellen und für seine Änderungen offen sein (vgl. Spr 16,9). 15,23 keinen Raum mehr habe. Paulus meinte, er habe in der ganzen Region das Evangelium hinreichend verkündet und könne sich nun anderen Gebieten zuwenden. ein Verlangen … zu euch zu kommen. S. 1,10-13.
15,24 Spanien. Die Stadt und Region, die im AT Tarsis genannt wird (1Kö 10,22; Jon 1,3) und am westlichsten Ende des europäischen Kontinents liegt. Spanien war zu einem wichtigen Handels- und Kulturzen trum geworden und war durch das gut ausgebaute römische Straßennetz erreichbar. Der berühmteste Sohn des antiken Spanien ist der Philosoph und Staatsmann Seneca, Lehrmeister Neros und erster Minister des römischen Reiches. von euch dorthin geleitet zu werden. Paulus hoffte, dass die Gemeinde in Rom ihm für die Weiterreise nach Spanien eine Begleitung und Proviant mitgeben würde.
15,25 im Dienst. S. Anm. zu Apg 6,2.
15,26 Mazedonien und Achaja. S. Anm. zu Apg 16,9; 18,12. In diesen Regionen wirkte Paulus bei seiner ersten und zweiten Missionsreise. Sammlung. Dem gr. Wort liegt der Gedanke des Teilens zugrunde und üblicherweise wird es mit »Gemeinschaft« oder »Teilhabe« übersetzt. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass es hier um eine Geldgabe zur Unterstützung der Armen in Jerusalem ging (1Kor 16,1; 2Kor 8,2-4; Gal 2,9.10).
15,27 ihren geistlichen Gütern. Diese »Güter« waren die Wahr- heiten des Evangeliums, die die heidnischen Gläubigen zuerst von jüdischen Aposteln, Propheten, Lehrern und Evangelisten erfuhren.
15,28 diese Frucht. Die fi nanzielle Gabe für die Gemeinde in Jeru- salem. Sie war die Frucht der echten Liebe und Dankbarkeit der heidnischen Gläubigen. Spanien. S. Anm. zu 15,24.
15,30 Liebe des Geistes. Dieser Ausdruck kommt nur hier in der Bibel vor und bezeichnet nicht die Liebe des Heiligen Geistes zu Paulus, sondern die Liebe des Paulus zum Heiligen Geist (vgl. Ps 143,10). 15,30 Gebete … dass ich bewahrt werde. In Judäa lehnten viele Juden das Evangelium ab und waren bereit, Paulus bei seiner Wiederkehr anzugreifen. Paulus war sich der Probleme bewusst, die auf ihn zukommen würden (Apg 20,22-24). Deshalb hielt er die Christen in Rom dazu an, für seine Bewahrung zu beten, denn nur dann könnte er den Dienst beenden, den der Herr ihm gegeben hatte. Ihre Gebete wurden erhört, und Paulus kam erfolgreich in Jerusalem an (Apg 21,17.19.20). Er wurde vor dem Tod bewahrt, jedoch nicht vor der Gefangennahme (Apg 21,10.11; 23,11).
15,31 angenehm sei. Paulus wollte, dass die Judenchristen in Jeru- salem die Geldgabe der Heiden in liebevoller Dankbarkeit annehmen und sie als Geste der Bruderliebe und Zuneigung auffassen.
15,32 Gottes Willen. S. Anm. zu 1,10. zusammen mit euch er- quicke. Paulus fand die ersehnte Freude und Ruhe schließlich doch noch (Apg 28,15).
15,33 Der Gott des Friedens. So wie Gott der Gott der Hoffnung ist (s. Anm. zu V. 13), so ist er auch die Quelle wahren Friedens (vgl. Eph 2,11-14; Phil 4,7).
16,1 Dieses Kapitel enthält fast keine besonderen Lehren, aber mehrere Listen zumeist unbekannter Personen. Unter allen Briefen des Apostels ist dies der umfassendste und persönlichste Ausdruck seiner Liebe und Zuneigung zu anderen Gläubigen und Mitarbeitern. Darüber hinaus gibt dieser Abschnitt Aufschluss über das Leben gewöhnlicher Christen des 1. Jhdts. und vermittelt einen Eindruck vom Wesen und Charakter der jungen Gemeinde. 16,1 Phöbe. Bedeutet »hell und strahlend«. Das passt gut zu Pau- lus’ kurzer Beschreibung ihrer Person und ihres christlichen Charakters. Dienerin. Derselbe Begriff, von dem wir unser Wort »Diakon« oder »Diakonisse« ableiten (s. Anm. zu 1Tim 3,10.11.13). In der Anfangszeit der Gemeinde kümmerten sich Dienerinnen um kranke Gläubige, um die Armen, Fremden und Gefangenen. Sie unterrichteten Frauen und Kinder (vgl. Tit 2,3-5). Ob Phöbe einen offi ziellen Titel hatte oder nicht, ändert nichts daran, dass sie die große Verantwortung trug, diesen Brief an die Gemeinde in Rom zu überbringen. Wenn Dienerinnen treu gedient hatten und verwitwet und damit mittellos wurden, musste die Gemeinde für sie sorgen (s. Anm. zu 1Tim 5,3-16). Kenchreä. Eine benachbarte Hafenstadt von Korinth, von wo aus Paulus den Römerbrief schrieb. Die Gemeinde in Kenchreä war wahrscheinlich ein Ableger der Gemeinde von Korinth.
16,3 Priscilla und Aquila. S. Anm. zu Apg 18,1-3.
16,4 für mein Leben ihren eigenen Hals hingehalten haben. Wahrscheinlich in Korinth oder Ephesus, aber die Details sind unbekannt.
16,5 Epänetus. Wahrscheinlich kam er unter der Verkündigung des Apostels zum Glauben und wurde von ihm liebevoll in der Jüngerschaft angeleitet. Erstling. S. Anm. zu 1,13. Er war der erste Bekehrte Kleinasiens (der heutigen Türkei). Die besten Manuskripte schreiben nicht »Achaja«, sondern »Asien«.
16,6 Maria, die viel für uns gearbeitet hat. »Viel gearbeitet« lässt im Gr. an schwere Arbeit bis zur Erschöpfung denken. Der Zusammenhang legt nahe, dass sie in der Gemeinde in Rom seit der Gründung mitgearbeitet und dass Paulus anderen von ihr erzählt hatte (möglicherweise Priscilla und Aquila). Sonst wissen wir nichts über sie.
16,7 Andronicus und Junias. Vielleicht ein Ehepaar, denn »Junias« kann auch »Junia« heißen und ein Frauenname sein. Mitgefangenen. Wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass sie tatsächlich mit Paulus in derselben oder benachbarten Zelle gesessen hatten. unter den Aposteln angesehen. Diese beiden hatten mit Paulus und vor seiner Bekehrung vielleicht auch mit Petrus und einigen anderen Aposteln in Jerusalem gedient und waren deswegen von den Aposteln geliebt und anerkannt.
16,8 Amplias. Damals ein üblicher Name unter den Haussklaven des Kaisers. Vielleicht gehörte er zu denen »aus dem Haus des Kaisers« (Phil 4,22).
16,9 Stachys. Ein ungewöhnlicher gr. Name, der »Ähre« bedeutet. Offenbar stand er in enger Beziehung zu Paulus, aber mehr wissen wir nicht.
16,10 Aristobulus. Da Paulus ihn nicht persönlich grüßt, war er wahrscheinlich kein Gläubiger, wenngleich einige seiner Verwandten und Hausangestellten offenbar gläubig waren. Ein bekannter Bibellehrer glaubt, Aristobulus sei der Bruder von Herodes Agrippa I. und ein Enkel Herodes des Großen.
16,11 Herodion. Ein Verwandter von Herodes und somit vielleicht mit dem Haus des Aristobulus verbunden. meinen Verwandten. Im Gr. ein Begriff für einen entfernten Verwandten (andere übersetzen: »Landsmann«), was darauf hinweist, dass es sich vielleicht um einen jüdischen Verwandten von Paulus handelt. Narcissus. S. Anm. zu 16,10. Einige Gelehrte halten ihn für den Sekretär des Kaisers Claudius. Wenn das stimmt, dann gab es in zwei Häusern am Kaiserpalast Gläubige (vgl. Phil 4,22).
16,12 Tryphena und Tryphosa. Möglicherweise Zwillingsschwes- tern, deren Namen »verzärtelt« und »üppig« bedeuten. Persis. Benannt nach ihrem Geburtsort Persien. Da Paulus von ihrem Dienst in Vergangenheitsform spricht, war sie wahrscheinlich älter als die anderen beiden Frauen in diesem Vers.
16,13 Rufus. Die Bibelausleger sind sich allgemein einig, dass er einer der Söhne Simons von Kyrene war, des Mannes, der gezwungen wurde, Jesu Kreuz zu tragen (vgl. Mk 15,21) und der durch diese Begegnung mit dem Herrn wahrscheinlich gläubig wurde. Markus schrieb sein Evangelium in Rom, möglicherweise erst nach Abfassung und Verbreitung des Römerbriefs. Paulus hätte Rufus nicht erwähnt, wäre dieser Name in der Gemeinde von Rom nicht gut bekannt gewesen. den Auserwählten im Herrn. Auserwählt zum Heil. Einige Übersetzungen lesen statt »Auserwählter« »Wahl«, was darauf hinweist, dass er wegen seiner großen Liebe und seines Dienstes weithin als außergewöhnlicher Gläubiger bekannt war. seine Mutter, die auch mir eine Mutter ist. Rufus war nicht ein leiblicher Bruder des Apostels. Aber seine Mutter, die Frau Simons von Kyrene, hatte sich irgendwann bei einer Missionsreise von Paulus um ihn gekümmert.
16,14 »Brüder« bezieht sich in diesem Zusammenhang wahr- scheinlich sowohl auf Männer wie auf Frauen. Das weist darauf hin, dass die hier aufgeführten Namen die führenden Personen von zwei Versammlungen in Rom repräsentieren.
16,16 heiligen Kuss. Das Küssen von Freunden auf Stirn, Wange oder Bart war im AT üblich. Im NT führten die Juden diese Praxis fort. Für Neubekehrte wurde sie besonders kostbar, da diese oft von ihren eigenen Familien wegen ihres Glaubens verstoßen wurden. In einer solchen Situation war die geistliche Verwandtschaft, die der Kuss ausdrückte, besonders tröstend.
16,17 Paulus hielt es für nötig, in seine Grüße der Liebe die- se Warnung vor gefährlichen Lehren und Praktiken einzufügen, die die Wahrheit des Christentums untergraben und dessen größte Bedrohung sind. Echte Liebe wird Böses bereitwillig vergeben, aber sie wird es weder verharmlosen noch ignorieren. Wer wie Paulus andere Gläubige wirklich liebt, wird sie vor Sünde und Gefahren warnen (vgl. 1Kor 13,6). 16,17 Trennungen und Ärgernisse. Lehrmäßige Irrtümer und unge- rechtes Verhalten (vgl. Mt 24,24; Apg 20,27-32; Gal 1,6-8; Eph 4,14).
16,18 Bauch. Sie waren getrieben von Eigennutz und Selbstzufrie- denheit, was häufi g an einem aufwendigen und unmoralischen Lebensstil deutlich wird (vgl. Phil 3,18.19; 2Tim 3,7.8; 2Pt 1,20-2,3.10-19; Jud 12.13). Arglosen. Ahnungslose, naive oder gutgläubige Menschen (vgl. 2Kor 11,13-15).
16,19 bekannt geworden. S. Anm. zu 1,8.
16,20 Gott des Friedens. S. 15,33; Hebr 13,20. den Satan … zer- malmen. S. Anm. zu 1Mo 3,15. in Kurzem. »Bald, schnell, schleunig« (Apg 12,7; 22,18; vgl. Offb 22,7.12.20). Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus. S. Anm. zu 1,7. 16,21 Lucius. Entweder 1.) ein gebürtiger Kyrener und einer der Propheten und Lehrer in Antiochia, der bei der Aussendung von Paulus und Barnabas auf ihre erste Missionsreise dabei war (Apg 13,1-3) oder 2.) eine andere Form von »Lukas«, des Autoren des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte. Jason. Einer der ersten Bekehrten in Thessalonich, der Paulus offenbar kurzfristig in sein Haus aufnahm, bevor Paulus und Silas nach Beröa gesandt wurden (s. Anm. zu Apg 17,5-10). Sosipater. Die längere Form von »Sopater« (Apg 20,4-6), ein Mann aus Beröa (vgl. Apg 17,10-12), der mit anderen Gläubigen Paulus in Troas traf, nachdem der Apostel Ephesus verlassen hatte. meine Verwandten. S. Anm. zu V. 11. 16,22 Tertius. Sekretär des Apostels, der diesen Brief schrieb (Paulus diktierte ihn) und hier seine persönlichen Grüße einfügt. 16,23 Gajus. Aus Korinth; Paulus hatte ihn getauft (vgl. 1Kor 1,14). Sein vollständiger Name war wahrscheinlich »Gajus Titius Justus« (Apg 18,7). die ganze Gemeinde. Die Versammlung, die im Haus des Gajus zusammenkam. Erastus. Zur Zeit des NT ein üblicher Name. Wahrscheinlich ist er nicht derselbe Erastus, von dem in Apg 19,22 und 2Tim 4,20 die Rede ist. Stadtverwalter. Von Korinth. Der Stadtverwalter (oder »Schatzmeister«) hatte eine hohe Stellung mit politischem Einschlag. Quartus. Vielleicht ein leiblicher Bruder von Erastus, aber wahrscheinlich einfach ein Bruder in Christus.
16,24 Dieser Vers ist in den ältesten gr. Handschriften des Römer- briefs nicht enthalten. In Anbetracht des längeren und ausführlicheren unmittelbar folgenden Schlusssegens ist das verständlich.
16,25 Der Brief endet mit einer wunderschönen Doxologie, die Gott für sein Werk durch Jesus Christus lobt und dadurch die Hauptthemen des Römerbriefes zusammenfasst (s. Anm. zu 11,33-36; vgl. Mt 6,13; Lk 19,37.38; Eph 3,20.21; Hebr 13,20.21; Offb 5,9.10). 16,25 meinem Evangelium. S. Anm. zu 1,1; 2,16; vgl. Gal 1,11; 2,2. Verkündigung von Jesus Christus. Ein Synonym zum Evangelium. Dessen Verkündigung war das höchste Lebensziel des Apostels (s. Anm. zu 10,14.15.17; vgl. 1Kor 1,23.24; 2Kor 4,5.6). des Geheimnisses. S. Anm. zu 11,25. Das Wort bedeutet im NT etwas anderes als in der heutigen Umgangssprache. Es bezeichnet etwas, was früher verborgen war, jetzt aber offenbart ist (1Kor 4,1; Eph 5,32; 6,19; Kol 1,25.26; 2Th 2,7.8; 1Tim 3,9.16). Das bekannteste Geheimnis des NT ist, dass Gott nicht nur den Juden, sondern auch den Heiden Rettung bereitet (Eph 3,3-9).
16,26 durch prophetische Schriften … bekannt gemacht. Gott hatte Israel gesagt, dass er dieses Volk nicht allein zur Gerechtigkeit berufen, sondern es als Licht (des Evangeliums) für die Heiden einsetzen werde (s. Anm. zu Jes 42,6; 49,6; 1Pt 1,10.11; vgl. 1Mo 12,3; 2Mo 19,6; Jes 49,22; 53,11; 60,3-5; Jer 31,31.33).
16,27 Gott sei die Ehre. Gott hat das Evangelium geoffenbart, und deshalb verdient er alle Würdigung, Ehre und Anbetung.
1,1 Apostel. Wörtl. Gesandter. Paulus begründet seine Autorität als Ab- gesandter des Herrn Jesus Christus mit der Einsetzung durch Gott (9,1; 15,8; vgl. Apg 9,3-6.17; 22,11-15). Das war insbesondere notwendig aufgrund des korrigierenden Charakters des Großteils dieses Briefes (2,17). S. Anm. zu Röm 1,1; Eph 4,11. Da Paulus von Gott beauftragt war, zu reden und zu schreiben, entsprach Widerstand gegen ihn zugleich Widerstand gegen Gott. Sosthenes. Wahrscheinlich Paulus’ Sekretär. Er war ein ehemaliger Vorsteher der Synagoge von Korinth, der Christ geworden war. Einmal wurde er körperlich angegriffen, weil er Paulus in Korinth vor den Richterstuhl geführt hatte (Apg 18,12-17).
1,2 Heiligen. Das bezieht sich nicht auf besonders fromme oder ehrbare Leute, die von einer Kirche kanonisiert wurden, sondern auf jeden, der durch die Errettung geheiligt, d.h. in Christus von der Sünde abgesondert worden ist (vgl. Gal 1,6; Eph 4,1.4; Kol 3,15-17; 1Tim 6,12; Hebr 10,10.14; 1Pt 2,9.21; 3,9; 2Pt 1,3; Jud 1).
1,3 Gnade sei mit euch und Friede. Ein Gruß, den Paulus in allen seinen Briefen verwendet. Die grundsätzliche Bedeutung von »Gnade« ist Gunst; »Friede« ist eine Folge von Gottes rettender Gnade (Joh 14,27; Phil 4,7).
1,4 die Gnade Gottes … gegeben. Ein Blick zurück in die Ver- gangenheit, d.h. auf ihre Errettung, als Gott sie durch unverdiente und unbezahlbare Liebe und Gnade rechtfertigte und ihre Sünden durch das Werk seines Sohnes vergab.
1,5 in allem reich gemacht worden seid in ihm. Gegenwärtig hat der Gläubige alles, was der Herr zu geben hat und damit alles, was er braucht (s. 3,21; Eph 1,3; Kol 2,10; 2Pt 1,3). Die beiden besonderen Segnungen, von denen hier die Rede ist, haben mit der Verkündigung der Wahrheit des Wortes Gottes zu tun. Wort. Wenn Gläubige für Gott das Wort ergreifen sollen (vgl. Apg 4,29.31; Eph 6,19; 2Tim 2,15; 1Pt 3,15), sind sie fähig zu reden, wann immer Gott es von ihnen möchte, denn er befähigt sie. Diese Fähigkeit kann im Gebet erbeten werden (vgl. Apg 4,29.31; Eph 6,19) und wird durch fl eißiges Bibelstudium gefördert (2Tim 2,15; 1Pt 3,15). aller Erkenntnis. Gott rüstet die Gläubigen mit aller Erkenntnis aus, die sie brauchen, um wirksam für ihn zu reden (vgl. 2,9; Mt 11,15; 2Kor 4,6; Kol 1,9.10).
1,6 das Zeugnis von Christus in euch gefestigt. Das bezieht sich auf den Augenblick der Errettung, als das Evangelium gehört, geglaubt und im Herzen aufgenommen wurde. In diesem Augenblick wurde die in V. 4 erwähnte Gabe erteilt und der Gläubige wurde zu einem Empfänger der Gnade Gottes.
1,7 keinen Mangel … an irgendeiner Gnadengabe. Während die Segnungen von »Wort und Erkenntnis« (V. 5) hauptsächlich der Evangelisation der Verlorenen dienen, sind die Gnadengaben (Kap. 1214) zur Erbauung der Gemeinde. Weil diese Gaben jedem Gläubigen gegeben sind (12,11.12), ungeachtet seiner Reife oder seines geistlichen Zustands, verfügten die Korinther – trotz ihres sündigen Zustandes – in vollem Maße darüber. die Offenbarung. Paulus sieht auf die Segnungen der künftigen Gnade. Wenn der Herr wiederkommt, wird seine ganze Herrlichkeit, Ehre und Majestät in strahlender Pracht geoffenbart werden (Offb 4,11; 5,12; 17,14). Dann werden alle wahren Gläubigen für immer fest gegründet sein, ganz heilig und ohne Sünde in voller Auferstehungsherrlichkeit und Reinheit. So werden sie auf ewig mit Gott im Himmel leben. S. Eph 5,25-27; 2Kor 11,2.
1,8 am Tag unseres Herrn Jesus Christus. Vgl. 5,5; 2Kor 1,14. Das Kommen des Herrn für seine Gemeinde, d.h. die Entrückung (Joh 14,1-3; 1Th 4,13-18; Offb 3,10). Wir müssen dieses Ereignis unterscheiden vom »Tag des Herrn« (1Th 5,2.4; 2Th 2,2), einem Tag des Gerichts für die Gottlosen (s. Einleitung zu Joel: Historische und lehrmäßige Themen).
1,9 Gott ist treu. Aufgrund der souveränen und unabänderlichen Verheißung Gottes können die Gläubigen sich dieser Gnade gewiss sein, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gilt. Sie bleiben gerettet und können der künftigen Herrlichkeit bei Christi Erscheinen sicher sein (Eph 5,26.27). durch den ihr berufen seid. Diese Berufung bezieht sich, wie stets in den NT-Briefen, auf einen wirksamen Ruf, der rettet (s. Anm. zu Röm 8,30). Gott, der zum Heil und in den Himmel beruft, wird treu sein und die nötige Gnade geben, um diese Berufung erfüllen zu können. zur Gemeinschaft seines Sohnes. S. Anm. zu 1Joh 1,3-7.
1,10 einmütig. Wörtl. »dasselbe redend«. Paulus betont hier nicht die geistliche Einheit der weltweiten Gemeinde, sondern die lehrmäßige Einheit in der örtlichen Versammlung der Gläubigen. Diese lehrmäßige Einheit, die sich klar und vollständig auf die Schrift gründet, muss die Grundlage des gesamten Gemeindelebens sein (vgl. Joh 17,11.21-23; Apg 2,46.47). Sowohl ein Mangel an Entschlossenheit zu gesunder Lehre als auch ein Bestreben, lehrmäßige Uneinigkeit zu akzeptieren, werden eine Gemeinde sehr schwächen und die wahre Einheit zerstören. An deren Stelle tritt dann lediglich oberfl ächliche Sentimentalität oder aufgesetzte Harmonie. zusammengefügt. Zugrunde liegt der Gedanke, ein abgebrochenes oder abgetrenntes Stück zurück an seinen Ort einfügen, sodass keine Trennung mehr vorliegt. Dieser Begriff bezeichnet sowohl im NT als auch im klassischen Gr. die Reparatur oder Heilung solcher Dinge wie z.B. Netze, gebrochener Knochen oder zerbrochener Werkzeuge, zerrissener Kleidung und ausgerenkter Gelenke. Vgl. Röm 16,17; Phil 1,27. in derselben Gesinnung und in derselben Überzeugung. Vgl. Phil 3,15.16. Ein Aufruf zu innerer Einheit unter ihren individuellen Gesinnungen und zu äußerer Einheit in ihren gemeinschaftlichen Entscheidungen. Dabei sollen sie in der Wahrheit einig sein durch Glaubensüberzeugungen und Maßstäbe und im Verhalten einig durch praktische Lebensprinzipien (Apg 4,32; Eph 4,3). Die einzige Quelle solcher Einheit ist Gottes Wort als Maßstab der Wahrheit, auf dem die Einheit begründet ist.
1,11 Vgl. 3,4-8. 1,11 die Leute der Chloe. Wahrscheinlich eine bedeutende Person in der Gemeinde von Korinth, die Paulus geschrieben oder in Ephesus besucht und ihm von den Spaltungen in der Gemeinde berichtet hatte. Wir wissen nicht, ob Chloe ein Mann oder eine Frau war.
1,12 Apollos. S. Anm. zu 16,12; Apg 18,24-28. Kephas. Der Apos- tel Petrus.
1,13 Ist der Christus denn zerteilt? Die Loyalität, die allein dem Herrn gebührt, soll keinem menschlichen Führer, nicht einmal einem Apostel, erwiesen werden. Eine solche Erhöhung von Führungspersonen führt nur zu Streit, Konfl ikten und einer gespaltenen Gemeinde. Weder Christus noch sein Leib, die Gemeinde, ist gespalten. Im Vergleich zum Herrn Jesus ist Paulus nichts. Weitere Abschnitte über Einheit s. 12,12.13; Röm 12,5; Eph 4,4-6.
1,14 Krispus. Der Synagogenvorsteher von Korinth, der sich unter Paulus’ Verkündigung bekehrt hatte (Apg 18,8). Seine Bekehrung war ein Vorreiter für viele weitere Bekehrungen. Gajus. Da in Korinth der Römerbrief geschrieben wurde, war Gajus wahrscheinlich der in Röm 16,23 erwähnte Wirt.
1,16 Stephanas. Über diese Familie ist nichts bekannt.
1,17 Dieser Vers bedeutet nicht, dass Menschen nicht getauft wer- den sollten (vgl. Apg 2,38), sondern dass Gott Paulus nicht gesandt hat, um eine private Sekte von Leuten zu gründen, die von ihm persönlich getauft wurden. S. Apg 26,16-18. Er war berufen, das Evangelium zu verkündigen und die Gläubigen zur Einheit in Christus zu führen, und nicht eine Abspaltung eigener Täufl inge zu rekrutieren.
1,18 das Wort vom Kreuz. Gottes vollkommene Offenbarung, d.h. das Evangelium in seiner ganzen Fülle, wobei die Fleischwerdung und Kreuzigung Christi im Mittelpunkt steht (2,2). Hier ist der gesamte Ratschluss und Rettungsplan Gottes zur Erlösung von Sündern im Blick, was das Thema der gesamten Bibel ist. verloren gehen … gerettet werden. Jeder Mensch befi ndet sich entweder im Prozess der Errettung (wenngleich dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist, solange der Körper noch unerlöst bleibt, s. Röm 8,23; 13,11) oder im Prozess des Verderbens. Die Reaktion auf das Wort vom Kreuz Christi entscheidet, in welchem Prozess man sich befi ndet. Den Ablehnern Jesu, die sich im Prozess des Verderbens befi nden (vgl. Eph 2,1.2), erscheint das Evangelium als Unsinn. Den Gläubigen hingegen ist es Weisheit und Kraft. 1,19 es steht geschrieben. Ein Zitat aus Jes 29,14 (s. Anm. dort). Es betont, dass menschliche Weisheit zunichte wird. Jesajas Prophezeiung wird sich in der Endzeit vollends erfüllen, wenn Christus sein Reich errichtet (vgl. Offb 17,14) und jegliche menschliche Weisheit stirbt.
1,20 Wo ist der Weise? Eine freie Wiedergabe von Jes 19,12, wo der Prophet von den Weisen Ägyptens sprach, die zwar Verheißungen von sich gaben, aber niemals Weisheit hervorbrachten. Menschliche Weisheit erweist sich stets als unzuverlässig und vorübergehend (vgl. V. 17; Spr 14,12; Jes 29,14; Jer 8,9; Röm 1,18-23). Schriftgelehrte. Wahrscheinlich dachte Paulus an die Assyrer, die zusammen mit ihren Soldaten auch Schriftgelehrte sandten, damit sie die Kriegsbeute schriftlich verzeichneten. Gott sah voraus, dass sie nichts aufzuschreiben haben werden (Jes 33,18). Wortgewaltige. Für dieses gr. Wort gibt es im AT kein Gegenstück. Es bezeichnet die geschickten, in philosophischer Dialektik geübten Redner.
1,21 Gott in seiner Weisheit. Gott hat es in seiner Weisheit so ver- fügt, dass der Mensch nicht durch seine eigene Weisheit zu ihm fi nden kann. Das würde den Menschen erhöhen und so beschloss Gott, hilfl ose Sünder durch die Predigt einer Botschaft zu retten, die so simpel ist, dass die »Weisen dieser Welt« sie für Unsinn halten. Vgl. Röm 1,18-23. die glauben. Auf menschlicher Seite erfordert die Errettung Glauben; allein durch Glauben geschieht Errettung. Vgl. Joh 1,12; Röm 10,8-17.
1,22 ein Zeichen. Die ungläubigen Juden forderten immer noch übernatürliche Zeichen (Mt 12,38-44), doch dabei lehnten sie das herrlichste aller übernatürlichen Wunderzeichen Gottes ab: die Errettung durch einen jungfräulich geborenen, gekreuzigten und auferstandenen Messias. Ja, dieses Zeichen war für sie ein Stolperstein (vgl. Röm 9,3133). Weisheit. Die Heiden forderten Beweise in Form von menschlicher Logik und Gedankengängen, die sie nachvollziehen und über die sie diskutieren und debattieren konnten. Sie meinten es nicht ernst, genau wie die Philosophen von Athen (Apg 17,21), und interessierten sich nicht für göttliche Wahrheit, sondern wollten lediglich über intellektuelle Neuigkeiten diskutieren.
1,23 Christus den Gekreuzigten. Das einzige wahre Zeichen und die einzige wahre Weisheit. Christus, der Gekreuzigte, allein war die Botschaft, die Paulus verkündete (2,2), denn allein diese Botschaft hatte die Kraft, alle Glaubenden zu retten.
1,24 berufen. S. Anm. zu V. 9. Die Botschaft vom Kreuz, die dem stolzen natürlichen Denken des Menschen so sinn- und nutzlos vorkommt, offenbart allen »Berufenen« die größte Kraft und größte Weisheit Gottes.
1,26 Gott verachtete menschliche Weisheit, da er sie nicht nur als Mittel verwarf, ihn zu erkennen, sondern zudem bechlossen hatte, Einfältige und Geringe zu erretten. Von solchen, die die Welt als weise, mächtig und edel bezeichnen würde, ruft er nicht viele zum Heil (vgl. Mt 11,25; 18,3.4). Er offenbart seine Weisheit den Törichten, Schwachen und Verachteten. Solche also, die von der Elite als Abschaum betrachtet werden, sind es, die sich Jesus Christus als Retter und Herrn anvertrauen. Gott gebührt in Ewigkeit aller Ruhm und alle Ehre dafür, es so eingerichtet zu haben, dass solche Geringen ihn und die ewigen Wahrheiten seines Himmelreichs erkennen. Kein geretteter Sünder kann sich rühmen, er habe das Heil durch seinen Intellekt erlangt (V. 29).
1,30 Die Erlösten werden durch Gottes Weisheit und nicht durch ihre eigene errettet, darüber hinaus schenkt er ihnen in seiner Gnade sogar seine göttliche Weisheit; und außerdem wird ihnen seine Gerechtigkeit zugerechnet (Röm 4,5; 2Kor 5,21). Weiter gibt er ihnen Heiligung von der Sünde (Eph 2,10) und Erlösung (Eph 1,14; 1Pt 1,18.19). Dafür wird vor allem anderen der Herr verherrlicht werden (vgl. Gal 6,4).
1,31 Ein Zitat aus Jer 9,23.
2,1 hervorragender Rede oder Weisheit. S. Anm. zu 1,20-22.
2,2 Gekreuzigten. Der Gemeinde stellte Paulus den ganzen Rat- schluss Gottes vor (Apg 20,27), und er unterwies die Korinther im Wort Gottes (Apg 18,11), aber bei seiner Verkündigung und Lehre an Ungläubige war Jesus Christus der Blickpunkt, weil er die Schuld der Sünde am Kreuz bezahlt hat (Apg 20,20; 2Kor 4,2; 2Tim 4,1.2). Solange jemand das Evangelium nicht versteht und glaubt, kann man ihm nichts weiteres aus der Bibel vermitteln. Die Predigt des Kreuzes (1,18) hatte in der Urkirche eine derart dominierende Bedeutung, dass man den Gläubigen vorwarf, sie würden einen Toten anbeten.
2,3 Schwachheit … Furcht und Zittern. Paulus kam nach Korinth, nachdem er in Philippi geschlagen und verhaftet, aus Thessalonich und aus Beröa verjagt und in Athen verhöhnt worden war (Apg 16,22-24; 17,10.13.14.32). Deshalb muss er körperlich geschwächt gewesen sein. Doch in dieser Schwachheit war er äußerst vollmächtig (s. V. 4.5; 2Kor 12,9.10). Er verwendete keine dramaturgischen oder rhetorischen Mittel oder Kniffe, um die Reaktion der Zuhörer zu manipulieren. In Furcht und Zittern war er, weil er sich der ernstlichen Bedeutung seiner Mission bewusst war.
2,6 Gereiften. Paulus bezeichnet mit diesem Wort echte, von Christus gerettete Gläubige, wie in Hebr 6,1; 10,14. Herrscher. Autoritätsträger. S. Anm. zu 1,19.20. dieser Weltzeit. Alle Zeitalter der Weltgeschichte bis zur Wiederkunft des Herrn.
2,7 Geheimnis. Dieser Begriff bezeichnet nichts Rätselhaftes, son- dern eine Wahrheit, die bei Gott seit Ewigkeit feststeht, die er aber bis zur angemessenen Zeit der Offenbarung geheim gehalten hat. S. Anm. zu Mt 13,11; Eph 3,4.5. zu unserer Herrlichkeit. Die Wahrheit, die Gott vor den Zeitaltern beschlossen und in der Weisheit des Evangeliums im NT offenbart hat: dass er Sünder retten und verherrlichen wird. S. Anm. zu Eph 3,8-12.
2,8 wenn sie sie erkannt hätten. Die Kreuzigung beweist, dass es den Regenten bzw. jüdischen Religionsführern an Weisheit mangelte. Vgl. 1Tim 1,12.13.
2,9 Diese Worte aus Jes 64,3 werden oft fälschlicherweise als Hin- weis auf die Herrlichkeit des Himmels verstanden, aber sie sprechen vor allem von der Weisheit Gottes, die er für Gläubige bereitet hat. Gottes Wahrheit kann nicht mit Augen oder Ohren entdeckt werden (d.h. durch objektive, empirische Beobachtung) und ebenso wenig mit dem Verstand (d.h. durch subjektives, rationales Denken).
2,10 Die errettende Weisheit, die für rein menschliche Weis- heit nicht erkennbar ist, wird uns von Gott geoffenbart. Er vermittelt sie durch Offenbarung, Inspiration und Erleuchtung. Offenbarung (V. 10.11) und Inspiration (V. 12.13) empfi ngen die Schreiber der Bibel; Erleuchtung (V. 14-16) empfangen alle Gläubigen, die danach streben, diese geschriebene Wahrheit Gottes zu erkennen und zu verstehen. Bei allen drei Offenbarungsweisen ist der Heilige Geist die göttliche Person, durch die Gott dieses Werk tut (vgl. 2Pt 1,21). 2,10 Gott hat es geoffenbart. Durch den Heiligen Geist hat Gott seine rettende Wahrheit zu erkennen gegeben (vgl. Mt 11,25; 13,1013). Allein der Geist konnte dies tun, weil er alles weiß, was Gott weiß und selber Gott ist. Uns. Wie bei den »wir« in V. 6.7 und V. 12.13 spricht Paulus zunächst von sich selbst (wie in Joh 14,26; 15,26.27; s. Anm. dort) und in gewissem Sinne von Gläubigen, die das von den Aposteln und deren Mitarbeitern im NT aufgeschriebene Wort empfangen haben.
2,12 Wir haben … empfangen. Das »wir« und »uns« bezieht sich auf die Apostel und andere Schreiber des Wortes Gottes. Das Mittel dazu war die Inspiration (s. Anm. zu 2Tim 3,16; 2Pt 1,20.21), durch die Gott die Gabe seines Wortes schenkte. Durch den Prozess der Inspiration wurden aus geistlichen Gedanken geistliche Worte (V. 13), die Leben geben können (vgl. Mt 4,4).
2,14 Der natürliche Mensch. Der Unbekehrte, der kein überna- türliches Leben und keine Weisheit von Gott hat. geistlich beurteilt. Durch Erleuchtung beim Lesen oder Hören des Wortes Gottes gibt der Heilige Geist den Gläubigen die Fähigkeit, göttliche Wahrheit zu verstehen (s. Ps 119,18). Die geistlich Toten können dies nicht (vgl. Joh 5,37-39; s. Anm. zu 1Joh 2,20.27). Die Lehre der Illumination bedeutet nicht, dass wir alles wüssten (vgl. 5Mo 29,28), dass wir keine Lehre nötig hätten (vgl. Eph 4,11.12) oder dass Erkenntnis und Einsicht keine Fleißarbeit erforderten (vgl. 2Tim 2,15).
2,15 von niemand beurteilt. Ungläubige können offenbar die Fehler und Schwächen von Christen erkennen, aber sie sind nicht imstande, ihre wahre Natur als geistliche Menschen zu beurteilen, die sie zu Kindern Gottes gemacht hat (vgl. 1Joh 3,2).
2,16 den Sinn des Christus. Ein Zitat aus Jes 40,13. In 14,14.15.19 wird dasselbe Wort mit »Verstand« übersetzt. Durch Wort und Geist ist es den Gläubigen möglich, die Gedanken ihres Herrn zu kennen. Vgl. Lk 24,45.
3,1 Nicht nur der äußerliche, weltliche Einfl uss verursachte die Pro- bleme in der Gemeinde, sondern auch innere Fleischlichkeit trug dazu bei. Zum Druck der Welt kam noch die Schwachheit des Fleisches hinzu. fl eischlichen Menschen. Die Gläubigen in Korinth waren zwar keine »natürlichen Menschen« mehr, aber auch noch keine »geistlichen« (die völlig vom Heiligen Geist beherrscht sind). Vielmehr waren sie »fl eischlich« (beherrscht vom gefallenen Fleisch). Obwohl in allen Gläubigen der Heilige Geist wohnt (vgl. Röm 8,9), haben sie immer noch mit dem gefallenen Fleisch zu kämpfen (s. Anm. zu Röm 7,14-25; 8,23). Unmündigen in Christus. Die Fleischlichkeit dieser Gläubigen zeigte ihre Unreife auf. Für diese Unreife konnten sie sich nicht entschuldigen, denn im Lichte alles dessen, was Paulus sie gelehrt hatte, setzt der Apostel voraus, dass sie eigentlich längst reife Christen hätten sein müssen (V. 2). S. Anm. zu Hebr 5,12-14; 1Pt 2,1.2.
3,2 Milch. Das bezieht sich nicht auf bestimmte Lehren, sondern auf leichter verdauliche Lehrwahrheiten, mit denen neue Gläubige belehrt werden. feste Speise. Die tieferen Lehrinhalte der Schrift. Der Unterschied besteht nicht in unterschiedlicher Wahrheit, sondern in unterschiedlicher Tiefe. Bei geistlicher Unreife ist man unfähig, aus reichhaltigen Wahrheiten Gewinn zu empfangen.
3,3 Eifersucht und Streit. Fleischlichkeit führt zu Eifersucht und Neid, einer äußerst eigennützigen Haltung, die zu handfestem Streit und schließlich zu Spaltungen führt. nach Menschenweise. Ohne Beachtung des Willens Gottes und somit nicht geistlich, sondern fl eischlich.
3,4 Paulus … Apollos. Parteiungen waren die spaltende Folge von Fleischlichkeit. Vgl. 1,11-13.
3,5 Wer ist denn Paulus … Apollos? Eine demütige, aber zu- treffende Einschätzung der Rolle von Dienern. der Herr … gegeben hat … Gott hat … gegeben … Gott … gibt. Allein der Herr kann den geistlich Unwissenden und Toten Glauben geben. Das Heil ist ein Werk der Gnade Gottes, das er an den von ihm Erwählten tut (s. Anm. zu Röm 9,15-19; Eph 2,8.9).
3,8 sind eins. Alle menschlichen Werkzeuge, die Gott zum Heil be- nutzt, werden als gleichwertig betrachtet und für ihre Bereitwilligkeit, sich von Gott gebrauchen zu lassen, gleichermaßen belohnt. Doch alle Ehre gebührt Gott, denn nur er allein rettet und niemand sonst. Deshalb wird die törichte Parteilichkeit aus V. 4; 1,12 verurteilt. S. Anm. zu Mt 20,1-16.
3,9 wir. Paulus, Apollos, Petrus und alle Diener sind gleichermaßen Mitarbeiter auf dem Ackerfeld Gottes, doch das geistliche Leben auf diesem Feld kommt gänzlich von Gott und seiner Gnade und Macht. Gottes Bau. Paulus wechselt von der Bildersprache der Landwirtschaft zu der des Hausbaus (V. 10-17).
3,10 als ein weiser Baumeister den Grund gelegt. Das gr. Wort für »Baumeister« ist die Wurzel des dt. Wortes »Architekt«, enthält aber ebenso den Gedanken an einen Maurer wie an einen Architekten. Das Entwerfen und Errichten geistlicher Grundlagen war Paulus’ Spezialität (vgl. Röm 15,20). Gott gebrauchte den Apostel, um Grundlagen zu legen für Gemeinden in Kleinasien, Mazedonien und Griechenland. Auf diesen Fundamenten bauten andere (z.B. Timotheus und Apollos) die Gemeinden auf. Dass Gott Paulus in dieser Weise gebrauchte, war reine Gnade (vgl. V. 7; 15,20; Röm 15,18; Eph 3,7.8; Kol 1,29). Ein jeder. Das bezieht sich in erster Linie auf Evangelisten, Hirten und Lehrer.
3,11 einen anderen Grund kann niemand legen. Paulus hatte die Grundlage nicht selbst entworfen, sondern »legte« sie nur, indem er Christus verkündigte. Vgl. 1Pt 2,6-8.
3,12 Wenn jemand … baut. Das bezieht sich zuallererst auf Evan- gelisten und Hirten (V. 9) und dann auch auf alle Gläubigen, die berufen sind, die Gemeinde durch treuen Dienst aufzuerbauen. Gold, Silber, kostbare Steine. Diese qualitativ hochwertigen Materialien stehen für hingegebenen, geistlichen Dienst für die Auferbauung der Gemeinde. Holz, Heu, Stroh. Schlechte Materialien; sie deuten hin auf oberfl ächliche Aktivität ohne Wert für die Ewigkeit. Damit sind keine in sich bösen Tätigkeiten gemeint (s. Anm. zu V. 13). 3,13 der Tag. Die Zeit des Richterstuhls Christi (s. Anm. zu 2Kor 5,10). durchs Feuer geoffenbart. Das Feuer des beurteilenden Gerichtes Gottes (vgl. Hi 23;10; Sach 13,9; 1Pt 1,17.18; Offb 3,18). Aus 2Kor 5,10 wird deutlich, dass Holz, Heu und Stroh »wertlose« Dinge sind, die der Prüfung des Feuergerichts nicht standhalten (s. Anm. dort; vgl. Kol 2,18).
3,14 bleibt. Alles, was durch Gottes Kraft und zu Gottes Ehre getan wurde, wird fortbestehen (vgl. Mt 25,21.23; 2Kor 5,9; Phil 3,13.14; 1Th 2,19.20; 2Tim 4,7.8; Jak 1,12; 1Pt 5,4; Offb 22,12). Lohn. Vgl. Offb 22,12. Zahlung dessen, was man verdient, aber nicht im Sinne einer Strafe für Sünde – denn diesen Preis hat Christus gezahlt (Röm 8,1), sodass kein Gläubiger jemals für Sünde gerichtet wird. Hier geht es ausschließlich um die Festsetzung des ewigen Lohnes (vgl. 4,5; »dann wird jedem das Lob von Gott zuteil werden«).
3,15 gerettet werden. Auch wenn noch so viele seiner Werke wert- los sind, wird kein Gläubiger das Heil verwirken.
3,16 Eine ernste Warnung an alle, die den Bau der Gemeinde auf der Grundlage Christi in ihrem Sinn zu beeinfl ussen oder gar zu zerstören versuchen. S. Anm. zu Mt 18,6.7.
3,18 betrüge sich selbst. S. Anm. zu 1,18-25. Wer die Ge- meinde verunreinigt und meint, er könne sie durch menschliche Weisheit erfolgreich ruinieren, täte weit besser daran, diese vermeintliche Weisheit zu verwerfen und die Torheit des Kreuzes Christi zu akzeptieren.
3,19b Mit Zitaten aus Hi 5,13 und Ps 94,11 bekräftigt Paulus seine Aussage aus 1,18-25 und erinnert die Korinther, dass menschliche Weisheit weder retten noch eine Gemeinde bauen, noch ihr Wachstum verhindern kann.
3,21 rühme sich … Menschen. Vgl. V. 4; 1,12. Paulus, Apollos und alle anderen empfangen für den Bau der Gemeinde keine Ehre. alles gehört euch. Alle Gläubigen haben gleichermaßen teil an Gottes wichtigsten und wertvollsten Vorkehrungen und Ehren. Deshalb ist das Rühmen von Menschen sowohl lächerlich als auch sündig.
3,22 die Welt. Wenngleich das Universum derzeit in Händen Satans ist, so ist es dennoch der von Gott gegebene und von Gott geschaffene Besitz der Christen (2Kor 4,15; 1Joh 5,19). Im Tausendjährigen Reich und in der ganzen Ewigkeit werden die Gläubigen jedoch die neu erschaffene und ewige Erde auf unendlich völligere und reichhaltigere Weise besitzen (Mt 5,5; Offb 21). Leben. Geistliches, ewiges Leben (vgl. Joh 14,23; vgl. 2Pt 1,3.4). Tod. Geistlicher und ewiger Tod (15,5457; Phil 1,21-24). das Gegenwärtige. Alles, was der Gläubige in diesem Leben hat oder erfährt (vgl. Röm 8,37-39). das Zukünftige. Alle Segnungen des Himmels. Vgl. 1Pt 1,3.4. alles ist euer. In Christus ist alles Gute und Heilige zum Segen der Gläubigen und zur Ehre Gottes. Vgl. Eph 1,3; 2Pt 1,3.
3,23 des Christus … Gottes. Das Bewusstsein, dass Gläubige Christus und deshalb einander gehören, ist der größte Anreiz zur Einheit in der Gemeinde (6,17; Joh 9,9.10.21-23; Phil 2,1-4).
4,1 So soll man uns betrachten. Paulus wollte, dass er und seine Mitarbeiter zu allererst nur als die demütigen Boten Gottes angesehen werden, zu denen Gott sie eingesetzt hat (vgl. 3,9.22). Diener. Paulus drückt seine Demut mit einem Begriff aus, der wörtl. »Unter-Rudernder« bedeutet. Das bezieht sich auf niedrigste und verachtetste Galeerensklaven, die im untersten Deck eines Schiffes ruderten (9,16; s. Lk 1,2; Apg 20,19). Verwalter. Paulus defi niert seine Verantwortlichkeit als Apostel mit einem Wort, das ursprünglich jemanden bezeichnete, dem das Haus seines Herrn anvertraut war und der somit für den ganzen Hausstand verantwortlich war. Das umfasste die Gebäude und Felder, das Vermögen, die Nahrungsvorräte, andere Knechte und manchmal sogar die Kinder des Herrn. Vgl. 1Pt 4,10. göttlicher Geheimnisse. Der Begriff »Geheimnis« bezeichnet im NT eine göttlich offenbarte Wahrheit, die zuvor verborgen war. S. Anm. zu 2,7; Mt 13,11; Eph 3,4.5. Hier wird das Wort in seinem weitesten Sinne verwendet: die im NT vollends offenbarte Wahrheit Gottes (Apg 20,20.21.27; 2Tim 2,15; 3,16). Über diese ganze Wahrheit war Paulus als Gottes Diener zum Aufseher und Verwalter eingesetzt.
4,2 treu. Die wichtigste Eigenschaft eines Dieners oder Verwalters ist Treue und Zuverlässigkeit gegenüber seinem Herrn (V. 17; 7,25; vgl. Mt 24,45-51; Kol 1,7; 4,7).
4,3 menschlichen Gerichtstag. Paulus ist hier nicht überheblich und sagt nicht, er stünde über seinen Mitdienern, anderen Christen oder auch nur über gewissen Ungläubigen. Er sagt nur, dass es nicht auf ein menschliches Urteil über sein Leben ankommt, nicht einmal auf seine eigene Meinung über sich.
4,4 ich bin mir nichts bewusst. Paulus war sich keiner Sünde in seinem Leben bewusst, die er nicht bekannt oder sich noch nicht abgewöhnt hätte, aber ihm war klar, dass er mit seinem begrenzten Verstand nicht das letzte Urteil fällen konnte (s. Anm. zu 2Kor 1,12). nicht gerechtfertigt. Paulus’ eigene aufrichtige Beurteilung seines Lebens entschuldigte ihn nicht von allem, wo er versäumt hatte, treu zu sein. der Herr. Er ist der letztendliche und einzig fähige Richter über den Gehorsam und die Treue von Menschen (2Tim 2,15). S. Anm. zu 2Kor 5,9.10.
4,5 das im Finstern Verborgene … Absichten der Herzen. Hier geht es um die inneren Motive, Gedanken und Einstellungen, die nur Gott kennen kann. Da der letztendliche Lohn sich nicht auf äußeren Dienst gründet, sondern auf innere Hingabe (vgl. 10,31), kann nur Gott das Lob geben, wie ein jeder es verdient. S. Anm. zu 3,12-14.
4,6 Das aber. Paulus bezieht sich auf die von ihm verwendeten Bil- der, mit denen er die Diener des Herrn einschließlich sich selbst und Apollos beschrieben hat: Landwirte (3,6-9), Maurer (3,10-15) und Diener bzw. Verwalter (V. 1-5). euretwillen. Im Licht des göttlichen Urteils über die größten Apostel und Prediger wurde Paulus’ Demut deutlich. Sie dient dazu, uns Gläubigen beizubringen, niemanden aus unserer Mitte zu erhöhen (vgl. 1Mo 18,27; 32,10; 2Mo 3,11; Ri 6,15; Mt 3,14; Lk 5,8; Joh 1,26.27; Apg 20,19; 2Kor 3,5; Eph 3,8). was geschrieben steht. Gottes treue Diener sollen respektiert und geachtet werden, allerdings nur so weit, wie es schriftgemäß ist (1Th 5,12; 1Tim 5,17; Hebr 13,7.17). aufbläht. Stolz und Überheblichkeit waren in der Gemeinde von Korinth schwere Probleme (s. V. 18.19; 5,2; 8,1; 13,4; 2Kor 12,20).
4,7 rühmst. Stolz ist Betrug, denn alles, was jemand besitzt, stammt aus Gottes fürsorglicher Hand (vgl. 1Chr 29,11-16; Hi 1,21; Jak 1,17).
4,8 satt … reich … zur Herrschaft gelangt. In diesem schweren Tadel zählt Paulus in sarkastischem Ton auf, was die Korinther einander – und zwar völlig unberechtigt – an bereits eingenommener geistlicher Größe beimaßen. Sie glichen den Laodizeern (s. Offb 3,17). Vgl. Phil 3,12; 2Tim 4,8; Jak 1,12; 1Pt 5,4. herrschen. Paulus ersehnte jedoch die wirkliche Herrschaftszeit des Tausendjährigen Reiches, denn dann werden sie alle an der Herrlichkeit des Herrn teilhaben.
4,9 die Letzten. Das Bild von zum Tod verurteilten Häftlingen, die zu Kampf und Tod in eine römische Arena geführt werden. Die letzten, die dort zum Sterben an der Reihe waren, bildeten das große Finale. In seiner souveränen Weisheit beschloss Gott, die Apostel im gegenwärtigen Zeitalter zeichenhaft vor Menschen und Engeln als ebensolche verachteten und todgeweihten Gladiatoren darzustellen (vgl. Mt 10,28). Sie wurden lächerlich gemacht, bespuckt, eingekerkert und geschlagen wie zum Sterben verdammte Sklaven. Doch Gott verherrlichte seinen Namen, indem er sie zum Bau seines Reiches gebrauchte.
4,10 Narren … klug. Paulus rügt die Korinther mit weiterer Ironie – nun auf sich selbst bezogen, als ahme er ihre stolze Haltung ihm gegenüber nach (vgl. Apg 17,18).
4,11 Die Apostel und ersten Prediger lebten auf unterstem gesell- schaftlichem Niveau. Die Korinther hingegen hielten sich für Herren (V. 8), aber Paulus wusste, dass er ein leidender Sklave war (vgl. 2Kor 1,8.9; 4,8-12; 6,4-10; 11,23-28).
4,12 mit unseren eigenen Händen. Die Apostel arbeiteten körper- lich; die Griechen – einschließlich einiger Gläubiger aus Korinth – sahen das als unter ihrer Würde an; so etwas könne man nur Sklaven zumuten. Aber Paulus war keinerlei Arbeit abgeneigt, die zur Unterstützung der Evangeliumsverkündigung nötig war (vgl. Apg 18,3; 20,34; 2Kor 11,2328; 1Th 2,9; 2Th 3,8; 2Tim 3,12).
4,13 Kehricht … Abschaum. Der Dreck und Abschaum, der aus einer Schüssel oder einem Abfallbehälter ausgekratzt wird. Diese Begriffe wurden bildhaft verwendet für die niedrigsten, verkommensten Kriminellen, die häufi g bei heidnischen Zeremonien geopfert wurden. Paulus und seine Predigergenossen wurden zwar nicht von Gott, aber von der Welt als solche angesehen und bezeichnet. Welch ein Tadel für die stolzen, fl eischlichen Korinther, die sich selbst als etwas Vornehmes betrachteten, während der Apostel sich als Abschaum bezeichnete!
4,14 ermahne. Wörtl. »ins Denken stellen«, zwecks Ermahnung und Tadel. Dabei wird vorausgesetzt, dass etwas falsch ist und korrigiert werden muss (vgl. Mt 18,15-20; Apg 20,31; 1Th 2,7-12; 5,14). meine geliebten Kinder. Trotz ihrer fl eischlichen und bisweilen sogar abscheulichen Unreife dachte Paulus stets mit Zuneigung an die korinthischen Gläubigen (vgl. 2Kor 12,14.15; Gal 4,19; Phil 1,23-27; 3Joh 4).
4,15 zehntausend Lehrmeister. Dieser Ausdruck bedeutet eigent- lich »zahllose Erzieher«. Ein übertriebener Hinweis auf eine unbegrenzte Anzahl von Aufpassern bei Kindern. Da nur Paulus ihr geistlicher Vater war, war niemand so besorgt um sie wie er.
4,16 Werdet meine Nachahmer. S. 11,1. Eine kühne, aber be- rechtigte Ermahnung. Geistliche Leiter müssen ein Musterbeispiel für Christusähnlichkeit sein (vgl. 1Tim 4,12; Hebr 13,7)
4,17 Timotheus. Paulus hatte ihn so treu in der Jüngerschaft ange- leitet, dass er anstelle des großen Apostels gesandt werden und Paulus ihm vertrauen konnte, er werde ihn vollkommen vertreten. Vgl. 2Tim 2,2;
3,10 als ein weiser Baumeister den Grund gelegt. Das gr. Wort für »Baumeister« ist die Wurzel des dt. Wortes »Architekt«, enthält aber ebenso den Gedanken an einen Maurer wie an einen Architekten. Das Entwerfen und Errichten geistlicher Grundlagen war Paulus’ Spezialität (vgl. Röm 15,20). Gott gebrauchte den Apostel, um Grundlagen zu legen für Gemeinden in Kleinasien, Mazedonien und Griechenland. Auf diesen Fundamenten bauten andere (z.B. Timotheus und Apollos) die Gemeinden auf. Dass Gott Paulus in dieser Weise gebrauchte, war reine Gnade (vgl. V. 7; 15,20; Röm 15,18; Eph 3,7.8; Kol 1,29). Ein jeder. Das bezieht sich in erster Linie auf Evangelisten, Hirten und Lehrer. 3,10 ich … lehre. Hier geht es nicht um Ratschläge, sondern um biblische Lehre. Timotheus sollte mit seiner Unterweisung und seinem Vorbild die ewigen Wahrheiten bekräftigen, die Paulus ihn gelehrt hatte.
4,18 aufgebläht. Sie waren überheblich und dachten, sie hätten es nicht nötig, sich mit Paulus noch einmal auseinanderzusetzen. Doch er plante, wenn Gott es zuließe, bald zu ihnen zu kommen. Er würde ihr stolzes Sündigen nicht einfach tolerieren, sondern sie um ihret- und um des Evangeliums willen damit konfrontieren (vgl. Hebr 12,6). Bei dieser Konfrontation würde deutlich werden, wie viel geistliche Kraft sie tatsächlich haben.
4,20 nicht in Worten, sondern in Kraft. Geistlicher Charakter wird nicht an der Eindrücklichkeit von Worten gemessen, sondern an der Vollmacht des Lebens (vgl. Mt 7,21-23).
4,21 Rute. Wenn Menschen in Sünde verharren, müssen geistliche Leiter die Rute der Korrektur anwenden. Das Muster für solche Korrektur wird illustriert und erklärt in 5,1-13; vgl. Mt 18,15-18.
5,1 Unzucht. Sexuelle Unmoral. Diese Sünde war so schlimm, dass sogar die Heiden im Umfeld der Gemeinde sich offenbar darüber empörten. Die Korinther hatten dieses öffentlich bekannte Vergehen entschuldigt oder verharmlost, obwohl Paulus ihnen deswegen bereits geschrieben hatte (V. 9). Vom gr. Wort für »Unzucht« stammt der Begriff »Pornografi e« ab. die Frau seines Vaters. Die Stiefmutter dieses Mannes. Die Geschlechtsbeziehung zu ihr war genauso offenkundig sündig wie ein derartiges Verhältnis zwischen ihm und seiner leiblichen Mutter. Im AT stand Inzest unter Todesstrafe (3Mo 18,7.8.29; vgl. 5Mo 23,1) und war unter römischem Gesetz sowohl unbekannt (»unerhört«, wörtl. »nicht genannt«) als auch verboten.
5,2 aufgebläht. Die Korinther waren so arrogant und fl eischlich, dass sie sich sogar über diese extreme Verdorbenheit hinwegsetzten. hinweggetan. Außerhalb der Gemeinschaft stellen, ausschließen, »exkommunizieren«, wie in V. 7 (s. Mt 18,15-17; Eph 5,3.11; 2Th 3,6).
5,3 habe schon … beschlossen. Paulus hatte sein Urteil über den Sünder bereits getroffen, und die Gemeinde musste ebenso zu diesem Urteil kommen.
5,4 im Namen unseres Herrn. In Übereinstimmung mit seinem heiligen Wesen und Wollen. Kraft. Hier geht es um Autorität. Das Vorgehen gegen einen unbußfertigen Sünder in der Gemeinde trägt das gewichtige Siegel der Autorität des Herrn. vereinigt. Besser wörtl. übersetzt »versammelt«. Dies fi ndet statt, wenn die Gemeinde öffentlich zusammenkommt (s. Anm. zu Mt 18,15-18).
5,5 dem Satan zu übergeben. »Übergeben« ist ein starker Aus- druck, der für richterliche Urteilsverkündigung verwendet wurde. Das ist gleichbedeutend mit dem Ausschließen bzw. Exkommunizieren des bekennenden Gläubigen. Das läuft darauf hinaus, dass die betreffende Person außerhalb des Segensbereiches der christlichen Zusammenkünfte und Gemeinschaft gestellt und dem Herrschaftsbereich Satans (der Welt) ausgeliefert wird. S. Anm. zu 1Tim 1,20. zum Verderben des Fleisches. Das bezieht sich auf Gottes Züchtigung wegen der Sünde, die zu Krankheit oder sogar zum Tod führen kann. S. Anm. zu 11,29-32; vgl. Apg 5,1-11. der Geist gerettet. Der unbußfertige Mensch mag sehr unter Gottes Gericht leiden, wird jedoch kein böser Einfl uss mehr in der Gemeinde sein. Unter diesem Gericht wird er mit höherer Wahrscheinlichkeit gerettet werden, als wenn er in der Gemeinde toleriert und akzeptiert würde. am Tag des Herrn Jesus. Der Zeitpunkt, wenn der Herr wiederkommt und Lohn für die Seinen mitbringt. S. Anm. zu 1,8.
5,6 Rühmen. Dieses Rühmen war nicht gut, weil ihre stolze Selbst- zufriedenheit sie blind machte für ihre Verantwortung bezüglich offenkundiger Sünde, die die Gemeinde verdarb. Sauerteig. S. Anm. zu Mk 8,15. In der Bibel repräsentiert Sauerteig Einfl uss, in den meisten Fällen den Einfl uss des Bösen (vgl. 2Mo 13,3.7). den ganzen Teig. Wenn Sünde toleriert wird, durchdringt und verdirbt sie die ganze örtliche Gemeinde.
5,7 unser Passahlamm … Christus. Genau wie ungesäuertes Brot die Befreiung aus Ägypten durch das Passahlamm symbolisierte (2Mo 12,15-17), so soll auch die Gemeinde ungesäuert sein, denn sie ist durch das vollkommene Passahlamm, den Herrn Jesus Christus, vom Herrschaftsbereich der Sünde und des Todes abgesondert worden. Deshalb muss die Gemeinde alles Sündige aus ihrer Mitte fortschaffen, damit sie vom alten Leben getrennt ist, einschließlich vom Einfl uss sündiger Gemeindeglieder.
5,8 Fest feiern. Im Gegensatz zum jährlich gefeierten Passah des AT feiern Christen ständig das neue Passah – Jesus Christus. Genau wie die Juden mit ungesäuertem Brot Passah feiern, so feiern Christen ihr ständiges Passah mit ungesäuertem Leben.
5,9 Brief. Ein vorheriger Brief von Paulus an die Korinther forderte sie auf, sich von unmoralischen Personen zu trennen (vgl. V. 11; 2Th 3,615).
5,10 dieser Welt. Die Gemeinde hatte die Anweisungen im früheren Brief offenbar falsch verstanden und hatte alle Kontakte zu Unerretteten in der Welt abgebrochen. In den eigenen Reihen tolerierten sie jedoch weiterhin Sünde, obwohl diese für die Gemeinschaft viel gefährlicher war. (S. Joh 17,15.18). Gott will, dass wir als seine Zeugen in dieser Welt sind (vgl. Mt 5,13-16; Apg 1,8; Phil 2,15).
5,11 Bruder nennen lässt. Paulus stellt klar, was er mit seinem früheren Brief beabsichtigt hatte. Er erwartete, dass sie sich von allen trennen, die sich als Brüder bezeichnen, aber kontinuierlich von Sünde geprägt sind. nicht einmal essen. Gemeinsame Mahlzeiten waren damals ein Zeichen der Annahme und Gemeinschaft. S. 2Th 3,6.14.
5,12 außerhalb. Paulus hatte nie beabsichtigt, dass er oder die Gemeinde über Ungläubige außerhalb der Gemeinde richten sollten, sondern vielmehr über die Menschen innerhalb der Gemeinde (vgl. 1Pt 4,17). Gott steht es zu, Außenstehende zu richten, und Gläubigen steht es zu, Außenstehende zu evangelisieren. Wer aber innerhalb der Gemeinde sündigt, muss von der Gemeinde ausgeschlossen werden. (Vers 13 ist ein Zitat aus 5Mo 17,7).
6,1 Wie kann jemand. Einen anderen Gläubigen vor einem weltli- chen Gericht zu verklagen, ist dreister Ungehorsam und zieht die Konsequenz aller Sünden auf sich – das Missfallen Gottes. eine Beschwerde gegen einen anderen. Dieser Ausdruck wurde im Gr. gewöhnlich für einen Rechtsstreit verwendet (»vor Gericht gehen«). Ungerechten. Das spricht nicht vom moralischen Charakter der Ungläubigen, sondern von ihrem ungeretteten geistlichen Zustand. bei den Heiligen. Gläubige sollen alle Angelegenheiten unter sich in der Gemeinde klären.
6,2 die Welt richten. Da die Christen schon jetzt die Wahrheit, den Heiligen Geist, die Gaben und alle anderen Hilfsmittel haben, womit sie im Tausendjährigen Reich mit Christus zusammen die Welt richten werden (Offb 2,26.27; 3,21; vgl. Dan 7,22), sind sie mehr als qualifi ziert, die Kleinigkeiten des jetzigen Lebens unter sich zu klären.
6,3 Engel richten. Dieses gr. Wort kann »regieren« oder »beherr- schen« bedeuten. Da die gefallenen Engel vom Herrn selber gerichtet werden (2Pt 2,4; Jud 6), bedeutet diese Aussage wahrscheinlich, dass wir in der Ewigkeit in irgendeiner Weise über die heiligen Engel gesetzt sein werden. Da Engel »dienstbare Geister« für die Gläubigen sind (Hebr 1,14), scheint es vernünftig anzunehmen, dass sie uns in der Herrlichkeit dienen werden.
6,4 Dieser Vers ist schwer zu übersetzen, was aus den vielen ver- schiedenen Übersetzungsversuchen deutlich wird. Die grundsätzliche Bedeutung ist jedoch klar: Bei zeitlichen Konfl ikten und Auseinandersetzungen unter Christen ist es unvorstellbar, dass die Gläubigen sich an die denkbar ungeeignetsten Personen (Ungläubige) wenden, um die Sache beilegen zu lassen. Selbst der juristisch ungeübteste Gläubige, der aber das Wort Gottes kennt und dem Heiligen Geist gehorcht, ist weit kompetenter, Streitigkeiten zwischen Gläubigen zu schlichten, als der erfahrenste Ungläubige, der weder Gottes Wahrheit noch Geist hat.
6,5 Beschämung. Ein derartiges Verhalten wie das Verklagen ei- nes Mitgläubigen ist nicht nur eine sündige Schande (V. 5), sondern ein völliges Versagen in Gehorsam und Gerechtigkeit. Wer als Christ einen Mitchristen vor Gericht bringt, hat schon eine moralische Niederlage und einen geistlichen Schaden erlitten, noch bevor die Klage angehört wird, und schließlich wird er unter die Züchtigung Gottes fallen (vgl. Hebr 12,3ff.).
6,7 Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? Es wäre besser, Unrecht zu erleiden a) wegen der schändlichen Sünde (V. 5) und b) wegen der moralischen Niederlage (V. 8). Das sind die Früchte des Eigennutzes und des Misstrauens gegen Gott, seine Weisheit, seine Macht und seinen souveränen Ratschluss, sowie Früchte der Bereitschaft, die Gemeinde zu schädigen und das Zeugnis des Evangeliums Jesu zu beeinträchtigen. übervorteilen. Christen haben kein Recht auf juristische Zufl ucht in zivilen Gerichten. Es ist weit besser, auf Gottes souveräne Absicht mit diesem Konfl ikt zu vertrauen und fi nanziellen Verlust einzustecken, als ungehorsam zu sein und geistlichen Schaden zu nehmen (s. Anm. zu Mt 5,39.40; 18,21-35).
6,8 ihr übt Unrecht und übervorteilt. Die Gläubigen, die ihre Mitchristen verklagen, machen sich derselben Verfehlung schuldig, die sie mit ihrer Klage korrigieren wollen.
6,9 Diese Aufl istung von Sünden ist zwar nicht vollständig, re- präsentiert jedoch die wichtigsten Arten moralischer Sünde, von denen Ungerettete gekennzeichnet sind. 6,9 das Reich Gottes nicht erben. Das Reich Gottes ist die geist- liche Sphäre der Erlösung, wo Gott als König über alle regiert, die durch Glauben zu ihm gehören (s. Anm. zu Mt 5,3.10). Alle Gläubigen befi nden sich in diesem geistlichen Reich, warten jedoch darauf, im künftigen Zeitalter das volle Erbe des Reiches anzutreten. Wer von solchen Freveltaten charakterisiert ist, der ist nicht errettet (V. 10). S. Anm. zu 1Joh 3,9.10. Gläubige können zwar solche Sünden begehen und tun das auch, aber sie sind davon nicht charakterisiert. Solche Sünden können kein durchgängiges Lebensmuster von Gläubigen sein. Wenn ein Gläubiger davon gekennzeichnet ist, dann gibt dies zu erkennen, dass er nicht im Reich Gottes ist. Wenn wahre Gläubige sündigen, sind sie betrübt darüber und ringen um Sieg über die Sünde (vgl. Röm 7,1425). Unzüchtige. Alle, die sexueller Unmoral nachgehen, insbesondere Unverheiratete. Götzendiener. Alle, die falsche Götter verehren oder einer falschen Religion anhängen. Ehebrecher. Verheiratete, die sich auf außerehelichen Geschlechtsverkehr einlassen. Weichlinge … Knabenschänder. Homosexuelle und Perverse. Diese Begriffe bezeichnen solche, die die normalen heterosexuellen Geschlechtsrollen und -beziehungen verdrehen und pervertieren. Dazu gehört z.B. Transvestismus, Geschlechtertausch und andere geschlechtliche Perversionen (vgl. 1Mo 1,27; 5Mo 22,5). »Knabenschändung« könnte man auch mit »Sodomie« übersetzen. Dieser Begriff bezieht sich darauf, dass in Sodom die Sünde der Homosexualität grassierte (1Mo 18,20; 19,4.5). Diese sündige Perversion wird in der Bibel stets in jeder Form verurteilt (vgl. 3Mo 18,22; 20,13; Röm 1,26.27; 1Tim 1,10).
6,10 Diebe … Habsüchtige. Beide sind derselben Grundsünde der Habgier schuldig. Habgierige wollen immer mehr haben und gieren nach dem Besitz anderer; Diebe nehmen sich diesen fremden Besitz sogar tatsächlich. Lästerer. Jemand, der andere mit Worten zu ruinieren versucht. Räuber. Das gr. Wort bezeichnet Schwindler und Betrüger, die indirekt stehlen, indem sie zu ihrem eigenen fi nanziellen Gewinn andere zu Unrecht benachteiligen.
6,11 etliche von euch. Zwar haben sich nicht alle Christen dieser speziellen Sünden schuldig gemacht, doch ist jeder Christ gleichermaßen ein Ex-Sünder, denn Christus ist gekommen, um Sünder zu retten (vgl. Mt 9,13; Röm 5,20). Einige Korinther, die früher in solchen sündigen Lebensweisen verstrickten waren, fi elen wieder in ihre alten Sünden zurück und mussten darauf hingewiesen werden, dass sie das ewige Heil nicht erben werden, wenn sie wieder ganz zurückgehen und so leben wie zuvor. Das wäre nämlich ein Zeichen dafür, dass sie niemals gerettet waren (vgl. 2Kor 5,17). abgewaschen. Das spricht vom neuen Leben, das durch eine geistliche Reinigung und Neugeburt erlangt wurde (vgl. Joh 3,3-8; 2Kor 5,17; Eph 2,10; Tit 3,5). geheiligt. Heiligung führt zu einem neuen Verhalten. Ein umgestaltetes Leben bringt stets ein solches neues Verhalten hervor. Die Herrschaft der Sünde ist gebrochen und an ihre Stelle ist eine neue Lebensweise des Gehorsams und der Heiligkeit getreten. Das ist zwar keine Vollkommenheit, aber eine neue Ausrichtung (s. Röm 6,17.18.22). gerechtfertigt. Eine neue Stellung vor Gott, d.h. der Christ ist bekleidet mit Christi Gerechtigkeit. In Jesu Tod wurden die Sünden des Gläubigen dem Retter angerechnet und er erlitt die Strafe dafür. Somit kann seine Gerechtigkeit dem Sünder zuerkannt werden und wir können diesen Segen der Rechtfertigung empfangen (Röm 3,26; 4,22-25; 2Kor 5,21; Phil 3,8.9; 1Pt 3,18). in dem Geist. Oder »durch den Geist«. Der Heilige Geist ist der Vermittler der Umgestaltung bei der Errettung (vgl. Joh 3,3-5).
6,12 Der durch Gottes Gnade gewaschene, geheiligte und ewig gerechtfertigte Sünder ist befreit (vgl. Röm 8,21.33; Gal 5,1.13). Die Korinther hatten mit dieser Freiheit gerade das getan, wovor Paulus die Galater gewarnt hatte: »Macht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für das Fleisch« (Gal 5,13). In diesem Abschnitt zeigt Paulus den Fehler im Denken der Korinther auf: Sie meinten, sie hätten die Freiheit zu sündigen, weil alle Sünde von Gottes Gnade zugedeckt würde. 6,12 Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich! Das war vielleicht ein Slogan der Korinther. Es stimmt, dass Gott alle Sünden vergibt, die ein Gläubiger begehen mag (Eph 1,7), aber nicht alles, was die Korinther taten, war lohnend oder vorteilhaft. Missbrauch der Freiheit und Gnade fordert einen hohen Preis. Sünde führt immer zu Verlust. beherrschen. Sünde hat Macht und beherrscht (vgl. Röm 6,14). Keine Sünde ist versklavender als sexuelle Unmoral. Sie kann bei einem Gläubigen niemals ein durchgängiges Lebensmuster sein, aber sie kann zu einer wiederkehrenden Gewohnheit werden, die den Gläubigen seiner Freude, seines Friedens und seiner Brauchbarkeit beraubt und die Züchtigung Gottes und auch Gemeindezucht über ihn bringt (vgl. 5,1ff.). S. Anm. zu 1Th 4,3-5. Sexuelle Sünde beherrscht, und deshalb darf der Gläubige niemals zulassen, dass er von Sünde geleitet wird, sondern muss in der Kraft des Herrn über sie herrschen (s. Anm. zu 9,27). Die gottlose Auffassung, die Freiheit in Christus erteile eine Lizenz zum Sündigen, lehnt Paulus kategorisch ab (vgl. Röm 7,6; 8,13.21).
6,13 Speisen … Bauch. Das war vielleicht ein gängiges Sprichwort, mit dem man die These feierte, Sex sei genauso ein rein biologischer Vorgang wie die Nahrungsaufnahme. Die einfl ussreiche Philosophie des Dualismus hatte womöglich zu dieser Auffassung beigetragen, da der Dualismus lehrte, nur der Leib sei böse. Daher seien die körperlichen Aktivitäten unvermeidbar und somit ohne Konsequenzen. So wie die Beziehung zwischen Speise und Bauch rein biologischer und zeitlicher Natur ist, so rechtfertigten die Korinther – wie viele ihrer heidnischen Freunde – ihre sexuelle Unmoral mit diesem Vergleich. Der Leib … für den Herrn. Paulus verwirft diese bequeme Ausrede, dass Körper und Nahrung zeitliche Dinge seien, die vergehen werden.
6,14 Vgl. Apg 2,32; Eph 1,19. Die Körper der Gläubigen und der Herr stehen in einer ewigen Beziehung, die nie vergehen wird. Der Leib des Gläubigen wird umgestaltet werden, auferstehen, verherrlicht werden und eine himmlische Natur haben. S. 15,35-54; vgl. Phil 3,20.21.
6,15 Glieder. Der Körper des Gläubigen ist nicht nur hier und jetzt für den Herrn (V. 14), sondern gehört zum Herrn als Bestandteil seines Leibes, der Gemeinde (Eph 1,22.23). Der Leib des Christen ist ein geistlicher Tempel, in dem der Geist Christi wohnt (12,3; Joh 7,38.39; 20,22; Apg 1,8; Röm 8,9; 2Kor 6,16). Wenn daher ein Gläubiger eine sexuelle Sünde begeht, verbindet er Christus mit einer Hure. Jede sexuelle Sünde ist Hurerei. Das sei ferne! Dieser Ausdruck ist die Übersetzung der stärksten gr. Negation – »möge es niemals sein!«
6,16 ein Fleisch. Paulus bekräftigt sein Argument aus dem vorigen Vers durch einen Appell mit 1Mo 2,24. In diesem atl.-Vers wird die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau als »ein Fleisch werden« defi niert. Wenn jemand eine Beziehung zu einer Hure hat, ist er »ein Fleisch« mit ihr und somit wäre Christus geistlich mit dieser Hure verbunden.
6,17 ein Geist mit ihm. Paulus belegt sein Argument weiter. Er bekräftigt, dass jegliche Sexualität außerhalb der Ehe Sünde ist. Unrechtmäßige Beziehungen bei Gläubigen sind jedoch besonders sträfl ich, denn Gläubige sind eins mit Jesus Christus und ziehen ihn so mit in ihre Sünde hinein (Joh 14,18-23; 15,4.7; 17,20-23; Röm 12,5). Aufgrund dieses Arguments sollten derartige Sünden absolut undenkbar sein.
6,18 Jede Sünde … ist außerhalb des Leibes. In gewissem Sinne ruinieren sexuelle Sünden Menschen wie keine anderen, weil sie so intim und verstrickend sind und ihren Schaden auf tiefster menschlicher Ebene anrichten. Allerdings spielt Paulus wahrscheinlich auf Geschlechtskrankheiten an, die seinerzeit (wie heute) grassierten und viele Opfer forderten. Keine Sünde hat ein größeres Potenzial zum Ruinieren des Körpers. Wegen der Wahrheit der Verse 19.20 sollte der Gläubige sie unbedingt vermeiden.
6,19 nicht euch selbst gehört. Der Körper des Christen gehört dem Herrn (V. 13), ist ein Glied am Leib Christi (V. 15) und ein Tempel des Heiligen Geistes. S. Anm. zu Röm 12,1.2. Jegliche unzüchtige, ehebrecherische oder sonstige sündige Tat verübt der Gläubige im Heiligtum, dem Allerheiligsten, wo Gott wohnt. Im AT ging der Hohepriester nur einmal im Jahr dort hinein, und das erst nach ausgiebiger Reinigung, denn sonst wäre er gestorben (3Mo 16). 6,20 teuer erkauft. Mit dem kostbaren Blut Christi (s. Anm. zu 1Pt 1,18.19). verherrlicht Gott. Der höchste Sinn und Zweck des Christen (10,31).
7,1 – 11,34 Dieser Abschnitt ist Paulus’ umfassende Antwort auf praktische Fragen, die die Korinther ihm in einem Brief gestellt hatten (7,1), der wahrscheinlich von Stephanas, Fortunatus und Achaikus überbracht worden war (16,17). Bei der ersten Frage ging es um Ehe. Das war ein Problembereich, weil die Gläubigen in Korinth beeinfl usst waren von der moralischen Verderbtheit der umgebenden Kultur, die Dinge tolerierte wie Unzucht, Ehebruch, Homosexualität, Polygamie und Konkubinat. 7,1 Einige meinten, wegen der vielen sexuellen Sünden und der Verwirrung in Sachen Ehe sei es besser, ledig zu bleiben und das Zölibat sei sogar geistlicher. Das könnte überzogen fromme Leute veranlassen, Scheidung gutzuheißen, um als Ledige leben zu können. Diese Verse werten das Ledigsein auf, sofern es Enthaltsamkeit bedeutet, aber hier wird keineswegs gelehrt, die Ehe sei falsch oder minderwertig. 7,1 keine Frau berühren. Eine jüdische Umschreibung für Ge- schlechtsverkehr (s. z.B. 1Mo 20,6; Rt 2,9; Spr 6,29). Paulus sagt, dass es gut ist, auf Sexualität zu verzichten, d.h. ledig zu bleiben. Es ist jedoch nicht das einzig Wahre und auch nicht besser als die Ehe (vgl. 1Mo 1,28; 2,18).
7,2 Unzucht. Wenn man ledig ist, besteht eine große Gefahr, in se- xuelle Sünde zu fallen (vgl. Mt 19,12). Die Ehe ist Gottes einzige Vorkehrung für sexuelle Erfüllung. Doch sollte die Ehe nicht darauf beschränkt werden. Paulus sieht die Ehe als etwas viel Höheres an; das beschreibt er in Eph 5,22.23. Hier geht es ihm um das Problem der sexuellen Sünden bei Unverheirateten.
7,3 die Zuneigung, die er ihr schuldig ist. Verheiratete Gläu- bige sollen ihren Ehepartnern nicht die geschlechtliche Gemeinschaft versagen. Für den Ledigen ist Enthaltsamkeit zwar richtig, aber für den Verheirateten ist sie falsch. Entzug der Sexualität war unter Gläubigen mit ungläubigem Ehepartner möglicherweise sehr verbreitet (mehr zu ungläubigen Ehepartnern s. Anm. zu V. 10-17).
7,4 verfügt. Aufgrund des Ehebunds haben beide Partner ein An- recht auf den Körper des anderen zur eigenen Befriedigung.
7,5 Entzieht euch einander nicht. Wörtl. »hört auf, euch einander zu entziehen«. Dieses Gebot weist womöglich darauf hin, dass gläubige Ehepaare in Korinth sich bereits einander entzogen. Das war vielleicht eine Reaktion auf die schweren sexuellen Sünden ihrer Vergangenheit und ein Ausdruck des Wunsches, all das hinter sich zu lassen. Mann und Frau können sich für eine Zeit lang der Sexualität enthalten, aber nur dann, wenn beide einverstanden sind, dass sie diese Enthaltsamkeit als Bestandteil ihres Fastens bei der Fürbitte nutzen wollen. kommt wieder zusammen. Nach der geistlichen Pause muss die geschlechtliche Gemeinschaft alsbald wieder aufgenommen werden. damit euch der Satan nicht versucht. Vgl. 1Th 3,5. Nach der vereinbarten Zeit der Abstinenz intensiviert sich das sexuelle Verlangen und somit werden die Ehepartner anfälliger für sündige Begierden. S. Anm. zu Mt 4,1-11; 2Kor 2,11.
7,6 aus Nachsicht. Oder »aus Verständnis für euch«. Paulus war sich sehr wohl bewusst, welche von Gott bestimmten Vorteile sowohl das Ledigsein als auch die Ehe haben. Er gebot nicht, wegen der Versuchungen als Lediger zu heiraten. Geistliches Leben ist in keiner Weise vom Familienstand abhängig, wenngleich die Ehe eine gute Gabe Gottes ist (s. 1Pt 3,7; die »Gnade des Lebens«).
7,7 wären wie ich. Als Lediger kannte Paulus die besondere Freiheit und Unabhängigkeit zugunsten des Dienstes für Christus (s. Anm. zu V. 32-34). Aber er erwartete nicht von allen Gläubigen, als Ledige zu leben – weder von den Ledigen, allein zu bleiben, noch von den Verheirateten, enthaltsam zu sein, als wären sie ledig. Gnadengabe von Gott. Sowohl Ledigsein als auch die Ehe sind Gnadengaben von Gott. 7,8 Ledigen … Witwen. Ledig (oder »unverheiratet«) ist ein Begriff, der im NT 4-mal verwendet wird, und zwar nur in 1Kor (vgl. V. 11.32.34). Dieser Vers macht klar, dass ledig etwas anderes ist als verwitwet. Vers 11 identifi ziert die Geschiedenen als »Unverheiratete«, die zu unterscheiden sind von den »Verwitweten« (V. 39.40; d.h. ledig durch Tod des Partners) und Jungfrauen (V. 25.28; d.h. nie verheiratet). Wenn der Begriff »unverheiratet« (auch mit »ledig« übersetzt) vorkommt, bezieht sich das also immer auf die ehemals Verheirateten, die jetzt allein stehend, aber nicht verwitwet sind. Das sind die Geschiedenen. Wahrscheinlich wollten diese ehemals Verheirateten wissen, ob sie als Christen wieder heiraten dürfen und sollten. wie ich. Paulus war womöglich Witwer und mit seiner Identifi kation mit den Ledigen und Witwen bestätigt er hier vielleicht, dass er früher verheiratet war. Zunächst schlägt er vor, sie sollten ledig bleiben, weil sie dann größere Freiheit zum Dienst für den Herrn haben (V. 25-27.32-34). S. Anm. zu Anna in Lk 2,36-38.
7,9 so sollen sie heiraten. Die gr. Grammatik ist eine Befehlsform, denn man kann nicht glücklich leben und dem Herrn wirksam dienen, wenn man von unerfüllter sexueller Lust erfüllt ist, insbesondere im Kulturkreis von Korinth.
7,10 nicht ich, sondern der Herr. Was Paulus diesen Gläubigen schreibt, hatte Jesus bereits während seines Dienstes auf der Erde verdeutlicht (Mt 5,31.32; 19,5-8; vgl. 1Mo 2,24; Mal 2,16). scheiden. Ein anderes Wort als »entlassen« in V. 11, das aber synonym verwendet wird. Offenbar hatten einige Christen den Eindruck, sie sollten sich von ihren ungeretteten Ehepartnern trennen, um dann ledig zu bleiben oder einen Gläubigen zu heiraten.
7,11 bleibe sie unverheiratet. Wenn ein Christ sich von einem gläubigen Partner scheiden lässt – außer bei Ehebruch (s. Anm. zu Mt 5,31.32; 19,8.9) –, dann ist keiner der beiden frei, einen anderen zu heiraten. Sie sollen sich versöhnen oder zumindest unverheiratet bleiben.
7,12 Den übrigen. Diejenigen, auf die die Anweisung von V. 10.11 nicht zutrifft. sage ich. Damit wird nicht die Inspiration geleugnet oder angedeutet, Paulus gebe nur seine menschliche Meinung zum Besten. Vielmehr sagt er dadurch einfach, dass Jesus dazu nichts gesagt hat und Gott bisher keine Offenbarung darüber gegeben hat. 7,12 Einige Gläubige meinten wohl, eine Ehe mit einem Ungläu- bigen würde sie irgendwie verunreinigen. In Wahrheit gilt jedoch das Gegenteil (V. 14).
7,14 geheiligt. Das bezieht sich nicht auf die Errettung, denn dann könnte der Ehepartner nicht als Ungläubiger bezeichnet werden. Die Heiligung bezieht sich auf die Ehe und Familie, nicht auf die Person oder den geistlichen Zustand. Sie bedeutet, dass der ungläubige Partner für zeitliche Segnungen abgesondert ist, weil der andere Partner zu Gott gehört. Wenn in einer Ehe nur ein Partner gläubig ist, dann bringt das eine Gnade mit sich, die auch auf den anderen übergeht – und ihn möglicherweise sogar zur Errettung führt. Kinder … heilig. Der Christ muss sich nicht von einem Ungläubigen trennen, weil er etwa befürchtet, dass der Partner die Kinder verunreinigt. Gott verheißt das Gegenteil. Wären beide Elternteile ungläubig, dann wären die Kinder unrein, aber wenn ein Elternteil gläubig ist, sind die Kinder dem Segen Gottes ausgesetzt und stehen unter seinem Schutz. Die Gegenwart auch nur eines gläubigen Elternteils schützt die Kinder vor übermäßigem geistlichen Schaden und bringt ihnen viele Segnungen, oftmals einschließlich der Errettung.
7,15 so scheide er sich. Wenn ein ungläubiger Ehepartner den Glauben des anderen nicht tolerieren kann und sich scheiden lassen will, so lässt man ihn am besten gehen, damit der Frieden in der Familie bewahrt bleibt (vgl. Röm 12,18). Der Ehebund wird nur aufgelöst durch den Tod (Röm 7,2), durch Ehebruch (Mt 19,9) oder dadurch, dass ein ungläubiger Partner den Gläubigen verlässt. nicht gebunden. Wenn der Ehebund auf eine dieser drei Weisen gebrochen wird, ist es dem Christen freigestellt, einen anderen Gläubigen zu heiraten. Bei einer berechtigten Scheidung geht die Schrift stets von Wiederheirat aus. Wenn die Scheidung unrechtmäßig war, dann ist auch eine Wiederheirat verboten. Logischerweise trifft die Erlaubnis für Witwen, wieder zu heiraten, weil der »Bund« aufgelöst ist (V. 39.40; Röm 7,3), auch auf diesen Fall zu, wo ebenfalls kein »Bund« bzw. keine »Bindung« mehr besteht.
7,16 Möglicherweise waren einige Gläubige nicht bereit, ihren un- gläubigen Ehepartner gehen zu lassen, der weggehen wollte und in der Familie Unfrieden stiftete. Solche Gläubigen meinten, sie könnten ihren Partner evangelisieren und die Ehe weiterführen, damit der andere sich schließlich bekehren würde. Doch dafür gibt es keine Garantie und wenn der ungläubige Partner die Ehe auf diese Weise beenden will, ist es besser, sich scheiden zu lassen und Frieden zu haben (V. 15).
7,17 Unter diesen Jungbekehrten in der Gemeinde von Korinth herrschte Unzufriedenheit. Wie bereits gesehen (V. 1-16), wollten einige ihren Familienstand ändern, andere waren Sklaven und wollten frei werden und wieder andere wollten ihre Freiheit in Christus als Lizenz zum Sündigen missbrauchen. Als generelle Antwort darauf wiederholt dieser Abschnitt einfach das grundsätzliche Prinzip, dass Christen ihren Familienstand und ihre soziale Situation, in die Gott sie gestellt hat, bereitwillig akzeptieren sollten. Sie sollten sich damit zufrieden geben, ihm in diesen Umständen zu dienen, solange er sie nicht anderweitig führt. 7,17 Hier nennt Paulus zum ersten Mal von insgesamt drei Malen (V. 20.24) das Prinzip der Zufriedenheit, das für alle Christen gilt.
7,18 berufen. Dieser Begriff bezieht sich – wie immer in den NT-Briefen – auf Gottes wirksame Berufung, die zur Errettung führt (s. Anm. zu Röm 8,30). Beschneidung … in unbeschnittenem Zustand. Judaisten forderten, alle heidnischen Gläubigen sollten beschnitten werden (Gal 5,1-6) und einige Judenchristen wollten sich vom Judentum absondern und daher einen chirurgischen Eingriff einführen (wie er in der rabbinischen Literatur beschrieben ist), der die Beschneidung rückgängig machte. Deshalb musste Paulus diese Problematik klären und verdeutlichen, dass keines von beiden nötig ist. Zugrunde liegt der Gedanke, dass ein zum christlichen Glauben bekehrter Jude nicht seine ethnische und kulturelle Identität aufgeben sollte, um wie ein Heide auszusehen. Genauso sollte ein Heidenchrist nicht die jüdische Kultur annehmen (V. 19). Kultur, sozialer Status und äußere Rituale haben keine Bedeutung für das geistliche Leben. Worauf es ankommt, sind Glauben und Gehorsam.
7,21 als Sklave. Paulus spricht sich nicht für Sklaverei als solche aus, sondern lehrt, dass ein Sklave trotz seiner gebundenen Stellung Christus gehorchen und ehren kann (Eph 6,5-8; Kol 3,23; 1Tim 6,1.2). sei … ohne Sorge. In der heutigen Gesellschaft erscheint dies wie eine kaltherzige Aufforderung an solche, die fälschlicherweise meinen, Freiheit von Sklaverei sei nicht nur die bessere Alternative, sondern ein von Gott gegebenes Recht.
7,22 Freigelassener des Herrn. In Wirklichkeit ist niemand freier als ein Christ. Keine Bindung ist schrecklicher als die der Sünde, und Christus hat den Gläubigen daraus befreit. Sklave des Christus. Die im sozialen Sinne Freien, die also keine Sklaven sind, wurden bei ihrer Errettung im geistlichen Sinne Sklaven Christi (Röm 6,22). 7,23 teuer erkauft. Mit dem Blut Christi (6,20; 1Pt 1,19). Knechte der Menschen. Das bezieht sich auf sündige Sklaverei, d.h. Sklaven einer menschlichen, weltlichen und fl eischlichen Lebensweise. Über eine solche Sklaverei sollte man sich wirklich Sorgen machen.
7,25 Paulus hat bereits gezeigt, dass sowohl Ehe als auch Ledig- sein vor dem Herrn gut und richtig sind (V. 1-9) und wer die Gabe des Ledigseins hat (V. 7), genießt mit dieser Stellung viele praktische Vorteile. Nun fährt Paulus fort und beantwortet die Fragen, die die Korinther ihm in ihrem Brief gestellt hatten (s. Anm. zu V. 1). Er nennt 6 Gründe, weshalb es besser ist, nicht zu heiraten, sondern – in Anbetracht der Kehrseiten der Ehe – ledig (jungfräulich) zu bleiben: 1.) Druck durch das System (V. 25-27), 2.) Probleme durch das Fleisch (V. 28), 3.) die Vergänglichkeit der Welt (V. 29-31), 4.) die Anforderungen der Ehe (V. 32-35), 5.) die Gelübde der Väter (V. 36-38) und 6.) das dauerhafte Wesen der Ehe (V. 39.40). 7,25 keinen Befehl des Herrn. S. Anm. zu V. 12. Die hier dargeleg- te Überzeugung ist kein Gebot, aber es ist ein zutiefst zuverlässiger und gesunder Rat, ledig zu bleiben. Dieser Ratschlag eines vertrauenswürdigen Mannes hat der Heilige Geist bei der Inspiration in Gottes Wort aufgenommen.
7,26 gegenwärtigen Not. Eine nicht näher spezifi zierte, aktuelle Notlage. Vielleicht ahnte Paulus die bevorstehende Verfolgung im römischen Reich voraus, die etwa 10 Jahre nach Abfassung dieses Briefes begann. zu bleiben wie er ist. Verfolgung ist schon für einen Ledigen schwer zu ertragen, doch für Verheiratete bringt Verfolgung noch ein Vielfaches an Problemen und Schmerzen mit sich, insbesondere wenn man Kinder hat.
7,27 Verheiratete müssen ungeachtet der Vorteile des Ledigseins verheiratet bleiben. frei. Hier geht es um Scheidung.
7,28 heiratest, so sündigst du nicht. Die Ehe ist eine völlig be- rechtigte und geistliche Alternative sowohl für Geschiedene (auf biblischer Grundlage; s. Anm. zu V. 15) als auch für Jungfrauen. Drangsal im Fleisch. »Drangsal« bedeutet wörtl. »zusammengepresst«, »unter Druck«. Die Ehe kann Konfl ikte, Anforderungen, Schwierigkeiten und Kompromisse mit sich bringen, die Ledigen erspart bleiben, denn die Ehe stellt zwei gefallene Menschen eng zusammen in eine innige Beziehung, die unausweichlich zu »Drangsal« führen wird. Die Konfl ikte der Ehe können die Drangsal des Alleinseins durchaus in den Schatten stellen.
7,29 Die Zeit ist nur noch kurz bemessen. Das Leben ist kurz (vgl. Jak 4,14; 1Pt 1,24). als hätten sie keine. Das besagt weder, dass die Ehe nicht mehr verbindlich sei noch dass sie keine ernsthafte Handhabung erfordere (vgl. Eph 5,22-38; Kol 3,18.19), noch dass die Ehepartner sich körperlich einander entziehen sollten (V. 3-5), sondern Paulus lehrt vielmehr, dass die Ehe nicht zu Lasten der Hingabe an und den Dienst für den Herrn gehen sollte (vgl. Kol 3,2). Es geht darum, dass man die Priorität auf die Ewigkeit richtet (s. V. 31).
7,30 Der reife Christ lässt sich nicht von den Gefühlen dieses Lebens hinreißen und lässt sich somit weder Motivation, Hoffnung noch Zielsetzung nehmen.
7,31 gebrauchen, als gebrauchten sie sie gar nicht. Das bezieht sich auf den normalen kommerziellen Materialismus und die Vergnügungen, die diese Welt regieren. Gläubige sollen sich nicht in irdischen Unternehmungen verlieren, sodass himmlische Dinge zweitrangig würden. Gestalt. Eine Lebensweise, eine Mode, ein bestimmter Stil, Dinge zu tun.
7,32 ohne Sorgen. Ein Lediger hat keine Sorgen über die irdi- schen Bedürfnisse des Ehepartners und ist daher potenziell besser imstande, sich ausschließlich dem Werk des Herrn zu widmen.
7,33 die Dinge der Welt. Das sind die irdischen Dinge im Zusam- menhang mit diesem vergänglichen System (V. 31). 7,33 wie er der Frau gefällt … wie sie dem Mann gefällt. Das ist ein grundsätzliches und erwartungsgemäßes Prinzip für eine gute Ehe: Jeder ist bestrebt, dem anderen zu gefallen.
7,34 Der erste Teil dieses Verses wird in einigen Handschriften vor- zugsweise so wiedergegeben: »… und seine Interessen sind geteilt. Und die Unverheiratete und die Jungfrau …«. Das ist wichtig, weil damit klar unterschieden wird zwischen den »Unverheirateten« und den »Jungfrauen«, die somit nicht identisch sein können. »Jungfrauen« sind ganz einfach solche, die nie verheiratet waren, während »Unverheiratete« Alleinstehende aufgrund von Scheidung sein müssen. »Witwen« ist die Bezeichnung für Alleinstehende aufgrund vom Tod des Ehepartners (s. Anm. zu V. 8).
7,35 Die Ehe ist kein Hindernis für eine große Hingabe an den Herrn, aber sie bringt mehr potenzielle Gefahren der Ablenkung und Interessenskonfl ikte mit sich. Der Ledigenstand hat weniger Hindernisse, obgleich er keine Garantie für eine größere geistliche Tugend ist. Ablenkung. S. Anm. zu V. 26.29.33.
7,36 seiner Jungfrau. Das ist die Tochter dieses Mannes. In Korinth hatten offenbar einige Väter ihre jungen Töchter als lebenslange Jungfrauen dem Herrn geweiht, so bestrebt waren sie nach Hingabe an den Herrn. über die Jahre der Reife hinauskommt. In der vollen Reife der Frau, im gebärfähigen Alter. wenn es … sein muss. Wenn die Töchter im heiratsfähigen Alter waren und unbedingt heiraten wollten, stand es den Vätern frei, das Gelübde zu brechen und sie heiraten zu lassen.
7,37 keine Not. Wer seine Tochter als Jungfrau bewahrt hat und von ihr nicht unter Druck gesetzt wird, es sich anders zu überlegen, tut gut, wenn er seinen Wunsch für sie erfüllt und sie allein dem Herrn geweiht bleibt (V. 34). Wie bei denen, die unverheiratet bleiben (V. 28), war das keine Entscheidung zwischen Recht und Unrecht.
7,39 durch das Gesetz gebunden. Gottes Gesetz sah die Ehe als lebenslangen Bund vor (vgl. Gen 2,24; Mal 2,16; Röm 7,1-3). Der Ehebund ist so dauerhaft, dass die Jünger meinten, es sei besser, nicht zu heiraten (s. Anm. zu Mt 19,10). nur im Herrn. Ihr steht es nur frei, einen Gläubigen zu heiraten. Das gilt für alle Gläubigen, die heiraten oder wieder heiraten (s. 2Kor 6,14-16).
7,40 dass auch ich den Geist Gottes habe. Mit vielleicht einem Hauch von Sarkasmus bekräftigt Paulus, dass sein gesunder Rat vom Heiligen Geist gegeben wurde. 8,1-11,1 Paulus schreibt über Freiheit in der Gemeinde (s. Anm. zu Röm 14).
8,1 Götzenopfer. Die Griechen und Römer waren polytheistisch (sie verehrten viele Götter) und polydämonisch (sie glaubten an viele böse Geister). Sie glaubten, dass böse Geister in Menschen einzudringen versuchen, indem sie sich mit Nahrungsmitteln verbinden, die daraufhin verzehrt wurden. Und sie glaubten, diese bösen Geister könnten nur von der Nahrung entfernt werden, wenn man die Speise einem Gott opfert. Ein solches Opfer diente also nicht nur dazu, Gunst bei diesem Gott zu erlangen, sondern auch zur Befreiung des Fleisches von dämonischer Verunreinigung. Derartig »desinfi ziertes« Fleisch wurde den Göttern als Opfer dargebracht. Der nicht auf dem Altar verbrannte Teil wurde bei üblen heidnischen Festen als Speise angeboten. Der Rest wurde auf dem Markt verkauft. Nach ihrer Bekehrung lehnten Gläubige ab, solche auf dem Götzenmarkt gekauften Speisen zu essen, weil dadurch sensible Heidenchristen an ihr einstiges heidnisches Leben und ihren Dämonendienst erinnert wurden. Wir alle haben Erkenntnis. Paulus und andere reife Christen wussten etwas Besseres, als sich über solches Fleisch zu ärgern, das einmal Götzen geopfert worden war und dann auf dem Markt verkauft wurde. Sie wussten, dass es diese Gottheiten nicht gab und dass böse Geister keine Nahrungsmittel verunreinigen. S. Anm. zu 1Tim 4,3. Liebe erbaut. Mit Liebe kombinierte Erkenntnis bewahrt einen Gläubigen vor der Ausübung einer Freiheit, die einem schwächeren Gläubigen zum Anstoß wird. Vielmehr erbaut diese Liebe mit Erkenntnis den anderen in Wahrheit und Weisheit (vgl. 13,1-4).
8,2 Liebe ist der Beweis, dass man Gott kennt. Vgl. 1Joh 4,19-5,1.
8,4 Paulus stimmt den gut belehrten Gläubigen zu, die wussten, dass Götzen nichts sind und daher die den Götzen geopferte Nahrung nicht verunreinigt ist.
8,5 solche, die Götter genannt werden. Manche waren reiner Betrug und andere waren Erscheinungsformen von Dämonen, aber keine von ihnen waren wirkliche Götter (Ps 115,4-7; Apg 19,26).
8,6 einen Gott, den Vater … einen Herrn, Jesus Christus. Eine vollmächtige und klare Bekräftigung der Wesensgleichheit Gottes, des Vaters, und Gottes, des Sohnes (vgl. Eph 4,4-6).
8,7 Gewissen befl eckt. Einige Neubekehrte wurden immer noch heftig vom Gewissen angeklagt, wenn sie auf die Erlaubnis eingingen, Götzenopferfl eisch zu essen. Sie fühlten sich dabei geistlich verunreinigt und schuldig. Weil sie sich immer noch vorstellten, Götzen seien etwas Reales und Bösartiges, befl eckte dies ihr Gewissen und verursachte somit Furcht, Scham und Schuld. S. Anm. zu Röm 14,20-23.
8,8 bringt … nicht näher zu Gott. Die irrige Vorstellung, eine Speisevorschrift könne unsere Beziehung zu Gott stärken oder uns angenehm bei ihm machen. Speisen sind geistlich neutral.
8,9 Anstoß. Wenn manche Gläubige etwas essen sollten, was Götzen geopfert worden war, dann würden sie dadurch womöglich in ihre alten Sünden zurückfallen.
8,11 verderben. Das bedeutet »zum Sündigen veranlassen«. S. Anm. zu Mt 18,14. um dessentwillen Christus gestorben ist. Christus starb für alle Gläubigen und hat dabei die Strafe für ihre Sünden getragen und den Zorn Gottes vollkommen gestillt.
8,12 sündigt ihr gegen Christus. Eine ernste Warnung: Einen Bru- der oder eine Schwester zum Straucheln zu bringen, ist mehr als eine bloße Sünde gegen diesen Gläubigen; das ist eine schwere Sünde gegen den Herrn selbst (s. Anm. zu Mt 18,6-14).
8,13 S. Anm. zu Röm 14,14.15.19-21.
9,1 In Kap. 8 hat Paulus die Grenzen christlicher Freiheit aufge- zeigt. In diesem Kapitel beschreibt er, wie er sich in seinem eigenen Leben an diese Grenzen hält. In V. 1-18 erklärt er sein Recht auf fi nanzielle Unterstützung durch die Gläubigen, denen er dient. In V. 19-27 verdeutlicht er seine Bereitschaft, auf alle Rechte zu verzichten, damit er Menschen für Christus gewinnt. Alle Fragen in diesen Versen sind rhetorisch und erwarten eine Bejahung.
9,2 das Siegel meines Aposteldienstes. Die Existenz der Gemein- de in Korinth war ein Beweisstück für die Echtheit von Paulus’ Apostelschaft.
9,3 zur Rede stellen. Paulus verwendet hier einen gr. Begriff für eine juristische Voruntersuchung, die erforderlich war, bevor in einem Fall eine Entscheidung getroffen wurde. So beginnt er seine Rechte zu verteidigen.
9,4 Vollmacht, zu essen und zu trinken. Besser: »das Recht, zu …« Vgl. Gal 6,6; 1Tim 5,17.18. Er hatte das Recht, zu heiraten (V. 5) und von den Gläubigen, denen er diente, fi nanziell unterstützt zu werden. 9,5 Kephas. Petrus, der verheiratet war (vgl. Mk 1,29-31). 9,6 Arbeit. Mit etwas Sarkasmus gab Paulus, der Zeltmacher (Apg 18,3), den Korinthern zu verstehen, dass er und Barnabas das gleiche Recht haben wie andere, volle fi nanzielle Unterstützung für ihre Arbeit zu bekommen. Doch außer der Zuwendung von ein paar Gemeinden (z.B. Phil 4,15.16), kamen sie selber für ihren Lebensunterhalt auf, aber nicht, weil es erforderlich oder eine Pfl icht war, sondern freiwillig.
9,7 Wer pfl anzt einen Weinberg. Vgl. 2Tim 2,6.
9,9 Gesetz. Die Schrift, hier ein Zitat aus 5Mo 25,4.
9,10 unsertwillen. Wie in der Landwirtschaft, sollten die Männer ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit verdienen. 9,11 diejenigen (Güter) für den Leib. Finanzielle Unterstützung. S. Anm. zu 1Tim 5,17. Vgl. 2Kor 8,1-5.
9,12 andere … Anteil haben. Offenbar hatte die Gemeinde andere Diener fi nanziell unterstützt. ertragen. Falsche Lehrer waren auf Geld aus. Paulus wollte sichergehen, dass er nicht mit ihnen in einen Topf geworfen wird und ertrug deshalb den Verzicht auf Unterstützung, um keinen Anstoß zu geben. Vgl. Apg 20,34; 2Th 3,8.
9,13 ihren Anteil erhalten. Im AT erhielten die Priester den Zehn- ten der Früchte und Tieropfer sowie der Geldgaben (4Mo 18,8-24; vgl. 1Mo 14,18-21).
9,14 vom Evangelium leben. Das bedeutet, den Lebensunterhalt durch Verkündigung der frohen Botschaft zu verdienen.
9,15 keinerlei Gebrauch. Er machte keinen Gebrauch von den 6 Gründen aus V. 1-14, die sein Recht auf fi nanzielle Unterstützung belegen. auch nicht deshalb geschrieben. Er hoffte nicht insgeheim, dass sich die Korinther trotz seines Protestes verpfl ichtet fühlten, ihm Geld zu geben (2Kor 11,8.9; vgl. 1Th 2,9; 2Th 3,8; 1Pt 5,2). lieber wollte ich sterben. Bevor jemand Grund zur Meinung bekommt, Paulus wolle aus fi nanziellem Interesse am Evangelium dienen, würde er lieber sterben. S. Apg 20,33-35; 1Pt 5,2. meinen Ruhm zunichte. Der Ausdruck »Ruhm« bezieht sich auf den Gegenstand oder den Grund des Rühmens. Er hat einen Beiklang von Freude; es ist ein Ausdruck nicht von Stolz, sondern von aufrichtiger Freude (vgl. 1,31; Rom 15,17). Paulus war wirklich überglücklich über das Privileg, dem Herrn zu dienen und wollte nicht, dass er durch materielle Unterstützung irgendwie dieser Freude beraubt wird. 9,16 kein Ruhm. Das bedeutet, dass sein Ruhm (vgl. V. 15) nicht ihm persönlich galt. Er war nicht stolz darauf, als wäre es sein eigenes Evangelium, und er war auch nicht stolz auf die Art und Weise seiner Verkündigung, als wäre es seine eigene Fähigkeit. verpfl ichtet. Paulus verkündete das Evangelium nicht aus persönlichem Stolz, sondern weil Gott ihn nötigte. Er hatte keine andere Wahl, weil Gott ihn in seiner Souveränität zum Dienst abgesondert hatte (s. Apg 9,3-6.15; 26,1319; Gal 1,15; Kol 1,25; vgl. Jer 1,5; 20,9; Lk 1,13-17). wehe. Gottes schwerste Züchtigung ist für untreue Diener vorbehalten (Hebr 13,17; Jak 3,1).
9,17 unfreiwillig. Das bedeutet nicht, dass Paulus nicht willens war, zu gehorchen, sondern dass sein Wille für die Berufung an sich keine Rolle spielte. Da es Gottes souveräne Wahl und Berufung war, empfi ng er keinen »Lohn«, sondern einen »Verwalterdienst« (eine wertvolle Verantwortung oder Verpfl ichtung, die sorgsam verwaltet werden musste).
9,18 mein Lohn. Paulus’ Lohn bestand nicht in Geld, sondern im Privileg, das Evangelium ohne fi nanzielle Zuwendung zu verkündigen. Deshalb verzichtete er auf seine Freiheit (seinen Anspruch).
9,19 zum Knecht gemacht. Wörtl. »versklavt«. Er hatte freiwillig auf seinen Anspruch auf Unterstützung verzichtet und sich somit der Angewiesenheit auf sich selbst »versklavt«. So vermied er möglichen Anstoß und konnte mehr Menschen für Jesus Christus gewinnen (vgl. Spr 11,30).
9,20 wie ein Jude geworden. Innerhalb der Grenzen des Wortes Got- tes und seines Gewissens als Christ wollte Paulus in kultureller und sozialer Hinsicht so jüdisch sein wie nötig, wenn er Juden gegenüber das Evangelium bezeugte (vgl. Röm 9,3; 10,1; 11,14). Er war nicht den Zeremonien und Traditionen des Judentums verpfl ichtet. Alle gesetzlichen Beschränkungen waren aufgehoben; was jedoch noch bestand, war das Gesetz der Liebe (vgl. Röm 9,3; 10,1; 11,14). Für Beispiele seiner Identifi kation mit jüdischen Gewohnheiten s. Anm. zu Apg 16,3; 18,18; 21,20-26.
9,21 denen, die ohne Gesetz sind. Heiden. Paulus dachte hier nicht an ein Übertreten von Gottes Moralgesetz, sondern wollte, wie er erklärt hat, Gott gegenüber nicht gesetzlos sein, sondern am Gesetz Jesu Christi festhalten (vgl. Jak 1,25; 2,8.12).
9,22 Schwachen. Er ließ sich herab und erklärte das Evangelium auf einer niedrigeren Verständnisebene. Das hatte Paulus zweifellos häufi g getan, als er sich mit den Korinthern selbst befasste (vgl. 2,1-5). alles … auf alle Weise. Innerhalb der Grenzen des Wortes Gottes wollte er weder Juden noch Heiden noch Einfältigen einen Anstoß geben. Ohne Verfälschung der Schrift und ohne Kompromisse mit der Wahrheit erniedrigte er sich auf vielerlei Weise und hoffte so, möglichst viele zum Heil zu führen.
9,24 Ohne Selbstbeherrschung kann Freiheit nicht eingegrenzt werden, denn das Fleisch widersetzt sich den Grenzen der Freiheit. Hier spricht Paulus von seiner persönlichen Selbstbeherrschung und Disziplin. 9,24 Rennbahn. Die Griechen feierten zwei große Sportereignisse, die Olympischen und die Isthmischen Spiele. Da die Isthmischen Wettkämpfe in Korinth stattfanden, waren die dortigen Gläubigen mit diesem Vergleich des Wettlaufs sehr vertraut.
9,25 enthaltsam. Selbstbeherrschung ist für den Sieg von entschei- dender Wichtigkeit. Siegeskranz. Ein Blätterkranz, den der Sieger des Laufes erhielt. Vgl. 2Tim 4-8; 1Pt 1,4.
9,26 nicht wie aufs Ungewisse. Viermal hat Paulus nun sein Ziel genannt, Menschen für die Errettung zu gewinnen (V. 19.22). bloßen Luftstreichen. Paulus wechselt die Metapher und illustriert nun mit dem Bild eines Boxers, der seine Arme nur wirkungslos durch die Luft schwingt (ein »Schattenboxer«), dass sein Einsatz nicht vergeblich ist (vgl. 1Tim 1,18).
9,27 bezwinge. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »unter das Auge schlagen«. Paulus schlug die Impulse des Körpers k.o. und verhinderte somit, dass sie ihn von seiner Mission abhielten, Seelen für Christus zu gewinnen. verwerfl ich. Oder »disqualifi ziert«. Noch ein Bild aus den Sportwettkämpfen. Wenn ein Wettkämpfer bestimmte elementare Trainingsanforderungen nicht erfüllte, konnte er nicht teilnehmen und hatte erst recht keine Chance auf den Sieg. Vielleicht bezieht Paulus sich damit insbesondere auf solche fl eischlichen Sünden, die einen Gläubigen vom Predigen und Leiten der Gemeinde disqualifi zieren, denn dafür ist es nötig, besonders im sexuellen Bereich tadellos und lauter zu sein. Derartige Sünden disqualifi zieren von solchen Aufgaben (s. Anm. zu Ps 101,6; Spr 6,33; 1Tim 3,2; Tit 1,6).
10,1 Die 40 Jahre dauernde Reise des Volkes Israel von Ägypten nach Kanaan (2Mo 13,21; 14,16; 16,15; 17,6) ist eine treffende Illustration für Freiheitsmissbrauch und für die Gefahren von Übermut und Selbstüberschätzung. Die Israeliten missbrauchten ihre gerade erlangte Freiheit, fi elen in Götzendienst, Unmoral und Rebellion und disqualifi zierten sich damit vom Empfangen des Segens des Herrn. 10,1 Ich will aber nicht … außer Acht lasst. Dieser Übergang führt von mangelnder Selbstdisziplin und daraus resultierender Disqualifi kation, von denen in 9,27 die Rede war, zu einer Illustration dieser Gefahr anhand des Volkes Israel. unsere Väter alle. Paulus spricht vom alten Volk Israel, dem er entstammte. Insbesondere bat er seine Leser zu bedenken, was Israel in der Wüste wegen seiner Freiheit ohne Selbstbeherrschung widerfuhr. unter der Wolke. Das Volk wurde von der Gegenwart Gottes geleitet, die tagsüber sichtbar war in Form einer Wolke und nachts in Form einer Feuersäule (s. 2Mo 13,21). durch das Meer. Das Rote Meer spaltete sich für Israel, sodass das Volk hindurchziehen konnte, danach ergoss es sich über die verfolgenden ägyptischen Streitkräfte und ertränkte sie (s. 2Mo 14,26-31).
10,2 getauft. Israel wurde untergetaucht – zwar nicht ins Meer, aber »in Mose« (so wörtl. anstatt »auf Mose«). Das ist ein Zeichen für ihre Vereinigung oder Solidarität mit ihm als ihrem Führer.
10,3 geistliche Speise … geistlichen Trank. Buchstäbliche Nahrung, die durch die geistliche Kraft Gottes gegeben wurde. S. 2Mo 16,15; 17,6.
10,4 geistlichen Felsen. Eine jüdische Legende besagt, dass der Fels, den Mose geschlagen hatte, dem Volk die ganze Wüstenwanderung über folgte und es mit Wasser versorgte. Paulus sagt, die Christen haben ebenfalls einen Felsen, der alle Bedürfnisse stillt, und dieser Fels ist Christus. »Fels« (petra) bezeichnet nicht nur einen großen Stein oder Felsblock, sondern ein Felsmassiv oder eine Felswand und symbolisiert den Messias (Christus) vor seiner Fleischwerdung, der sein Volk beschützte und trug. Vgl. Mt 16,18.
10,5 kein Wohlgefallen. Eine Untertreibung. Wegen des extremen Ungehorsams Israels ließ Gott nur zwei Männer aus dem gesamten, ursprünglich aus Ägypten befreiten Volk, ins Gelobte Land (Josua und Kaleb) kommen. Alle anderen starben in der Wüste, einschließlich Mose und Aaron, die sich ebenfalls für den Einzug ins Land disqualifi ziert hatten (4Mo 20,8-12.24).
10,6 zum Vorbild für uns. Sie starben in der Wüste, weil ihnen Selbstdisziplin fehlte und sie sich daher zu jeder Begierde hinreißen ließen (s. Anm. zu 9,27). Vier schwere Sünden charakterisierten das Volk: Götzendienst (V. 7), sexuelle Unmoral (V. 8), Versuchen Gottes (V. 9) und Murren (V. 10).
10,7 Götzendiener. Die Israeliten waren kaum aus Ägypten heraus, als sie schon dem Götzendienst verfi elen; nachzulesen in 2. Mose 32 (hier ist V. 6 zitiert). Etwa 3.000 Israeliten wurden hingestreckt, weil sie am Sinai eine unmoralische Orgie inszeniert hatten (2Mo 32,28). S. 2Mo 20,3; Hes 14,3; 1Joh 5,21; Offb 22,9. vergnügen. Eine Beschönigungsform für die sexuellen Auswüchse am Ende der exzessiven Feier.
10,8 dreiundzwanzigtausend. Im Anschluss an das Zitat aus 2Mo 32 in V. 7 bezieht sich diese Aussage sehr wahrscheinlich ebenfalls auf den Vorfall in 2Mo 32 und nicht auf das Ereignis von Schittim in 4Mo 25. Offenbar wurden 3.000 durch die Leviten getötet (2Mo 32,28) und 20.000 starben bei der Plage (2Mo 32,35).
10,9 den Christus versuchen. 4. Mose 21 berichtet, dass das Volk die Güte und Vorsorge des »geistlichen Felsens Christus« in Frage stellte, der sie als fürsorglicher Beschützer durch die Wüste trug (s. Anm. zu V. 4). Schlangen. S. 4Mo 21,6; vgl. 11,30.
10,10 Verderber. Diese Begebenheit ist in 4Mo 16,3-17,6 aufge- zeichnet. Derselbe Engel hatte die Erstgeborenen Ägyptens getötet (2Mo 12,23) und erschlug 70.000 Männer wegen Davids Volkszählung sowie die gesamte assyrische Armee, die Jerusalem belagerte (2Chr 32,21).
10,11 das Ende der Weltzeiten. Die Zeit des Messias, die letzten Tage der Heilsgeschichte vor dem messianischen Reich. S. Hebr 9,26; 1Joh 2,18.
10,12 Vgl. Spr 16,18. Die Bibel ist voller Beispiele für Selbstüber- schätzung (s. Est 3-5; Jes 37,36-38; Lk 22,33.34.54-62; Offb 3,1-3.17).
10,13 Versuchung. S. Anm. zu Jak 1,13-15; vgl. Mt 6,13.
10,16 Kelch des Segens. Die Bezeichnung für den dritten Kelch beim Passahfest. Beim letzten Passah mit seinen Jüngern benutzte Jesus den dritten Kelch als Symbol für sein Blut, das er für die Sünde vergoss. Diesen Kelch verwendete er dann zur Einsetzung des Mahls des Herrn. Er stellte ihn heraus als ein Zeichen für den Segen des Heils und reichte ihn dann den Jüngern (s. Anm. zu Lk 22,17.20). Gemeinschaft. Dieses Wort bedeutet »gemeinsam haben«, »teilhaben«, »Partnerschaft haben mit«. Dasselbe gr. Wort wird auch verwendet in 1,9; 2Kor 8,4; Phil 2,1; 3,10. Das Gedächtnismahl des Herrn war in der Urkirche eine regelmäßige und beliebte Gewohnheit. Dadurch erinnerten sich die Gläubigen an den Tod des Heilands und gedachten feierlich ihres gemeinsamen Heils und ewigen Lebens. So drückten sie ihre vollkommene geistliche Einheit aus. Blut des Christus. Eine eindrückliche Beschreibung für Christi Opfertod und sein vollbrachtes Erlösungswerk. S. Anm. zu Röm 5,9. S. Apg 20,28; Röm 3,25; Eph 1,7; 2,13; Kol 1,20; 1Pt 1,19; 1Joh 1,7; Offb 1,5; 5,9. Das Brot. Wie der Kelch das Blut des Herrn darstellte, so symbolisierte das Brot seinen Leib. Beide Elemente weisen auf seinen Tod hin als ein Opfer für die Errettung der Menschen.
10,17 es ist ein Brot. Das bezieht sich auf das Brot der Gemein- schaft als Symbol für den Leib Christi, der für alle Gläubigen gegeben wurde. Da wir alle an diesem Leib teilhaben, sind wir alle eins. S. Anm. zu 6,17.
10,18 Seht das Israel. Bei den Opfern des AT galt das Opfer für alle, die davon aßen (s. 3Mo 7,15-18). Damit identifi zierte sich das Volk mit dem Opfer und bekräftigte somit seine Weihe an Gott, dem das Opfer dargebracht wurde. Durch diesen Vergleich zeigt Paulus, dass sich ein Götzenopfer Essender (s. V. 7.14) mit diesem Götzen identifi zierte und Gemeinschaft mit dem Götzen hatte. Für Christen ist es mit ihrem Glauben absolut unvereinbar, an solchem Götzendienst teilzunehmen (V. 21).
10,19 Götzen und Götzenopfer haben in sich selbst nichts Über- natürliches und keine geistliche Kraft (vgl. 8,4.8), aber sie repräsentieren Dämonen. Wenn heidnische Anbeter glauben, ein Götze sei ein Gott, nehmen Dämonen die Rolle des imaginären Gottes ein (vgl. 2Th 2,9-11). Im Götzen ist kein wirklicher Gott, sondern eine übernatürliche satanische Kraft (vgl. 5Mo 32,17; Ps 106,37).
10,22 Eifersucht. Gott toleriert keine Konkurrenz und wird Götzen- dienst nicht ungestraft lassen (5Mo 32,21; Jer 25,6.9; Offb 21,8; vgl. 11,30). 10,23-30 Paulus nennt 4 Prinzipien christlicher Freiheit: 1.) Auferbauung hat Vorrang vor Genuss (V. 23), 2.) andere haben Vorrang vor mir (V. 24), 3.) Freiheit hat Vorrang vor Gesetzlichkeit (V. 25-27) und 4.) Wohlwollen hat Vorrang vor Verurteilung (V. 28-30).
10,23 S. Anm. zu 6,12. erbaut. Auferbauung in der christlichen Lehre (vgl. 8,1; 14,3.4.26; Apg 20,32; 2Kor 12,19; Eph 4,12; 2Tim 3,16.17).
10,24 S. Anm. zu Phil 2,3.4.
10,25 Paulus zitiert Ps 24,1 und erklärt damit, dass Gläubige zwar nicht an Götzenveranstaltungen teilnehmen sollen (s. Anm. zu V. 18-20), aber ohne Vorbehalte Fleisch kaufen können, das bei solchen Zeremonien verwendet wurde, und es ohne Schuldgefühle essen können (s. Anm. zu 1Tim 4,4.5).
10,27 esst alles. Sofern es dem Ungläubigen kein Anstoß ist.
10,28 Wenn man bei einem Ungläubigen zu Gast ist und man ihm keinen Anstoß geben möchte, ist es sogar besser, ihm doch Anstoß zu geben und nicht vom angebotenen Götzenopferfl eisch zu essen, um des schwächeren Christen willen, der Anstoß nehmen würde, wenn er mitessen müsste. Liebe zu anderen Gläubigen ist unser stärkstes Zeugnis (Joh 13,34.35).
10,29 meine Freiheit von dem Gewissen eines anderen ge- richtet. Wenn wir durch Freiheitsmissbrauch einem schwächeren Bruder Anstoß geben, so wird dieser Schwächere uns verurteilen.
10,30 Wir können Gott nicht wirklich für eine Speise danken, durch die wir einen anderen Gläubigen zu Fall bringen.
10,31 Ehre. Christliche Freiheit und das alltägliche Verhalten müs- sen zur Ehre Gottes eingesetzt werden. Vgl. Hes 36,23.
10,32 Diese 3 Gruppen decken die ganze Menschheit ab. Wir müs- sen aufpassen, dass wir niemandem Anstoß geben.
10,33 allen zu Gefallen. S. Anm. zu 9,19-23.
11,1 Nachahmer. S. Anm. zu 4,16; Eph 5,1; Phil 3,17; 4,9.
11,2 Überlieferungen. Im hier verwendeten engeren Sinne ein Syn- onym für Gottes Wort (vgl. 2Th 2,15). Das NT benutzt das Wort manchmal im negativen Sinn als Bezeichnung für menschliche Vorstellungen oder Praktiken, insbesondere für solche, die der Schrift widersprechen (vgl. Mt 15,2-6; Gal 1,14; Kol 2,8).
11,3 Mann und Frau unterscheiden sich nicht im persönlichen Wert, Intellekt oder geistlichen Leben (vgl. Gal 3,28). Frauen erfüllen jedoch ihre einzigartige Rolle gemäß der Ordnung Gottes, wenn sie sich der Autorität des Mannes unterwerfen. Das belegt Paulus mit mehreren Argumenten: 1.) Das Vorbild der Personen Gottes (V. 3), 2.) Gottes Plan für Mann und Frau (V. 7), 3.) die Schöpfungsordnung (V. 8), 4.) Sinn und Zweck der Frau im Hinblick auf den Mann (V. 9); 5.) das Interesse der Engel (V. 10) und 6.) die natürlichen Körpermerkmale (V. 13-15). 11,3 Christus. Christus ist als Heiland und Herr das Haupt der Ge- meinde (vgl. Eph 1,22.23; 4,15; Kol 1,18). Auch über jeden Ungläubigen ist er Herr (vgl. Mt 28,18; Hebr 2,8). Eines Tages werden alle Menschen seine Autorität anerkennen (vgl. Phil 2,10.11). Mannes. Männer haben nach der grundsätzlichen Schöpfungsordnung Autorität über Frauen (vgl. V. 8.9; vgl. Jes 3,12; Eph 5,22-33). S. Anm. zu 1Tim 2,11-15. Gott. In seinem Wesen war Christus niemals in irgendeiner Weise geringer als der Vater (Joh 10,30; 17,21-24), aber in seiner Fleischwerdung unterwarf er sich in demütigem Gehorsam dem Willen des Vaters (3,23; 15,24-28; vgl. Joh 4,34; 5,30; 6,38).
11,4 etwas auf dem Haupt hat, schändet. Wörtl. »ein herab- Haupt hat«. Das bezeichnet wahrscheinlich Männer mit einer Kopfbedeckung, was in Korinth anscheinend üblich war. Juden trugen erst ab dem 4. Jhdt. n.Chr. eine Kopfbedeckung, wenngleich manche Juden womöglich schon zur Zeit des NT ihr Haupt bedeckten. Offenbar bedeckten auch in Korinth Männer ihr Haupt und Paulus klärt uns auf, dass diese Praxis schändlich ist. Er führt hier kein universales Gesetz Gottes an, sondern anerkennt einen ortsüblichen Brauch, der ein göttliches Prinzip widerspiegelt. In der damaligen Gesellschaft war der unbedeckte Kopf eines Mannes ein Zeichen für seine Autorität über Frauen, die ihre Köpfe bedecken mussten. Wenn ein Mann seinen Kopf bedeckte, symbolisierte er damit einen Rollentausch der Geschlechter.
11,5 Frau … betet oder weissagt. Paulus erteilt klare Anwei- sungen, dass Frauen bei den Zusammenkünften der Gemeinde nicht leiten oder reden dürfen (vgl. 14,34; 1Tim 2,12), aber sie dürfen vor Ungläubigen beten oder ihnen das Evangelium erklären oder auch Kinder und andere Frauen belehren (vgl. 1Tim 5,16; Tit 2,3.4). S. Anm. zu Apg 21,9. Wenn Frauen öffentlich beten oder das Wort Gottes verkünden, müssen sie sich dabei in angemessener Weise vom Mann unterscheiden. unbedecktem Haupt. In der Kultur Korinths symbolisierte die Kopfbedeckung einer Frau, die öffentlich diente oder anbetete, ihre Unterordnung gegenüber ihrem Ehemann. Der Apostel legt hier kein absolutes Gesetz für Frauen fest, dass sie in allen Gemeinden zu allen Zeiten Kopftücher oder Schleier tragen sollten, sondern erklärt, dass die Symbole der von Gott verordneten Geschlechterrollen erkennbar respektiert werden sollen. Wie beim Götzenopferfl eisch (Kap. 8.9) birgt es an sich nichts Geistliches in sich, ob man eine Kopfbedeckung trägt oder nicht. Aber es war falsch, Rebellion gegen Gottes Ordnung auszudrücken. schändet ihr Haupt. »Haupt« kann sich auf die Frau selbst beziehen, da es eine Schande für sie ist, wenn sie die anerkannten Symbole der Unterordnung ablehnt, oder es bezieht sich auf ihren Ehemann, auf den sie durch ihr Verhalten Schande bringt.
11,6 schändlich … das Haar abschneiden … zu lassen. Damals schnitten sich höchstens Prostituierte oder Feministinnen die Haare ab. Wenn eine Christin die Kopfbedeckung verweigerte, die in jener Kultur ihre Unterordnung ausdrückte, könnte sie sich genauso gut den Kopf kahlscheren lassen – die Schande wäre dieselbe.
11,7 Gottes Bild und Ehre. Obwohl Männer und Frauen beide im Bild Gottes geschaffen sind (1Mo 1,27), ist es der Mann, der durch seine Rolle in einzigartiger Weise die Herrlichkeit Gottes trägt. Wie Gott, so hat auch er eine Sphäre der Souveränität als irdisches Oberhaupt von Gottes Schöpfungsordnung. S. Anm. zu 1Mo 3,16.17. 11,7 die Frau ist die Ehre des Mannes. Wie der Mann eine von Gott erteilte Autorität hat, so hat auch die Frau eine Autorität, die Gott ihr durch ihren Ehemann zugeteilt hat. Der Mann kam von Gott, die Frau kam vom Mann (vgl. 1Mo 2,9-23; 1Tim 2,11-13).
11,9 S. 1Mo 2,18-23.
11,10 Engel. Frauen sollen unterwürfi g sein und das Symbol der Au- torität tragen, damit sie diesen heiligen und unterwürfi gen Geschöpfen, die die Gemeinde beobachten, keinen Anstoß geben (vgl. Mt 18,10; Eph 3,9.10). Die Engel waren bei der Schöpfung anwesend (Hi 38,4.7), als Gott die Autoritätsordnung für Mann und Frau festlegte.
11,11 Alle Gläubigen, Männer wie Frauen, sind im Herrn gleich und ergänzen sich im Werk des Herrn. Ihre Rollen unterscheiden sich in Funktion und Beziehung zueinander, aber nicht in ihrem geistlichen Wert oder in ihrer Bedeutung (vgl. Gal 3,28). S. Anm. zu 1Tim 2,15.
11,13 schicklich. Paulus sieht in diesem Vers von seiner apostoli- schen Autorität ab und appelliert an den gesunden Menschenverstand: »Ist es nicht selbstverständlich, dass Frauen nicht unbedeckt sein sollten?«
11,14 Natur. Im Sinne von elementarem menschlichem Urteils- vermögen, d.h. in dem intuitiven Gefühl, was normal und richtig ist. Das männliche Hormon Testosteron beschleunigt den Haarausfall bei Männern. Östrogen bewirkt, dass das Haar der Frau länger wächst. Frauen bekommen auch im hohen Altern selten eine Glatze. In den meisten Kulturen spiegeln sich diese Körpermerkmale in der Sitte wider, dass die Frauen längere Haare tragen. Gott hat ihr das Haar als einen Schleier gegeben, der Zartheit, Sanftheit und Schönheit ausdrückt.
11,16 solche Gewohnheit nicht. Weder der Herr noch die Apos- tel, noch die Gemeinden würden Frauen rebellieren lassen. Frauen sollten ihre typisch weiblichen Frisuren beibehalten, und sollten eine Kopfbedeckung tragen. 11,17-34 Das Liebesfest der Urkirche (vgl. Jud 12) endete üblich mit dem Mahl des Herrn. Die verweltlichte, fl eischliche Gemeinde in Korinth hatte diese heiligen Mähler in üppige und alkoholreiche Festivitäten verwandelt (V. 17; vgl. 2Pt 2,13). Darüber hinaus brachten wohlhabende Gläubige sich selbst reichlich zu essen und zu trinken mit, weigerten sich aber, mit anderen zu teilen und ließen ihre ärmeren Brüder hungrig nach Hause gehen (V. 21).
11,17 schlechter. Ein gr. Komparativ, der sich auf moralisch Böses bezieht. 11,18 Spaltungen. Die Gemeinde war von Differenzen zerrissen (s. 1,10-17; 3,1-3).
11,19 Bewährten offenbar. Spaltungen offenbaren, wer den Test geistlicher Echtheit und Lauterkeit bestanden hat (vgl. 1Th 2,4).
11,20 nicht, um das Mahl des Herrn zu essen. Das Liebesfest und die Gemeinschaftsfeier waren zu einer sündigen, eigennützigen Verhöhnung Christi entartet. Die Korinther konnten nicht mit Recht sagen, dass diese Zusammenkunft dem Herrn geweiht war, denn diese ehrte ihn nicht.
11,21 Wenn sie nur ihren eigenen Genüssen frönen wollten, könnten sie genauso gut zu Hause bleiben.
11,23 Diese Informationen waren für die Korinther nicht neu, denn Paulus hatte sie den Korinthern zuvor »überliefert«. Dieser Abschnitt ist eine wichtige Erinnerung daran. Diese Beschreibung des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern ist eine der schönsten der Bibel; sie war jedoch ein ernster Tadel fl eischlicher Selbstzufriedenheit. Wenn dieser Brief früher als alle Evangelien geschrieben wurde (s. Mt 26,2630; Mk 14,22-26; Lk 22,17-20; Joh 13,2), wie die meisten konservativen Gelehrten glauben, dann war Paulus’ Anweisung der erste biblische Bericht über die Einsetzung des Mahls des Herrn. Paulus erhielt sie direkt vom Herrn und nicht aus der Lektüre anderer apostolischer Schriften (vgl. Gal 1,10-12).
11,24 gebrochen. Die Einfügung dieses Wortes ist nur schwach durch Manuskripte belegt. S. Joh 19,33.36.
11,25 der neue Bund in meinem Blut. Der Alte Bund wurde jähr- lich wiederholt, indem Menschen Blut von Tieren darbrachten; aber der Neue Bund ist durch den Tod Christi ein für allemal eingesetzt worden (vgl. Hebr 9,28). zu meinem Gedächtnis. Jesus machte den dritten Kelch des Passahmahls zum Kelch des Gedächtnisses an sein Opfer (s. Anm. zu 10,16).
11,26 Dieses Gemeinschaftsmahl veranschaulicht das Evangelium, da die Bedeutung von Brot und Wein erklärt wird. Sie sind Zeichen, die auf Christi Fleischwerdung, Opfertod, Auferstehung und sein künftiges Reich hinweisen.
11,27 unwürdig. D.h. ritualistisch, gleichgültig, unbußfertig, verbittert oder in irgendeiner Gott nicht gefälligen Haltung. 11,27 schuldig. Am Mahl des Herrn teilzunehmen, wenn man an seiner Sünde festhält, entehrt nicht nur die Feier, sondern entehrt auch den Leib und das Blut Christi, weil man mit seinem gnadenreichen Opfer leichtfertig umgeht. Man muss vorher alle Sünden vor dem Herrn klären (V. 28) und dann teilnehmen, damit das Opfer nicht verlästert wird, weil man an Sünde festhält.
11,29 Gericht. D.h. Züchtigung. den Leib des Herrn nicht un- terscheidet. Wenn Gläubige die Heiligkeit der Gemeinschaftsfeier nicht richtig beurteilen, behandeln sie den Herrn selbst mit Gleichgültigkeit – sein Leben, sein Leiden und seinen Tod (vgl. Apg 7,52; Hebr 6,6; 10,29).
11,30 entschlafen. D.h. verstorben. S. Anm. zu 15,18. Das Verge- hen war so ernst, dass Gott die schlimmsten Missetäter sterben ließ. Das ist eine extreme, aber wirksame Form von Gemeindeläuterung (vgl. Lk 13,1-5; Apg 5,1-11; 1Joh 5,16).
11,32 Gläubige werden vor der Hölle bewahrt, und das nicht nur durch Gottes Beschluss, sondern auch durch Gottes Eingreifen. Der Herr züchtigt und führt sein Volk zurück zu gerechtem Lebenswandel und lässt sogar einige Gemeindeglieder sterben (V. 30), damit sie weggenommen werden, bevor sie verdammt werden können (vgl. Jud 24).
11,34 Es ist sinnlos zusammenzukommen, um zu sündigen und ge- züchtigt zu werden.
12,1 Dieser Abschnitt befasst sich mit den Geistesgaben in der Gemeinde und behandelt damit ein entscheidendes, aber kontroverses Thema. In Korinth gab es bei den vielen falschen Religionen trügerische übernatürliche Phänomene, mit denen man sich auseinandersetzen musste. Die Gemeinde wurde von Paulus über dies Thema unterrichtet und ihr Verhalten wurde von der Wahrheit und vom Heiligen Geist in Zucht genommen. 12,1 Geisteswirkungen. Manche Bibelübersetzungen schreiben hier »Geistesgaben«, aber der Grundtext enthält das Wort »Gaben« an dieser Stelle nicht. Dass es um Gaben geht, wird aus dem Kontext klar (vgl. V. 4.9.28.30.31; 14,1). Das gr. Wort, das hier mit »Geisteswirkungen« übersetzt ist, bedeutet wörtl. »den Geist betreffend« und bezieht sich auf etwas, was geistliche Qualitäten oder Eigenschaften hat oder in irgendeiner Form vom Geist gesteuert wird. Geistesgaben sind göttliche Befähigungen zum Dienst, die der Heilige Geist allen Gläubigen in bestimmtem Maße verleiht. Sie stehen vollständig unter seiner Herrschaft und müssen zur Auferbauung der Gemeinde und zur Verherrlichung Christi eingesetzt werden (s. Anm. zu Röm 12,4-8). Diese Gaben mussten unterschieden werden von mystischen Erfahrungen der heidnischen Religionen in Korinth, den »Ekstasen« (eine übernatürliche, übersinnliche Gemeinschaft mit einer Gottheit) und der »Schwärmerei« (Wahrsagerei, Träume, Offenbarungen, Visionen). 12,2 Heiden. Ihre frühere Religion (1Th 4,5; 1Pt 2,12). fortreißen. Unglaublicherweise ahmten einige Gemeindeglieder bestimmte dramatische und bizarre Praktiken der Mysterienreligionen nach, die sie früher ausgeübt hatten. Der Zustand der Ekstase, die als höchster Ausdruck religiöser Erfahrung angesehen wurde, ermöglichte eine angeblich übernatürliche Kommunikation mit einer Gottheit und wurde ausgelöst durch rasende hypnotische Gesänge und Zeremonien. Zu dieser Sitte gehörten häufi g Trunkenheit (vgl. Eph 5,18) und Sexorgien, denen sich die Anhänger absichtlich hingaben und so in schwere Sünde fi elen.
12,3 verfl ucht. Die schwerste Art eines Verdammungsurteils. Einige Korinther waren fl eischlich und den Ekstasen hingegeben, die von Dämonen gesteuert wurden. In diesem Zustand behaupteten sie tatsächlich, zu prophezeien oder im Geist zu lehren, während sie in dämonischer Weise den Namen des Herrn lästerten, den sie angeblich anbeteten. Sie hatten den Gebrauch der Gaben nicht anhand des Inhalts, sondern nach ihrer Erfahrung beurteilt. Satan greift stets die Person Jesu an. Möglicherweise war der Verfl ucher Christi ein Heide, der sich als Christ ausgab, aber an der Philosophie festhielt, alle Materie sei böse, einschließlich des Menschen Jesus (das lehrte die sog. Prä-Gnosis). Vielleicht sagten sie, der »Christusgeist« habe den Menschen Jesus vor seinem Tod verlassen und daher sei Jesus als bloßer Mensch einen Fluchtod gestorben. Jesus Herrn nennen. Vgl. Apg 2,36; Röm 10,9.10; Eph 1,20.21; Phil 2,9-11. Die Echtheit einer mündlichen Offenbarung wird anhand ihrer Wahrheitstreue bestimmt. Wenn der Redende Jesus als Herrn bestätigt, ist das Wahrheit vom Heiligen Geist. Was jemand über Jesus Christus sagt und glaubt, ist der Test, ob er vom Heiligen Geist geleitet spricht. Der Geist führt Menschen stets zu Christus als Herrn (vgl. 2,8-14; Joh 15,26; 1Joh 5,6-8).
12,4 Gaben. Diese Kategorien von Begabungen sind keine natür- lichen Talente oder Fähigkeiten, die Gläubige und Ungläubige gleichermaßen besitzen. Diese Geistesgaben werden vom Heiligen Geist in souveräner und übernatürlicher Weise allen Gläubigen verliehen (V. 7.11). Dadurch werden sie befähigt, sich gegenseitig geistlich aufzuerbauen und somit den Herrn zu ehren. Die Vielfalt der Gaben lässt sich in zwei Klassen unterteilen: Redegaben und Dienstgaben (s. V. 8-10; vgl. Röm 12,6-8; 1Pt 4,10.11). Die Rede- oder mündlichen Gaben (Weissagung, Erkenntnis, Weisheit, Lehre und Ermahnung) und die dienenden, nonverbalen Gaben (Leitung, Hilfeleistungen, Mitteilungen, Barmherzigkeit, Glauben und Geisterunterscheidung) sind allesamt permanente Gaben, die im gesamten Zeitalter der Gemeinde ausgeübt werden. Ihr Zweck ist die Auferbauung der Gemeinde und die Verherrlichung Gottes. Die Listen hier und in Röm 12,3-8 werden am besten als repräsentative Paletten von Begabungen verstanden, von denen der Heilige Geist auswählt und jedem Gläubigen eine Art oder eine Kombination von Gaben zuteilt, wie er will (V. 11). Manche Gläubige sind vielleicht prinzipiell gleich begabt wie andere, aber persönlich einzigartig, da der Geist jede Gnadengabe individuell auf den Gläubigen zuschneidet. Wunderwirkungen, Heilungen, Sprachenreden und die Auslegung von Sprachenreden waren zeitweilige Zeichengaben, die auf die Zeit der Apostel beschränkt waren und deshalb aufgehört haben. Ihr Zweck war es, die Botschaft der Apostel als wahres Wort Gottes unter Beweis zu stellen, solange Gottes Wort noch nicht vollständig geschrieben war. Nachdem die Bibel abgeschlossen war, bewies sie sich selbst als Gottes Wort. S. Anm. zu V. 9.10.
12,5 unterschiedliche Dienste … die Kraftwirkungen sind unterschiedlich. Der Herr gibt den Gläubigen individuelle Dienstbereiche, in welchen sie ihre Begabungen einsetzen können, und er bietet vielfältige Kräfte zur Stärkung der Gläubigen, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können (vgl. Röm 12,6).
12,7 das offensichtliche Wirken des Geistes. Alle Gaben, Diens- te oder Wirkung kommen als Geistesgaben vom Heiligen Geist. Da die Menschen, denen mit diesen Gaben gedient wird, geistlich davon profi tieren, bewirken die Gaben, dass der Heilige Geist in der Gemeinde erkannt, verstanden und wahrgenommen wird. 12,8 Wort der Weisheit. »Wort« weist auf eine Redegabe hin (s. Anm. zu V. 4; vgl. 1Pt 4,11). Im NT bezeichnet »Weisheit« meistens die Fähigkeit, Gottes Wort und Willen zu verstehen und diese Erkenntnis in rechter Weise aufs Leben anzuwenden (vgl. Mt 11,19; 13,54; Mk 6,2; Lk 7,35; Apg 6,10; Jak 1,5; 3,13.17; 2Pt 3,15). Wort der Erkenntnis. Im 1. Jhdt. konnte diese Gabe offenbarenden Charakter haben, aber heute ist sie lediglich die Fähigkeit, Gottes Wahrheit zu verstehen und zu verkündigen. Dazu gehört Einsicht in die Geheimnisse seines Wortes, die ohne Offenbarung von Gott nicht bekannt wären (Röm 16,25; Eph 3,3; Kol 1,26; 2,2; 4,3; vgl. 13,2). Bei Erkenntnis geht es hauptsächlich um das Begreifen der Bedeutung der Wahrheit; bei Weisheit hingegen geht es vorwiegend um die praktische Überzeugung und die Anwendung aufs Verhalten.
12,9 Glauben. Im Unterschied zu rettendem oder bewahrendem Glauben, den alle Gläubigen haben, wird diese Gabe in stetigem Gebet und beharrlicher Fürbitte ausgeübt und geht einher mit einem starken Vertrauen auf Gott inmitten schwieriger Umstände (vgl. Mt 17,20). Heilungen. Eine zeitweilige Zeichengabe, die angewendet wurde von Christus (Mt 8,16.17), den Aposteln (Mt 10,1), den siebzig Jüngern (Lk 10,1) und einigen wenigen Anhängern der Apostel, wie z.B. Philippus (Apg 8,57). Diese Fähigkeit wurde als Gabe bezeichnet, die den Aposteln zu Eigen war (vgl. 2Kor 12,12). Heute haben Christen zwar die Gabe der Heilungen nicht mehr, aber Gott hört und beantwortet gewiss die vertrauensvollen Gebete seiner Kinder (s. Jak 5,13-16). Manche meinen, Heilungen sollten alltäglich sein und auf allen Gebieten erwartet werden, aber das stimmt nicht. Körperliche Heilungen sind im AT äußerst selten; wir lesen dort nur von einigen wenigen Heilungen. Vor dem Kommen Christi waren Heilungen nie alltäglich gewesen. Nur während des Erdenlebens Jesu und seiner Apostel war eine explosionsartige Häufung von Heilungen zu verzeichnen. Dieses Phänomen entsprach der besonderen Notwendigkeit, dass der Messias und die erste Predigt des Evangeliums beglaubigt werden mussten. Jesus und seine Apostel verbannten die Krankheiten kurzzeitig aus Palästina, doch das geschah während des großartigsten Abschnitts der Heilsgeschichte, der eine besondere Beglaubigung erforderte. Wenn Heilungen etwas Alltägliches wären, dann wäre auch die Ankunft des Heilands nichts Besonderes. Diese Gabe gehörte zu den Zeichengaben, die sich nur auf jene Zeit beschränkten. Die Gabe der Heilungen wurde niemals allein zum Zweck der körperlichen Wiederherstellung von Kranken eingesetzt. Paulus war krank, heilte sich jedoch nie selbst und bat auch niemand anderen, ihn zu heilen. Sein Freund Epaphroditus war todkrank (Phil 2,27) und Paulus heilte ihn nicht. Gott griff ein. Als Timotheus krank war, heilte Paulus ihn nicht, sondern empfahl ihm, etwas Wein zu verwenden (1Tim 5,23). Paulus ließ Trophimus »in Milet krank zurück« (2Tim 4,20). In Paulus’ Dienst waren Heilungen nicht an der Tagesordnung, sondern geschahen dann, wenn er in ein neues Gebiet kam, z.B. Melite (Malta), wo das Evangelium und sein Prediger eine Beglaubigung brauchten (s. Apg 28,8.9). Dies war die erste erwähnte Heilung seit der Heilung des Gelähmten in Lystra (Apg 14,9), die sich im Zusammenhang mit der Ankunft des Paulus und der Evangeliumspredigt in diesem Gebiet ereignete. Vor dieser Begebenheit war die letzte Heilung die des Äneas durch Petrus in Apg 9,34 und die Auferweckung der Tabitha in 9,41. Sie waren Bestätigungen Gottes, damit die Menschen dem Evangelium glaubten, das Petrus verkündete (9,42).
12,10 Wunderkräfte. Diese zeitweilige Zeichengabe bewirkte durch Gottes Kraft ein übernatürliches Geschehen, das nicht anders erklärt werden konnte als durch ein Eingreifen Gottes. Auch diese Gabe hatte den Zweck, Christus und die apostolischen Verkündiger des Evangeliums zu bestätigen. Joh 2,11 besagt, dass Jesus sein erstes Wunderzeichen in Kana tat, um »seine Herrlichkeit zu offenbaren« – und nicht zur Erhöhung der Festfreude (vgl. den Zweck der in seinem Evangelium aufgeschriebenen Wunder Jesu; Joh 20,30.31). Apg 2,22 bestätigt, dass Jesus Wunder tat, um zu »beglaubigen«, dass Gott durch ihn wirkte, damit die Menschen an ihn als ihren Herrn und Retter glaubten. Jesus vollbrachte Wunder und heilte nur während der drei Jahre seines Dienstes und nicht in den vorausgegangenen 30 Jahren. Seine Wunder begannen mit seinem Dienst. Obgleich Jesus Wunder im Bereich der Natur wirkte (er verwandelte Wasser in Wein, schuf Brot, ging auf dem Wasser, fuhr in den Himmel auf), wird von keinem Apostel auch nur ein einziges derartiges Wunder berichtet. Welche Art von Wundern wirkten die Apostel? Die Antwort liegt im Wort »Wunder«, was so viel wie »Kraft« bedeutet und häufi g im Zusammenhang mit Dämonenaustreibung steht (Lk 4,36; 6,18; 9,42). Es ist genau die Kraft, die der Herr den Jüngern gab (Lk 9,1; 10,17-19; vgl. Apg 6,8; 8,7; 13,6-12). S. Anm. zu Apg 19,14-16. Weissagung. Das gr. Wort – dasselbe wie »Prophetie« – bedeutet einfach »heraus-sagen« oder »öffentlich verkündigen« und erhielt irgendwann im Mittelalter den Beiklang der Zukunftsvorhersage. Seit der Vollendung der Bibel ist Prophetie kein Mittel mehr für neue Offenbarungen, sondern beschränkt sich auf die Verkündigung dessen, was im geschriebenen Wort bereits offenbart ist. Auch die biblischen Propheten waren Prediger, Verkündiger der Wahrheit Gottes, sowohl durch Offenbarung als auch durch Wiederholung. AT-Propheten wie Jesaja, Jeremia und Hesekiel verbrachten ihr Leben mit der Verkündigung von Gottes Wort. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil ihrer Verkündigung ist in der Bibel als Gottes direkte Offenbarung aufgezeichnet. Sie müssen diese Wahrheiten ständig wiederholt und aufs Neue betont haben, so wie heutige Prediger das biblische Wort Gottes wiederholen, erklären und nachdrücklich betonen. Die beste Defi nition dieser Gabe steht in Kap. 14,3; ihre Wichtigkeit wird in 14,1.39 herausgestellt. Ihre höhere Bedeutung im Vergleich zu anderen Gaben, insbesondere zur Gabe der Sprachenrede, ist Thema von Kap. 14. S. Anm. zu 1Th 5,20; Offb 19,10. Geister zu unterscheiden. Satan ist der große Verführer und Betrüger (Joh 8,44) und seine Dämonen täuschen Gottes Botschaft und Wirken nach. Christen mit der Gabe der Geisterunterscheidung haben die von Gott gegebene Fähigkeit, Lügengeister zu erkennen und verführerische und irrige Lehren zu identifi zieren (vgl. Apg 17,11; 1Joh 4,1). In Apg 16,16-18 gibt Paulus ein Beispiel für den Einsatz dieser Gabe und Petrus übt sie in Apg 5,3 aus. Da sie in der korinthischen Gemeinde nicht ausgeübt wurde, kam es dort zu groben Verzerrungen der Wahrheit (s. V. 3; 14,29). Wenngleich die Wirkungsweise dieser Gabe sich verändert hat, nachdem die Bibel am Ende der apostolischen Zeit vollendet wurde, ist es immer noch höchst wichtig, Gläubige mit Unterscheidungsvermögen in der Gemeinde zu haben. Sie sind die Wächter und Hüter, die die Gemeinde vor dämonischen Lügen, falschen Lehren, entarteten Sekten und fl eischlichen Elementen bewahren. Genau wie bei den Gaben der Erkenntnis, Weisheit, Predigt und Lehre, erfordert auch die Ausübung dieser Gabe ein fl eißiges Bibelstudium. S. Anm. zu 1Th 5,20-22; Apg 17,11. Sprachen … Auslegung der Sprachen. Diese zeitweiligen Zeichengaben verwendeten normale Wörter zum Sprechen in einer Fremdsprache und zur Übersetzung dieser Fremdsprache. Wie die anderen Zeichengaben (Wunder, Heilungen) galten sie der Beglaubigung der Wahrheit und ihrer Verkündiger. Die wahre Gabe der Sprachenrede wird in Apg 2,5-12 eindeutig als tatsächliche Sprache identifi ziert, was die göttliche Natur des Evangeliums bestätigte. Aufgrund täuschend ähnlicher Phänomene in der umgebenden heidnischen Kultur wurde diese Gabe in Korinth jedoch übermäßig erhöht und stark missbraucht. Hier führt Paulus sie als Gabe auf, aber er erörtert sie detailliert im gesamten Kap. 14. S. Anm. zu 14,1-29.
12,11 ein und derselbe Geist. Zugleich mit der Vielfalt der Gaben (V. 4-11) betont Paulus auch, dass die Gaben nur einen Ursprung haben, nämlich den Geist (vgl. V. 4.5.6.8.9.). Hier wird zum fünften Mal in diesem Kapitel gesagt, dass der Heilige Geist die Quelle der Gaben ist. Das unterstreicht, dass die Gaben nicht etwas sind, was man suchen oder erstreben müsste, sondern was man vom Geist empfängt, »wie er will«. Er allein ist es, der alle Gaben bewirkt und verleiht (V. 6), so wie er sie auswählt.
12,12 Leib … Glieder. Paulus benutzt den menschlichen Körper als Vergleich (vgl. 10,17) für die Einheit der Gemeinde in Christus. Von hier bis V. 27 verwendet er den Begriff »Leib« 18-mal (vgl. Röm 12,5; Eph 1,23; 2,16; 4,4.12.16; Kol 1,18).
12,13 getauft. Die Gemeinde, der geistliche Leib Christi, wird da- durch zusammengefügt, dass Gläubige von Christus mit Heiligem Geist getauft (untergetaucht) werden. Christus ist der Täufer (s. Anm. zu Mt 3,11), der jeden Gläubigen im Geist in die Einheit mit allen Gläubigen eintaucht. Paulus schreibt hier nicht über die Wassertaufe. Dieses äußere Zeichen verbildlicht die Vereinigung des Gläubigen mit Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung (s. Anm. zu Röm 6,3-5). In gleicher Weise werden alle Gläubigen durch den Heiligen Geist in den Leib Christi eingetaucht. Paulus will hier die Einheit der Gläubigen herausstellen. Es kann keinen Gläubigen geben, der nicht im Geist getauft ist, und es kann nicht mehr als eine Geistestaufe geben, denn ansonsten wäre die ganze Aussagekraft der Einheit des Leibes Christi verdreht. Alle Gläubigen sind im Geist getauft worden und gehören somit alle zum einen Leib. S. Anm. zu Eph 4,4-6. Die Geistestaufe ist keine Erfahrung, die man suchen oder erstreben müsste, sondern eine Realität, die anerkannt werden muss. S. auch Anm. zu Apg 8,17; 10,44.45; 11,15-17. getränkt worden zu einen Geist . Bei der Errettung werden nicht nur alle Gläubigen vollständige Glieder am Leib Christi, der Gemeinde, sondern der Heilige Geist nimmt auch Wohnung in dem Gläubigen (Röm 8,9; vgl. 6,19; Kol 2,10; 2Pt 1,3.4). So etwas wie ein »zweiter Segen«, eine triumphale Erfahrung eines tieferen Lebens oder eine Formel für spontan gesteigerte Geistlichkeit (vgl. Joh 3,34) ist absolut nicht erforderlich, sondern gänzlich unnötig – und es gibt auch keine Verordnung Gottes dafür. Was Christus bei der Errettung gibt, ist vollkommen, und er ruft lediglich auf, dem zu gehorchen und zu vertrauen, was man bereits empfangen hat (Hebr 10,14).
12,14 Mit seinem Bild verschiedener Körperteile, die alle für die Funktion des ganzen Körpers notwendig sind, zeigt Paulus, dass Einheit für die Gemeinde unverzichtbar ist. Die von Gott vorgesehene Vielfalt innerhalb dieser Einheit ist jedoch ebenso notwendig. Aus Paulus’ Erklärungen geht außerdem hervor, dass einige eigensüchtige Gemeindeglieder unzufrieden mit ihren Gaben waren und sich die Gaben wünschten, die sie nicht bekommen hatten (V. 11). Mit dieser Haltung stellten sie im Endeffekt Gottes Weisheit in Frage und unterstellten, er habe einen Fehler bei der Aufgabenverteilung gemacht (vgl. V. 3; Röm 9,20.21). Bei ihrem Streben nach protzigen und eindrücklichen Fähigkeiten und Kräften wurden sie außerdem anfällig für fl eischliche und dämonische Fälschungen von Gaben.
12,18 Hier wendet Paulus sich wie in V. 11 an die törichten und fl eischlichen Korinther, die unzufrieden waren mit dem, was Gott ihnen in seiner Souveränität für die Auferbauung der Gemeinde und Verherrlichung des Herrn gegeben hatte. S. Anm. zu V. 31.
12,21 brauche dich nicht. Während sich einige Korinther beklag- ten, weil sie keine imponierenden Gaben hatten (s. Anm. zu V. 14-20), verachteten diejenigen, die diese eindrücklichen Gaben besaßen, die Gläubigen mit bescheideneren und weniger herausragenden Gaben. Das »Auge« und der »Kopf«, hohe und sichtbare Körperteile, auf die man besonders achtet, repräsentieren Gläubige mit Gaben, die öffentlich ausgeübt werden. Die Besitzer dieser Gaben überschätzten ihre Wichtigkeit und verachteten Gläubige, die ihrer Ansicht nach weniger begabt und weniger wichtig waren. Sie behandelten sie offenbar mit Desinteresse (»dich brauche ich nicht«) und Selbstzufriedenheit.
12,22 Dem Stolz auf die auffälligeren Gaben entgegnet Paulus erneut mit seinem Vergleich mit dem Körper und erinnert die Gläubigen, dass wir gerade den schwächeren und weniger liebenswürdigen, ja unansehnlicheren Körperteilen, die nicht öffentlich präsentiert (»weniger anständig«, V. 23) werden, eine höhere Wertschätzung zollen, weil sie ebenfalls wichtig sind. Damit meinte er die inneren Organe.
12,25 Gott hat sichtbare, öffentliche Gaben entworfen, die eine wichtige Rolle einnehmen, aber die verborgenen Gaben sind in gleicher Weise von ihm entworfen und sie sind lebenswichtig. So wird die Perspektive der Einheit beibehalten – alle Körperteile sind wichtig, damit der Leib Christi funktioniert.
12,26 Diese Verse rufen zu gegenseitiger Liebe und Anteilnahme innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen auf (vgl. Phil 2,1-4). Denn dadurch wird die Einheit bewahrt, die den Herrn ehrt. Es gibt den einen Leib, an dem alle Glieder ihre Funktion haben, doch niemals verlieren sie ihre persönliche Identität und die starke Notwendigkeit, so zu dienen, wie Gott es für sie vorgesehen hat.
12,28 Gott hat … eingesetzt. Wiederum betont Paulus die Souveränität Gottes (vgl. V. 7.11.18). Er illustriert die Individualität und Einheit des Leibes, indem er die sich nach außen darstellenden Kategorien von Diensten, Berufungen und Begabungen wiederholt. 12,28 Apostel … Propheten. S. Anm. zu Eph 4,11. Ihr Sinn und Zweck war: 1.) Die Grundlage für die Gemeinde zu legen (Eph 2,20), 2.) die Offenbarung des Wortes Gottes zu empfangen und zu verkündigen (Apg 11,28; 21,10.11; Eph 3,5) und 3.) dieses Wort durch Zeichen und Wunder zu beglaubigen (2Kor 12,12; vgl. Apg 8,6.7; Hebr 2,3.4). »Apostel« bedeutet in erster Linie die vom Herrn erwählten 12 plus Paulus und Matthias (Apg 1,26). S. Anm. zu Röm 1,1. In weiterem Sinne bezeichnet der Begriff auch andere, die als Boten der Gemeinde dienten: Barnabas (Apg 14,14), Silas und Timotheus (1Th 2,6) und andere (Röm 16,7; 2Kor 8,23; Phil 2,25). Die Apostel Christi waren die Quelle der Gemeindelehre (Apg 2,42); die Apostel der Gemeinde (2Kor 8,23) waren ihre ersten Führer. »Propheten« waren besonders begabte Männer in den örtlichen Gemeinden, die das Wort Gottes verkündeten (Apg 11,21-28; 13,1). Jede Botschaft, die von einem Propheten verkündet wurde, musste durch das Wort der Apostel beurteilt werden (s. Anm. zu 14,36.37). Lehrer. Sie konnten identisch sein mit den Hirten-Lehrern (s. Anm. zu Eph 4,11), aber wahrscheinlich sind hier im weiteren Sinn alle gemeint, die zur Belehrung in der Gemeinde begabt sind, ob sie nun ein Hirtenamt haben oder nicht. Wunderkräfte … Heilungen … Sprachen. S. Anm. zu V. 9.10. Hilfeleistung, Verwaltung. Diese weniger öffentlichen Gaben stehen hier zwischen den öffentlichen Wirkungen des Geistes, um ihre entscheidende Wichtigkeit herauszustellen (V. 22). »Hilfeleistungen« sind Befähigungen zum Dienst. Die Gabe des Dienstes in Röm 12,7 fällt tatsächlich in dieselbe Kategorie. »Verwaltung« ist Leiterschaft. Das Wort stammt von dem gr. Ausdruck für »ein Schiff steuern« (Apg 27,11) und bezeichnet jemanden, der gemeindliche Dienste effektiv leiten kann.
12,29 Diese rhetorischen Fragen erwarten eine Verneinung. Der Leib Christi ist vielfältig strukturiert und Gott hat ihn in seiner Souveränität so gestaltet.
12,31 Strebt. In diesem Zusammenhang kann dies nicht bedeuten, dass die Gläubigen die auffälligeren Gaben erstreben sollten, wo sich ja das ganze Kapitel gerade dagegen ausspricht, dass sie dies in sündhafter Weise getan hatten. Es ist falsch, aus eigennützigen Motiven eine Gabe zu wünschen, da Gott sie in seiner Souveränität so gibt, wie er will (V. 7.11.18.28). Daher darf dies nicht als Imperativ (Befehl) verstanden werden, sondern, wie es bei der grammatischen Form des Verbs möglich ist, als Indikativ (Aussage): »Ihr strebt also – fälschlicherweise – nach den eindrücklicheren Gaben.« Der wirkliche Imperativ fordert, damit aufzuhören und zu lernen, was der »weit vortreffl ichere Weg« ist, der Weg der Liebe, den Paulus nun in Kap. 13 erklärt. 13,1-13 Geistesgaben waren in Korinth vorhanden (1,7); sogar die richtige Lehre war da (11,2); aber die Liebe fehlte. Deshalb kam es zu den Streitereien und Auswüchsen von Selbstsucht und Stolz, von denen die Gemeinde geplagt wurde – insbesondere auf dem Gebiet der Geistesgaben (s. Anm. zu 12,14-31). Anstatt selbstsüchtig und neidisch nach imposanten Gaben zu gieren, sollten die Gläubigen nach dem Großartigsten überhaupt streben – nach gegenseitiger Liebe. Viele halten dieses Kapitel für das literarisch herausragendste Schriftstück, das Paulus jemals verfasste. Es steht inmitten seiner ernsten Auseinandersetzung über die Geistesgaben (Kap. 12-14). Nachdem er die Verleihung von Gaben erklärt hat (Kap. 12) und bevor er die Funktion der Gaben behandelt (Kap. 14), widmet er sich der Haltung, die für alle Dienste in der Gemeinde erforderlich ist (Kap. 13).
13,1 Sprachen der Menschen. Vgl. 12,10.28; 14,4-33. Dass es sich bei dieser Gabe um eine echte Sprache handelte, wird aus Apg 2,4-12 deutlich (s. Anm. dort) und wird hier bestätigt, da Paulus sie als Sprache »von Menschen« bezeichnet. Das ist ein klarer Hinweis auf eine menschliche Sprache. Sie war die Gabe, welche die Korinther so hoch bewerteten, so arg missbrauchten und so zum eigenen Schaden nachahmten. Die Fähigkeit, in einer dem Redenden unbekannten Sprache zu sprechen, gab Gott als Zeichen, das nur in einer begrenzten Zeit Sinn hatte (s. Anm. zu 14,1-33). der Engel. Paulus spricht rein hypothetisch. Es gibt in der Bibel keine Lehre von einer speziellen Engelssprache, die Menschen nicht erlernen könnten. Liebe. Selbstverleugnende Liebe, die mehr auf das Geben ausgerichtet ist als auf das Nehmen (Joh 3,16; vgl. 14,1; Mt 5,44.45; Joh 13,1.34.35; 15,9; Röm 5,10; Eph 2,4-7; Phil 2,2; Kol 3,14; Hebr 10,24). Das Wort war nicht beliebt und wurde daher in der antiken gr. Kultur nur selten verwendet, aber im NT kommt es häufi g vor. Ohne Liebe wäre unser Reden einfach nur ein Geräusch, so redegewandt man in seiner eigenen oder in einer Fremdsprache (sogar in einer hypothetischen Engelssprache) auch sein mag. Zur Zeit des NT wurden heidnische Gottheiten wie Kybele, Bacchus und Dionysus mit ritualistischen ekstatischen Klängen verehrt, die von Gongs, Becken und Trompeten begleitet wurden. Doch wenn die Korinther nicht in Liebe sprachen, wäre ihr Reden nicht besser als das Geplapper und Geklapper heidnischer Rituale.
13,2 Weissagung. S. Anm. zu 12,10. In 14,1-5, nennt Paulus diese Gabe die allerwichtigste, weil sie den Menschen Gottes Wahrheit nahe bringt. Auch diese Gabe muss in Liebe ausgeübt werden (vgl. Eph 4,15). alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis. Das umfasst die Gaben der Weisheit, Erkenntnis und Geisterunterscheidung (s. Anm. zu 12,8.10), die in Liebe ausgeübt werden müssen (s. Phil 1,9). allen Glauben. S. Anm. zu Mt 17,20. Das bezieht sich auf die Gabe des Glaubens (das beharrliche Gebet des Glaubens; s. Anm. zu 12,9), die für die Gemeinde ohne selbstlose Liebe nutzlos wäre.
13,3 verbrannt. Erst einige Jahre später begann man Christen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, aber es war allen klar, welch äußerst schrecklichen Tod dies bedeutete. Weder die freiwillige Aufgabe allen Besitzes noch der Feuertod könnte irgendeinen geistlichen Segen einbringen, wenn es nicht aus Liebe zum Leib Christi geschieht. 13,4-7 In den vorigen Aussagen (V. 1-3) liegt der Schwerpunkt auf der Leere, die sich aus fehlender Liebe im Dienst ergibt. In diesen Versen wird nun die Fülle der Liebe beschrieben, und zwar bei jedem Aspekt durch das, was die Liebe tut. Liebe ist nichts Abstraktes, sondern praktisches Handeln. Positiv ausgedrückt ist Liebe geduldig im Umgang mit Menschen und von großzügigem Erbarmen. Negativ ausgedrückt, neidet die Liebe niemals, prahlt niemals und ist nie überheblich, denn das wäre das Gegenteil selbstlosen Dienstes an anderen. Niemals ist sie unverschämt oder herrisch und sucht nie ihren eigenen Weg durchzusetzen, lässt sich nicht durch persönliche Verletzungen reizen oder erzürnen und freut sich nicht über die Sünden anderer, noch nicht einmal über Sünden des Feindes. Auf positiver Seite wiederum ist die Liebe in jeder Hinsicht der Wahrheit verpfl ichtet. Im Rahmen des gerechten und gnädigen Willens Gottes erträgt, glaubt, hofft und erduldet sie alles, – was sonst unmöglich wäre.
13,8 hört niemals auf. Als Wesensmerkmal Gottes ist die Lie- be beständig und unzerstörbar. Die Liebe überdauert alles Versagen (vgl. 1Pt 4,8; 1Joh 4,16). Paulus bekräftigt die Beständigkeit der Liebe durch einen Vergleich mit den Geistesgaben, die den Korinthern so viel bedeuteten: Weissagung, Erkenntnis und Sprachenreden, sie alle werden aufhören. Die Form der verwendeten gr. Verben weist darauf hin, dass man zwischen dem Aufhören von Weissagung und Erkenntnis einerseits und von Sprachenrede andererseits unterscheiden kann. Weissagung und Erkenntnis werden beide »weggetan werden«. In beiden Fällen zeigt das Verb, dass irgendetwas diese beiden Gaben »wegtun« wird. Aus V. 9.10 geht hervor, dass das, was Erkenntnis und Weissagung wegtun wird, »das Vollkommene« ist. Wenn das Vollkommene kommt, werden diese Gaben außer Kraft gesetzt. Das »Vollkommene« ist nicht die Vollendung der Bibel, da diese beiden Gaben derzeit noch in Kraft sind und auch im künftigen Reich bleiben (vgl. Joe 2,28; Apg 2,17; Offb 11,3). Die Bibel ermöglicht uns nicht, Gott »von Angesicht zu Angesicht« zu sehen oder Gott so vollkommen zu kennen, wie er uns kennt (V. 12). Das »Vollkommene« ist nicht die Entrückung der Gemeinde oder die Wiederkunft Christi, denn im darauf folgenden Reich wird es immer noch viele Prediger und Lehrer geben (vgl. Jes 29,18; 32,3.4; Joe 2,28; Offb 11,3). Das Vollkommene muss der Ewigkeitszustand sein, wenn wir in der Herrlichkeit Gott von Angesicht zu Angesicht sehen (Offb 22,4) und in der neuen, ewigen Schöpfung zur vollen Erkenntnis gelangt sind. Genau wie ein Kind im Erkennen und Verstehen bis zur ausgereiften Verstandeskraft wächst, so werden die Gläubigen eine vollkommene Erkenntnis erlangen und keine derartige Gabe mehr nötig haben. Für das Aufhören der Gabe des Sprachenredens benutzt Paulus hingegen ein anderes Wort und verdeutlicht somit, dass diese Gabe von selber »aufhören« wird. Das geschah am Ende des Zeitalters der Apostel. Diese Gabe wird nicht durch das Eintreffen des »Vollkommenen« beseitigt werden, denn dann gibt es sie bereits nicht mehr. Der einzigartige Zweck der Sprachen- und Auslegungsgabe war es, als Zeichengaben die Botschaft des Evangeliums zu beglaubigen, solange das NT noch nicht vollendet war (Hebr 2,3.4). »Sprachen« (in anderen Bibelausgaben »Zungen« oder »Zungenrede«) waren außerdem deshalb zeitlich begrenzt, weil sie ein Zeichen Gottes für sein Gericht über Israel waren (s. Anm. zu 14,21; vgl. Jes 28,11.12). »Sprachen« waren kein Zeichen für Gläubige, sondern für Ungläubige (s. Anm. zu 14,22), insbesondere für die ungläubigen Juden. Die Sprachenrede hat auch deshalb aufgehört, weil es nach Abschluss der Bibel nicht mehr nötig war, die wahren Botschaften von Gott zu beglaubigen. Die Bibel war dann der Maßstab, an dem alles beurteilt wurde. »Sprachen« waren ein weit geringeres Mittel zur Auferbauung als Predigt und Lehre (s. Anm. zu 14,5.12.13.27.28). Das ganze Kap. 14 ist sogar darauf angelegt, den so sehr am Sprachenreden hängenden Korinthern zu zeigen, dass dies Phänomen ein minderwertiges Mittel zur Kommunikation (V. 1-12), ein minderwertiges Mittel zum Lobpreis (V. 13-19) und ein minderwertiges Mittel zur Evangelisation ist (V. 20-25). Weissagung war und ist weit überlegen (V. 1.3-6.24.29.31.39). Dass die Sprachenrede aufgehört hat, sollte schon daraus klar werden, dass sie in keinem weiteren Buch des NT vorkommt, außer in der Apg. Die Sprachenrede wurde in der Urkirche nicht weiter erwähnt oder praktiziert, nachdem die Bibel vollendet war. Dass die Sprachenrede aufgehört hat, ist außerdem auch ersichtlich an ihrem Fehlen in der Kirchengeschichte seit dem 1. Jhdt. Seitdem ist sie nur sporadisch aufgetreten, und dann auch nur in fragwürdigen Gruppierungen. Weitere Details fi nden sich in den Anmerkungen zu Kap. 14.
13,13 Liebe. Woran wir hier geglaubt und worauf wir gehofft ha- ben, wird im Himmel erfüllt sein und wir werden den Inhalt unseres Glaubens und unserer Hoffnung vollkommen wahrnehmen und schauen. Die Liebe aber, diese Tugend Gottes, bleibt für immer (vgl. 1Joh 4,8). Der Himmel wird der Ort sein, wo nichts als nur vollkommene Liebe zu Gott und zueinander zum Ausdruck kommt.
14,1 Strebt nach der Liebe. Ein Gebot für jeden Gläubigen. Weil Lieblosigkeit in der Gemeinde von Korinth ein geistliches Grundproblem war, sollten sie die soeben beschriebene göttliche Liebe mit besonderer Entschlossenheit und großem Eifer erstreben. bemüht euch auch eifrig um die Geisteswirkungen. Liebe schließt den Gebrauch dieser Befähigungen nicht aus. Da Paulus aufgefordert hatte, nicht nach den imposanten Gaben zu streben (12,31) und sich nicht über andere zu erheben (12,14-25), konnten einige womöglich meinen, am besten lasse man um der Einheit willen alle Gaben außer Acht. Doch Gott hat in seiner Souveränität allen Gläubigen Geistesgaben gegeben. Diese Gaben sind notwendig für die Auferbauung der Gemeinde (12,1-10). Nach ihnen zu streben, bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, persönlich einer bewundernswerten Gabe nachzutrauern, die man nicht hat, sondern vielmehr die übertragenen Gaben gemeinschaftlich und treu im Dienst für den Herrn einzusetzen. Als Versammlung sollten die Korinther bewusst danach streben, dass alle Gaben erkennbar ausgeübt werden. Die Aufforderung steht im Plural (»euch«, »ihr«), was den gemeinsamen Wunsch der Gemeinde betont. am meisten aber, dass ihr weissagt. Diese Geistesgabe war für das Gemeindeleben deshalb so erstrebenswert, weil sie den Gläubigen auf eine Weise diente, wie es die Sprachenrede nicht konnte, nämlich durch Auferbauung der gesamten Gemeinde (V. 5).
14,2 Für die richtige Auslegung dieses Kapitels ist es von grund- legender Wichtigkeit, zwischen dem Singular Sprache und dem Plural Sprachen zu unterscheiden. Paulus bezeichnet mit dem Singular offenbar die falsche Gabe des heidnischen Geplappers, die er so von der echten Gabe unterscheidet, in einer Fremdsprache zu reden. Dafür verwendet er das Plural (s. Anm. zu V. 2). Mit Ausnahme von V. 2 (im Grundtext: »wer in einer Sprache redet«) hält sich die Schlachterbibel konsequent an diese Unterscheidung. Die Bedeutungen dieser Unterscheidungen sind jeweils in den Anmerkungen angegeben. Um gegen das Zurückfallen in Fleischlichkeit vorzugehen und gegen falsche ekstatische Sprachenrede, die durch die Erfahrungen im Heidentum erlernt wurde, spricht Paulus drei elementare Themenbereiche an, bei denen es um die Sprachenreden als Gabe des Heiligen Geistes geht: 1.) ihre geringere Bedeutung als die der Weissagung (V. 1-19), 2.) ihr Zweck als Zeichen nicht für Gläubige, sondern für Ungläubige (V. 20-25) und 3.) ihre systematische, begrenzte und geordnete Ausübung (V. 26-40). 14,2 wer in Sprachen redet. Dieser Singular (wörtl. »wer in einer Sprache redet«, s. vorige Anm.; vgl. V. 4.13.14.19.27), zeigt an, dass es hier um das falsche Geplapper der vorgetäuschten ekstatischen Sprache geht, wie sie im Heidentum bekannt war. Der Singular wird deshalb verwendet, weil Geplapper kein Plural sein kann; es gibt keine verschiedenen Arten von »Unsprache«. Es gibt jedoch verschiedene Fremdsprachen, und so verwendet Paulus den Plural, wenn er von der wahren Sprachengabe spricht und unterscheidet diese somit vom Geplapper (V. 6.18.22.23.29). Einzige Ausnahme ist V. 27.28 (s. Anm. dort), wo der Singular sich auf eine einzelne Person bezieht, die eine einzelne echte Fremdsprache spricht. redet nicht für Menschen, sondern für Gott. Die bessere Übersetzung wäre »zu einem Gott«. Der gr. Text hat hier keinen bestimmten Artikel (s. die entsprechende Übersetzung in Apg 17,23: »einem unbekannten Gott« – Elberfelder Bibel). Ihr Geplapper war Anbetung von heidnischen Gottheiten. In der Bibel gibt es kein Beispiel für einen Gläubigen, der zu Gott in irgendeiner unverständlichen Sprache redet. niemand versteht es, sondern er redet Geheimnisse im Geist. Die fl eischlichen Korinther machten Gebrauch von ihrer ekstatischen Sprache des Heidentums. Dabei ging es ihnen nicht darum, verstanden zu werden, sondern um eine dramatische Zurschaustellung. Der Geist, durch den sie sprachen, war nicht der Heilige Geist, sondern ihr eigener menschlicher Geist oder irgendein Dämon. Und die Geheimnisse, die sie verkündeten, glichen denen der heidnischen Mysterienreligionen, wobei es sich angeblich um tiefe Erkenntnisse handelte, die nur wenige Eingeweihte wissen und verstehen durften. Diese Geheimnisse (»Mysterien«, so lautet auch das gr. Wort für »Geheimnisse«) waren völlig anders als die in der Bibel erwähnten Geheimnisse (z.B. Mt 13,11; Eph 3,9), bei denen es sich um Offenbarungen Gottes handelt, mit denen er zuvor verborgene Wahrheiten bekannt machte (s. Anm. zu 12,7; Eph 3,3-6).
14,3 weissagt. Im dramatischen Gegensatz zu diesem Tollhaus fal- scher Sprachenrede stand die Gabe echter Weissagung bzw. Verkündigung der Wahrheit (s. Anm. zu 12,10). Sie führte zur Auferbauung in der Wahrheit, zur Ermutigung, zum Gehorsam und zum Trost in Schwierigkeiten, wie Gott es sich für seine Gemeinde wünscht. Geistesgaben dienen stets dem Wohl anderer, niemals dem eigenen Wohl. 14,4 in einer Sprache. Wiederum (wie in V. 2) verwendet Paulus den Singular und bezeichnet damit das falsche heidnische Geplapper und stellt ironisch heraus (vgl. V. 16; 4,8-10 für weitere Ironie), wie selbstsüchtig diese Art von Selbstauferbauung ist. Diese unerlaubte Selbstauferbauung geschieht durch ein Gefühl des Stolzes und produziert nur noch mehr Stolz. erbaut die Gemeinde. S. Anm. zu 12,7.
14,5 dass ihr alle in Sprachen reden … weissagen würdet. Hier steht »Sprachen« im Plural, weil Paulus von der wahren Sprachengabe spricht (s. Anm. zu V. 2). Offenbar wünschte Paulus sich das nicht wirklich, auch nicht für die echte Gabe, da dies an sich unmöglich war und Gottes souveräner Gabenverteilung widersprach (12,11.30). Er schlug lediglich hypothetisch vor: Wenn sie schon auf Gaben aus waren, die sie nicht hatten, sollten sie zumindest die Gabe erstreben, die dauerhafter und für die Gemeinde wertvoller war. Sprachenrede hat für die Gemeinde nur dann Wert, wenn sie ausgelegt wird (das übliche gr. Wort für »übersetzen«). Wenn Gott die Gabe der Sprachenrede gibt, dann gibt er auch stets die Gabe der Übersetzung, damit die Zeichengabe auch zur Erbauung dient. Niemals sollte die Gabe ohne eine solche Übersetzung eingesetzt werden (V. 28), denn dann würde die Gemeinde nicht auferbaut werden.
14,6 wenn ich zu euch käme … was würde ich euch nützen? Sogar ein zungenredender Apostel nützte einer Versammlung geistlich gar nichts, wenn seine Äußerungen nicht durch eine Übersetzung verständlich gemacht würden, sodass die Offenbarung und Erkenntnis verstehbar verkündet und gelehrt würde. Aus mehreren Gründen ist jeder private Gebrauch dieser Gabe ausgeschlossen: 1.) Sie ist ein Zeichen für Ungläubige (V. 22), 2.) sie muss übersetzt werden – sogar für den Redenden –, um eine Bedeutung zu haben (V. 2) und 3.) sie muss die Gemeinde auferbauen (V. 6).
14,7 Hier illustriert Paulus seine letzte Aussage, dass sogar die echte Gabe ohne Übersetzung nutzlos ist, weil die Gemeinde sie nicht verstehen kann. Wenn sogar leblose Musikinstrumente einen wahrnehmbaren Ton erzeugen, wie viel mehr sollte dann die menschliche Stimme etwas Sinnvolles von sich geben, insbesondere wenn es in ihren Äußerungen um Gott geht! S. Anm. zu V. 23.
14,10 Paulus zeigt einfach das Offensichtliche auf: Der Zweck jeder Sprache ist die Kommunikation; Sprache ist nicht da, um zu beeindrucken und ganz gewiss nicht, um zu verwirren, wie es die Korinther mit ihren falschen Sprachen taten. Beim ersten Vorkommen von Sprachenrede war der Zweck eindeutig Kommunikation und Mitteilung: Jeder Zuhörer hörte die Apostel in seiner eigenen Sprache sprechen (Apg 2,6, vgl. V. 8). Dieser Abschnitt zeigt unbestreitbar, dass die wahre Gabe des Sprachenredens niemals ein unverständliches Geplapper war, sondern eine menschliche Sprache, die übersetzt werden sollte (V. 13).
14,12 Wieder kehrt Paulus zum für alle Gaben zentralen Thema der Auferbauung zurück (12,7). 14,14-17 Paulus spricht weiterhin sarkastisch (vgl. V. 16; 4,8-10) über falsche Sprachenrede und verwendet deshalb das Singular »Sprache« (s. Anm. zu V. 2-39), was sich auf die vorgetäuschte Gabe bezieht. Er spricht hypothetisch und veranschaulicht somit, wie töricht und nutzlos ekstatisches Geplapper ist. Der Redende kann es nicht verstehen – und was ist so gut daran, zu Gott zu beten oder ihn zu loben, ohne zu verstehen, was man sagt? Zu einem solchen Unsinn könnte niemand »Amen« sagen.
14,16 Unkundigen. Von einem gr. Wort, das »unwissend« oder »ungebildet« bedeutet.
14,18 dass ich mehr in Sprachen rede als ihr alle. Paulus be- tont, dass er mit seinen Belehrungen nicht das echte Sprachenreden (Plural) verurteilt. Er war auch nicht neidisch – wie einige ihm unterstellten – auf eine Gabe, die er nicht besitzt. Ab hier spricht er nicht mehr hypothetisch über unechtes Zungenreden. Tatsächlich hatte er mehr Gelegenheiten zum Einsatz der echten Gabe als alle Korinther (wenngleich uns kein Beispiel dafür überliefert ist). Er kannte die wahre Gabe und hatte sie richtig eingesetzt. Es ist jedoch interessant, dass wir im NT weder eine tatsächliche Begebenheit fi nden, wo Paulus diese Gabe ausübt, noch eine Erwähnung vom konkreten Einsatz des Sprachenredens durch irgendeinen Christen in Paulus’ eigenen Briefen.
14,19 andere unterweise. Dieses allgemeine Prinzip fasst Paulus’ Darlegung zusammen: Es kommt auf das Unterweisen anderer an, und dafür ist der Verstand nötig.
14,20 In diesem höchst wichtigen Abschnitt geht es um den hauptsächlichen Zweck der Sprachengabe. Paulus hatte eindeutig aufgezeigt, dass nicht alle Gläubigen in Sprachen reden, sondern dass es eine Gabe war, die wie alle anderen Gaben von Gott souverän zugeteilt wurde (12,11). Sie war auch nicht mit der Taufe im Heiligen Geist verbunden, die jeder Gläubige empfängt (12,13) und sie war kein Zeichen für einen höheren geistlichen Zustand, sondern vielmehr eine geringe Gabe (V. 5). Deshalb und weil die Korinther die echte Gabe verdorben hatten, zeigt Paulus hier die Prinzipien für ihre richtige und begrenzte Funktion als Zeichen auf. 14,20 in der Bosheit seid Unmündige, im Verständnis aber werdet erwachsen. Die meisten Gläubigen in Korinth waren das Gegenteil dessen, wozu Paulus sie hier auffordert. Sie hatten extrem viel Erfahrung mit Bösem, an Weisheit hingegen fehlte es ihnen sehr. Doch ein reifer Verstand war insbesondere nötig, um die Gabe des Sprachenredens richtig zu begreifen und einzusetzen, weil diese Gabe wegen ihrer imposanten und faszinierenden Natur so attraktiv für das Fleisch ist. Paulus bat seine Leser, Gefühle und Erfahrungen einmal beiseite zu lassen, ebenso die Lüste des Fleisches und Stolzes, und gründlich über den Zweck der Sprachenrede nachzudenken.
14,21 Im Gesetz steht geschrieben. Mit einer freien Wiedergabe von Jes 28,11.12 erklärt Paulus, dass der Herr Jahrhunderte zuvor bereits angekündigt hatte, dass er eines Tages Menschen mit anderen Zungen, d.h. fremdsprachige Ausländer, als Zeichen benutzen wird für das ungläubige Israel, die »nicht auf mich hören werden«. Diese »fremden Sprachen« aus Jesaja sind die Sprachenreden, die die Korinther kannten. Sie waren einzig und allein als Zeichen für das ungläubige Israel gegeben. Es war ein dreifaches Zeichen: Fluch, Segen und Autorität. Um den Fluch zu betonen, zitiert Paulus Jesajas Warnung an Juda, dass Assyrien an ihnen Gericht üben wird (s. Anm. zu Jes 28,11.12). Die Führer des Volkes hielten Jesajas Worte für zu simpel und verwarfen ihn. Doch die Zeit würde kommen, sagte der Prophet, wenn sie Assyrisch hören, eine Sprache, die sie nicht verstehen können und die Gericht anzeigt. Jeremia sprach ganz ähnlich über die Babylonier, die ebenfalls kommen und Juda zerstören würden (vgl. Jer 5,15). Als die Apostel zu Pfi ngsten in all diesen Fremdsprachen redeten (Apg 2,3-12), hätten die Juden wissen müssen, dass das angekündigte Gericht, das zuerst durch die Assyrer und dann durch die babylonische Gefangenschaft historisch erfüllt wurde, erneut auf sie herabfallen würde, weil sie Christus verworfen hatten. Das sollte auch die Zerstörung Jerusalems einschließen (70 n.Chr.), wie es bereits im Jahr 586 v.Chr. unter babylonischer Herrschaft geschehen war.
14,22 Darum dienen die Sprachen als ein Zeichen, und zwar nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen. Paulus erklärt weiter, dass die Zungenreden ausdrücklich den Ungläubigen gelten. Anders ausgedrückt: Diese Gabe erfüllt in der Gemeinde keinen Zweck, wenn nur Gläubige anwesend sind. Und wenn das Zeichen seinen Zweck erst einmal erfüllt und das Gericht und den Fluch über Israel verkündet hat und das Gericht vollzogen ist, dann wird der Zweck wie auch die Gabe selbst aufhören. Der Segen, den dieses Zeichen anzeigte, bestand darin, dass Gott nun eine neue Nation aus Juden und Heiden zu seinem Volk erbaute (Gal 3,28), um Israel zur Eifersucht zu reizen und zur Buße zu leiten (s. Röm 11,11.12.25-27). Daher wurde das Zeichen wiederholt, als Heiden in die Gemeinde einverleibt wurden (Apg 10,44-46). Außerdem verlieh das Zeichen den Verkündigern des Gerichts und des Segens Autorität (2Kor 12,12). Dazu gehörte auch Paulus (V. 18). die Weissagung aber ist … für die Gläubigen. Bei der Gabe der Weissagung war es genau umgekehrt: Von ihr profi tieren nur Gläubige, die diese geistlichen Wahrheiten aufgrund ihrer neuen Natur und des innewohnenden Heiligen Geistes verstehen können (vgl. 2,14; 1Joh 2,20.27).
14,23 alle würden in Sprachen reden. Wenn die Sprachengabe zwar zum richtigen heilsgeschichtlichen Zeitpunkt eingesetzt wird, aber in einer dominanten und zügellosen Weise, dann entartet die Gemeindezusammenkunft und man verhöhnt das Evangelium und bringt es in Verruf. Das wird Paulus später (V. 27.28) noch genauer erklären (auch für Ungläubige). von Sinnen. Das gr. Wort bedeutet, in unbeherrschtem Geisteszustand oder einem Tobsuchtsanfall zu sein. Als in Apg 2 die echte Gabe ausgeübt wurde, gab es keine Raserei und jeder verstand seine eigene Sprache (V. 11). In Korinth jedoch herrschte das charismatische Chaos.
14,24 Wenn aber alle weissagten. D.h. öffentlich das Wort Gottes verkündigen (s. Anm. zu 2,10). »Alle« bedeutet nicht alle auf einmal (s. V. 31), sondern vielmehr eine hypothetische Vorstellung: Wenn die Korinther nicht alle durcheinander plappern würden, sondern stattdessen alle das Wort Gottes verkündeten, dann hätte das einen erstaunlich wirksamen Effekt auf Ungläubige, das Evangelium würde geehrt und Seelen würden sich bekehren und Gott anbeten.
14,26 In diesem letzten Abschnitt zum Thema Zungenreden liegt die Betonung darauf, wie diese Gabe systematisch auf einen ordentlichen Einsatz in der Gemeinde beschränkt werden soll. Wollte man das Thema Zungenrede unter der Annahme diskutieren, dass es diese Gabe auch heute noch gäbe, dann ist es bemerkenswert, dass sich die heutige Zungenbewegung auch in diesem Fall als völlig falsch erweisen würde, weil sie sich nicht an die klaren, regelnden Anordnungen dieser Verse hält. 14,26 hat jeder von euch. Anscheinend wüteten in dieser Ver- sammlung Chaos und Zügellosigkeit (V. 33). Interessanterweise werden keine Ältesten oder Hirten erwähnt, und die Propheten übten keinerlei regelnde Funktion aus (s. V. 29.32.37). Jedermann beteiligte sich zu xbeliebigen Zeiten mit x-beliebigen Beiträgen. einen Psalm. Ein Psalm aus dem AT wurde vorgelesen oder gesungen. eine Lehre. Bezieht sich wahrscheinlich auf eine Lehraussage oder ein besonderes aktuelles Thema (V. 33). eine Sprachenrede. Im Singular ist damit das falsche, heidnische Geplapper gemeint. S. Anm. zu V. 2-39. eine Offenbarung. Manche gaben vor, ein Wort von Gott zu haben. Das konnte echt oder auch eine Täuschung sein. eine Auslegung. Die Übersetzung einer fremdsprachigen Botschaft durch die Gabe der Sprachenrede. zur Erbauung. Damit gebietet Paulus dem Chaos Einhalt. Erbauung ist das zu erstrebende Ziel (vgl. V. 3-5.12.17.26.31), das mit dem korinthischen Chaos nicht erreicht werden konnte (vgl. 1Th 5,11; Röm 15,2.3). 14,27.28 Diese Verse regeln die Ausübung der Gabe: 1.) nur zwei oder drei Gläubige pro Zusammenkunft; 2.) nur abwechselnd, nacheinander und nicht gleichzeitig; 3.) nur mit einem Übersetzer. Können diese Bedingungen nicht erfüllt werden, muss der Sprachenredner im Stillen nachsinnen und beten. 14,29-31 Da Paulus’ Pastoralbriefe (1.2 Tim; Titus) keine Propheten erwähnen, hatte dieses einzigartige Amt anscheinend noch vor Ende des apostolischen Zeitalters aufgehört und wurde in der Gemeinde nicht mehr ausgeübt. Als Paulus an die Korinther schrieb, waren die Propheten noch von zentraler Bedeutung für das Gemeindeleben (vgl. Apg 13,1). Hier nennt er 4 Regeln für ihren Verkündigungsdienst: 1.) Nur zwei oder drei sollen reden; 2.) die anderen Propheten sollen das Gesagte beurteilen; 3.) wenn Gott einem anderen Propheten eine Offenbarung gab, während einer bereits sprach, sollte der eine dem anderen Platz machen, und 4.) sollten alle Propheten der Reihe nach sprechen. S. Anm. zu Eph 2,20; 4,11.
14,32 Die Propheten sollten sich untereinander nicht nur weise beur- teilen, sondern sollten sich auch selber beherrschen. Gott möchte keine hypnotischen »Von-Sinnen-Erfahrungen«. Wer das Wort Gottes empfi ng und verkündete, sollte bei klarem Verstand sein. Die Offenbarung und Verkündigung des Wortes Gottes hat nichts mit bizarren Ekstasen oder wilder Trance zu tun, wie es bei dämonischen Erfahrungen der Fall ist.
14,33 Unordnung. Das ist der Schlüssel zum gesamten Kapitel. Die Gemeinde, die mit ihrer Zusammenkunft Gott verherrlichen möchte, sollte seinen Charakter und sein Wesen widerspiegeln. Er ist ein Gott des Friedens und der Harmonie, Ordnung und Klarheit, nicht des Streits und der Unordnung (vgl. Röm 15,33; 2Th 3,16; Hebr 13,20). wie in allen Gemeinden. Dieser Ausdruck gehört nicht zu V. 33, sondern an den Anfang von V. 34. Er ist eine logische Einführung eines allgemein gültigen Gemeindeprinzips.
14,34 Frauen sollen in den Gemeinden schweigen. Das Prinzip, dass Frauen bei den Gemeindezusammenkünften nicht reden sollen, ist allgemein gültig und gilt für alle Gemeinden an allen Orten und in allen Kulturen. Im Zusammenhang dieses Verses geht es um Weissagung, was jedoch ein Unterthema des Generalthemas dieses Kapitels ist, nämlich der Sprachenrede. Frauen sollen nicht führen, sondern, wie Gottes Wort deutlich macht, vielmehr unterwürfi g sein (s. Anm. zu 11,315; 1Mo 3,16; 1Tim 2,11-15). Es ist kein Zufall, dass in vielen modernen Gemeinden und Kirchen, in denen Zungenrede praktiziert wird und die angeblich die Gaben der Heilung und Wunderwirkungen haben, Frauen die Gottesdienste leiten sowie predigen und lehren dürfen. Frauen können begabte Lehrer sein, aber Gott hat ihnen nicht erlaubt, in der Gemeinde »zu reden«. Ja, das wäre sogar »schändlich« und beschämend für sie. Offenbar hielten sich in Korinth einige Frauen nicht an diese Regel und unterbrachen die chaotischen Zusammenkünfte mit öffentlichen Fragen.
14,36 Paulus wusste, dass die Korinther diesen strengen Regeln widersprechen werden, da diese Bestimmungen ein Ende machen mit der freien Beteiligung aller bei ihren Zusammenkünften. Die Propheten, Zungenredner und fragenden Frauen ließen sich durch Worte nicht leicht beeindrucken. So ging Paulus im Voraus auf ihren Widerstand ein. Mit Sarkasmus forderte er diejenigen heraus, die sein Wort und damit die Schrift entweder ignorieren und nach Belieben uminterpretieren und sich somit selber darüber stellen. Wenn jemand wirklich ein Prophet war oder die echte Geistesgabe des Zungenredens hatte, dann sollte er sich den Prinzipien Gottes unterwerfen, die er durch Paulus offenbart hatte. 14,36 ist von euch das Wort Gottes ausgegangen? S. Anm. zu 1Th 2,13; 2Tim 3,15-17; 2Pt 1,19-21.
14,38 missachten. Wörtl. »ist jemand unwissend«. Wer die Autori- tät von Paulus’ Lehre nicht anerkennt, sollte selber nicht als rechtmäßiger, von Gott begabter Diener anerkannt werden.
14,39 das Reden in Sprachen verhindert nicht. Das echte Spra- chenreden hatte einen begrenzten Zweck und eine begrenzte Dauer. Doch solange Gott diese Gabe der Urgemeinde noch gab, sollte sie nicht verhindert werden. Die erstrebenswerteste Gabe war jedoch Weissagung, weil sie mit der Wahrheit auferbauen, ermahnen und trösten konnte (V. 3).
14,40 S. Anm. zu V. 33.
15,1 Dies Kapitel ist die ausführlichste Abhandlung der Bibel zum Thema Auferstehung. Sowohl die in den Evangelien berichtete Auferstehung Jesu Christi als auch die in den Evangelien verheißene Auferstehung der Gläubigen werden hier erläutert. 15,1 Zu Beginn seiner Belehrung über die Auferstehung der Gläubigen gibt Paulus einen Rückblick auf die Beweise für die Auferstehung Jesu: 1.) Die Gemeinde (V. 1.2), 2.) die Bibel (V. 3.4), 3.) die Augenzeugen (V. 5-7), 4.) der Apostel selber (V. 8-10) und 5.) die einheitliche Botschaft (V. 11). 15,1 verkündigt … angenommen … fest steht. Das Evangeli- um war für die Korinther keine neue Botschaft. Sie hatten die Botschaft der Auferstehung bereits gehört, geglaubt und waren dadurch gerettet worden.
15,2 es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt hättet. Mit die- ser einschränkenden Aussage wies Paulus die Korinther auf die Möglichkeit hin, dass einige von ihnen nur einen oberfl ächlichen, nicht rettenden Glauben hatten (s. Anm. zu Mt 7,13.14.22-27; 13,24-30.34-43.47-50; 25,1-30). Einige glaubten nur in der Weise, wie die Dämonen glauben (Jak 2,19), d.h. sie waren zwar von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt, hatten aber keine Liebe zu Gott, zu Christus und zur Gerechtigkeit. Wahre Gläubige »halten fest« am Evangelium (vgl. Joh 8,31; 2Kor 13,5; 1Joh 2,24; 2Joh 9).
15,3 nach den Schriften. Das AT spricht vom Leiden und der Auferstehung Christi (s. Lk 24,25-27; Apg 2,25-31; 26,22.23). Der Herr selbst, Petrus und Paulus zitierten oder bezogen sich auf solche AT-Stellen über das Werk Christi wie z.B. Ps 16,8-11; 22; Jes 53.
15,5 Das im NT überlieferte Zeugnis der Augenzeugen wurde hin- zugefügt, um die Realität der Auferstehung zu belegen. Augenzeugen waren: 1.) Johannes und Petrus gemeinsam (Joh 20,19.20), aber vorher wahrscheinlich auch einzeln (Lk 24,34); 2.) die Zwölf (Joh 20,19.20; Lk 24,36; Apg 1,22); 3.) die 500, die nur hier erwähnt werden (s. Anm. zu 2Pt 3,15.16), hatten alle den Auferstandenen gesehen (vgl. Mt 28,9; Mk 16,9.12.14; Lk 24,31-39; Joh 21,1-23); 4.) Jakobus, entweder einer der beiden Apostel mit diesem Namen (der Sohn des Zebedäus oder der Sohn des Alphäus, vgl. Mk 3,17.18) oder Jakobus, der Halbbruder des Herrn und Autor des nach ihm benannten Briefes, der auch Führer der Jerusalemer Gemeinde war (Apg 15,13-21) und 5.) die Apostel (Joh 20,19-29). Solche nicht näher beschriebenen Erscheinungen erlebten alle Apostel während der 40 Tage vor der Himmelfahrt (Apg 1,3).
15,8 unzeitige Geburt. Paulus wurde zu spät gerettet, um einer der 12 Apostel zu sein. Als Paulus sich bekehrte, war Christus bereits in den Himmel aufgefahren. Doch in einer wundersamen Erscheinung (Apg 9,1-8; vgl. 18,9.10; 23,11; 2Kor 12,1-7) offenbarte der Herr Jesus sich dem Paulus und so wurde er nach Gottes Ratschluss ein Apostel. S. Anm. zu 1,1. Er war der letzte Apostel und hielt sich selbst für den »geringsten« (V. 9.10; 1Tim 1,12-17).
15,10 ich habe mehr gearbeitet als sie alle. In Jahren und Wir- kungsbereichen gerechnet übertraf Paulus alle genannten Zeugen (V. 5-7). Johannes lebte länger als er, hatte aber keinen so weitläufi gen Dienstbereich wie Paulus.
15,12 sagen … etliche unter euch. Die Gläubigen aus Korinth glaubten an die Auferstehung Christi; andernfalls wären sie keine Christen gewesen (vgl. Joh 6,44; 11,25; Apg 4,12; 2Kor 4,14; 1Th 4,16). Doch einigen fi el es besonders schwer, die Auferstehung der Gläubigen anzunehmen und zu verstehen. Diese Verwirrung ergab sich zum Teil aus ihren Erfahrungen mit heidnischen Philosophien und Religionen. Ein Grundsatz eines Großteils der antiken gr. Philosophie war der Dualismus, der lehrte, dass alles Stoffl iche innerlich böse sei. Von daher war die Vorstellung eines Auferstehungsleibes für sie abstoßend und widerwärtig (Apg 17,32). Außerdem waren vielleicht einige Judenchristen in Korinth vorher von den Sadduzäern beeinfl usst worden, die nicht einmal an die im AT gelehrte Auferstehung glaubten (Hi 19,26; Ps 16,8-11; 17,15; Dan 12,2). Andererseits boten die Worte unseres Herrn im NT reichlich Lehrmaterial über die Auferstehung (Joh 5,28.29; 6,44; 11,25; 14,19), die außerdem Thema der apostolischen Verkündigung war (Apg 4,1.2). Trotz dieser klaren Sachlage bezweifelte die Gemeinde in Korinth die Auferstehung.
15,13 In diesen Versen führt Paulus auf, welche 6 katastrophalen Folgen es nach sich zöge, wenn es keine Auferstehung gäbe: 1.) Es wäre sinnlos, Christus zu verkündigen (V. 14); 2.) der Glaube an Christus wäre nutzlos (V. 14); 3.) alle Zeugen und Verkündiger der Auferstehung wären Lügner (V. 15); 4.) niemand wäre von der Sünde erlöst (V. 17); 5.) alle bereits gestorbenen Gläubigen wären verloren (V. 18) und 6.) die Christen wären die bedauernswertesten Menschen auf Erden (V. 19). 15,13 Die beiden Auferstehungen – von Christus und von den Gläubigen – stehen oder fallen gemeinsam: Wenn es keine Auferstehung gibt, dann ist Christus tot. Vgl. Offb 1,17.18.
15,17 noch in euren Sünden. S. Anm. zu Apg 5,30.31; Röm 4,24.25.
15,18 Entschlafenen. Eine übliche Beschönigungsform für Tote (vgl. Mt 27,52; Apg 7,60; 2Pt 3,4). Das bedeutet nicht Seelenschlaf, d.h. die Lehre, nach dem Tod des Körpers ruhe die Seele bzw. der Geist ohne Bewusstsein.
15,19 die elendesten. Nämlich in Anbetracht der Opfer, die wir in der Hoffnung auf das künftige Leben auf uns genommenen haben. Wenn es kein künftiges Leben gibt, sollten wir besser »essen, trinken und heiraten«, ehe wir sterben.
15,20 Erstling. Die erste »Rate« der Ernte des ewigen Lebens. Die Auferstehung Christi ist der Prototyp, und er ist der Pionier, der garantiert, dass alle verstorbenen Gläubigen ebenfalls auferstehen werden. S. Joh 14,19. Entschlafenen. S. Anm. zu V. 18.
15,21 Tod durch einen Menschen … Auferstehung … durch einen Menschen. Adam, der mit seiner Sünde der ganzen Menschheit den Tod brachte, war ein Mensch. Auch Christus war ein Mensch, der durch seine Auferstehung dem ganzen Geschlecht Leben brachte. S. Anm. zu Röm 5,12-19.
15,22 alle sterben … alle lebendig gemacht. Den beiden Worten »alle« ist nur gemein, dass sie sich beide auf die jeweiligen Nachkommen beziehen. Das zweite »alle« trifft nur auf Gläubige zu (s. Gal 3,26.29; 4,7; Eph 3,6; vgl. Apg 20,32; Tit 3,7) und bedeutet keine Allversöhnung (die letztendliche Errettung aller, auch der Ungläubigen). Zahllose andere Abschnitte lehren klar die ewige Strafe der Ungläubigen (z.B. Mt 5,29; 10,28; 25,41.46; Lk 16,23; 2Th 1,9; Offb 20,15).
15,23 in seiner Ordnung. Christus ist als Erstling der Auferste- hungsernte vorangegangen (V. 20-23a). Aufgrund seiner Auferstehung werden »die, welche Christus angehören«, bei Christi Wiederkunft in 3 Phasen auferweckt werden und in die himmlische Ewigkeit gelangen (vgl. Mt 24,36.42.44.50; 25,13): 1.) wer zwischen dem Pfi ngstereignis und der Entrückung zum rettenden Glauben gekommen ist, wird gemeinsam mit den lebenden Gläubigen entrückt werden, dem Herrn in der Luft begegnen und in den Himmel auffahren (1Th 4,16.17); 2.) wer während der Trübsalszeit zum Glauben kommt, wird zusammen mit den Gläubigen des AT auferweckt werden und mit Christus während des Tausendjährigen Reiches herrschen (Offb 20,4; vgl. Dan 12,2; vgl. Jes 26,19.20) und 3.) wer im Tausendjährigen Reich stirbt, wird womöglich schon beim Tod unverzüglich umgestaltet und erhält seinen Ewigkeitsleib und -geist. Die einzigen, die dann noch ihre Auferstehung erwarten, sind die Ungläubigen. Sie werden am Ende des Tausendjährigen Reiches auferstehen und vor Gottes Gericht am großen weißen Thron stehen (s. Anm. zu Offb 20,11-15; vgl. Joh 5,28.29), woraufhin sie in die ewige Hölle geworfen werden (Offb 21,8).
15,24 danach das Ende. Dieser dritte Aspekt der Auferstehung umfasst die Wiederherstellung der Erde zur Regierung Christi, dem rechtmäßigen König. »Ende« kann nicht nur etwas Beendetes bedeuten, sondern auch etwas Vollständiges oder Erfülltes. wenn er das Reich Gott … übergeben wird. Am Höhepunkt der Weltgeschichte, nachdem Christus die wiederhergestellte Welt für seinen Vater eingenommen und 1000 Jahre geherrscht hat, werden alle Dinge in dem Zustand zurückgegeben werden, wie Gott sie entworfen hatte und wie sie in der sündlosen Herrlichkeit der neuen Himmel und der neuen Erde sein werden (s. Offb 21.22). jede Herrschaft … beseitigt. Christus wird jeden Feind Gottes für immer besiegen und die Erde zurückgewinnen, die er geschaffen hat und die rechtmäßig ihm gehört. Im Tausendjährigen Reich, unter der Herrschaft Christi, wird es immer noch Rebellion geben und Christus »wird sie mit eisernem Stab weiden (beherrschen)« (Offb 19,15). Am Ende dieser 1000 Jahre wird Satan für kurze Zeit losgelassen und einen letzten Aufstand gegen Gott führen (Offb 20,7-9). Aber zusammen mit allen Anhängern seines Hasses gegen Gott und Christus wird er mitsamt seinen gefallenen Engeln in die Hölle verbannt werden und im Feuersee ewige Pein erleiden (Offb 20,10-15).
15,25 alle Feinde unter seine Füße. Dieses Bild stammt von der üblichen Sitte der Könige, stets hoch über ihren Unterworfenen zu thronen. Wenn die Unterworfenen sich beugten oder hinknieten, waren sie niedriger als die Füße des Herrschers. Bei Feinden setzte der König seinen Fuß in den Nacken eines besiegten Regenten. Das symbolisierte die völlige Unterjochung dieses Feindes. Im Tausendjährigen Reich werden die Feinde Christi ihm unterworfen sein.
15,26 letzter Feind … der Tod. Am Kreuz hat Christus die Macht Satans gebrochen, der die Macht des Todes hatte (Hebr 2,14). Aber erst am Ende des Tausendjährigen Reiches wird Satan für immer der Waffe des Todes beraubt sein (s. Anm. zu Offb 20,1-10). Dann, wenn Christus die Prophezeiung von Ps 8,7 (V. 27a) vollständig erfüllt hat, wird er das Reich seinem Vater übergeben und dann wird die ewige Herrlichkeit von Offb 21.22 beginnen.
15,27 offenbar. Damit niemand missversteht, was »offenbar« ist, stellt Paulus heraus: Bei »alles dem Christus unterworfen« ist Gott, der Vater, natürlich ausgenommen. Schließlich ist es der Vater, der Christus seine Autorität verliehen hat (Mt 28,18; Joh 5,26.27) und dem der Sohn in vollkommener Weise dient.
15,28 alles in allen. Christus wird weiterherrschen, weil seine Herr- schaft ewig ist (Offb 11,15), aber er wird in seiner früheren, völligen und herrlichen Stellung innerhalb der Dreieinigkeit herrschen, Gott unterworfen (V. 28), so wie es von Ewigkeit her in voller dreifaltiger Herrlichkeit für ihn vorgesehen war.
15,29 Paulus stellt heraus, dass die Auferstehung für den Men- schen eine überzeugende Motivation ist zur Errettung (V. 19), zum Dienst (V. 30-32) und zur Heiligung (V. 33.34). 15,29 Zu diesem schwierigen Vers gibt es zahlreiche mögliche Auslegungen. Aus anderen Schriftstellen wird jedoch unumstößlich klar, was er nicht bedeuten kann. Er lehrt z.B. nicht, dass ein Toter errettet werden könnte, indem ein anderer sich an seiner Stelle taufen lässt. Die Taufe leistet niemals einen Beitrag zur Errettung (Eph 2,8; vgl. Röm 3,28; 4,3; 6,3.4). Eine vernünftige Auffassung scheint folgende zu sein: »Die sich für die Toten taufen lassen« sind lebende Gläubige, die durch die Wassertaufe ihren Glauben äußerlich bezeugen, weil sie zu Christus fanden durch das vorbildliche Leben, den stets positiven Einfl uss und das Zeugnis von Gläubigen, die daraufhin gestorben waren. Wenn es keine Auferstehung gäbe und kein Leben nach dem Tod, warum kommen dann Menschen zu Christus und – so stellt Paulus heraus – warum folgen sie der Hoffnung dieser Verstorbenen?
15,30 ich sterbe täglich. Bei seinem selbstaufopfernden Dienst riskierte Paulus immer wieder sein Leben. Warum sollte er täglich oder sogar stündlich sein Leben wagen, wenn es kein Leben nach dem Tod gäbe, keinen Lohn für all seinen Schmerz und keine ewige Freude? Vgl. 1Pt 1,3.4.
15,32 in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft. Vielleicht buch- stäbliche wilde Tiere oder sinnbildlich die fi nstere Meute von Ephesern, die von Demetrius gegen ihn aufgewiegelt worden war (Apg 19,2334). Jedenfalls waren es lebensbedrohliche Gefahren (vgl. 2Kor 11,2328). essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Ein direktes Zitat aus Jes 22,13, das die Hoffnungslosigkeit der abgefallenen Israeliten widerspiegelt. Vgl. in Hebr 11,33.34.38 die lange Liste von Leidenden, die bereit waren zu sterben, weil sie auf die Auferstehung sahen (V. 35).
15,33 Schlechter Umgang. Der gr. Ausdruck hinter diesem Wort kann sich auch auf eine mündliche Botschaft beziehen. Schlechte Freunde sind, ob durch Wort oder Vorbild, ein verderblicher Einfl uss. Hoffnung auf die Auferstehung hat eine heiligende Wirkung; sie führt nicht zum Verderben, sondern zu einem Gott wohlgefälligen Leben. Einige Gemeindeangehörige kannten Gott nicht und waren ein verderblicher Einfl uss, aber nicht für diejenigen, die auf ein Leben in der Gegenwart Gottes hofften (s. 1Joh 3,2.3).
15,35 Sie hatten die Wahrheit, glaubten und befolgten sie aber be- schämenderweise nicht (vgl. 2Kor 13,5). Daher spiegeln diese Fragen kein echtes Interesse an der Auferstehung wider, sondern waren spöttische Bemerkungen der Auferstehungsleugner – vielleicht unter dem Einfl uss einer gnostisch orientierten Philosophie. Doch angenommen, die Auferstehung sei wahr, wollten sie wissen, wie sie jemals geschehen könne. Vgl. Apg 26,8.
15,36 Paulus gibt hier 4 Antworten auf die Fragen aus V. 35: 1.) eine Illustration aus der Natur (V. 36-38), 2.) eine Beschreibung des Auferstehungsleibes (V. 39-42a), 3.) der Gegensatz von irdischen und himmlischen Leibern (V. 42b-44) und 4.) ein Hinweis auf den Auferstehungs-Prototyp Jesus Christus (V. 45-49). 15,36 Wenn man einen Samen in den Boden legt, stirbt und verwest er; er hört auf, als Same zu existieren, aber aus diesem toten Samen kommt Leben hervor (s. Joh 12,24). Genau wie Gott der Pfl anze, die aus dem toten Samen erwächst, einen neuen Leib gibt, so kann er auch einem Toten einen Auferstehungsleib geben.
15,39 So wie es in Gottes Schöpfung äußerst unterschiedliche Leiber und Gestalten gibt, angepasst an alle Existenzformen, so kann Gott einen Leib entwerfen, der vollkommen aufs Auferstehungsleben zugeschnitten ist.
15,42b Im direkten Hinblick auf den Auferstehungsleib zeigt Paulus mit 4 Gegensätzen, wie sich der neue Leib vom jetzigen unterscheidet (vgl. V. 54; Phil 3,20.21): 1.) keine Krankheiten und kein Tod mehr (»verweslich«), 2.) keine Beschämung mehr über Sünde (Unehre), 3.) keine Gefahr mehr durch Versuchungen (»Schwachheit«) und 4.) keine räumlichen und zeitlichen Begrenzungen mehr (»natürlich«).
15,45 Hier beantwortet Paulus die Frage aus V. 35 konkreter und zeigt, dass der Auferstehungsleib Jesu der Prototyp ist. Er beginnt mit einem Zitat aus 1Mo 2,7 und fügt die zwei Wörter »erster« und »Adam« hinzu. Adam wurde mit einem natürlichen Leib erschaffen, der nicht vollkommen, aber in jeder Hinsicht sehr gut war (1Mo 3,1). Der »letzte Adam« ist Jesus Christus (Röm 5,19.21). Paulus sagt, dass wir vom ersten Adam unsere natürlichen Leiber empfangen haben, aber vom letzten Adam werden wir unsere geistlichen Auferstehungsleiber empfangen. Adams Leib war der Prototyp für den natürlichen Körper, Christi Leib der Prototyp der Auferstehung. Wir werden das Bild seines für den Himmel geeigneten Leibes tragen (Apg 1,11; Phil 3,20.21; 1Joh 3,1-3), so wie wir auf der Erde das Bild Adams getragen haben.
15,50 Die Menschen können nicht so, wie sie sind, in Gottes ewiger Herrlichkeit leben. S. Anm. zu Röm 8,23. Wir müssen verwandelt werden (V. 51).
15,51 Geheimnis. Dieser Begriff bezeichnet Wahrheit, die in der Vergangenheit verborgen war und im NT offenbart wurde. S. Anm. zu 2,7 und Eph 3,4.5. Auch die Entrückung ist ein solches »Geheimnis«; sie wurde im AT nirgends geoffenbart, sondern erstmals in Joh 14,1-3 erwähnt und in 1Th 4,13-18 gesondert und detailliert erklärt (s. Anm. dort). entschlafen. S. Anm. zu V. 18.
15,52 Augenblick. Das ist die wörtl. Übersetzung des Gr. Damit ver- deutlichte Paulus, wie kurz dieser Moment sein wird. Wie im Deutschen, bezeichnet der Begriff »Augenblick« auch im Gr. einfach eine äußerst kurze Zeitspanne. Da das Auge sich schneller bewegen kann als jedes andere sichtbare Körperteil, ist das offenbar eine gute Illustration für die plötzliche Verwandlung der entrückten Gläubigen. die Posaune wird erschallen. Um das Ende der Gemeindezeit anzukünden, wenn alle Gläubigen bei der Entrückung von der Erde genommen werden (1Th 4,16). die Toten werden auferweckt. Nach 1Th 4,16 sind sie die ersten; die lebenden Gläubigen folgen ihnen (1Th 4,17).
15,54 Paulus steigerte seine Freude über die Realität der Auf- erstehung durch Zitate aus Jes 25,8 und Hos 13,14. Das letztere Zitat vergleicht den Tod spöttelnd mit einer Biene, die keinen Stachel mehr hat. Dieser Stachel war die Sünde, die vom Gesetz Gottes aufgedeckt (s. Anm. zu Röm 3,23; 4,15; 6,23; Gal 3,10-13), aber von Christus in seinem Tod besiegt wurde (s. Anm. zu Röm 5,17; 2Kor 5,21).
15,58 Aufgrund der Hoffnung der Auferstehung sind alle Mühen und Opfer für das Werk des Herrn ihren Preis wert. Im Licht der ewigen Herrlichkeit und Belohnung sind keine Mühen in seinem Namen vergeblich.
16,1 Sammlung. Eine Opfergabe für bedürftige Gläubige im über- bevölkerten, von Seuchen geplagten Jerusalem (V. 3; s. Apg 11,28). Paulus hatte zuvor bereits Gaben erbeten von den Gemeinden in Galatien, Mazedonien und Achaja (Röm 15,26; vgl. Lk 10,25-37; 2Kor 8,1-5; 9,12-15; Gal 6,10; 1Joh 3,17).
16,2 ersten Wochentag. Ein Beleg dafür, dass die Urgemeinde am Sonntag zusammenkam (Apg 20,7). Bei materiellen Gaben ist es wichtig, dass sie regelmäßig gegeben werden und nicht nur, wenn man sich großzügig fühlt, eine besondere Führung dazu verspürt oder bei besonderem Anlass dazu aufgefordert wird (vgl. Lk 6,38; vgl. 2Kor 9,6.7). je nachdem er Gedeihen hat. Das NT nennt keinen erforderlichen Betrag oder Prozentsatz, der ans Werk des Herrn abgegeben werden müsste. Alle Abgaben für den Herrn müssen freiwillig und völlig diskret erfolgen (s. Lk 6,38; 2Kor 9,6-8). Diese Gaben dürfen nicht verwechselt werden mit dem AT-Gebot der 3 Zehnten (s. 3Mo 27,30; 4Mo 18,21-26; 5Mo 14,28.29; Mal 3,8-10), die zusammen etwa 23 Prozent Abgaben ausmachten, durch die die Regierung Israels fi nanziert, die öffentlichen Feste bezahlt und für die Wohlfahrt gesorgt wurde. Moderne Parallelen zum Zehnten des AT sind die staatlichen Steuersysteme (Röm 13,6). Im AT waren Gaben für Gott nicht als feste Beträge geregelt (s. 2Mo 25,1.2; 35,21; 36,6; Spr 3,9.10; 11,24).
16,3 Der Transport des Geldes nach Jerusalem war für Paulus so wichtig, dass er notfalls selbst gehen würde.
1,1 Apostel. Paulus’ offi zielle Position als von Christus beauftragter Botschafter (s. Anm. zu Röm 1,1; Einleitung zu 1. Korinther: Autor und Abfassungszeit). durch Gottes Willen. Paulus hatte sich zu seiner Mission weder selbst ernannt noch basierte sie auf seinen eigenen Errungenschaften. Er konnte sich vielmehr durch Gottes Einsetzung ausweisen und sein Brief übermittelte nicht nur seine eigene Botschaft, sondern die Worte Christi (s. Einleitung zum Römerbrief: Autor und Abfassungszeit; vgl. Apg 26,15-18). Timotheus, der Bruder. Paulus’ geliebter Sohn im Glauben und eine wichtige Person in Paulus’ Leben und Dienst (s. Einleitung zu 1. Timotheus: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1Tim 1,2). Paulus hatte Timotheus auf seiner zweiten Missionsreise in Derbe oder Lystra kennen gelernt (Apg 16,1-4). Bei der Gründung der Gemeinde in Korinth war Timotheus bei ihm (Apg 18,1-5). Daraus sowie aus Paulus’ Erwähnung von Timotheus in 1. Korinther (4,17; 16,10.11) ist ersichtlich, dass die Korinther Timotheus kannten. Vielleicht erwähnt Paulus ihn hier, um sie daran zu erinnern, dass Timotheus wirklich ein Bruder war und um mögliche Verhärtungen gegen ihn zu glätten, die bei seinem kürzlichen Besuch dort womöglich entstanden waren (s. Anm. zu 1Kor 16,10).
1,2 Gnade … Friede. Ein Teil von Paulus’ üblichem Gruß in seinen Briefen (s. Anm. zu Röm 1,7). »Gnade« ist Gottes unverdiente Gunst und »Frieden« ist eine der Segnungen dieser Gnade.
1,3 Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Paulus lobte den wahren Gott, geoffenbart in seinem Sohn, der wesensgleich ist mit dem Vater (s. Anm. zu Joh 1,14.18; 17,3-5; vgl. Joh 5,17; 14,9-11; Eph 1,3; Hebr 1,2.3; 2Joh 3). Er ist der Gesalbte (Christus) und der souveräne (Herr) Erlöser (Jesus). Trotz seiner erhabenen Stellung war der Sohn bereit, Knecht zu werden und sich in seiner Fleischwerdung zu unterwerfen (s. Anm. zu Phil 2,5-8). Dieser großartige Lobpreis fasst das ganze Evangelium zusammen. Vater der Barmherzigkeit. Diesen Ausdruck entnahm Paulus der jüdischen Liturgieliteratur und einem Synagogengebet, das Gott anrief, er möge den einzelnen Sünder mit Güte, Liebe und Sanftmut behandeln (s. Anm. zu Röm 12,1; vgl. 2Sam 24,14; Ps 103,13.14; Mi 7,18-20). Gott alles Trostes. Eine alttestamentliche Bezeichnung für Gott (vgl. Jes 40,1; 51,3.12; 66,13), der die höchste Quelle alles wahren Trostes ist. Das gr. Wort für »Trost« ist verwandt mit dem bekannten Wort Paraklet, d.h. »jemand, der zur Hilfe kommt«. Das ist ein Name des Heiligen Geistes (s. Anm. zu Joh 14,26; Phil 2,1). Mit »Trost« meinte Paulus, dass Gott ihm inmitten seiner Leiden und Trübsale begegnete, um ihn zu stärken und ihm Mut und Kühnheit zu verleihen (vgl. V. 4-10).
1,4 Bedrängnis. Dieser Begriff bezeichnet niederdrückende Belas- tungen, denn in Paulus’ Leben und Dienst gab es ständig Versuchungen, die ihn schwächten, die seinen Dienst hinderten oder einschränkten oder sogar sein Leben bedrohten. Doch was immer ihm auch widerfuhr, wusste Paulus, dass Gott ihn tragen und stärken würde (s. Anm. zu 12,9.10; Röm 8,31-38; vgl. Phil 1,6). damit wir … trösten können. Trost von Gott ist kein Selbstzweck, sondern zielt darauf ab, dass Gläubige selber andere trösten. Nachdem Gott die Korinther gedemütigt und überführt hatte, benutzt er Paulus, um sich ihnen wieder mit einer stärkenden Botschaft zuzuwenden. Zuvor hatte Paulus selber eine Stärkung von Gott empfangen (6,1-13; 12,6-11; vgl. Lk 22,31.32).
1,5 wie die Leiden des Christus sich reichlich über uns ergie- ßen. Gottes Trost für Gläubige erstreckt sich bis zu den Grenzen ihres Leidens für Christus. Je mehr sie für die Gerechtigkeit leiden, desto größer wird ihr Trost und Lohn sein (vgl. 1Pt 4,12-14). Paulus wusste aus erster Hand, dass diese vielen Leiden schier endlos erschienen (4,7-11; 6,5-10; 11,23-27; vgl. Gal 6,17; Phil 3,10; Kol 1,24). Alle wahren Gläubigen sollten dasselbe erwarten (vgl. Mt 10,18-24).
1,6 Paulus spricht von der Leidensgemeinschaft der Glieder an Christi Leib. Diese Gemeinschaft erbaut die Gläubigen in der auf Gott ausgerichteten Geduld und im Ausharren (1Kor 12,26). Alle Gläubigen müssen diesen Prozess kennen lernen; sie müssen jegliches Selbstmitleid vermeiden, wenn sie für Christus leiden und anderen den Trost Gottes mitteilen, den sie erfahren. Rettung. Das stete Ausharren der Korinther bis zur endgültigen, völligen Errettung bei der Verherrlichung (s. Anm. zu Röm 13,11). Paulus’ Bereitschaft, durch die Gnade Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes zu leiden und getröstet zu werden und dann die Korinther zu trösten und zu stärken, befähigte sie zum Ausharren.
1,7 Anteil an den Leiden. Gleichwie Paulus litten in der Gemeinde von Korinth einige, vielleicht die Mehrzahl, für die Gerechtigkeit. Obwohl diese Gemeinde ihm viel Schmerz und Sorgen verursacht hatte, sah Paulus diese Gläubigen als Partner an, denen er helfen wollte, weil sie treu am Leiden teilnahmen.
1,8 unsere. Ein redaktioneller Plural, den Paulus im gesamten Brief verwendet. Üblich bezieht er sich demütig auf Paulus selbst, doch hier kann er auch andere mit einschließen. Bedrängnis, die uns [in der Provinz] Asia widerfahren ist. Eine kürzliche Begebenheit (nach Abfassung von 1. Korinther), die sich in Ephesus oder in der Umgegend von Ephesus ereignet hatte. Einzelheiten sind nicht bekannt. selbst am Leben verzweifelten. Paulus erlebte etwas, was ein Mensch normalerweise nicht überlebt und was höchst entmutigend war, weil er glaubte, dadurch seinen Dienst vorzeitig beenden zu müssen. Das gr. Wort für »verzweifeln« bedeutet wörtl. »kein Durchgang«, d.h. absolut kein Ausweg (vgl. 2Tim 4,6). Die Korinther wussten, was Paulus erlebt hatte, erkannten aber nicht, wie schlimm es war oder was Gott mit diesen Umständen bewirkte.
1,9 Todesurteil. Das Wort für »Urteil« ist ein technischer Begriff für die Durchsetzung einer offi ziellen Entscheidung, in diesem Fall für die Verurteilung zum Tod. Paulus war sich so absolut sicher, er werde um des Evangeliums willen sterben, dass er das Todesurteil über sich selbst aussprach. nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf Gott. Gottes letztliche Absicht bei Paulus’ schrecklicher Extremerfahrung. Der Herr brachte ihn an den Punkt, wo er sich auf keine menschlichen intellektuellen, körperlichen oder emotionalen Quellen stützen konnte (vgl. 12,9.10). der die Toten auferweckt. Eine jüdische Beschreibung für Gott, die in der Gottesdienstsprache der Synagogen verwendet wurde (s. Anm. zu V. 3). Paulus war sich im Klaren, dass Vertrauen auf Gottes Macht, der Tote auferwecken kann, für ihn die einzige Hoffnung auf Rettung aus diesen extremen Umständen war.
1,10 dass er uns auch ferner retten wird. S. Anm. zu 2Tim 4,16.17; 2Pt 2,9.
1,11 mitwirkt durch eure Fürbitte. Fürbittegebet ist entschei- dend wichtig, damit Gottes Macht und souveräne Absicht zum Ausdruck kommt. In diesem Fall wollte Paulus den treuen Korinthern mitteilen, dass er ihre Gebete jetzt und in Zukunft brauchte (vgl. Eph 6,18; Jak 5,16). Gnadengabe. Als Gebetserhörung erfuhr Paulus die unverdiente Gunst, vor dem Tod gerettet zu werden. gedankt werde. Aufgabe des Beters ist nicht, Gottes Pläne zu ändern, sondern ihn zu verherrlichen und ihm für diese Pläne zu danken.
1,12 Den vielen Vorwürfen seiner Kritiker gegen seinen Charakter und seine Integrität (sie warfen ihm vor, er sei stolz, diene seinen eigenen Interessen, sei nicht vertrauenswürdig, geistig unausgewogen, inkompetent, einfältig und ein unfähiger Prediger) begegnete Paulus mit der Berufung auf die höchste menschliche Instanz, seinem Gewissen. Ruhm. Paulus verwendet dieses Wort häufi g; es kann auch mit »stolzer Zuversicht« übersetzt werden. Bei negativer Verwendung bezeichnet es unrechtmäßiges Prahlen mit eigenen Verdiensten und Leistungen. Paulus benutzte es jedoch im positiven Sinn für einen berechtigten Optimismus bezüglich dessen, was Gott in seinem Leben getan hatte (vgl. Jer 9,22.23; Röm 15,18; 1Kor 1,31; 15,9.10; 1Tim 1,12-17). Gewissen. Das Alarmsystem der Seele, mit dessen Hilfe Menschen ihre Motive, ihr Handeln und moralisches Recht und Unrecht beurteilen können (s. Anm. zu Röm 2,14.15). Damit das Gewissen so funktioniert, wie Gott es entworfen hat, muss es auf höchster moralischer und geistlicher Ebene informiert sein, was bedeutet, dass man es durch Gottes Wort dem Heiligen Geist unterwirft (vgl. Röm 12,1.2; 1Tim 1,19; 2Tim 2,15; Hebr 9,14; 10,22). Paulus’ völlig erleuchtetes Gewissen war gänzlich unbelastet (vgl. Apg 23,1; 24,16; 1Tim 1,5; 3,9; 2Tim 1,3). Doch letztendlich kann nur Gott allein die Motive eines Menschen richtig beurteilen (1Kor 4,1-5). fl eischlicher Weisheit. Weisheit, die auf weltlicher und menschlicher Erkenntnis beruht (s. Anm. zu Jak 3,15).
1,13 Eine deutliche Antwort auf die Vorwürfe, mit denen Paulus aufgrund seiner persönlichen Beziehungen konfrontiert wurde (vgl. 7,2; 11,9). Sein kontinuierlicher Informationsfl uss an die Korinther war stets deutlich, geradlinig und verständlich, in sich schlüssig und aufrichtig gewesen. Paulus wollte ihnen klarmachen, dass er ihnen weder etwas vorenthielt noch irgendeinen geheimen Plan im Schilde führte (10,11). Er wollte einfach, dass sie alles verstanden, was er ihnen geschrieben und gesagt hatte.
1,14 zum Teil. Als die Korinther Paulus’ aufeinander aufbauende Anweisungen hörten und lasen, verstanden sie immer mehr. dass wir euch zum Ruhm gereichen. Wörtl. »wir sind euer Anlass, stolz zu sein« (s. Anm. zu V. 12). am Tag des Herrn Jesus. Wenn Christus wiederkommt (s. Anm. zu Phil 1,6; 2Tim 1,12; 4,8). Paulus sehnte sich von Herzen nach der Wiederkunft des Herrn; dann würden sie sich in Herrlichkeit aneinander erfreuen (vgl. 1Th 2,19.20).
1,15 weitere Gnade empfangt. Oder »zum zweiten Mal einen Segen empfangt«. Paulus’ ursprünglicher Plan war, die Korinther zweimal zu besuchen, sodass sie einen doppelten Segen empfangen würden. Seine Reisepläne resultierten nicht aus Eigennutz, sondern aus seiner echten Beziehung zu den Korinthern und aus ihrer Treue und ihrem geistlichen Vertrauen zu ihm.
1,16 wieder zu euch zu kommen. Paulus plante, aus Ephesus ab- zureisen, auf dem Weg nach Mazedonien in Korinth Halt zu machen und nach seinem Dienst in Mazedonien erneut nach Korinth zurückzukehren (vgl. 1Kor 16,5-7). Aus irgendeinem Grund änderte Paulus seine Pläne, sodass er auf dem Hinweg Korinth nicht besuchen konnte. Die falschen Apostel, die in die Gemeinde eingedrungen waren, machten sich diese aufrichtige Umdisponierung zunutze, stellten sie als Beweis für Paulus’ angebliche Unzuverlässigkeit hin und versuchten sie zu missbrauchen, um ihn in Misskredit zu bringen.
1,17 Paulus zitiert wahrscheinlich einige tatsächliche Vorwürfe der Unehrlichkeit, die seine Gegner vorbrachten. Habe ich nun leichtfertig gehandelt? Die gr. Wörter, die diese Frage einleiten, rufen zu einer empörten, negativen Antwort auf. Paulus erklärte, er habe keinesfalls als wankelmütiger, launenhafter oder labiler Mensch gehandelt, dem man nicht vertrauen könnte. nach dem Fleisch. Das wäre jemand, der aus rein menschlicher Sicht handelt, ohne Leitung des Heiligen Geistes, und somit ein Ungläubiger (s. Anm. zu Gal 5,19-21). Paulus bestätigte den Korinthern, wenn er »Ja« oder »Nein« sagte, dass er wirklich meinte, was er sagte.
1,18 Gott ist treu. Vielleicht hatte Paulus ein Gelöbnis abgelegt und Gott zum Zeugen angerufen (vgl. 11,10.31; Röm 1,9; Gal 1,20; Phil 1,8; 1Th 2,5.10). Jedenfalls verweist er auf Gottes Treue und darauf, dass er einen solchen Gott als ehrlicher Vertreter repräsentierte. nicht Ja und Nein. Er sagte nicht »Ja« und meinte »Nein«. Paulus war niemals doppeldeutig (und auch Timotheus und Silas nicht). Er sagte, was er meinte und tat, was er gesagt hatte, es sei denn, es gab zwingende Gründe für eine Änderung seiner Pläne.
1,19 Die Entschlossenheit von Paulus’ Aussage und seine Verwen- dung von Jesu vollständigem Titel zeigen, dass die falschen Lehrer in Korinth die Person und das Werk Christi angriffen. Der Beweis seiner Treue zu ihnen war das getreue Evangelium, das er ihnen treu verkündet hatte. Silvanus. Der lat. Name für Silas, Paulus’ Begleiter auf seiner zweiten Missionsreise (Apg 16-18) und Mitarbeiter in Korinth (s. Anm. zu Apg 15,22). Timotheus. S. Anm. zu V. 1.
1,20 in ihm ist das Ja. Alle Verheißungen Gottes im AT und im NT, alle Verheißungen von Frieden, Freude, Liebe, Güte, Vergebung, Errettung, Heiligung, Gemeinschaft, Hoffnung, Verherrlichung und Himmel sind in Jesus Christus ermöglicht und erfüllt (vgl. Lk 24,44). Amen. Das hebr. Wort der Bekräftigung (vgl. Mt 5,18; Joh 3,3; Röm 1,25). Paulus erinnerte sie daran, dass sie gemeinsam »Ja« gesagt hatten zur Wahrheit seiner Verkündigung und Lehre.
1,21 in Christus fest gegründet. Christi rettendes Gnadenwerk festigt die Gläubigen und stellt sie in ihm auf festen Grund (vgl. Röm 16,25; 1Kor 15,58; 1Pt 5,10). 1,21 Gott … Christus … Geist. Ein klarer Hinweis auf die drei Personen des dreieinen Gottes. Die Echtheit von Paulus’ geistlichem Leben und vom geistlichen Leben jedes wahren Gläubigen wird durch diese 4 Werke Gottes bestätigt (»befestigt uns«, »salbt uns«, »versiegelt uns«, »gibt uns das Unterpfand des Geistes«), die Gott im Leben der Gläubigen tut. Dass die Kritiker Paulus’ Authentizität angriffen, war gleichbedeutend mit dem Niederreißen des Werkes Gottes und der Einheit der Gemeinde. 1,21 gesalbt. Dieses Wort stammt aus einer Einweihungszeremo- nie, bei der Könige, Propheten, Priester und besondere Beauftragte symbolisch beiseite gestellt wurden. Der Heilige Geist stellt Gläubige beiseite und bevollmächtigt sie zum Dienst der Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums (vgl. Apg 1,8; 1Joh 2,20.27).
1,22 versiegelt. Das spricht vom alten Brauch, weichen Wachs auf ein Dokument aufzutragen und in diesen Wachs einen Stempel einzudrücken, als Nachweis für den Urheber, Besitzer, für die Echtheit oder als Schutz. Alle diese Bedeutungen knüpft der Heilige Geist an sein Werk der geistlichen Versiegelung der Gläubigen (s. Anm. zu Eph 1,13; vgl. Hag 2,23; Eph 4,30). Unterpfand. Ein Pfand oder eine Anzahlung. Der Geist ist die Anzahlung für den Gläubigen auf sein ewiges Erbe (s. Anm. zu Eph 1,14; vgl. 2Pt 1,4.11).
1,23 Gott als Zeugen. S. Anm. zu V. 18. um euch zu schonen. Paulus erklärte schließlich, warum er zunächst sein Kommen zugesagt hatte, dann aber ausgeblieben war. Er war nicht früher gekommen, weil er ihnen Zeit lassen wollte, damit sie zur Buße kämen und ihr sündiges Verhalten korrigieren konnten (s. Einleitung zu 1. Korinther: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu 1Kor 4,21). Stattdessen wartete er auf einen Bericht von Titus aus Korinth, bevor er weitere Maßnahmen ergreifen würde (s. Kap. 7) und hoffte, er müsse nicht – wie bereits zuvor – noch einmal nach Korinth kommen und dort ihrer Rebellion begegnen.
1,24 Nicht dass wir Herren sein wollten über euren Glauben. Als Paulus unter den Korinthern diente und arbeitete, wollte er nicht über sie herrschen (s. Anm. zu 1Pt 5,2.3).
2,1 nicht wieder in Betrübnis zu euch zu kommen. Da Paulus bereits eine schmerzliche Auseinandersetzung in Korinth erlebt hatte (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), war er nicht auf einen weiteren Konfl ikt erpicht (s. Anm. zu 1,23).
2,2 Wenngleich Paulus empfänglich war für den Schmerz und die Traurigkeit der Korinther bei der vorherigen Auseinandersetzung, würde er sie, wenn nötig, wiederum zurechtweisen, weil er zur Reinheit entschlossen war. »Der, welcher von mir betrübt wird« bezieht sich auf jemanden, den Paulus einer Sünde überführt hatte. Offenbar war Paulus bei seinem letzten Besuch von jemanden aus der Gemeinde mit Anklagen beschuldigt worden, die dieses Gemeindeglied von den falschen Lehrern übernommen hatte. Die Gemeinde war nicht zu Paulus’ Verteidigung gegen diesen Mann vorgegangen, und Paulus war sehr traurig über diese fehlende Treue. Nur wenn der Betreffende und seine Meinungsgenossen Buße täten, würde Paulus sich wieder freuen. Darauf wartete der Apostel.
2,3 Darum habe ich dies auch geschrieben. Paulus schrieb dies deshalb, damit diejenigen, die in Sünde lebten, zur Buße kämen. Dann würde, wenn er nach Korinth käme, auf beiden Seiten Freude sein.
2,4 Noch einmal wollte Paulus ihnen mitteilen, dass sowohl im »Trä- nenbrief« (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld) als auch im 1. Korintherbrief (s. Einleitung zu 1. Korinther: Hintergrund und Umfeld) sein Motiv für den Umgang mit ihnen nicht lieblos, sondern liebevoll war.
2,5 Dieser Abschnitt ist einer der besten Texte der ganzen Bibel über die geistliche Motivation und Begründung für Vergebung. 2,5 Hat aber jemand Betrübnis verursacht. Die gr. Satzkonstruk- tion setzt voraus, dass der Zustand tatsächlich zutrifft (nicht: »falls aber …«). Paulus erkennt die Realität des Vergehens an sowie ihre fortdauernde Wirkung, die es nicht nur auf ihn hat, sondern auf die Gemeinde. Da er somit jegliche persönlichen Rachegefühle verhindern will, versucht er die Anklage gegen den bußfertigen Übeltäter zu mildern und der Gemeinde zu ermöglichen, objektiv mit dem Sünder und seinen Komplizen umzugehen, ohne von Paulus’ persönlicher Sorge oder Verletzung beeinfl usst zu sein.
2,6 die Bestrafung vonseiten der Mehrheit. Die Gemeinde in Korinth hatte am Sünder das biblische Verfahren der Gemeindezucht vollzogen (vgl. Mt 18,15-20; 1Kor 5,4-13; 2Th 3,6.14). Das gr. Wort für »Bestrafung«, das in säkularer gr. Literatur häufi g vorkommt, im NT jedoch nur hier, bezeichnete eine offi zielle juristische Strafe oder kommerzielle Sanktion gegen eine einzelne Person oder eine Gemeinschaft (eine Stadt, ein Volk). genug. Das Verfahren von Gemeindezucht und Bestrafung reichte aus; nun war es an der Zeit, Gnade zu zeigen, weil der Mann Buße getan hatte (vgl. Mt 18,18.23-35; Gal 6,1.2; Eph 4,32; Kol 3,13; Hebr 12,11).
2,7 Vergebung. Nun war es Zeit, Vergebung zu gewähren, damit der Mann sich wieder freuen konnte (vgl. Ps 51,16.18; Jes 42,2.3). Paulus wusste, dass es in der Gemeinde keinen Platz gab – und gibt – für menschliche Grenzen, mit denen Gottes Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung gegenüber einem bußfertigen Sünder eingeschränkt wird. Durch solche Einschränkungen würde die Gemeinschaft nur ihrer Freude und Einheit beraubt (vgl. Mt 18,34.35; Mk 11,25.26).
2,10 vor dem Angesicht des Christus. Paulus war sich bewusst, dass er sein gesamtes Leben unter den Augen Gottes lebte, der alles wusste, was er dachte, tat und sagte (vgl. V. 17; 4,2; 2Tim 4,1).
2,11 Absichten. Der Teufel will zu Sünde und Feindschaft anstiften und so die Einheit der Gemeinde zerstören. Zu diesem Ziel benutzt er jede mögliche Methode – von Gesetzlichkeit bis Liberalität, von Intoleranz bis zu extremer Freizügigkeit (vgl. 11,13.14; Eph 4,14; 6,11.12; 1Pt 5,8). Für die »Absichten« des Teufels gebrauchte Paulus hier ein anderes Wort (jedoch mit gleicher Bedeutung) als für die »Kunstgriffe« in Eph 6,11. Der hier verwendete Ausdruck betont sehr stark, dass Satan auf das Denken des Gläubigen abzielt. Gott hat jedoch eine Schutzvorkehrung getroffen: In der Schrift deckt er Satans Taktiken auf und bietet darin zugleich die heilsame Wahrheit.
2,12 Als ich aber nach Troas kam. Troas war eine Hafenstadt nörd- lich von Ephesus in Kleinasiens westlicher Provinz Mysien (vgl. Apg 16,7). Paulus musste Troas wahrscheinlich wegen der Aufstände in Ephesus verlassen, doch der Hauptgrund für seinen Weggang war, dass er Titus treffen wollte. Titus hatte den »Tränenbrief« nach Korinth überbracht (V. 4) und nun erwartete Paulus ihn zurück und wollte hören, wie die Korinther reagiert hatten (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). mir eine Tür geöffnet war. Gott hatte in seiner Souveränität eine großartige Gelegenheit zur Evangelisation gegeben, woraus in Troas eine Gemeinde hätte entstehen können (vgl. Apg 20,5-12). Da seine Verkündigung so großen Erfolg hatte, war Paulus sich sicher, dass diese Gelegenheit von Gott kam (vgl. 1Kor 16,8.9).
2,13 keine Ruhe in meinem Geist. Paulus sorgte sich sehr um die Probleme in der Gemeinde von Korinth und darum, wie die dortigen Gläubigen wohl auf diese Probleme und auf seine Anweisungen reagieren würden. Aufgrund dieser Sorgen war er ruhelos, belastet und daher im Dienst geschwächt (vgl. 7,5.6). Seine Sorgen wurde so schwer und lenkten ihn ab, sodass er seiner Aufgabe nicht mehr die volle Aufmerksamkeit widmen konnte. Titus. Einer von Paulus’ wichtigsten heidnischen Bekehrten und engsten Mitarbeitern (s. Anm. zu V. 12; Gal 2,1; s. Einleitung zu Titus: Hintergrund und Umfeld). ich nahm Abschied von ihnen. Wegen seiner Unruhe in Herz und Sinn und weil er dringend Titus treffen wollte, kehrte Paulus der offenen Tür in Troas den Rücken. Mazedonien. Eine Provinz nordwestlich der Ägäis und nördlich von Achaja (s. Einleitung zu 1. Thessalonicher: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Apg 16,9). Paulus reiste in der Hoffnung dorthin, Titus zu treffen. Er wusste, dass Titus auf seinem Rückweg von Korinth dort durchreisen musste.
2,14 Gott aber sei Dank. Paulus verließ plötzlich seine Erzählung und blickte über seine Sorgen hinaus nach oben, um Gott zu loben und zu danken. Er wandte sich von den Schwierigkeiten des Dienstes weg und schaute auf die Privilegien seiner Stellung in Christus. Dadurch erhielt er seine freudige Perspektive zurück. In 7,5 griff er seine Erzählung wieder auf. der uns allezeit in Christus triumphieren lässt. Wörtl. »im Triumphzug führt«. Dieses Bild stammt aus der offi ziellen und erhabenen römischen Zeremonie des Triumphes, bei der ein siegreicher General mit einer festlichen, zeremoniellen Parade durch die Straßen Roms geehrt wurde. Erstens dankte Paulus, dass der souveräne Gott ihn allezeit führt (vgl. 1Tim 1,17); und zweitens dankte er für den verheißenen Sieg in Jesus Christus (vgl. Mt 16,18; Röm 8,37; Offb 6,2). den Geruch seiner Erkenntnis … offenbar macht. Außerdem war Paulus dankbar für das Privileg, überall als ein Einfl uss für Christus gebraucht zu werden (vgl. Röm 10,14.15). Dieses Bild stammt von dem starken, süßen Geruch des Weihrauchs beim Triumphzug. In der dicht von Menschen gefüllten Stadt verbreitete der Geruch aus den Weihrauchfässchen, zusammen mit dem Duft zertretener Blüten, die unter die Pferdehufe gestreut wurden, ein kräftiges Aroma. Der Analogie zufolge wird jeder Gläubige vom Herrn umgestaltet und dazu berufen, ein Impuls für die weltweite Verbreitung seines Evangeliums zu sein.
2,15 für Gott ein Wohlgeruch des Christus. Paulus war auch dankbar für das Privileg, Gott gefallen zu dürfen. Er führt die Analogie des Triumphzuges weiter und vergleicht Gott mit dem Kaiser am Ende des Triumphzuges, der ebenfalls den durchdringenden Geruch riecht und sich über die siegreichen Mühen freut, die dieser Duft repräsentiert. Wenn ein Diener Gottes treu ist und am Evangelium mitwirkt, ist Gott stets erfreut (vgl. 5,9; Mt 25,21).
2,16 ein Geruch des Todes … des Lebens. Paulus verwendet den hebr. Stil des Superlativs, um die zweifache Wirkung der Evangeliumsverkündigung herauszustellen. Für die einen bringt die Botschaft ewiges Leben und letztlich die Verherrlichung. Für die anderen ist sie ein Stein des Anstoßes, der zum ewigen Tod führt (vgl. 1Pt 2,6-8). hierzu tüchtig. In eigener Kraft ist niemand geeignet oder kompetent, um Gott auf die Weise und mit der Kraft zu dienen, wie Paulus es beschrieben hat (vgl. 3,5; 1Kor 15,10; Gal 2,20; Eph 1,19; 3,20; Phil 2,13; Kol 1,29).
2,17 nicht, wie so viele. Oder »nicht wie die Mehrheit«. Das be- zieht sich insbesondere auf die falschen Lehrer in Korinth und auf die vielen anderen Lehrer und Philosophen jener Zeit, die mit Menschenweisheit vorgingen (vgl. 1Kor 1,19.20). verfälschen. Von einem gr. Verb, das »verderben« bedeutet und verderbliche Betrüger bezeichnet oder Männer, die es mit Raffi nesse und Betrug schaffen, ein minderwertiges, nachgemachtes Produkt als hochwertig und echt zu verkaufen. Diese falschen Lehrer in der Gemeinde kamen mit schlauer, trügerischer Rhetorik und boten eine verkommene, verfälschte Botschaft an, die vermischt war mit Heidentum und jüdischen Überlieferungen. Sie waren Schwindler, die auf Kosten der Wahrheit des Evangeliums und auf Kosten von Menschenseelen, den persönlichen Profi t suchten. vor dem Angesicht Gottes. S. Anm. zu V. 10.
3,1 Die falschen Lehrer in Korinth griffen ständig Paulus’ Kompe- tenz als Diener des Evangeliums an. Diese Verse sind Paulus’ Verteidigung. 3,1 Weil Paulus nicht zulassen wollte, dass die falschen Lehrer ihm Stolz vorwarfen, begann er seine Verteidigung mit zwei Fragen, anstatt das Offenkundige zu erklären. Fangen wir wieder an, uns selbst zu empfehlen? Das gr. Wort für »empfehlen« bedeutet »vorstellen«, »einführen«. So fragte Paulus also die Korinther, ob es nötig sei, dass er sich wieder selbst vorstelle – als hätten sie ihn bisher nicht gekannt –, und dass er erneut ihr Vertrauen gewönne. Die Form der Frage fordert eine Verneinung. Empfehlungsbriefe. Die falschen Lehrer warfen Paulus außerdem vor, ihm fehlten die entsprechenden Dokumente, um seine Berechtigung als Apostel nachzuweisen. In den Gemeinden des 1. Jhdts. wurden mit solchen Briefen häufi g Gläubige vorgestellt und beglaubigt (vgl. 1Kor 16,3.10.11). Die falschen Lehrer trafen in Korinth zweifellos mit derartigen Briefen ein, die sie vielleicht gefälscht hatten (vgl. Apg 15,1.5) oder durch falsche Angaben und Vortäuschung von bekannten Christen aus der Gemeinde von Jerusalem bekommen hatten. Paulus will hier darauf hinaus, dass er kein Zeugnis aus zweiter Hand brauchte, wenn die Korinther doch aus erster Hand Beweise für seinen aufrichtigen und geistlichen Charakter hatten, und außerdem die Wahrheit seiner Botschaft kannten, durch die sie wiedergeboren worden waren.
3,2 in unsere Herzen geschrieben. Eine Bestätigung für Paulus’ Zuneigung zu den Gläubigen in Korinth – er trug sie auf seinem Herzen (vgl. 12,15). erkannt und gelesen von jedermann. Das umgestaltete Leben der Korinther war Paulus’ beweiskräftigstes Zeugnis, das besser war, als jeder Brief aus zweiter Hand. Ihr verändertes Leben war wie ein offener Brief, den alle lesen konnten und der somit Paulus’ Treue und die Wahrheit seiner Botschaft bezeugte.
3,3 Brief des Christus. Die falschen Lehrer hatten keine von Chris- tus unterschriebenen Empfehlungsbriefe, doch Paulus hatte das veränderte Leben der Korinther als Beweis, dass Christus sie umgestaltet hatte. geschrieben nicht mit Tinte. Paulus’ Brief war kein menschliches, mit verbleichender Tinte geschriebenes Dokument, sondern ein lebendiger Brief. Geist des lebendigen Gottes. Paulus’ Brief war lebendig, geschrieben mit der göttlichen, übernatürlichen Kraft Christi durch das umgestaltende Wirken des Heiligen Geistes (vgl. 1Kor 2,4.5; 1Th 1,5). steinerne Tafeln. Eine Anspielung auf die Zehn Gebote (s. Anm. zu 2Mo 24,12; 25,16). fl eischerne Tafeln des Herzens. Gott schrieb seine Gebote nicht nur auf Steintafeln, sondern er schrieb sie in die Herzen der Menschen, die er umgestaltete (vgl. Jer 31,33; 32,38.39; Hes 11,19; 36,26.27). Die falschen Lehrer behaupteten, sie würden sich äußerlich ans mosaische Gesetz als Grundlage der Errettung halten, aber die Korinther bewiesen mit ihrem Leben, dass die Errettung eine innere Umgestaltung ist, die von Gott im Herzen bewirkt wird.
3,4 solche Zuversicht. Das gr. Wort für »Zuversicht« kann auch »gewinnen« bedeuten. Paulus war in seinem Dienst zuversichtlich, und diese Zuversicht verlieh ihm die Fähigkeit, den Kurs zu halten und weiter aufs Ziel zuzusteuern (vgl. Apg 4,13.29).
3,5 tüchtig. S. Anm. zu 2,16. uns etwas anrechnen. Das gr. Wort für anrechnen bedeutet »rechnen«, »bewerten«, »erachten«. Seine eigene Denk-, Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit schätzte Paulus gering. Auf seine eigenen Fähigkeiten gestellt, wäre er nutzlos. Er war abhängig von Offenbarungen durch Gott und von der Macht des Heiligen Geistes. unsere Tüchtigkeit kommt von Gott. Nur Gott kann jemanden für seine Aufgabe zubereiten, und Paulus erkannte diese Wahrheit (s. Anm. zu 2,16; vgl. 9,8.10; 2Th 2,13).
3,6 des neuen Bundes. Das ist der Bund, der durch den Tod Christi Sündenvergebung gewährleistet (s. Anm. zu Jer 31,31-34; Mt 26,28; Hebr 8,7-12). des Buchstabens. Ein oberfl ächliches, äußerliches Halten des Gesetzes, dem die allergrundlegendste Anforderung fehlte: absolut heilige und vollkommene Liebe zu Gott und zu den Menschen (Mt 22,34-40). Diese Gesetzlichkeit entstellte den wahren Zweck des Gesetzes, nämlich den Menschen zur Erkenntnis seiner Sündhaftigkeit zu führen (vgl. Röm 2,27-29). des Geistes. Der Heilige Geist. der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. Der Buchstabe tötet auf zweierlei Weise: 1.) führt er zu einem lebendigen Tod. Vor seiner Bekehrung dachte Paulus, er sei gerettet, weil er das Gesetz halte. Doch das Gesetz tat nichts anderes, als dass es seinen Frieden, seine Freude und seine Hoffnung tötete. 2.) Das Gesetz führt zum geistlichen Tod. Seine Unfähigkeit, das Gesetz wirklich zu halten, verurteilte ihn zum ewigen Tod (s. Anm. zu Röm 7,9-11; vgl. Röm 5,12; Gal 3,10). Nur Jesus Christus kann durch das Wirken des Heiligen Geistes denen ewiges Leben geben, die glauben.
3,7 Ein wahrer Diener Gottes verkündigt den Neuen Bund. Des- halb stellt Paulus in diesen Versen die Herrlichkeit des Neuen Bundes heraus. 3,7 der Dienst des Todes. Das Gesetz tötet (V. 6), weil es zu Sünden erkenntnis führt. Weil niemand die Forderungen des Gesetzes erfüllen kann und daher alle verdammt sind, handelt es als Dienst des Todes (vgl. Gal 3,22; s. Anm. zu Röm 7,1-13; 8,4; Gal 3,10-13; 3,194,5). Herrlichkeit war. Als Gott Mose das Gesetz gab, erschien seine Herrlichkeit auf dem Berg (2Mo 19,10-25; 20,18-26). Paulus schätzte das Gesetz nicht gering, sondern erkannte seine Herrlichkeit an, denn es war ein Spiegel für Gottes Wesen, Willen und Charakter (s. Anm. zu 2Mo 33,18-34,9). nicht in das Angesicht Moses schauen konnten. Die Israeliten konnten nicht aufmerksam in Moses Gesicht blicken oder ihn länger anstarren, weil sich die Herrlichkeit Gottes in seinem Gesicht in unerträglichem Glanz widerspiegelte. Man kann das mit einem Blick in die Sonne vergleichen (s. Anm. zu 2Mo 34,29-35). wegen der Herrlichkeit seines Antlitzes. Als Gott sich offenbarte, reduzierte er seine Eigenschaften auf sichtbares Licht. In dieser Weise offenbarte er sich Mose (2Mo 34,29), dessen Gesicht wiederum die Herrlichkeit Gottes vor dem Volk widerspiegelte (vgl. die Verklärung Jesu in Mt 17,1-8; 2Pt 1,16-18 und seine Wiederkunft in Mt 24,29.30; 25,31).
3,8 der Dienst des Geistes von weit größerer Herrlichkeit. Mit dem Ausdruck »der Dienst des Geistes« beschreibt Paulus den Neuen Bund (s. Anm. zu Jer 31,31-34; Mt 26,28; 1Kor 11,25; Hebr 8,8.13; 9,15; 12,24). Paulus argumentiert: Wenn die Gesetzgebung unter dem Dienst, der den Tod einbrachte, schon mit solcher Herrlichkeit einherging, wie viel herrlicher wird dann der Dienst des Geistes im Neuen Bund sein, der zur Gerechtigkeit führt! Das Gesetz deutete hin auf den überlegenen Neuen Bund und somit auf eine Herrlichkeit, die ebenfalls überlegen sein muss.
3,9 Dienst der Verdammnis. Eine andere Bezeichnung für den Dienst des Todes (s. Anm. zu V. 7). Dienst der Gerechtigkeit. Der Neue Bund. Hier liegt die Betonung auf der Gerechtigkeit, die dieser Neue Bund bewirkt (vgl. Röm 3,21.22; Phil 3,9).
3,11 was weggetan wird. Das Gesetz war von vergänglicher Herr- lichkeit (vgl. V. 7). Sie war keine endgültige Lösung oder das letzte Wort zur Plage der Sünder. das, was bleibt. Der Neue Bund ist das, was bleibt, denn er ist Gottes ultimativer Heilsplan. Er hat eine bleibende Herrlichkeit.
3,12 eine solche Hoffnung. Der Glaube, dass alle Verheißungen des Neuen Bundes eintreffen werden. Für die, die ans Evangelium glauben, ist sie die Hoffnung auf völlige und vollständige Sündenvergebung (vgl. Röm 8,24.25; Gal 5,5; Eph 1,18; 1Pt 1,3.13.21). Freimütigkeit. Aufgrund seiner freimütigen Zuversicht verkündigte Paulus den Neuen Bund ohne Furcht und ohne Zögern.
3,13 Mose, der eine Decke auf sein Angesicht legte. Diese buchstäbliche Handlung symbolisierte die Tatsache, dass Mose nicht die Freimütigkeit oder Zuversicht hatte wie Paulus, weil der Alte Bund verdeckt war. Er war schattenhaft und bestand aus Vorbildern, Vorschatten, Symbolen und Geheimnissen. Moses vermittelte die Herrlichkeit des Alten Bundes gewissermaßen im Verborgenen (vgl. 1Pt 1,10.11).
3,14 bis zum heutigen Tag bleibt … diese Decke unaufge- deckt … liegt die Decke auf ihrem Herzen. Die »Decke« repräsentiert hier den Unglauben. Wegen ihres Unglaubens begriffen die Israeliten die Herrlichkeit des Alten Bundes nicht. Folglich war ihnen die Bedeutung des Alten Bundes verborgen (vgl. Hebr 3,8.15; 4,7). Paulus will damit herausstellen: Genau wie der Alte Bund zu Moses Zeit dem Volk verborgen war, war er auch noch zu Paulus’ Zeit denen verborgen, die darauf als Heilsweg vertrauten. Die Decke der Unkenntnis verbirgt die Bedeutung des Alten Bundes vor ihren verhärteten Herzen (vgl. Joh 5,38). 3,14 diese Decke … die in Christus weggetan wird. Ohne Christus bleibt das AT unverständlich. Doch wenn jemand zu Christus kommt, wird die Decke für ihn weggenommen und so hat er eine uneingeschränkte geistliche Wahrnehmung (Jes 25,6-8). Wenn die Decke weggenommen ist, kann der Gläubige die Herrlichkeit Gottes sehen, die in Christus offenbart ist (Joh 1,14). Er versteht, dass das Gesetz niemals zu seiner Errettung gegeben wurde, sondern dass es dazu da ist, ihn zu dem Einen zu führen, der retten kann.
3,17 Der Herr aber ist der Geist. Der Jahwe des Alten Testamen- tes ist derselbe Herr, der unter dem Neuen Bund Menschen durch die vermittelnde Wirkung des Heiligen Geistes rettet. Derselbe Gott ist der Diener sowohl des Alten als auch des Neuen Bundes. da ist Freiheit. Freiheit von Sünde und von den vergeblichen Versuchen, die Forderungen des Gesetzes als Weg zur Gerechtigkeit einzuhalten (vgl. Joh 8,3236; Röm 3,19.20). Der Gläubige ist nicht mehr unter die Verdammnis des Gesetzes und unter die Herrschaft Satans versklavt.
3,18 Wir alle. Nicht nur Mose oder die Propheten, Apostel und Evangelisten, sondern alle Gläubigen. mit unverhülltem Angesicht. Für den Gläubigen des Neuen Bundes verhüllt nichts seinen Blick auf Christus und seine Herrlichkeit, die in der Schrift offenbart ist. anschauen wie in einem Spiegel. Paulus betont hier nicht so sehr die Qualität des Spiegelbildes, sondern mehr die innige Nähe zu diesem Bild. Wir können einen Spiegel direkt vor unser Gesicht halten und haben so einen unverhüllten freien Blick. Zu Paulus’ Zeit waren Spiegel poliertes Metall (s. Anm. zu Jak 1,23) und boten daher kein vollkommenes, sondern nur schwaches Spiegelbild. Obgleich der Blick unverhüllt und vertraut ist, sieht der Gläubige jetzt kein vollkommenes Bild der Herrlichkeit Gottes, aber eines Tages wird er diese Herrlichkeit vollkommen sehen (vgl. 1Kor 13,12). werden verwandelt. Eine fortdauernde, fortschreitende Umgestaltung (s. Anm. zu Röm 12,2). in dasselbe Bild. Wenn der Gläubige die Herrlichkeit des Herrn anschaut, wird er ständig weiter zur Christusähnlichkeit umgestaltet. Das letztendliche Ziel des Gläubigen ist es, dem Bild Christi gleichgestaltet zu sein (vgl. Röm 8,29; Phil 3,12-14; 1Joh 3,2). Durch den beständigen Blick auf ihn gestaltet der Geist den Gläubigen immer mehr in Christi Bild um. von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Von einer Stufe der Herrlichkeit zur nächsten – von einer Stufe des Widerspiegelns Christi zur nächsten. Dieser Vers beschreibt fortschreitende Heiligung. Je mehr ein Gläubiger in seiner Erkenntnis Christi wächst, desto mehr wird Christus in seinem Leben offenbart werden (vgl. Phil 3,12-14).
4,1 diesen Dienst. Jesu Christi Evangelium des Neuen Bundes. entmutigen. Ein starker gr. Ausdruck für die Selbstaufgabe zugunsten einer feigen Kapitulation. In dieser Weise reagierte Paulus nicht auf die ständigen Angriffe gegen ihn. Der Dienst am Neuen Bund war eine zu edle Aufgabe, als dass er sich darin entmutigen ließ (vgl. Gal 6,9; Eph 3,13). Da Gott ihn zum Verkündigen des Neuen Bundes berufen hatte, konnte Paulus seine Berufung nicht aufgeben. Stattdessen vertraute er auf Gott, dass er ihn stärken werde (vgl. Apg 20,24; 1Kor 9,16.17; Kol 1,23.25).
4,2 wir lehnen die schändlichen Heimlichkeiten ab. »Ableh- nen« bedeutet »wegwenden von« oder »bereuen«, und »schändlich« bedeutet »hässlich« oder »beschämend«. Der Ausdruck »schändliche Heimlichkeiten« bezeichnet verborgene Unmoral, Heuchelei und die heimlichen Sünden tief im Dunkel des eigenen Lebens. Bei der Errettung bereut jeder Gläubige solche Sünden, wendet sich von ihnen ab und weiht sein Leben dem Streben nach Gottseligkeit. Hier handelt es sich anscheinend um eine Antwort von Paulus auf direkte und verleumderische Anklagen gegen ihn: Er sei ein Heuchler, hinter dessen frommer Maske sich ein verdorbenes und schändliches Leben verberge. fälschen auch nicht. Dieses gr. Wort bedeutet »vermischen mit« und bezeichnete in außerbiblischen Quellen die unehrliche Geschäftspraxis, Wein mit Wasser zu verpanschen. Die falschen Lehrer beschuldigten Paulus, er sei ein Verführer (»Hinterlist«), der die Lehren Jesu und des AT verdrehe und verfälsche.
4,3 unser Evangelium verhüllt … bei denen … die verloren gehen. Die falschen Lehrer beschuldigten Paulus, eine unangemessene Botschaft zu verkündigen. Deshalb zeigte Paulus, dass das Problem nicht an der Botschaft oder am Verkündiger lag, sondern an den Hörern, die auf die Hölle zusteuerten (vgl. 1Kor 2,14). Der Verkündiger kann die Menschen nicht zum Glauben überreden; das kann nur Gott. 4,4 der Gott dieser Weltzeit. Satan (vgl. Mt 4,8; Joh 12,31; 14,30; 16,11; Eph 2,2; 2Tim 2,26; 1Joh 5,19). dieser Weltzeit. Der gegenwärtige Zeitgeist dieser Welt, der zum Ausdruck kommt in den Idealen, Meinungen, Zielen, Hoffnungen und Ansichten der Mehrheit der Menschen. Dieser Begriff umfasst die Philosophien, das Bildungswesen und das Geschäftsleben dieser Welt. S. Anm. zu 10,5. verblendet. Durch das Weltsystem, das Satan errichtet hat, macht er die Menschen blind für Gottes Wahrheit. Ohne Impuls von Gott wird der sich selbst überlassene Mensch diesem System folgen, das die Verdorbenheit der Ungläubigen anstachelt und ihre moralische Finsternis noch verschlimmert (vgl. Mt 13,19). Letztlich ist es Gott, der diese Blindheit zulässt (Joh 12,40). Gottes Ebenbild. Jesus Christus ist die exakte Repräsentation Gottes selbst (s. Anm. zu Kol 1,15; 2,9; Hebr 1,3).
4,5 wir verkündigen nicht uns selbst. Die falschen Lehrer war- fen Paulus vor, er predige zu seinem eigenen Vorteil. Doch in Wirklichkeit waren sie selber dieses Eigennutzes schuldig. Im Gegensatz dazu war Paulus stets demütig (12,5.9; vgl. 1Kor 2,3); er warb nie für sich selber, sondern verkündete stets Christus Jesus als Herrn (1Kor 2,2).
4,6 Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzu- leuchten. Ein direkter Hinweis auf Gott als Schöpfer, der dem natürlichen Licht zu existieren befahl (1Mo 1,3). erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Derselbe Gott, der das natürliche Licht im Universum geschaffen hat, ist zugleich der Gott, der geistliches Licht in der Seele schaffen und den Gläubigen aus dem Reich der Finsternis in sein Reich des Lichts führen muss (Kol 1,13). Das Licht kommt zum Ausdruck als »Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes«. Das bedeutet, die Erkenntnis, dass Christus der fl eischgewordene Gott ist. Um gerettet zu werden, muss man verstehen, dass die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus aufgeleuchtet ist. Das ist das Thema des Johannesevangeliums (s. Anm. zu Joh 1,4).
4,7 diesen Schatz. S. Anm. zu V. 1. in irdenen Gefäßen. Das gr. Wort für »irden« bedeutet »aus gebranntem Ton« und bezeichnet Tongefäße. Solche Gefäße waren billig, zerbrechlich und ersetzbar, erfüllten aber notwendige Funktionen des Haushalts. Manchmal wurden sie als Behälter für Wertgegenstände verwendet wie Geld, Schmuck oder wichtige Dokumente. Doch meistens wurden sie als Gefäße für Unrat und Abfall verwendet. An diesen Verwendungszweck dachte Paulus, und so sah er auch sich selbst: als niedrig, unbedeutend, entbehrlich und ersetzbar (vgl. 1Kor 1,20-27; 2Tim 2,20.21). damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns. Da Gott zerbrechliche und entbehrliche Menschen benutzt, verdeutlicht er, dass die Errettung allein seiner Macht zu verdanken ist und nicht auf einer Macht beruht, die seine Boten erzeugen könnten (vgl. 2,16). Die große Macht Gottes übersteigt und übertrifft das Tongefäß. Die Schwäche des Boten schadet seiner Aufgabe nicht, sondern ist im Gegenteil unbedingt dafür erforderlich (vgl. 12,9.10).
4,8 Hier führt Paulus vier gegensätzliche Metaphern an, mit de- nen er verdeutlicht, dass seine Schwäche ihn nicht beeinträchtigte, sondern vielmehr stärkte (vgl. 6,4-10; 12,7-10).
4,10 wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesus am Leib umher. »Allezeit« zeigt an, dass Paulus endloses Leid erfuhr. Und dieses Leid resultierte nicht aus den Angriffen gegen Paulus und andere Gläubige, sondern gegen den Herrn Jesus. Die Hasser Jesu rächten sich an seinen Repräsentanten (vgl. Joh 15,18-21; Gal 6,17; Kol 1,24). damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar wird. Paulus’ Schwäche stellte Christus groß heraus (vgl. Gal 2,20). Sein Leiden beweise, so sagten die falschen Apostel, dass Gott nicht mit ihm ist und er ein Betrüger sei. Im Gegensatz dazu bestätigte Paulus, dass sein Leid der Beleg für seine Treue zu Christus und die Quelle seiner Kraft war (12,9.10).
4,11 dem Tod preisgegeben. Dieser Begriff bezeichnet die Überlieferung eines Häftlings an den Henker. Er wurde verwendet für Christi Überlieferung an seine Feinde, die ihn kreuzigten (Mt 27,2). Hier bezieht es sich auf den möglichen körperlichen Tod, dem sich die Repräsentanten Jesu ständig gegenüber sahen. unserem sterblichen Fleisch. Ein weiterer Ausdruck für Paulus’ menschliche Schwäche – sein natürlicher Leib (vgl. V. 10; 5,3).
4,12 Paulus sah dem Tod täglich ins Auge, doch war er bereit, diesen Preis zu zahlen, wenn das für die Hörer seiner Verkündigung die Errettung bedeutete (vgl. Phil 2,17; Kol 1,24; 2Tim 2,10).
4,13 Ungeachtet der Kosten blieb Paulus seinen Überzeugungen treu. Er war kein Pragmatiker, der seine Botschaft seinen Zuhörern anpasste. Er war überzeugt, dass die Macht Gottes durch die verkündete Botschaft wirken konnte. Geist des Glaubens. Nicht der Heilige Geist, sondern die innere Einstellung des Glaubens. Paulus war von der Macht der Botschaft genauso überzeugt wie der Psalmist (s. folgende Anm.). Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet. Ein Zitat aus Ps 116,10 nach der LXX (der gr. Übersetzung des AT). Inmitten seiner Drangsale bat der Psalmist vertrauensvoll Gott, ihn aus seinen Bedrängnissen zu retten. Das konnte er voller Zuversicht tun, weil er glaubte, dass Gott sein Gebet erhören wird.
4,15 zur Ehre Gottes. Das höchste Ziel von allem, was der Gläu- bige tut (s. Anm. zu 1Kor 10,31).
4,16 nicht entmutigen. S. Anm. zu V. 1. unser äußerer Mensch zugrunde geht. Der Körper verfällt und wird schließlich sterben. Oberfl ächlich verstanden, sprach Paulus hier nur vom natürlichen Alterungsprozess, aber er betont darüber hinaus, dass seine Lebensweise diesen Prozess beschleunigte. Er war zwar kein alter Mann, doch verausgabte er sich in seinem Dienst sowohl mit seinen Mühen als auch mit der konstanten Geschwindigkeit, und hinzu kamen noch die vielen Schläge und Angriffe von seinen Feinden (vgl. 6,4-10; 11,23-27). der innere (Mensch). Die Seele jedes Gläubigen, d.h. die neue Schöpfung, der innere Teil des Gläubigen (vgl. Eph 4,24; Kol 3,10). wird … erneuert. Der Gläubige wächst und reift ständig weiter. Während der Körper verfällt, wächst und reift der innere Mensch des Gläubigen ständig bis zur Gleichgestalt mit Christus (vgl. Eph 3,16-20).
4,17 unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist. Das gr. Wort für »leicht« bedeutet »schwerelose Kleinigkeit« und »Drangsal« und bezeichnet intensiven Druck. Mit seinem eigenen Zeugnis listet Paulus eine aus menschlicher Perspektive scheinbar unerträgliche Litanei von Leiden und Verfolgungen auf, die er sein ganzes Leben lang ertrug (11,23-33), doch sah er sie als federleicht und nur kurzfristig und augenblicklich an. eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit. Das gr. Wort für »gewichtig« bezeichnet eine schwere Masse. Die künftige Herrlichkeit, die Paulus beim Herrn erfahren würde, übertraf für ihn bei weitem jedes Leid, das ihm in dieser Welt widerfahren könnte (vgl. Röm 8,17.18; 1Pt 1,6.7). Paulus hatte begriffen: Je größer das Leid, desto größer wird seine ewige Herrlichkeit sein (vgl. 1Pt 4,13).
4,18 das Sichtbare … das Unsichtbare. Ausharren basiert auf unserer Fähigkeit, über das Natürliche hinaus auf das Geistliche zu blicken, über das Gegenwärtige hinaus auf das Zukünftige und über das Sichtbare hinaus auf das Unsichtbare. Gläubige müssen über das Zeitliche und Vergängliche hinausschauen (d.h. über die Dinge dieser Welt). was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Der Gläubige sollte ergriffen sein und förmlich verzehrt werden vom Streben nach Gott, Christus, dem Heiligen Geist und der Errettung von Menschenseelen.
5,1 irdische Zeltwohnung. Paulus’ Metapher für den Körper (vgl. 2Pt 1,13.14). Damals war diese Bildersprache sehr nahe liegend, da viele Menschen als Nomaden in Zelten lebten und Paulus sich als Zeltmacher (Apg 18,3) sehr gut mit Zelten und ihren Eigenschaften auskannte. Außerdem hatte das jüdische Zelt der Zusammenkunft (die »Stiftshütte«) Gottes Gegenwart unter dem Volk symbolisiert, als die Israeliten aus Ägypten auszogen und eine Nation wurden. Hier geht es Paulus darum, dass die irdische Existenz des Menschen unstabil, unsicher und ärmlich ist wie ein Zelt (vgl. 1Pt 2,11). im Himmel einen Bau. Ein himmlischer, ewiger Leib. Paulus wollte einen neuen Leib, der ewig und vollkommen seine umgestaltete Natur ausdrückt. einen Bau von Gott, ein Haus. Paulus’ Metapher für den verherrlichten Auferstehungsleib des Gläubigen (vgl. 1Kor 15,35-50). »Haus« bedeutet Festigkeit, Sicherheit, Gewissheit und Beständigkeit im Gegensatz zum unstabilen, unsicheren Zelt. So wie die Israeliten die Stiftshütte durch den Tempel ersetzten, so sollten sich die Gläubigen danach sehnen, ihre irdischen Körper abzulegen und stattdessen verherrlichte Leiber zu bekommen (s. Anm. zu 4,16; Röm 8,19-23; 1Kor 15,35-50; Phil 3,20.21). nicht mit Händen gemacht. Ein verherrlichter Leib gehört per Defi nition nicht zu dieser irdischen Schöpfung (s. Anm. zu Mk 14,58; Hebr 9,11; vgl. Joh 2,19; Kol 2,11).
5,2 seufzen wir. Paulus sehnte sich leidenschaftlich nach Befrei- ung von diesem irdischen Leib und von allen damit verbundenen Sünden, Enttäuschungen und Schwachheiten, die uns so unerbittlich zu schaffen machen (s. Anm. zu Röm 7,24; 8,23). mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet. Die Vollkommenheit der Unsterblichkeit (s. Anm. zu V. 1).
5,3 nicht unbekleidet erfunden. Paulus erklärte, dass Gläubige für das zukünftige Leben kein körperloses spirituelles Dasein erhoffen, sondern einen echten, ewigen Auferstehungsleib. Im Gegensatz zu den Heiden, die das Materielle als Böse und den Geist als gut ansahen, wusste Paulus, dass Christen sich bei ihrem Tod nicht in eine nebulöse, spirituelle Unendlichkeit aufl ösen. Vielmehr bedeutet dieser Tod, dass der Gläubige einen verherrlichten, geistlichen, unsterblichen, vollkommenen Leib empfängt, der von anderer Natur, aber nichtsdestoweniger real ist. Genau einen solchen Leib hatte Jesus nach der Auferstehung (s. Anm. zu 1Kor 15,35-44; Phil 3,20.21; vgl. 1Joh 3,2).
5,4 nicht entkleidet, sondern überkleidet. S. Anm. zu V. 2.3. Paulus wiederholte, er könne es kaum erwarten, seinen verherrlichten Leib zu bekommen (vgl. Phil 1,21-23). dass das Sterbliche verschlungen wird vom Leben. Paulus wollte die Fülle alles dessen, was Gott für ihn in der Ewigkeit vorgesehen hatte. Dann wird alles Irdische und Menschliche vergangen sein.
5,5 hierzu. Genauer übersetzt »zu diesem Zweck«. Paulus sagt aus- drücklich, dass die himmlische Existenz des Gläubigen Wirklichkeit wird, wie Gott es in seinem souveränen Ratschluss bestimmt hat (s. Anm. zu Röm 8,28-30; vgl. Joh 6,37-40.44). Gott, der uns auch das Unterpfand des Geistes gegeben hat. S. Anm. zu 1,22; Röm 5,5; Eph 1,13; vgl. Phil 1,6. Unterpfand. S. Anm. zu 1,22; Eph 1,13.
5,6 im Leib daheim … nicht daheim bei dem Herrn. Solange ein Gläubiger auf der Erde lebt, ist er abwesend von der Fülle der Gegenwart Gottes. Paulus sagte jedoch nicht, er habe absolut keinen Kontakt, denn dieser Kontakt zu Gott besteht schon jetzt im Gebet, durch den innewohnenden Heiligen Geist und durch das Wort Gottes. Paulus beschrieb einfach ein himmlisches Heimweh und die starke Sehnsucht, daheim bei seinem Herrn zu sein (vgl. Ps 73,25; 1Th 4,17; Offb 21,3.23; 22,3).
5,7 Der Christ kann auf einen Himmel hoffen, den er noch nicht gesehen hat, nämlich indem er glaubt, was die Bibel über den Himmel sagt, und auch so lebt (s. Anm. zu Hebr 11,1; vgl. Joh 20,29).
5,8 aus dem Leib auszuwandern und daheim zu sein bei dem Herrn. Weil der Himmel ein besserer Ort ist als die Erde, wäre Paulus lieber dort, bei Gott, gewesen. Diese Sehnsucht beschreibt einfach Paulus’ Gefühle und Wünsche (s. Anm. zu Phil 1,21.23).
5,9 suchen wir auch unsere Ehre. Paulus sprach von seinen ehr- geizigen Zielen im Leben, aber nicht nach Art des stolzen, eigennützigen Strebens des Ehrgeiziges, wie wir es in unserer Sprache verstehen. »Ehre suchen« ist ein gr. Wort, das so viel bedeutet wie »das Ehrbare lieben«. Paulus zeigt, dass es für den Gläubigen recht und ehrbar ist, nach hervorragenden geistlichen Zielen zu streben sowie nach allem, was ehrbar bei Gott ist (vgl. Röm 15,20; 1Tim 3,1). sei es daheim oder nicht daheim. S. Anm. zu V. 6.8. Paulus’ Motivation änderte sich nicht mit seinem Wesenszustand: Es interessierte ihn nur, wie er für den Herrn lebte (s. Anm. zu Röm 14,6; Phil 1,20; vgl. 1Kor 9,27). ihm wohlgefallen. Paulus’ höchstes Ziel (vgl. 1Kor 4,1-5), das das höchste Ziel aller Gläubigen sein sollte (vgl. Röm 12,2; Eph 5,10; Kol 1,9; 1Th 4,1). Der Ausdruck, der hier mit »ihm wohlgefallen« übersetzt ist, wird auch in Tit 2,9 verwendet und beschreibt dort Sklaven, die mit Hingabe ihren Herren zu gefallen suchten.
5,10 Eine Beschreibung der tiefsten Motivation des Gläubigen und seines höchsten Ziels, Gott zu gefallen, d.h. die Erkenntnis, das jeder Christ unausweichlich und letztendlich Gott gegenüber Rechenschaft ablegen muss. Richterstuhl des Christus. »Richterstuhl« bezieht sich bildhaft auf den Platz, wo der Herr sitzen und das Leben der Gläubigen beurteilen wird, um ihnen dann ewigen Lohn zuzuteilen. Es ist eine Übersetzung des gr. Wortes bema. Das war eine erhöhte Plattform, wo die Sieger von Sportwettkämpfen (z.B. bei den Olympischen Spielen) ihre Krone erhielten. Im NT bezeichnet dieser Begriff auch den Richterplatz, wo Jesus vor Pontius Pilatus stand (Mt 27,19; Joh 19,13). Hier ist jedoch sicher der Vergleich aus dem Sport gemeint. In Korinth gab es einen solchen Preisrichterplatz, wo sowohl Siegerehrungen von Sportlern als auch zivile Urteile vorgenommen wurden (Apg 18,12-16). Somit verstanden die Korinther, was Paulus damit meinte. was er durch den Leib gewirkt hat. Die Werke, die der Gläubige während seiner Dienstzeit auf Erden getan hat. Die Sünden gehören nicht dazu, denn deren Gericht fand am Kreuz statt (Eph 1,7). Paulus meint damit alles, was ein Gläubiger während seines Lebens tut. Das bestimmt seinen ewigen Lohn und sein Lob von Gott. Was Christen in ihren vergänglichen Körpern tun, wird sich in Gottes Augen auf die Ewigkeit auswirken (s. Anm. zu 1Kor 4,3-5; vgl. Röm 12,1.2; Offb 22,12). es sei gut oder böse. Diese gr. Begriffe beziehen sich nicht auf moralisch Gutes oder Böses. Das Problem der Sünde wurde durch den Tod Jesu vollständig erledigt. Paulus vergleicht vielmehr lohnende Taten von ewigem Wert mit nutzlosen Taten. Ihm ging es nicht darum, dass Gläubige sich etwa nicht an bestimmten nützlichen irdischen Dingen erfreuen sollten, sondern dass sie Gott damit verherrlichen und ihre Zeit und Kraft in erster Linie für das einsetzen sollten, was Ewigkeitswert hat (s. Anm. zu 1Kor 3,8-14).
5,11 dass der Herr zu fürchten ist. Eine genauere Übersetzung ist: »(im Bewusstsein) der Furcht des Herrn«. Das bedeutet nicht »Angst haben«, sondern spricht von Paulus’ Ehrfurcht vor Gott. Sie war seine wesentliche Motivation, so zu leben, dass es den Herrn ehrt und seinen Lohn zur Ehre seines Herrn erhöht (vgl. 7,1; Spr 9,10; Apg 9,31). die Menschen zu überzeugen. Das gr. Wort für »überzeugen« bedeutet jemandes Gunst erstreben, so dass der andere uns in bestimmter wohlwollender oder erwünschter Weise ansieht (vgl. Gal 1,10). Dieser Ausdruck kann Evangeliumsverkündigung bedeuten (Apg 18,4; 28,23), doch hier überzeugte Paulus andere nicht von der Errettung, sondern von seiner eigenen Integrität. Der ewige Lohn der Korinther würde beeinträchtigt, wenn sie sich an die falschen Lehrer hielten und die gottgemäße Lehre von Paulus verließen. offenbar. Gott kannte Paulus’ wahren geistlichen Zustand der Aufrichtigkeit und Lauterkeit (s. Anm. zu 1,12; vgl. Apg 23,1; 24,16). Paulus wollte, dass auch die Korinther die Wahrheit über ihn glaubten.
5,12 des Äußeren rühmen. Leute wie die unlauteren Gegner von Paulus in Korinth müssen auf Äußerlichkeiten stolz sein. Dabei kann es sich um jede mögliche falsche Lehre handeln, begleitet von protziger Heuchelei (vgl. Mt 5,20; 6,1; Mk 7,6.7).
5,13 außer uns. Dieser gr. Ausdruck bedeutet gewöhnlich verrückt oder von Sinnen sein. Hier jedoch beschrieb Paulus damit sich selbst als jemanden, der der Wahrheit geweiht ist. Damit antwortete er den Kritikern, die behaupteten, er sei nichts weiteres als ein verrückter Fanatiker (vgl. Joh 8,48; Apg 26,22-24). besonnen. Ursprünglich bedeutete das Wort maßvoll, mit nüchterner Gesinnung und in völliger Selbstbeherrschung. Auch Paulus war von einem solchen Verhalten geprägt, als er unter den Korinthern seine Lauterkeit verteidigte und ihnen Gottes Wahrheit mitteilte.
5,14 die Liebe des Christus. Die Liebe Christi zu Paulus und zu allen Gläubigen, die er am Kreuz gezeigt hat (vgl. Röm 5,6-8). Jesu stellvertretender Tod aus Liebe motivierte Paulus, ihm zu dienen (vgl. Gal 2,20; Eph 3,19). drängt uns. Eine Bezeichnung für Druck, der eine Tätigkeit hervorruft. Paulus betonte, wie heftig er sich wünschte, sein Leben dem Herrn aufzuopfern. einer für alle gestorben. Ein Ausdruck der Wahrheit des stellvertretenden Todes Christi. Die Präposition »für« zeigt, dass er »zugunsten von« oder »anstelle von« allen starb (vgl. Jes 53,4-12; Gal 3,13; Hebr 9,11-14). Diese Wahrheit ist das Herzstück der Lehre der Errettung. Gottes Zorn gegen die Sünde erfordert den Tod; Jesus nahm diesen Zorn auf sich und starb an der Stelle des Sünders. So nahm er Gottes Zorn weg und erfüllte als vollkommenes Opfer die Forderungen von Gottes Gerechtigkeit (s. Anm. zu V. 21; Röm 5,611.18.19; 1Tim 2,5.6; vgl. Eph 5,2; 1Th 5,10; Tit 2,14; 1Pt 2,24). so sind sie alle gestorben. Alle in Christus Gestorbenen empfangen die Segnungen seines stellvertretenden Todes (s. Anm. zu Röm 3,24-26; 6,8). Mit diesem kurzen Ausdruck defi nierte Paulus das Ausmaß der Erlösung und begrenzte ihre Anwendung. Diese Aussage vervollständigt logisch die Bedeutung des vorhergehenden Ausdrucks und besagt im Endeffekt: »Christus starb für alle, die in ihm starben«, oder: »Einer starb für alle, deshalb sind alle gestorben« (s. Anm. zu V. 19-21; vgl. Joh 10,11-16; Apg 20,28). Paulus war dankbar und überwältigt, dass Christus ihn liebte und ihn in seiner Gnade unter »alle« die aufnahm, die in ihm gestorben sind.
5,15 Mit der Verteidigung seiner Lauterkeit wollte Paulus den Korin- thern klar machen, dass sein altes, selbstorientiertes Leben beendet war und dass er sich von ganzem Herzen ein gerechtes Leben wünschte. Für alle wahren Gläubigen ist ihr Tod in Christus nicht nur ein Tod gegenüber der Sünde, sondern auch eine Auferstehung zu einem neuen Leben der Gerechtigkeit (s. Anm. zu Röm 6,3.4.8.10; vgl. Gal 2,19.20; Kol 3,3).
5,16 Seit seiner Bekehrung war es Paulus’ vorrangiges Bestreben, die geistlichen Bedürfnisse der Menschen zu stillen (vgl. Apg 17,16; Röm 1,13-16; 9,1-3; 10,1). nach dem Fleisch. Paulus beurteilte die Menschen nicht mehr nach äußeren, menschlichen und weltlichen Maßstäben (vgl. 10,3). kennen wir ihn doch nicht mehr so. Als Christ hatte Paulus auch keine bloß fehlbare, menschliche Wahrnehmung Jesu Christi (vgl. Apg 9,1-6; 26,9-23).
5,17 in Christus. Diese beiden Wörter sind eine knappe, aber tief- gründige Aussage über die unerschöpfl iche Bedeutung der Erlösung des Gläubigen, die Folgendes umfasst: 1.) Die Sicherheit des Gläubigen in Christus, der in seinem Leib Gottes Gericht über die Sünde ertrug, 2.) das Angenommensein des Gläubigen in Christus, der der Einzige ist, an dem Gott Wohlgefallen hat, 3.) die Gewissheit des Gläubigen über die Zukunft in Christus, der die Auferstehung zum ewigen Leben ist und der alleinige Garant für das himmlische Erbe des Gläubigen, und 4.) die Teilhabe des Gläubigen an der göttlichen Natur Christi, dem ewigen Wort (vgl. 2Pt 1,4). neue Schöpfung. Dieser Ausdruck bezeichnet etwas, was auf einer höheren, hervorragenden Qualitätsstufe erschaffen wurde und bezieht sich auf die Wieder- bzw. Neugeburt (vgl. Joh 3,3; Eph 2,1-3; Tit 3,5; 1Pt 1,23; 1Joh 2,29; 3,9; 5,4). Er umfasst die Sündenvergebung des Christen, die Christi stellvertretender Tod bezahlt hat (vgl. Gal 6,15; Eph 4,24). das Alte ist vergangen. Wenn jemand wiedergeboren ist, dann gehören alte Wertesysteme, Prioritäten, Überzeugungen, Vorlieben und Pläne der Vergangenheit an. Es gibt immer noch Böses und Sünde, aber der Gläubige sieht diese Dinge aus einer neuen Perspektive (s. Anm. zu V. 16) und wird nicht mehr davon beherrscht. es ist alles neu geworden. Aus der gr. Grammatik geht hervor, dass diese Neuheit ein fortdauernder und feststehender Zustand ist. Die neue geistliche Wahrnehmung des Gläubigen ist für ihn eine beständige Realität und er lebt jetzt nicht mehr für zeitliche Dinge, sondern für die Ewigkeit. Jakobus setzt diese Umgestaltung mit dem Glauben gleich, der Werke hervorbringt (s. Anm. zu Eph 2,10; Jak 2,14-26).
5,18 Das alles aber [kommt] von Gott. Viele moderne Überset- zungen fügen den Artikel »das« vor »alles« ein, wodurch das Wort »alles« mit all dem verbunden wird, was Paulus gerade in V. 14-17 dargelegt hat. Alle Aspekte der Bekehrung und des neugestalteten Lebens in Christus werden souverän von Gott vollführt. Sünder können nicht von sich aus selber entscheiden, an dieser neuen Schöpfung teilzuhaben (s. Anm. zu Röm 5,10; vgl. 1Kor 8,6; 11,12; Eph 2,1). Dienst der Versöhnung. Das spricht von der Realität, dass Gott mit Sündern versöhnt werden will (vgl. Röm 5,10; Eph 4,17-24). Gott hat die Gläubigen berufen, das Evangelium der Versöhnung auch anderen zu verkünden (vgl. 1Kor 1,17). Der Gedanke des »Dienstes«, wie z.B. die Bedienung an Tischen, stammt vom gr. Wort diakonia, was »Hilfeleistung« oder »Dienstleistung« bedeutet. Gott möchte, dass die Christen das Vorrecht annehmen, Ungläubigen dadurch zu dienen, dass sie ihnen den Wunsch nach Versöhnung verkündigen.
5,19 Gott in Christus war. Gott benutzte durch seinen eigenen Willen den Sohn – das einzig annehmbare und vollkommene Opfer – als Mittel, um Sünder mit sich zu versöhnen (s. Anm. zu V. 18; Apg 2,23; Kol 1,19.20; vgl. Joh 14,6; Apg 4,12; 1Tim 2,5.6). die Welt mit sich selbst versöhnte. Gott initiiert die Zustandsänderung des Sünders, indem er ihn von einer Stellung der Entfremdung zu einem Zustand der Vergebung und der rechtmäßigen Beziehung zu ihm führt. Das wiede rum ist der Kern des Evangeliums. Das Wort »Welt« sollte nicht im Sinne einer Allversöhnung verstanden werden, was hieße, dass alle gerettet oder potentiell versöhnt würden. »Welt« bezeichnet hier vielmehr die gesamte Sphäre der Menschheit (vgl. Tit 2,11; 3,4), d.h. die Klasse von Wesen, denen Gott die Versöhnung anbietet: Menschen aller ethnischen Gruppen, ohne Unterschied. Christi Versöhnungstod ist von unermesslichem Wert und das Opfer ist unbegrenzt. Die tatsächliche Sühne wurde jedoch nur für die vollbracht, die glauben; vgl. Joh 10,11.15; 17,9; Apg 13,48; 20,28; Röm 8,32.33; Eph 5,25). Die übrige Menschheit wird den Preis für ihre Sünden selber zahlen – in der ewigen Hölle. anrechnete. Das Herzstück der Lehre der Rechtfertigung, mit der Gott den bußfertigen Sünder gerecht erklärt und ihm seine Sünden nicht mehr zur Last legt. In dem Augenblick, wenn der Sünder seinen Glauben von ganzem Herzen auf Christus und seinen Opfertod setzt, bekleidet Gott den Sünder mit der Gerechtigkeit Christi (s. Anm. zu Röm 3,24 – 4,5; vgl. Ps 32,2; Röm 4,8). Wort der Versöhnung. S. Anm. zu V. 18. Hier stellt Paulus einen weiteren Aspekt des Evangeliums vor. Er verwendete den gr. Begriff für »Wort« (vgl. Apg 13,26), das auf eine wahre und vertrauenswürdige Botschaft hindeutet, im Gegensatz zu einer falschen oder ungewissen. In einer Welt voller falscher Botschaften haben die Gläubigen die solide, wahrheitsgetreue Botschaft des Evangeliums.
5,20 Botschafter. Ein Begriff, der verwandt ist mit dem bekannte- ren gr. Wort, das oft mit »Ältester« übersetzt wird. Es bezeichnete einen älteren, erfahreneren Mann, der als Repräsentant eines Königs von einem Land zum anderen reiste. Paulus beschrieb damit seine Rolle – und die Rolle aller Gläubigen – als Botschafter, der den König des Himmels mit dem Evangelium repräsentiert und die Menschen dieser Welt bittet, sich mit Gott, ihrem rechtmäßigen König, versöhnen zu lassen (vgl. Röm 10,13-18). so, dass Gott selbst durch uns ermahnt. Wenn Gläubige das Evangelium präsentieren, spricht (wörtl. »ruft« bzw. »bittet«) Gott durch sie und nötigt ungläubige Sünder, in einer Haltung des Glaubens zu ihm zu kommen und das Evangelium anzunehmen. Das bedeutet, dass sie über ihre Sünden Buße tun und an Jesus glauben (vgl. Apg 16,31; Jak 4,8).
5,21 Hier fasst Paulus das Herzstück des Evangeliums zusammen und löst dabei das Geheimnis und Paradox von V. 18-20 auf. Er erklärt, wie Sünder durch Jesus Christus mit Gott versöhnt werden können. Diese 15 gr. Wörter beschreiben die Lehre der Zurechnung und Stellvertretung so treffend wie kein anderer einzelner Vers. den, der von keiner Sünde wusste. Jesus Christus, der sündlose Sohn Gottes (s. Anm. zu Gal 4,4.5; vgl. Lk 23,4.14.22.47; Joh 8,46; Hebr 4,15; 7,26; 1Pt 1,19; 2,22-24; 3,18; Offb 5,2-10). für uns zur Sünde gemacht. Gott, der Vater, ließ Christus als Stellvertreter sterben, der die Strafe für die Sünden derer trug, die an ihn glauben (vgl. Jes 53,4-6; Gal 3,10-13; 1Pt 2,24). Der Zorn Gottes erging über ihn und so wurde die gerechte Forderung des Gesetzes Gottes für die erfüllt, für die er starb. Gerechtigkeit Gottes. Ein weiterer Hinweis auf Rechtfertigung und Zurechnung. Die Gerechtigkeit, die dem Gläubigen zu seinen Gunsten angerechnet wird, ist die Gerechtigkeit Jesu Christi, des Sohnes Gottes (s. Anm. zu Röm 1,17; 3,21-24; Phil 3,9). So wie Christus kein Sünder war, aber wie ein Sünder behandelt wurde, so werden die Gläubigen, die (bis zur Verherrlichung) noch nicht gerecht gemacht sind, so behandelt, als seien sie gerecht. Er trug ihre Sünden, damit sie seine Gerechtigkeit tragen können. Gott behandelte ihn, als habe er die Sünden des Gläubigen begangen, und Gott behandelt die Gläubigen, als hätten sie nur die gerechten Taten des sündlosen Sohnes Gottes getan.
6,1 die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen. Die meisten Korinther waren zwar errettet, wurden in ihrem geistlichen Leben aber von gesetzlichen Lehren über die Heiligung blockiert (s. Anm. zu 11,3; Gal 6,1). Einige waren nicht wirklich gerettet, sondern von einem Evangelium der Werke verführt (vgl. 13,5; Gal 5,4), das von den falschen Lehrern gelehrt wurde. In beiden Fällen hatte Paulus’ Verkündigung des Evangeliums der Gnade nicht die gewünschte Wirkung und er hatte Grund zu ernsten Sorgen, dass sein monatelanger Dienst in Korinth vergeblich war. In beiden Fällen wären die Korinther zudem von einen »Dienst der Versöhnung« abgehalten worden.
6,2 Paulus unterstreicht seine Aussage mit einem Zitat aus Jes 49,8. Es war sein Herzensanliegen, dass die Korinther an der Wahrheit festhielten, weil es Gottes Zeit der Errettung war und weil sie Boten waren, die an der Verbreitung des Evangeliums mitwirken sollten. jetzt ist der Tag des Heils. Paulus wendete Jesajas Worte auf die gegenwärtige Situation an. In Gottes Zeitplan gibt es eine Zeit, wenn Gott Sünder erhört und den Bußfertigen antwortet – und diese Zeit war damals und ist auch jetzt noch (vgl. Spr 1,20-23; Jes 55,6; Hebr 3,7.8; 4,7). Diese Zeit wird jedoch ein Ende haben (vgl. 1Mo 6,3; Spr 1,24-33; Joh 9,4). Deshalb ermahnt Paulus die Korinther so leidenschaftlich.
6,3 Jeder Gläubige, der sich treu für einen Dienst der Versöh- nung engagiert, sollte wie Paulus Ablehnung und Annahme, Hass und Liebe und Freude und Leid erwarten. Das hatte Jesus seinen Jüngern bereits gelehrt (vgl. Mt 5,10-16; Lk 12,2-12). 6,3 Wir geben niemand irgendeinen Anstoß. Der treue Bote Christi tut nichts, was seinen Dienst in Misskredit bringen könnte, sondern er tut alles, was er kann, um die Lauterkeit Gottes, des Evangeliums und seines Dienstes zu bewahren (vgl. Röm 2,24; 1Kor 9,27; Tit 2,1-10).
6,4 empfehlen wir uns als Diener Gottes. »Empfehlen« bedeu- tet »vorstellen«, mit dem Beiklang des eigenen Bewährens (s. Anm. zu 3,1). Der überzeugendste Beweis ist die geduldige Beständigkeit des Charakters, die Paulus in seinen Leiden zeigte (V. 5) und das Wesen seines Dienstes (V. 6.7).
6,5 Hier empfi ehlt Paulus sich ihnen durch den Hinweis auf seine Beständigkeit im Erleiden von Verfolgung und auf seinen Fleiß in den Mühen des Dienstes bis hin zu schmerzhaften Entbehrungen, wenn solche erforderlich waren (s. Anm. zu 4,17).
6,6 Zu seiner positiven Empfehlung listet Paulus die wichtigsten Bestandteile der Gerechtigkeit auf, die Gott ihm verliehen hatte. im Heiligen Geist. Paulus lebte und wandelte durch die Kraft des Geistes (s. Anm. zu Gal 5,16). Das war der Hauptgrund für die Realität aller anderen positiven Aspekte seines Ausharrens.
6,7 im Wort der Wahrheit. Die Schrift, das geoffenbarte Wort Gottes (vgl. Kol 1,5; Jak 1,18). Während seines ganzes Dienstes wirkte Paulus niemals außerhalb der Grenzen, innerhalb derer die Offenbarung Gottes ihn leitete und führte. in der Kraft Gottes. Paulus verließ sich in seinem Dienst nicht auf seine eigene Kraft (s. Anm. zu 1Kor 1,18; 2,1-5; vgl. Röm 1,16). durch die Waffen der Gerechtigkeit. Paulus kämpfte nicht mit menschlichen Mitteln gegen Satans Reich, sondern mit geistlicher Tugend (s. Anm. zu 10,3-5; Eph 6,10-18). in der Rechten und Linken. Paulus verfügte über Waffen sowohl zum Angriff, wie z.B. das Schwert des Geistes, als auch zur Verteidigung, wie z.B. den Schild des Glaubens und den Helm des Heils (s. Anm. zu Eph 6,16.17).
6,8 Die Kennzeichen wahren Dienstes sind paradox, und hier führt Paulus eine Reihe von Paradoxen aus seinem Dienst für Christus an. 6,8 als »Verführer«. Paulus’ Gegner in Korinth hatten ihn als Hochstapler und falschen Apostel beschuldigt (vgl. Joh 7,12). 6,9 als Unbekannte. Ein zweifacher Hinweis: 1.) darauf, dass die Christen ihn nicht kannten, bevor er sie verfolgt hatte (vgl. Apg 8,1; 1Tim 1,12.13) und 2.) darauf, dass die führenden Juden und Pharisäer ihn nach seiner Bekehrung verworfen hatten. Er war für seine frühere Umgebung unbedeutend geworden, aber zugleich wohl bekannt und beliebt unter den Christen.
6,10 viele reich machen. Paulus’ geistlicher Reichtum, den er an andere weitergab, machte seine Zuhörer auf vielerlei Weise reich (vgl. Apg 3,6).
6,11 Paulus stellt seine aufrichtige Liebe zu den Korinthern un- ter Beweis, indem er das Wesen echter Liebe defi niert. Dieser Abschnitt bestätigt die Echtheit seines Liebesbekenntnis zu ihnen (vgl. 2,4; 3,2; 12,15.19). 6,11 unser Herz ist weit geworden. Wörtl. »unser Herz ist erwei- tert« (vgl. 1Kö 5,9). Der Beweis für Paulus’ echte Liebe zu den Korinthern war, dass er sie immer noch liebte und in seinem Herzen Platz für sie hatte, obwohl einige ihn schlecht behandelt hatten (vgl. Phil 1,7).
6,14 in einem fremden Joch. Eine Illustration aus dem AT. Den Israeliten war es untersagt, zwei verschiedene Vieharten zur Arbeit zusammenzujochen (s. Anm. zu 5Mo 22,10). Mit dieser Analogie lehrte Paulus, dass es falsch ist, sich mit solchen Leuten zu geistlichen Unternehmungen zusammenzuschließen, die eine andere Natur haben (Ungläubige). In einer derartigen Zusammenstellung kann man unmöglich etwas zu Gottes Ehre tun. mit Ungläubigen. Christen sollen sich nicht mit Nichtchristen zusammentun, um sich so auf irgendeine geistliche Unternehmung oder Beziehung mit ihnen einzulassen. Das wäre abträglich für das Zeugnis der Christen im Leib Christi (s. Anm. zu 1Kor 5,9-13; vgl. 1Kor 6,15-18; 10,7-21; Jak 4,4; 1Joh 2,15). Das war für die Korinther besonders wichtig, weil sie bedroht waren von den falschen Lehrern und vom sie umgebenden heidnischen Götzendienst. Dieses Gebot bedeutet jedoch nicht, dass Gläubige alle Verbindungen zu Ungläubigen aufgeben sollten. Das würde der Absicht Gottes widersprechen, weshalb er Gläubige errettet und auf der Erde gelassen hat (vgl. Mt 28,19.20; 1Kor 9,19-23). Aus V. 14b-17 wird deutlich, wie widersprüchlich solche religiösen Allianzen sind. 6,15 Belial. Ein alter Name für Satan, dem absolut Unwürdigen (s. Anm. zu 5Mo 13,14). Er steht in scharfem Gegensatz zu Jesus Christus, dem Würdigen, mit dem Gläubige Gemeinschaft haben sollen.
6,16 Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern über- ein? Der Tempel Gottes (die wahre Christenheit) und Götzen (abgöttische, dämonische falsche Religionen) sind miteinander völlig unvereinbar (vgl. 1Sam 4-6; 2Kö 21,1-15; Hes 8). ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes. Die einzelnen Gläubigen sind geistliche Behausungen (vgl. 5,1), in denen der Geist Christi wohnt (s. Anm. zu 1Kor 3,16.17; 6,19.20; Eph 2,22). wie Gott gesagt hat. Paulus belegt seine Aussage mit einer Mischung von AT-Zitaten (3Mo 26,11.12; Jer 24,7; 31,33; Hes 37,26.27; Hos 2,4.5).
6,17 Paulus zitiert aus Jes 52,11 und schreibt über das Gebot der geistlichen Absonderung. Mit Ungläubigen verbunden zu sein, ist nicht nur unvernünftig und unheilig, sondern auch ungehorsam. Wenn Gläubige gerettet werden, müssen sie sich von allen Formen falscher Religion trennen und mit allen sündigen Gewohnheiten und götzendienerischen Verhaltensmustern klar brechen (s. Anm. zu Eph 5,6-12; 2Tim 2,20-23; vgl. Offb 18,4). sondert euch ab. Ein Gebot für Gläubige, damit sie so sind, wie Christus war (Hebr 7,26).
6,18 Infolge ihrer Trennung von falscher Lehre und Praxis werden Gläubige den vollen Reichtum der Kinder Gottes erfahren (s. Anm. zu Röm 8,14-17; vgl. 2Sam 7,14; Hes 20,34).
7,1 diese Verheißungen. Die Verheißungen aus dem AT, die Pau- lus in 6,16-18 zitiert hat. Die Schrift ermutigt Gläubige oft zu Handlungen, die auf Gottes Verheißungen basieren (vgl. Röm 12,1; 2Pt 1,3). wollen wir uns reinigen. Die Form dieses gr. Verbs zeigt, dass es hier um etwas geht, was jeder Christ in seinem eigenen Leben tun muss. Befl eckung. Dieses gr. Wort, das nur hier im NT vorkommt, wird im gr. AT dreimal verwendet, um religiöse Verunreinigung zu bezeichnen bzw. unheilige Verbindungen mit Götzen, Götzenfesten, Tempelprostitution, Opfern und Anbetungszeremonien. des Fleisches und des Geistes. Falsche Religionen sprechen die fl eischlichen und geistigen Lüste des Menschen an. Zwar können manche Gläubige es eine Zeit lang vermeiden, sich den fl eischlichen Sünden falscher Religionen hinzugeben, doch wenn ein Christ sein Denken falschen Lehren aussetzt, kann er in der Regeln nicht verhindern, von teufl ischen Ideologien und Gotteslästerungen, die die Reinheit göttlicher Wahrheit angreifen und den Namen Gottes lästern, verunreinigt zu werden. S. Anm. zu 6,17. Vollendung der Heiligkeit. Das gr. Wort für »Vollendung« bedeutet »beenden« oder »vervollständigen« (vgl. 8,6). »Heiligkeit« bezieht sich auf die Trennung von allem, was Leib und Sinn verunreinigt. Völlige oder vollkommene Heiligkeit war nur in Christus verkörpert. Deshalb muss der Gläubige ihm nacheifern (vgl. 3,18; 3Mo 20,26; Mt 5,48; Röm 8,29; Phil 3,12-14; 1Joh 3,2.3).
7,2 Wir haben niemand Unrecht getan. Das gr. Wort für »Un- recht tun« bedeutet, »jemanden ungerecht behandeln«, »jemanden verletzten« oder »jemanden zum Sündigen veranlassen«. Paulus konnte niemals beschuldigt werden, einen Korinther verletzt oder zur Sünde verführt zu haben (s. Anm. zu Mt 18,5-14). niemand geschädigt. »geschädigt« kann sich auf lehrmäßigen oder fi nanziellen Schaden beziehen. Aber wahrscheinlich ist damit das Verderben der Moral gemeint (vgl. 1Kor 15,33). Niemand konnte Paulus vorwerfen, zu irgendeinem unmoralischen Verhalten ermutigt zu haben.
7,3 Paulus hatte ein vergebungsbereites Herz. Er verurteilte die Ko- rinther nicht einfach dafür, dass sie den falschen Lehrern geglaubt und ihn verworfen hatten, sondern erinnert sie an seine Liebe zu ihnen und an seine Bereitschaft, ihnen zu vergeben.
7,4 Ich bin sehr freimütig. »Freimütig« kann auch mit »zuversicht- lich« übersetzt werden. Paulus war zuversichtlich, dass Gott weiter in ihrem Leben wirken wird (vgl. Phil 1,6). Das ist ein weiterer Beweis für Paulus’ Liebe zu den Gläubigen in Korinth.
7,5 Diese Verse beschreiben, wie Paulus seine Freude zurücker- langte, weil die Korinther Buße getan hatten. 7,5 Hier setzt Paulus seinen erzählenden Bericht fort, den er in 2,13 unterbrochen hatte. Als er von Troas abgereist war und in Mazedonien ankam, hatte er keine Ruhe von äußeren »Kämpfen«. Das gr. Wort wird für Streitigkeiten und Auseinandersetzungen verwendet und bezieht sich wahrscheinlich auf die ständige Verfolgung, der Paulus ausgesetzt war. Auch innere »Ängste« belasteten ihn – seine Sorgen um die Gemeinde und die gegen ihn gerichtete Parteiung, die dort vorherrschte. Mazedonien. S. Anm. zu 2,13.
7,6 die Geringen. Nicht nur die geistlich Demütigen, sondern auch die Gedemütigten. Solche Menschen sind gering im wirtschaftlichen, sozialen oder auch emotionalen Sinn (vgl. Röm 12,16). 7,6 er tröstete uns durch die Ankunft des Titus … Als er uns berichtete. Das gr. Wort für »Ankunft« bezeichnet die tatsächliche Anwesenheit von Titus bei Paulus. Doch über die Ankunft von Titus hinaus, die bereits ein Segen war, fand Paulus Trost in Titus’ ermutigenden Bericht über die Buße der Korinther und ihre positive Reaktion auf Paulus’ Brief, den Titus überbracht hatte.
7,7 Die Art und Weise, wie die Korinther Titus getröstet hatten, ermutigte Paulus, denn Titus hatte einen sehr ermahnenden Brief nach Korinth gebracht (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Auch die Reaktion der Korinther ihm selbst gegenüber ermutigte Paulus. Diese Reaktion zeigte sich auf dreierlei Weise: 1.) »eure Sehnsucht« – sie sehnten sich danach, Paulus wiederzusehen und ihre Beziehung zu ihm wieder zu erneuern, 2.) »eure Klage« (d.h. Wehklage) – ihre Sünden taten ihnen leid und sie bedauerten den Bruch zwischen Paulus und ihnen, der durch diese Sünden entstanden war und 3.) »euer Eifer für mich« – sie liebten Paulus so sehr, dass sie bereit waren, ihn vor solchen zu verteidigen, die ihm schaden wollten, insbesondere vor den falschen Lehrern.
7,8 wenn ich euch … betrübt habe. Oder: »wenn ich euch zu Sorgen veranlasst habe« (s. Anm. zu 2,1). durch den Brief. Der »Tränenbrief«, der sich gegen die Rebellion in der Gemeinde von Korinth richtete (s. Anm. zu 2,3; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 7,8 bereue ich es nicht, wenn ich es auch bereut habe … Nun freue ich mich. Paulus bereute nicht den Brief, auch wenn er die Korinther betrübt hatte, denn er wusste, dass diese Traurigkeit über ihre Sünde Buße bewirken und sie zum Gehorsam führen würde. Doch eine kurze Zeit lang bedauerte Paulus, dass er den Brief geschickt hatte, nämlich als er auf Titus’ Rückkehr wartete und befürchtete, sein Brief sei zu scharf gewesen. Womöglich hätten sich die Korinther dadurch nur noch weiter von ihm entfernt. Letzten Endes freute er sich jedoch, weil der Brief das erreicht hatte, was Paulus erhoffte.
7,9 zur Buße betrübt. Der Brief betrübte die Gläubigen in Korinth in solcher Weise, dass sie zur Buße über ihre Sünden kamen. »Buße« bezeichnet den Willen, sich von der Sünde wegzuwenden und die Beziehung zu Gott wiederherzustellen (s. Anm. zu Mt 3,2.8).
7,10 gottgewollte Betrübnis bewirkt eine Buße zum Heil. »Gottgewollte Betrübnis« ist eine Betrübnis nach dem Willen Gottes, die vom Heiligen Geist bewirkt ist (s. Anm. zu 2Tim 2,25). Es gibt keine wahre Buße ohne eine solche Betrübnis über die eigene Sünde. Mit »Buße zum Heil« sagte Paulus, dass Buße zum Heil bzw. zur Errettung dazugehört. Buße gehört zum Herzstück der Errettung und beweist, ob jemand wirklich errettet ist: Wenn ein Ungläubiger gläubig und errettet wird, geht das damit einher, dass er Buße tut über seine Sünde; und Gläubige tun ständig Buße über ihre Sünden, damit sie die Freude und den Segen ihrer Gemeinschaft mit Gott erhalten (s. Anm. zu 1Joh 1,7-9). die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod. Menschliche Sorgen sind unheiliger Kummer und führen nicht zur Erlösung. Sie sind nichts weiter als der verletzte Stolz, wenn man bei einer Sünde erwischt wird und die eigenen Lüste unbefriedigt bleiben. Solche Sorgen führen nur zu Schuldgefühlen, Beschämung, Verzweifl ung, Depression, Selbstmitleid und Hoffnungslosigkeit. An derartigen Sorgen kann man sterben (vgl. Ps 32,3.4).
7,11 Dieser Vers zeigt, wie echte Buße in der Einstellung deut- lich wird. ernstes Bemühen. Ein gr. Wort, das auch mit »Eifer« oder »Fleiß« übersetzt werden kann. Die erste Reaktion wahrer Buße ist es, eifrig und aktiv nach Gerechtigkeit zu streben. Diese Einstellung beendet jede Gleichgültigkeit gegenüber der Sünde und jede Sorglosigkeit gegenüber dem Bösen und Verführerischen. Verantwortung. Oder »Verteidigung«. Der Wunsch, sich das Stigmas zu entledigen, das mit der Sünde einhergeht. Der bußfertige Sünder sorgt dafür, dass andere ihm wieder vertrauen können, indem er seine echte Buße bekannt gibt. Entrüstung. Das wird oft in Verbindung gebracht mit berechtigter Entrüstung und heiligem Zorn. Buße bewirkt Zorn über die eigene Sünde und Verdruss über die Schande, die dadurch dem Namen des Herrn und seinem Volk zugefügt wurde. Furcht. Ehrfurcht gegenüber Gott, der durch die Sünde am meisten betroffen ist. Buße bewirkt eine gesunde Furcht Gottes, der wegen Sünde züchtigt und richtet. Verlangen. Oder »Sehnsucht«, »Leidenschaft«. Das Verlangen des bußfertigen Sünders, die Beziehung zu demjenigen wieder herzustellen, gegen den er gesündigt hat. Eifer. Eine so große Liebe zu jemanden, das man alles und jeden hasst, der oder das dem Geliebten schaden könnte (s. Anm. zu V. 7). Bestrafung. Oder »Vergeltung für Übel«. Der Wunsch nach vollstreckter Gerechtigkeit. Der bußfertige Sünder versucht nicht mehr, sich selbst in Schutz zu nehmen, sondern möchte, dass die Sünde bestraft wird, was es ihn auch kosten mag. in der Sache rein. Das Wesentliche an der Buße ist ein aktives, offensives Streben nach Heiligkeit, was für die Korinther charakteristisch war. Das gr. Wort für »rein« bedeutet »lauter«, »heilig«. Durch ihre Reinheit zeigten sie, dass ihre Buße echt war.
7,12 um dessentwillen, der Unrecht getan hat. Das bezieht sich auf den Anführer der Rebellion in der Gemeinde von Korinth (s. Anm. zu 12,7).
7,15 mit Furcht und Zittern. Ehrfurcht gegenüber Gott und eine gesunde Furcht vor Gottes Gericht (s. Anm. zu 1Kor 2,3).
8,1 – 9,15 In diesem Abschnitt geht es insbesondere um Paulus’ Anweisungen an die Korinther, die er ihnen zwecks einer besonderen Sammlung für die Heiligen in Jerusalem erteilte. Gleichzeitig fi nden wir hier das detaillierteste Vorbild des NT für christliches Geben. 8,1 Gnade Gottes. Die Gnade Gottes war die Motivation für die Großzügigkeit der mazedonischen Gemeinden. Paulus lobte diese Gemeinden nicht nur für eine ehrbare menschliche Leistung, sondern dankte Gott dafür, was er durch diese Gläubigen getan hatte. Gemeinden Mazedoniens. Mazedonien war eine römische Provinz im Norden Griechenlands. Paulus bezog sich hier auf die Gemeinden in Philippi, Thessalonich und Beröa (vgl. Apg 17,11). Diese Provinz war nach vielen Kriegen weitgehend verarmt und wurde zudem noch von der römischen Besatzung und Wirtschaft ausgebeutet.
8,2 ihre überfl ießende Freude. »Überfl ießend« bedeutet »mit Überfl uss«. Weil die Gemeinden dem Herrn hingegeben waren und sein Reich erwarteten, übertraf ihre Freude trotz ihrer schwierigen Umstände ihren Schmerz. ihre tiefe Armut. »Tief« bedeutet »der Tiefe gemäß« oder »sehr tief«. »Armut« spricht von schwerstem wirtschaftlichen Missstand, und zwar solcher Art, dass der Betreffende zum Bettler wurde. die Schätze ihrer Freigebigkeit. Das gr. Wort für »Freigebigkeit« kann auch mit »Großmut« oder »Aufrichtigkeit« übersetzt werden. Es ist das Gegenteil von Doppeldeutigkeit oder zwiespältiger Gesinnung. Die Mazedonier waren reich in ihrer einfältigen, selbstlosen Großzügigkeit gegenüber Gott und anderen.
8,3 Paulus hebt drei Aspekte hervor, die das Geben der Mazedonier auszeichneten und das Konzept der freiwilligen Zuwendungen zusammenfassten: 1.) »nach ihrem Vermögen«. Das Geben muss angemessenen sein – Gott schreibt keinen festen Betrag oder Prozentsatz vor und erwartet von den Gläubigen, dass sie ihren Mitteln entsprechend geben (Lk 6,38; 1Kor 16,2); 2.) »über ihr Vermögen«. Zuwendungen sind Opfer. Die Gläubigen müssen entsprechend ihrer Mittel geben, und doch müssen die Anteile Opfercharakter haben (vgl. Mt 6,25-34; Mk 12,41-44; Phil 4,19); und 3.) »bereitwillig« – wörtl. »aus eigenem Entschluss«. Das Geben geschieht freiwillig – Christen geben nicht aus Zwang, Manipulation oder Angst. Es war stets Gottes Plan, dass Gaben freiwillig erfolgen sollten (vgl. 9,6; 1Mo 4,2-4; 8,20; 2Mo 25,1.2; 35,4.5.21.22; 36,5-7; 4Mo 18,12; 5Mo 16,10.17; 1Chr 29,9; Spr 3,9.10; 11,24; Lk 19,1-8). Das freiwillige Geben darf nicht mit dem Zehnten verwechselt werden. Der Zehnte war die Abgabe an das nationale Steuersystem Israels (s. Anm. zu 3Mo 27,30) und fi ndet im NT und heute seine Parallele in den Steuerzahlungen (s. Anm. zu Mt 22,21; Röm 13,6.7).
8,4 die Liebesgabe und [ihre] Gemeinschaft. »Gabe« bedeutet »Gnade«. Die mazedonischen Christen baten Paulus um die besondere Gnade, mit den armen Heiligen in Jerusalem Gemeinschaft haben und sie partnerschaftlich unterstützen zu können. Für sie war das Geben keine Pfl icht, sondern ein Privileg (vgl. 9,7).
8,5 nicht nur [so], wie wir es erhofften. Die Reaktion der ma- zedonischen Gemeinden übertraf Paulus’ Erwartungen bei Weitem. zuerst. Nicht zeitlich, sondern von ihrer Priorität her. Die höchste Priorität der Mazedonier war es, sich selbst als Opfer für Gott zur Verfügung zu stellen (vgl. Röm 12,1.2; 1Pt 2,5). Großzügiges Geben folgt auf persönliche Hingabe.
8,6 dass wir Titus zuredeten. Titus hatte die Korinther bereits mindestens ein Jahr zuvor aufgefordert, mit der Sammlung zu beginnen. Als er mit dem Tränenbrief nach Korinth zurückkehrte (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), ermunterte Paulus ihn, den Gläubigen beim Abschluss der Geldsammlung zu helfen, mit der den armen Gläubigen in Jerusalem geholfen werden sollte.
8,7 in allem reich. Die Korinther sollten in Übereinstimmung mit anderen christlichen Tugenden geben, die Paulus bei ihnen bereits erkannt hatte: »Glauben« – heiligendes Vertrauen auf den Herrn, »Wort« – gesunde Lehre, »Erkenntnis« – die Anwendung der Lehre«, »Eifer« – Fleiß und geistliche Leidenschaft und »Liebe« – freiwillige Liebe, inspiriert durch ihre Führer.
8,8 nicht als Gebot. Freiwilliges Geben ist niemals eine Pfl icht oder ein Gebot (s. Anm. zu V. 3).
8,9 obwohl er reich war. Ein Hinweis auf die Ewigkeit und Präexis- tenz Christi. Als zweite Person der Trinität ist Christus so reich wie Gott. Ihm gehört alles und er besitzt alle Macht, Autorität, Souveränität, Herrlichkeit, Ehre und Majestät (vgl. Jes 9,5; Mi 5,1; Joh 1,1; 8,58; 10,30; 17,5; Kol 1,15-18; 2,9; Hebr 1,3). arm wurde. Das bezieht sich auf Christi Fleischwerdung (vgl. Joh 1,14; Röm 1,3; 8,3; Gal 4,4; Kol 1,20; 1Tim 3,16; Hebr 2,7). Er legte die unabhängige Ausübung all seiner göttlichen Vorrecht ab, verließ seinen Platz bei Gott, nahm Menschengestalt an und starb wie ein Verbrecher am Kreuz (Phil 2,5-8). damit ihr durch seine Armut reich würdet. Durch das Opfer und die Armut Christi werden die Gläubigen geistlich reich (Phil 2,5-8). Sie werden reich in ihrer Errettung, Vergebung, Freude, im Frieden und in Ehre (vgl. 1Kor 1,4.5; 3,22; Eph 1,3; 1Pt 1,3.4). Sie werden Miterben Christi (Röm 8,17).
8,10 Rat. Paulus befahl den Korinthern nicht, einen bestimmten Be- trag zu geben. Er war jedoch der Meinung, dass ein großzügiges Geben zu ihrem Vorteil sei. Denn dann würden sei übermäßig mehr von Gott empfangen, sowohl an materiellem Segen, geistlichem Segen und ewigem Lohn (vgl. 9,6; Lk 6,38).
8,11 dass ihr … das Tun vollbringt. Die Korinther mussten das Be- gonnene beenden und die Sammlung zu Ende führen (vgl. Lk 9,62; 1Kor 16,2). Sie brauchten diese Erinnerung, denn sie hatten die Sammlung wahrscheinlich unter dem Einfl uss der falschen Lehrer unterbrochen. Diese falschen Apostel beschuldigten Paulus vermutlich als Hausierer, der das Geld für sich behalten wollte (vgl. 2,17).
8,12 Bereitwilligkeit. Paulus sprach von einer Bereitschaft und einem Eifer zum Geben. Gott geht es vor allem um die Herzenshaltung des Gebers und nicht um den Geldbetrag (vgl. 9,7; Mk 12,41-44). entsprechend dem, was er hat. Der Besitz des Gläubigen ist die Quelle, aus der er geben sollte (s. Anm. zu V. 3). Das ist der Grund, weshalb das NT nirgends feste Beträge oder Prozentsätze angibt. Daraus folgt: Wenn jemand viel hat, kann er viel geben; wenn er wenig hat, kann er nur wenig geben (vgl. 9,6). nicht entsprechend dem, was er nicht hat. Gläubige brauchen sich nicht verschulden, um anderen etwas zuzuwenden, und brauchen sich auch nicht bis zur Armutsgrenze fi nanziell verausgaben. Gott fordert die Gläubigen niemals auf, sich selbst in Armut zu stürzen. Die Mazedonier erhielten von Gott einen besonderen Segen der Gnade, um so geben zu können, wie sie es taten.
8,14 Ausgleich. Von diesem gr. Wort stammt das Fremdwort »Isosta- sie« ab, das einen Zustand des Gleichgewichts bezeichnet. Somit könnte der Begriff auch mit »Gleichgewicht« oder »Ausgewogenheit« übersetzt werden. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass im Leib Christi solche Gläubige, die mehr haben, als sie brauchen, denen helfen sollten, die zu wenig haben (vgl. 1Tim 6,17.18). Das ist jedoch kein paulinisches System zur Umverteilung von Reichtum innerhalb der Gemeinde, sondern vielmehr eine Vorkehrung, um die Grundbedürfnisse zu erfüllen.
8,15 wie geschrieben steht. Ein Zitat aus 2Mo 16,18. Dass die Israeliten in der Wüste das Manna einsammelten, war eine passende Illustration für das Teilen von Gütern. Manche Israeliten konnten mehr sammeln als andere und teilten ihren Überschuss offenbar mit anderen. So litt niemand Mangel.
8,16 Titus. S. Anm. zu V. 6.
8,18 den Bruder. Dieser Mann bleibt ungenannt, weil er wohl bekannt, prominent und unantastbar war. Er war ein ausgezeichneter Prediger und konnte dem Vorhaben, das eingesammelte Geld nach Jerusalem zu überbringen, Glaubwürdigkeit verleihen.
8,19 von den Gemeinden … erwählt. Um Paulus und Titus vor falschen Beschuldigungen der Veruntreuung zu schützen, wählten die Gemeinden diesen unvoreingenommen Bruder (V. 18) als ihren Repräsentanten, um dem Unternehmen Verantwortlichkeit zu verleihen. zur Ehre des Herrn selbst. Als Schutzmaßnahme davor, dass Christus wegen möglicher Veruntreuung des Geldes verunehrt werden könnte, wünschte Paulus eine sorgfältige Prüfung. Er wollte jeden Anstoß vermeiden, der Anlass zu berechtigter Kritik oder Anschuldigung geben könnte.
8,21 auf das bedacht sind, was recht ist. Oder »was ehrbar ist«. Paulus war sehr besorgt darum, wie die Leute über sein Verhalten dachten, insbesondere in Anbetracht der Höhe der Geldgabe.
8,22 unseren Bruder. Ein drittes Mitglied der Delegation, die zur Überbringung der Gabe ausgesandt wurde. Er bleibt ebenfalls ungenannt.
8,23 mein Gefährte und Mitarbeiter. Titus war Paulus’ »Gefährte« – sein enger Partner und Mitarbeiter unter den Korinthern. Sie kannten bereits seinen herausragenden Charakter. Gesandte der Gemeinden. Wörtl. »Apostel«. Die beiden Begleiter von Titus waren Apostel in dem Sinne, dass sie von den Gemeinden beauftragt und ausgesandt worden waren. Man kann sie nicht als Apostel Christi bezeichnen (11,13; 1Th 2,6), denn sie waren keine Augenzeugen des auferstandenen Herrn und waren nicht direkt von ihm beauftragt (s. Anm. zu Röm 1,1). Ehre des Christus. Das größte Lob überhaupt ist, wenn einem zugeschrieben wird, dass man Christus ehrt. Auf die beiden Gesandten traf das zu.
9,1 Dienst für die Heiligen. Die Gabe, die sie für die Jerusalemer Gläubigen einsammelten (s. Anm. zu 8,4).
9,2 Paulus rief die Korinther einfach auf, zurückzukehren zu ihrer ur- sprünglichen Freudigkeit und Bereitwilligkeit für dieses Spendenprojekt. Aufgrund der Verwirrung und Lügen, die die falschen Lehrer verbreitet hatten (Paulus sei ein Betrüger, dem es nur ums Geld ginge), waren die Gläubigen in dieser Sache auf ein Nebengleis geführt worden. den Mazedoniern. Gläubige in den Gemeinden in der Provinz Mazedonien, dem nördlichen Teil Griechenlands (s. Anm. zu 8,1-5; Apg 16,9; s. Einleitung zu 1. Thessalonicher: Hintergrund und Umfeld). Achaja. Eine Provinz in Südgriechenland. Dort lag Korinth (s. Anm. zu Apg 18,12; s. Einleitung zu 1. Korinther: Hintergrund und Umfeld).
9,5 vorher angekündigte Segensgabe. Als die Korinther von der Not in Jerusalem hörten, hatten sie Paulus zweifellos einen hohen Beitrag zugesagt. Gabe des Geizes. Das gr. Wort für »Geiz« bedeutet auch »Habgier«, »Neid«, »Begehren« und bezeichnet ein Streben nach mehr, um es auf Kosten anderer für sich zu behalten. Diese Haltung ins ein Ausdruck von Selbstsucht und Stolz. Diese Charakterzüge können dem Geben sehr abträglich sein und entsprechen der Natur des Ungläubigen, sollten aber bei bekennenden Gläubigen nicht zu fi nden sein (vgl. Ps 10,3; Pred 5,9; Mi 2,2; Mk 7,22; Röm 1,29; 1Kor 5,11; 6,9.10; Eph 5,35; 1Tim 6,10; 2Pt 2,14).
9,6 Das simple, offensichtliche Prinzip aus der Landwirtschaft, dass die Ernte proportional zur Menge des ausgestreuten Samens ausfällt, wendet Paulus hier auf das Geben des Christen an (vgl. Spr 11,24.25; 19,17; Lk 6,38; Gal 6,7). im Segen. Wenn ein großzügiger Gläubiger im Glauben und Vertrauen auf Gott gibt, mit dem Wunsch, den größtmöglichen Segen hervorzubringen, dann wird er diesen geistlichen Erntesegen empfangen (vgl. Spr 3,9.10; 28,27; Mal 3,10). Gott erstattet den investierten Betrag. Investiere wenig – empfange wenig; und umgekehrt gilt das gleiche (vgl. Lk 6,38).
9,7 wie er es sich im Herzen vornimmt. Der Begriff, der mit »vor- nehmen« übersetzt ist, kommt nur hier im NT vor und bezeichnet einen vorsätzlichen, vorausbestimmten Handlungsplan, der freiwillig und von Herzen, aber nicht impulsiv ausgeführt wird. Das ist ein uraltes biblisches Prinzip des Gebens (s. Anm. zu 8,3; vgl. 2Mo 25,2). widerwillig. Wörtl. mit »Traurigkeit«, »Sorge« oder »Gram«, also in einer Haltung der Bedrückung, des Bedauerns und Widerstrebens. Das ist eine Begleiterscheinung, wenn man etwas strikt aus Pfl ichtgefühl tut, aber nicht mit Freude. gezwungen. Oder »Notwendigkeit«. Das bezeichnet äußeren Druck und Zwang, was wahrscheinlich mit Gesetzlichkeit einhergeht. Gläubige sollen nicht aufgrund von Forderungen anderer geben, oder aufgrund von willkürlichen Maßstäben oder festgelegten Beträgen. einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott hat eine einzigartige, besondere Liebe zu denen, die freudig zu einem großzügigen Geben entschlossen sind. Vom gr. Wort für »fröhlich« stammt der Begriff »Hilarität« ab, eine veraltete Bezeichnung für Heiterkeit. Das zeigt, dass Gott ein Herz liebt, das von Begeisterung über die Freude des Gebens erfüllt ist.
9,8 jede Gnade im Überfl uss zu spenden. Gott besitzt unend- lich viel Gnade und er gibt sie freigebig, ohne zurückzuhalten (vgl. 1Chr 29,14). Hier bezieht sich Gnade nicht auf geistliche Gnaden, sondern auf Geld und materielle Bedürfnisse. Wenn der Gläubige großzügig – und weise – von seinen materiellen Mitteln weitergibt, wird Gott diese Mittel in seiner Gnade wieder aufstocken. So hat der Gläubige stets reichlich und wird in keine Not geraten (vgl. 2Chr 31,10). alle Genüge. In der säkularen gr. Philosophie bezeichnete dieser Begriff die stolze Selbstgenügsamkeit, die angeblich zu wahrem Glück führte. Paulus heiligt diesen säkularen Begriff und sagt, dass nicht der Mensch, sondern Gott Vorsorge treffen wird für alles, was zu wahrem Glück und Zufriedenheit nötig ist (vgl. Phil 4,19). überreich … zu jedem guten Werk. Großzügigen, freudigen Gebern erstattet Gott freigebig zurück. Das tut er zwar nicht, damit sie sich eigennützige, überfl üssige Wünsche erfüllen können, aber damit sie anderen in ihren vielfältigen Bedürfnissen helfen können (vgl. 5Mo 15,10.11). 9,9 Paulus bringt nun einen Beleg aus dem AT (Ps 112,9), um seine Aussage über das göttliche Prinzip des Gebens zu unterstützen. Gott erstattet dem gerechten Geber und belohnt ihn sowohl hier auf der Erde als auch in der Ewigkeit.
9,10 Aus Jes 55,10 bezieht Paulus einen weiteren Beleg des AT. Der- selbe Gott, der treu alle körperlichen Bedürfnisse seiner Geschöpfe erfüllt und zu allen Menschen gütig ist, ist zu seinen Kindern besonders gnädig. Er erfüllt stets seine Verheißung, auf ihre Großzügigkeit mit Erstattung zu reagieren. die Früchte eurer Gerechtigkeit. Gottes zeitlicher und ewiger Segen für den freudigen Geber (vgl. Hos 10,12).
9,12 Besorgung dieses Dienstes. »Dienst« ist ein priesterlicher Ausdruck, von dem unser Begriff »Liturgie« abstammt. Paulus sah das ganze Sammlungsprojekt als geistliches, gottesdienstliches Unternehmen an, das in erster Linie Gott als Opfer dargebracht wurde, um ihn zu ehren. füllt nicht nur den Mangel der Heiligen aus. Das gr. Wort für »ausfüllen« ist ein doppelt verstärkter Ausdruck, der wörtl. übersetzt lautet: »zusätzlich vollständig ausfüllen«. Das weist darauf hin, dass die Gemeinde in Jerusalem in sehr großer Not war. Viele waren nach Jerusalem gepilgert, um dort das Pfi ngstfest zu feiern (s. Anm. zu Apg 2,1.5-11), hatten sich unter Petrus’ Predigt bekehrt und waren dann ohne ausreichende fi nanzielle Mittel in der Stadt geblieben. Zweifellos hatten viele Bewohner Jerusalems ihre Arbeit verloren, als nach der Steinigung von Stephanus die erste Welle der Verfolgung aufkam (Apg 8,1). Die Korinther waren jedoch wohlhabend genug (sie hatten noch keine Verfolgung und Verarmung erlitten wie die Mazedonier; 8,1-4), um dem immensen Bedarf durch eine großzügige Geldgabe Abhilfe zu leisten (s. Anm. zu 9,5).
9,13 den Beweis dieses Dienstes. Die Sammlung bot den Korin- thern auch eine wichtige Gelegenheit, ihren Glauben auf Echtheit zu überprüfen (vgl. Jak 1,22; 1Joh 2,3.4). Die jüdischen Gläubigen, die bereits an der Echtheit der Errettung der Heiden zweifelten, sahen die Korinther besonders skeptisch, da es in der dortigen Gemeinde so viele Probleme gab. Wenn sich die Korinther an der Sammlung beteiligten, würde das diese Zweifel aufheben. Gehorsam eures Bekenntnisses. Gehorsame Unterwerfung unter Gottes Wort ist stets ein Indiz für ein echtes Bekenntnis zu Christus als Herrn und Erretter (Eph 2,10; Jak 2,1420; vgl. Röm 10,9.10). Wenn die Korinther auf Paulus’ Kollekte entsprechend reagierten und sich daran beteiligten, würden die jüdischen Gläubigen erkennen, dass die Bekehrungen der Heiden echt waren.
9,14 Dieser Vers illustriert die Wahrheit, dass gegenseitiges Fürbitte- gebet das Herzstück echter christlicher Einheit ist. Als die Gläubigen in Jerusalem merkten, dass die Korinther sich an der Sammlung beteiligten und dass folglich Gott dort in der Gemeinde wirkte (s. Anm. zu V. 13), wurden sie Freunde in Christus, beteten für die Korinther und dankten Gott für ihre großzügige Liebesgabe. überschwänglichen Gnade Gottes. Der Geist Gottes wirkte auf besondere Weise an den Korinthern (s. Anm. zu V. 13).
9,15 Paulus fasst seinen Diskurs zusammen und vergleicht dazu das Geben des Gläubigen mit dem, was Gott tat, als er Jesus Christus gab (vgl. Röm 8,32), »seine unaussprechliche Gabe«. Gott gab seinen Sohn in den Tod und erhielt dafür eine reiche Ernte von Gläubigen, die ihr Vertrauen auf den auferstandenen Christus gesetzt haben (vgl. Joh 12,24). Daher ist es für Gläubige möglich, mit Freude aufopfernd und reichlich zu säen und zu ernten. Wenn sie in dieser Weise geben, zeigen sie Christusähnlichkeit (vgl. Joh 12,25.26; Eph 5,1.2).
10,1 – 13,14 Hier ändert sich der Tonfall von Kap. 1-9 plötzlich. Das hat zu verschiedenen Erklärungen geführt, in welcher Beziehung die Kap. 10-13 zu 1-9 stehen. Manche Gelehrte meinen, Kap. 10-13 habe ursprünglich zum »Tränenbrief« gehört (2,4) und gehöre daher chronologisch vor Kap. 1-9. Die Kap. 10-13 können jedoch nicht vor Kap. 1-9 geschrieben worden sein, da sie Titus’ Besuch als vergangen erwähnen (12,18; vgl. 8,6). Außerdem wird der Übeltäter, dessen Ungehorsam gegenüber Paulus den »Tränenbrief« veranlasste (2,5-8), in Kap. 10-13 nirgends erwähnt. Andere stimmen zu, dass Kap. 10-13 auf Kap. 1-9 folgen, glauben jedoch, diese Kapitel bildeten einen eigenständigen Brief. Nachdem Paulus Kap. 1-9 an die Korinther geschickt hatte – so nehmen sie an –, wurde ihm von neuen Problemen in Korinth berichtet, worauf er mit den Kap. 10-13 reagierte. Eine Variante dieser Ansicht besagt, Paulus habe die Abfassung des 2. Korintherbriefes nach Kap. 9 unterbrochen und dann schlechte Nachrichten aus Korinth empfangen, bevor er mit Kap. 10-13 fortfuhr. Diese Sicht bewahrt zwar die Einheit des 2. Korintherbriefes, aber Paulus erwähnt nirgends in den Kap. 10-13, dass er Nachrichten aus Korinth empfangen habe. Die beste Auslegung sieht 2. Korinther als einheitlichen Brief, wobei sich Kap. 1-9 an die bußfertige Mehrheit richtet (vgl. 2,6) und Kap. 10-13 an die Minderheit, die immer noch von den falschen Lehrern beeinfl usst war. Für diese Sichtweise gibt es folgende Belege: 1.) Es gibt keine historischen Indizien darauf (aus gr. Handschriften, den Schriften der Kirchenväter oder aus frühen Übersetzungen), dass Kap. 10-13 jemals als eigenständiger Brief im Umlauf war; alle gr. Handschriften enthalten diese Kapitel im Anschluss an Kap. 1-9. 2.) Der Unterschied im Tonfall zwischen Kap. 10-13 und 1-9 wurde übertrieben dargestellt (vgl. 11,11; 12,14 mit 6,11; 7,2). 3.) Die Kap. 10-13 sind die logische Schlussfolgerung aus Kap. 1-9, da Paulus die Korinther auf seinen angekündigten Besuch vorbereitet (1,15.16; 2,1-3). 10,1 Sanftmut. Die demütige und sanfte Haltung, die in geduldi- gem Ertragen ungerechter Behandlung zum Ausdruck kommt. Ein sanftmütiger Mensch ist nicht verbittert oder ärgerlich und rächt sich nicht, wenn ihm Unrecht getan wird. S. Anm. zu Mt 5,5. Freundlichkeit. Dieser Begriff hat eine ähnliche Bedeutung wie Sanftmut. Bei Autoritätspersonen bezeichnet er Nachsicht und Milde. Freundliche Menschen üben keine Vergeltung, auch wenn diese in ihrer Macht steht (Phil 4,5). demütig … mutig gegen euch. Paulus wiederholt sarkastisch eine weitere Eigenschaft, die die Korinther ihm vorwarfen. Leider hatten sie seine Sanftmut und Freundlich missverstanden und als Schwäche gedeutet. Außerdem warfen sie ihm Feigheit vor; er sei nur dann mutig, wenn er ihnen aus weiter Ferne schreibe (vgl. V. 10).
10,2 Paulus war sehr wohl zu einer kühnen, furchtlosen Konfrontati- on imstande (vgl. Gal 2,11). Da er aber die Korinther verschonen wollte (vgl. 1,23), bat er die rebellische Minderheit inständig, dass sie ihn nicht dazu zwingen, seine Kühnheit zu zeigen und sie zurechtzuweisen. Wenn nötig, würde er das tun, warnte er sie.
10,3 im Fleisch wandeln. Paulus’ Gegner in Korinth hatten ihn fälschlicherweise beschuldigt, im moralischen Sinn fl eischlich zu leben (vgl. Röm 8,4). Paulus griff diesen Vorwurf auf und bestätigte, dass er im natürlichen Sinn im Fleisch lebt. Obgleich er die Macht und Autorität eines Apostels Jesu Christi hatte, war er ein echter Mensch (vgl. 4,7.16; 5,1). kämpfen … nicht nach Art des Fleisches. Wenngleich er Mensch war, so kämpfte Paulus den geistlichen Kampf um Menschenseelen nicht mit menschlicher Raffi nesse, weltlicher Weisheit oder ausgefeilten Methoden (vgl. 1Kor 1,17-25; 2,1-4). Solche ungeeigneten Waffen können keine Seelen aus der Gewalt der Finsternis befreien und sie zur Reife in Christus bringen. Sie sind nicht imstande, satanische Angriffe auf das Evangelium erfolgreich abzuwehren, wie sie z.B. vonseiten der falschen Apostel in Korinth verübt wurden.
10,4 unseres Kampfes. Der Vergleich des Lebens als Christ mit ei- nem Gefecht ist im NT üblich (vgl. 6,7; Eph 6,10-18; 1Tim 1,18; 2Tim 2,3.4; 4,7). fl eischlich. Menschlich. S. Anm. zu V. 3. Festungen. Diese Metapher war für die Korinther ohne weiteres zu verstehen, da Korinth eine Festung hatte (auf einer Erhebung südlich der Stadt), wie die meisten antiken Städte. Dort fanden die Stadtbewohner bei Gefahr Zufl ucht. Die gewaltigen geistlichen Festungen, in denen sich die Streitkräfte der Hölle verschanzen, können nur bezwungen werden durch geistliche Waffen in der Hand hingegebener Gläubiger. Von vornehmlicher Bedeutung ist hier das »Schwert des Geistes« (Eph 6,17), da nur die Wahrheit des Wortes Gottes die satanischen Lügen besiegen kann. Das ist wahre geistliche Kriegsführung. Das NT fordert Gläubige nirgends auf, Dämonen oder Satan anzugreifen (s. Anm. zu Jud 9), sondern gegen Irrtum mit Wahrheit vorzugehen. Das ist unser Kampf (vgl. Joh 17,17; Hebr 4,12).
10,5 Vernunftschlüsse. Gedanken, Vorstellungen, Mutmaßungen, Ansichten, Philosophien und falsche Religionen sind die ideologischen Festungen, in denen sich die Menschen vor Gott und dem Evangelium verbarrikadieren (vgl. 1Kor 3,20). jeden Gedanken gefangen nehmen. Das betont die völlige Zerstörung der Festung menschlicher und satanischer Weisheit und die Errettung der darin Gefangenen aus der Sklaverei der verdammenden Lügen.
10,6 Paulus wollte nicht müßig dastehen und zusehen, während die Feinde des Glaubens eine Gemeinde überfi elen, die unter seiner Fürsorge stand. Er war bereit, die Gemeinde zu reinigen und die falschen Lehrer hinauszutun (wie er es in Ephesus tat; 1Tim 1,19.20), sobald die Gemeinde in Korinth vollständig gehorsam war. Als das der Fall war, wurden klare Linien gezogen zwischen der bußfertigen, gehorsamen Mehrheit und der widerspenstigen, ungehorsamen Minderheit.
10,7 Schaut ihr auf das, was vor Augen liegt? Aufgrund des gr. Verbs »schauen« wird dieser Satz besser als Imperativ oder Befehl übersetzt: »Schaut auf das, was offensichtlich ist, auf die Fakten, seht den Tatsachen ins Gesicht.« Wie war es im Licht dessen, was sie über Paulus wussten (vgl. 1Kor 9,1.2), möglich, dass einige Korinther ihn für einen falschen Apostel hielten und meinten, die falschen Lehrer seien richtige Apostel? Im Gegensatz zu Paulus hatten die falschen Apostel noch keine Gemeinde initiiert und hatten keine Verfolgung um Christi willen erlitten. Als Zeugen für sein Erlebnis auf dem Weg nach Damaskus konnte Paulus seine Begleiter und sogar Ananias anführen. Die falschen Apostel jedoch hatten keine Zeugen, die ihre angebliche Begegnung mit dem auferstandenen, verherrlichten Christus bestätigen konnten. Wenn jemand von sich selbst überzeugt ist, dass er Christus angehört. Die Behauptung der falschen Apostel, zu Christus zu gehören, kann auf viererlei Weise verstanden werden: 1.) dass sie Christen waren, 2.) dass sie Jesus während seines irdischen Lebens gekannt hatten, 3.) dass sie einen apostolischen Auftrag von ihm hatten oder 4.) dass sie eine höhere, geheime Erkenntnis von ihm hatten. Ihre Behauptung, diese 4 Punkte würden alle oder zumindest teilweise auf sie zutreffen, bedeutet, dass sie Paulus alle diese Punkte absprachen. auch wir Christus angehören. Um der Argumentation willen stritt Paulus an dieser Stelle die Behauptungen der falschen Apostel nicht ab (wie er es später in 11,13-15 tat). Er stellte lediglich heraus, dass auch er behaupten kann und tatsächlich behauptet, zu Christus zu gehören. Um zwischen zwei sich gegenseitig widersprechenden Behauptungen zu unterscheiden, brauchten die Korinther nur die objektiven Tatsachen betrachten. Dazu hatte Paulus sie in diesem Vers bereits aufgefordert.
10,8 Die Debatte mit den falschen Aposteln hatte Paulus gezwun- gen, seine Autorität mehr zu betonen, als ihm lieb war. Normalerweise hielt er sich mit seinen Autoritätsansprüchen zurück, weil er von Demut geprägt war. Doch so viel er auch über seine Autorität sagte, brachte ihn das nie in Verlegenheit. Da er die Autorität, von der er sprach, wirklich hatte, konnte man ihn niemals leerer Behauptungen bezichtigen. Der Herr gab Paulus die Autorität, die Gemeinde aufzuerbauen und zu stärken. Sein wirksamer Dienst in Korinth beweist, dass er zu Recht eine apostolische Berufung beanspruchte. Der Einfl uss der falschen Apostel hingegen war alles andere als auferbauend für die Gemeinde; sie sorgten in der Gemeinde nur für Verwirrung, Spaltung und Aufruhr. Das zeigt, dass ihre Autorität nicht vom Herrn stammte, der seine Gemeinde nicht niederreißen, sondern auferbauen will (vgl. Mt 16,18).
10,9 euch durch die Briefe einschüchtern. Die falschen Apostel hatten Paulus beschuldigt, ein schlechter Führer zu sein, der die Korinther mit seinen Briefen (wie z.B. den »Tränenbrief«, s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld) nur einschüchtern wollte. Paulus’ Ziel war jedoch nicht, die Korinther in Schrecken zu versetzen, sondern weil er sie liebte (vgl. 7,2.3; 11,11; 12,15), wollte er sie zur Buße führen (vgl. 7,9.10).
10,10 Bei ihren ständigen Versuchen, Paulus in Misskredit zu brin- gen, behaupteten die falschen Apostel: Im Gegensatz zu seinen kühnen, kraftvollen Briefen fehle es Paulus persönlich an Ausstrahlung, Charisma und Persönlichkeit, wie es einem wahrhaft großen Führer zustehen würde. Zweifellos unterstützten sie ihre Behauptung, indem sie Paulus’ Abschied nach seinem »Schmerzensbesuch« (2,1; vgl. Einleitung: Hintergrund und Umfeld) so schilderten, als habe er sich nach einem erbärmlichem Versagen zurückgezogen. Und in einer Kultur, in der geschickte Rhetorik und eloquente Rede hoch angesehen war, wurde Paulus’ »verachtenswerte« Sprache ebenfalls als Anzeichen dafür hingestellt, dass er schwach und unwirksam sei.
10,11 Paulus stritt die falschen Anschuldigungen ab und bekräftigte seine Lauterkeit. Wenn er bei ihnen anwesend sein werde, dann werde er derselbe sein wie in seinen Briefen.
10,12 uns denen zuzurechnen oder gleichzustellen. Es ist ein Kennzeichen für Paulus’ Demut, dass er sich weigerte, sich mit anderen zu vergleichen oder für sich selber Werbung zu machen. Persönlich ging es ihm nur darum, was der Herr von ihm dachte (vgl. 1Kor 4,4). Trotzdem musste er seine Apostelschaft verteidigen, damit die Korinther sich nicht von der Wahrheit ab und den Lügen zuwendeten. sich mit sich selbst vergleichen. Paulus stellte heraus, wie töricht die Prahlerei der falschen Apostel ist. Sie führten eigene, falsche Maßstäbe ein, die sie erfüllen konnten und dann stellten sie sich selbst als etwas Besseres dar, weil sie imstande waren, diesen Maßstäben zu entsprechen.
10,13 nicht ins Maßlose rühmen. Im Gegensatz zu den stolzen, überheblichen und prahlerischen falschen Aposteln weigerte Paulus sich, etwas über sich selbst oder seinen Dienst zu sagen, was nicht stimmte und nicht von Gott gegeben war. Maß des Wirkungskreises, den uns Gott als Maß zugemessen hat. Paulus gab sich damit zufrieden, innerhalb der Grenzen des Dienstes zu bleiben, den Gott ihm zugeteilt hatte, nämlich Apostel für die Heiden zu sein (Röm 1,5; 11,13; 1Tim 2,7; 2Tim 1,11). Somit umfasste Paulus’ Dienstbereich auch Korinth, wenngleich die falschen Apostel das Gegenteil behaupteten. Dass Paulus sich weigerte, sich seiner eigenen Errungenschaften zu rühmen und lieber davon sprach, was Christus durch ihn getan hatte (Röm 15,18; Kol 1,29), zeigte erneut seine Demut.
10,15 viel mehr Raum zu gewinnen, unserem Wirkungskreis gemäß. Wenn die Krise in Korinth überwunden und der Glaube der Korinther gestärkt wäre, wollte Paulus seinen Dienst mit ihrer Hilfe auf neue Gebiete ausdehnen. 10,16 in den Gebieten jenseits von euch. Z.B. in Rom (Apg 19,21) und Spanien (Röm 15,24.28).
10,17 Der Gedanke an Selbstverherrlichung war für Paulus abstoßend; er rühmte sich nur im Herrn (vgl. Jer 9,22.23; 1Kor 1,31; s. Anm. zu V. 13).
10,18 den der Herr empfi ehlt. S. Anm. zu V. 12. Sich selbst zu empfehlen ist sowohl bedeutungslos als auch töricht; die einzig wahre, bedeutsame Empfehlung kommt von Gott.
11,1 ein wenig in [meiner] Torheit. Nachdem Paulus soeben herausgestellt hat, wie töricht es ist, sich selbst zu empfehlen (10,18), wollte er gewiss nicht selber diese Torheit begehen. Da die Korinther jedoch die Behauptungen der falschen Apostel angenommen hatten, war Paulus gezwungen, die Zeugnisse für seine eigene Apostelschaft vorzuweisen (vgl. 12,11). Nur so konnte er sie dazu bewegen, die Wahrheit zu sehen (s. Anm. zu 10,7). Im Gegensatz zu den falschen Aposteln rühmte Paulus sich jedoch im Herrn (10,17) und sein Rühmen war motiviert von der Sorge um das Wohlergehen der Korinther unter der Bedrohung falscher Lehren (vgl. V. 2; 12,19).
11,2 ich eifere um euch. Oder: »ich bin eifersüchtig«. Der Grund für Paulus’ »Torheit« (s. Anm. zu V. 1) war seine tiefe Sorge um die Korinther. Diese Sorge ging so weit, dass sie sogar als »Eifersucht« bezeichnet werden konnte. Dabei ging es ihm nicht um seinen eigenen Ruf, sondern um ihre geistliche Reinheit (s. Anm. zu V. 3). göttlichem Eifer. Oder »Eifersucht«. Diese Eifersucht war inspiriert vom Eifer für die Sache Gottes und glich somit Gottes eigener Eifersucht, mit der er für seinen heiligen Namen und um die Treue seines Volkes eifert (vgl. 2Mo 20,5; 34,14; 5Mo 4,24; 5,9; 6,15; 32,16.21; Jos 24,19; Ps 78,58; Hes 39,25; Nah 1,2). ich habe euch einem Mann verlobt. Als ihr geistlicher Vater (12,14; 1Kor 4,15; vgl. 9,1.2), beschrieb Paulus die Korinther als eine Tochter, die er mit Jesus Christus verlobt hatte (bei ihrer Bekehrung). Das AT stellt Israel als Ehefrau des Herrn dar (vgl. Jes 54,5; Jer 3,14; Hos 2,21.22), das NT hingegen beschreibt die Gemeinde als Braut Christi (Eph 5,22-32; Offb 19,7). keusche Jungfrau. Nachdem er die Korinther Christus verlobt bzw. versprochen hatte, wollte Paulus, dass sie bis zum Hochzeitstag rein blieben (vgl. Offb 19,7). Aufgrund dieses leidenschaftlichen Anliegens war Paulus eifersüchtig (s. Anm. zu V. 1) und zeigte die Zeugnisse für seine Apostelschaft auf.
11,3 Paulus verglich die Gefahr, vor der die Gemeinde in Korinth stand, mit der Verführung Evas durch Satan. Er befürchtete, dass die Korinther wie Eva satanischen Lügen zur Beute fallen werden und ihr Denken verdorben wird. Das tragische Ergebnis wäre die Preisgabe ihrer einfältigen Hingabe an Christus zugunsten des raffi nierten Irrtums der falschen Apostel. Paulus’ Anspielung auf 1Mo 3 bedeutet, dass die falschen Apostel Abgesandte Satans waren, was er später noch ausdrücklich herausstellte (V. 13-15).
11,4 der, welcher [zu euch] kommt. Die falschen Apostel kamen von außen in die Gemeinde, genau wie Satan von außen in den Garten Eden gelangte. Wahrscheinlich waren sie Juden aus Palästina (vgl. V. 22; Apg 6,1), die angeblich die Korinther unter die Oberhoheit der Gemeinde von Jerusalem bringen wollten. In gewissem Sinn waren sie Judaisten, die versuchten, den Korinthern jüdische Bräuche aufzuerlegen. Im Gegensatz jedoch zu den Judaisten in den Gemeinden Galatiens (vgl. Gal 5,2) bestanden die falschen Apostel in Korinth nicht darauf, dass die Gläubigen sich beschneiden lassen müssten. Sie praktizierten auch keine strenge Gesetzlichkeit, sondern förderten offenbar Freizügigkeit (vgl. 12,21). Aus ihrer Begeisterung für Rhetorik und Redekunst (vgl. 10,10) lässt sich erahnen, dass sie von der gr. Kultur und Philosophie beeinfl usst waren. Sie behaupteten (fälschlicherweise, vgl. Apg 15,24), dass sie die Jerusalemer Gemeinde repräsentierten und sogar Empfehlungsbriefe besaßen (s. Anm. zu 3,1). Mit ihrer Behauptung, die bedeutendsten der Apostel zu sein (V. 5), verachteten sie Paulus’ apostolischen Anspruch. Ihre Lehre mag zwar eine andere gewesen sein als die der galatischen Judaisten, doch war sie genauso todbringend. einen anderen Jesus … einen anderen Geist … ein anderes Evangelium. Trotz ihrer heftigen Angriffe auf Paulus war sein Streit mit den falschen Aposteln nicht von persönlicher, sondern von lehrmäßiger Natur. Er konnte diese Gegner ertragen, wenn sie das Evangelium Jesu Christi verkündigten (vgl. Phil 1,15-18). Da sie jedoch das wahre Evangelium verfälschten, verurteilte Paulus sie aufs Schärfste (vgl. Gal 1,6-9). Wenngleich genauere Details der Lehre der falschen Apostel unbekannt und nebensächlich sind, verkündeten sie jedenfalls »einen anderen Jesus« und »einen anderen Geist«, was auf »ein anderes Evangelium« hinauslief. so habt ihr das gut ertragen. Paulus befürchtete, dass die Korinther die verdammenden Lügen der falschen Apostel annehmen würden, und deshalb war er eifrig um sie besorgt (s. Anm. zu V. 2.3).
11,5 jenen »bedeutenden Aposteln«. Möglicherweise bezieht sich das auf die 12 Apostel. In diesem Fall erklärt Paulus hier, dass er den 12 in keiner Weise unterlegen war (vgl. 1Kor 15,7-9), wenn auch die falschen Apostel das Gegenteil behaupteten (sie sagten, sie seien von der Jerusalemer Gemeinde ausgesandt; s. Anm. zu V. 4). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich hier um eine sarkastische Bezeichnung für die falschen Apostel handelt, aufgrund ihrer überheblichen Selbstdarstellung. Es ist unwahrscheinlich, dass Paulus sich im Zusammenhang von falscher Lehre (vgl. V. 1-4) auf die 12 beziehen würde. Und auch der darauffolgende Vergleich bezieht sich offenbar nicht auf Paulus und die 12 (Paulus hätte seine Redegabe gewiss nicht vor den 12 verteidigen brauchen; vgl. Apg 4,13).
11,6 in der Rede ein Unkundiger. Paulus erkannte an, dass er keine rhetorische Ausbildung hatte, die in der gr. Kultur so hoch angesehen war (s. Anm. zu 10,10; vgl. Apg 18,24). Er war kein professioneller Redner, sondern Prediger des Evangeliums. nicht in der Erkenntnis (unkundig). Wenn Paulus’ Rhetorik auch mangelhaft war, so fehlte es ihm in der Erkenntnis jedoch an nichts. Damit meint er nicht seine rabbinische Ausbildung unter Gamaliel (Apg 22,3), sondern seine Erkenntnis des Evangeliums (vgl. 1Kor 2,6-11; Eph 3,1-5), die er direkt von Gott empfangen hatte (Gal 1,12).
11,7 unentgeltlich. Die gr. Kultur maß die Bedeutung eines Red- ners an dem Entgelt, das er forderte. Die falschen Apostel beschuldigten Paulus, er sei kein echter Redner, weil er für seine Dienste kein Geld nahm (vgl. 1Kor 9,1-15). Sie überzeugten die Korinther, sich darüber zu ärgern, dass Paulus eine fi nanzielle Unterstützung von ihnen ablehnte. Das war für sie ein Anzeichen, dass er sie nicht liebte (vgl. V. 11). Dass Paulus sich von eigener handwerklicher Arbeit ernährte (Apg 18,1-3), war den Korinthern ebenfalls peinlich, denn sie meinten, eine solche Tätigkeit sei unter der Würde eines Apostels. Mit beißender Ironie fragte Paulus seine Ankläger, wie es eine Sünde sein könne, auf sein Recht auf Unterstützung zu verzichten. Durch diesen Verzicht hatte er sich vielmehr gedemütigt, damit sie erhöht würden.
11,8 Andere Gemeinden habe ich beraubt. »Beraubt« ist ein sehr starker Begriff, der in der außerbiblischen gr. Literatur für Plünderung verwendet wird. Paulus nahm natürlich kein Geld von Gemeinden ohne ihr Einverständnis. Er will hier herausstellen, dass die Gemeinden, die ihn während seines Dienstes in Korinth unterstützten, keinen direkten Nutzen von ihrer Unterstützung hatten. Es bleibt unklar, weshalb Paulus sich weigerte, die ihm zustehende Unterstützung von den Korinthern anzunehmen (1Kor 9,15). Vielleicht verdächtigten ihn einige Korinther unlauterer Motive bei der Werbung für die Sammlung für Jerusalem (vgl. 12,16-18).
11,9 Brüder, die aus Mazedonien kamen. Silas und Timotheus (Apg 18,5), die Geld aus Philippi überbrachten (Phil 4,15) und möglicherweise aus Thessalonich (vgl. 1Th 3,6). Die großzügige fi nanzielle Unterstützung vonseiten der Mazedonier ermöglichte es Paulus, sich vollzeitig der Verkündigung des Evangeliums zu widmen. 11,10 dieser Ruhm. Über seinen unentgeltlichen Dienst (s. Anm. zu V. 7; vgl. 1Kor 9,15.18). Gegenden von Achaja. Die römische Provinz, deren Hauptstadt und Zentrum Korinth war (s. Anm. zu 9,2). Der Einfl uss der falschen Apostel ging offenbar über Korinth hinaus.
11,12 auch ferner tun. Dass Paulus die fi nanzielle Unterstützung vonseiten der Korinther ablehnte, war für die falschen Apostel ein Anlass zu Verlegenheit, da sie selbst eifrig auf Bezahlung ihres Dienstes aus waren. Paulus wollte seinen Dienst weiterhin unentgeltlich fortsetzen und somit die Behauptung der falschen Apostel untergraben, sie würden auf derselben Grundlage arbeiten wie er.
11,13 Nun spricht Paulus nicht mehr mit verhüllter Ironie oder zur Selbstverteidigung, sondern entlarvt die falschen Apostel klipp und klar als das, was sie sind: Abgesandte Satans. Nicht nur ihr Anspruch auf Apostelschaft war falsch, sondern auch ihre Lehre (s. Anm. zu V. 4). Als satanische Übermittler von Irrlehre standen sie unter dem Fluch von Gal 1,8.9. Paulus’ kraftvolle Ausdrucksweise mag schroff erscheinen, aber sie drückte seinen göttlichen Eifer für die Korinther aus (s. Anm. zu V. 2). Paulus war nicht bereit, die Wahrheit zugunsten der Einheit aufzuopfern. Vgl. 1Tim 4,12; 2Pt 2,1-17; Jud 8-13. 11,13 falsche Apostel. S. Anm. zu V. 4. 11,14.15 Da sich der Fürst der Finsternis (vgl. Lk 22,53; Apg 26,18; Eph 6,12; Kol 1,13) als Engel des Lichts verkleidet, d.h. auftritt als täuschend ähnlich getarnter Bote der Wahrheit, überrascht es nicht, dass auch seine Abgesandten das gleiche tun. Satan täuschte Eva (s. Anm. zu V. 3; Gen 3,1-7) und hält Ungläubige in Ketten (4,4; vgl. Eph 2,1-3); und so versuchten auch seine Abgesandten die Korinther zu täuschen und zu versklaven. Das schreckliche »Ende« dieser selbsternannten »Diener der Gerechtigkeit« wird das Gericht Gottes sein – das ist das Schicksal aller falschen Lehrer (Röm 3,8; 1Kor 3,17; Phil 3,19; 2Th 2,8; 2Pt 2,1.3.17; Jud 4.13).
11,16 Nach seinem Exkurs zum Thema fi nanzielle Unterstützung (V. 7-12) und nach seiner Entlarvung der falschen Lehrer als Abgesandte Satans (V. 13-15) kehrt Paulus zum »törichten« Rühmen zurück, zu dem die Korinther ihn gezwungen hatten (V. 1-6; s. Anm. zu V. 1). 11,16 Niemand soll mich für töricht halten! S. Anm. zu V. 1. Da einige Korinther (die den falschen Aposteln folgten), Paulus zu seinem Nachteil mit den falschen Aposteln verglichen, entschloss er sich, den Toren gemäß ihrer Torheit zu antworten (Spr 26,5). Paulus’ ging es nicht um Wahrung seiner Person. Er wusste vielmehr, dass die Korinther das wahre Evangelium zugunsten eines falschen verwerfen würden, wenn sie ihn zugunsten der falschen Apostel ablehnten. Mit der Verteidigung seiner selbst und seines Dienstes verteidigte Paulus daher das wahre Evangelium Jesu Christi.
11,17 Paulus erkannte an, dass Rühmen »nicht dem Herrn gemäß« ist (vgl. 10,1), aber die Notsituation in Korinth (wo sich die falschen Apostel »sich nach dem Fleisch rühmten«) zwang ihn, sich zu rühmen. Das tat er nicht zwecks Selbstverherrlichung (Gal 6,14), sondern um den falschen Lehren zu begegnen, die die Gemeinde in Korinth bedrohten (s. Anm. zu V. 16).
11,19 Diese Verse gehören zu den sarkastischsten, die Paulus jemals geschrieben hat. Das zeigt, wie ernst die Lage in Korinth war und wie sehr sich ein hingegebener Hirte um diese Not sorgte (s. Anm. zu V. 2). Paulus sah seinen Zwist mit den falschen Aposteln nicht als intellektuelle Debatte an, vielmehr standen die Seelen der Korinther und die Reinheit des Evangeliums auf dem Spiel. 11,19 Für die Korinther, so schrieb Paulus sarkastisch, sollte es kein Problem sein, einen »Toren« wie ihn zu ertragen, da sie ja selbst so weise waren (vgl. 1Kor 4,10)!
11,20 wenn jemand euch versklavt. Das gr. Verb, das mit die- sem Ausdruck übersetzt wurde, kommt im NT nur noch in Gal 2,4 vor, wo es die Versklavung der Galater unter die Judaisten bezeichnet. Die falschen Apostel hatte die Korinther ihrer Freiheit in Christus beraubt (vgl. Gal 5,1). aufzehrt. Oder: jemand euch »erbeutet«. Das bezieht sich wahrscheinlich darauf, dass die falschen Lehrer fi nanzielle Unterstützung forderten (dasselbe Verb steht in Lk 20,47, wo Jesus die Pharisäer beschuldigt, dass sie die Häuser der Witwen »verzehren«). einfängt. Die falschen Apostel versuchten die Korinther einzufangen wie Fische in ein Netz (vgl. Lk 5,5.6). sich überhebt. Eine Bezeichnung für jemanden, der anmaßend ist, vornehm tut, sich überheblich verhält oder sich über andere erhebt (vgl. 1Pt 5,3). ins Gesicht schlägt. Womöglich haben die falschen Apostel die Korinther körperlich misshandelt, aber wahrscheinlich wird dieser Ausdruck hier bildhaft verwendet (vgl. 1Kor 9,27) und bedeutet, dass die falschen Lehrer die Korinther gedemütigt haben. Jemanden ins Gesicht zu schlagen, war ein Zeichen der Geringschätzung und Verachtung (vgl. 1Kö 22,24; Lk 22,64; Apg 23,2).
11,21 so schwach. Paulus’ Sarkasmus erreicht seinen Höhepunkt mit seiner Aussage, er sei zu schwach, um die Korinther zu schlagen, wie es die falschen Apostel getan hatten (V. 20).
11,22 Diese Liste von Paulus’ Leiden für Christus ist die dritte und umfassendste dieses Briefes (vgl. 4,8-12; 6,4-10). 11,22 Sie sind Hebräer … Israeliten … Abrahams Same? Auf jede dieser Fragen antwortete Paulus einfach und kräftig mit »ich auch« (vgl. Phil 3,5).
11,23 Sie sind Diener des Christus? Paulus hatte bereits nach- drücklich abgestritten, dass sie Diener Christi sind (V. 13). Doch einige Korinther hielten sie immer noch für echt. Paulus griff diese Ansicht der Argumentation halber auf und zeigte dann, dass sein Dienst dem so genannten »Dienst« der falschen Apostel in jeder Hinsicht überlegen war. Ich rede unsinnig. S. Anm. zu V. 1. Wiederum drückt Paulus seine extreme Abneigung gegen das Rühmen aus, zu dem die Korinther ihn gezwungen hatten. Mühsal … in Todesgefahren. Eine allgemeine Zusammenfassung dessen, was Paulus’ für das Evangelium erlitten hat. Die nächsten paar Verse nennen konkrete Beispiele, von denen viele nicht in der Apg enthalten sind. Paulus war häufi g in Lebensgefahr (Apg 9,23.29; 14,5.19.20; 17,5; 21,30-32).
11,24 vierzig Schläge weniger einen. In 5Mo 25,1-3 sind 40 Schläge als Maximum einer rechtmäßigen Züchtigung angegeben. Zu Paulus’ Zeit reduzierten die Juden diese Zahl um einen Schlag, um zu vermeiden, versehentlich das Höchstmaß zu überschreiten. Jesus warnte seine Nachfolger, dass sie solche Schläge erleiden werden (Mt 10,17).
11,25 mit Ruten geschlagen. Die römische Zuchtmaßnahme mit zusammengebundenen, elastischen Stöcken (vgl. Apg 16,22.23). einmal gesteinigt. In Lystra (Apg 14,19.20). dreimal habe ich Schiffbruch erlitten. Darin ist noch nicht sein Schiffbruch auf seiner Reise als Gefangener nach Rom mitgerechnet (Apg 27), denn diese Begebenheit lag noch in der Zukunft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Paulus bereits mehrere Seereisen unternommen (vgl. Apg 9,30; 11,25.26; 13,4.13; 14,25.26; 16,11; 17,14.15; 18,18.21), sodass es reichlich Gelegenheiten gab, wann sich diese Schiffbrüche ereignet haben können. einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht. Mindestens ein Schiffbruch war so schlimm, dass Paulus einen ganzen Tag auf dem dahintreibenden Wrack auf Rettung wartete.
11,26 in Gefahren. Die Gefahren auf seinen häufi gen Reisen. »Flüsse« und »Mörder« (Räuber) waren in der Antike eine ernste Bedrohung für Reisende. Auf seiner Reise von Pergamon nach Antiochia in Pisidien (Apg 13,14) musste Paulus beispielsweise das von Räubern bewucherte Taurus-Gebirge überqueren und zwei gefährliche Flüsse mit tückischen Strömungen durchkreuzen. Paulus war auch häufi g in Gefahr vom »eigenen Volk« (Apg 9,23.29; 13,45; 14,2.19; 17,5; 18,6.12-16; 20,3.19; 21,27-32), aber auch von den »Heiden« (Apg 16,16-40; 19,2320,1). 11,26 unter falschen Brüdern. Angebliche Christen, die aber ihr Christsein nur vortäuschten, wie z.B. die falschen Apostel (V. 13) und die Judaisten (Gal 2,4).
11,28 Weit schlimmer als das gelegentliche körperliche Leid, das Paulus erlitt, war seine ständige Sorge für die Gemeinden, die ihn täglich belastete. Die »Schwachen« im Glauben (vgl. Röm 14; 1Kor 8) und die in Sünde Gefallenen verursachten ihm heftige emotionale Schmerzen. Vgl. 1Th 5,14.
11,30 meiner Schwachheit rühmen. Das verherrlichte die Kraft Gottes, die in ihm wirkte (vgl. 4,7; Kol 1,29; 2Tim 2,20.21).
11,31 Da ihm klar war, wie unglaublich diese Leidensliste seinen Le- sern vorkommen musste, rief Paulus Gott als Zeugen dafür an, dass er die Wahrheit schrieb und diese Dinge wirklich geschehen waren (vgl. V. 10; 1,23; Röm 1,9; 9,1; Gal 1,20; 1Th 2,5.10; 1Tim 2,7).
11,32 Paulus stellte seine demütigende Flucht aus Damaskus (vgl. Apg 9,23-25) als krönendes Beispiel für die Schwäche und Gebrechlichkeit hin, derer er sich rühmte (V. 30). Die Apg schreibt, dass die feindlichen Juden diejenigen waren, die Paulus nach seinem Leben trachteten, wohingegen Paulus hier den Statthalter unter dem nabatäisch-arabischen König Aretas (9 v.Chr. – 40 n.Chr.) als denjenigen nennt, der ihn verfolgte. Offenbar hatten die Juden die zivilen Behörden gegen ihn aufgewiegelt, wie sie es später in der Apg noch öfter taten (vgl. Apg 13,50; 14,2; 17,13). 12,1-7 Widerwillig fuhr Paulus mit seinem Rühmen fort (s. Anm. zu 11,1). Obgleich es »nichts nützte«, da es sein eigenes Fleisch zum Stolz versuchen könnte, hatte er keine andere Wahl, weil die Korinther so begeistert waren über die angeblichen Visionen und Offenbarungen der falschen Apostel Wahl (V. 11).
12,1 Erscheinungen und Offenbarungen. Die Apg berichtet von sechs Offenbarungen, die Paulus hatte (9,12; 16,9.10; 18,9; 22,17.18; 23,11; 27,23.24), und in seinen Briefen schreibt er von Offenbarungen, die ihm zuteil wurden (vgl. Gal 1,12; 2,2; Eph 3,3).
12,2 Da die hier beschriebene Vision 14 Jahre vor Abfassung des 2. Korintherbriefes stattfand, gibt es in der Apg keine Entsprechung, die damit identifi ziert werden könnte. Wahrscheinlich fand sie statt zwischen seiner Rückkehr aus Jerusalem nach Tarsus (Apg 9,30) und dem Beginn seiner Missionsreisen (Apg 13,1-3). in den dritten Himmel entrückt … in das Paradies entrückt. Paulus beschrieb nicht zwei verschiedene Offenbarungen, denn der »dritte Himmel« und das »Paradies« sind ein und derselbe Ort (vgl. Offb 2,7, wo steht, dass sich der Baum des Lebens im Paradies befi ndet, mit Offb 22,14, wo steht, er sei im Himmel). Der erste Himmel ist die Erdatmosphäre (1Mo 8,2; 5Mo 11,11; 1Kö 8,35), der zweite der interplanetarische und interstellare Weltraum (1Mo 15,5; Ps 8,4; Jes 13,10) und der dritte Himmel ist der Wohnort Gottes (1Kö 8,30; 2Chr 30,27; Ps 123,1). 12,2 einem Menschen in Christus. Wegen seines Unwillens, sich zu rühmen, sprach Paulus hier zwar in der dritten Person, doch aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass er von sich selbst sprach, denn die Erfahrung eines anderen wäre wohl kaum ein Zeugnis für Paulus’ Apostelschaft gewesen. Außerdem litt Paulus selbst unter dem Pfahl im Fleisch, nicht jemand anderes (V. 7). 12,2 ob im Leib oder ob außerhalb des Leibes. Paulus war von seiner himmlischen Vision derart überwältigt, dass er keine genauen Details wusste. Ob er nun leiblich in den Himmel entrückt wurde (wie Henoch, 1Mo 5,24, und Elia, 2Kö 2,11) oder sein Geist zeitweilig vom Leib getrennt war, ist nebensächlich.
12,4 unaussprechliche Worte … nicht sagen darf. Weil die Wor- te nur für ihn bestimmt waren, durfte er sie nicht wiederholen, selbst wenn er sie hätte wiedergeben können.
12,5 Wegen eines solchen will ich mich rühmen. S. Anm. zu V. 2.
12,6 Für Paulus war es nicht töricht, sich seiner einzigartigen Erleb- nisse zu rühmen (V. 1-4), denn es war wirklich geschehen. Er verzichtete jedoch auf diesen Ruhm, weil er wollte, dass die Korinther ihn anhand dessen beurteilen, was sie bei seinem Dienst beobachteten, und nicht anhand seiner Visionen.
12,7 Offenbarungen. S. Anm. zu V. 1. ein Pfahl fürs Fleisch … ein Engel Satans. Dieser Pfahl war ihm von Gott gegeben, damit er demütig blieb. Wie bei Hiob war Satan auch hier die unmittelbare und Gott die letztendliche Ursache. Dass Paulus hier die Bezeichnung »Engel« (gr. angellos, kann auch mit »Bote« übersetzt werden) Satans verwendet, legt nahe, dass der »Pfahl fürs Fleisch« (oder »Dorn im Fleisch«) keine Krankheit war, sondern eine dämonische Person. Von den 188 Vorkommen des gr. Wortes angellos im NT beziehen sich mindestens 180 auf Engel. Dieser Engel kam vom Satan und war ein Dämon, der Paulus quälte. Möglicherweise ist die beste Erklärung für diesen Dämon, dass er im Anführer der Verschwörung in Korinth wohnte, im Führer der falschen Apostel. Durch seine Anhängerschaft zerriss er Paulus’ geliebte Gemeinde und trieb somit einen schmerzhaften Pfahl durch Paulus. Diese Sichtweise wird auch unterstützt vom Zusammenhang von Kap. 10-13, in dem es um kämpfende Gegner geht (die falschen Propheten). Das Verb, das übersetzt ist »mit Fäusten schlagen«, bezeichnet eine Misshandlung durch andere (Mt 26,67; Mk 14,65; 1Kor 4,11; 1Pt 2,20). Und schließlich beschreibt das AT Israels’ persönliche Gegner als »Dorn« oder »Pfahl« (4Mo 33,55; Jos 23,13; Ri 2,3; Hes 28,24). damit ich mich nicht überhebe. Der Angriff war schmerzhaft, aber nützlich. Gott ließ zu, dass Satan solch schwere Probleme in die Gemeinde brachte, damit Paulus demütig blieb. Da er so viele Offenbarungen hatte, einschließlich einer Reise in den Himmel und zurück, wäre er ansonsten stolz geworden. Der besessene falsche Apostel, der sein Werk in Korinth angriff, war der Pfahl, der durch Paulus’ andernfalls stolzes Fleisch getrieben wurde.
12,8 dreimal den Herrn gebeten. Paulus sehnte sich nach Be- freiung von diesem schmerzlichen Hindernis in seinem Dienst. Deshalb wandte er sich an seinen Herrn und bat ihn (der bestimmte Artikel vor »Herr« zeigt, dass Paulus sein Gebet direkt an Jesus richtete), diesen »Pfahl« wegzunehmen. Die Dämonen sind nur seiner Autorität unterworfen. Die dreifache Wiederholung von Paulus’ Bitte steht in Parallele zum Gebet Jesu im Garten Gethsemane (Mk 14,32-41). Gott verwehrte sowohl Paulus als auch Jesus die Erhörung ihrer Bitte, aber sie empfi ngen Gnade, um ihre Qualen aushalten zu können.
12,9 Lass dir an meiner Gnade genügen. Die Gegenwartsform des Verbs »genügen« verdeutlicht, dass die Gnade Gottes ständig zur Verfügung steht. Gott wollte den Pfahl nicht entfernen, wie Paulus es erbeten hatte, aber er wollte ihn beständig die Gnade geben, um dieses Leid auszuhalten (vgl. 1Kor 15,10; Phil 4,13; Kol 1,29). meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen. Vgl. 4,7-11. Je schwächer das menschliche Werkzeug ist, desto deutlicher strahlt die Gnade Gottes hervor. 12,9 Paulus freute sich nicht über den Schmerz an sich, aber er freute sich über die Macht Christi, die so durch ihn offenbar wurde.
12,11 töricht geworden. S. Anm. zu 11,1.16; vgl. 11,17.21.23. ihr habt mich dazu gezwungen. S. Anm. zu 11,1. bedeutenden Aposteln. S. Anm. zu 11,5.
12,12 Die Zeichen eines Apostels. Einschließlich – aber nicht nur – »Zeichen und Wunder und Kraftwirkungen« (auch das Wunder der Bekehrung der Korinther war ein Kennzeichen für Paulus’ Apostelschaft, 1Kor 9,2). Zweck der Wunderzeichen war es, die Apostel als Boten Gottes auszuweisen (vgl. Apg 2,22.43; 4,30; 5,12; 14,3; Röm 15,18.19; Hebr 2,3.4).
12,13 Paulus hatte den Korinthern nichts zuleide getan – abge- sehen davon, dass er ihnen nicht zur Last fallen wollte (s. Anm. zu 11,7). Mit einem Hauch von Ironie bat er um ihre Vergebung dieses »Unrechts«.
12,14 zum dritten Mal. Das erste Mal war der Besuch aus Apg 18; der zweite war der »Schmerzensbesuch« (2,1; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). nicht zur Last fallen. Bei seinem anstehenden Besuch wollte Paulus seine Gewohnheit beibehalten und keine Unterstützung von den Korinthern annehmen. ich suche nicht das Eure, sondern euch. Paulus wollte die Korinther gewinnen (vgl. 6,11-13; 7,2.3) und nicht ihr Geld. Kinder … Eltern … Eltern … Kinder. Um sich klar auszudrücken, zitierte Paulus die selbstverständliche Wahrheit, dass Eltern fi nanziell für ihre Kinder verantwortlich sind, und nicht die Kinder (solange sie jung sind, vgl. 1Tim 5,4) für ihre Eltern.
12,15 Paulus wollte bei weitem nichts von den Korinthern nehmen, sondern wollte ihnen etwas geben. Das Verb, das mit »opfern« übersetzt ist, bezeichnet das Spenden von Geld und beschreibt wahrscheinlich Paulus’ Bereitschaft, seinen Lebensunterhalt mit eigener Arbeit zu verdienen, solange er in Korinth war (Apg 18,3). Mit dem Ausdruck »geopfert werden« beschreibt Paulus seine Bereitschaft, etwas von sich selbst zu geben – sogar bis zum Punkt der Selbstaufopferung seines Lebens.
12,16 Obwohl für alle offensichtlich war, dass Paulus keinen per- sönlichen Vorteil aus den Korinthern geschlagen hatte, brachten seine Gegner ein noch bösartigeres Gerücht in Umlauf: Er wolle die Korinther mit List und Tücke verführen (vgl. 4,2). Insbesondere warfen die falschen Apostel Paulus vor, er habe seine Beihelfer geschickt, um von den Korinthern die Gabe für Jerusalem einzusammeln und er beabsichtige dabei, einen Teil des Geldes für sich zu behalten. Die Gegner stellten Paulus also als betrügerischen Heuchler dar (weil er entgegen seinen Aussagen in V. 14.15 tatsächlich Geld von den Korinthern nahm) und als Dieb. Diese Anklage war für Paulus umso schmerzlicher, weil sie den Charakter auch seiner Freunde in Abrede stellte. Empört darüber, dass die Korinther einer solch lächerlichen Lüge glauben könnten, stellte Paulus heraus, dass seine Mitarbeiter bei ihren früheren Besuchen wegen der Sammlung (8,6.16-22) sich nicht an den Korinthern bevorteilt hatten. Schlichte Wahrheit war, dass weder Paulus noch seine Mitarbeiter die Korinther in irgendeiner Weise betrogen oder übergangen haben.
12,19 Damit die Korinther sich nicht selbst als Richter ansähen, vor denen Paulus sich zu verantworten hätte, wies der Apostel sie schnell zurecht: Allein Gott war sein Richter (vgl. 5,10; 1Kor 4,3-5). Paulus wollte nicht sich selbst bereichern, sondern die Korinther auferbauen.
12,21 Als Paulus die Korinther besuchte, wollte er sie nicht in dem- selben erbärmlichen geistlichen Zustand vorfi nden wie bei seinem letzten Besuch (der »Schmerzensbesuch«, 2,1; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Wenn er feststellen musste, dass sie nicht so waren, wie er es wünschte (d.h. immer noch die von ihm aufgelisteten Sünden praktizierten), dann würden sie ihn anders kennen lernen, als sie es sich wünschten; dann müsste er sie nämlich züchtigen (vgl. 13,2). Wenn er die Korinther immer noch ohne Buße in Sünde verharrend vorfände, dann würde ihn das demütigen und betrüben. Diese Warnung (und die Warnung in 13,2) sollte dies verhindern.
13,1 das dritte Mal. S. Anm. zu 12,14. Durch zweier und dreier Zeugen Mund. Das kann sich nicht auf Paulus’ drei Besuch in Korinth beziehen, da er nur ein einziger Zeuge war, ganz gleich, wie oft er sie besuchte. Paulus erklärte den Korinthern, dass er mit jeder Sünde, die er in Korinth vorfi nden wird, biblisch verfahren werde (vgl. 5Mo 19,15; Mt 18,16; Joh 8,17; Hebr 10,28).
13,2 nicht schonen. S. Anm. zu 12,21.
13,3 einen Beweis … dass Christus durch mich redet. Jene Korinther, die immer noch einen Beweis für Paulus’ Apostelschaft forderten, würden diesen Beweis geliefert bekommen, sobald Paulus in Korinth ankäme. Dann würden sie allerdings mehr bekommen als ihnen lieb war, denn Paulus würde gegen jede Sünde und Rebellion, die er dort vorfände, seine apostolische Autorität und Vollmacht einsetzen (V. 2; s. Anm. zu 12,21). nicht schwach. Christi Kraft sollte durch Paulus geoffenbart werden und gegen die sündigenden Korinther vorgehen (vgl. 1Kor 11,30-32). Mit ihrer Rebellion gegen Christi auserwählten Apostel (1,1) rebellierten sie gegen Christus selbst.
13,4 Wenn Paulus nach Korinth käme, wäre er bewaffnet mit der unwiderstehlichen Kraft des auferstandenen, verherrlichten Christus (vgl. Phil 3,10).
13,5 Die gr. Grammatik legt starke Betonung auf die Pronomen »selbst« und »euch«. Paulus drehte den Spieß um und wendete die Sache gegen seine Ankläger. Anstatt dass sie vorgeben könnten, über seine Apostelschaft zu urteilen, mussten sie vielmehr die Echtheit ihres Glaubens überprüfen (vgl. Jak 2,14-26). Er stellte heraus, wie widersprüchlich es war, dass die Korinther meinten, ihr Glaube sei echt und seine Apostelschaft sei falsch. Paulus war ihr geistlicher Vater (1Kor 4,15). Wenn seine Apostelschaft nur Trug war, dann galt das auch für ihren Glauben. Die Echtheit ihrer Errettung war ein Beweis für die Echtheit seiner Apostelschaft. 13,5 unecht. Wörtl. »nicht bewährt«. Das bedeutet hier das Fehlen echten rettenden Glaubens.
13,7 das Gute tut. Paulus’ tiefster Wunsch für seine geistlichen Kinder war es, dass sie ein gottgefälliges Leben führten (vgl. 7,1), auch wenn sie weiterhin an ihm zweifelten. Paulus war sogar bereit, »unbewährt« zu erscheinen, Hauptsache, die Korinther wendeten sich von ihrer Sünde ab (vgl. Röm 9,3).
13,8 Niemand sollte meinen, Paulus würde ein Versagen seiner- seits eingestehen, weil er hier als von sich »unbewährt« (V. 7) spricht. Deshalb fügte er schnell hinzu, dass er nicht gegen »die Wahrheit« des Evangeliums verstoßen hat. Möglicherweise meinte der Apostel auch, dass er nichts gegen die Korinther unternehmen müsse, wenn er feststellen würde, dass sie der »Wahrheit« entsprechend leben. In diesem Fall würde er sich über seine »Schwachheit« freuen (d.h. über die fehlende Gelegenheit, seine apostolische Vollmacht auszuüben), weil das bedeutete, dass die Korinther geistlich »stark« wären.
13,10 Paulus fasst in einem Satz zusammen, mit welcher Absicht er diesen Brief geschrieben hat.
13,11 Paulus’ abschließende Ermahnungen drücken die Haltungen aus, für die er betete (V. 9), dass sie die Korinther kennzeichnen würden. so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Eine Ermutigung an die Korinther, die Ermahnungen im ersten Teil dieses Verses zu beherzigen. Nur an dieser Stelle des NT wird Gott »der Gott der Liebe« genannt (vgl. 1Joh 4,8). 13,12 heiligen Kuss. Ein Zeichen des Grußes zu biblischer Zeit (Mt 26,49; Lk 7,45), ähnlich dem heutigen Händeschütteln. Für Christen drückte dieser Kuss außerdem brüderliche Liebe und Einheit aus (Röm 16,16; 1Kor 16,20; 1Th 5,26; 1Pt 5,14). alle Heiligen. Die Gläubigen in Mazedonien (möglicherweise Philippi; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), von wo aus Paulus den 2. Korintherbrief schrieb. Während er zur Einheit innerhalb der Gemeinde von Korinth ermunterte, wollte Paulus nicht, dass die Korinther den Blick für ihre Einheit mit anderen Gemeinden verlieren.
13,13 Der trinitarische Segen erinnerte die Korinther an die Segnun- gen, die sie empfangen hatten: »Gnade« vom Herrn Jesus Christus (vgl. 8,9), »Liebe« von Gott, dem Vater (vgl. V. 11), und »Gemeinschaft« mit Gott und miteinander vom Heiligen Geist (vgl. 1,22; 5,5). Jesus wird hier vor dem Vater genannt, weil sein Opfertod der höchste Ausdruck der Liebe Gottes ist.
1,1 Paulus. S. Einleitung zum Römerbrief: Autor und Abfassungszeit; s. Anm. zu Apg 9,1. Apostel. Im allgemeinen Sinn bedeutet dieser Begriff »ein Gesandter mit Auftrag«. Die Apostel Jesu Christi – die zwölf und Paulus – waren besondere Botschafter oder Herolde, die der Herr Jesus ausgewählt und ausgebildet hat, um das Fundament der Urgemeinde zu legen und um als Kanäle der vollständigen Offenbarung Gottes zu dienen (s. Anm. zu Röm 1,1; vgl. Apg 1,2; 2,42; Eph 2,20). nicht durch einen Menschen … sondern durch Jesus Christus. Um seine Apostelschaft vor den Angriffen der falschen Lehrer zu verteidigen, betont Paulus, dass Christus selbst ihn als Apostel eingesetzt hat, bevor er die anderen Apostel kennen lernte (vgl. V. 17.18; Apg 9,3-9). auferweckt hat aus den Toten. S. Anm. zu Röm 1,4. Paulus fügt diese wichtige Tatsache an, um zu zeigen, dass der auferstandene und aufgefahrene Christus selbst ihn eingesetzt hat (s. Anm. zu Apg 9,1-9.15). Daher erfüllte Paulus die Anforderungen, ein Zeuge der Auferstehung Jesu zu sein (vgl. Apg 1,22).
1,2 Gemeinden in Galatien. Die Gemeinden, die Paulus bei seiner ersten Missionsreise in Antiochia, in Pisidien, Ikonium, Lystra und Derbe gründete (Apg 13,14-14,23; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
1,3 Paulus’ Gruß enthält nicht die sonst üblichen Worte des Lo- bes und der Freundlichkeit, sondern ist knapp und unpersönlich. Daraus wird deutlich, wie sehr er darüber besorgt war, dass die Gemeinden vom Evangelium abgewichen waren. 1,3 Gnade sei mit euch und Friede. S. Anm. zu Röm 1,1. Sogar Paulus’ typischer Gruß war ein Angriff auf das gesetzliche System der Judaisten. Wenn die Errettung durch Werke geschieht, wie sie behaupteten, dann ist sie nicht aus »Gnade« und kann keinen »Frieden« bringen, weil niemand sicher sein kann, dass er genug gute Werke getan hat, um ewige Heilssicherheit zu haben.
1,4 für unsere Sünden. Niemand kann durch menschliche Anstren- gung oder durch das Halten des Gesetzes Sünde vermeiden (Röm 3,20); deshalb muss sie vergeben werden. Diese Vergebung hat Christus durch seinen Sühnetod am Kreuz erworben (3,13; s. Anm. zu 2Kor 5,19-21; 1Pt 2,24). gegenwärtigen bösen Weltlauf. Das gr. Wort für »Weltzeit« bezeichnet keinen Zeitabschnitt, sondern eine Ordnung bzw. ein System, und zwar insbesondere das gegenwärtige, von Satan regierte Weltsystem (s. Anm. zu Röm 12,2; 1Joh 2,15.16; 5,19). nach dem Willen unseres Gottes. Das errettende Opfer Jesu war der Wille Gottes und er hat den Plan zu seiner Ehre entworfen und erfüllt. Vgl. Mt 26,42; Joh 6,38-40; Apg 2,22.23; Röm 8,3.31.32; Eph 1,7.11; Hebr 10,4-10.
1,6 so schnell. Dieses gr. Wort bedeutet entweder »leichtfertig« oder »schnell« und manchmal beides. Zweifellos charakterisieren beide Bedeutungen die Reaktion der Galater auf die Irrlehren der falschen Lehrer. abwenden. Besser übersetzt mit »verlassen«, »verwandeln«. Dieses gr. Wort wurde verwendet für das Desertieren vom Militär, worauf die Todesstrafe stand. Die Form dieses gr. Verbs zeigt, dass die galatischen Gläubigen freiwillig die Gnade verließen, um der Gesetzlichkeit nachzustreben, die die falschen Lehrer verbreiteten (s. Anm. zu 5,4). Gnade des Christus. Gottes freie und souveräne Tat der Barmherzigkeit, mit der er Errettung gewährt durch den Tod und die Auferstehung Christi, völlig unabhängig von allen menschlichen Werken oder Verdiensten (s. Anm. zu Röm 3,24). berufen. Das könnte übersetzt werden: »der euch ein für allemal berufen hat« (vgl. 2Th 2,13.14; 2Tim 1,8.9; 1Pt 1,15) und bezieht sich auf Gottes wirksamen Ruf zum Heil (s. Anm. zu Röm 1,7). anderen Evangelium. Vgl. 2Kor 11,4. Das verdrehte Evangelium der Judaisten. Sie fügten zum wahren Evangelium Bedingungen, Zeremonien und Maßstäbe des Alten Bundes hinzu und erklärten diese Dinge zu Voraussetzungen für die Errettung. S. Anm. zu 3,3; 4,9; 5,7; Phil 3,2.
1,7 verwirren. Das gr. Wort könnte übersetzt werden mit »stören« und bedeutet »hin und her schütteln« im Sinne von erregen oder aufrütteln. Hier bezieht es sich auf die tiefe emotionale Beunruhigung, die die galatischen Gläubigen erlebten. das Evangelium von Christus. Die frohe Botschaft der Errettung allein aus Gnade, allein durch Glauben an Jesus Christus (s. Anm. zu Röm 1,1; 1Kor 15,1-4). verdrehen. Etwas ins Gegenteil verkehren. Die falschen Lehrer fügten dem Evangelium Christi zusätzlich das Gesetz hinzu und verwandelten die Botschaft von Gottes unverdienter Gnade gegenüber Sündern in eine Botschaft über verdiente und erworbene Gnade.
1,8 Gott hat zu allen Zeiten bestimmte Objekte, Personen und Völkergruppen dem Verderben geweiht (Jos 6,17.18; 7,1.25.26). Das NT bietet viele Beispiele für eine dieser Gruppen, nämlich die Irrlehrer (Mt 24,24; Joh 8,44; 1Tim 1,20; Tit 1,16). Hier werden die Judaisten als Mitglieder dieser infamen Gesellschaft identifi ziert. 1,8 wir oder ein Engel vom Himmel. Paulus sprich hypothetisch und führt die unwahrscheinlichsten Beispiele für Irrlehrer an: ihn selbst und heilige Engel. Die Galater sollten keinen Botschafter aufnehmen, so anstandslos sein Zeugnis auch sein mochte, wenn seine Heilslehre auch nur im geringsten Maße von der Wahrheit Gottes abwich, die Gott durch Christus und die Apostel geoffenbart hat. verfl ucht. Die Übersetzung des bekannten gr. Wortes anathema, was bedeutet, jemanden dem Verderben in der ewigen Hölle preisgeben (vgl. Röm 9,3; 1Kor 12,3; 16,22).
1,9 Wie wir zuvor gesagt haben. Paulus bezieht sich hier auf et- was, was er nicht in einem früheren Brief geschrieben, sondern was er bei einem früheren Besuch in diesen Gemeinden gelehrt hat. jemand. Paulus geht vom hypothetischen Fall von V. 8 (der Vorstellung, der Apostel oder Engel würden ein falsches Evangelium verkündigen) über zur realen Situation der Galater. Auf die Judaisten traf nämlich genau das zu und daher mussten sie für ihre verwerfl iche Irrlehre dem Verderben hingegeben werden.
1,10 Weil die Irrlehrer Paulus’ geistliche Zeugnisse zu untergraben versuchten, verteidigte er seine Apostelschaft und erklärte einmal mehr (vgl. V. 1), dass er nicht von Menschen eingesetzt war, sondern von Gott. 1,10 Menschen zu gefallen. Das war Paulus’ frühere Motivation, als er seinen Mitjuden zuliebe die Christen verfolgte. ein Knecht des Christus. S. Anm. zu Röm 1,1. Paulus war ein williger Sklave Christi geworden, was ihm eine Menge Leiden durch andere (6,17) einbrachte. Eine solche persönliche Aufopferung ist genau das Gegenteil des Ziels, Menschen zu gefallen (6,12).
1,11 lasse euch aber wissen. Das starke gr. Verb, das Paulus hier verwendet, leitete häufi g eine wichtige und nachdrückliche Aussage ein (1Kor 12,3; 2Kor 8,1). nicht von Menschen stammt. Wörtl. »nicht nach Menschen(weise) ist«. Das Evangelium, das Paulus verkündete, war nicht menschlichen Ursprungs, sonst wäre es wie alle anderen menschlichen Religionen von Werkgerechtigkeit geprägt, die dem Stolz des Menschen und der Verführung Satans entspringt (Röm 1,16).
1,12 nicht von einem Menschen empfangen noch erlernt. Im Gegensatz zu den Judaisten, die ihre religiösen Anweisungen aus der rabbinischen Überlieferung bezogen. Die meisten Juden lasen nicht die Schrift selbst, sondern zogen stattdessen menschliche Auslegungen der Schrift als ihre religiöse Autorität und Orientierung heran. Viele ihrer Traditionen wurden in der Schrift nicht nur nicht gelehrt, sondern widersprachen ihr sogar (Mk 7,13). durch eine Offenbarung. Die Enthüllung von etwas, was vorher geheim gehalten wurde, in diesem Fall Jesus Christus. Paulus hatte zwar bereits von Christus gehört, begegnete ihm dann aber auf dem Weg nach Damaskus persönlich und empfi ng die Wahrheit des Evangeliums von ihm (Apg 9,1-16).
1,13 – 2,21 Paulus fügt einen kurzen biografi schen Abriss wich- tiger Ereignisse seines Leben ein, um so seine Apostelschaft weiter zu verteidigen und nachzuweisen, dass das Evangelium der Gnade, das er verkündete, authentisch ist. 1,13 Judentum. Das jüdische Religionssystem der Werkgerechtig- keit, das nicht in erster Linie auf dem Text des ATs basierte, sondern auf rabbinischen Auslegungen und Traditionen. Paulus wird in seiner Argumentation zeigen, dass ein richtiges Verständnis des ATs nur zu Christus führen kann und zu seinem Evangelium der Gnade durch Glauben (3,629). verfolgte. Die Zeitform dieses gr. Verbs betont Paulus’ hartnäckiges und kontinuierliches Bestreben, die Christen zu verletzen und letztlich auszurotten. S. Anm. zu Apg 8,1-3; 9,1; 1Kor 15,9; 1Tim 1,12-14.
1,14 übertraf. Dieses gr. Wort bedeutet wörtl. »durch Schlagen vorwärts bewegen« oder »vorantreiben«, wie man eine Schneise in einen Wald schlägt. Paulus trieb seine Karriere im Judentum voran (vgl. Phil 3,5.6) und weil er Judenchristen als Hindernis dafür ansah, versuchte er sie niederzumachen. durch übermäßigen Eifer. Diesen Eifer demonstrierte Paulus durch das Ausmaß und die Heftigkeit seiner Christenverfolgung vgl. Apg 8,1-3; 26,11). Überlieferungen meiner Väter. Die mündlich überlieferten Lehren über das AT-Gesetz, die allgemein als »Halacha« bekannt sind. Diese Sammlung von Gesetzesauslegungen hatte schließlich dieselbe Autorität wie das Gesetz (die Tora) selbst, oder sogar noch höhere. Die Vorschriften der Halacha waren so hoffnungslos kompliziert und schwer zu befolgen, dass sowohl ihre Auslegung als auch ihr Befolgen selbst den scharfsinnigsten rabbinischen Gelehrten zu schwierig war.
1,15 mich vom Mutterleib an ausgesondert. Paulus sagt nicht, er sei nach seiner Geburt körperlich von seiner Mutter getrennt worden, sondern Gott habe ihn von Geburt an für den Dienst beiseite gestellt. Dieser Ausdruck besagt, dass Gott Paulus auserwählt hat, ungeachtet seiner persönlichen Verdienste oder Leistungen (vgl. Jes 49,1; Jer 1,5; Lk 1,13-17; Röm 9,10-23). durch seine Gnade berufen. Gottes wirksamer Ruf (s. Anm. zu Röm 1,7; 8,30). Auf dem Weg nach Damaskus führte Gott Saulus, den er bereits erwählt hatte, zur Errettung.
1,16 seinen Sohn in mir zu offenbaren. Christus wurde auf dem Weg nach Damaskus nicht nur für Paulus offenbart, sondern auch in ihm, denn Gott gab ihm das nötige Leben, Licht und Vertrauen, um an ihn zu glauben. unter den Heiden verkündigte. Paulus’ besonderer Ruf, das Evangelium den Nichtjuden zu verkünden (s. Anm. zu Apg 9,15; 26,15-18; vgl. Röm 1,13-16; 11,13; 15,18). mit Fleisch und Blut zu Rate. Paulus suchte nicht bei Ananias oder anderen Christen in Damaskus eine Erklärung oder Ergänzung für seine Offenbarung des Christus (Apg 9,19.20).
1,17 Jerusalem … Arabien … Damaskus. Anstatt sich direkt nach Jerusalem zu begeben, um dort von den Aposteln unterwiesen zu werden, ging Paulus in die nabatäische Wüste, die östlich von Damaskus beginnt und sich südlich bis zur Sinai-Halbinsel erstreckt. Nachdem der Herr ihn auf seinen Dienst vorbereitet hatte, kehrte er zurück und diente im nahegelegenen Damaskus.
1,18 nach drei Jahren. Die ungefähre Zeit von Paulus’ Bekehrung bis zu seiner ersten Reise nach Jerusalem. Während dieser Jahre besuchte er Damaskus und wohnte im nabatäischen Arabien unter der Unterweisung des Herrn. Dieser Besuch in Jerusalem wird in Apg 9,26-30 beschrieben (s. Anm. zu Apg 9,23). nach Jerusalem hinauf. Reisende in Israel sprechen stets davon, nach Jerusalem hinauf zu gehen, weil es höher liegt als die Umgegend (s. Anm. zu Apg 18,22). Petrus. S. Anm. zu Mt 10,2; s. Einleitung zu 1. Petrus: Autor und Abfassungszeit. Petrus war persönlicher Begleiter des Herrn gewesen und in den Anfangsjahren der Jerusalemer Gemeinde ihr vollmächtigster Sprecher (Apg 1-12).
1,19 Jakobus, den Bruder des Herrn. Vgl. 2,9.12; s. Anm. zu Apg 15,13; s. Einleitung zu Jakobus: Autor und Abfassungszeit.
1,20 Die Direktheit dieser Aussage zeigt, dass Paulus von den jüdi- schen Legalisten als unverschämter oder verblendeter Lügner beschuldigt wurde.
1,21 Syrien und Cilicien. S. Anm. zu Apg 15,23; vgl. Apg 9,30. Dieses Gebiet umfasste auch seine Heimatstadt Tarsus. In dieser Region predigte er mehrere Jahre. Als die Nachricht von der dortigen Erweckung nach Jerusalem kam, sandten sie Barnabas dorthin (s. Apg 11,20-26). Paulus blieb weiter in dieser Gegend und diente als Hirte für die Gemeinde in Antiochia. Später brach er von dort aus mit Barnabas zusammen zur ersten Missionsreise auf (Apg 13,1-3). Hinterher kehrten sie nach Antiochia zurück (Apg 13,1-3), von wo aus sie zum Jerusalemer Konzil gesandt wurden (Apg 14,26-15,4).
1,22 Judäa. S. Anm. zu Apg 1,8. 1,23 In den 14 Jahren vor dem Jerusalemer Konzil (s. Anm. zu 2,1) war Paulus nur zweimal in Jerusalem gewesen (Apg 9,26-30; 11,30). Daher kannten die dortigen Christen ihn nur vom Hörensagen.
1,24 Sie priesen Gott um meinetwillen. Ein Beweis dafür, dass das Evangelium, das Paulus verkündete, dasselbe war, das die Apostel den Gläubigen in Judäa vermittelten.
2,1 Paulus zählt hier die Einzelheiten seines höchst wichtigen Besuchs in Jerusalem auf, der sein erster nach seiner Bekehrung war. Damit liefert er einen überzeugenden Beweis dafür, dass seine Botschaft identisch ist mit der Botschaft der anderen zwölf Apostel. 2,1 Darauf, nach vierzehn Jahren, zog ich wieder hinauf nach Jerusalem. Das war die Zeitspanne von seinem ersten Besuch in Jerusalem (1,18) bis zu dem Besuch, von dem er hier berichtet. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um seinen Besuch auf dem Jerusalemer Konzil (Apg 15,1-22), das einberufen worden war, um die Streitfrage über die Errettung der Heiden zu klären. Sprachlich gesehen muss sich das Wort »wieder« nicht unbedingt auf den unmittelbar nächsten Besuch beziehen, sondern kann einfach »noch einmal« bedeuten, ohne Hinweis, wie oft er Jerusalem in der Zwischenzeit besucht hatte. Und tatsächlich hatte Paulus während dieser 14 Jahre Jerusalem nochmals besucht: Er hatte der dortigen Gemeinde eine Hilfsgabe überbracht, weil sie unter der Hungersnot litt (Apg 11,27-30; 12,24.25). Paulus erwähnt diesen Besuch hier jedoch nicht, weil er für seine apostolische Autorität bedeutungslos war. Barnabas. S. Anm. zu Apg 4,36. Paulus’ erster Gefährte, der sich vor den Aposteln in Jerusalem für ihn verbürgte (Apg 9,27) und ihn auf seiner ersten Missionsreise begleitete (Apg 13,2.3). Titus. Ein geistliches Kind und Mitarbeiter des Paulus (Tit 1,4.5). Als unbeschnittener Heide war Titus ein treffender Beweis für die Wirksamkeit von Paulus’ Dienst. S. Einleitung zu Titus: Autor und Abfassungszeit.
2,2 aufgrund einer Offenbarung. Diese Offenbarung von Gott war die Stimme des Heiligen Geistes (s. Anm. zu Apg 13,2-4). Paulus weist darauf hin, dass sein Besuch im Auftrag Gottes geschah. Damit weist er jede Behauptung der Judaisten zurück, sie hätten Paulus nach Jerusalem gesandt, damit die Apostel seine Lehre korrigierten. den Angesehenen. Die drei wichtigsten Führer der Gemeinde in Jerusalem: Petrus, Jakobus (der Bruder des Herrn, 1,19) und Johannes (vgl. V. 9). Dieser Ausdruck bezeichnete üblicherweise Autoritätspersonen und bedeutete gleichzeitig eine ehrenhafte Stellung. Paulus beschreibt sie noch zwei weitere Male auf ähnliche Weise (V. 6.9). Damit deutet er einen Hauch von Sarkasmus gegen die Judaisten an, die behaupteten, ihre Lehre sei von den Aposteln bestätigt und Paulus’ Lehre nicht. Wahrscheinlich hatten sie es sich zur Gewohnheit gemacht, diese drei Führer auf- und Paulus dadurch abzuwerten. Evangelium. S. Anm. zu 1,7. nicht etwa vergeblich liefe. Paulus hoffte, die führenden Brüder in Jerusalem würden seinen Dienst unter den Heiden unterstützen und ihre Ablehnung der Gesetzlichkeit nicht aufweichen. Er wollte nicht zusehen, wie seine Missionsarbeit durch einen Konfl ikt mit den anderen Aposteln zunichte gemacht wurde.
2,3 Grieche. S. Anm. zu Röm 1,14. gezwungen, sich beschnei- den zu lassen. Herzstück des Werkesystems der Judaisten war die mosaische Vorschrift der Beschneidung (s. Anm. zu 1Mo 17,9-14; Röm 4,9-12). Die Judaisten lehrten, ohne Beschneidung gebe es kein Heil (Apg 15,1.5.24). Paulus und die Apostel stritten das ab und diese Streitfrage wurde auf dem Jerusalemer Konzil geklärt (Apg 15,1-22). S. Anm. zu 5,2-12; 6,15; Röm 4,10-12; 1Kor 7,19. Als wahrer Gläubiger war Titus ein lebendiger Beweis, dass die Beschneidung und die mosaischen Vorschriften keine Voraussetzungen oder notwendigen Bestandteile der Errettung waren. Dass die Apostel nicht auf eine Beschneidung des Titus bestanden, bestätigte, dass die Gemeinde die Lehre der Judaisten verwarf (vgl. Timotheus, Apg 16,1-3).
2,4 falschen Brüder. Die Judaisten, die sich als echte Christen aus- gaben. Da ihre Lehre angeblich Christus gemäß war, widersprach sie dem traditionellen Judentum, und weil sie Beschneidung und Gehorsam gegenüber dem mosaischen Gesetz als Bedingungen für die Errettung forderte, widersprach sie dem christlichen Glauben. Freiheit. Christen sind frei vom Gesetz als Mittel zum Heil, frei von seinen äußerlichen zeremoniellen Vorschriften als Lebensweg und frei von seinem Fluch über den Ungehorsam gegenüber dem Gesetz, denn diesen Fluch hat Christus für alle Gläubigen getragen (3,13). Diese Freiheit ist jedoch keine Lizenz zum Sündigen (5,13; Röm 6,18; 1Pt 2,16). auszukundschaften. Dieses gr. Wort schildert Spione oder Verräter, die sich heimlich ins Lager des Feindes einschleichen. Die Judaisten waren Satans Untergrundagenten, die er in die Gemeinde gesandt hatte, um das wahre Evangelium zu sabotieren. unterjochen. Wörtl. »versklaven«. Vermittelt den Gedanken an absolute Sklaverei unter einem System der Werkgerechtigkeit, das unmöglich zum Heil führen kann. 2,5 gaben wir auch nicht … nach. Paulus und Titus (V. 3) rückten nie auch nur ein Stück weit von ihrer Erkenntnis der Errettung allein aus Gnade und allein durch Glauben ab. die Wahrheit des Evangeliums. Das wahre Evangelium im Gegensatz zum andersartigen (1,6-8) und falschen, das die Judaisten verbreiteten (s. Anm. zu Röm 1,1).
2,6 die etwas gelten. Das bezieht sich wieder auf Petrus, Jakobus und Johannes (s. Anm. zu V. 2). Ansehen der Person. Die Apostelschaft der Zwölf war nicht legitimer oder autoritativer als die Apostelschaft des Paulus, obwohl die Zwölf einzigartige Vorrechte hatten. Christus hatte sie alle beauftragt (vgl. Röm 2,11). Paulus sah seine Apostelschaft niemals als unterlegen an (s. 2Kor 12,11.12).
2,7 Die Judaisten behaupteten, Paulus predige ein anderes Evangeli- um, doch die Apostel bestätigten, dass er das wahre Evangelium verkündete. Es war dasselbe Evangelium, das auch Petrus verkündete, jedoch vor einer anderen Zuhörerschaft. an die Unbeschnittenen. Paulus verkündete das Evangelium in erster Linie den Heiden (auch den Juden, die in heidnischen Ländern lebten, denn gewöhnlich ging er in den Städten zuerst in die Synagoge; vgl. Apg 13,5). Petrus … Beschneidung. Petrus’ Dienst galt in erster Linie den Juden.
2,8 welcher in Petrus kräftig wirkte … auch in mir. Der Heilige Geist, der nur ein Evangelium kennt, bevollmächtigte sowohl Petrus als auch Paulus zu ihrem Dienst.
2,9 Jakobus, Kephas und Johannes. Dieser Jakobus war Jesu Halbbruder (1,19), der in der Gemeinde von Jerusalem zu einer bedeutenden Rolle aufgestiegen war (s. Einleitung zu Jakobus). Kephas (Petrus) und Johannes (der Bruder des Jakobus, des Apostels, der in Apg 12,2 den Märtyrertod starb), waren zwei enge Begleiter Jesu und wurden in der Gemeinde von Jerusalem zu den wichtigsten Aposteln (s. Apg 212). Gnade … die mir gegeben ist. Diese führenden Apostel konnten nur zu der einen Schlussfolgerung kommen, dass hinter Paulus’ Dienst die Gnade Gottes stand, denn er verkündete vollmächtig das Evangelium und durch seinen Dienst entstanden Gemeinden. Säulen. Diese Metapher betont die Rolle von Jakobus, Petrus und Johannes für den Aufbau und Erhalt der Gemeinde. Barnabas. S. Anm. zu V. 1; Apg
4,36 die Hand der Gemeinschaft. Im Orient symbolisiert diese Geste ein feierliches Gelöbnis der Freundschaft und Partnerschaft. Die Apostel zeigten dadurch, dass sie Paulus als Lehrer des wahren Evangeliums und als Partner in der Mission akzeptierten. damit wir unter den Heiden … wirkten. Eine weitere Bestätigung, dass Gott Paulus zum Dienst berufen hatte und ein Schlag gegen die Judaisten, da die Apostel ihn aufforderten, seinen bereits gut gedeihenden Dienst unter den Heiden fortzusetzen. unter der Beschneidung. S. Anm. zu V. 7.
2,10 an die Armen gedenken. Eine praktische Erinnerung für Pau- lus und die wachsende Anzahl von Heidenchristen. Anfänglich war die Zahl der Christen in Jerusalem in die Höhe geschnellt (vgl. Apg 2,4145; 6,1) und viele Pilger, die zum Pfi ngstfest nach Jerusalem gekommen waren (Apg 2,1.5), blieben dort und kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Die Gläubigen teilten zwar zunächst ihre Mittel unter sich (Apg 2,45; 4,32-37), doch viele hatten wenig Geld. Die Jerusalemer Gemeinde war jahrelang wirtschaftlich belastet. S. Anm. zu Apg 11,29.30.
2,11 Eine kurze Beschreibung der fi nstersten Tage in der Ge- schichte des Evangeliums. Petrus hatte sich von den heidnischen Gläubigen zurückgezogen und die Gemeinschaft mit den Judaisten bevorzugt, die eine Auffassung vertraten, von der er wusste, dass sie falsch war. Durch dieses Verhalten hatte Petrus den Anschein erweckt, er unterstütze ihre Lehre und erkläre Paulus’ von Gott bevollmächtigte Lehre für falsch, insbesondere die Lehre von der Errettung allein aus Gnade und allein durch Glauben. S. Anm. zu 2Kor 6,14-18; 2Joh 10.11. 2,11 Antiochia. S. Anm. zu Apg 11,19. Hier war die erste (ehemals) heidnische Gemeinde ansässig. im Unrecht. Wörtl. »gegen-erkannt«, d.h. »als schuldig überführt«. Petrus hatte sich versündigt, weil er sich mit den Männern verbündet hatte, von deren Irrtum er wusste. Dadurch schadete er seinen heidnischen Brüdern und verwirrte sie.
2,12 etliche von Jakobus. Petrus kannte den Beschluss des Jeru- salemer Konzils (Apg 15,7-29) und hatte während seines Aufenthalts in Antiochia bereits eine Zeit lang mit den Heiden gegessen. Als die Judaisten kamen und vorgaben, sie seien von Jakobus gesandt, logen sie und behaupteten fälschlicherweise, die Apostel hätten sie bestätigt. Petrus hatte das mosaische Zeremonialgesetz bereits ganz aufgegeben (Apg 10,9-22) und Jakobus hatte nur zeitweilig an einem Teil des Gesetzes festgehalten (Apg 21,18-26). zog er sich zurück. Der gr. Begriff bezeichnet einen strategischen militärischen Rückzug. Die Form des Verbs weist vielleicht darauf hin, dass Petrus sich allmählich und heimlich zurückzog. Petrus aß mit den Judaisten und lehnte Einladungen von Heiden ab, obwohl er zuvor mit ihnen gegessen hatte. Damit bestätigte er die Speisegebote, von denen er wusste, dass Gott sie aufgehoben hatte (Apg 10,15). So versetzte er dem Evangelium der Gnade einen Schlag ins Gesicht. die aus der Beschneidung fürchtete. Die wahre Motivation hinter Petrus’ Fehlverhalten. Er befürchtete Popularitätseinbußen unter der gesetzlichen, judaistischen Partei der Gemeinde. Das ist umso schlimmer, da sie selbstgerechte Heuchler waren und Irrlehren verbreiteten.
2,13 die übrigen Juden. Die jüdischen Gläubigen in Antiochia. heuchelten. Das gr. Wort für »Heuchler« bezeichnet einen Schauspieler mit einer Maske, die eine Laune oder einen bestimmten Charakterzug ausdrücken sollte. Im geistlichen Sinn bezeichnet es jemanden, der seinen wahren Charakter hinter einer Maske verbirgt und vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist (vgl. Mt 6,1-6). Sie waren dem Evangelium der Gnade verpfl ichtet, gaben jedoch vor, jüdische Gesetzlichkeit zu akzeptieren.
2,14 richtig wandelten. Wörtl. »gerade gehen«. Da Petrus und die anderen Judenchristen sich von den Heidenchristen zurückzogen, wandelten sie nicht gemäß dem Wort Gottes. Wahrheit des Evangeliums. S. Anm. zu V. 5. heidnisch lebst. Bevor Petrus sich zurückzog, hatte er regelmäßig Gemeinschaft mit Heiden und aß mit ihnen. So war er ein Vorbild christlicher Liebe und Freiheit zwischen Juden und Heiden. zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben. Durch seine Verbeugung vor den Judaisten erklärte er ihren Weg als den richtigen.
2,15 Der von Paulus an Petrus gerichtete Tadel ist eine der kraft- vollsten Aussagen des NTs über die absolute und unabänderliche Notwendigkeit der Lehre, dass Rechtfertigung aus Gnade durch Glauben geschieht (s. Anm. zu Röm 3,24). Mit seiner offensichtlichen Buße erkannte Petrus die apostolische Autorität des Paulus sowie seine eigene Unterwerfung unter die Wahrheit an (vgl. 2Pt 3,15.16). 2,15 Sünder aus den Heiden. Dieser Ausdruck ist im gesetzlichen Sinn gemeint. Die Heiden waren von Natur Sünder, weil sie kein von Gott geoffenbartes, geschriebenes Gesetz hatten, das sie zum Heil bzw. zu einem gerechten Leben leitete.
2,16 aus Werken … durch den Glauben. In diesem Vers erklärt Paulus dreimal, dass die Errettung allein durch Glauben an Christus geschieht und nicht durch Gesetz. Die erste ist eine allgemeine Erklärung (»der Mensch …«), die zweite eine persönliche (»wir …«) und die dritte universal (»kein Fleisch …«). gerechtfertigt. Dieses elementare gr. Wort aus dem Rechtswesen beschreibt einen Richter, der einen Angeklagten als unschuldig erklärt und damit als gerecht vor dem Gesetz. In der ganzen Bibel bezeichnet dieses Wort Gottes Handlung der Rechtfertigung: Er erklärt einen Sünder als unschuldig und völlig gerecht vor ihm, indem er ihm die göttliche Gerechtigkeit Christi zurechnet und die Sünde dieses Menschen seinem sündlosen Retter anrechnet und als Strafe auferlegt (s. Anm. zu Röm 3,24; Phil 3,8.9). Werken des Gesetzes. Das Halten des Gesetzes ist als Mittel zum Heil völlig unannehmbar, weil die Wurzel der Sündhaftigkeit nicht in den Taten des Menschen liegt, sondern in seinem gefallenen Herzen. Das Gesetz dient nicht als Heilmittel gegen Sünde, sondern als Spiegel, der Sünde offenlegt (s. Anm. zu 3,22-24; Röm 7,713; 1Tim 1,8-11).
2,17 wir … als Sünder erfunden. Wenn die Lehre der Judaisten richtig wäre, dann wären Paulus, Petrus, Barnabas und die anderen jüdischen Gläubigen in die Kategorie der Sünder zurückgefallen, weil sie mit Heiden gegessen und Gemeinschaft mit ihnen gepfl egt hatten, die den Judaisten zufolge unrein waren. Sündendiener. Wenn die Judaisten Recht hätten, dann wäre Christus im Unrecht und würde Menschen zur Sünde auffordern, weil er lehrte, dass Speise den Menschen nicht verunreinigen kann (Mk 7,19; vgl. Apg 10,13-15). Außerdem hatte er erklärt, dass alle, die zu ihm gehören, mit ihm vereint und daher miteinander vereint sind (Joh 17,21-23). Paulus’ wasserdichte Logik verurteilte Petrus, weil dieser durch sein Verhalten tatsächlich den Anschein erweckt hatte, Christus habe gelogen. Dieser Gedanke muss aufs Schärfste verworfen werden und veranlasste Paulus, die stärkste gr. Negation zu verwenden (»das sei ferne«; vgl. 3,21; Röm 6,1.2; 7,13).
2,18 das, was ich niedergerissen habe. Das falsche System der Errettung durch Gesetzeswerke (s. Anm. zu 1,13), das aufgehoben worden war durch die Verkündigung der Errettung allein aus Gnade durch Glauben.
2,19 dem Gesetz gestorben. Wenn jemand eines Kapitalverbre- chens überführt und hingerichtet wird, kann das Gesetz keine weiteren Ansprüche an ihn stellen. Ebenso verhält es sich mit dem Christen, der in Christus (der die Sündenschuld vollständig bezahlt hat) gestorben und in ihm zu neuem Leben auferstanden ist: der Gerechtigkeit ist Genüge getan und er ist ein für allemal von jeder weiteren Strafe frei. S. Anm. zu Röm 7,1-6.
2,20 Ich bin mit Christus gekreuzigt. S. Anm. zu Röm 6,2-6. Wenn jemand Christus zur Errettung annimmt, identifi ziert er sich geistlich mit dem Herrn am Kreuz und mit seinem Sieg über Sünde und Tod. nicht mehr (lebe) ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Das alte Ich des Gläubigen ist tot (s. Anm. zu Eph 4,22), da es mit Christus gekreuzigt ist (Röm 6,3.5). Der neue Mensch des Gläubigen hat das Privileg des innewohnenden Christus, der ihn stärkt und der in ihm lebt (s. Anm. zu Röm 8,9.10). sich selbst für mich hingegeben. Der Beweis der Liebe Christi zum Gläubigen durch seinen Opfertod am Kreuz (Joh 10,17.18; Röm 5,6-8; Eph 5,25-30).
2,21 Da Petrus sich den Judaisten entsprechend verhielt und damit Christus zuwiderhandelte, folgerte Paulus, dass Petrus im Endeffekt die Notwendigkeit der Gnade Gottes verleugnete und somit den Nutzen des Todes Christi zunichte machte. Gerechtigkeit. S. Anm. zu Röm 1,17. ist Christus vergeblich gestorben. Oder besser übersetzt: »ist Christus unnötigerweise gestorben«. Wer daran festhält, er könne sein Heil durch eigene Anstrengung verdienen, untergräbt die Grundlage des christlichen Glaubens und stellt den Tod Christi als überfl üssig hin.
3,1 unverständigen. Das bedeutet nicht fehlende Intelligenz, sondern fehlenden Gehorsam (vgl. Lk 24,25; 1Tim 6,9; Tit 3,3). Paulus war über den Irrweg der Galater erschreckt, überrascht und empört. wer …? Die Judaisten, die jüdischen Irrlehrer, plagten die Gemeinden in Galatien (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). verzaubert. Mit schmeichelnden und falschen Versprechungen betört oder irregeleitet. Dieser Ausdruck legt nahe, dass die Judaisten auf die Emotionen abzielten. gekreuzigt. Die Kreuzigung Christi war eine einmalige historische Tatsache mit Konsequenzen, die bis in Ewigkeit fortbestehen. Mit seinem Opfertod zahlte Christus auf ewig die Sündenschuld der Gläubigen (vgl. Hebr 7,25). Diesem Opfer können keine menschlichen Werke etwas hinzufügen. vor die Augen gemalt. Das gr. Wort für »gemalt« bezeichnet die Ausstellung offi zieller Bekanntmachungen an öffentlichen Plätzen. Paulus hatte mit seiner Verkündigung den Galatern öffentlich das wahre Evangelium Jesu Christi vor Augen gestellt.
3,2 Habt ihr den Geist … empfangen? Die Antwort auf Paulus’ rhe- torische Frage liegt auf der Hand. Die Galater hatten den Geist empfangen, als sie errettet wurden (Röm 8,9; 1Kor 12,13; 1Joh 3,24; 4,13), und zwar nicht durch das Halten des Gesetzes, sondern durch rettenden Glauben, der ihnen gegeben wurde, als sie das Evangelium hörten (vgl. Röm 10,17). Mit Verkündigung vom Glauben ist eigentlich Verkündigung aus Glauben gemeint. Paulus rief die Galater auf, an ihre eigene Errettung zurückzudenken. Dadurch sollten sie erkennen, wie falsch die Irrlehre der Judaisten ist, die besagte, dass das Halten des Gesetzes heilsnotwendig sei.
3,3 Seid ihr so unverständig? Da er es nicht fassen konnte, wie leichtfertig die Galater sich irreführen ließen, stellte Paulus ihnen eine zweite rhetorische Frage, mit der er sie nochmals für ihre Torheit tadelte. Im Geist … angefangen … im Fleisch vollenden? Die Vorstellung, die sündige, schwache (Mt 26,41; Röm 6,19) und gefallene menschliche Natur könne das Rettungswerk des Heiligen Geistes verbessern, war für Paulus absurd.
3,4 viel. All das Heil und der Segen von Gott, Christus und dem Heiligen Geist (vgl. Eph 1,3). erlitten. Dem gr. Wort liegt die Bedeutung von »erfahren« zugrunde und beinhaltet nicht unbedingt Schmerz und Leid. Paulus beschrieb damit die Erfahrung der persönlichen Errettung in Jesus Christus, die die Galater erlebt hatten. Wenn es wirklich umsonst ist! S. Lk 8,13; Apg 8,13.21; 1Kor 15,2; 2Kor 6,1; 13,5.6.
3,5 Verkündigung vom Glauben. S. Anm. zu V. 2. 3,6 Genau wie im Römerbrief (s. Anm. zu Röm 4,3) zieht Paulus hier Abraham als Beweis dafür heran, dass es nie einen anderen Weg der Errettung gegeben hat als den aus Gnade durch Glauben. Sogar das AT lehrt die Rechtfertigung aus Glauben.
3,7 sind Abrahams Kinder. Ein Zitat aus 1Mo 15,6. Gläubige Ju- den und Heiden sind die wahren geistlichen Kinder Abrahams, weil sie seinem Beispiel des Glaubens folgen (vgl. V. 29; Röm 4,11.16).
3,8 die Schrift voraussah. Das Personifi zieren der Schrift war eine verbreitete jüdische Stilfi gur (vgl. 4,30; Joh 7,38.42; 19,37; Röm 9,17; 10,11; 11,2; 1Tim 5,18). Weil die Schrift Gottes Wort ist, spricht, wenn die Schrift spricht, Gott. dem Abraham im Voraus das Evangelium verkündigt. Die frohe Botschaft, die Abraham erfuhr, war die Botschaft, dass durch ihn das Heil zu allen Nationen kommen werde (ein Zitat aus 1Mo 12,3; 18,18). S. 1Mo 22,18; Joh 8,56; Apg 26,22.23. Die Errettung geschah schon immer und in jedem Zeitalter aus Glauben.
3,9 welche aus Glauben sind … Abraham. Juden gleichwie Hei- den. Das AT sagte voraus, dass die Heiden genau wie Abraham den Segen der Rechtfertigung aus Glauben empfangen werden. Diese Segnungen ergehen durch Christus an alle (vgl. Joh 1,16; Röm 8,32; Eph 1,3; 2,6.7; Kol 2,10; 1Pt 3,9; 2Pt 1,3.4).
3,10 alle, die aus Werken des Gesetzes sind. Alle, die versu- chen, die Errettung durch Halten des Gesetzes zu verdienen. unter dem Fluch. Ein Zitat aus 5Mo 27,26. Daraus wird deutlich, dass man das Gericht Gottes und die Verdammnis auf sich zieht, wenn man beim Halten des Gesetzes den kleinsten Fehler begeht. Ein einziger Verstoß gegen das Gesetz verdient den Fluch Gottes. Vgl. 5Mo 27.28. in allem. S. Jak
2,10 an die Armen gedenken. Eine praktische Erinnerung für Pau- lus und die wachsende Anzahl von Heidenchristen. Anfänglich war die Zahl der Christen in Jerusalem in die Höhe geschnellt (vgl. Apg 2,4145; 6,1) und viele Pilger, die zum Pfi ngstfest nach Jerusalem gekommen waren (Apg 2,1.5), blieben dort und kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Die Gläubigen teilten zwar zunächst ihre Mittel unter sich (Apg 2,45; 4,32-37), doch viele hatten wenig Geld. Die Jerusalemer Gemeinde war jahrelang wirtschaftlich belastet. S. Anm. zu Apg 11,29.30. 2,10 Niemand kann alle Gebote des Gesetzes erfüllen, nicht einmal ein strenger Pharisäer, wie Saulus von Tarsus einer war (Röm 7,7-12).
3,11 durch das Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird. Vgl. Röm 3,20. gerechtfertigt. Vor Gott gerecht gemacht. S. Anm. zu Röm 3,24. der Gerechte wird aus Glauben leben. S. Anm. zu Röm 1,17. Paulus’ voriges AT-Zitat (V. 10; vgl. 5Mo 27,26) zeigte, dass Rechtfertigung nicht durch das Halten des Gesetzes geschieht. Dieses Zitat aus Hab 2,4 verdeutlicht, dass Rechtfertigung allein aus Glauben geschieht (vgl. Hebr 10,38).
3,12 Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben. Rechtfertigung aus Glauben und Rechtfertigung durch das Halten des Gesetzes schließen sich gegenseitig aus, wie Paulus mit diesem AT-Zitat aus 3Mo 18,5 beweist.
3,13 Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes. Das gr. Wort für »loskaufen« kann auch mit »erlösen« übersetzt werden. Es bezeichnete den Kauf der Freiheit für einen Sklaven oder Schuldner. Weil Christus stellvertretend für Sünde starb, leistete er mit seinem Tod der Gerechtigkeit Gottes Genüge und stillte Gottes Zorn gegen seine Erwählten. So hat Christus den Gläubigen tatsächlich losgekauft aus der Sklaverei der Sünde und vom ewigen Todesurteil (4,5; Tit 2,14; 1Pt 1,18; vgl. Röm 3,24; 1Kor 1,30; Eph 1,7; Kol 1,14; Hebr 9,12). indem er ein Fluch um unsertwillen wurde. Da er am Kreuz Gottes Zorn gegen die Sünden der Gläubigen ertrug (s. Anm. zu 2Kor 5,21; vgl. Hebr 9,28; 1Pt 2,24; 3,18), nahm Christus den Fluch auf sich, der über Alle schwebte, die gegen das Gesetz verstoßen haben (s. Anm. zu V. 10). es steht geschrieben. Die im NT typische Einleitung (sie kommt 61-mal vor) von AT-Zitaten (s. Anm. zu Röm 3,10). 5Mo 21,23 wird zitiert.
3,14 der Segen Abrahams. Glaube an Gottes Verheißung der Er- rettung. S. Anm. zu V. 9. Geistes … der verheißen. Von Gott, dem Vater. Vgl. Jes 32,15; 44,3; 59,19-21; Hes 36,26.27; 37,14; 39,29; Joel 3,1.2; Lk 11,13; 24,49; Joh 7,37-39; 14,16.26.
3,15 Paulus ahnte einen Einwand voraus, der gegen seine Argu- mentation mit Abraham erhoben werden würde, mit der er die Lehre der Rechtfertigung aus Glauben belegte. In diesen Versen widerlegt er diesen Einwand, der besagt, die spätere Gesetzgebung am Sinai habe eine Veränderung und eine bessere Methode der Errettung gebracht. Um dies Argument zu widerlegen, zeigt Paulus, wie überlegen der abrahamitische Bund (V. 15-18) und wie unterlegen das Gesetz (V. 19-22) war. 3,15 Brüder. Dieses liebevolle Wort drückt innige Liebe zu den Gala- tern aus – die sie nach Paulus’ erstem Tadel vielleicht bezweifelten (V. 1.3). Menschenweise … das Testament eines Menschen. Selbst menschliche Bündnisse, die einmal bestätigt worden sind, werden als unwiderrufl ich und unabänderlich angesehen. Wie viel mehr gilt das dann für einen Bund, den ein unveränderlicher Gott geschlossen hat (Mal 3,6; Jak 1,17).
3,16 Samen. Vgl. V. 19. Das Zitat stammt aus 1Mo 12,7. Der Sin- gular dieses hebr. Wortes kann, wie sein dt. und gr. Gegenstück, im kollektiven Sinn verwendet werden. Paulus will hier herausstellen, dass in einigen AT-Textstellen (z.B. 1Mo 3,15; 22,18) »Samen« den größten Nachkommen Abrahams bezeichnet: Jesus Christus. Verheißungen. Die Verheißungen in Verbindung mit dem abrahamitischen Bund (1Mo 12,3.7; 13,15.16; 15,5.18; 17,8; 22,16-18; 26,3.4; 28,13.14). Da sie sowohl Abraham als auch seinen Nachkommen galten, wurden sie nicht hinfällig, als Abraham starb oder als das Gesetz kam. 3,17 430 Jahre danach. Von Israels Zeit in Ägypten (vgl. 2Mo 12,40) bis zur Gesetzgebung am Sinai (ca. 1445 v.Chr.). Das Gesetz wurde in Wirklichkeit 645 Jahre nach der ursprünglichen Verheißung an Abraham gegeben (ca. 2090 v.Chr.; vgl. 1Mo 12,4; 21,5; 25,26; 47,9), doch die Verheißung erging nochmals an Isaak (1Mo 26,24) und später auch an Jakob (ca. 1928 v.Chr.; 1Mo 28,15). In 1Mo 46,2-4 wird der abrahamitische Bund Jakob zum letzten überlieferten Mal bestätigt (ca. 1875 v.Chr.), kurz bevor er nach Ägypten zog, d.h. 430 Jahre vor dem mosaischen Gesetz. Testament. Der abrahamitische Bund (s. Anm. zu V. 16). Für eine Diskussion der Bündnisse der Bibel s. Anm. zu 1Mo 9,16; 12,1-3; Röm 9,4. von Gott … zuvor bestätigtes. S. Anm. zu V. 15. Der Begriff bedeutet »vorher rechtskräftig gemacht«. Seitdem Gott den Bund offi ziell bestätigt hat (s. Anm. zu 1Mo 15,9-21), hat dieser Bund dauerhafte Autorität, sodass nichts und niemand ihn aufheben kann. Der abrahamitische Bund war einseitig (Gott band sich nur selbst daran), ewig (er brachte immerwährenden Segen), unwiderrufl ich (er wird niemals ungültig), bedingungslos (er hängt allein von Gott und nicht von Menschen ab), doch seine volle Erfüllung steht noch aus: die Errettung Israels und das Tausendjährige Reich Jesu Christi.
3,18 Paulus betont nochmals, dass es keinen Mittelweg zwischen Gesetz (Werke) und Verheißung (Gnade) gibt. Diese beiden Prinzipien schließen sich als Heilswege gegenseitig aus (vgl. Röm 4,14). Ein »Erbe« ist defi nitionsgemäß etwas, was nicht verdient wurde, sondern was jemandem zuteil wird. Abraham selbst ist ein Beweis dafür.
3,19 Nachdem Paulus die Überlegenheit der Verheißung an Ab- raham herausgestellt hat (V. 15-18), beschreibt er die Unterlegenheit des Gesetzes und seines Zweckes. 3,19 Der Übertretungen wegen wurde es hinzugefügt. Paulus’ überzeugende Argumentation, dass die Verheißung dem Gesetz überlegen ist, wirft eine naheliegende Frage auf: Was war der Zweck des Gesetzes? Paulus’ antwortet: Das Gesetz offenbart die völlige Sündhaftigkeit des Menschen, der darum unfähig ist, sich selbst zu retten und unbedingt einen Retter braucht. Es war nie als Weg zum Heil vorgesehen (vgl. Röm 7,1-13). Same. S. Anm. zu V. 16. durch Engel. Die Bibel lehrt, dass an der Gesetzgebung Engel beteiligt waren (vgl. Apg 7,53; Hebr 2,2), erklärt jedoch nicht, welche Rolle sie genau dabei einnahmen.
3,20 Mittler. Paulus will offenbar sagen, dass ein »Mittler« dann erforderlich ist, wenn mehr als eine Partei beteiligt ist. Den Bund mit Abraham hat jedoch Gott allein bestätigt (s. Anm. zu 1Mo 15,7-21). 3,21 Paulus verwendet die stärkste gr. Negation (s. Anm. zu 2,17) und drückt so seine Geringschätzung des Gedankens aus, Gesetz und Verheißung seien zwei entgegengesetzte Wege. Da Gott beides gegeben hat und stets im Einklang mit sich selbst handelt, harmonieren Gesetz und Verheißung und gehören zusammen: Das Gesetz offenbart, dass der Mensch sündig ist und Errettung braucht; die Verheißung bietet diese Errettung frei an. Wenn das Gesetz gerecht machen und ewiges Leben geben könnte, dann gäbe es keine Verheißung der Gnade.
3,22 alles unter die Sünde zusammengeschlossen. Das gr. Verb, das mit »zusammengeschlossen« übersetzt ist, bedeutet »von allen Seiten umschließen«, »hermetisch abriegeln«. Paulus schildert die ganze Menschheit als hoffnungslos in Sünde verstrickt, wie ein Schwarm Fische von einem Netz umschlossen ist. Dass alle Menschen Sünder sind, ist die ausdrückliche Lehre der Schrift (s. Anm. zu Röm 3,19; vgl. 1Kö 8,46; Ps 143,2; Spr 20,9; Pred 7,20; Jes 53,6; Röm 3,9-19.23; 11,32).
3,23 Bevor aber der Glaube kam. Sowohl heilsgeschichtlich gese- hen als auch aus der Perspektive der persönlichen Errettung des Einzelnen (vgl. V. 19.24.25; 4,1-4) gilt: Nur rettender Glauben entriegelt die Kerkertür, hinter der das Gesetz den Menschen gefangen hält. unter dem Gesetz verwahrt. Paulus personifi ziert das Gesetz als Gefängniswärter schuldiger, verurteilter Sünder, die auf die Vollstreckung ihres Todesurteils durch das Gericht Gottes warten (Röm 6,23). auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. Wieder betrachtet Paulus das Kommen des Erlösers sowohl historisch als auch in Bezug auf die Errettung jedes einzelnen Gläubigen. Allein der Glaube an Christus erlöst Menschen von der Bindung ans Gesetz, sei es das mosaische Gesetz, oder das Gesetz in den Herzen der Heiden (Röm 2,14-16).
3,24 Lehrmeister. Das gr. Wort bezeichnet einen Sklaven, der die Aufgabe hatte, ein Kind bis zu seinem Erwachsenenalter zu hüten. Der »Lehrmeister« begleitete das Kind auf dem Schulweg und achtete auf sein Benehmen zu Hause. Lehrmeister waren oft streng und hart und ließen ihre Schützlinge den Tag ersehnen, an dem sie von der Aufsicht des Lehrmeisters frei würden. Das Gesetz war unser Lehrmeister, der uns von unseren Sünden überführte und uns so zu Christus geführt hat.
3,25 Durch den Glauben an Jesus Christus sind die Gläubigen zu Kindern Gottes geworden. Somit stehen sie nicht mehr unter der Vormundschaft des Gesetzes (Röm 6,14), obgleich sie immer noch verpfl ichtet sind, Gottes heiligen und unveränderlich gerechten Maßstäben zu gehorchen, deren Autorität auch im Neuen Bund bestehen bleibt (6,2; Röm 8,4; 1Kor 9,21).
3,26 Söhne Gottes. Im allgemeinen Sinn ist Gott zwar der Vater aller Menschen, weil er sie erschaffen hat (Apg 17,24-28), doch seine geistlichen Kinder sind nur diejenigen, die an Jesus Christus glauben. Ungläubige sind Kinder Satans (Mt 13,38; Joh 8,38.41.44; Apg 13,10; 1Joh 3,10; vgl. Eph 2,3; 1Joh 5,19).
3,27 in Christus hinein getauft. Das ist nicht die Wassertaufe, die nicht retten kann (s. Anm. zu Apg 2,38; 22,16). Paulus verwendete das Wort »getauft« im bildhaften Sinn von »eingetaucht« oder »hineinversetzt« in Christus (vgl. 2,20) durch das geistliche Wunder der Vereinigung mit ihm in seinen Tod und seine Auferstehung. S. Anm. zu Röm 6,3-5; vgl. 1Kor 6,17. Christus angezogen. Das Ergebnis der geistlichen Vereinigung des Gläubigen mit Christus. Paulus betonte die Tatsache, dass wir durch die Errettung mit Christus vereinigt wurden. Unserer Stellung nach haben wir Christus, seinen Tod, seine Auferstehung und seine Gerechtigkeit vor Gott angezogen (s. Anm. zu Phil 3,8-10). Von der Praxis her müssen wir in unserem Verhalten vor den Menschen »Christus anziehen« (Röm 13,14).
3,28 ihr seid alle einer in Christus Jesus. Alle, die mit Christus vereint sind, sind auch miteinander vereint. Dieser Vers streitet nicht ab, dass Gott ethnische, soziale und geschlechtliche Unterschiede zwischen Christen vorgesehen hat, sondern er bestätigt, dass solche Unterschiede keinen geistlichen Wert haben. Diese geistliche Gleichheit ist auch nicht unvereinbar mit den von Gott verordneten Rollen von Führung und Unterordnung in Gemeinde, Gesellschaft und Familie. Obwohl Jesus Christus völlig gleich mit dem Vater war, nahm er in seiner Fleischwerdung eine unterwürfi ge Rolle an (Phil 2,5-8).
3,29 Abrahams Same. S. Anm. zu V. 7. Nicht alle leiblichen Nach- kommen Abrahams sind das »Israel Gottes« (vgl. 6,16), d.h. die wahren, geistlichen Kinder Abrahams (Röm 9,6-8). Heidenchristen, die leiblich nicht von Abraham abstammen, sind jedoch insofern seine geistlichen Kinder, als dass sie dem Vorbild seines Glaubens folgten (s. Anm. zu Röm 4,11). nach der Verheißung Erben. Alle Gläubigen sind Erben des geistlichen Segens des abrahamitischen Bundes: der Rechtfertigung aus Glauben (1Mo 15,6; vgl. Röm 4,3-11).
4,36 die Hand der Gemeinschaft. Im Orient symbolisiert diese Geste ein feierliches Gelöbnis der Freundschaft und Partnerschaft. Die Apostel zeigten dadurch, dass sie Paulus als Lehrer des wahren Evangeliums und als Partner in der Mission akzeptierten. damit wir unter den Heiden … wirkten. Eine weitere Bestätigung, dass Gott Paulus zum Dienst berufen hatte und ein Schlag gegen die Judaisten, da die Apostel ihn aufforderten, seinen bereits gut gedeihenden Dienst unter den Heiden fortzusetzen. unter der Beschneidung. S. Anm. zu V. 7.
4,1 Den Vergleich mit einem heranreifenden Kind führt Paulus nun weiter aus (3,24-26). Dabei stellt er das Leben des Gläubigen vor seiner Errettung (»Unmündige« und »Sklaven«) in Kontrast zu seinem Leben nach der Bekehrung (»Erwachsene« und »Söhne«). Da es sowohl bei den Juden, als auch bei Griechen und Römern eine Zeremonie gab, mit der die Mündigkeit des Kindes gefeiert und gekennzeichnet wurde, verstanden jüdische wie auch heidnische Leser diese Bildersprache ohne weiteres. 4,1 unmündig. Das gr. Wort bezeichnet ein Kind, das noch nicht sprechen kann. Es ist minderjährig, geistlich und geistig unreif und noch nicht bereit für die Privilegien und Verantwortungen des Erwachsenen.
4,2 Vormündern und Verwaltern. »Vormünder« waren Sklaven, die mit der Obhut minderjähriger Jungen betraut waren; »Verwalter« betreuten den Besitz des Kindes, bis es erwachsen war. Zusammen mit dem »Lehrmeister« (3,24) hatten sie nahezu die volle Verantwortung für das Kind. Somit unterschied sich ein Kind unter ihrer Fürsorge praktisch nicht von einem Sklaven.
4,3 als wir noch unmündig waren … als Knechte unterwor- fen. Bevor wir »reif« wurden, d.h. bevor wir zum errettenden Glauben an Jesus Christus kamen. den Grundsätzen der Welt. Besser »Grundelemente«. Dieser Begriff stammt von einem gr. Wort, das »Reihe« oder »Abfolge« bedeutet und elementare, grundlegende Dinge bezeichnete wie die Buchstaben des Alphabets. Aus seiner Verwendung in V. 9 können wir schließen, dass es hier wahrscheinlich die grundlegenden Elemente und Rituale menschlicher Religion bezeichnet (s. Anm. zu Kol 2,8). Paulus beschreibt jüdische wie heidnische Religiosität als primitiv, weil sie höchstens menschlich sind und niemals ein göttliches Niveau erreichen können. Sowohl jüdische als auch heidnische Religion dreht sich um ein von Menschen gemachtes System der Werke. Sie bestanden großenteils aus Gesetzen und Zeremonien, die es zu beachten und durchzuführen galt, um von Gott angenommen zu werden. Alle derartigen primitiven Elemente sind unreif, wie das Verhalten eines Kindes, das an einen Vormund gebunden ist.
4,4 die Zeit erfüllt. Als die religiösen, kulturellen und politi- schen Umstände genau der Situation entsprachen, die Gott in seinem perfekten Zeitplan vorgesehen hatte, kam Jesus in die Welt. sandte Gott seinen Sohn. Wie ein Vater die Zeit festsetzt, wann sein Sohn das Erwachsenenalter erreicht hat und von Vormund, Verwalter und Lehrmeister befreit wird, so sandte Gott seinen Sohn genau zum richtigen Zeitpunkt. So sollten alle, die glauben, von der Versklavung des Gesetzes befreit werden. Diese Wahrheit hat Jesus wiederholte Male bestätigt (Joh 5,30.36.37; 6,39.44.57; 8,16.18.42; 12,49; 17,21.25; 20,21). Dass der Vater seinen Sohn in die Welt sandte, beweist seine Präexistenz als ewiger Sohn Gottes und ewige Person der Dreieinigkeit. S. Anm. zu Phil 2,6.7; Hebr 1,3-5; vgl. Röm 8,3.4. geboren von einer Frau. Das betont nicht nur die jungfräuliche Geburt Jesu (Jes 7,14; Mt 1,20-25), sondern sein vollkommenes Menschsein. Damit sein Opfer am Kreuz den unendlichen Wert haben konnte, um Sünde zu tilgen, musste Jesus ganz Gott sein. Aber er musste auch ganz Mensch sein, damit er als Stellvertreter für den Menschen die Sündenschuld auf sich nehmen konnte. S. Lk 1,32.35; Joh 1,1.14.18. unter das Gesetz. Wie alle Menschen war auch Jesus verpfl ichtet, dem Gesetz Gottes zu gehorchen. Im Gegensatz zu allen anderen Menschen gehorchte er diesem Gesetz vollkommen (Joh 8,46; 2Kor 5,21; Hebr 4,15; 7,26; 1Pt 2,22; 1Joh 3,5). Aufgrund seiner Sündlosigkeit war er das makellose Sündopfer und »erfüllte alle Gerechtigkeit«, d.h. er gehorchte Gott in allem vollkommen. Diese vollkommene Gerechtigkeit wird Allen zugerechnet, die an ihn glauben.
4,5 die, welche unter dem Gesetz waren. Schuldige Sünder unter den Forderungen und Flüchen des Gesetzes (s. Anm. zu 3,10.13), die einen Erretter brauchen (s. Anm. zu 3,23). loskaufte. S. Anm. zu 3,13. Sohnschaft. Dieses gr. Wort bedeutet eigentlich »Adoption« und bezeichnet die Handlung, mit der ein Nachkomme eines anderen in die eigene Familie aufgenommen wird. Da nicht wiedergeborene Menschen von Natur Kinder des Teufels sind (s. Anm. zu 3,26), können sie nur durch geistliche Adoption Gottes Kinder werden (Röm 8,15.23; Eph 1,5).
4,6 Geist seines Sohnes. Der Heilige Geist bestätigt den Gläubi- gen, dass Gott sie als seine Kinder angenommen hat (s. Anm. zu Röm 8,15). Heilsgewissheit ist ein Gnadenwerk des Heiligen Geistes und kann durch keine menschliche Quelle vermittelt werden. Abba. Ein aram. Koseausdruck, mit dem kleine Kinder ihre Väter ansprechen, so wie im Dt. das Wort »Papa« (s. Anm. zu Röm 8,15). 4,8-11 Die Errettung ist zwar eine freie Gabe Gottes (Röm 5,15.16.18; 6,23; Eph 2,8), doch bringt sie eine ernste Verantwortung mit sich (vgl. Lk 12,48). Gott erwartet von Gläubigen, dass sie heilig leben, weil sie Kinder eines heiligen Gottes sind, und ihn lieben und verehren (Mt 5,48; 1Pt 1,15-18). Diese Verpfl ichtung entspricht den unveränderlichen moralischen und geistlichen Prinzipien, die ewig das Wesen Gottes widerspiegeln; jedoch umfasst sie nicht die Rituale und Zeremonien, die ausschließlich zu Israel unter dem mosaischen Gesetz gehörten und die die Judaisten fälschlicherweise wieder einführen wollten.
4,8 als ihr Gott nicht kanntet. Kein unerretteter Mensch kennt Gott, bevor er zum rettenden Glauben an Christus kommt. S. Anm. zu Eph 4,17-19; 2Kor 4,3-6. die von Natur nicht Götter sind. Vor ihrer Bekehrung hatten auch die Galater gemeint, sie müssten die vermeintlichen Gottheiten der griechisch-römischen Götterwelt anbeten (vgl. Röm 1,23; 1Kor 8,4; 10,19.20; 12,2; 1Th 1,9).
4,9 von Gott erkannt. Wir können Gott nur deshalb kennen, weil er zuerst uns erkannt hat, genau wie wir uns nur deshalb für ihn entscheiden konnten, weil er zuerst uns erwählt hat (Joh 6,44; 15,16) und wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat (1Joh 4,19). wendet ihr euch wiederum. S. Anm. zu 3,1-3. schwachen und armseligen Grundsätzen … dienen. Oder: »Grundelementen, denen ihr … versklavt sein wollt.« S. Anm. zu V. 3.
4,10 Tage … Jahre. Die Rituale, Zeremonien und Feste des jüdi- schen Kalenders. Gott hat Israel diese Feste gegeben, sie aber nie der Gemeinde verordnet. Paulus warnt die Galater ebenso wie die Kolosser davor (s. Anm. zu Röm 14,1-6; Kol 2,16.17), solche Feste in gesetzlicher Weise zu beachten, als würde Gott dies verlangen oder als könne man sich dadurch Gunst bei Gott verdienen.
4,11 vergeblich um euch gearbeitet. Paulus befürchtete, seine Mühen zur Gründung und Auferbauung der Gemeinden in Galatien könnten sich als vergeblich erweisen, wenn die Galater in Gesetzlichkeit zurückfi elen (vgl. 3,4; 1Th 3,5).
4,12 Nachdem Paulus die Galater ernst zurechtgewiesen hat, än- dert er seine Vorgehensweise und macht die Galater auf seine starken Gefühle für sie aufmerksam. 4,12 Werdet doch wie ich, denn ich bin wie ihr! Paulus war einst ein stolzer, selbstgerechter Pharisäer, der darauf vertraute, dass seine eigene Gerechtigkeit ihn zum Heil führt (vgl. Phil 3,4-6). Als er aber zu Christus kam, verwarf er alle Versuche, sich selbst zu retten und vertraute ganz und gar auf die Gnade Gottes (Phil 3,7-9). Er nötigte die Galater, seinem Beispiel zu folgen und die Gesetzlichkeit der Judaisten abzulehnen. Ihr habt mir nichts zuleide getan. Obwohl die Juden ihn zunächst verfolgten, als er nach Galatien kam, hatten die galatischen Gläubigen Paulus nichts zuleide getan, sondern ihn begeistert aufgenommen, als er ihnen das Evangelium verkündete (vgl. Apg 13,42-50; 14,19). Wie kommt es, so fragte er sich, dass sie ihn jetzt ablehnen?
4,13 Schwachheit des Fleisches. Manche meinen, dass es sich bei dieser Krankheit um Malaria handelte, welche Paulus sich womöglich in den tiefgelegenen Küstengebieten Pamphyliens zugezogen hatte. Das könnte erklären, warum Paulus und Barnabas offenbar nicht in der pamphylischen Stadt Perge predigten (vgl. Apg 13,13.14). Das kühlere und gesündere Klima in Galatien und insbesondere in Antiochia in Pisidien (über 1.000 m über dem Meeresspiegel), wohin Paulus von Perge aus ging, konnte ihm Erleichterung vom Malaria-Fieber verschaffen. Malaria ist zwar eine schwere, sehr schwächende Krankheit, verläuft aber in Wellen, die von Pausen unterbrochen werden. Zwischen diesen Fieberattacken hätte Paulus am Evangelium dienen können.
4,14 nahmt ihr mich auf. Die Galater nahmen Paulus herzlich auf, trotz seiner Krankheit, die in keiner Weise seiner Glaubwürdigkeit oder Akzeptanz im Wege stand. wie Christus Jesus. S. Anm. zu Mt 18,5-10.
4,15 eure Glückseligkeit. Dieses gr. Wort kann sowohl mit »Segen« als auch mit »Glück« oder »Zufriedenheit« übersetzt werden. Paulus stellt heraus, dass die Galater mit seiner Evangeliumsverkündigung glücklich und zufrieden waren (vgl. Apg 13,48). Er wundert sich, warum sie sich gegen ihn gewandt hatten. eure Augen ausgerissen. Eine bildliche Sprachform oder ein Hinweis darauf, dass Paulus’ Krankheit (s. Anm. zu V. 13) irgendetwas mit seinen Augen zu tun hatte (vgl. 6,11). Jedenfalls drückt es die anfänglich starke Liebe der Galater zu Paulus aus.
4,16 euer Feind. Die Galater waren derart verunsichert, dass sie trotz ihrer früheren Zuneigung zu Paulus ihn jetzt als ihren Feind ansahen. Paulus erinnerte sie, dass er ihnen nichts zuleide getan, sondern ihnen lediglich die Wahrheit gesagt hatte. Diese Wahrheit hatte ihnen einst große Freude gebracht (s. Anm. zu V. 15). 4,17 Sie. Die Judaisten (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). eifern. Sie warben um sie mit ernstem Anliegen oder starkem Interesse (mit demselben Wort beschreibt Paulus in 1,14 seinen früheren Eifer im Judentum). Die Judaisten erweckten den Anschein eines aufrichtigen Interesses an den Galatern, aber in Wirklichkeit wollten sie die Galater von Gottes Errettung aus Gnade ausschließen und selber Anerkennung erlangen.
4,18 nicht nur, wenn ich bei euch anwesend bin. Paulus ermun- terte die Galater, für das wahre Evangelium der Gnade denselben Eifer zu haben, wie sie ihn an den Tag legten, als er bei ihnen war.
4,19 Meine Kinder. Diesen gefühlsbetonten Ausdruck verwendet Paulus nur hier, im Gegensatz zu Johannes, der ihn häufi g gebraucht (1Joh 2,1.18.28; 3,7.18; 4,4; 5,21). bis Christus in euch Gestalt gewinnt. Im Gegensatz zu den bösartigen Motiven der Judaisten (s. Anm. zu 3,1) wollte Paulus die Galater zur Gleichgestaltung mit Christus bringen (s. Anm. zu Röm 8,29).
4,20 ich weiß nicht. Ein gr. Wort, das auch bedeutet: »ratlos sein«, »zweifeln«, »mit der Weisheit am Ende sein«. Vgl. V. 6.
4,21 Paulus setzt den kontrastierenden Vergleich zwischen Gna- de und Gesetz, zwischen Glauben und Werken fort und zieht dazu eine Geschichte aus dem AT heran, die er als Analogie oder Illustration für das verwendet, was er gerade gelehrt hat. 4,21 unter dem Gesetz. S. Anm. zu 3,10.
4,22 zwei Söhne. Ismael, den Sohn von Saras ägyptischer Magd Hagar (1Mo 16,1-16) und Isaak, Saras eigener Sohn (1Mo 21,1-7).
4,23 gemäß dem Fleisch. Ismaels Geburt beruhte darauf, dass Ab- raham und Sara nicht an die Verheißung Gottes glaubten und kam durch sündiges Denken und Handeln zustande. kraft der Verheißung. Gott bewirkte auf wunderbare Weise, dass Abraham und Sara ein Kind, Isaak, bekommen konnten, obwohl Sara das gebärfähige Alter schon lange überschritten hatte und ihr ganzes Leben lang unfruchtbar gewesen war.
4,24 bildlichen. Das gr. Wort bezeichnete eine Geschichte, die eine Bedeutung vermittelte, die über den buchstäblichen Sinn hinausging. In diesem Abschnitt illustriert Paulus eine geistliche Wahrheit mit Hilfe von historischen Personen und Plätzen aus dem AT. Es ist keine Allegorie – denn in der ganzen Bibel gibt es keine Allegorie. Eine Allegorie ist eine fi ktive Geschichte, bei der die eigentliche Wahrheit in einer geheimen, versteckten Bedeutung verborgen liegt. Die Geschichte Abrahams, Saras, Hagars, Ismaels und Isaaks ist historisch authentisch und hat keine geheime oder verborgene Bedeutung. Paulus verwendet sie nur als Illustration, um den Gegensatz zwischen Gesetz und Gnade zu verdeutlichen. zwei Bündnisse. Paulus zieht die beiden Mütter, die beiden Söhne und die beiden Schauplätze als weitere Illustration für zwei Bündnisse heran. Hagar, Ismael und der Berg Sinai (das irdische Jerusalem) repräsentieren den Bund des Gesetzes; Sara, Isaak und das himmlische Jerusalem den Bund der Verheißung. Es kann jedoch nicht sein, dass Paulus diese beiden Bündnisse als verschiedene Heilswege darstellt, der eine etwa als Heilsweg für die Gläubigen des ATs und der andere als Heilsweg für die Gläubigen des NTs. Die Voraussetzung, dass niemand aus Gesetzeswerken errettet werden kann, wurde bereits festgestellt (2,16; 3,10-14.21.22). Das mosaische Gesetz diente nur einem Zweck: Wer unter seinen Forderungen und seiner Verurteilung stand, sollte durch das Gesetz lernen, dass er Errettung allein aus Gnade braucht (3,24). Niemals sollte das Gesetz jemand den Weg der Errettung weisen. Paulus will hier herausstellen: Wer wie die Judaisten versucht, Gerechtigkeit durch Halten des Gesetzes zu verdienen, wird dadurch nur Versklavung und Verdammnis ernten (3,10.23). Wer hingegen an der Errettung aus Gnade teilhat – seit dem Sündenfall der einzige Weg zum Heil – ist frei von der Sklaverei und Verurteilung des Gesetzes. Berg Sinai. Ein passendes Symbol für den alten Bund, denn auf dem Berg Sinai empfi ng Mose das Gesetz (2Mo 19). Hagar. Als Saras Sklavin (1Mo 16,1) ist Hagar eine passende Illustration für Menschen, die unter dem Gesetz versklavt sind (vgl. V. 5.21; 3,23). Hagar war tatsächlich mit dem Berg Sinai verbunden, da die Nachkommen ihres Sohnes Ismael sich in dieser Gegend ansiedelten.
4,25 entspricht dem jetzigen Jerusalem. Das Gesetz wurde auf dem Sinai gegeben und fand seine höchste Ausdrucksform im Tempel von Jerusalem und der dortigen Anbetung. Die Juden waren immer noch unter diesem Gesetz versklavt. 4,26 Das obere Jerusalem aber ist frei. Der Himmel (Hebr 12,18.22). Die Himmelsbürger (Phil 3,20) sind frei vom mosaischen Gesetz, von Werken, von Versklavung und von endlosen vergeblichen Versuchen, Gott durch das Fleisch zu gefallen. Mutter von uns allen. Gläubige sind Kinder des himmlischen Jerusalem, der »Mutterstadt« des Himmels. Wer an Christus glaubt, ist frei, im Gegensatz zu den versklavten Kindern Hagars (5,1; Jes 61,1; Lk 4,18; Joh 8,36; Röm 6,18.22; 8,2; 2Kor 3,17).
4,27 Paulus wendet Jes 54,1 auf das »obere Jerusalem« an.
4,28 Kinder der Verheißung. Genau wie Isaak die Verheißungen erbte, die Gott Abraham gegeben hatte (1Mo 26,1-3), so empfangen auch die Gläubigen Gottes Verheißung der Erlösung (1Kor 3,21-23; Eph 1,3), da sie geistliche Erben Abrahams sind (s. Anm. zu 3,29).
4,29 der gemäß dem Fleisch Geborene. Ismael. S. Anm. zu V. 23. den gemäß dem Geist [Geborenen] verfolgte. Isaak, den Ismael verspottete, als Isaaks Entwöhnung gefeiert wurde (s. 1Mo 21,8.9). so auch jetzt. Ismaels Nachkommen (die Araber) haben stets die Nachkommen Isaaks verfolgt (die Juden). Ebenso haben Ungläubige und gesetzliche Religiöse stets die Gläubigen in Bedrängnis gebracht (vgl. Mt 5,11; 10,2225; Mk 10,30; Joh 15,19.20; 16,2.33; 17,14; Apg 14,22; 2Tim 3,12; Hebr 11,32-37; 1Pt 2,20.21; 3,14; 4,12-14).
4,30 Treibe die Magd hinaus. Ein Zitat aus 1Mo 21,10. Wer ver- sucht, aufgrund des Haltens des Gesetzes gerechtfertigt zu werden, wird für immer aus der Gegenwart Gottes verstoßen werden (Mt 8,12; 22,12.13; 25,30; Lk 13,28; 2Th 1,9).
4,31 nicht Kinder der [leibeigenen] Magd. S. Anm. zu 4,24.26.
5,1 steht nun fest. Paulus fordert die Galater auf: Bleibt wo ihr seid, denn dort habt ihr den Segen, frei zu sein von Gesetz und Fleisch als Wege der Errettung, dort habt ihr aus Gnaden die Fülle des Segens. befreit. Freiheit vom Fluch des Gesetzes über den Sünder, der erfolglos versuchte, seine eigene Gerechtigkeit zu erlangen (3,13.22-26; 4,1-7), der aber nun Christus ergriffen hat und mit ihm die Errettung aus Gnade (s. Anm. zu 2,4; 4,26; vgl. Röm 7,3; 8,2). wieder … ein … spannen. Dieser Begriff hat mit einem Joch zu tun und könnte auch übersetzt werden: »wieder belastet werden durch«, »unterdrückt werden von«, oder »unterworfen sein unter«. Joch der Knechtschaft. »Joch« bezieht sich auf die Vorrichtung, mit der damals Nutztiere zum Arbeiten eingespannt wurden. Die Juden sprachen vom »Joch des Gesetzes« als einer guten Sache, den Kern der wahren Religion. Doch wie Paulus erklärt, war das Gesetz ein versklavendes Joch für solche, die es als Weg der Errettung zu halten versuchten. S. Anm. zu Mt 11,29.30.
5,2 beschneiden. S. Anm. zu 2,3. Paulus hatte nichts gegen die Beschneidung als solche einzuwenden (vgl. Apg 16,1-3; Phil 3,5). Doch sprach er sich gegen die Vorstellung aus, sie hätte irgendeinen geistlichen Nutzen oder Verdienst vor Gott, oder sie sei eine Voraussetzung oder Vorbedingung zur Errettung. Die Beschneidung hatte in Israel eine Bedeutung; sie war ein äußerliches Symbol für ein gereinigtes Herz (vgl. 5Mo 30,6; Jer 4,4; 9,24-26) und diente als Erinnerung an Gottes Bund der verheißenen Errettung (1Mo 17,9-10). wird euch Christus nichts nützen. Das Sühneopfer Christi kann niemandem zugute kommen, der zur Errettung auf das Gesetz und auf Rituale vertraut.
5,3 verpfl ichtet ist, das ganze Gesetz zu halten. Gottes Maß- stab ist vollkommene Gerechtigkeit. Wenn man auch nur im Geringsten versagt und einen kleinen Teil des Gesetzes nicht hält, wird der gesamte Maßstab nicht mehr erreicht (s. Anm. zu 3,10).
5,4 gerecht werden. S. Anm. zu 2,16; Röm 3,24. losgetrennt von Christus … aus der Gnade gefallen. Das gr. Wort für »abgetrennt« bedeutet »getrennt« »ab-« oder »durchgetrennt«, »abgesondert«. Das Wort für »gefallen« bedeutet »den Halt an etwas verlieren«. Paulus meint eindeutig, dass jeglicher Versuch, durch das Gesetz gerechtfertigt zu werden, bedeutet, dass man die Errettung allein aus Gnade durch Glauben verwirft. Wer zuvor die Wahrheit des Evangeliums der Gnade gehört hat und sich nun von Christus abwendet (Hebr 6,4-6) und durchs Gesetz gerechtfertigt werden will, ist von Christus getrennt und verliert jede Hoffnung, dass Gott ihn aus Gnade errette. Dass er sich von Christus und dem Evangelium als alleinigem Heilsweg abwendet, beweist, dass sein Glaube niemals echt war (vgl. Lk 8,13.14; 1Joh 2,9). Die Galater konnten zwar nicht für immer aus der Gnade fallen, weil sie wirklich errettet waren; aber wenn sie diese Botschaft der Judaisten übernahmen, und diese dadurch in die Kirche eindrang, war dies das Todesurteil der Kirche nachfolgender Generationen – wie die historischen Beispiele traurigerweise zur Genüge belegen.
5,5 aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit. Christen be- sitzen bereits die angerechnete Gerechtigkeit Christi, doch sie erwarten noch die vollständige und vollkommene Gerechtigkeit, die noch bei der Verherrlichung aussteht (Röm 8,18.21).
5,6 gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas. Vgl. 6,15. Was man im Fleisch getan oder nicht getan hat, einschließlich religiöser Zeremonien, hat niemals eine Bedeutung für die persönliche Beziehung zu Gott. Alles Äußere ist unerheblich und wertlos, solange es nicht eine echte innere Gerechtigkeit ausdrückt (vgl. Röm 2,25-29). Glaube, der durch die Liebe wirksam ist. Rettender Glaube erweist seinen echten Charakter durch Werke der Liebe. Wer durch Glauben lebt, wird durch die Liebe zu Gott und Christus im Herzen motiviert (vgl. Mt 22,3740). Solch echter Glaube kommt auf übernatürliche Weise zum Ausdruck in ergebener Anbetung, echtem Gehorsam und aufopfernder Liebe zu anderen.
5,7 Ihr lieft gut. Vgl. 3,3. Paulus vergleicht das Glaubensleben der Galater mit einem Rennen. Dieses Bild benutzt er mehrfach (2,2; Röm 9,16; 1Kor 9,24). Sie hatten gut angefangen – sie nahmen die Botschaft des Evangeliums im Glauben an und hatten begonnen, in ihrem Wandel als Christen durch Glauben zu leben. der Wahrheit nicht gehorcht. S. Anm. zu 1Pt 1,22. Das bezieht sich auf den wahren Weg des Glaubenslebens, was zweierlei einschließt: Die Galater reagierten mit Glauben auf das wahre Evangelium zur Errettung (vgl. Apg. 6,7; Röm 2,8; 6,17; 2Th 1,8) und sie reagierten anschließend mit Gehorsam auf das Wort Gottes zur Heiligung. Auch in Röm 1,5; 6,16.17; 16,26 schreibt Paulus über Errettung und Heiligung als Sache des Gehorsams. Der gesetzliche Einfl uss der Judaisten hielt sowohl die Unerretteten davon ab, im Glauben auf das Evangelium der Gnade zu reagieren, als auch die wahren Gläubigen davon, durch Glauben zu leben.
5,8 Die Überredung. Errettung durch Werke. Gott fördert keine Gesetzlichkeit. Jede Lehre, die behauptet, sein Gnadenwerk reiche zur Errettung nicht aus, ist falsch (s. Anm. zu 1,6.7). 5,9 Sauerteig. Eine übliche grundsätzliche Aussage (vgl. 1Kor 5,6) über die Wirkung von Hefe im Teig. Weil Sauerteig eine durchdringende Kraft hat, bezeichnet er in der Bibel häufi g Sünde (Mt 6,6.12).
5,10 Ich traue euch zu. Paulus ermutigt die Galater mit seiner Zu- versicht, dass der Herr treu sein und die Seinen vor Irrlehren bewahren wird. S. Joh 6,39.40; 10,28.29; Röm 8,31-39; Phil 1,6.7. Sie werden ausharren und bewahrt werden (Jud 24). Urteil. Alle falschen Lehrer werden das scharfe und vernichtende Urteil der ewigen Verdammnis erleiden. S. Anm. zu 2Pt 2,2.3.9.
5,11 wenn ich noch die Beschneidung verkündigte. Die Juda- isten hatten offenbar fälschlicherweise behauptet, Paulus stimme ihrer Lehre zu. Doch hier erklärt der Apostel: Wenn er die Beschneidung als heilsnotwendig verkündigte, warum verfolgten ihn die Judaisten dann, anstatt ihn zu unterstützen? Ärgernis des Kreuzes. Das gr. Wort für »Ärgernis« kann »Falle«, »Schlinge« oder »Stolperstein« bedeuten. Jedes Heilsangebot, das dem Menschen seine Hoffnung nimmt, durch eigene Leistung das Heil zu verdienen, zieht Widerstand auf sich (vgl. Röm 9,33).
5,12 O dass sie auch abgeschnitten würden. Besser übersetzt: »Ich wünschte, dass sie sich selber völlig abschnitten« oder »selber verstümmeln«. Das gr. Wort für »abschneiden« bezeichnete häufi g die Kastration, wie z.B. beim Kybele-Kult, wo sich die Priester selber zu Eunuchen machten. Da die Judaisten so nachdrücklich auf Beschneidung bestanden und sagten, dadurch könne man Gott wohlgefallen, empfi ehlt Paulus ihnen hier mit Ironie, diese religiöse Übung ins Extrem zu treiben und sich selber zu verstümmeln.
5,13 Freiheit. S. Anm. zu 2,4 Vorwand für das Fleisch. Das gr. Wort für »Vorwand« bezeichnete häufi g einen zentralen Stützpunkt für militärische Operationen (vgl. Röm 7,8). In diesem Zusammenhang bezieht sich »Fleisch« auf den Hang zur Sünde des gefallenen Menschen (s. Anm. zu Röm 7,5). Die Freiheit des Christen ist kein Ausgangspunkt, von dem aus er freimütig sündigen kann ohne Konsequenzen zu erleiden. dient einander. Die Freiheit des Christen ist nicht zur selbstsüchtigen Befriedigung da, sondern zum Dienst an anderen. Vgl. Röm 14,1-15.
5,14 das ganze Gesetz. Die ethischen Richtlinien des Gesetzes im AT sind dieselben wie auch im NT. Das wird hier aus dem Zitat aus 3Mo 19,18 deutlich (s. Anm. zu Röm 7,12; 8,4; vgl. Jak 2,8-10). Wenn ein Christ andere aufrichtig liebt, erfüllt er die moralischen Anforderungen des mosaischen Gesetzes (Mt 22,36-40; vgl. 5Mo 6,5; Röm 13,8-10). Das ist das bestimmende Prinzip christlicher Freiheit (V. 6.13).
5,15 einander aber beißt und fresst. Das lebhafte Bild wilder Tie- re, die sich aufeinander stürzen, sich anfallen und gegenseitig töten. Das veranschaulicht, was im geistlichen Bereich vor sich geht, wenn Gläubige sich nicht lieben und nicht einander dienen.
5,16 Wandelt im Geist. In allen Gläubigen ist der innewohnende Hei- lige Geist gegenwärtig (vgl. Röm 8,9; 1Kor 6,19.20), der für sie die Kraft zu einem Gott wohlgefälligen Leben ist. Die Form des gr. Verbs »wandelt« weist auf eine fortdauernde Handlung oder einen gewohnheitsmäßigen Lebensstil hin. »Wandel« bedeutet auch Vorwärtsbewegung. Unterwirft sich ein Gläubiger der Herrschaft des Geistes, d.h. reagiert er auf die einfachen Befehle der Schrift mit Gehorsam, wächst er in seinem geistlichen Leben (s. Anm. zu Röm 8,13; Eph 5,18; Kol 3,16). des Fleisches. Das ist nicht einfach der Körper, sondern umfasst auch den Verstand, den Willen und die Emotionen, die alle der Sünde unterworfen sind. »Fleisch« bezeichnet allgemein unsere unerlöste Menschennatur. S. Anm. zu Röm 7,5; 8,23; vgl. V. 13.
5,17 widerstreben einander. Das Fleisch streitet gegen das Wirken des Geistes und führt den Gläubigen zu sündigem Verhalten, zu dem er sonst nicht gezwungen wäre (s. Anm. zu Röm 7,14-25).
5,18 vom Geist geleitet … nicht unter dem Gesetz. Wir müs- sen uns entscheiden, denn diese beiden Möglichkeiten schließen sich gegenseitig aus. Entweder leben wir durch die Kraft des Heiligen Geistes, was zu gerechtem Verhalten und geistlichen Einstellungen führt (V. 22-29) oder durchs Gesetz, das nur ungerechtes Verhalten und ungeistliche Einstellungen hervorbringen kann (V. 19-21). Vgl. 1Kor 15,56.
5,19 Diese Sünden charakterisieren alle unerlösten Menschen, die unter den kraftlosen Geboten des Gesetzes leben, das nur zu sündigem Verhalten führt. Jedoch praktiziert nicht jeder Mensch alle diese Sünden im selben Maße oder ist im selben Maß davon befallen. Paulus’ Liste, die nicht erschöpfend ist, umfasst drei Lebensbereiche: Sexualität, Religion und zwischenmenschliche Beziehungen. Für weitere ähnliche Listen s. Röm 1,24-32; 1Kor 6,9.10. 5,19 Offenbar. Das Fleisch offenbart sich auf offenkundige und ty- pische Weise. Unzucht. Das gr. Wort ist porneia, der in dem dt. Begriff »Pornografi e« enthalten ist. Es bezeichnet jegliche unrechtmäßige sexuelle Betätigung, einschließlich Ehebruch, vorehelichem Verkehr, Homosexualität, Sodomie, Inzest und Prostitution. Zügellosigkeit. Dieses Wort bezeichnete ursprünglich jegliche Ausschweifung oder Disziplinlosigkeit, betraf später aber insbesondere sexuelle Exzesse und Schwelgereien.
5,20 Zauberei. Das gr. Wort pharmakeia, von dem der dt. Begriff »Pharmazie« stammt, bezeichnete ursprünglich die Medizin allgemein, später jedoch ausschließlich stimmungs- und bewusstseinsverändernde Drogen sowie den Bereich des Okkulten, der Hexerei und der Magie. Heidnische Religionspraktiken erfordern häufi g den Einsatz dieser Drogen, um dadurch Kontakt zu den Gottheiten aufzunehmen. Streit … Parteiungen. Viele dieser Sünden, die im zwischenmenschlichen Bereich zutage treten, haben mit irgendeiner Form von Zorn zu tun: »Zwietracht« führt zu »Streitigkeiten«, »Eifersüchteleien« (hasserfüllter Groll) führen zu »Zornausbrüchen« (plötzlich ungehemmt ausgedrückte Feindschaft). Die darauffolgenden vier Begriffe bezeichnen Feindseligkeit zwischen Personen und Gruppen.
5,21 Trunkenheit, Gelage. Wahrscheinlich ein besonderer Hinweis auf die Orgien, die typisch waren für heidnische, götzendienerische Religionen. Allgemein bezeichnen diese Begriffe jegliches rüpelhafte, ungestüme und rohe Verhalten. tun. Das Schlüsselwort in Paulus’ Warnung. Dieses gr. Verb bezeichnet ein fortdauerndes und gewohnheitsmäßiges Verhalten. Zwar können auch echte Gläubige diese Sünden begehen, doch es steht fest: Wer charakterlich von der durchgängigen und reuelosen Ausübung dieser Sünden geprägt ist, kann nicht zu Gott gehören (s. Anm. zu 1Kor 6,11; 1Joh 3,4-10). das Reich Gottes nicht erben. S. Anm. zu Mt 5,3. Die nicht Wiedergeborenen sind ausgeschlossen vom Eingang ins geistliche Reich der Erlösten, über das Christus jetzt regiert, und sie werden ausgeschlossen sein von seinem Tausendjährigen Reich und der darauffolgenden glückseligen Ewigkeit. S. Anm. zu Eph 5,5.
5,22 Frucht des Geistes. Geistliche Charaktereigenschaften, die nur solche kennzeichnen, die durch Glauben an Christus zu Gott gehören und den Heiligen Geist Gottes haben. Der Geist bringt eine Frucht hervor, die sich aus neun Merkmalen bzw. Charakterzügen zusammensetzt. Sie sind unaufl ösbar miteinander verbunden und werden im ganzen NT von den Gläubigen erwartet. Liebe. Eines von mehreren gr. Wörtern für Liebe, agape. Es bezeichnet die freiwillige Liebe und nicht emotionale Zuneigung, körperliche Anziehung oder familiäre Bande, sondern Respekt, Verehrung und Zuneigung, die zu einem bereitwilligen und aufopferungsvollen Dienst führen (Joh 15,13; Röm 5,8; 1Joh 3,16.17). Freude. Glück, das auf den unabänderlichen Verheißungen Gottes und auf ewigen geistlichen Wahrheiten gründet. Es ist das Wohlergehen, das derjenige erlebt, der um seinen Frieden mit Gott und seine ungetrübte Beziehung zu ihm weiß (1Pt 1,8). Freude hängt nicht von günstigen Umständen ab und kann sogar dann erfahren werden, wenn die Umstände äußerst schmerzlich und bedrückend sind (Joh 16,20-22). Freude ist eine Gabe Gottes, und als solche können Gläubige Freude nicht selber erzeugen, sondern dürfen sich an den Segnungen freuen, die sie bereits besitzen (Röm 14,17; Phil 4,4). Friede. Die innere Ruhe, die sich aus der Zuversicht ergibt, eine rettende Beziehung zu Christus zu haben. Die Verbform bedeutet »zusammenbinden« und wird am besten übersetzt mit »alles gemeinsam haben«. Friede ist, wie auch Freude, nicht von den Umständen abhängig (Joh 14,27; Röm 8,28; Phil 4,6.7.9). Langmut. Geduld im Sinne von der Fähigkeit, zugefügtes Unrecht zu ertragen und der Bereitschaft, ärgerliche oder schmerzliche Situationen hinzunehmen (Eph 4,2; Kol 3,12; 1Tim 1,15.16). Es ist das verzeihende Verstehen und Ertragen der Schwächen anderer, weil wir als fehlhafte Menschen uns unserer eigenen Fehler bewusst sind. Freundlichkeit. Ein liebevolles Interesse für andere, das sich im Wunsch ausdrückt, andere sanftmütig zu behandeln, so wie der Herr alle Gläubigen behandelt (Mt 11,28.29; 19,13.14; 2Tim 2,24). Güte. Moralische und geistliche Qualität, die in aktiver Freundlichkeit zum Ausdruck kommt (Röm 5,7). Gläubige sollen ein Beispiel an Güte sein (6,10; 2Th 1,11). Treue. Loyalität und Vertrauenswürdigkeit (Kla 3,22; Phil 2,79; 1Th 5,24; Offb 2,10). Sanftmut. Eine demütige und milde Haltung, die sich jedem Angriff geduldig unterwirft und dabei keine Rache oder Vergeltung wünscht. Im NT bezeichnet dieses Wort drei Haltungen: Unterwerfung unter den Willen Gottes (Kol 3,12), Belehrbarkeit (Jak 1,21) und Rücksicht auf andere (Eph 4,2). Selbstbeherrschung. Das Zügeln von Leidenschaften und Lüsten (1Kor 9,25; 2Pt 1,5.6).
5,23 kein Gesetz. Wenn ein Christ durch die Kraft des Heiligen Geis- tes lebt und dessen Frucht bringt, braucht er kein äußerliches Gesetz, um Gott wohlgefällige Charakterzüge und Verhaltensweisen an den Tag zu legen (vgl. Röm 8,4).
5,24 haben das Fleisch gekreuzigt. Eines von vier Vorkommen des Wortes »gekreuzigt«, die sich nicht auf Jesu Kreuzigung beziehen (Gal 2,20; 6,6.14). Hier sagt Paulus, dass das Fleisch hingerichtet worden ist, doch der geistliche Kampf wütet noch im Gläubigen (s. Anm. zu Röm 7,14-25). Paulus’ Verwendung dieses Wortes blickt zurück zum Kreuz Christi, wo das Fleisch getötet wurde und mit ihm seine Kraft, über den Gläubigen zu herrschen (Röm 6,1-11). Christen müssen bis zur Verherrlichung warten, dann werden sie ihre unerlöste Menschennatur endgültig ablegen (Röm 8,23), doch in dieser Welt können sie Gott wohlgefallen, wenn sie im Geist wandeln.
5,25 im Geist leben. S. Anm. zu V. 16.
6,1 übereilt. Wörtl. »eingefangen«, was bedeuten kann, dass die Person bei einer Sünde beobachtet wurde oder dass sie sich in der Sünde selbst verfangen oder verstrickt hat. ihr, die ihr geistlich seid. Gläubige, die im Geist wandeln (s. Anm. zu 5,16) und vom Heiligen Geist erfüllt sind (s. Anm. zu Eph 5,18-20; Kol 3,16), und offensichtlich die Frucht des Geistes hervorbringen (s. Anm. zu 5,22.23). helft … zurecht. Dieses Wort wurde manchmal bildhaft für das Schlichten von Disputen oder Streitigkeiten verwendet und bedeutet wörtl. »fl icken«, »reparieren«. Es bezeichnete auch das Schienen eines Knochenbruchs oder das Einrenken von Gliedmaßen (Hebr 12,12.13; s. Anm. zu Röm 15,1; 1Th 5,14). Ein systematischer Abriss für das grundsätzliche Verfahren der Wiederherstellung bzw. Zurechtbringung fi ndet sich in Mt 18,15-20 (s. Anm. dort). Geist der Sanftmut. S. Anm. zu 5,23 (vgl. 2Kor 2,7; 2Th 3,15). gib dabei Acht auf dich selbst. Oder »schau auf«, »beobachte dich selbst«. Die gr. Form legt starken Nachdruck auf eine fortdauernde, fl eißige Aufmerksamkeit.
6,2 Einer trage des anderen Lasten. »Lasten« waren besonders schwere Bürden. Hier sind damit Schwierigkeiten und Probleme gemeint, die kaum zu bewältigen sind. »Tragen« hat den Beiklang des ausdauernden Stützens. das Gesetz des Christus. Das Gesetz der Liebe, das das ganze Gesetz erfüllt (s. Anm. zu 5,14; Joh 13,34; Röm 13,8.10).
6,4 prüfe. Wörtl. bedeutet dieses Verb »nach Prüfung gutheißen«. Bevor Gläubige anderen geistliche Hilfe bieten, müssen sie sicherstellen, dass ihr eigenes Leben mit Gott in Ordnung ist (vgl. Mt 7,3-5). für sich selbst den Ruhm haben. Wenn sich ein Gläubiger rühmt, sollte er sich nur im Herrn rühmen, und zwar dessen, was Gott an ihm getan hat (vgl. 2Kor 10,12-18) und nicht dessen, was er im Vergleich zu anderen Gläubigen angeblich geleistet hat (s. Anm. zu 1Kor 1,31).
6,5 seine eigene Bürde zu tragen. Das ist kein Widerspruch zu V. 2. »Bürde« ist hier ein anderes gr. Wort als in V. 2 und vermittelt nicht den Gedanken von Problemen, sondern bezeichnet die üblichen Pfl ichten des Lebens und die Berufung jedes einzelnen Gläubigen zu seinem Dienst (vgl. Mt 11,30; 1Kor 3,12-15; 2Kor 5,10). Gott fordert, dass wir diesen Verantwortungen treu nachkommen.
6,6 allen Gütern. Dieser Begriff kann zwar einen materiellen Aus- gleich bezeichnen, doch der Zusammenhang legt nahe, dass Paulus von den geistlich und moralisch vorzüglicheren Dingen spricht, die aus dem Wort gelernt wurden, worin der Lehrende und der Lernende Gemeinschaft haben. Paulus beschreibt mit demselben Wort das Evangelium (Röm 10,15; vgl. Hebr 9,11).
6,7 was der Mensch sät … ernten. Dies landwirtschaftliche Prinzip, das hier bildhaft auf den moralischen und geistlichen Bereich angewendet wird, ist allgemein gültig (vgl. Hi 4,8; Spr 1,31-33; Hos 8,7; 10,12). Dieses Gesetz ist eine Form des Zorns Gottes. S. Anm. zu Röm 1,18.
6,8 auf sein Fleisch sät. S. Anm. zu 5,16-19; Röm 7,18; 8,23. Hier bedeutet es, die bösen Lüste des Fleisches zu erfüllen. Verderben. Vom gr. Wort für Verderbnis wie z.B. bei verfaulenden und verwesenden Nahrungsmitteln. Sünde führt immer zum Verderben und lässt man ihr ungehindert ihren Lauf, wird sie den Charakter der Person fortschreitend verschlechtern (vgl. Röm 6,23). auf den Geist sät. Wandel im Heiligen Geist (s. Anm. zu 5,16-18; Eph 5,18; vgl. Joh 8,31; 15,7; Röm 12,1.2; Kol 2,6; 3,2). ewiges Leben. Dieser Ausdruck bezeichnet nicht nur ein Leben von endloser Dauer, sondern in erster Linie die höchste Lebensqualität, die der Mensch erfahren kann (vgl. Ps 51,14; Joh 10,10; Eph 1,3.18).
6,10 Gelegenheit. Dieses gr. Wort bezeichnet keine gelegentlichen Augenblicke, sondern einen bestimmten, festen Zeitabschnitt. Paulus will damit herausstellen, dass das ganze Leben des Gläubigen das einzigartige Vorrecht bietet, anderen im Namen Jesu zu dienen. besonders aber an den Hausgenossen des Glaubens. Unsere Liebe zu Mitchristen ist der wichtigste Test unserer Liebe zu Gott (s. Anm. zu Joh 13,35; Röm 12,10-13; 1Joh 4,20.21).
6,11 Dieser abschließende Abschnitt des Briefes ist Paulus’ letzter rhetorischer Angriff auf die Lehre und Motive der Judaisten (s. Anm. zu 1,7-9). Außerdem legt er hier in positiver Weise seine geistlichen Motive bei der Verkündigung des wahren Evangeliums dar. 6,11 mit welch großen Buchstaben. Oder auch »welch langen Brief«. Ersteres ist die bevorzugte Übersetzung. Sie kann auf zweierlei Weise gedeutet werden: 1.) Paulus war aufgrund seines Augenleidens gezwungen, in großen Buchstaben zu schreiben (vgl. 4,13.15); oder 2.) Paulus verwendete anstatt der normalen Kursivschrift professioneller Schreiber die großen Blockbuchstaben (die häufi g in persönlichen Notizen vorkamen), um mehr den Inhalt des Briefes als seine Form zu betonen. Das war ein deutliches Bild für den Gegensatz zwischen seinem Anliegen – den Inhalt des Evangeliums – und dem einzigen Anliegen der Judaisten, nämlich dem Augenschein. Dieser Ausdruck diente als Übergang zu seinen abschließenden Anmerkungen. geschrieben habe mit eigener Hand. Diese gelungene Übersetzung des gr. Verbs zeigt, dass Paulus nicht nur einen kurzen Abschnitt, sondern den ganzen Brief eigenhändig geschrieben hat, im Gegensatz zu anderen Briefen, die er einem Sekretär diktierte (vgl. 1Kor 16,21; Kol 4,18; 2Th 3,17). Paulus schrieb diesen Brief selber, weil die Galater unbedingt wissen sollten, dass er – und nicht irgendein Fälscher – ihn geschrieben hat. Außerdem wollte er dem Dokument eine persönliche Note verleihen und somit betonen, wie wichtig und schwerwiegend sein Inhalt ist.
6,12 wohl angesehen. Die Judaisten wurden von religiösem Stolz motiviert und wollten mit ihrer äußerlichen Frömmigkeit andere beeindrucken (vgl. Mt 6,1-7). nötigen euch, dass ihr euch beschneiden lasst. S. Anm. zu 2,3; 5,2-6. damit sie nicht … verfolgt werden. Die Judaisten machten sich mehr Sorgen um ihre eigene Sicherheit als um die richtige Lehre. Sie hingen mehr am mosaischen Gesetz als am Evangelium Jesu Christi, weil sie hofften, dadurch dem sozialen und fi nanziellen Ausschluss durch die anderen Juden zu entgehen und ihren geschützten Status als Juden innerhalb des Römischen Reichs zu bewahren.
6,13 die sich beschneiden lassen. In diesem Fall insbesondere die Judaisten (s. Anm. zu 2,7.8; vgl. Apg 10,45; 11,2). eures Fleisches rühmen. Sie arbeiteten eifrig darauf hin, heidnische Bekehrte für das Gesetz zu gewinnen, damit sie mit ihrer effektiven Proselytenwerbung prahlen könnten (vgl. Mt 23,15).
6,14 rühmen, als nur des Kreuzes. Das gr. Wort für »rühmen« bezeichnet einen einfachen Ausdruck des Lobpreises und hat nichts mit Stolz zu tun. Paulus rühmt sich und freut sich über das Opfer Jesu Christi
1,1 Apostel. Das Wort bedeutet »Bote« und diente als offi zieller Titel für Paulus und die zwölf Jünger (einschließlich Matthias, Apg 1,26), die Augenzeugen des auferstandenen Jesus und von Gott erwählt waren, die Grundlage der Gemeinde zu legen. Diese Bestimmung erfüllten sie, begleitet von Zeichen und Wundern (vgl. 2Kor 12,12), durch ihre Predigt- und Lehrtätigkeit sowie durch das Niederschreiben des NTs. S. Anm. zu 4,11. Heiligen und Gläubigen. Bezeichnungen für diejenigen, die Gott für sich selbst von der Sünde abgesondert und durch ihren Glauben an Jesus Christus geheiligt hat.
1,2 Gnade sei mit euch und Friede. Ein üblicher Gruß der Urge- meinde, den Paulus in allen seinen Briefen verwendet. Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Von ihnen stammten sowohl die Autorität, mit der Paulus sprach (V. 1) als auch die Segnungen der Gnade und des Friedens für alle Gläubigen. Die Konjunktion »und« weist auf Gleichheit hin, d.h. der Herr Jesus Christus ist ebenso göttlich wie der Vater.
1,3 Dieser Abschnitt beschreibt Gottes Meisterplan des Heils in Begriffen der Vergangenheit (Erwählung, V. 3-6a), Gegenwart (Erlösung, V. 6b-11) und Zukunft (Erbe, V. 12-14). Aus anderer Perspektive gesehen, stellt er den Vater heraus (V. 3-6), den Sohn (V. 7-12) und den Heiligen Geist (V. 13-16). 1,3 Gepriesen. Abgeleitet vom gr. Wort eulogeo, was wörtl. »Gutes sagen« und somit »segnen« bedeutet. Gott zu preisen ist die erhabendste Pfl icht aller Kreatur (s. Anm. zu Röm 1,18-21; vgl. Offb 5,13). Gott … der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen. In seiner vorsehenden Gnade hat Gott den Gläubigen schon jetzt den vollen Segen gegeben (Röm 8,28; Kol 2,10; Jak 1,17; 2Pt 1,3). »Geistlich« bedeutet nicht immateriellen Segen im Gegensatz zu materiellem, sondern vielmehr, dass dieser Segen das Werk Gottes ist, der die übernatürliche und geistliche Quelle allen Segens ist. in den himmlischen Regionen. Wörtl. »in den Himmlischen«. Das bezieht sich auf Gottes himmlisches Reich, dem alle seine Segnungen entstammen (vgl. V. 20; 2,6; 3,10; 6,12). in Christus. Gottes überströmende Segnungen gehören nur den Gläubigen, die durch Glauben an Christus seine Kinder sind und denen somit das gehört, was Christus hat – einschließlich seiner Gerechtigkeit, Hilfsquellen, Vorrechte, Stellung und Macht (vgl. Röm 8,16.17).
1,4 wie er uns in ihm auserwählt hat. Die Lehre der Erwählung wird in der ganzen Schrift betont (vgl. 5Mo 7,6; Jes 45,4; Joh 6,44; Apg 13,48; Röm 8,29; 9,11; 1Th 1,3.4; 2Th 2,13; 2Tim 2,10; s. Anm. zu 1Pt 1,2). Die Form des gr. Verbs für »auserwählt« zeigt, dass Gott nicht nur durch seine eigene Entscheidung erwählt hat, sondern auch für sich selbst zum Lobpreis seiner eigenen Herrlichkeit (V. 6.12.14). Gottes Erwählung oder Prädestination wirkt nicht losgelöst von der Verantwortung des Menschen, an Jesus als Herrn und Retter zu glauben und hebt diese Verantwortung auch nicht auf (vgl. Mt 3,1.2; 4,17; Joh 5,40). vor Grundlegung der Welt. Durch Gottes souveränen Willen vor Erschaffung der Welt und daher offensichtlich unabhängig von jedem menschlichen Einfl uss und ohne jeden menschlichen Verdienst, wurden die Erlösten ewig mit Christus Jesus verbunden. Vgl. 1Pt 1,20; Offb 13,8; 17,8. heilig und tadellos vor ihm seien. Das bezeichnet sowohl einen Zweck als auch ein Ergebnis von Gottes Erwählung derer, die gerettet werden sollen. Weil die Erlösten »in ihm« (Christus) erwählt sind, werden Ungerechte gerecht erklärt und unwürdige Sünder für das Heil würdig gemacht. Das weist hin auf Christi Gerechtigkeit, die uns zugerechnet und verliehen wird (s. Anm. zu 2Kor 5,21; Phil 3,9). Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit, die die Gläubigen in eine heilige und tadellose Stellung vor Gott versetzt (5,27; Kol 2,10), obgleich sie in ihrem Alltagsleben unvermeidlich Gottes heiligen Maßstab nicht erreichen. in Liebe. Dieser Ausdruck gehört an den Anfang von V. 5, denn er leitet das göttliche Motiv für Gottes erwählenden Ratschluss ein. Vgl. 2,45; 5Mo 7,8.
1,5 Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft. Wörtl. »zur An- nahme als Söhne«. Menschliche Eltern können einem adoptierten Kind ihre Liebe erweisen und ihm alle Güter und ihr Erbe geben, ihm aber nicht ihre eigenen typischen Eigenschaften verleihen. Doch Gott gibt seinen Erwählten, die an Christus glauben, auf wunderbare Weise sein eigenes Wesen. Er macht sie zu seinen Kindern im Bild seines göttlichen Sohnes und verleiht ihnen nicht nur die Reichtümer und Segnungen Christi, sondern auch sein eigenes Wesen (vgl. Joh 15,15; Röm 8,15).
1,6 zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade. Der höchste Zweck der Erwählung zum Heil ist die Verherrlichung Gottes (vgl. V. 12.14; Phil 2,13; 2Th 1,11.12). mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten. »Mit der« bezieht sich auf die Gnade Gottes (unverdiente Liebe und Gunst), die es Sündern ermöglicht, von Gott angenommen zu werden aufgrund des stellvertretenden Todes und der zugerechneten Gerechtigkeit Jesu Christi (»der Geliebte«, vgl. Mt 3,17; Kol 1,13). Weil die Gläubigen begnadigt sind in ihm, werden sie wie Christus von Gott geliebt.
1,7 Erlösung durch sein Blut. Der hier verwendete Begriff bezieht sich auf die Bezahlung des Lösegelds an Gott, durch das ein Mensch von Sklaverei frei wird. Mit seinem Kreuzesopfer zahlte Christus diesen Preis für jeden Erwählten, der von Sünde versklavt war, und kaufte ihn vom Sklavenmarkt der Bosheit frei (s. Anm. zu 2Kor 5,18.19). Der Preis der Erlösung war der Tod (vgl. 3Mo 17,11; Röm 3,24.25; Hebr 9,22; 1Pt 1,18.19; Offb 5,8-10). 1,7b die Vergebung der Übertretungen … in aller Weisheit und Einsicht. Die Erlösung bringt die grenzenlose Gnade Gottes (Röm 5,20) und die Vergebung der Sünden mit sich (vgl. Mt 26,28; Apg 13,38.39; Eph 4,32; Kol 2,13; 1Joh 1,9). Sie führt zu geistlicher Weisheit, die von Gott verliehen ist. Vgl. 1Kor 2,6.7.12.16.
1,10 alles unter einem Haupt zusammenzufassen. Am Ende der Weltgeschichte wird Gott die Gläubigen im Tausendjährigen Reich versammeln, das hier »Ausführung in der Fülle der Zeiten« genannt wird (oder: »Haushaltung der Fülle der Zeiten«), was die Vollendung der Weltgeschichte bedeutet (Offb 20,1-6). Danach wird Gott in der zukünftigen Ewigkeit alles zu sich selber hin versammeln und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen (Offb 21,1ff.). Das neue Universum wird völlig unter Christus vereint sein (vgl. 1Kor 15,27.28; Phil 2,10.11).
1,11 in ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben. Christus ist die Quelle des göttlichen Erbes der Gläubigen, welches ihnen so gewiss ist, als hätten sie es schon empfangen. Vgl. 1Kor 3,22.23; 2Pt
1,3 Dieser Abschnitt beschreibt Gottes Meisterplan des Heils in Begriffen der Vergangenheit (Erwählung, V. 3-6a), Gegenwart (Erlösung, V. 6b-11) und Zukunft (Erbe, V. 12-14). Aus anderer Perspektive gesehen, stellt er den Vater heraus (V. 3-6), den Sohn (V. 7-12) und den Heiligen Geist (V. 13-16). 1,3 Gepriesen. Abgeleitet vom gr. Wort eulogeo, was wörtl. »Gutes sagen« und somit »segnen« bedeutet. Gott zu preisen ist die erhabendste Pfl icht aller Kreatur (s. Anm. zu Röm 1,18-21; vgl. Offb 5,13). Gott … der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen. In seiner vorsehenden Gnade hat Gott den Gläubigen schon jetzt den vollen Segen gegeben (Röm 8,28; Kol 2,10; Jak 1,17; 2Pt 1,3). »Geistlich« bedeutet nicht immateriellen Segen im Gegensatz zu materiellem, sondern vielmehr, dass dieser Segen das Werk Gottes ist, der die übernatürliche und geistliche Quelle allen Segens ist. in den himmlischen Regionen. Wörtl. »in den Himmlischen«. Das bezieht sich auf Gottes himmlisches Reich, dem alle seine Segnungen entstammen (vgl. V. 20; 2,6; 3,10; 6,12). in Christus. Gottes überströmende Segnungen gehören nur den Gläubigen, die durch Glauben an Christus seine Kinder sind und denen somit das gehört, was Christus hat – einschließlich seiner Gerechtigkeit, Hilfsquellen, Vorrechte, Stellung und Macht (vgl. Röm 8,16.17). 1,3 die wir vorherbestimmt sind. Bevor die Erde gebildet wur- de, bestimmte Gott in seiner Souveränität, dass jeder erwählte Sünder – gleichgültig wie verkommen, nutzlos und todeswürdig er war – durch Glauben an Christus gerecht gemacht werden sollte. S. Anm. zu V. 4. der alles wirkt. Von dem Wort, das hier mit »wirkt« übersetzt ist, stammen die Begriffe »Energie«, »energisch« usw. ab. Als Gott die Welt erschuf, gab er ihr genügend Energie, damit sie sofort so funktionieren konnte, wie er es beschlossen hatte. Sie war nicht nur fertig und funktionstüchtig, sondern sie wurde funktionierend erschaffen. Da Gott alle seine Pläne »nach dem Ratschluss seines Willens« ausführt, stärkt er auch jeden Gläubigen mit der nötigen Kraft für seine geistliche Vollendung (vgl. Phil 1,6; 2,13).
1,12 zum Lob seiner Herrlichkeit. Gottes Verherrlichung ist der höchste Sinn und Zweck der Erlösung (vgl. V. 6.14).
1,13 nachdem ihr das Wort der Wahrheit … gehört habt (wurdet ihr gläubig). Um errettet zu werden, muss man das von Gott offenbarte Evangelium Jesu Christi hören (Röm 10,17) und glauben (Joh 1,12). 1,13 versiegelt worden mit dem Heiligen Geist. Gottes ei- gener Geist kommt zum Gläubigen und wohnt in ihm. So stellt er das ewige Heil des Gläubigen sicher und bewahrt es. Die Versiegelung, von der Paulus spricht, bedeutet ein Erkennungszeichen auf einem Brief, Vertrag oder anderem Dokument. Dadurch wurde dieses Dokument offi ziell unter dessen Autorität gestellt, dessen Stempel das Siegel trug. Das Siegel repräsentiert vier grundlegende Wahrheiten: 1.) Sicherheit (vgl. Dan 6,18; Mt 27,62-66); 2.) Echtheit (vgl. 1Kö 21,6-16); 3.) Eigentum (vgl. Jer 32,10) und 4.) Autorität (vgl. Est 8,8-12). Gott gibt den Heiligen Geist als sein Unterpfand bzw. seine Anzahlung auf das künftige Erbe des Gläubigen in Herrlichkeit (vgl. 2Kor 1,21).
1,15 eurer Liebe zu allen Heiligen. Liebe zu anderen Gläubigen ist ein Kennzeichen für rettenden Glauben (vgl. Joh 13,34.35; 1Joh 4,1618; 4,20; 5,1) und ein Anlass zu Dank (V. 16).
1,17 der Gott unseres Herrn Jesus Christus. Eine Bezeichnung für Gott, die den Vater und den Sohn im Wesen als Gottheit verbindet (vgl. V. 3a; Röm 1,5.6; 1Kor 1,3; Phil 2,9-11; 1Pt 1,3; 2Joh 3). 1,17 Geist der Weisheit … Verständnisses. Paulus betete für die Gläubigen um die Gabe geistlicher Erkenntnis und Einsicht, wozu der geheiligte Verstand imstande ist (V. 8). So kann er die Großartigkeit der Hoffnung erfassen (Röm 8,29; 1Joh 3,2) und den Reichtum des Erbes in Christus (V. 3-14).
1,18 erleuchtete Augen eures Verständnisses. Nur mittels eines geistlich erleuchteten Verstandes kann man die Hoffnung und das Erbe in Christus und das gehorsame Leben für ihn wirklich verstehen und wertschätzen.
1,19 die überwältigende Größe seiner Kraftwirkung. Jedem Gläubigen wird bei der Errettung Gottes große Kraft verliehen, nämlich genau die Kraft, die Jesus von den Toten auferweckt und ihn in der Himmelfahrt zurück zur Herrlichkeit geführt hat, wo er sich zur Rechten Gottes setzte. Diese Kraft steht den Gläubigen alle Zeit zur Verfügung (vgl. Apg 1,8; Kol 1,29). Deshalb betete Paulus nicht, dass Gott den Gläubigen seine Kraft geben möge, sondern dass sie sich der Kraft bewusst werden, die sie in Christus bereits besitzen, und dass sie sie einsetzen (vgl. 3,20).
1,21 Paulus wollte den Gläubigen begreifl ich machen, wie groß Gott im Vergleich zu anderen himmlischen Wesen ist. »Jedes Fürstentum und jede Gewalt, Macht und Herrschaft« sind traditionelle jüdische Begriffe, die hochrangige Engelwesen aus den Heerscharen Gottes bezeichneten. Über sie alle ist Gott hoch erhaben (vgl. Offb 20,10-15).
1,22 Füße … Haupt. Ein Zitat aus Ps 8,7, das zeigt, dass Gott Christus über alles erhoben hat (vgl. Hebr 2,8), einschließlich über seine Gemeinde (vgl. Kol 1,18). Christus ist eindeutig das autoritative Haupt (nicht nur die »Quelle«), weil alles unter seine Füße gestellt ist. S. Anm. zu 4,15; 5,23.
1,23 sein Leib. Ein Begriff für Gottes erlöstes Volk, das ausschließlich im NT für die Gemeinde verwendet wird (vgl. 4,12-16; 1Kor 12,12-27).
2,1 tot wart durch Übertretungen und Sünden. Eine ernüch- ternde Erinnerung an die völlige Sündhaftigkeit und Verlorenheit, aus der die Gläubigen erlöst wurden. Wörtl. heißt es »in Übertretungen«, was auf den Bereich oder die Sphäre hinweist, in der ein nicht wiedergeborener Sünder lebt. Er ist tot nicht wegen seiner sündigen Taten, sondern wegen seiner sündigen Natur (vgl. Mt 12,35; 15,18.19).
2,2 Lauf dieser Welt. S. Anm. zu Joh 1,9. Das bezieht sich auf die Weltordnung, d.h. auf die Werte und Maßstäbe der Menschen ohne Gott und Christus. In 2Kor 10,4.5 schreibt Paulus über diese Ideologien, dass sie wie Festungen sind, in denen die Menschen gefangen sind und aus denen sie befreit werden müssen, um als Beute zu Christus und zum Gehorsam gegen die Wahrheit gebracht zu werden (s. Anm. dort). dem Fürsten, der in der Luft herrscht. Satan. Vgl. Joh 12,31; 14,30; 16,11; 2Kor 4,4.
2,4 Erbarmen … Liebe. Die Errettung geschieht zu Gottes Ehre, da sie seine grenzenlose Barmherzigkeit und Liebe zu denen herausstellt, die aufgrund ihrer Sündhaftigkeit geistlich tot sind. 2,5 (er hat) uns, die wir tot waren … lebendig gemacht. Wer geistlich tot ist, muss zuallererst von Gott lebendig gemacht werden. Die Errettung bringt geistliches Leben zu den Toten. Die Kraft, die Gläubige aus dem Tod heraufführt und ihnen Leben gibt (vgl. Röm 6,1-7), ist dieselbe Kraft, die uns für jeden Aspekt des Lebens als Christ stärkt (vgl. Röm 6,11-13).
2,6 mitauferweckt und mitversetzt. Die Zeitform dieser Verben zeigt, dass es sich hier um unmittelbare und direkte Folgen der Errettung handelt. Der Gläubige ist durch Christi Auferstehung nicht nur der Sünde gestorben und der Gerechtigkeit lebend, sondern sogar mit dem Herrn zusammen erhöht und hat teil an seiner einzigartigen Herrlichkeit. in die himmlischen Regionen. Der übernatürliche Bereich, wo Gott regiert. (In 3,10 und 6,12 bezeichnet dieser Ausdruck jedoch die übernatürliche Sphäre, wo zur Zeit Satan regiert.) Dieses geistliche Reich ist der Ort, an dem sich die Segnungen (vgl. 1,3) und das Erbe der Gläubigen befi nden (1Pt 1,4), worauf ihre Gefühle gerichtet sein sollten (Kol 3,3) und wo sie Gemeinschaft mit dem Herrn haben. Es ist das Reich, aus dem alle Offenbarungen von Gott stammen und wohin jeder Lobpreis und alle Bitten gehen.
2,7 Reichtum seiner Gnade. Die Errettung ist natürlich besonders dem Gläubigen zum Segen, aber noch mehr dient sie dem Zweck, Gott ewig dafür zu ehren, dass er den Gläubigen seine endlose und unbegrenzte Gnade und Güte erwiesen hat. Der ganze Himmel verherrlicht ihn für das, was er zur Errettung der Sünder getan hat (vgl. 3,10; Offb 7,10-12).
2,8 durch den Glauben, und das nicht aus euch. »Das« bezieht sich nicht nur auf die Gnade, sondern auf die gesamte vorausgegangene Aussage der Errettung und damit auch auf den Glauben. Wenn gleich die Menschen aufgefordert sind, zu ihrem Heil zu glauben, ist sogar dieser Glaube Bestandteil der rettenden Gabe Gottes und kann nicht aus eigener Kraft ausgeübt werden. In jedem Aspekt der Errettung überwiegt die Gnade Gottes (vgl. Röm 3,20; Gal 2,16).
2,10 erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken. Gute Werke können nicht die Errettung bewirken, sondern sind darauf folgende, sich daraus ergebende und von Gott bewirkte Früchte und Beweise der Errettung (vgl. Joh 15,8; Phil 2,12.13; 2Tim 3,17; Tit 2,14; Jak 2,16-26). die Gott zuvor bereitet hat. Wie die Errettung des Gläubigen, so hat Gott auch die Heiligung und guten Werke der Gläubigen vor ewigen Zeiten vorbestimmt (s. Anm. zu Röm 8,29.30). 2,11.12 Die Heiden (die »Unbeschnittenen«) waren auf zweifache Weise von Gott entfremdet. Erstens in sozialer Hinsicht, was zurückgeht auf die Jahrtausende alte Feindschaft zwischen Juden und Heiden. Die Juden hielten die Heiden für Verstoßene und für Gegenstände der Schande und des Spotts. Der zweite Aspekt der Entfremdung ist geistlich, denn als Volk waren die Heiden in fünffacher Hinsicht von Gott getrennt: 1.) Sie waren »ohne Christus«, den Messias, hatten keinen Retter und Erlöser und keine von Gott verordnete Bestimmung oder Berufung. 2.) Sie waren »ausgeschlossen von der Bürgerschaft Israels«. Gottes erwähltes Volk, die Juden, war eine Nation, deren höchster König und Herr Gott selbst war und von dessen einzigartigem Segen und Schutz sie Nutznießer waren. 3.) Die Heiden waren »fremd den Bündnissen der Verheißung« und konnten nicht an Gottes geistlichen Bündnissen teilhaben, mit denen er seinem Volk so viel verheißen hatte: ein Land, eine Priesterschaft, ein Volk, eine Nation, ein Königreich und einen König – und denen, die an ihn glauben, ewiges Leben und den Himmel. 4.) Sie hatten »keine Hoffnung«, weil sie keine göttlichen Verheißungen hatten. 5.) Sie waren »ohne Gott in der Welt«. Die Heiden hatten zwar viele Götter, erkannten aber nicht den wahren Gott, weil sie ihn nicht wollten (s. Röm 1,18-26).
2,13 fern. In rabbianischen Schriften ein häufi ger Ausdruck für die Heiden, die vom wahren Gott getrennt waren (vgl. Jes 57,19; Apg 2,39). nahe gebracht. Jeder, der allein auf Christus zum Heil vertraut, sei es Jude oder Heide, erlangt geistliche Gemeinschaft mit und Verbindung zu Gott. Das ist die Versöhnung aus 2Kor 5,18-21. Das Erlösungswerk durch Christi Tod am Kreuz wäscht die Sündenschuld und schließlich sogar die Gegenwart der Sünde weg.
2,14 er ist unser Friede. Ein nachdrücklicher Hinweis, dass für den Gläubigen allein Jesus die Quelle des Friedens ist (vgl. Jes 9,5). die Scheidewand des Zaunes. Eine Anspielung auf die Mauer im Tempel, die den Vorhof der Heiden von dem Bereich trennte, zu denen nur Juden Zugang hatten. Paulus beschreibt diese Mauer als Symbol für die soziale, religiöse und geistliche Trennung, die Juden und Heiden voneinander schied.
2,15 in seinem Fleisch die Feindschaft … hinwegtat. Durch seinen Tod hat Christus die Zeremonialgesetze, Feste und Opfer des ATs abgeschafft, durch die sich die Juden von den Heiden unterschieden. Gottes Moralgesetz (das die Zehn Gebote zusammenfassten und das in die Herzen aller Menschen geschrieben ist, Röm 2,15) wurde jedoch nicht abgeschafft, sondern in den Neuen Bund eingeordnet, weil es Gottes eigenes heiliges Wesen widerspiegelt (Mt 5,17-19.) S. Anm. zu Mt 22,37-40; Röm 13,8-10. zu einem neuen Menschen. Christus schließt niemanden aus, der zu ihm kommt und unter den Seinen bestehen keine trennenden Unterschiede mehr. »Neu« ist im Gr. ein Wort, das eine Sache bezeichnet, die vollkommen anders ist als vorher. Es ist eine Andersartigkeit in Art und Qualität. Geistlich gesehen ist ein neuer Mensch in Christus kein Jude oder Heide mehr, sondern einfach ein Christ (vgl. Röm 10,12.13; Gal 3,28).
2,16 die beiden … mit Gott zu versöhnen. Da Juden und Heiden durch Christus Jesus mit Gott vereint wurden, sind sie auch miteinander vereint. Das wurde am Kreuz erlangt, wo Jesus ein Fluch wurde (Gal 3,10-13) und Gottes Zorn auf sich nahm, sodass der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan und die Versöhnung mit Gott verwirklicht wurde (s. Anm. zu 2Kor 5,19-21). Weitere Anmerkungen zur Versöhnung s. Röm 5,8-10; Kol 1,19-23.
2,17 verkündigte Frieden. Das gr. Wort für »verkündigte« bedeu- tet »frohe Botschaft bringen oder verkünden«. Im NT wird es fast immer für die Verkündigung der frohen Botschaft verwendet, dass Sünder mit Gott versöhnt werden können durch die Errettung. In diesem Zusammenhang hat Christus, der selber »unser Friede« ist (V. 14), auch selber die frohe Botschaft des Friedens verkündet. den Fernen, und den Nahen. Heiden genauso wie Juden.
2,18 Zutritt zu dem Vater in einem Geist. Kein Sünder hat ir- gendein Recht oder ist von sich aus würdig, Zugang zu Gott zu haben, doch den Gläubigen wird dieses Vorrecht durch den Glauben an Jesu stellvertretenden Tod gewährt (vgl. 3,12; Röm 5,2). Die Hilfsquellen des dreieinen Gottes gehören dem Gläubigen von dem Augenblick an, wenn er Christus annimmt. Dann vertritt ihn der Heilige Geist vor dem himmlischen Thron Gottes, des Vaters, wohin der Gläubige eingeladen ist, jederzeit mit Freimütigkeit hinzuzutreten. S. Anm. zu Röm 8,15-17; Gal 4,6.7; Hebr 4,16.
2,19 Mitbürger der Heiligen. Gottes Reich besteht aus Men- schen aller Zeiten, die ihm vertraut haben. In diesem Reich gibt es keine Fremden, Fremdlinge oder Bürger zweiter Klasse (vgl. Phil 3,20). Gottes Hausgenossen. Erlöste Sünder werden nicht nur Himmelsbürger, sondern auch Gottes eigene Familienmitglieder. Der Vater erweist den Gläubigen dieselbe grenzenlose Liebe wie seinem Sohn. S. Anm. zu 1,5; vgl. Hebr 3,6.
2,20 Grundlage der Apostel und Propheten. Für eine Diskussion dieser begabten Männer s. Anm. zu 4,11. So wichtig wie sie auch sind, bildeten sie diese Grundlage nicht selbst, sondern die göttliche Offenbarung, die sie vor Vollendung des NTs lehrten und als autoritatives Wort Gottes der Gemeinde verkündeten, legte dieses Fundament (vgl. Röm 15,20). Eckstein. Vgl. Ps 118,22; Jes 28,16; Mt 21,42; Apg 4,11; 1Pt
2,6 mitauferweckt und mitversetzt. Die Zeitform dieser Verben zeigt, dass es sich hier um unmittelbare und direkte Folgen der Errettung handelt. Der Gläubige ist durch Christi Auferstehung nicht nur der Sünde gestorben und der Gerechtigkeit lebend, sondern sogar mit dem Herrn zusammen erhöht und hat teil an seiner einzigartigen Herrlichkeit. in die himmlischen Regionen. Der übernatürliche Bereich, wo Gott regiert. (In 3,10 und 6,12 bezeichnet dieser Ausdruck jedoch die übernatürliche Sphäre, wo zur Zeit Satan regiert.) Dieses geistliche Reich ist der Ort, an dem sich die Segnungen (vgl. 1,3) und das Erbe der Gläubigen befi nden (1Pt 1,4), worauf ihre Gefühle gerichtet sein sollten (Kol 3,3) und wo sie Gemeinschaft mit dem Herrn haben. Es ist das Reich, aus dem alle Offenbarungen von Gott stammen und wohin jeder Lobpreis und alle Bitten gehen. 2,6 Dieser Stein war der erste, grundlegende Stein, an dem sich die ganze Ausrichtung des Gebäudes orientierte.
2,21 einem heiligen Tempel im Herrn. Jeder weitere Gläubige ist ein neuer Stein an Christi Tempel, der Gemeinde, seinem Leib, der aus den Gläubigen besteht (s. Anm. zu 1Pt 2,5). Christus baut seine Gemeinde und wird diesen Bau erst dann vollendet haben, wenn alle Auserwählten zum Glauben an ihn gekommen sind (2Pt 3,9).
2,22 einer Wohnung Gottes im Geist. Das gr. Wort für »Woh- nung« hat den Beiklang eines dauerhaften Domizils. Gott, der Heilige Geist, nimmt dauerhaft Wohnung in seinem irdischen Heiligtum, der Gemeinde, d.h. dem großen geistlichen Leib aus allen Erlösten (vgl. 1Kor 6,19.20; 2Kor 6,16).
3,1 Deshalb. Das bezieht sich auf die Wahrheiten über die Einheit der Gläubigen, die Paulus soeben dargelegt hat, und zeigt seine Motivation zu dem Gebet auf, das in V. 14 beginnt. der Gebundene Christi Jesu. Paulus war zwar etwa zwei Jahre in Cäsarea und weitere zwei Jahre in Rom in Gefangenschaft, doch sah er sich nicht als Gefangener einer Regierung oder eines Menschen an. Vielmehr wusste er sich in Jesu Hand und war sich gewiss, dass der Herr sein Leben lenkte und beherrschte. Er wurde verhaftet, weil er zu Heiden gepredigt hatte. S. 2Kor 4,8-15. 3,2-13 In dieser Parenthese (Einschub) unterbricht Paulus den in V. 1 begonnenen Gedanken und wiederholt, bekräftigt und erläutert noch einmal die bisher dargelegten Wahrheiten. Er sah sich genötigt, seine Autorität zu bestätigen, mit der er die Einheit von Juden und Heiden in Christus lehrte (V. 2-7). Das war eine neue und weit reichende Wahrheit und zweifellos fi el es den meisten Ephesern schwer, sie zu begreifen bzw. anzunehmen.
3,2 Haushalterschaft … die mir … gegeben worden ist. Paulus hatte sich die »Verwalterschaft« seines Apostelamts bzw. Dienstes nicht ausgesucht. Gott hatte ihn souverän beauftragt, ihn berufen und ihm Gaben, Gelegenheiten und die nötige Erkenntnis und Autorität gegeben, um als Heidenapostel zu dienen (s. Apg 9,1-19; 1 Tim 1,12.13; vgl. Röm 15,15.16; 1Kor 4,1; 9,16.17; Gal 2,9).
3,4 Geheimnis des Christus. S. Anm. zu 1,9-12; 2,11.12; Mt 13,11; 1Kor 2,7; Kol 4,3. Im NT gibt es viele Wahrheiten, die zuvor verborgen waren und im NT offenbart wurden. Sie werden »Geheimnisse« genannt. Eines dieser Geheimnisse fi nden wir hier: Juden und Heiden sind im Messias zu einem Leib zusammengefügt. Weitere Geheimnisse s. Anm. zu 1Kor 15,51; Kol 1,27; 1Tim 3,16. Dieses Geheimnis, dass Juden und Heiden in Gottes Augen und in seinem Reich und seiner Familie eins werden sollten, erwähnt Paulus nicht nur, sondern er erklärt und erläutert diese Wahrheit auch. Ihm war klar, dass vor der praktischen Anwendung die nötige geistliche Erkenntnis vorhanden sein muss. Was man nicht richtig verstanden hat, kann man nicht richtig anwenden.
3,5 in früheren Generationen … nicht bekannt gemacht wur- de. Gott hatte in Abraham zwar weltweiten Segen verheißen (1Mo 12,3), doch die volle Bedeutung dieser Verheißung wurde erst klar, als Paulus Gal 3,28 schrieb. Jes 49,6 prophezeite, dass das Heil zu allen Völkern gelangen wird, doch erst Paulus verkündete die Erfüllung dieser Verheißung (Apg 13,46.47). Paulus brachte eine Wahrheit ans Licht, die nicht einmal die größten Propheten verstanden hatten: In der Gemeinde, die alle Erretteten seit Pfi ngsten in einem Leib vereint, gibt es keine ethnischen, sozialen oder geistlichen Unterschiede. 3,6 die Heiden (sind) Miterben. Eine Zusammenfassung von 2,1122. S. Anm. zu 1Kor 12,12.13; Gal 3,29.
3,7 dessen Diener ich geworden bin. Niemand kann sich selber zum Diener Gottes machen, denn Gott allein hat das Vorrecht zu berufen, eine Botschaft zu geben, den Dienst zuzuteilen und die nötige Kraft dafür zu verleihen. S. Apg 26,16; 1Kor 15,10; Kol 1,23.25.29.
3,8 dem allergeringsten unter allen Heiligen. Im Licht von Got- tes vollkommener Gerechtigkeit schätzte Paulus sich nicht mit falscher Demut, sondern schlichtweg aufrichtig ein. Er wusste, wie unwürdig er war. S. 1Tim 1,12.13 (vgl. Ri 6,15.16; Jes 6,1-9). den unausforschlichen Reichtum des Christus. Alle Wahrheiten Gottes, alle seine Segnungen, alles, was er ist und hat (vgl. 1,3; Kol 2,3; 2Pt 1,3).
3,9 die Gemeinschaft … als Geheimniss. S. Anm. zu V. 4.5.
3,10 den Fürstentümern und Gewalten. Sowohl heilige als auch gefallene Engel (1,21; 6,12; s. Anm. zu Kol 1,16). Durch die Gemeinde offenbart Gott seine Herrlichkeit vor allen Engeln. Die heiligen Engel jubeln (s. Lk 15,10; vgl. 1Pt 1,12), weil sie mit der Gemeinde verbunden sind (s. 1Kor 11,10; Hebr 1,14). Die gefallenen Engel können und wollen Gott nicht preisen, doch auch sie sehen die Herrlichkeit Gottes in der Errettung und Bewahrung der Gläubigen, die die Gemeinde bilden. in den himmlischen [Regionen]. Wie bereits in 1,3; 6,12 bezieht sich dieser Ausdruck auf den gesamten Lebensbereich geistlicher Wesen.
3,11 nach dem Vorsatz der Ewigkeiten. Die höchste Bestimmung der Gemeinde ist, Gott zu verherrlichen. Das umfasst auch die Darstellung seiner Weisheit (V. 10) vor den Engeln. Wenn sie die Gemeinde sehen, ehren sie Gott mit umso mehr Lobpreis.
3,12 den Zugang … in Zuversicht. Jeder, der im Glauben zu Chris- tus kommt, kann jederzeit vor Gott treten, jedoch nicht im Vertrauen auf sich selbst, sondern im Vertrauen auf Christus. S. Anm. zu Hebr 4,15.16.
3,13 meiner Bedrängnisse … euch eine Ehre. Aus Trübsal und Leiden lässt Gott schließlich Ehre hervorgehen. S. Anm. zu Röm 8,18.
3,14 Deshalb. Zu Beginn des folgenden Gebets wiederholt Paulus, was er in V. 1 geschrieben hat (s. Anm. dort). Aufgrund der neuen Identität der Gläubigen in Christus, die in Kap. 2 dargelegt wurde, sind Gläubige geistlich lebend (V. 5), in Gottes Familie vereint (V. 19) und bilden als Gemeinde den Wohnort Gottes, der auferbaut ist auf den Worten und Werken der Apostel und Propheten (V. 20-22). beuge ich meine Knie. Das ist keine Anweisung zu einer bestimmten Körperhaltung beim Gebet, sondern drückt eine Haltung der Unterwürfi gkeit, Verehrung und tiefer Inbrunst aus (vgl. Esr 9,5.6; Ps 95,1-6; Dan 6,11; Apg 20,36).
3,15 von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden den Namen erhält. Paulus lehrte keine universale Vaterschaft Gottes oder universale Bruderschaft der Menschen (vgl. Joh 8,39-42; 1Joh 3,10), sondern meinte lediglich die Gläubigen aller Zeitalter, sowohl Tote (im Himmel) als auch Lebende (auf der Erde).
3,16 dass er euch … gebe. Paulus’ Gebete zielen fast immer auf das geistliche Wohlergehen anderer ab (vgl. Phil 1,4; Kol 1,9-11; 1Th 1,2). nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit. Dieser Reichtum ist grenzenlos und steht jedem Gläubigen zur Verfügung. durch seinen Geist mit Kraft gestärkt zu werden am inneren Menschen. Geistliche Kraft ist ein Kennzeichen jedes Christen, der sich dem Wort Gottes und seinem Geist unterwirft. Diese Kraft ist nicht das alleinige Recht einer besonderen Klasse von Christen, sondern gilt allen, die ihre Gedanken und ihren Verstand zügeln und zum Bibelstudium bewegen, um das Wort Gottes zu verstehen und dadurch zu leben. Wenngleich der äußere, körperliche Mensch mit zunehmendem Alter schwächer wird (vgl. 2Kor 4,16), sollte der innere, geistliche Mensch stärker werden. Der Heilige Geist stärkt und erfrischt den gehorsamen und hingegebenen Christen dazu (vgl. Apg 1,8; Röm 8,5-9.13; Gal 5,16).
3,17 dass der Christus … in euren Herzen wohne. In jedem Gläubigen wohnt Christus vom Augenblick der Errettung an (Röm 8,9; 1Kor 12,13), doch ist Christus nur dort »heimisch«, erfreut und zufrieden, wo die Herzen von Sünde gereinigt und von seinem Geist erfüllt sind (vgl. Joh 14,23). durch den Glauben. Das spricht vom beständigen Vertrauen des Christen auf Christus, der seine Herrschaft über ihn ausübt. in Liebe gewurzelt und gegründet. D.h. befestigt auf der festen Grundlage der hingebungsvollen, dienenden Liebe zu Gott und seinem Volk (vgl. Mt 22,37-39; 1Joh 4,9-12.19-21).
3,18 fähig seid … zu begreifen. Ein Gläubiger kann die Fülle der Liebe Gottes nicht begreifen, wenn er nicht in seinem eigenen Leben echte, vom Geist bewirkte Liebe hat. mit allen Heiligen. Liebe wird jedem Christen sowohl zuteil (Röm 5,5; 1Th 4,9) als auch befohlen (Joh 13,34.35). Das gilt nicht nur für solche, die von Natur aus einen liebevollen Charakter haben oder sich durch besondere geistliche Reife auszeichnen. die Breite, die Länge, die Tiefe und die Höhe. Das sind keine vier verschiedenen Eigenschaften der Liebe, sondern ist ein Versuch, ihre alles übersteigende Weite und Vollständigkeit zu beschreiben.
3,19 die Liebe des Christus zu erkennen. Nicht die Liebe der Gläubigen zu Christus, sondern die Liebe Christi, die er in die Herzen der Gläubigen legt, bevor sie ihn oder andere wirklich und gänzlich lieben können (Röm 5,5). die doch alle Erkenntnis übersteigt. Die Erkenntnis der Liebe Christi geht weit über die Fähigkeit der menschlichen Verstandeskraft und Erfahrung hinaus. Nur die Kinder Gottes kennen diese Liebe (vgl. Phil 4,7). damit ihr erfüllt werdet bis zur ganzen Fülle Gottes. D.h. geistlich so stark und von der Liebe Gottes so gedrängt zu sein, dass man vollkommen vom Herrn beherrscht ist ohne jeden restlichen Einfl uss des Ich. Als Mensch kann man unmöglich die Fülle Gottes begreifen, weil selbst der geistlichste und weiseste Gläubige nicht das volle Ausmaß der Eigenschaften und des Wesens Gottes erfassen kann: seine Macht, Majestät, Weisheit, Liebe, Barmherzigkeit, Geduld, Güte und alles, was er ist und tut. Doch Gläubige können die Größe Gottes in ihrem Leben erfahren, denn diese Erfahrung ist die Folge einer völligen Hingabe an ihn. Auffallend ist die dreifache Fülle: die Fülle Gottes hier, die Fülle Christi in 4,13 und die Fülle des Geistes in 5,18. Paulus betete, dass die Gläubigen so gleichförmig mit Gott werden wie möglich (Mt 5,48; 1Pt 1,15.16).
3,20 Wenn die Voraussetzungen aus V. 16-19 erfüllt sind, wirkt Got- tes unbegrenzte Kraft in und durch den Gläubigen, was ihr Begreifen weit übersteigt.
3,21 ihm sei die Ehre. Nur wenn Gottes Kinder ein solch hochgra- diges Glaubensleben führen, wird Christus mit der Ehre verehrt werden, die ihm von seiner Gemeinde gebührt.
4,1 So … nun. Dieses Wort markiert den Übergang von der Lehre zur Pfl icht, vom Prinzip zur Praxis, von der Stellung zum Wandel. Das ist typisch für Paulus (s. Röm 12,1; Gal 5,1; Phil 2,1; Kol 3,5; 1Th 4,1). der Gebundene im Herrn. Mit der nochmaligen Erwähnung seiner Gefangenschaft (s. 3,1) erinnert Paulus die Gläubigen in Ephesus daran, dass der christliche Lebenswandel seinen Preis haben kann und dass er sich den Gehorsam zum Herrn persönlich sehr viel hat kosten lassen. Berufung. Dieser Begriff bedeutet in den NT-Briefen stets Gottes souveräne Berufung zum Heil. S. Anm. zu Röm 8,30. Die wirksame, rettende Berufung ist erwähnt in 1,18; Röm 11,29; 1Kor 1,26; Phil 3,14; 2Th 1,11; 2Tim 1,9; Hebr 3,1. würdig wandelt. »Würdig« bedeutet der Stellung in Christus entsprechend zu leben. Paulus nötigte seine Leser, alles das zu sein, was der Herr möchte und wozu er sie befähigt. Der Begriff »wandeln« bezeichnet im NT häufi g das Verhalten im Alltag. Das ist das Thema der nun folgenden letzten drei Kapitel.
4,2 Demut. Ein Begriff, der im röm. oder gr. Wortschatz zur Zeit Paulus’ nicht vorkam. Das gr. Wort wurde offenbar von Christen geprägt – vielleicht sogar von Paulus selbst – und bezeichnet eine Eigenschaft, für die es kein anderes Wort gab. Demut (wörtl. »sich in allem seiner Niedrigkeit bewusst sein«) ist die grundlegende Tugend des Christen (Jak 4,6) und die Charaktereigenschaft, die der Herr in seiner ersten Seligpreisung der Bergpredigt gebietet (Mt 5,3). Sie kennzeichnet den erhabenen Gnadencharakter Christi (Phil 2,7.8). Sanftmut. »Milde«, eine unausweichliche Folge von Demut. Sie bezeichnet eine sanfte Gesinnung und Selbstbeherrschung (vgl. Mt 5,5; 11,29; Gal 5,23; Kol 3,12). Langmut. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »fern von Grimm« und bezeichnet eine entschlossene Geduld, die aus Demut und Sanftmut hervorgeht (vgl. 1Th 5,14; Jak 5,10). einander in Liebe ertragt. Demut, Sanftmut und Langmut kommen zum Ausdruck in einer beständigen und bedingungslosen Liebe zu anderen (vgl. 1Pt 4,8).
4,3 Einheit des Geistes. Die vom Geist bewirkte Einheit aller wah- ren Gläubigen (s. 1Kor 6,17; 12,11-13; Phil 1,27; 2,2) hat das Band des Friedens geschaffen. Es ist eine geistliche Schnur, die Gottes heiliges Volk umgibt und miteinander verbindet. Dieses Band ist Liebe (Kol 3,14).
4,4 In diesem Abschnitt listet Paulus die einzelnen Gebiete der Einheit auf: Leib, Geist, Hoffnung, Herr, Glaube, Taufe und Gott und Vater. Er richtet das Augenmerk besonders auf die Dreieinigkeit: auf den Geist in V. 4, auf den Sohn in V. 5 und auf den Vater in V. 6. Es geht ihm nicht um eine Unterscheidung zwischen den Personen der Gottheit, sondern er will herausstellen, dass diese Personen Gottes zwar verschiedene Rollen haben, aber in jedem Aspekt des Wesens und des Plans Gottes vollkommen eins sind. 4,4 Ein Leib. Die Gemeinde, der Leib Christi, setzt sich ohne Unter- schied aus allen Gläubigen seit Pfi ngsten zusammen, und zwar durch das Werk des »einen Geistes« (s. 1Kor 12,11-13). einer Hoffnung. Das Siegel und die Verheißung des ewigen Erbes, das jeder Gläubige erhalten wird (1,11-14) und mit dem jeder Gläubige vom Heiligen Geist versiegelt wird (V. 13).
4,5 ein Herr. S. Apg 4,12; Röm 10,12; Gal 1,8. ein Glaube. Die Gesamtheit der im NT geoffenbarten Lehre (vgl. Jud 3). eine Taufe. Das bezieht sich wahrscheinlich auf die Wassertaufe im Anschluss an die Errettung, d.h. auf das öffentliche Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus. Die Taufe mit Heiligem Geist, durch die alle Gläubigen in den einen Leib Christi eingegliedert sind (1Kor 12,11-13), ist bereits in V. 4 angesprochen. 4,6 ein Gott. Die grundlegende biblische Lehre über Gott (s. 5Mo 4,35; 6,4; 32,39; Jes 45,14; 46,9; 1Kor 8,4-6).
4,7 Jedem einzelnen von uns aber. Das könnte übersetzt werden mit »trotzdem …« oder »andererseits …« und stellt einen Gegensatz heraus zwischen dem soeben Gesagten und dem nun Folgenden. Das Thema wechselt von der Einheit der Gläubigen (»alle«, V. 6) zur Einzigartigkeit der Gläubigen (»jedem einzelnen«). Gnade. Gnade ist eine Kurzdefi nition des Evangeliums in einem einzigen Wort, eine Beschreibung der frohen Botschaft, dass Gott der sündigen und unwürdigen Menschheit das Heil anbietet. Gott ist der Gott der Gnade, weil er ein Gott ist, der ohne Gegenleistung gibt. Seine Freigiebigkeit hat nichts zu tun mit irgendetwas, was wir getan hätten, sondern ist absolut unverdient. S. Anm. zu 2,7-9. nach dem Maß der Gabe des Christus. Jeder Gläubige hat eine einzigartige Geistesgabe, die Gott ihm individuell nach seinem souveränen Willen und Plan zugeteilt hat. Das gr. Wort für »Gabe« beschreibt nicht den Geist als Quelle, wie beim Begriff aus 1Kor 12,1, und bezeichnet auch nicht die Gnade, die diese Gabe in Röm 12,6 veranlasst hat, sondern betont, dass die Gabe frei und ohne Gegenleistung gegeben wird. Zu einer Diskussion der Gaben s. Anm. zu Röm 12,6-8; 1Kor 12,4-10; 1Pt 4,10.
4,8 Er ist emporgestiegen zur Höhe. Mit einer interpretieren- den Wiedergabe von Ps 68,19 als eingeschobenes Bild zeigt Paulus, wie Christus das Recht empfangen hat, die Geistesgaben auszuteilen (V. 7). Psalm 68 ist ein Siegeslied, das David schrieb, um Gottes Eroberung der Jebusiterstadt Jerusalem und den triumphalen Aufstieg Gottes zum Berg Zion zu feiern (vgl. 2Sam 6.7; 1Chr 13). Nach einem solchen Triumph wird der König die Beute und die Gefangenen des Feindes heimführen. Hier beschreibt Paulus, wie Christus von seinem Kampf auf der Erde zurückkehrt in die Herrlichkeit der himmlischen Stadt und die Trophäen seines großen Sieges auf Golgatha mit sich führt (s. Anm. zu 2Kor 2,14-16). Gefangene weggeführt. Wörtl. »Gefangene gefangen geführt«. Durch seine Kreuzigung und Auferstehung hat Christus Satan und den Tod besiegt und hat im Triumph diejenigen zu Gott zurückgeführt, die einst Sünder und Gefangene Satans waren (vgl. Kol 2,15). den Menschen Gaben gegeben. Er verteilt die Beute in seinem Reich. Nach seiner Himmelfahrt kamen alle Geistesgaben, bewirkt vom nun gesendeten Heiligen Geist (s. Joh 7,39; 14,12; Apg 2,33).
4,9 hinaufgestiegen. Jesu Auffahrt von der Erde in den Himmel (Apg 1,9-11), wo er für immer mit seinem Vater regiert. zuvor hinabgestiegen. Christi Fleischwerdung, als er vom Himmel herabkam und auf dieser Erde des Leidens und des Todes Mensch wurde. zu den Niederungen der Erde. Das steht im Gegensatz zu den höchsten Himmeln, in die er anschließend aufgefahren ist (vgl. Ps 139,8.15; Jes 44,23). Dieser Ausdruck bezeichnet keinen konkreten Ort, sondern gewissermaßen die große Tiefe der Fleischwerdung. Das umfasst auch die Erniedrigung Jesu zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung in die Tiefe des Grabes in der Erde und in den Tod (s. Anm. zu Kol 2,14.15; 1Pt 3,18.19).
4,10 damit er alles erfülle. Als der Herr in den Himmel aufge- fahren war und alle Prophezeiungen erfüllt und das ganze von Gott aufgetragene Erlösungswerk vollbracht hatte, bekam er das Recht, über die Gemeinde zu herrschen und ihr Gaben zu geben, denn er erfüllte das ganze Universum mit seiner göttlichen Gegenwart, Macht, Souveränität und seinem Segen (vgl. Phil 2,9-11).
4,11 Er hat etliche … gegeben. Wie seine vollkommene Erfüllung des Willens des Vaters zeigt, besaß Christus die Autorität und Souveränität, denen Geistesgaben zu verleihen (V. 7.8), die er in den Dienst für seine Gemeinde berufen hat. Er hat nicht nur Gaben, sondern begabte Menschen gegeben. Apostel. S. Anm. zu 2,20. Ein Begriff insbesondere für die zwölf Jünger, die den Auferstandenen gesehen hatten (Apg 1,22). Dazu gehört auch Matthias, der an Judas’ Stelle trat. Später wurde Paulus noch besonders als Apostel für die Heiden ausgesondert (Gal 1,15-17) und zu den übrigen Aposteln gerechnet. Auch ihm begegnete bei seiner Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus auf wunderbare Weise der Herr Jesus (Apg 9,1-9; Gal 1,15-17). Diese Apostel waren direkt von Christus erwählt und als »Apostel Christi« berufen (Gal 1,1; 1Pt 1,1). Sie hatten drei elementare Verantwortlichkeiten: 1.) Das Fundament der Gemeinde zu legen (2,20); 2.) Gottes Wort zu empfangen, zu verkündigen und aufzuschreiben (3,5; Apg 11,28; 21,10.11) und 3.) dieses Wort durch Zeichen und Wunder zu bestätigen (2Kor 12,12; vgl. Apg 8,6.7; Hebr 2,3.4). Im allgemeineren Sinn wird der Begriff »Apostel« auch für andere Männer der Urgemeinde verwendet, wie z.B. Barnabas (Apg 14,4), Silas, Timotheus, (1Th 2,6) und andere (Röm 16,7; Phil 2,25). Sie werden nicht »Apostel Jesu Christi« genannt wie die 13, sondern »Apostel der Gemeinden« (2Kor 8,23). Dieses Amt war nicht vererbbar und sie hatten keine Nachfolger und keiner der Apostel wurde nach seinem Tod ersetzt. Propheten. S. Anm. zu 2,20. Das sind nicht gewöhnliche Gläubige mit der Gabe der Prophetie bzw. Weissagung, sondern besonders beauftragte Männer der Urgemeinde. Das Amt des Propheten bezog sich anscheinend ausschließlich auf den Dienst innerhalb einer Ortsgemeinde. Im Gegensatz zu den Aposteln waren sie keine »Gesandten« (s. Apg 13,1), aber wie das Amt der Apostel endete auch ihr Amt mit Abschluss des NTs. Manchmal sprachen sie direkte Offenbarungen Gottes für die Gemeinde aus (Apg 11,2128) oder erklärten bereits zuvor gegebene Offenbarungen (wie etwa in Apg 13,1). Sie empfi ngen nicht das geschriebene Wort Gottes. Ihre Botschaften mussten von anderen Propheten auf Richtigkeit geprüft werden (1Kor 14,32) und der Lehre der Apostel entsprechen (V. 37). An die Stelle dieser beiden Ämter traten die Evangelisten und lehrenden Hirten. Evangelisten. Gläubige, die Ungläubigen die frohe Botschaft der Errettung durch Jesus Christus verkünden. Vgl. den Gebrauch dieses Begriffs in Apg 21,8 und 2Tim 4,5. Das verwandte Verb, das mit »evangelisieren« oder »das Evangelium verkünden« übersetzt wird, kommt 54-mal im NT vor und das verwandte Substantiv »Evangelium« 76-mal. Hirten und Lehrer. Diesen Ausdruck versteht man in seinem Zusammenhang am besten als ein einziges Leiterschaftsamt in der Gemeinde. Das gr. Wort für »und« kann auch »nämlich« oder »insbesondere« bedeuten (s. 1Tim 5,17). Die beiden Aufgaben Hirte und Lehrer defi nieren den lehrenden Gemeindehirten. Das ist ein gläubiger Mann, der dem »Erzhirten« Jesus (Hebr 13,20.21; 1Pt 2,25) unterstellt ist. In Apg 20,28 und 1Pt 5,1.2 werden alle drei Begriffe zusammengeführt.
4,12 Zurüstung. Das bezeichnet den Vorgang, etwas zu seinem ursprünglichen Zustand zurückzuführen oder etwas passend zu machen oder zu vervollständigen. In diesem Zusammenhang bedeutet es die Führung des Christen von der Sünde zum Gehorsam. Die Bibel ist der Schlüssel zu diesem Vorgang (s. Anm. zu 2Tim 3,16.17; vgl. Joh 15,3). Heiligen. Alle, die an Jesus Christus glauben. S. Anm. zu 1,1. Werk des Dienstes. Der geistliche Dienst, der nicht nur von Gemeindeleitern, sondern von jedem Christen erwartet wird (vgl. 1Kor 15,58). Erbauung des Leibes des Christus. Die geistliche Erziehung, Ernährung und Entwicklung der Gemeinde (vgl. Apg 20,32).
4,13 Einheit des Glaubens. Glaube bezieht sich hier auf die Ge- samtheit der geoffenbarten Wahrheit, die die christliche Lehre bildet, insbesondere das vollständige Evangelium. Einheit und Harmonie unter Gläubigen ist nur möglich, wenn sie auf gesunder Lehre gegründet ist. Erkenntnis des Sohnes Gottes. Nicht rettende Erkenntnis, sondern das tiefe Kennen Christi, zu dem ein Gläubiger durch Gebet, sorgfältiges Bibelstudium und Gehorsam gegenüber seinen Geboten gelangt (vgl. Phil 3,8-10.12; Kol 1,9.10; 2,2; s. Anm. zu 1Joh 2,12-14). zum Maß der vollen Größe des Christus. Wörtl. »zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi«. Gott möchte, dass jeder Gläubige die Eigenschaften seines Sohnes darstellt. Christus ist der Maßstab für ihre geistliche Reife und Vollkommenheit. S. Anm. zu Röm 8,29; 2Kor 3,18; Kol 1,28.29.
4,14 umhergetrieben von jedem Wind der Lehre. Geistlich un- reife Gläubige, die nicht durch das Wort Gottes gegründet sind, neigen zur unkritischen Annahme jeglicher betörenden Irrlehre und irreführenden Schriftauslegung, die von falschen Lehrern in der Gemeinde verbreitet wird. Sie müssen sich Unterscheidungsfähigkeit aneignen (1Th 5,21.22). S. 1Kor 3,1; 14,20. Das NT warnt immer wieder vor derartigen Gefahren (Apg 20,30.31; Röm 16,17.18; Gal 1,6.7; 1Tim 4,1-7; 2Tim 2,15-18; 2Pt 2,1-3).
4,15 wahrhaftig in der Liebe. Evangelisation ist dann am effek- tivsten, wenn die Wahrheit in Liebe verkündet wird. Das kann nur ein geistlich reifer Gläubiger, der tiefgründig mit gesunder Lehre zugerüstet ist. Ohne Reife kann die Wahrheit kalt sein und die Liebe sich auf bloße Sentimentalität beschränken. heranwachsen … zu ihm hin. Christen sollen dem Willen des Herrn völlig ausgeliefert und gehorsam sein, seiner Macht unterworfen und in allen ihren Lebensbereichen ihm ähnlich sein (vgl. Gal 2,20; Phil 1,21). das Haupt. Beim Bild von der Gemeinde als Leib, dessen Haupt Christus ist, wird »Haupt« im Sinne autoritativer Leitung verwendet. Das Haupt ist nicht die »Quelle«; das hätte einen anderen anatomischen Vergleich erfordert. S. 1,22; 5,23.
4,16 Von ihm aus. Vom Herrn aus. Kraft zum Reifungsprozess und für die Zurüstung der Gläubigen entspringt nicht in erster Linie ihren Anstrengungen, sondern kommt von ihrem Haupt, dem Herrn Jesus Christus (vgl. Kol 2,19). Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes. Gottgemäßes, biblisches Gemeindewachstum ergibt sich, wenn jedes Glied des Leibes seine Geistesgabe völlig einsetzt und sich dabei dem Heiligen Geist unterwirft und mit anderen Gläubigen zusammenarbeitet (vgl. Kol 2,19).
4,17 nicht mehr so wandeln. »Wandeln« bezeichnet das tägliche Verhalten und bezieht sich auf das, was Paulus bereits über die hohe Berufung in Christus Jesus gesagt hat (V. 1). Weil die Christen zum Leib Christi gehören, vom Heiligen Geist Geistesgaben erhalten haben und von anderen Gläubigen auferbaut werden, sollten sie nicht wie die übrigen Gottlosen weiterleben (1Joh 2,6). Heiden. Alle gottlosen, nicht wiedergeborenen Heiden (vgl. 1Th 4,5 als Defi nition für die Heiden). 4,17 In diesen Versen nennt Paulus vier Merkmale des gottlosen Lebensstils, dem Gläubige entsagen sollen. 4,17 Nichtigkeit ihres Sinnes. Erstens sind Ungläubige in allen geistlichen Angelegenheiten unproduktiv. In geistlicher und moralischer Hinsicht ist ihr Denken verzerrt und falsch. Die Versuche der Ungläubigen, geistliche Dinge zu verstehen oder ihnen entsprechend moralisch zu leben, sind zum Scheitern verurteilt. Ihr Leben ist leer, nichtig und sinnlos (vgl. Röm 1,21-28; 1Kor 2,14; Kol 2,18).
4,18 entfremdet sind dem Leben Gottes. Zweitens sind Ungläu- bige geistlich von Gott getrennt und kennen daher die Wahrheit Gottes nicht (1Kor 2,14). Folglich befi nden sie sich in freiwilliger geistlicher Finsternis und moralischer Blindheit (vgl. Röm 1,21-24; 2Tim 3,7). Sie sind blind bzw. »verhärtet« wie ein Fels.
4,19 nachdem sie alles Empfi nden verloren haben. Drittens haben Ungläubige kein moralisches Empfi nden. Sie sündigen weiter und wenden sich weiter von Gott ab und so werden sie noch unempfänglicher für moralische und geistliche Dinge (vgl. Röm 1,32). Zügellosigkeit … Unreinheit. Viertens sind Ungläubige in ihrem Verhalten verdorben (vgl. Röm 1,28). Da sie sich freiwillig der Sinnlichkeit und Freizügigkeit hingeben, gleiten ihnen ihre moralischen Zügel mehr und mehr aus der Hand, insbesondere auf dem Gebiet sexueller Sünden. Unreinheit ist untrennbar verbunden mit Gier bzw. Habsucht, die eine Form des Götzendienstes ist (5,5; Kol 3,5). Dass einige Seelen nicht die Extreme von V. 17-19 erreichen, ist nur der allgemeinen Gnade Gottes und dem zügelnden Einfl uss des Heiligen Geistes zu verdanken.
4,20 kennen gelernt … gehört … gelehrt. Drei bildhafte Be- schreibungen des Heils und der neuen Geburt.
4,21 wie es auch Wahrheit ist in Jesus. Die Wahrheit des Heils führt zur Fülle der Wahrheit über Gott, den Menschen, die Schöpfung, die Geschichte, das Leben und seinen Sinn, über Beziehungen, den Himmel, die Hölle, das Gericht und alles andere, was wirklich wichtig ist. Johannes fasste dies in 1Joh 5,20 zusammen.
4,22 abgelegt. ausziehen, wie man alte, schmutzige Kleidung ablegt. Eine Beschreibung für Buße über Sünde und für Unterwerfung unter Gott bei der Errettung. S. Anm. zu Kol 3,3-9 (vgl. Jes 55,6.7; Mt 19,16-22; Apg 2,38-40; 20,21; 1Th 1,9). den alten Menschen. Die abgenutzte, nutzlose und unbekehrte sündige Natur, die von der Lüge verdorben ist. Die Errettung ist eine geistliche Vereinigung mit Jesus Christus, die beschrieben wird mit dem Tod und dem Begräbnis des alten Menschen sowie mit der Auferstehung der neuen Natur, die in Neuheit des Lebens wandelt. Diese Umwandlung ist Paulus’ Thema in Röm 6,2-8 (s. Anm. dort).
4,23 erneuert werdet im Geist eurer Gesinnung. Die Errettung betrifft die Gesinnung (s. Anm. zu Röm 12,2; 2Kor 10,5), das Zentrum des Denkens, des Verstandes und Glaubens sowie der Motivation und des Verhaltens (vgl. Kol 3,1.2.10). Wenn jemand Christ wird, gibt Gott ihm eine völlig neue geistliche und moralische Fähigkeit, die ein Mensch ohne Christus niemals erreichen könnte (vgl. 1Kor 2,9-16).
4,24 den neuen Menschen angezogen. Die Erneuerung der Ge- sinnung reformiert nicht nur den Charakter, sondern gestaltet das alte Ich zum neuen um (vgl. 2Kor 5,17). der Gott entsprechend geschaffen ist. In Christus existiert das alte Ich nicht mehr wie zuvor; das neue Ich ist nach dem Bild Gottes erschaffen (vgl. Gal 2,20). in wahrhafter Gerechtigkeit und Heiligkeit. Gerechtigkeit bezieht sich auf die moralische Verantwortung des Christen gegenüber seinen Mitmenschen, was der zweiten Tafel der Zehn Gebote entspricht (2Mo 20,12-17), Heiligkeit hingegen bezieht sich auf seine Verantwortung gegenüber Gott, was der ersten Tafel entspricht (2Mo 20,3-11). Im unerlösten Fleisch des Gläubigen ist die Sünde noch gegenwärtig (s. Anm. zu Röm 7,17.18.20.23.25; 8,23).
4,25 legt die Lüge ab. Lügen bedeutet mehr als direkt falsche Din- ge zu sagen, auch Übertreiben gehört dazu sowie das Anfügen eigener Erfi ndungen zu Teilwahrheiten. Betrug, törichte Versprechen, Vertrauensmissbrauch und fadenscheinige Ausreden sind alles Formen von Lügen und sollten unter Christen nicht vorkommen (vgl. Joh 8,44; 1Kor 6,9; Offb 21,8). redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten. Ein Zitat aus Sach 8,16. Gottes Wirken in der Welt basiert auf Wahrheit und wenn die Gemeinde oder einzelne Gläubige nicht wahrhaftig sind, können sie keine geeigneten Instrumente sein, die der Herr gebrauchen kann.
4,26 Zürnt ihr, so sündigt nicht. Ein Zitat aus Ps 4,5. Nach Maßga- be des NTs kann Zorn sowohl gut als auch böse sein. Das hängt von Motiv und Zweck ab. Paulus erlaubt hiermit vielleicht berechtigten Unmut und Zorn über Böses. Derartiger Zorn verabscheut Unrecht, Unmoral, Gottlosigkeit und jede andere Sünde. Wenn ein solcher Zorn selbstlos ist und auf Liebe zu Gott und den Mitchristen beruht, ist er nicht nur erlaubt, sondern befohlen. Jesus zeigte diesen gerechten Zorn (s. Mt 21,12; Mk 3,5; Joh 2,15). die Sonne gehe nicht unter. Auch aus berechtigtem Zorn kann Verbitterung werden. Daher sollte er am Ende jeden Tages beiseite gelegt werden. Längerfristiger Zorn kann zu Feindschaft führen und gegen die Anweisungen von Röm 12,17-21 verstoßen.
4,28 stehle nicht mehr. Diebstahl jeder Form ist Sünde und hat im Leben eines Christen nichts zu suchen. Der Gläubige soll vielmehr arbeiten und Nützliches zustande bringen (vgl. 2Mo 20,15). Die Alternative zum Stehlen ist, mit ehrlichen und ehrbaren Mitteln sich selbst, seine Familie und andere mit dem zu versorgen, was Gott ehrt (vgl. 2Th 3,10.11; 1Tim 5,8). dem Bedürftigen etwas zu geben. Ein Christ darf niemand schaden und sollte sich ständig befl eißigen, Menschen in Not zu helfen. S. Lk 14,13.14; Apg 20,33-35.
4,29 schlechtes Wort. Das Wort für »schlecht« bezeichnet etwas Faules oder Verwesendes, wie z.B. schimmelige Früchte oder verdorbenes Fleisch. Über die Lippen von Christen sollte niemals irgendwie unfl ätige, Schaden stiftende Sprache kommen, denn das widerspricht zutiefst dem Charakter des neuen Lebens in Christus (s. Kol 3,8; Jak 3,6-8; vgl. Ps 141,3). was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist. Die Sprache des Christen sollte konstruktiv, ermutigend, aufbauend (auch wenn sie korrigieren muss) und der Situation angemessen sein (vgl. Spr 15,23; 25,11; 24,26). den Hörern Gnade bringe. Vgl. Kol 4,6. Weil Gläubige aus Gnade gerettet sind und aus Gnade bewahrt werden, sollte ihr Leben und Reden von Gnade geprägt sein. Unser Herr selbst ist der Maßstab dafür (Lk 4,22).
4,30 betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes. Gott wird betrübt, wenn seine Kinder sich weigern, von den alten Wegen der Sünde abzukehren und den neuen, gerechten Weg des neuen Lebens einzuschlagen. Wenn der Heilige Geist betrübt werden kann, muss er eine Person sein. Dass er eine Person ist, wird auch dadurch belegt, dass er mit Personalpronomen bezeichnet wird (Joh 14,17; 16,13), dass er sich persönlich um Gläubige kümmert (Joh 14,16.26; 15,26), dass er intelligent ist (1Kor 2,11), Gefühle hat (Röm 8,27; 15,30), einen Willen hat (1Kor 12,11), spricht (Apg 13,2), überzeugt (Joh 16,8-11), sich im Gebet verwendet (Röm 8,26), leitet (Joh 16,13), Christus verherrlicht (Joh 16,14) und Gott dient (Apg 16,6.7). versiegelt … für den Tag der Erlösung. Der Heilige Geist ist für alle, die an Christus glauben, der Garant der ewigen Erlösung in Christus (s. Anm. zu 1,13.14).
4,31 Diese Verse sind eine Zusammenfassung der Veränderungen im Leben des Gläubigen, wie sie in V. 17-30 beschrieben sind. »Bitterkeit« ist ein schwelender Groll. »Wut« ist eine momentane Leidenschaft; »Zorn« eine eher innere, tiefe Feindschaft. »Geschrei« ist außer Kontrolle geratener Streit. »Lästerung« ist üble Nachrede und Verleumdung. »Bosheit« ist ein allgemeiner gr. Begriff für Böses und die Wurzel aller Untugenden.
4,32 gleichwie auch Gott euch vergeben hat in Christus. Wem Gott so viel vergeben hat, der sollte die relativ kleinen Verletzungen, die andere ihm zufügen, bereitwillig vergeben. Die anschaulichste Illustration für diese Wahrheit ist das Gleichnis aus Mt 18,21-35.
5,1 Werdet nun Gottes Nachahmer. Die höchste Berufung und Bestimmung des Christen ist es, seinen Herrn nachzuahmen (s. Anm. zu 3,16.19). Das ist der ganze Sinn der Heiligung: dem Herrn mehr und mehr gleichgestaltet zu werden, während man ihm auf der Erde dient (vgl. Mt 5,48). Das Leben als Christ ist darauf angelegt, zur Gottseligkeit zu führen. Das Vorbild für diese Gottseligkeit ist der Herr und Retter Jesus Christus, in dessen Bild der Gläubige durch die Wiedergeburt erschaffen ist (vgl. Röm 8,29; 2Kor 3,18; 1Pt 1,14-16). Als Gottes geliebte Kinder sollen die Gläubigen ihrem himmlischen Vater immer ähnlicher werden (Mt 5,48; 1Pt 1,15.16).
5,2 gleichwie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns gegeben hat. In seiner selbstaufopfernden Liebe zu verlorenen Sündern ist der Herr das höchste Vorbild (4,32; Röm 5,8-10). Er nahm die Sünde des Menschen auf sich und gab sein eigenes Leben hin, damit Menschen von ihrer Sünde erlöst werden können, eine neue, heilige Natur empfangen und ewiges Leben erben (s. Anm. zu 2Kor 5,21). In der Neuheit und Kraft des Heiligen Geistes, der sie zum Praktizieren göttlicher Liebe befähigt, sollen sie nun Nachahmer der großen Liebe Christi sein. zu einem lieblichen Geruch. Jesu Selbstaufopferung für den gefallenen Menschen gefi el seinem himmlischen Vater und verherrlichte ihn, denn dieses Opfer drückte auf absolute und vollkommene Weise Gottes souveräne, vollkommene, bedingungslose Liebe aus. Das 3. Buch Mose beschreibt fünf Opfer, die Gott für Israel verordnet hatte. Die ersten drei sind: 1.) das Brandopfer (3Mo 1,1-17), das Christi Vollkommenheit darstellt; 2.) das Speisopfer (3Mo 2,1-16), es stellt Christi völlige Weihe an Gott dar, mit der er sein Leben zum Wohlgefallen des Vaters hingegeben hat; und 3.) das Friedensopfer (3Mo 3,1-17; 4,27-31), das Christus als Friedenstifter darstellt, der Gott und Mensch versöhnt. Alle drei Opfer waren »ein Wohlgeruch für den Herrn« (3Mo 1,9.13.17; 2,2.9.12; 3,5.16). Die übrigen beiden Opfer, das Sündopfer (3Mo 4,126.32-35) und das Schuldopfer (3Mo 5,1-19), waren kein Wohlgeruch für Gott. Sie stellten zwar Christus dar, aber als den, der die Sünden trägt (vgl. Mt 27,46). Als das Erlösungswerk letztendlich vollbracht war, gefi el es Gott jedoch völlig.
5,3 Unzucht … Unreinheit. Solche Sünden stehen im absoluten Ge- gensatz zu Gottes Heiligkeit und Liebe (s.a. V. 5). Satan versucht damit, Gottes Werk an seinen Kindern zu zerstören und sie so weit wie möglich von Gottes Bild und Willen wegzuführen. Wie viele andere Schriftstellen zeigt auch dieser Vers den engen Zusammenhang zwischen sexuellen Sünden und anderen Formen der Unreinheit und Begierden auf. Ein unmoralischer Mensch ist unausweichlich gierig. Solche Sünden sind derart gottlos, dass die Welt niemals einen Anlass haben sollte, Christen dieser Dinge auch nur zu verdächtigen.
5,4 die sich nicht gehören. Diese drei unangebrachten Sünden der Zunge umfassen jede obszöne, würdelose, törichte oder unfl ätige Redeweise sowie zweideutige und unmoralische Witze. All das durchkreuzt ein heiliges Leben und gottesfürchtiges Zeugnis und sollte bereut, gemieden und durch Dank für Gott ersetzt werden (vgl. Kol 3,8).
5,5 Denn das sollt ihr wissen. Paulus hatte diese Wahrheit viele Male gelehrt, als er der Gemeinde in Ephesus als Hirte diente. Den dortigen Gläubigen sollte das eigentlich längst klar sein. Gott toleriert niemals Sünde; sie hat in seinem Reich keinerlei Platz. In seinem Reich wird es auch niemanden geben, dessen Leben geprägt ist von gewohnheitsmäßiger Unmoral, Unreinheit und Begierde (s. V. 3), denn ein solcher Mensch ist nicht errettet (s. Anm. zu 1Kor 6,9.10; Gal 5,17-21; 1Joh 3,9.10). im Reich des Christus und Gottes. Die Sphäre des Heils, wo Christus über die Erlösten herrscht. S. Anm. zu Apg 1,3.
5,6 verführen. Im gegenwärtigen Leben wird kein Christ Sündlo- sigkeit erreichen. Doch es ist gefährlich und verführend, wenn ein Christ einen anderen bekennenden Gläubigen zur Heilsgewissheit ermutigt, dessen Leben von fortdauernder Sünde geprägt ist und der sich dafür nicht schämt und sich nicht nach den heiligen und reinen Dingen Gottes sehnt. Solche Menschen steuern auf das Zorngericht Gottes zu (2,2) und Gläubige dürfen sich auf keine ihrer Bosheiten einlassen (V. 7).
5,8 Finsternis … Licht. Finsternis beschreibt den Charakter des Le- bens der Unbekehrten: In intellektueller wie auch moralischer Hinsicht fehlt ihnen Wahrheit und Tugendhaftigkeit (vgl. 1Joh 1,5-7). Im Reich der Finsternis dominiert die »Macht der Finsternis« (Lk 22,53; Kol 1,13), die über jene herrscht, die auf die »ewige Finsternis« zusteuern (Mt 8,12; 2Pt 2,17). Tragischerweise lieben Sünder die Finsternis (Joh 3,19-21). Das ist die Finsternis, vor der das Heil in Christus den Sünder rettet (s. Anm. zu Joh 8,12; Kol 1,13; 1Pt 2,9; vgl. Ps 27,1).
5,9 Frucht des Geistes. Die bessere Lesart ist: »Frucht des Lichts.« Das spricht von dem Produkt, das durch den Wandel im Licht hervorgebracht wird (vgl. 1Joh 1,5-7), nämlich moralische Vortreffl ichkeit des Herzens, gerechtes Verhalten und Wahrhaftigkeit (Ehrlichkeit bzw. Integrität). S. Anm. zu Gal 5,22.23.
5,10 Prüft also, was dem Herrn wohlgefällig ist. Bei diesem »Prüfen« geht es darum, anhand eindeutiger und überzeugender Anzeichen zu lernen, wodurch Gott wirklich geehrt wird. Wenn Gläubige im Licht der Wahrheit wandeln, werden sie den Willen des Herrn klar erkennen. S. Röm 12,1.2, wo Paulus ebenfalls sagt, dass wir Gottes wohlgefälligen Willen nur dann kennen können, wenn wir uns ihm als lebendige Opfer ausgeliefert haben. Das betrifft auch unsere Heilsgewissheit (s. 1Pt 1,5-11).
5,11 keine Gemeinschaft mit … der Finsternis. Paulus’ Auffor- derung ist klar und direkt: Christen sollen treu in Gerechtigkeit und Reinheit leben und mit den bösen Wegen und Werken Satans und der Welt rein gar nichts zu tun haben. Diese zwei Lebensweisen sind unabänderlich gegensätzlich und schließen sich gegenseitig aus. Vgl. 1Kor 5,9-11; 2Kor 6,14-18; 2Th 3,6.14. deckt sie vielmehr auf. Die Verantwortung des Christen endet nicht damit, dass er das Böse für sich selbst verwirft. Er ist auch verantwortlich, wo immer er Finsternis vorfi ndet, sie aufzudecken und ihr entgegenzuwirken. Das gilt insbesondere für Finsternis innerhalb der Gemeinde. S. Anm. zu Mt 18,15-17; Gal 6,1-3.
5,12 schändlich auch nur zu sagen. Manche Sünden sind derart verabscheuenswürdig, dass man jeden Kontakt damit ausschließen und sie nicht einmal erwähnen, geschweige denn über sie diskutieren sollte. Das bloße Sprechen darüber kann moralisch und geistlich schädigen. Positive Verkündigung der reinen Wahrheit im Licht des Wortes Gottes deckt alles Böse auf (vgl. Spr 6,23; 2Tim 3,16).
5,13 alles, was offenbar wird, das ist Licht. Dieser Ausdruck sollte wahrscheinlich zu V. 14 gehören und wird besser übersetzt: »Das Licht ist es, das alles offenbar macht.« Das reine und erhellende Licht des Wortes Gottes deckt alle Geheimnisse der Sünde auf.
5,14 Mit diesem Zitat aus Jes 60,1 lädt Paulus die Unerretteten zum Heil ein, damit sie sich umgestalten lassen von Kindern der Finsternis zu Kindern des heiligen Lichtes Gottes (vgl. Spr 4,18). Womöglich waren diese Worte Teil eines alten Liedes zum Auferstehungsfest, das als Einladung für Ungläubige eingesetzt wurde. Es ist ein »Evangelium in der Nussschale«. Vgl. die Einladungen in Jes 55,1-3.6.7 und Jak 4,6-10.
5,15 mit Sorgfalt wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise. Dieser Ausdruck bedeutet: »exakt oder präzise unter großer Sorgfalt« (vgl. Ps 1,1; Mt 7,14). Moralisch leben bedeutet in Weisheit leben. Biblisch gesehen ist ein »Tor« nicht töricht wegen seines beschränkten Verstandes, sondern wegen seines Unglaubens und der sich daraus ergebenden verabscheuungswürdigen Taten (Ps 14,1; Röm 1,22). Er lebt fern von Gott und entgegen dem Gebot Gottes (Spr 1,7.22; 14,9); er kann weder die Wahrheit begreifen (1Kor 2,14), noch seinen wahren Zustand (Röm 1,21.22). Gläubige sollen sicherlich ein törichtes Verhalten meiden (s. Lk 24,25; Gal 3,1-3).
5,16 kauft die Zeit aus. Das gr. Wort für »Zeit« bezeichnet einen festen, abgemessenen und bestimmten Zeitabschnitt. Mit dem bestimmten Artikel »die« bezieht es sich wahrscheinlich auf die Lebensspanne des Gläubigen. Auf dieser verdorbenen Erde sollen wir das Beste aus unserer Zeit heraus holen, indem wir Gottes Bestimmung für uns erfüllen und jede Gelegenheit zu Anbetung und Dienst ergreifen. S. Anm. zu 1Pt 1,17. Es ist wichtig, sich der Kürze des Lebens bewusst zu sein (Ps 39,5.6; 89,47.48; Jak 4,14.17).
5,17 Darum seid nicht unverständig, sondern sucht zu ver- ständig, was der Wille des Herrn ist! Durch Gottes Wort seinen Willen zu erkennen und zu verstehen, ist geistliche Weisheit. Gottes offenbarter Wille ist z.B., dass Menschen errettet (1Tim 2,3.4), mit Heiligem Geist erfüllt (V. 18) und geheiligt werden (1Th 4,3), dass sie unterwürfi g sind (1Pt 2,13-15), leiden (1Pt 2,20) und dankbar sind (1Th 5,18). In all dem ist Jesus uns das höchste Vorbild (s. Joh 4,4; 5,19.30; 1Pt 4,1.2).
5,18 Und berauscht euch nicht mit Wein. Wenngleich die Bibel durchweg jegliche Trunkenheit verurteilt (s. Anm. zu Spr 23,20.21.2935; 31,4.5; Jes 5,11.12; 28,7.8; vgl. 1Kor 5,11; 1Pt 4,3), legt der Kontext nahe, dass Paulus hier speziell von Sauforgien spricht, die üblicherweise die vielen heidnischen Götzenzeremonien jener Zeit begleiteten. Diese Orgien sollten angeblich eine ekstatische Kommunikation mit den Gottheiten auslösen. Paulus bezeichnet sie als »Kelch der Dämonen« (s. Anm. zu 1Kor 10,20.21). sondern werdet voll Geistes. S. Anm. zu Apg 2,4; 4,8.31; 6,3. Wahre Gemeinschaft mit Gott kommt nicht durch Trunkenheit zustande, sondern durch den Heiligen Geist. Paulus spricht hier nicht vom Innewohnen des Heiligen Geistes (Röm 8,9) oder der Taufe durch Christus mit Heiligem Geist (1Kor 12,13), denn jeder wahre Christ hat den Heiligen Geist in sich und wurde bei der Errettung mit dem Geist getauft. Vielmehr handelt es sich um ein Gebot für Gläubige: Sie sollen beständig unter dem Wirken des Heiligen Geistes leben, indem sie sich vom Wort Gottes beherrschen und leiten lassen (s. Anm. zu Kol 3,16), nach Reinheit streben, alle bekannten Sünden bekennen, sich selbst gestorben sein, sich Gottes Willen ausliefern und in allen Dingen auf seine Macht vertrauen. Mit dem Geist erfüllt zu sein, bedeutet, bewusst in der Gegenwart des Herrn Jesus Christus zu leben und ihn durch sein Wort über alles herrschen zu lassen, was man denkt und tut. Erfüllt zu sein mit dem Geist ist dasselbe wie Wandeln im Geist (s. Anm. zu Gal 5,16-23). Der Herr Jesus ist das beste Beispiel für diese Lebensweise (Lk 4,1).
5,19 Diese Verse sind eine Zusammenfassung der unmittelbaren persönlichen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man diesem Gebot gehorcht und vom Heiligen Geist erfüllt ist: Singen, Danksagen und demütige Unterwerfung anderen gegenüber. Im Rest des Briefes geht es um Anweisungen, die auf dem Gehorsam gegenüber diesem Gebot basieren. 5,19 redet zueinander. Das ist öffentliches Reden (Hebr 2,12). Vgl. Ps 33,1; 40,4; 96,1.2; 149,1; Apg 16,25; Offb 14,3. Psalmen. In erster Linie vertonte Psalmen des ATs, doch bezeichnete dieser Begriff auch Gesang allgemein. In der Urgemeinde wurden die Psalmen gesungen. Lobgesängen. Vielleicht Loblieder, die nicht zu den Psalmen gehörten, aber Gott verehrten, indem sie den Blick auf den Herrn Jesus Christus richteten. geistlichen Liedern. Wahrscheinlich zeugnishafte Lieder, die die Wahrheiten der Gnade des Heils in Christus zum Ausdruck brachten. spielt. Wörtl. »ein Saiteninstrument zupfen«, daher bezieht es sich zunächst auf Instrumentalmusik, die aber auch Gesang begleiten kann. dem Herrn in eurem Herzen. Nicht nur öffentlich, sondern auch im Privaten. Der Herr selbst ist sowohl Quelle als auch Gegenstand des singenden Herzens des Gläubigen. Dass Gott Wohlgefallen an solcher Musik hat, sehen wir im Bericht über die Tempelweihe. Dort verehrte der Gesang den Herrn so sehr, dass seine Herrlichkeit herabkam (2Chr 5,12.14).
5,20 sagt allezeit … Dank für alles. S. Anm. zu 1Th 5,18; vgl. 2Kor 4,15; 9,12.15; Phil 4,6; Kol 2,7; Hebr 13,15. Gläubige danken Gott für das, was er ist und für das, was er getan hat durch seinen Sohn, ihren Retter und Herrn.
5,21 ordnet euch einander unter. Hier wechselt Paulus das The- ma und beginnt seine Lehre über bestimmte Beziehungen der Autorität und Unterordnung unter Christen (5,22 – 6,9). Dazu erklärt er zunächst unmissverständlich, dass jeder geisterfüllte Christ ein demütiger, unterwürfi ger Christ sein muss. Das ist grundlegend für alle Beziehungen, um die es in diesem Abschnitt geht. Kein Gläubiger steht von sich aus über irgendeinem anderen Christen. In ihrer Stellung vor Gott sind alle Gläubigen in jeder Hinsicht gleich (Gal 3,28). in der Furcht Gottes. Die ständige Ehrfurcht vor Gott ist die Grundlage des Christen für seine Unterordnung unter andere Gläubige. Vgl. Spr 9,10.
5,22 Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter. Nachdem Paulus das grundsätzliche Prinzip der Unterordnung aufgestellt hat (V. 21), wendet er es als Erstes auf die Frauen an. Es ist ein uneingeschränktes Gebot, das für jede christliche Ehefrau gilt, ungeachtet welche Bildung, Bibelkenntnis, geistliche Reife oder andere Fähigkeiten und Qualifi kationen sie im Vergleich zu ihrem Mann hat. Die Unterordnung soll nicht vom Mann eingefordert, sondern von der Frau bereitwillig und liebevoll ausgeübt werden. »Euren eigenen Männern« beschränkt ihre Unterordnung auf den einen Mann, den Gott über sie gesetzt hat, und betont, dass er ihr als persönlicher, ganz vertrauter Besitz gehört (Hl 2,16; 6,3; 7,10). Dadurch wird diese Aufforderung ausgewogen. Die Frau unterwirft sich dem Mann, den sie als ihr Eigentum besitzt. als dem Herrn. Weil die höchste Unterordnung der gehorsamen, geistlichen Frau dem Herrn gilt, hat sie die Haltung, sich ihrem Mann aus Gehorsam zum Herrn liebevoll unterzuordnen. Das hat der Herr ihr als seinen Willen geboten, unabhängig davon, ob der Mann das verdient oder ob er in einem entsprechenden geistlichen Zustand ist. Vgl. V. 5-9.
5,23 der Mann ist das Haupt … der Christus das Haupt. Die vom Heiligen Geist erfüllte Frau erkennt an, dass die Führungsrolle ihres Mannes nicht nur von Gott verordnet ist, sondern auch Jesu eigene liebevolle Führung als Haupt der Gemeinde widerspiegelt. S. Anm. zu 1Kor 11,3; vgl. 1,22.23; 4,15; Kol 1,18; Tit 2,4.5. Retter. Wie der Herr seine Gemeinde vor den Gefahren von Sünde, Tod und Hölle rettet, so sorgt auch der Ehemann für seine Frau und schützt, bewahrt und liebt sie. So wird er sie, wenn sie sich ihm unterordnet, zum Segen führen. Vgl. Tit 1,4; 2,13; 3,6.
5,25 liebt eure Frauen. Bisher hat Paulus zwar die Autorität des Ehemanns erklärt (V. 22-24), doch nun richtet er das Augenmerk auf ihre höchste Verantwortung den Frauen gegenüber: sie zu lieben mit derselben uneingeschränkten, selbstlosen und aufopfernden Liebe, mit der Christus seine Gemeinde liebt. Christus gab alles, was er hatte, einschließlich seines eigenen Lebens, um seiner Gemeinde willen. Das ist der Maßstab für die Aufopferung, mit welcher der Mann seine Frau lieben soll. Vgl. Kol 3,19.
5,26 heilige … gereinigt … heilig und tadellos. Das spricht von der Liebe Christi zu seiner Gemeinde. Die rettende Gnade heiligt die Gläubigen durch das Wort Gottes (Tit 2,1-9; 3,5), sodass die Gemeinde eine reine Braut ist. Wenn Männer ihre Frauen lieben wollen wie Christus seine Gemeinde, erfordert das eine reinigende Liebe. Da göttliche Liebe danach strebt, die Geliebten von jeder Form der Sünde und des Bösen völlig zu reinigen, sollte es für einen gläubigen Ehemann ein unerträglicher Gedanke sein, dass es im Leben seiner Frau etwas Sündiges gibt, das Gott missfällt. Es sollte sein sehnlicher Wunsch für sie sein, dass sie völlig Christus gleichgestaltet wird. So wird er sie zur Lauterkeit führen. S. Anm. zu 2Kor 11,23.
5,28 wie ihre eigenen Leiber. Das ist eine der treffendsten und überzeugendsten Beschreibungen der Einheit, von der die christliche Ehe geprägt sein sollte. Ein gläubiger Ehemann sollte seiner Frau dieselbe Fürsorge widmen wie natürlicherweise sich selbst (V. 29) – ja, noch mehr, denn seine selbstaufopfernde Liebe veranlasst ihn, ihr den Vorrang zu geben (vgl. Phil 2,1-4). wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. Letztendlich wird ein Ehemann, der seine Frau in dieser Weise liebt, großen Segen empfangen, sowohl von ihr wie auch vom Herrn.
5,29 nährt und pfl egt. Eine Beschreibung der zweifachen Ver- antwortung des Mannes, für die Bedürfnisse seiner Frau zu sorgen. Damit hilft er ihr, in Christus zu reifen und zu wachsen und vermittelt ihr herzliche und innige Zuneigung und damit Wohlbehagen und Sicherheit.
5,30 Glieder seines Leibes. Der Herr sorgt für seine Gemeinde, weil sie so innig und untrennbar mit ihm vereint ist. Würde er für seine Gemeinde nicht sorgen, dann würde er seine eigene Herrlichkeit herabsetzen, die die Gemeinde ihm durch ihre Verehrung und ihren Gehorsam gibt. So ist es auch in der Ehe: Das Leben des Ehemanns ist so innig mit dem seiner Frau verbunden, dass sie eins sind. Wenn er für sie sorgt, sorgt er damit für sich selbst (V. 29). 5,31 Ein Zitat aus 1Mo 2,24 (s. Anm. dort). Paulus bekräftigt Gottes Plan für die Ehe, den Gott bei der Schöpfung eingesetzt hat, und betont die Dauerhaftigkeit und Einheitlichkeit dieses Plans. Die eheliche Verbindung ist zutiefst vertraut und unaufl ösbar. Das Wort anhängen bedeutet wörtl. aneinander angeklebt oder zementiert zu sein und betont die Beständigkeit dieser Einheit (s. Anm. zu Mal 2,16; Mt 19,6-9).
5,32 Dieses Geheimnis ist groß. Im NT bezeichnet »Geheimnis« eine zuvor verborgene Realität, die in neutestamentlicher Zeit geoffenbart und in der Bibel niedergeschrieben wurde. Die Ehe ist ein heiliges Abbild des erhabenen und schönen Geheimnisses der Verbindung zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde. Das war vor dem NT völlig unbekannt. S. Anm. zu 3,4.5; Mt 13,11; 1Kor 2,7.
5,33 jeder von euch liebe. Die Vertrautheit und Heiligkeit der Liebesbeziehung zwischen gläubigen Ehepartnern soll ein sichtbarer Ausdruck der Liebe zwischen Christus und seiner Gemeinde sein.
6,1 seid gehorsam … in dem Herrn. S. Kol 3,20. Das Kind muss sich in der Familie bereitwillig der Autorität der Eltern unterordnen und ihnen als den vom Herrn eingesetzten Vertretern Gottes gehorchen. Der Grund dafür ist schlicht und einfach der, dass Gott die Familie so entworfen und es so verordnet hat (»denn das ist recht«). Vgl. Hos 14,10.
6,2 Du sollst … ehren. V. 1 spricht von praktischen Taten, die- ser Vers hingegen von einer Einstellung. Paulus meint das Motiv hinter der Tat. Als Gott in den Zehn Geboten sein Gesetz gab, war dieses Gebot das erste, das zwischenmenschliche Beziehungen regelte (2Mo 20,12; 5Mo 5,16). Es ist das einzige der Zehn Gebote, das sich auf die Familie bezieht, denn allein dieses Prinzip stellt die Zweckerfüllung der Familie sicher. Vgl. 2Mo 21,15.17; 3Mo 20,9; Mt 15,3-6. Das Buch der Sprüche bekräftigt dieses Prinzip (s. 1,8; 3,1; 4,1-4; 7,1-3; 10,1; 17,21; 19,13.26; 28,24). 6,2 das erste Gebot mit einer Verheißung. Die Unterordnung unter die Eltern sollte zwar in erster Linie um des Herrn willen geschehen, doch Gott hat in seiner Gnade die Verheißung hinzugefügt, dass besonderer Segen denen gilt, die diesem Gebot gehorchen. S. Anm. zu 2Mo 20,12, das ist der Vers, den Paulus hier zitiert (vgl. 5Mo 5,16).
6,4 Väter. Technisch gesehen bezieht sich das Wort auf den männ- lichen Elternteil, wurde jedoch auch für Eltern allgemein verwendet. Da Paulus von beiden Elternteilen spricht (V. 1-3), dachte er auch hier wahrscheinlich an beide. Dasselbe Wort bezeichnet in Hebr 11,23 Moses Eltern. reizt eure Kinder nicht zum Zorn. In der heidnischen Welt zu Paulus’ Zeit beherrschten sogar in vielen jüdischen Familien die Väter ihre Familien mit strenger und unduldsamer Autorität. Auf die Wünsche und das Wohlergehen von Frau und Kindern wurde selten Rücksicht genommen. Die Autorität eines christlichen Vaters über seine Kinder räumt ihm jedoch kein Recht auf unvernünftige Forderungen und Aufl agen ein, die in seinen Kindern Zorn, Verzweifl ung und Groll provozieren. Zucht und Ermahnung des Herrn. Ein Aufruf zu konsequenter Disziplin und Unterweisung, was Kinder dazu bringt, die Gebote des Herrn als Grundlage allen Lebens, aller Gottseligkeit und allen Segens zu achten. Vgl. Spr 13,24; Hebr 12,5-11.
6,5 Knechte, gehorcht. S. Anm. zu Kol 3,22-24. Knechte bzw. Sklaven hatten sowohl in griechischer wie in römischer Kultur keine legalen Rechte und wurden wie eine Ware behandelt. Missbrauch und schlechte Behandlung waren an der Tagesordnung. Die Bibel spricht sich nicht gegen Sklaverei an sich aus, aber gegen ihren Missbrauch (vgl. 2Mo 21,16.26.27; 3Mo 25,10; 5Mo 23,16.17). Paulus’ Ermahnung gilt ebenso allen Arbeitnehmern. Das Wort »gehorcht« bedeutet dauerhafte, ununterbrochene Unterordnung unter den irdischen Herrn bzw. Arbeitgeber. Einzige Ausnahme wäre ein Auftrag, der eindeutig Ungehorsam gegenüber Gottes Wort erfordert, wie es in Apg
4,19 nachdem sie alles Empfi nden verloren haben. Drittens haben Ungläubige kein moralisches Empfi nden. Sie sündigen weiter und wenden sich weiter von Gott ab und so werden sie noch unempfänglicher für moralische und geistliche Dinge (vgl. Röm 1,32). Zügellosigkeit … Unreinheit. Viertens sind Ungläubige in ihrem Verhalten verdorben (vgl. Röm 1,28). Da sie sich freiwillig der Sinnlichkeit und Freizügigkeit hingeben, gleiten ihnen ihre moralischen Zügel mehr und mehr aus der Hand, insbesondere auf dem Gebiet sexueller Sünden. Unreinheit ist untrennbar verbunden mit Gier bzw. Habsucht, die eine Form des Götzendienstes ist (5,5; Kol 3,5). Dass einige Seelen nicht die Extreme von V. 17-19 erreichen, ist nur der allgemeinen Gnade Gottes und dem zügelnden Einfl uss des Heiligen Geistes zu verdanken. 4,19 illustriert ist. S. Anm. zu 1Tim 6,1.2; Tit 2,9.10; 1Pt 2,18-20. leiblichen. D.h. die menschlichen Herren. mit Furcht und Zittern. Nicht Angst, sondern Respekt gegenüber ihrer Autorität. Auch wenn ein Arbeitgeber nach seinem Verhalten keinen Respekt verdient (s. 1Pt 2,18), sollte dieser ihm dennoch mit echter Aufrichtigkeit gezollt werden, als diene man dem Vorgesetzten wie dem Herrn Jesus selbst. Dem Arbeitgeber gut zu dienen, bedeutet, Christus gut zu dienen. Vgl. Kol 3,23.24.
6,6 Augendienerei. D.h. nur dann gut zu arbeiten, wenn der Chef zuschaut. Menschen zu gefallen. D.h. nur deshalb zu arbeiten, um das eigene Wohlergehen zu steigern, anstatt den Arbeitgeber und den Herrn zu ehren, deren Diener wir in Wirklichkeit sind.
6,7 Vgl. Kol 3,23. Gott wird unsere Einstellung und Leistung bei der Arbeit entsprechend würdigen und belohnen. Was zu seiner Ehre getan wurde, wird nicht unbelohnt bleiben.
6,9 Und ihr Herren, tut dasselbe ihnen. Aufgrund der gemein- samen Verbindung zum Herrn, sollten christliche Arbeitgeber ihre Angestellten ebenso ehren und respektieren, wie sie von ihnen geehrt und respektiert werden. lasst das Drohen. Der vom Heiligen Geist erfüllte Chef setzt seine Autorität und Macht mit Gerechtigkeit und Gnade ein. Er nutzt sie nicht aus und ist nicht rücksichtslos gegen sie. Er ist sich bewusst, dass er einen himmlischen Herrn hat, der unparteiisch ist (vgl. Apg 10,34; Röm 2,11; Jak 2,9).
6,10 Der wahre Gläubige wurde in Kap. 1-3 beschrieben und führt ein vom Heiligen Geist beherrschtes Leben, wie in 4,1 – 6,9 dargestellt. Ein solcher Christ kann gewiss sein, dass er sich in einem geistlichen Kampf befi ndet, wie er hier beschrieben wird. Paulus schließt seinen Brief sowohl mit einer Warnung vor den Gefahren dieses Kampfes als auch mit Anweisungen, wie er zu gewinnen ist. Der Herr rüstet seine Gläubigen mit einer passenden Waffenrüstung aus, damit sie gegen den Feind kämpfen und ihn besiegen können. In V. 10-13 stellt Paulus kurz einige elementare Wahrheiten vor: über die notwendige geistliche Vorbereitung des Gläubigen, über seinen Feind, seinen Kampf und seinen Sieg. In V. 14-17 beschreibt er die sechs wichtigsten Bestandteile der geistlichen Waffenrüstung, mit der Gott seine Kinder ausrüstet, damit sie Satans Angriffe abwehren und überwinden können. 6,10 seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Vgl. Phil 4,13; 2Tim 2,1. Letztendlich ist Satans Macht über den Christen bereits gebrochen und der große Kampf ist durch Jesu Tod und Auferstehung gewonnen, denn dadurch wurde die Macht der Sünde und des Todes für immer besiegt (Röm 5,18-21; 1Kor 15,56.57; Hebr 2,14). Im Leben auf der Erde gehen die Schlachten der Versuchung jedoch ständig weiter. Die Macht des Herrn, die Kraft seines Geistes und die Gewalt biblischer Wahrheit sind zum Sieg erforderlich (s. Anm. zu 2Kor 10,3-5).
6,11 Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an. »Anziehen« vermittelt den Gedanken der Dauerhaftigkeit und zeigt, dass diese Waffenrüstung die ständige, lebenslange Kleidung des Christen sein sollte. Paulus zieht die übliche Waffenrüstung römischer Soldaten als Bild heran für die geistlichen Verteidigungsmittel des Gläubigen und bekräftigt, wie notwendig sie ist, wenn ein Christ unter Angriffen seine Stellung behaupten muss. Kunstgriffen. Dieses gr. Wort heißt »Methodaias«, also seine Methoden, und kann beim Teufel nur etwas Schlimmes bedeuten wie: Schlauheit, Gerissenheit, List, Tücke und Verführung. Satans Listen werden durch das böse Weltsystem, das er beherrscht, verbreitet, und von seinen Dämonen ausgeführt. Es ist ein alles umfassendes Wort, das alle Sünden, unmoralischen Taten, falsche Theologien, falsche Religionen und weltliche Verlockungen beinhaltet. S. Anm. zu 2Kor 2,11. des Teufels. Die Bibel bezeichnet ihn als »schützenden Cherub« (Hes 28,14), »den Obersten der Dämonen« (Lk 11,15), »den Gott dieser Welt« (2Kor 4,4) und als den »Fürsten, der in der Luft herrscht« (Eph 2,2). Der Bibel zufolge bekämpft er Gottes Werk (Sach. 3,1), verdirbt Gottes Wort (Mt 4,6), behindert Gottes Diener (1Th 2,18), behindert das Evangelium (2Kor 4,4), lockt die Gerechten in Fallen (1Tim 3,7) und hält die Welt in seiner Macht (1Joh 5,19).
6,12 Kampf. Das gr. Wort bezeichnet einen Zweikampf von Mann zu Mann. Ein solcher Kampf ist von Kunstgriffen und Täuschungen geprägt, wie Satan und seine Dämonen sie verwenden, wenn sie angreifen. Um mit solch einer verführerischen Versuchung fertig zu werden, bedarf es der Wahrheit und Gerechtigkeit. Die vier Bezeichnungen für den Feind beschreiben die verschiedenen Ränge und Dienstgrade dieser Dämonen sowie das böse übernatürliche Reich, in welchem sie wirken. Satans Mächte der Finsternis sind hochgradig auf übelste zerstörerische Zwecke spezialisiert. Vgl. Kol 2,15; 1Pt 3,22. nicht gegen Fleisch und Blut. S. 2Kor 10,3-5. geistlichen [Mächte] der Bosheit. Das bezieht sich womöglich auf die verdorbensten Gräuel, einschließlich solcher Dinge wie extreme sexuelle Perversion, Okkultismus und Anbetung Satans. S. Anm. zu Kol 1,16. in den himmlischen Regionen. Wie bereits in 1,3; 3,10 bezieht sich das auf den gesamten Bereich der Geistwesen.
6,13 Deshalb ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes. Pau- lus betont wiederum, wie notwendig es ist, dass der Christ die ganze geistliche Waffenrüstung Gottes anwendet, indem er sie im Gehorsam anlegt bzw. anzieht (V. 11). Die ersten drei Bestandteile (Gürtel, Brustpanzer und Stiefel, V. 14.15) wurden kontinuierlich auf dem Schlachtfeld getragen; die letzten drei (Schild, Helm und Schwert, V. 16.17) wurden bereit gehalten, um bei Beginn des Kampfes sofort eingesetzt werden zu können. am bösen Tag. Seit dem Sündenfall ist jeder Tag ein böser Tag. Dieser Zustand wird bestehen bleiben, bis der Herr wiederkommt und sein eigenes gerechtes Reich auf der Erde aufrichtet. widerstehen … nachdem ihr alles wohl ausgerichtet habt. Das Ziel ist, ohne Schwanken oder Versagen gegenüber dem Feind festzustehen. S. Anm. zu Jak 4,17; 1Pt 5,8.9. 6,14 So steht nun fest. Zum dritten Mal (s. V. 11.13) ruft Paulus den Christen auf, im geistlichen Kampf gegen Satan und seine Untertanen eine feste Stellung zu beziehen. Diese Waffenrüstung ist auf jeden Fall unsere Verteidigung, gleichgültig wozu Satan uns verleiten will: unser Vertrauen auf Gott zu schmälern, ungehorsam zu sein, Gott auf fl eischliche Weise zu dienen, heuchlerisch zu leben, weltlich zu sein oder auf irgendeine andere Weise biblischen Gehorsam zu verwerfen, oder ob Satan versucht, lehrmäßige Verwirrung und Irrlehre einzuführen, den Dienst für Gott zu verhindern oder Spaltungen zu verursachen. umgürtet mit Wahrheit. Der Soldat trug ein weites Gewand aus lockerem Stoff. Da Kriege in der Antike meistens in Zweikämpfen Mann zu Mann ausgefochten wurden, war ein solch lockeres Gewand ein Hindernis und eine potentielle Gefahr. Ein Gürtel war nötig, um den umherfl atternden Stoff straff zu binden. Vgl. 2Mo 12,11; Lk 12,35; 1Pt 1,13. Vor dem Kampf umgürtete sich der Soldat und zurrte somit die losen Enden des Gewandes fest. Der Gürtel, der alle geistlichen losen Enden festzurrt, ist »Wahrheit« oder besser »Wahrhaftigkeit«. Dahinter steht der Gedanke aufrichtiger, ungeheuchelter Entschlossenheit zum Kämpfen und Siegen, d.h. disziplinierte Hingabe an den Sieg. Alles Hindernde wird unterbunden. Vgl. 2Tim 2,4; Hebr 12,1. Brustpanzer der Gerechtigkeit. Der Brustpanzer war üblicherweise ein hartes, ärmelloses Kleidungsstück aus Leder oder schwerem Material mit aufgenähten Hörnern oder Hufen, das den ganzen Rumpf des Soldaten bedeckte und so sein Herz und andere lebenswichtige Organe schützte. Weil Gerechtigkeit bzw. Heiligkeit Gott selber so besonders auszeichnet, ist es leicht einsehbar, warum das der wichtigste Schutz des Christen vor Satan und seinen Listen ist. Wenn Gläubige treu im Gehorsam gegenüber Jesus Christus und in Gemeinschaft mit ihm leben, bewirkt seine eigene Gerechtigkeit in ihnen die praktische, tägliche Gerechtigkeit, die zu ihrem geistlichen Brustpanzer wird. Fehlende Heiligkeit macht sie andererseits verwundbar für den schrecklichen Feind ihrer Seelen (vgl. Jes 59,17; 2Kor 7,1; 1Th 5,8).
6,15 gestiefelt mit Bereitschaft [zum Zeugnis] für das Evange- lium des Friedens. Römische Soldaten trugen Stiefel mit Nägeln unter den Sohlen, um beim Kampf besseren Bodenhalt zu haben. Das Evangelium des Friedens bezieht sich auf die frohe Botschaft, dass Gläubige durch Christus Frieden mit Gott haben und er an ihrer Seite ist (Röm 5,610). Aufgrund dieser Zuversicht, dass Gott den Gläubigen trägt, steht der Gläubige fest und weiß, dass er Frieden mit Gott hat und Gott seine Stärke ist (s. Röm 8,31.37-39).
6,16 Schild des Glaubens. Dies gr. Wort bezeichnet üblicherwei- se den Großschild (0,8 x 1,4 m), der den gesamten Körper schützte. Der Glaube, den Paulus meint, ist nicht die Gesamtheit der christlichen Lehre (wie in 4,13), sondern grundsätzliches Vertrauen auf Gott. Das ständige Vertrauen des Gläubigen auf Gottes Wort und Verheißungen ist »vor allem« absolut notwendig, um ihn vor Versuchungen jeder Art zu bewahren. Sünde befällt den Gläubigen stets dann, wenn dieser auf Satans Lügen und Vergnügungsaussichten hereinfällt und die bessere Entscheidung zum Gehorsam und Segen verwirft. feurigen Pfeile. Versuchungen werden mit den brennenden Pfeilen verglichen, die der Feind abschoss und die im öligen Lederschild des Soldaten verlöschten (vgl. Ps 18,31; Spr 30,5.6; 1Joh 5,4).
6,17 Helm des Heils. Der Helm schützte den Kopf, auf den der Feind in der Schlacht vornehmlich abzielte. Paulus richtet sich an Gläubige, die bereits errettet sind und spricht daher nicht darüber, wie man das Heil erlangt. Vielmehr versucht Satan, die Heilsgewissheit des Gläubigen mit den Waffen des Zweifels und der Entmutigung zu zerstören. Das wird deutlich aus Paulus’ Hinweis auf »den Helm der Hoffnung des Heils« (Jes 59,17; s. Anm. zu 1Th 5,8). Doch obgleich beim Christen das Empfi nden seines Heils schwer beeinträchtigt werden kann, weil Satan Zweifel ausstreut, ist das Heil des Gläubigen ewig geschützt und er braucht nicht befürchten, es zu verlieren. Satan möchte den Gläubigen mit Zweifeln verfl uchen, doch der Christ kann feststehen in Gottes biblischer Verheißung des ewigen Heils (s. Joh 6,37-39; 10,28.29; Röm 5,10; 8,31-39; Phil 1,6; 1Pt 1,3-5). Die Sicherheit der ewigen Errettung ist eine Tatsache; die Gewissheit hingegen ist ein Empfi nden, dessen sich der gehorsame Christ erfreuen kann (1Pt 1,3-10). Schwert des Geistes. Wie das Schwert die einzige Angriffswaffe des Soldaten war, so ist Gottes Wort die einzig nötige Waffe, die unendlich mehr ausrichten kann, als irgendeine Waffe Satans. Der gr. Begriff bezeichnet eine kleine Waffe (15-25 cm lang). Sie wurde sowohl zur Verteidigung eingesetzt (hier: gegen die Angriffe Satans) als auch zur Offensive, um die Strategien des Feindes zu vereiteln. Es ist die Wahrheit der Bibel. S. Anm. zu 2Kor 10,35; Hebr 4,12.
6,18 Dieser Vers stellt den allgemeinen Charakter des Gebetslebens des Gläubigen vor: 1.) »alles Gebet und Flehen« bezieht sich auf die Vielfalt; 2.) »jederzeit« auf die Häufi gkeit (vgl. Röm 12,12; Phil 4,6; 1Th 5,17); 3.) »im Geist« spricht von unserer Unterwürfi gkeit unter den Willen Gottes (vgl. Röm 8,26.27); 4.) »wacht« betont die Art und Weise (vgl. Mt 26,41; Mk 13,33); 5.) »in aller Ausdauer« die Beständigkeit (vgl. Lk 11,9; 18,7.8) und 6.) »für alle Heiligen« beschreibt die Ziele und Inhalte des Gebets (vgl. 1Sam 12,23).
6,19 Paulus bittet nicht um Gebet für sein persönliches Wohlerge- hen oder äußerlichen Trost in seiner Gefangenschaft, aus der er schrieb, sondern sein Anliegen ist Freimütigkeit und Treue für die weitere Verkündigung des Evangeliums zu den Unerretteten, was es auch kosten mag. Geheimnis. S. Anm. zu 3,4. Botschafter. S. Anm. zu 2Kor 5,18-20. 6,21.22 Tychikus. Ein Bekehrter aus Kleinasien (der heutigen Türkei), der bei Paulus’ erster Gefangenschaft in Rom bei ihm war, von wo aus dieser Brief geschrieben wurde (s. 3,1). Er begleitete Paulus beim Überbringen einer Opfergabe nach Jerusalem (Apg 20,4-6) und wurde von Paulus zu mehreren Reise- und Botendiensten beauftragt (2Tim 4,12; Tit 3,12).
6,23 Dieser wunderschöne Schlusssegen fasst die Hauptthemen dieses sehr persönlichen Briefes zusammen und erinnert die Leser an den Frieden (V. 15; 1,2; 2,14.15.17; 4,3), die Liebe (1,15; 4,2.15.16; 5,25.28.33) und den Glauben (V. 16; 1,15; 2,8; 3,12.17; 4,5.13), sowie an die Gnade Gottes und Jesu Christi.
1,1 Im 1. Jhdt. begannen Briefe üblicherweise mit der Angabe des Absenders und des Empfängers und einem einfachen Gruß. Eine bemerkenswerte Besonderheit ist hier, dass Paulus auch Timotheus erwähnt, denn Timotheus war ein wichtiger Mitarbeiter bei der Evangelisation in und um Philippi und ein zuverlässiger, unterstützender Zeuge für die Wahrheiten, die Paulus lehrte. 1,1 Paulus. S. Einleitung zum Römerbrief: Autor und Abfassungs- zeit; s. Anm. zu Apg 9,1. Paulus schrieb seinen Brief in einem römischen Gefängnis (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Timotheus. Timotheus, Paulus’ geliebtes Kind im Glauben (s. Einleitung zu 1. Timotheus: Autor und Abfassungszeit; Apg 16,1-3), war nicht der Koautor dieses Briefes, sondern möglicherweise derjenige, dem Paulus den Brief diktierte. Dennoch hatte Paulus einen guten Grund, Timotheus hier zu erwähnen (s. Anm. zu V. 1.2). Knechte. Das bezeichnet einen bereitwilligen Sklaven, der mit Freuden und in Treue seinem Herrn verbunden war (s. Anm. zu Röm 1,1; vgl. Jak 1,1; 2Pt 1,1; Jud 1). Heiligen. S. Anm. zu 1Kor 1,2. Gläubige in der Gemeinde von Philippi, einschließlich derer, die die Gemeinde leiteten. in Christus Jesus. Das beschreibt die Vereinigung der Philipper mit Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung (s. Anm. zu Röm 6,2-9; Gal 2,20). Deshalb konnten sie »Heilige« genannt werden. Philippi. S. Einleitung: Hintergrund und Umfeld. Aufsehern. Von diesem gr. Wort ist der Begriff »Bischof« abgeleitet. S. Anm. zu 1Tim 3,1. Dieser Begriff betonte die Verantwortung der Ältesten (auch Hirten genannt), die Gemeinde zu leiten. Alle drei Begriffe (Aufseher, Älteste, Hirten) bezeichnen in Apg 20,28 dieselben Männer (s. Anm. dort). Diakone. S. Anm. zu 1Tim 3,8. 1,2 Gnade … Friede. Paulus’ Standardgruß (s. Anm. zu Röm 1,7) erinnerte die Gläubigen an ihre Beziehung zu Gott.
1,3 Ich danke meinem Gott. In Paulus’ Briefen sind solche Emp- fehlungen üblich (s. Anm. zu Gal 1,3-5).
1,4 in jedem meiner Gebete … mit Freuden. Das gr. Wort für »Gebet« bezeichnet eine Bitte oder ein Gesuch für jemand anderen. Für Paulus war es eine Freude, für Mitgläubige zu beten.
1,5 Gemeinschaft. Dies Wort kann auch übersetzt werden mit »Teilnahme« oder »Partnerschaft«. Vgl. 2Kor 8,4. vom ersten Tag an. Diese Gläubigen halfen Paulus von Beginn der Gemeinde an eifrig bei der Evangelisation von Philippi (Apg 16,12-40).
1,6 angefangen hat … vollenden wird. Das gr. Verb, das mit »an- gefangen hat« übersetzt ist, wird nur hier und in Gal 3,3 verwendet und bezieht sich beide Male auf die Errettung selbst. Wenn Gott in einem Menschen sein Werk der Errettung beginnt, wird er dieses Werk vollenden und vervollkommnen. Daher weist das Verb »vollenden« auf die ewige Sicherheit der Christen hin (s. Anm. zu Joh 6,40.44; Röm 5,10; 8,29-39; Eph 1,13.14; Hebr 7,25; 12,2). Tag Jesu Christi. Dieser Ausdruck darf nicht verwechselt werden mit dem »Tag des Herrn« (s. Einleitung zu Joel: Historische und lehrmäßige Themen), bei dem es um das endgültige Gericht Gottes und um seinen Zorn geht (vgl. Jes 13,9; Joe 1,15; 2,11; 1Th 5,2; 2Pt 3,10). Der »Tag Jesu Christi« wird auch »Tag Christi« genannt (V. 10; 2,16) und »der Tag unseres Herrn Jesus Christus« (1Kor 1,8). Das blickt voraus auf die endgültige Erlösung, Belohnung und Verherrlichung der Gläubigen. Vgl. 1Kor 3,10-15; 4,5; 2Kor 5,9.10.
1,7 Herzen. In der Bibel ein übliches Wort zur Beschreibung des Zentrums der Gedanken und Gefühle (vgl. Spr 4,23). Verteidigung und Bekräftigung. Zwei juristische Begriffe, die sich entweder auf die erste Phase von Paulus’ Verhöre in Rom beziehen, wobei er seine Verkündigung des Evangeliums verteidigte, oder die sich in einem allgemeineren Sinn auf seine ständige Verteidigung des Glaubens beziehen, die das Herzstück seines Wirkens war. mit mir Anteil habt an der Gnade. S. Anm. zu V. 5. Während seiner Haftzeit hatten die Philipper ihm zur Unterstützung Geld sowie Epaphroditus als Helfer gesandt. Somit hatten sie Anteil an Gottes segnender Gnade, die er Paulus erwies (vgl. 2,30).
1,8 herzlichen Liebe. Das gr. Wort bezeichnet wörtl. die inneren Organe und damit den Teil des Körpers, der auf intensive Gefühle reagiert. Dieser Begriff entwickelte sich zum stärksten gr. Ausdruck für leidenschaftliche Liebe – eine Liebe, die die gesamte Person mit Haut und Haar ergreift.
1,9 in Erkenntnis. Dieses Wort stammt von dem gr. Begriff, der echte, vollständige oder fortschreitende Erkenntnis bezeichnet. Liebe im biblischen Sinn ist keine leere Sentimentalität, sondern ist tief in der Wahrheit des Wortes Gottes verankert und von ihr gesteuert (vgl. Eph 5,2.3; 1Pt 1,22). Urteilsvermögen. Das dt. Wort »ästhetisch« stammt von diesem gr. Wort ab. Es spricht von moralischer Wahrnehmung, Einsicht und der praktischen Anwendung von Erkenntnis. Liebe ist nicht blind, sondern aufmerksam und unterscheidet sorgfältig zwischen Recht und Unrecht. S. Anm. zu 1Th 5,21.22.
1,10 prüfen könnt, worauf es ankommt. »Prüfen« bezeichnet im klassischen Gr. die Echtheitsprüfung von Metallen oder von Geld (vgl. Lk 12,56; 14,19). »Worauf es ankommt« heißt wörtl. »das Vorzüglichere« und bedeutet hier »das Besondere«. Gläubige müssen unterscheiden können zwischen solchen Dingen, die wirklich wichtig sind, und den weniger wichtigen, damit sie die richtigen Prioritäten setzen können. lauter und ohne Anstoß. »Lauter« bedeutet »echt« und heißt wörtlich »vom Sonnenlicht geprüft«. In der Antike fl ickten betrügerische Töpfer Risse in ihren Waren mit Wachs, bevor sie die Gefäße glasierten und bemalten. So machten sie aus wertlosen Töpfen solche, die wertvollen äußerst ähnlich sahen. Derart betrogen zu werden, konnte man nur verhindern, wenn man das Gefäß vor dem Kauf ins Sonnenlicht hielt, denn dann wurden die mit Wachs gestopften Risse sichtbar. Händler markierten ihre besten Waren, die den »Sonnentest« bestanden, mit dem Siegel sine cera, d.h. »ohne Wachs«. »Ohne Anstoß« kann übersetzt werden mit »untadelig«, was sich auf zwischenmenschliche Geradlinigkeit bezieht. Christen sollen in wahrer Geradlinigkeit leben und mit ihrem Leben andere nicht zur Sünde verleiten (s. Anm. zu Röm 12,9; 1Kor 10,31.32; 2Kor 1,12; vgl. Röm 14; 1Kor 8). Tag des Christus. S. Anm. zu V. 6.
1,11 Früchten der Gerechtigkeit. Eine bessere Übersetzung wäre: »mit Früchten, die von Gerechtigkeit hervorgebracht werden«. (s. Anm. zu Röm 1,13; vgl. Spr 11,30; Am 6,12; Jak 3,17.18). durch Jesus Christus. S. Joh 15,1-5; Eph 2,10. Das spricht von der Umgestaltung der Erretteten, die bewirkt wird von unserem Herrn durch sein fortgesetztes mächtiges Wirken durch den Heiligen Geist in uns. zur Ehre und zum Lob Gottes. S. Joh 15,8; Eph 1,12-14; 3,20.21. Das letztendliche Ziel aller Gebete des Paulus war die Ehre Gottes.
1,12 was mit mir geschehen ist. Paulus’ schwierige Umstände, nämlich seine Romreise und seine dortige Haft (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; Apg 21-28). zur Förderung. Oder »zum Vorantreiben«; das Wort beschreibt eine Vorwärtsbewegung – häufi g von Armeen – trotz Hindernissen, Gefahren und Ablenkungen. Paulus’ Haft erwies sich als kein Hindernis zur Verbreitung der Botschaft der Errettung (vgl. Apg 28,30.31). In Wirklichkeit kam er dadurch nur zu neuen Gelegenheiten (s. Anm. zu 4,22).
1,13 in der ganzen kaiserlichen Kaseren. Das gr. Wort praetorion bedeutet »Palast« und kann entweder ein besonderes Gebäude bezeichnen (z.B. die Zentrale eines Befehlshabers oder den Kaiserpalast) oder die Männer der kaiserlichen Wache. Da Paulus sich in einem Privathaus in Rom aufhielt, bezeichnet »Prätorium« hier wahrscheinlich die Angehörigen der kaiserlichen Wache, die Paulus Tag und Nacht bewachten. Vgl. Apg 28,16. allen übrigen. Alle anderen in Rom, die ihn trafen und hörten (vgl. Apg 28,23.24.30.31). bekannt geworden ist, dass ich um des Christus willen gefesselt bin. Die Leute um ihn her erkannten, dass Paulus kein Krimineller, sondern deshalb gefangen war, weil er Christus und das Evangelium verkündete (vgl. Eph 6,20).
1,14 die meisten der Brüder. Mit Ausnahme der Verleumder aus V. 15.16, die Paulus angriffen. desto kühner … reden. Dass Paulus als Häftling ein solches Vorbild des vollmächtigen Zeugnisses für das Evangelium war, zeigt, wie treu Gott seinen verfolgten Kindern beisteht und dass ihre Verhaftung kein Hindernis ist für die Verbreitung des Evangeliums. Das ermutigte auch andere, freimütig zu sein und Inhaftierung nicht zu fürchten.
1,15 aus Neid und Streitsucht. Die Gesinnung von Paulus’ Verleumdern, die zwar tatsächlich das Evangelium verkündeten, aber neidisch waren wegen seiner apostolischen Vollmacht und Autorität, seines Erfolgs und seiner immensen Begabung. »Streitsucht« bedeutet eig.: Streit, Rivalität und Konfl ikt. Dazu kam es, als Paulus’ Kritiker anfi ngen, ihn in Misskredit zu bringen. aus guter Gesinnung. »Gute Gesinnung« spricht von Wohlwollen und Zufriedenheit. Das war die Haltung der Sympathisanten des Paulus gegenüber dem Apostel und seinem Dienst.
1,16 Selbstsucht. Das beschreibt diejenigen, die nur ihre eigenen Vorteile suchten oder die rücksichtslos bestrebt waren, um jeden Preis voranzukommen. Paulus’ Verleumder nutzten seine Haft als Gelegenheit, ihr eigenes Prestige zu fördern und beschuldigten Paulus, so sündig zu sein, dass der Herr ihn durch die Haft züchtigte. nicht lauter. S. Anm. zu V. 10. Paulus’ predigende Kritiker hatten keine lauteren Motive.
1,17 jene aber aus Liebe. Paulus’ Befürworter waren motiviert von echter Zuneigung zu ihm und trauten seinem guten Charakter (vgl. 1Kor 13,1.2). Verteidigung des Evangeliums. S. Anm. zu V. 7. bestimmt bin. Das gr. Wort bezeichnet einen Soldaten im Pfl ichtdienst. Paulus war im Gefängnis, weil Gottes Wille es so verordnet hatte und er sich deshalb dort gewissermaßen in einer strategischen Position für die Verkündigung des Evangeliums befand.
1,18 freue ich mich … weiterhin freuen. Paulus’ Freude war we- der an seine Umstände gebunden noch von seinen Kritikern abhängig (vgl. Ps 4,8.9; Röm 12,12; 2Kor 6,10). Er war froh, dass das Evangelium mit Vollmacht verkündet wurde, gleichgültig wer das Lob dafür erhielt. Er erlitt die ungerechten Anschuldigungen ohne Verbitterung gegen seine Ankläger. Vielmehr freute er sich, dass sie Christus verkündeten, wenn sie ihre Frömmigkeit auch nur vortäuschten.
1,19 zur Rettung. »Rettung« stammt von derselben gr. Wurzel wie »Errettung«. Dieses Wort kann aber auch übersetzt werden mit »Wohlergehen« oder »Entkommen«, was vier verschiedene Auslegungen ermöglicht: 1.) Es bezieht sich auf Paulus letztendliche geistliche Errettung; 2.) es spielt auf seine Rettung vor der drohenden Hinrichtung an; 3.) er sollte später durch die Entscheidung des Kaisers unschuldig erklärt werden; oder 4.) Paulus spricht von seiner schließlichen Entlassung aus der Haft. Was immer Paulus genau gemeint hat, war er jedenfalls sicher, dass er aus seiner gegenwärtigen Notlage befreit wird (Hi 13,16; vgl. Hi 19,26; Ps 22,5.6.9; 31,2; 33,18.19; 34,7; 41,2). Geistes Jesu Christi. Der Heilige Geist (Röm 8,9; Gal 4,6). Paulus vertraute zutiefst auf den Heiligen Geist (vgl. Sach 4,6; Joh 14,16; Röm 8,26; Eph 3,20).
1,20 festen Erwartung. Dieses gr. Wort bezeichnet eine brennen- de Zukunftserwartung, so als wenn jemand seinen Hals reckt, um zu sehen, was bevorsteht. Paulus vertraute absolut auf Christi Verheißung und wartete gespannt auf ihre Erfüllung (s. Mt 10,32). in nichts zuschanden. S. Jes 49,23; Röm 9,33; vgl. Ps 25,2.3; 40,16.17; 119,80; Jes 1,27-29; 45,14-17; Jer 12,13; Zeph 3,11.
1,21 für mich ist Christus das Leben. Für Paulus war Jesus Chris- tus die Quintessenz des Lebens; Christus war der Grund seiner Existenz. S. Anm. zu 3,12-14. das Sterben ein Gewinn. Wenn er gestorben wäre, wäre er von seinen irdischen Nöten befreit gewesen und hätte sich völlig auf die Ehre Gottes konzentrieren können (s. Anm. zu V. 23.24; vgl. Apg 21,13).
1,22 im Fleisch. Vgl. V. 24. Hier bezieht sich dieser Begriff nicht auf die gefallene Menschennatur (wie in Röm 7,5.18; 8,1), sondern einfach auf das natürliche Leben (wie in 2Kor 10,3; Gal 2,20). fruchtbarer. S. Anm. zu Röm 1,13. Paulus wusste, dass der einzige Grund, in dieser Welt zu bleiben, der ist, Seelen zu Christus zu bringen und Gläubige dafür zuzurüsten, dass sie dasselbe tun. S. Anm. zu 2Kor 4,15.
1,23 bedrängt. Das gr. Wort schildert einen Reisenden auf einem engen Pfad; Felswände auf beiden Seiten erlauben ihm nur, schnurstracks geradeaus zu gehen. aufzubrechen und bei Christus zu sein. Paulus wusste: Wenn er stirbt, würde er die völlige, bewusste, persönliche und ungehinderte Gemeinschaft mit seinem Herrn erleben (s. Anm. zu 2Kor 5,1.8; 2Tim 4,6-8). viel besser. Wörtl. »sehr viel besser«, der höchste Superlativ.
1,24 nötiger … um euretwillen. Paulus stellte seinen eigenen Wunsch, beim Herrn zu sein, zugunsten der Notwendigkeit zurück, die Gemeinde aufzuerbauen (s. 2,3.4). 1,25 überzeugt … bleiben. Paulus’ war überzeugt (er hatte keine übernatürliche Offenbarung), dass ihre Bedürftigkeit den Ausschlag für ihn gibt, noch länger auf der Erde zu bleiben. Förderung und Freude im Glauben. »Förderung« schildert Pioniere, die einer Armee den Weg bereiten (s. Anm. zu V. 12). Paulus wollte den Philippern einen neuen Weg zum Sieg bahnen; die Steigerung ihres Glaubens sollte zur Steigerung ihrer Freude führen.
1,26 zu rühmen habt in Christus Jesus meinetwillen. Paulus lebte Frucht bringend weiter und dadurch war ihre Freude und Zuversicht überströmend, weil Christus in ihm wirkte – und nicht, weil er etwas aus eigener Kraft tat.
1,27 würdig des Evangeliums. Gläubige sollen geradlinig sein, d.h. in Übereinstimmung mit dem leben, was sie glauben, lehren und verkündigen. Vgl. Eph 4,1; Kol 1,10; 1Th 2,11.12; 4,1; Tit 2,10; 2Pt 3,11.14. in einem Geist und einmütig. Damit führt Paulus das Thema der Einheit ein, das sich von hier bis 2,4 erstreckt. Sein Aufruf zu echter Einheit in Herz und Gesinnung basiert auf: 1.) der Notwendigkeit der Einheit, um den geistlichen Kampf des Glaubens zu gewinnen (V. 28-30); 2.) der Liebe zu anderen in der Gemeinschaft (2,1.2); 3.) echter Demut und Selbstaufopferung (2,3.4) und 4.) dem Vorbild Jesu Christi, der bewiesen hat, dass Opfer ewige Herrlichkeit nach sich ziehen (2,5-11). miteinander kämpft. Wörtl. »gemeinsam wettkämpfen«. Paulus wechselt die Metapher von der eines Soldaten auf seinem Posten (»stehet fest«) zum Bild einer Sportlermannschaft, die gegen einen gemeinsamen Gegner um den Sieg kämpft. Glauben des Evangeliums. Der christliche Glaube, wie er von Gott in der Heiligen Schrift offenbart ist (Jud 3; vgl. Röm 1,1; Gal 1,7).
1,28 ein Anzeichen des Verderbens. Wenn Gläubige bereitwillig leiden, ohne sich »einschüchtern« zu lassen, ist das ein Zeichen dafür, dass Gottes Feinde vernichtet und ewig verloren gehen werden (s. Anm. zu 2Th 1,4-8).
1,29 die Gnade verliehen … zu leiden. S. Anm. zu 3,10; 1Pt 2,20.21; vgl. Mt 5,10-12; Apg 5,41. Das gr. Verb für »Gnade verleihen« stammt vom gr. Wort für »Gnade«. Das Leiden der Gläubigen ist eine Gnadengabe, die stärkt (2Kor 7,9.10; 1Pt 5,10) und ewigen Lohn einbringt (1Pt 4,13).
1,30 denselben Kampf. Dieselbe Art von Leiden, wie Paulus sie erlitten hat (V. 12-14; Apg 16,22-24). an mir gesehen. Das bezieht sich darauf, dass die Philipper miterlebt hatten, wie Paulus und Silas in Philippi eingekerkert wurden (Apg 16,19-40).
2,1 Ermahnung in Christus. »Ermahnung« kann auch übersetzt werden mit »Ermunterung« oder »Trost« und stammt von einem gr. Wort, das so viel bedeutet wie »zur Seite kommen und helfen, beraten, ermahnen« (s. Anm. zu Joh 14,26; Röm 12,1), was unser geliebter Herr für die Seinen tut. Zuspruch der Liebe. Das gr. Wort für »Zuspruch« schildert den Herrn, wie er ganz nahe an den Gläubigen herantritt und ihm einen leisen Jubelruf oder einen sanften Rat ins Ohr fl üstert. Gemeinschaft des Geistes. »Gemeinschaft« bezieht sich auf die Verbindung des gemeinsamen ewigen Lebens, die der innewohnende Heilige Geist unter den Gläubigen knüpft (1Kor 3,16; 12,13; 2Kor 13,14; 1Joh 1,4-6). Herzlichkeit und Erbarmen. Gott hat seine tiefe Zuneigung (s. Anm. zu 1,8) und sein Erbarmen jedem Gläubigen erwiesen (vgl. Röm 12,1; 2Kor 1,3; Kol 3,12) und diese Tatsache sollte zur Einheit führen.
2,2 macht meine Freude völlig. Oder »erfüllt meine Freude«. Pau- lus’ Freude war abhängig von der Sorge um die Einheit der Gläubigen (vgl. Hebr 13,17). eines Sinnes. Vgl. 3,15.16; 4,2; 1Pt 3,8. Das gr. Wort bedeutet »dasselbe denken«. Diese Ermahnung steht nicht zur Wahl und ist nicht unverständlich, sondern wird im ganzen NT etliche Male wiederholt (vgl. Röm 15,5; 1Kor 1,10; 2Kor 13,11-13). gleiche Liebe. Die Gläubigen sollen die anderen Gläubigen im Leib Christi alle gleich lieben. Und das nicht deshalb, weil sie alle gleich liebenswürdig sind, sondern indem man allen denselben aufopferungsvollen, liebevollen Dienst erweist, den ihnen auch Christus erwiesen hat (Joh 15,13; Röm 12,10; 1Joh 3,17; vgl. Joh 3,16). einmütig. Das kann auch übersetzt werden mit »vereint im Geist«. Dieser Begriff wurde vielleicht insbesondere durch Paulus geprägt. Wörtl. bedeutet er »zusammen-geseelt« und beschreibt Menschen, die in Harmonie miteinander verbunden sind und dieselben Wünsche, Leidenschaften und Ziele haben. auf das Eine bedacht. »Einer Gesinnung« oder »eine gemeinsame Absicht verfolgend« sind alternative Übersetzungen. 2,3 Selbstsucht. Dies gr. Wort wird manchmal mit »Streit(-sucht)« übersetzt, weil es Parteigeist, Rivalität und Vetternwirtschaft beschreibt (s. Anm. zu Gal 5,20). Es spricht vom Stolz, der veranlasst, eigene Wege durchzusetzen. nichtigem Ehrgeiz. Wörtl. »leere Ehre«, wird oft übersetzt mit »eitler Einbildung«. Dieser Begriff beschreibt das Streben nach eigener Ehre und damit die Motivation für selbstsüchtigen Ehrgeiz. Demut. Wörtl. »Niedrigkeits-Gesinnung«. Ein gr. Wort, das offenbar von Paulus und anderen Schreibern des NTs geprägt wurde. Weltlich verstanden war es ein spöttischer Ausdruck mit dem Grundgedanken der Minderwertigkeit, Armseligkeit und Beschränktheit (vgl. 1Kor 15,9; 1Tim 1,15). achte einer den anderen höher als sich selbst. Die ganz einfache Defi nition wahrer Demut (vgl. Röm 12,10; Gal 5,13; Eph 5,21; 1Pt 5,5). 2,5 Christus ist das höchste Beispiel für selbstlose Demut (vgl. Mt 11,29; Joh 13,12-17).
2,6 Das ist der klassische christologische Abschnitt des NTs über die Fleischwerdung. In der Urgemeinde wurde er wahrscheinlich als geistliches Lied gesungen (s. Anm. zu Kol 3,16). 2,6 in der Gestalt Gottes war. Paulus bekräftig, dass Jesus von Ewigkeit her Gott war. Er verwendet hier nicht das übliche gr. Wort für »sein«. Stattdessen wählte Paulus einen anderen Begriff, der das innere Wesen einer Person und ihren dauerhaften Zustand betont. Paulus konnte auch zwischen zwei gr. Wörtern für »Gestalt« wählen, aber er entschied sich für das Wort, das insbesondere den inneren, unveränderlichen Charakter einer Sache oder Person beschreibt, d.h. das, was sie in sich selbst ist. Diese entscheidenden Eigenschaften haben stets zur grundlegenden Lehre der Gottheit Christi gehört (vgl. Joh 1,1.3.4.14; 8,58; Kol 1,15-17; Hebr 1,3). nicht wie einen Raub. Das gr. Wort wird hier mit »Raub« übersetzt, weil es ursprünglich so viel bedeutete wie »ein durch Raub angeeigneter Gegenstand«. Später bezeichnete es alles, was festgehalten, umschlungen oder wertgeschätzt wurde und wird daher manchmal übersetzt mit »ergriffen« oder »festgehalten«. Obwohl Christus alle Rechte, Privilegien und Ehren Gottes hatte – derer er würdig war und die ihm niemals abgesprochen werden könnten –, war es seine Gesinnung, nicht an diesen göttlichen Vorrechten oder seiner Stellung zu hängen. Vielmehr war er bereit, sie für eine Zeit lang aufzugeben. S. Anm. zu Joh 17,1-5. Gott gleich. Das gr. Wort für »gleich« beschreibt Dinge, die exakt gleich sind in ihrer Größe, Menge, Qualität, Anzahl und Charaktereigenschaft. Jesus ist in jedem Sinn Gott gleich und sagte das während seines Wirkens auf der Erde stets von sich selbst (vgl. Joh 5,18; 10,33.38; 14,9; 20,28; Hebr 1,1-3).
2,7 entäußerte sich selbst. Wörtl. »entleerte sich selbst«. Von diesem gr. Wort stammt der theologische Begriff »Kenosis«, d.h. die Lehre von Jesu Selbst-Entleerung in seiner Fleischwerdung. Damit trennte er sich weder von seiner Gottheit noch tauschte er seine Gottheit gegen eine Menschennatur aus, sondern dieser Begriff beschreibt seine Selbstentsagung (s. Anm. zu V. 6). Jesus legte jedoch in bestimmten Bereichen seine Privilegien ab bzw. verzichtete darauf: 1.) Seine himmlische Herrlichkeit – solange er auf der Erde war, verzichtete er auf die Herrlichkeit einer Beziehung von Angesicht zu Angesicht mit Gott und auf die beständige äußere Darstellung und den persönlichen Genuss dieser Herrlichkeit (vgl. Joh 17,5); 2.) unabhängige Autorität – während seiner Fleischwerdung unterwarf Christus sich völlig dem Willen seines Vaters (s. Anm. zu V. 8; vgl. Mt 26,39; Joh 5,30; Hebr 5,8); 3.) göttliche Vorrechte – er legte die freiwillige Darstellung seiner göttlichen Eigenschaften ab und unterwarf sich der Führung des Heiligen Geistes (vgl. Mt 24,36; Joh 1,45-49); 4.) ewige Reichtümer – auf der Erde war Christus arm und besaß nur sehr wenig (vgl. 2Kor 8,9) und 5.) eine wohlwollende Beziehung Gottes zu ihm – am Kreuz bekam er den Zorn Gottes wegen der Sünde der Menschen zu spüren (vgl. Mt 27,46; s. Anm. zu 2Kor 5,21). Gestalt eines Knechtes. Wiederum benutzt Paulus das gr. Wort »Gestalt«, das das eigentliche Wesen bezeichnet (s. Anm. zu V. 6). Als wahrer Knecht (s. Anm. zu 1,1) tat Jesus unterwürfi g den Willen seines Vaters (vgl. Jes 52,13.14). wie die Menschen. Christus wurde mehr als »nur« Gott in einem menschlichen Körper, sondern er nahm die wesensmäßig menschlichen Eigenschaften an (Lk 2,52; Gal 4,4; Kol 1,22), und das sogar so weit, dass er sich mit den Grundbedürfnissen und Schwachheiten der Menschen identifi zierte (vgl. Hebr 2,14.17; 4,15). Er wurde der Gott-Mensch: völlig Gott und völlig Mensch.
2,8 in seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch. Das ist nicht nur eine Wiederholung der letzten Aussage von V. 7, sondern ein Wechsel von der himmlischen Perspektive zur irdischen. Paulus erklärt, dass Christus äußerlich zwar wie ein Mensch aussah, aber viel mehr war als das, wofür viele Menschen ihn natürlicherweise erachteten – nämlich Gott (vgl. Joh 6,42; 8,48). erniedrigte er sich selbst. Nach der Demütigung der Fleischwerdung demütigte Jesus sich noch weiter, indem er nicht auf seine Rechte als Mensch bestand, sondern sich der Verfolgung und den Leiden durch die Hände von Ungläubigen unterwarf (vgl. Jes 53,7; Mt 26,62-64; Mk 14,60.61; 1Pt 2,23). gehorsam bis zum Tod. Jesus ging in seiner Demütigung noch über die Verfolgung hinaus bis aufs Unterste bzw. Äußerste und starb als Verbrecher, womit er Gottes Plan für ihn befolgte (vgl. Mt 26,39; Apg 2,23). am Kreuz. S. Anm. zu Mt 27,29-50. Seine Demütigung ging noch weiter, weil Jesus nicht durch gewöhnliche Methoden hingerichtet wurde, sondern durch Kreuzigung und damit mit der grausamsten, schlimmsten und erniedrigendsten Todesform, die sich der Mensch je ausgedacht hat. Die Juden hassten diese Hinrichtungsmethode (5Mo 21,23; s. Anm. zu Gal 3,13). 2,9 Darum hat ihn Gott. Christi Erniedrigung (V. 5-8) und Erhöhung durch Gott (V. 9-11) sind ursächlich und untrennbar miteinander verbunden. über alle Maßen erhöht. Christus wurde in vierfacher Hinsicht erhöht. Die ersten Predigten der Apostel bekräftigen seine Auferstehung und Krönung (seine Stellung zur Rechten Gottes) und deuten seine Fürsprache für die Gläubigen an (Apg 2,32.33; 5,30.31; vgl. Eph 1,20.21; Hebr 4,15; 7,25.26). Hebr 4,14 spricht von der letzten Stufe seines Hinaufsteigens in den Himmel; denn die Erhöhung betrifft nicht Christi Wesen oder seine ewige Stellung in der Dreieinigkeit, sondern seine neue Identität als Gott-Mensch (vgl. Joh 5,22; Röm 1,4; 14,9; 1Kor 15,24.25). Über die Wiedererlangung seiner Herrlichkeit hinaus (Joh 17,5) bedeutet Christi neuer Status als Gott-Mensch, dass Gott ihm Vorrechte gab, die er vor der Fleischwerdung nicht hatte. Wenn er nicht unter den Menschen gelebt hätte, dann könnte er sich nicht mit ihnen als fürsprechender Hoherpriester identifi zieren. Wäre er nicht am Kreuz gestorben, hätte er nicht als Stellvertreter für Sünder vom tiefsten Punkt zurück in den Himmel erhöht werden können. Namen … über allen Namen. Christi neuer Name ist »Herr«, was sein inneres Wesen am umfassendsten beschreibt und ihn über und jenseits aller Vergleiche stellt. Im NT ist dieser Name das Synonym für die Beschreibung Gottes im AT als souveräner Herrscher. Die Bibel bekräftigt, dass dies Jesu rechtmäßiger Titel als Gott-Mensch ist, und zwar sowohl für die Zeit vor der Erhöhung (Jes 45,21-23; Mk 15,2; Lk 2,11; Joh 13,13; 18,37; 20,28) als auch danach (Apg 2,36; 10,36; Röm 14,9-11; 1Kor 8,6; 15,57; Offb 17,14; 19,16).
2,10 in dem Namen Jesu. Den Namen »Jesus« erhielt er bei seiner Geburt (Mt 1,21); es ist nicht sein neuer Name. Der Name, den Jesus im vollsten Sinn nach seiner Erhöhung bekam, ist »Herr« (s. Anm. zu V. 11). 2,10 beugen … bekennen. Das gesamte denkende Universum ist aufgerufen, Jesus Christus als Herrn anzubeten (vgl. Ps 2). Dieser Aufruf gilt den Engeln im Himmel (Offb 4,2-9), den Geistern der Erlösten (Offb 4,10.11), den gehorsamen Gläubigen auf der Erde (Röm 10,9), den ungehorsamen Rebellen auf der Erde (2Th 1,7-9) und den Dämonen und verlorenen Menschen in der Hölle (1Pt 3,18-22). Das gr. Wort für »bekennen« bedeutet »anerkennen«, »bestätigen« oder »zustimmen«. Das wird letztlich die Reaktion aller auf die Herrschaft Christi sein, ob freiwillig unter Segen oder unfreiwillig unter schmerzlicher Strafe.
2,11 Herr. S. Anm. zu V. 9. »Herr« bezieht sich in erster Linie auf das Recht zu herrschen und bedeutet im NT Herrschaft oder Eigentumsrecht über Menschen und Güter. Angewendet auf Jesus beinhaltet »Herr« sicherlich seine Gottheit, bedeutet jedoch hauptsächlich seine souveräne Autorität. Ehre Gottes, des Vaters. Der Zweck von Christi Erhöhung (vgl. Mt 17,5; Joh 5,23; 13,31.32; 1Kor 15,28).
2,12 gehorsam gewesen. Ihre gläubige und ergebene Reaktion auf die göttlichen Befehle, die Paulus sie gelehrt hatte (vgl. Röm 1,5; 15,18; 2Kor 10,5.6). verwirklicht eure Rettung. Das gr. Verb wird an dieser Stelle häufi g mit »bewirkt« übersetzt, bedeutet aber »kontinuierlich arbeiten, um etwas zur Erfüllung oder Vollendung zu bringen«. Es kann nicht Errettung durch Werke bedeuten (vgl. Röm 3,21-24; Eph 2,8.9), sondern besagt, dass der Gläubige verantwortlich ist, bei seiner fortschreitenden Heiligung aktiv nach Gehorsam zu streben (s. Anm. zu 3,13.14; Röm 6,19; vgl. 1Kor 9,24-27; 15,58; 2Kor 7,1; Gal 6,7-9; Eph 4,1; Kol 3,1-17; Hebr 6,10.11; 12,1.2; 2Pt 1,5-11). Furcht und Zittern. Die Gesinnung, mit der Christen nach Heiligung streben sollen. Dazu gehört eine gesunde Furcht davor, Gott zu beleidigen, sowie eine angemessene Ehrfurcht und Hochachtung für Gott (vgl. Spr 1,7; 9,10; Jes 66,1.2).
2,13 Gott ist es, der in euch … wirkt. Wenngleich der Gläubige verantwortlich ist, sich zu bemühen (V. 12), ist es letztendlich der Herr, der gute Werke und geistliche Frucht im Leben des Gläubigen hervorkommen lässt (Joh 15,5; 1Kor 12,6). Er erreicht und bewirkt das durch seinen in uns wohnenden Heiligen Geist (Apg 1,8: 1Kor 3,16.17; 6,19.20; vgl. Gal 3,3). das Wollen als auch das Vollbringen. Gott bewirkt sowohl die Wünsche als auch die Taten des Gläubigen. Das gr. Wort für »wollen« weist darauf hin, dass Gott nicht bloße Wünsche oder unstete Gefühle sehen möchte, sondern die überzeugte Absicht, ein vorgesehenes Ziel zu erreichen. Gottes Kraft macht seine Gemeinde willens, ein gottesfürchtiges Leben zu führen (vgl. Ps 110,3). Wohlgefallen. Gott erwartet, dass Christen das tun, was ihm gefällt. Vgl. Eph 1,5.9; 2Th 1,11.
2,14 ohne Murren und Bedenken. Das gr. Wort für »Murren« ist ein Begriff, der tatsächlich so klingt, wie er gemeint ist. Seine Aussprache hört sich an wie Murren oder Nörgeln mit einer tiefen Stimme. Das ist eine emotionale Ablehnung der göttlichen Vorsehung, seines Willens und der eigenen Lebensumstände. Das Wort für »Bedenken« bezieht sich eher auf den Verstand und bedeutet hier ein »Hinterfragen« oder »Kritisieren« Gottes im negativen Sinn.
2,15 damit ihr … seid. Das leitet die Gründe ein, warum Gläubige mit der richtigen Gesinnung nach Gottseligkeit streben sollten. »Seid« wird besser mit »werdet« übersetzt und beschreibt einen Prozess: Die Gläubigen sollen zu etwas hin wachsen, das sie als Kinder Gottes noch nicht vollständig besitzen (vgl. Eph 5,1; Tit 2,1). unsträfl ich und lauter. »Unsträfl ich” beschreibt ein Leben, das nicht wegen Sünde oder Bösem kritisiert werden kann. »Lauter« kann auch mit »unschuldig« übersetzt werden und beschreibt ein Leben, das rein, ungetrübt und unverfälscht von Sünde ist, ähnlich wie Edelmetall ohne jede Verunreinigung (vgl. Mt 10,16; Röm 16,19; 2Kor 11,3; Eph 5,27). untadelige. Das kann auch mit »fehlerlos« übersetzt werden. Im gr. AT beschreibt dieses Wort mehrmals die Opfer, die Gott dargebracht werden; sie waren fl ecken- und fehlerlos. (vgl. 4Mo 6,14; 19,2; 2Pt 3,14). verdrehten und verkehrten Geschlechts. S. 5Mo 32,5. Vom gr. Wort für »verdreht« stammt der medizinische Ausdruck »Skoliose« ab (eine Verkrümmung der Wirbelsäule). Es beschreibt etwas, das von der Norm abweicht. Das gilt für alle, die Gottes Maßstab verbiegen (vgl. Spr 2,15; Jes 53,6). »Verkehrt« bekräftigt diese Bedeutung und beschreibt jemanden, der absolut vom Weg abgekommen und auf einem schweren Irrweg ist (vgl. Lk 9,41). Paulus wendet diesen Zustand auf das sündige Weltsystem an. leuchtet als Lichter. Eine bildhafte Beschreibung des geistlichen Charakters. »Leuchtet« kann besser übersetzt werden mit »ihr müsst leuchten«, was bedeutet, dass Gläubige ihren Charakter inmitten einer fi nsteren Kultur zeigen müssen, genau wie Sonne, Mond und Sterne in einem ansonsten dunklen Weltall scheinen (s. Anm. zu Mt 5,14; 2Kor 4,6; Eph 5,8).
2,16 das Wort des Lebens. Das Evangelium, das, wenn man daran glaubt, geistliches und ewiges Leben hervorbringt (vgl. Eph 2,1). darbietet. Dieses Verb bedeutet, dass die Gläubigen anderen etwas zum Nehmen hinhalten oder anbieten. mir zum Ruhm. S. Anm. zu V. 2; 4,1; 1Th
2,19 am Tag des Christus. S. Anm. zu 1,6. nicht vergeblich ge- laufen … gearbeitet. S. Anm. zu Gal 2,2. Wenn Paulus auf seinen Dienst zurückblickte, wollte er gern sehen, dass sich alle seine Mühen gelohnt haben (vgl. 1Kor 9,27; 1Th 5,12; 2Tim 4,7; Hebr 13,17; 3Joh 4).
2,17 wie ein Trankopfer ausgegossen. Von einem einzelnen gr. Wort, das so viel bedeutet wie »als Trankopfer geopfert werden«. Manche bringen das mit Paulus’ bevorstehendem Märtyrertod in Verbindung, doch das Verb steht im Präsens, was bedeutet, dass er von seinem aufopferungsvollen Dienst unter den Philippern spricht. Das »Trankopfer« war eine Zugabe zu einem antiken Tieropfer. Der Opfernde schüttete Wein entweder vor dem brennenden Tier oder auf das Tier, sodass der Wein verdunstete. Dieser Rauch symbolisierte, dass das Opfer zur Gottheit aufstieg, der das Opfer galt (vgl. 2Mo 29,38-41; 2Kö 16,13; Jer 7,18; Hos 9,4). Paulus betrachtete sein ganzes Leben als ein Trankopfer, das hier als Zugabe auf den aufopferungsvollen Dienst der Philipper gegossen wurde. Dienst eures Glaubens. Das gr. Wort für »Dienst« stammt von dem Begriff für Priesterdienst (vgl. Röm 12,1; 1Kor 9,12) und wurde in diesem Sinn im gr. AT verwendet. Paulus betrachtet die Philipper als Priester, die ihr Leben im treuen und aufopferungsvollen Dienst für Gott opfern (vgl. 1Pt 2,9). 2,17 bin ich doch froh … gleicherweise sollt auch ihr froh sein. Jeder aufopferungsvolle Dienst als Christ sollte mit der Gesinnung gegenseitiger Freude einhergehen (s. Anm. zu 1,4.18.26; vgl. 2Kor 7,4; Kol 1,24; 1Th 3,9).
2,19 am Tag des Christus. S. Anm. zu 1,6. nicht vergeblich ge- laufen … gearbeitet. S. Anm. zu Gal 2,2. Wenn Paulus auf seinen Dienst zurückblickte, wollte er gern sehen, dass sich alle seine Mühen gelohnt haben (vgl. 1Kor 9,27; 1Th 5,12; 2Tim 4,7; Hebr 13,17; 3Joh 4). 2,19 Paulus informiert die Philipper über sein Vorhaben, Timo- theus als Musterbeispiel für einen geistlichen Diener nach Philippi zu schicken. 2,19 Timotheus. S. Anm. zu 1,1.
2,20 ich habe sonst niemand von gleicher Gesinnung. S. Anm. zu V. 2. Wörtl. »niemanden, mit dem ich zusammen-geseelt bin«. Timotheus war mit Paulus in seinen Gedanken, Gefühlen, in seiner Gesinnung und seiner Liebe zur Gemeinde vereint. Er war ein einzigartiger Nachfolger des Paulus (s. Anm. zu 1Kor 4,17; vgl. 1Tim 1,2; 2Tim 1,2). Paulus hatte niemand anderen wie Timotheus, weil leider »alle« für ihre eigenen Ziele lebten anstatt für die Ziele Christi. S. Anm. zu 2Tim 1,15.
2,23 Paulus wurde schließlich aus dem Gefängnis entlassen (vgl. Apg 28,30); danach hat er womöglich die Gemeinde in Philippi besucht.
2,24 im Herrn. Paulus wusste, dass seine Pläne der Souveränität Gottes unterworfen sind (vgl. Jak 4,13-17).
2,25 Dieser Abschnitt bietet ein überzeugendes Beispiel für Liebe und Einheit unter Gläubigen. Alle Parteien sind offensichtlich selbstlos einander zugeneigt. 2,25 Epaphroditus. Paulus wollte gern Timotheus senden (V. 23) und selber nach Philippi kommen (V. 24), hielt es jedoch für notwendig, diesen Gläubigen, einen geborenen Philipper, zu senden, von dem außerhalb dieser Verse wenig bekannt ist. Sein Name war im Gr. verbreitet und stammt von einem vertrauten Wort, das ursprünglich »Günstling der Aphrodite« (der gr. Liebesgöttin) bedeutete. Später bedeutete dieser Name einfach »lieblich« oder »liebevoll«. Er war mit Gaben zu Paulus gesandt worden (4,18) und sollte bei ihm bleiben und ihm dienen, so gut er konnte (V. 30). Gesandter. Wörtl. »Apostel«. Er war kein Apostel Christi (s. Anm. zu Röm 1,1), sondern ein Apostel (»Gesandter«) im weiteren Sinn (s. Anm. zu Röm 1,5), nämlich der Gemeinde in Philippi und ausgesandt zu Paulus, um ihm die fi nanzielle Liebesgabe zu überbringen (s. Anm. zu 1,7; vgl. 2Kor 8,23). Dass Paulus ihn mit diesem Brief nach Philippi zurück schickte, bedurfte einer Erklärung, damit die Philipper nicht meinten, Epaphroditus sei Paulus nicht nützlich gewesen.
2,26 bekümmert. Der gr. Begriff beschreibt den verwirrten, chaoti- schen, heftigen Zustand der Ruhelosigkeit nach einer Zeit von Belastung, Aufruhr und Schmerz. Epaphroditus machte sich mehr Gedanken darum, dass die Philipper sich Sorgen um ihn machten, als um seine eigene schwierige Situation.
2,27 todkrank. Möglicherweise zur Zeit seiner Ankunft in Rom wur- de er schwer krank, war aber jetzt so weit genesen, dass er heimkehren konnte um in der Gemeinde zu dienen, die ihn nötiger hatte als Paulus.
2,28 Betrübnis. Oder »Besorgnis«. Paulus war um alle Menschen in den Gemeinden sehr besorgt (vgl. 2Kor 11,2) und hier macht er sich Sorgen, weil die Philipper wegen Epaphroditus so beunruhigt waren (s. Anm. zu 1,8).
2,29 haltet solche in Ehren. Männer wie er sind es wert, geehrt zu werden. S. Anm. zu 1Th 5,12.13.
2,30 dem Tod nahe gekommen. Das bezieht sich auf dieselbe Krankheit, die in V. 26.27 erwähnt wurde.
3,1 Im übrigen. Paulus war nun zu einem Übergang gelangt, al- lerdings noch nicht zu einer Schlussfolgerung, denn es verbleiben noch 44 Verse. Vgl. 4,8. freut euch in dem Herrn! Vgl. 4,1. Das vertraute Thema des ganzen Briefes (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen), das wir bereits in Kap. 1 und 2 gehört haben. Hier fügt Paulus jedoch zum ersten Mal »im Herrn« hinzu und nennt damit den Bereich, in welchem die Freude des Gläubigen besteht. Dieser Bereich ist unabhängig von den Lebensumständen, aber abhängig von einer unangreifbaren, unabänderlichen Beziehung zum höchsten Herrn. dasselbe. Paulus hatte die Philipper bereits zuvor in den Dingen unterwiesen, die er in den folgenden Versen lehren würde, nämlich in Bezug auf ihre Gegner (vgl. 1,27-30). euch aber macht es gewiss. Oder »für euch ist es eine Sicherheit«, nämlich eine Sicherheitsmaßnahme, um die Philipper davor zu schützen, den Irrlehrern zum Opfer zu fallen.
3,2 Hunde. Im 1. Jhdt. streunten die Hunde durch die Straßen und waren hauptsächlich wilde Aasfresser. Da Hunde so schmutzig waren, bezeichneten die Juden die Heiden gern als »Hunde«. Doch hier bezeichnet Paulus die Juden, insbesondere die Judaisten, als Hunde und beschreibt damit ihren sündigen, bösartigen und unbeherrschten Charakter. Für weitere Einzelheiten über die Judaisten, die lehrten, die Beschneidung sei heilsnotwendig, s. Einleitung zum Galaterbrief: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Apg 15,1-5; Gal 2,3. bösen Arbeiter. Die Judaisten rühmten sich, Mitarbeiter der Gerechtigkeit zu sein. Doch Paulus beschreibt ihre Werke als böse, da jeder Versuch, Gott durch eigene Bemühungen zu gefallen und die Aufmerksamkeit von Christi vollbrachter Erlösung wegzulenken, die übelste Art von Bosheit ist. Zerschneidung. Im Gegensatz zum gr. Wort für »Beschneidung«, das wörtl. »rundherum schneiden« heißt, bedeutet dieser Begriff »abschneiden«. Wie die Propheten des Baal (1Kö 18,28) und andere Heiden bei ihren wahnwitzigen Ritualen ihre Körper verstümmelten – was das AT verbietet (3Mo 19,28; 21,5; 5Mo 14,1; Jes 15,2; Hos 7,14) –, so war die Beschneidung der Judaisten ironisch betrachtet kein geistliches Symbol, sondern lediglich eine körperliche Verstümmelung (s. Anm. zu Gal 5,12).
3,3 wir sind die Beschneidung. Die wahren Gläubigen besitzen nicht nur ein Symbol dafür, dass sie ein reines Herz brauchen (s. Anm. zu 1Mo 17,10), sondern Gott hat sie tatsächlich von ihrer Sünde gereinigt (s. Anm. zu Röm 2,25-29). Gott im Geist dienen. Das erste Merkmal, mit dem Paulus einen wahren Gläubigen defi niert. Das gr. Wort für »dienen« bezieht sich auf geistlichen Dienst oder Anbetung. »Geist« ist nicht der Heilige Geist, sondern die innere Person des Gläubigen. S. Anm. zu Joh 4,23.24. in Christus Jesus rühmen. Das gr. Wort für »rühmen« bedeutet »mit triumphierender Freude prahlen«. Der wahre Christ gibt alle Ehre für alles, was er ist, an Christus weiter (vgl. Röm 15,17; 1Kor 1,31; 2Kor 10,17; s. Anm. zu V. 1). nicht auf Fleisch vertrauen. Mit »Fleisch« bezieht Paulus sich auf die unerlöste Menschennatur und deren eigene Fähigkeiten und Errungenschaften in Unabhängigkeit von Gott (s. Anm. zu Röm 7,5). Die Juden vertrauten auf ihre Beschneidung, ihre Abstammung von Abraham und darauf, dass sie die äußerlichen Zeremonien und Pfl ichten des mosaischen Gesetzes ausübten, obwohl dies alles sie nicht retten konnte (s. Anm. zu Röm 3,20; Gal 5,1-12). Der wahre Gläubige sieht sein Fleisch als sündig an und weiß, dass es in keiner Weise Errettung verdienen oder Gott gefallen kann.
3,4 Als Entgegnung auf die Behauptung der Judaisten, zur Erret- tung seien bestimmte jüdische Zeremonien und Rituale notwendig, beschreibt Paulus nun seine eigenen stolzen Leistungen als Jude. Er hatte diesbezüglich mehr vorzuweisen als seine Gegner, doch für die Errettung hatte das alles keinen Wert.
3,5 am achten Tag. Paulus war am vorgeschriebenen Tag beschnit- ten worden (1Mo 17,12; 21,4; 3Mo 12,3). aus dem Geschlecht Israel. Alle wahren Juden stammten direkt von Abraham, Isaak und Jakob (Israel) ab. Paulus konnte ein reines jüdisches Erbe vorweisen. vom Stamm Benjamin. Benjamin war der zweite Sohn Rahels (1Mo 35,18) und einer der Elitestämme Israels. Dieser Stamm bildete zusammen mit Juda das Südreich und blieb der davidischen Dynastie treu (1Kö 12,21). Hebräer von Hebräern. Paulus wurde als Kind hebräischer Eltern geboren und bewahrte die hebräische Tradition und Sprache auch dann noch, als er in einer heidnischen Stadt lebte (vgl. Apg 21,40; 26,4.5). ein Pharisäer. Die gesetzlichen judaistischen Fundamentalisten, die eifrigst das AT direkt auf das Leben anwendeten und so ein komplexes System aus Überlieferungen und Werkgerechtigkeit aufstellten (s. Anm. zu Mt 3,7). Paulus entstammte womöglich einer Pharisäerfamilie (vgl. Apg 22,3; 23,6; 26,5).
3,6 im Hinblick auf den Eifer ein Verfolger der Gemeinde. Für den Juden war »Eifer« die höchste religiöse Tugend. Eifer ist eine Kombination von Liebe und Hass; weil Paulus das Judentum liebte, hasste er jegliche potentielle Bedrohung dieser Religion (s. Anm. zu Apg 8,3 und 9,1). die Gerechtigkeit im Gesetz. Der Maßstab eines gerechten Lebens, wie es das Gesetz Gottes fordert. Paulus hielt diesen Maßstab äußerlich ein und niemand konnte ihm einen Verstoß dagegen vorwerfen. Doch offenbar war sein Herz sündig und selbstgerecht. Er war kein Gläubiger im Sinn des ATs, sondern ein stolzer und verlorener Gesetzesdiener.
3,7 was mir Gewinn war … für Schaden geachtet. Das gr. Wort für »Gewinn« ist ein kaufmännischer Begriff, der »Profi t« bedeutet. Das gr. Wort für »Schaden« entstammt ebenfalls der Kaufmannssprache und bezeichnet einen geschäftlichen Verlust. Mit dieser Geschäftssprache beschrieb Paulus die geistliche Transaktion, die bei seiner Errettung stattgefunden hatte. Alle seine jüdisch-religiösen Errungenschaften, von denen er gemeint hatte, sie würden sein geistliches Konto weit ins Plus bringen, waren in Wirklichkeit wertlos und verdammten ihn sogar (vgl. Lk 18,914). Deshalb verbuchte er sie als Verluste, als er die Herrlichkeiten Christi erkannte (vgl. Mt 13,44.45; 16,25.26).
3,8 Paulus beschreibt die Segnungen, die ihm geistlichen Gewinn einbrachten, als er zu Christus fand. 3,8 Erkenntnis Christi Jesu. Christus zu »erkennen« bedeutet mehr als nur theoretisches Wissen über ihn; Paulus verwendete hier ein gr. Verb, das so viel bedeutet wie »aus Erfahrung kennen« oder »persönlich kennen« (vgl. Joh 10,27; 17,3; 2Kor 4,6; 1Joh 5,20). Es ist gleichbedeutend mit »Gemeinschaft mit Christus« (s. Anm. zu Gal 2,20). Außerdem entspricht es einem hebr. Wort, mit dem beschrieben wird, dass Gott sein Volk »kennt« (Am 3,2) und dass es ihn in Liebe und Gehorsam »kennt« (Jer 31,34; Hos 6,3; 8,2). Dreck. Das gr. Wort bezeichnet Müll oder Abfall und kann auch übersetzt werden mit »Dung« oder »Mist«. 3,9 in ihm erfunden. Paulus war »in Christus« (s. Anm. zu 1,1). Seine Verbindung zu Christus war nur möglich, weil Gott ihm Christi Gerechtigkeit zugeschrieben hatte, sodass Gott diese Gerechtigkeit als Paulus’ eigene ansah (s. Anm. zu Röm 1,17; 3,24). nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz kommt. Das wäre die stolze Selbstgerechtigkeit äußerer Moral, religiöser Rituale und Zeremonien und guter Werke, und damit die Gerechtigkeit, die das Fleisch hervorbringt und die nicht von Sünde retten kann (Röm 3,19.20; Gal 3,6-25). Glauben an Christus. Glauben ist das zuversichtliche, fortwährende Bekennen völliger Abhängigkeit von Christus und Vertrauen auf ihn, der alle notwendigen Bedingungen erfüllen wird, um ins Reich Gottes zu gelangen (s. Anm. zu Röm 1,16). Und diese Bedingung ist die Gerechtigkeit Christi, die Gott jedem Gläubigen zurechnet (s. Anm. zu Röm 3,24).
3,10 um Ihn zu erkennen. S. Anm. zu V. 8. Paulus betont hier das Erlangen einer tieferen Erkenntnis von Christus und die Vertrautheit mit ihm. die Kraft seiner Auferstehung. Christi Auferstehung demonstrierte äußerst anschaulich das Ausmaß seiner Macht. Mit seiner Auferstehung von den Toten zeigte Christus seine Macht sowohl über die natürliche als auch die geistliche Welt. Gemeinschaft seiner Leiden. Das bezeichnet eine Partnerschaft – eine tiefe Gemeinschaft des Leidens, an der jeder Gläubige mit Christus teilhat. Christus kann leidende Christen trösten, weil er bereits dasselbe Leid (und darüber hinaus noch unendlich viel mehr) erfahren hat (Hebr 2,18; 4,15; 12,2-4; vgl. 2Kor 5,21; 1Pt 2,21-24). seinem Tod gleichförmig werde. So wie Christus starb, um Sünder zu erlösen, so verfolgte auch Paulus dasselbe Ziel in einem geringeren Sinn; er lebte und war bereit zu sterben, damit Sünder mit dem Evangelium erreicht werden. Sein Leben und Sterben hatten zwar keine erlösende Wirkung, sie galten aber denselben Zielen wie das Leben und Sterben seines Herrn.
3,11 damit ich … gelange. Paulus machte sich nichts daraus, wie Gott dies zustande bringen würde, doch er sehnte sich danach, zu sterben und die Erfüllung seiner Errettung im Auferstehungsleib zu erlangen (vgl. Röm 8,23). Das ist ein Ausdruck seiner Demut. zur Auferstehung aus den Toten. Wörtl. »Auferstehung heraus aus den Leichen«. Das bezieht sich auf die Auferstehung, die zeitgleich mit der Entrückung der Gemeinde geschieht (1Th 4,13-17; vgl. 1Kor 15,42-44).
3,12 Um das geistliche Wachstum des Christen zu beschreiben, vergleicht Paulus den Gläubigen mit einem Läufer. Der Gläubige hat sein Ziel der Christusähnlichkeit noch nicht erlangt (vgl. V. 20.21), doch muss er wie der Läufer bei einem Wettlauf weitermachen, um das Ziel zu erreichen. Dass es hier um das Ziel jedes Gläubigen geht, wird auch klar aus Röm 8,29; 2Th 2,14; 1Joh 3,2 (s. Anm. dort). 3,12 Nicht dass ich es schon erlangt hätte. Der Wettlauf zur Christusähnlichkeit beginnt mit dem aufrichtigen Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit. ich jage aber danach. Dieses gr. Wort beschrieb einen Läufer und vermittelte den Gedanken aggressiver, energiegeladener Aktivität. Paulus strebte mit aller Kraft nach Heiligung und spannte alle seine geistlichen Muskeln an, um diesen Preis zu gewinnen (1Kor 9,24-27; 1Tim 6,12; Hebr 12,1). ergreife … ergriffen worden bin. »Ergreifen« bedeutet »als Besitz ergreifen«. Christus erwählte Paulus für das letztendliche Ziel, ihn in sein herrliches Abbild umzugestalten (Röm 8,29). Genau das ist das Ziel, das Paulus erstrebte.
3,13 eines aber [tue ich]. Paulus reduzierte den gesamten Hei- ligungsprozess auf das schlichte und einfache Ziel, »das eine« zu tun – nach Christusähnlichkeit zu streben (s. Anm. zu 2Kor 11,1-3). vergesse, was dahinten ist. Der Gläubige muss sich dagegen wehren, sich auf frühere tugendhafte Werke und Leistungen zu verlassen oder sich immer wieder mit alten Sünden und Fehlern zu beschäftigen. Wenn der Gläubige sich durch Vergangenes ablenken lässt, schwächt ihn das in der Gegenwart. 3,14 das Ziel. Christusähnlichkeit hier und jetzt (s. Anm. zu V. 12). den Kampfpreis. Christusähnlichkeit im Himmel (vgl. V. 20.21; 1Joh 3,1.2). himmlischen Berufung Gottes. In dem Augenblick, wenn Gott einen Gläubigen in den Himmel und in seine Gegenwart ruft, wird der Christ die Auszeichnung empfangen, die während seines irdischen Lebens ein unerreichbares Ziel war.
3,15 alle, die wir gereift sind. Da die geistliche Vervollkommnung zur Christusähnlichkeit nur dann möglich ist, wenn der Gläubige die Berufung nach oben annimmt, spricht Paulus hier von einem geistlichen Reifezustand. Entweder meint er damit die reifen Gläubigen, die dieselbe Gesinnung und dasselbe Ziel haben wie er, oder aber er meint »gereift« sarkastisch und bezieht sich damit auf die Judaisten, die dachten, sie seien bereits vollkommen. so gesinnt sein. Gläubige sollen eine solche Gesinnung bzw. Einstellung haben, dass sie danach streben, mit Christusähnlichkeit ausgezeichnet zu werden. wenn ihr über etwas anders denkt. Das bezieht sich auf diejenigen, die weiter an ihrem alten Leben hängen und dem Ziel nicht näher kommen. wird euch Gott auch das offenbaren. Das gr. Wort für »offenbaren« bedeutet »enthüllen« oder »aufdecken«. Paulus überließ die Gläubigen, die nicht nach geistlicher Vollkommenheit strebten, der Hand Gottes. Er wusste, dass Gott ihnen letztendlich die Wahrheit offenbaren wird, möglicherweise durch Zuchtmaßnahmen (Hebr 12,5-11).
3,16 wozu wir auch gelangt sein mögen, lasst uns … wan- deln. Das gr. Wort für »wandeln« bedeutet »in Reih’ und Glied marschieren«. Paulus forderte die Philipper auf, geistlich nicht »aus der Reihe zu tanzen« und stattdessen weitere Fortschritte in der Heiligung zu machen. Das sollten sie durch dieselben Prinzipien erreichen, durch die sie auch an diesen Punkt ihres geistlichen Wachstums gelangt waren (vgl. 1Th 3,10; 1Pt 2,2).
3,17 Werdet meine Nachahmer. Da alle Gläubigen noch un- vollkommen sind, brauchen sie Vorbilder von vollkommeneren Christen, die wissen, wie man mit Unvollkommenheit umgeht und die ein Musterbeispiel dafür liefern, wie man das Ziel der Christusähnlichkeit anstrebt. Paulus war ein solches Musterbeispiel (1Kor 11,1; 1Th 1,6). seht auf diejenigen, die so wandeln. Die Philipper sollten auch auf andere geistliche Vorbilder achten wie z.B. Timotheus und Epaphroditus (2,19.20) und beobachten, wie sie sich im Dienst für Christus verhielten.
3,18 wie ich euch oft gesagt habe. Offenbar hatte Paulus die Philipper – ebenso wie die Epheser (Apg 20,28-30) – vielfach vor den Gefahren von Irrlehrern gewarnt. weinend. Paulus reagierte ähnlich wie in Apg 20,31, wo er die Ältesten von Ephesus vor der Gefahr von Irrlehrern warnte. Feinde des Kreuzes. Paulus’ Ausdrucksweise zeigt deutlich, dass diese Männer nicht behaupteten, sie hätten etwas gegen Christus, sein Werk am Kreuz oder die Errettung allein aus Gnade allein aus Glauben. Aber sie strebten nicht nach Christusähnlichkeit in Form von offenkundiger Gottseligkeit und hatten möglicherweise sogar schon Führungspositionen in der Gemeinde erreicht. 3,19 Diese Feinde des Kreuzes waren entweder Juden (die Judaisten; V. 2) oder heidnische Libertinisten. Letztere waren Vorläufer der Gnostiker und vertraten eine dualistische Philosophie, die zum Antinomianismus neigte, d.h. jegliches moralische Gesetz ablehnte. ihr Ende ist das Verderben. Das gr. Wort für »Ende« bezeichnet das ewige Schicksal einer Person. Die Judaisten steuerten auf die ewige Verdammnis zu, weil sie darauf vertrauten, dass ihre Werke sie retteten. Die heidnischen Libertinisten steuerten demselben Schicksal entgegen, weil sie auf ihre menschliche Weisheit vertrauten und die umgestaltende Kraft des Evangeliums leugneten. ihr Gott ist der Bauch. Das kann sich auf die fl eischlichen Errungenschaften der Judaisten beziehen, die in erster Linie religiöse Werke waren. Oder es bezieht sich auf ihr Einhalten von Speisegesetzen, die sie für heilsnotwendig hielten. Wenn es hier jedoch um die heidnischen Libertinisten geht, kann es ohne weiteres um ihre sinnlichen Lüste und fl eischlichen Begierden gehen. Irrlehrer kann man stets an ihrer Verdorbenheit erkennen. S. Anm. zu 2Pt 2,10-19; Jud 8-13. rühmen sich ihrer Schande. Die Judaisten rühmten sich ihrer eigenen Leistungen, doch selbst ihre besten Werke waren nicht besser als schmutzige Kleider oder Dreck (V. 7.8; Jes 64,5). Die heidnischen Libertinisten brüsteten sich mit ihrer Sünde und missbrauchten die christliche Freiheit, indem sie damit ihre Lebensweise verteidigten (1Kor 6,12). irdisch gesinnt. Die Judaisten beschäftigten sich nur mit Zeremonien, Festen, Opfern und anderen äußerlichen Verrichtungen. Die heidnischen Libertinisten liebten einfach die Welt mit all ihren Dingen (vgl. Jak 4,4; 1Joh 2,15).
3,20 Unser Bürgerrecht. Dieser gr. Begriff bezeichnete eine Fremdenkolonie. In einer außerbiblischen Quelle beschrieb es eine Hauptstadt, die die Namen ihrer Bürger in einem Register führte. im Himmel. Der Ort, wo Gott wohnt und wo Christus gegenwärtig ist. Der Himmel ist die Heimat der Gläubigen (Joh 14,2.3); dort sind ihre Namen »registriert« (Lk 10,20) und dort wartet ihr Erbe auf sie (1Pt 1,4). Auch die anderen Gläubigen sind dort (Hebr 12,23). Wir gehören dem Reich an, das unser himmlischer König regiert, und gehorchen den Gesetzen des Himmels. Vgl. 1Pt 2,11. erwarten. Dieses gr. Verb fi ndet sich in den meisten Bibelstellen über die Wiederkunft Christi. Es beschreibt ein geduldiges, aber äußerst gespanntes Warten (Röm 8,23; 2Pt 3,11.12).
3,21 unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten. Vom gr. Wort für »umgestalten« stammen unser Begriff »Schema« ab. Ein Schema ist ein zugrunde liegendes Muster. Die in Christus Verstorbenen, die mit ihm im Geist im Himmel leben (1,23; 2Kor 5,8; Hebr 12,23), werden bei der Auferstehung und Entrückung der Gemeinde neue Leiber empfangen; gleichzeitig werden dann die Körper der noch auf der Erde lebenden Gläubigen umgestaltet (s. Anm. zu Röm 8,18-23; 1Kor 15,51-54; 1Th 4,16). gleichförmig … seinem Leib der Herrlichkeit. Der neue Körper des Gläubigen wird wie der Auferstehungsleib Christi und auf den Himmel zugeschnitten und ausgerichtet sein (1Kor 15,42.43; 1Joh 3,2). unterwerfen. Das gr. Wort bedeutet »unterordnen« und beschreibt die Anordnung von Dingen nach der Reihenfolge ihres Ranges. Es kann auch bedeuten, etwas autoritär zu verwalten. Christus kann in seiner Macht und Vorsehung sowohl neue Naturgesetze schaffen als auch bestehende Naturgesetze auf übernatürliche Weise außer Kraft setzen (1Kor 15,23-27).
4,1 geliebten und ersehnten. Paulus drückt seine tiefe Zunei- gung zu den Gläubigen in Philippi aus. Der gr. Begriff für »ersehnt« beschreibt den tiefen Schmerz, von geliebten Angehörigen getrennt zu sein. meine Freude und meine Krone. Paulus’ Freude beruhte nicht auf seinen Umständen, sondern auf seinen Mitgläubigen in Philippi (vgl. 1Th 2,19.20; 3,9). Der gr. Begriff für »Krone« bezeichnet den Lorbeerkranz, den ein Sportler nach einem Wettkampfsieg erhielt (1Kor 9,25) oder mit dem jemand bei einem Festmahl von seinen Freunden als Symbol für Erfolg oder ein ertragreiches Leben geehrt wurde. Die Gläubigen in Philippi bewiesen, dass Paulus’ Mühen erfolgreich waren (vgl. 1Kor 9,2). steht … fest. Dies gr. Wort beschrieb häufi g einen Soldaten auf seinem Posten; hier wird es als militärischer Befehl verwendet (vgl. 1,27), was auch der vorherrschende Ton der Verse 1-9 ist.
4,2 Ich ermahne. Der gr. Begriff bedeutet »nötigen« oder »anfl e- hen«. Euodia … Syntyche. Diese beiden Christinnen waren bedeutende Gemeindeglieder (V. 3) und gehörten vielleicht zu den Frauen an der jüdischen Gebetsstätte, wo Paulus in Philippi zuerst das Evangelium verkündet hatte (Apg 16,13). Offenbar führten sie zwei Gruppierungen in der Gemeinde an, die sich stritten. Bei diesem Streit ging es höchstwahrscheinlich um persönliche Belange. eines Sinnes. Das lässt sich auch übersetzen mit »harmonisch« oder »im Einklang sein« (s. Anm. zu 2,2). Geistliche Stabilität ist abhängig von gegenseitiger Liebe, Harmonie und Frieden zwischen den Gläubigen. Offenbar drohte die Uneinigkeit in der Gemeinde von Philippi die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses zu zerstören.
4,3 Mitknecht. Wörtl. »Jochgenosse«. Das gr. Wort beschreibt zwei Tiere in einem Joch, die an derselben Last ziehen. Hier geht es um einen ebenbürtigen Partner in einer speziellen Aufgabe – in diesem Fall einer geistlichen Aufgabe. Möglicherweise bleibt die betreffende Person ungenannt, aber das gr. Wort, das hier mit »Mitknecht« übersetzt ist, versteht man am besten als normalen Namen (Sysygos). Er war wahrscheinlich einer der Gemeindeältesten (1,1). samt Clemens. Über ihn ist nichts Weiteres bekannt. Buch des Lebens. Vor allen Zeiten hat Gott die Namen seiner Erwählten in dieses Buch eingetragen. Es hält diese Erben des ewigen Lebens für immer fest (s. Anm. zu Offb 3,5; vgl. Dan 12,1; Mal 3,16.17; Lk 10,20; Offb 17,8; 20,12).
4,4 Freut euch im Herrn. S. Anm. zu 3,1.
4,5 Sanftmut. Damit ist die Zufriedenheit mit anderen und Groß- zügigkeit ihnen gegenüber gemeint. Das Wort kann auch Barmherzigkeit oder Nachsicht mit den Fehlern und Versagen anderer bedeuten oder auch, dass man Geduld mit jemanden hat, der einem ungerecht oder schlecht behandelt, und es ihm nicht heimzahlt. In diesem allem ist Güte kombiniert mit Demut inbegriffen. Der Herr ist nahe! Das kann sowohl räumliche als auch zeitliche Nähe bedeuten. Der Zusammenhang lässt auf räumliche Nähe schließen: Der Herr umschließt alle Gläubigen in seine Gegenwart (Ps 119,151).
4,6 Sorgt euch um nichts. S. Anm. zu Mt 6,25-34. Sorge und Angst zeigen, dass man nicht genug auf Gottes Weisheit, Souveränität und Macht vertraut. Freude am Herrn und Besinnung auf sein Wort sind ein wirksames Gegenmittel gegen Besorgnis (Ps 1,2). in allem. Alle Schwierigkeiten sind in Gottes Plänen inbegriffen. durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen. Wahres Gebet geht stets mit Dankbarkeit gegenüber Gott einher.
4,7 Friede Gottes. S. Anm. zu V. 9. Innere Ruhe bzw. Gelassenheit sind dem Gläubigen unter einer Bedingung verheißen: Er muss eine dankbare Einstellung haben, die auf unerschütterlichem Vertrauen beruht, dass Gott imstande und willens ist, das Beste für seine Kinder zu tun (vgl. Röm 8,28). der allen Verstand übersteigt. Das bezieht sich auf den göttlichen Ursprung dieses Friedens. Er übertrifft menschliche Intelligenz, Erforschung und Einsicht (Jes 26,3; Joh 16,33). Herzen … Gedanken. Paulus unterschied nicht zwischen diesen beiden, sondern machte eine zusammenfassende Aussage in Bezug auf die ganze innere Person. Weil der Gläubige mit Christus vereint ist, bewahrt Christus mit seinem Frieden das innere Wesen des Gläubigen. bewahren. Ein militärischer Begriff, der so viel bedeutet wie »ständig bewachen«. Der Friede Gottes bewahrt die Gläubigen vor Sorgen, Zweifeln, Angst und Kummer. 4,8 wahrhaftig. Alles Wahrhaftige befi ndet sich in Gott (2Tim 2,25), in Christus (Eph 4,20.21), im Heiligen Geist (Joh 16,13) und in Gottes Wort (Joh 17,17). ehrbar. Dieses gr. Wort bedeutet »anerkennenswert«. Gläubige sollen über alles nachdenken, was es wert ist, bestaunt und bewundert zu werden, d.h. über das Heilige im Gegensatz zum Profanen. gerecht. Das Gerechte und Richtige. Der Gläubige soll im Einklang mit Gottes Maßstab für Heiligkeit denken. rein. Das moralisch Reine und Unbefl eckte. liebenswert. Der gr. Begriff bedeutet »erfreulich« oder »angenehm«. Das bedeutet auch, dass Gläubige auf alles blicken sollen, was schön oder gütig ist. wohllautend. Was hoch angesehen ist oder worüber man gut denkt. Das Wort bezeichnet das, was in der Welt im Allgemeinen als ehrbar betrachtet wird, wie z.B. Freundlichkeit, Höfl ichkeit und Achtung anderer.
4,9 an mir. Die Philipper sollten die von Gott offenbarte Wahrheit befolgen und sich an das Vorbild für diese Wahrheit halten, wie Paulus es ihnen vorgelebt hatte (s. Anm. zu Hebr 13,7). der Gott des Friedens. S. Anm. zu Röm 15,33; vgl. 1Kor 14,33. Gott ist Frieden (Röm 16,20; Eph 2,14), schließt durch Christus Frieden mit Sündern (2Kor 5,18-20) und gibt in Bedrängnis vollkommenen Frieden (V. 7).
4,10 Paulus bekundet den Philippern, wie dankbar er ihnen ist, dass sie ihm ihre Liebe und Freundlichkeit erwiesen und ihm eine Gabe gesandt hatten. Damit bietet er ein vielsagendes Beispiel dafür, wie ein Christ ungeachtet seiner Umstände zufrieden sein kann. 4,10 wieder … ihr wart nicht in der Lage dazu. Besser über- setzt: »… hattet keine Gelegenheit dazu«. Vor zehn Jahren hatten die Philipper zum ersten Mal Paulus mit einer Gabe unterstützt und ihm somit geholfen, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Damals hielt er sich zum erstmal in Thessalonich auf (V. 15.16). Paulus wusste um ihren Wunsch, ihn weiterhin zu unterstützen, doch war ihm klar, dass sie durch Gottes Vorsehung »keine Gelegenheit dazu« hatten.
4,11 mit der Lage … in der ich mich befi nde. Paulus beschrieb seine Umstände im folgenden Vers. zufrieden. Der gr. Begriff heißt wörtl. »autark« und bedeutet so viel wie »selbstgenugsam« oder »unabhängig«. Dasselbe Wort wird in 2Kor 9,8 mit »Genüge« übersetzt. Es beschreibt Unabhängigkeit von jeglicher weiteren menschlichen Hilfe (vgl. Lk 3,14; 1Th 4,12; 1Tim 6,6.8; Hebr 13,5).
4,12 Armsein … Reichsein. Paulus wusste sowohl mit beschei- denen Mitteln auszukommen (Nahrung, Kleidung, täglicher Bedarf) als auch in Überfl uss zu leben. sowohl satt zu sein als auch zu hungern. Das gr. Wort, das hier mit »satt« übersetzt ist, bezeichnete das Füttern und Mästen von Tieren. Paulus konnte sowohl dann zufrieden zu sein, als er reichlich zu essen hatte, als auch dann, als es ihm an Nahrung fehlte.
4,13 Ich vermag alles. Paulus verwendet ein gr. Verb, das so viel bedeutet wie »stark sein« oder »die Kraft haben« (vgl. Apg 19,16.20; Jak 5,16). Er hatte die Kraft, »alles« auszuhalten (V. 11.12), einschließlich Schwierigkeiten und materiellen Reichtum. der mich stark macht, Christus. Das gr. Wort für »stark machen« bedeutet »innerlich mit Kraft ausrüsten«. Weil Gläubige in Christus sind (Gal 2,20), verleiht er ihnen seine Kraft, damit sie durchhalten, bis sie Abhilfe empfangen (Eph 3,1620; 2Kor 12,10).
4,14 Paulus fügt hier ein klärendes Wort an, damit die Philipper wegen seiner obigen Ausführungen (V. 11-13) nicht meinten, er sei undankbar für ihre aktuelle Gabe. Anteil nahmt. Sich partnerschaftlich mit jemanden zusammenschließen.
4,15 am Anfang [der Verkündigung] des Evangeliums. Als Paulus das Evangelium zum ersten Mal in Philippi verkündete (Apg 16,13). als ich … aufbrach. Als Paulus etwa zehn Jahre zuvor Philippi zum ersten Mal verließ (Apg 16,40). Mazedonien. Außer in Philippi wirkte Paulus auch noch in zwei weiteren Städten in Mazedonien: Thessalonich und Beröa (Apg 17,1-14). ihr allein. Nur die Philipper hatten Mittel an Paulus gesandt, um für seine Bedürfnisse zu sorgen.
4,16 auch nach Thessalonich. S. Anm. zu Apg 17,1; s. auch Ein- leitung zu 1Th Paulus wirkte dort einige Monate während seiner zweiten Missionsreise.
4,17 die Frucht. Das gr. Wort kann auch mit »Profi t« übersetzt werden. reichlich ausfalle auf eurer Rechnung. Die Philipper sammelten sich damit im Endeffekt Schätze im Himmel an (Mt 6,20). Ihre Gaben an Paulus bewirkten ewige Dividenden auf ihre geistlichen Konten (Spr 11,24.25; 19,17; Lk 6,38; 2Kor 9,6).
4,18 Epaphroditus. S. Anm. zu 2,25. einen lieblichen Wohlge- ruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig. Im Opfersystem des ATs musste jedes Opfer ein duftender Wohlgeruch und für Gott annehmbar sein. Nur wenn es mit der richtigen Einstellung dargebracht wurde, konnte es ihm gefallen (1Mo 8,20.21; 2Mo 29,18; 3Mo 1,9.13.17). Die Spende der Philipper war ein geistliches Opfer (vgl. Röm 12,1; 1Pt 2,5), das Gott erfreute.
4,19 allen euren Mangel. Paulus meint damit alle materiellen Bedürfnisse der Philipper, die aufgrund ihrer großzügigen Spende wahrscheinlich teilweise unerfüllt blieben (Spr 3,9). nach seinem Reichtum. Den Philippern war verheißen, dass Gott ihnen nicht nur einen kleinen Betrag aus seinem Reichtum geben würde, sondern entsprechend seiner unendlichen Vorräte.
4,20 Mit dieser Doxologie reagiert Paulus sogleich auf die großarti- ge Wahrheit, dass Gott alle Bedürfnisse der Heiligen stillen wird. Im allgemeineren Sinn ist dieser Lobpreis Paulus’ Reaktion auf den Charakter und die Treue Gottes.
4,21 jeden Heiligen. S. Anm. zu 1,1. Anstelle des kollektiven »alle« verwendet Paulus hier das individuelle »jeden« und erklärt damit, dass jeder einzelne Heilige seiner Sorge würdig war. die Brüder, die bei mir sind. Dazu gehörten mit Sicherheit Timotheus und Epaphroditus (2,19.25). Darüber hinaus waren noch andere anwesend, die in Rom das Evangelium verkündeten (1,14), möglicherweise auch Tychikus, Aristarchus, Onesimus und Jesus Justus (Kol 4,7.9-11).
4,22 Haus des Kaisers. Nicht nur die Familie des Kaisers, son- dern eine beträchtliche Anzahl von Personen, einschließlich der Hofbediensteten, Heerführer, Richter, Köche, Vorkoster, Musiker, Wächter, Bauarbeiter, Stallmeister, Soldaten und Buchhalter. Paulus dachte an diejenigen aus dieser großen Gruppe, die durch die Verkündigung des Evangeliums durch Christen aus Rom vor Paulus’ Ankunft errettet worden waren. Neu zu ihrer Zahl hinzugefügt wurden diejenigen, die Paulus selbst zu Christus geführt hatte, einschließlich der Soldaten, an die er als Gefangener angekettet war (1,13). 4,23 Der übliche Schluss der Paulusbriefe (s. Anm. zu Röm 16,24). Amen. Ein bekräftigendes Bekenntnis, das die zuvor dargelegte Wahrheit unterstreicht.
1,1 Paulus. Näheres über den Apostel Paulus s. Einleitung zum Rö- merbrief: Autor und Abfassungszeit; s. Anm. zu Apg 9,1. Timotheus. Paulus’ Mitarbeiter und wahres Kind im Glauben (s. Einleitung zu 1. Timotheus: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Apg 16,1) konnte bei ihm sein, weil Paulus ein eigenes Quartier in Rom hatte, obwohl er Häftling war (Apg 28,16-31).
1,2 heiligen. Die Gläubigen in Kolossä waren von der Sünde ge- trennt und für Gott abgesondert (s. Anm. zu 1Kor 1,2). treuen. Dieses Wort wird im NT ausschließlich für Gläubige verwendet. Vgl. V. 4. Kolossä. Eine von drei Städten im Lykostal in der Region Phrygien in der römischen Provinz Asien (ein Teil der heutigen Türkei), etwa 160 km östlich von Ephesus (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Gnade … und Friede. Paulus’ Gruß in allen seinen 13 Briefen (s. Anm. zu Röm 1,7).
1,3 Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Mit Hilfe die- ser Bezeichnung hat man häufi g dargelegt, dass Jesus wesensgleich ist mit Gott, so wie jeder wahre Sohn wesensgleich mit seinem Vater ist. Der Ausdruck ist eine Bekräftigung der Gottheit Christi (vgl. Röm 15,6; 2Kor 1,3; 11,13; Eph 1,3; 3,14; 1Pt 1,3).
1,4 Glauben an Christus Jesus. Zu einer Diskussion über rettenden Glauben s. Anm. zu Röm 1,16; 10,4-17; Jak 2,14-26. Liebe zu allen Heiligen. Vgl. V. 8. Eine der sichtbaren Früchte wahren rettenden Glaubens ist Liebe zu unseren Mitgläubigen (Joh 13,34.35; Gal 5,22; 1Joh 2,10; 3,14-16).
1,5 Hoffnung … die euch aufbewahrt ist. Die Hoffnung des Gläubigen ist untrennbar mit seinem Glauben verbunden. S. Anm. zu Röm 5,2; 1Pt 1,3-5. des Evangeliums. S. Anm. zu Röm 1,1. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »gute Nachricht« und bezeichnete im klassischen Griechisch eine gute Nachricht von einem Sieg bei einer Schlacht. Das Evangelium ist die frohe Botschaft von Jesu Sieg über Teufel, Tod und Sünde.
1,6 in der ganzen Welt. Vgl. V. 23, »in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist«. Das Evangelium war nie für eine exklusive Menschengruppe bestimmt, sondern ist eine gute Botschaft für die ganze Welt (Mt 24,14; 28,19.20; Mk 16,15; Röm 1,8.14.16; 1Th 1,8). Es durchbricht alle ethnischen, geografi schen, kulturellen und politischen Grenzen. Frucht. Das bezieht sich auf die rettende Wirkung der Evangeliumsverkündigung und auf das Wachstum der Gemeinde. S. Anm. zu Röm 1,13; Phil 1,22; vgl. Mt 13,3-8.31.32.
1,7 Epaphras. Wahrscheinlich der Gründer der Gemeinde in Kolossä (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
1,9 Erkenntnis seines Willens. Dem üblichen gr. Wort für »Er- kenntnis« steht hier eine Präposition voran, die die Bedeutung intensiviert. Hier geht es nicht um einen inneren Eindruck oder ein Gefühl, sondern um eine tiefe und gründliche Erkenntnis des Willens Gottes, wie er im Wort Gottes ein für allemal und vollständig offenbart ist (3,16; Eph 5,17; 1Th 4,3; 5,18; 1Tim 2,4; 1Pt 2,13.15; 4,19). geistlichen Weisheit und Einsicht. »Geistlich« bezieht sich sowohl auf »Weisheit« (die Fähigkeit, Prinzipien aus der Schrift zu sammeln und zu ordnen) als auch auf »Einsicht« (oder »Verständnis«, die Anwendung dieser Prinzipien im Alltagsleben).
1,10 würdig wandelt. Ein Schlüsselkonzept des NTs, das den Gläu- bigen aufruft, so zu leben, dass seine Lebensweise im Einklang steht zu seiner Verbindung mit dem Herrn, der ihn errettet hat. S. Anm. zu Eph 4,1; Phil 1,27. in jedem guten Werk fruchtbar. S. Anm. zu Röm 1,13; Phil 4,17. Geistliche Frucht ist das Nebenprodukt eines gerechten Lebens. Die Bibel nennt uns als geistliche Frucht: Menschen zu Christus führen (1Kor 16,15), Gott loben (Hebr 13,15), Geld geben (Röm 15,2628), ein gottesfürchtiges Leben führen (Hebr 12,11) und einen heiligen Charakter zeigen (Gal 5,22.23). in der Erkenntnis Gottes wachsend. Ohne diese Erkenntnis gibt es kein geistliches Wachstum (1Pt 2,2; 2Pt 3,18). Zu den Anzeichen für geistliches Wachstum gehören: eine tiefere Liebe zu Gottes Wort (Ps 119,97), vollkommener Gehorsam (1Joh 2,3-5), eine feste lehrmäßige Grundlage (1Joh 2,12-14), wachsender Glaube (2Th 1,3; vgl. 2Kor 10,5) und vermehrte Liebe zu anderen (Phil 1,9).
1,11 mit aller Kraft gestärkt. S. Anm. zu Eph 3,16-20. Ausharren … Langmut. Diese Begriffe sind eng miteinander verwandt und beziehen sich auf unsere Haltung in Prüfungssituationen. »Standhaftigkeit« spricht mehr vom Ertragen schwieriger Umstände und »Langmut« vom Ertragen schwieriger Menschen.
1,12 tüchtig gemacht. Das gr. Wort bedeutet »befähigen«. Gott befähigt uns nur durch das vollbrachte Werk des Retters. Ohne die Gnade Gottes durch Jesus Christus würden alle Menschen nur für Gottes Zorn taugen. Erbe. Wörtl. »für den Anteil des Loses«. Jeder Gläubige wird seinen eigenen Anteil am gesamten göttlichen Erbe empfangen (s. Anm. zu Röm 8,17). Das spielt an auf die Aufteilung des Erbes Israels im Land Kanaan (vgl. 4Mo 26,52-56; 33,51-54; Jos 14,1.2). S. Anm. zu 1Pt
1,3 Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Mit Hilfe die- ser Bezeichnung hat man häufi g dargelegt, dass Jesus wesensgleich ist mit Gott, so wie jeder wahre Sohn wesensgleich mit seinem Vater ist. Der Ausdruck ist eine Bekräftigung der Gottheit Christi (vgl. Röm 15,6; 2Kor 1,3; 11,13; Eph 1,3; 3,14; 1Pt 1,3). 1,3 im Licht. Mit »Licht« beschreibt die Bibel intellektuell gesehen göttliche Wahrheit (Ps 119,130) und moralisch gesehen göttliche Reinheit (Eph 5,8-14; 1Joh 1,5). Das Erbe der Heiligen existiert im geistlichen Reich der Wahrheit und Lauterkeit. Dort wohnt Gott selbst (1Tim 6,16). Daher ist Licht auch ein Synonym für das Reich Gottes. Vgl. Joh 8,12; 2Kor 4,6; Offb 21,23; 22,5.
1,13 errettet. Der gr. Begriff bedeutet »in einen anderen Stand versetzen« oder »retten« und bezieht sich auf die geistliche Befreiung des Gläubigen durch Gott aus dem Reich des Teufels, das im Gegensatz zum Reich des Lichts der Bereich der Finsternis ist (vgl. Lk 22,53), wo es nur Irreführung und Bosheit gibt (1Joh 2,9.11). S. Anm. zu Apg 26,18. Reich. Im elementaren Sinn eine Gruppe von Menschen, die von einem König regiert wird. Dies ewige Reich spricht von mehr als dem künftigen irdischen Tausendjährigen Reich, nämlich vom Bereich des Heils, in dem alle Gläubigen leben und eine gegenwärtige und ewige, geistliche Beziehung zu Gott haben. Dort befi nden sie sich unter der Fürsorge und Autorität Jesu Christi (s. Anm. zu Mt 3,2). des Sohnes seiner Liebe. Vgl. Mt 3,17; 12,18; 17,5; Mk 1,11; 9,7; Lk 3,22; 9,35; Eph 1,6; 2Pt 1,17; s. Anm. zu Joh 17,23-26. Der Vater gibt dieses Reich seinem geliebten Sohn als Ausdruck seiner ewigen Liebe. Das bedeutet, dass jeder Mensch, den Gott beruft und rechtfertigt, ein Liebesgeschenk des Vaters an den Sohn ist. S. Anm. zu Joh 6,37.44.
1,14 Erlösung. Das gr. Wort bedeutet »befreien durch Zahlung eines Lösegeldes« und bezeichnete die Befreiung von Sklaven aus der Sklaverei. Hier bezieht es sich darauf, dass Christus Sünder von der Sklaverei der Sünde befreit (vgl. Eph 1,7; 1Kor 1,30; s. Anm. zu Röm 3,24). durch sein Blut. Vgl. V. 20. Dieser Ausdruck beschränkt sich nicht auf die Blutfl üssigkeit, als habe das Blut von seiner chemischen Zusammensetzung her errettende Eigenschaften, sondern es ist ein Ausdruck, der auf das gesamte Erlösungswerk Christi als Opfer für Sünde hinweist. Das ist eine häufi g benutzte Metonymie (eine Begriffsvertauschung) im NT (s. Eph 1,7; 2,13; Hebr 9,14; 1Pt 1,19). Das Wort »Kreuz« (wie in V. 20) bezeichnet in ähnlicher Weise das gesamte Erlösungswerk (s. 1Kor 1,18; Gal 6,12.14; Eph 2,16). S. Anm. zu Röm 5,9. die Vergebung der Sünden. Dieser gr. Begriff besteht aus zwei Wörtern, die so viel bedeuten wie »vergeben« oder »erlassen«. Vgl. Ps 103,12; Mi 7,19; Eph 1,7; s. Anm. zu 2Kor 5,19-21.
1,15 Eine Komponente der Irrlehre, von der die Gemeinde in Kolossä bedroht wurde, war die Leugnung der Gottheit Christi. Paulus bekämpft dies verdammungswürdige Element dieser Irrlehre mit einer ausdrücklichen Verteidigung der Gottheit Christi. 1,15 das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. S. Anm. zu Hebr
1,3 Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Mit Hilfe die- ser Bezeichnung hat man häufi g dargelegt, dass Jesus wesensgleich ist mit Gott, so wie jeder wahre Sohn wesensgleich mit seinem Vater ist. Der Ausdruck ist eine Bekräftigung der Gottheit Christi (vgl. Röm 15,6; 2Kor 1,3; 11,13; Eph 1,3; 3,14; 1Pt 1,3). 1,3 im Licht. Mit »Licht« beschreibt die Bibel intellektuell gesehen göttliche Wahrheit (Ps 119,130) und moralisch gesehen göttliche Reinheit (Eph 5,8-14; 1Joh 1,5). Das Erbe der Heiligen existiert im geistlichen Reich der Wahrheit und Lauterkeit. Dort wohnt Gott selbst (1Tim 6,16). Daher ist Licht auch ein Synonym für das Reich Gottes. Vgl. Joh 8,12; 2Kor 4,6; Offb 21,23; 22,5. 1,3 Das gr. Wort für »Ebenbild« ist eikon, wovon das dt. Wort »Ikone« abstammt. Es bedeutet »Kopie« oder »Abbild«. Jesus Christus ist das vollkommene Bild – das exakte Abbild – Gottes. Er war von aller Ewigkeit her in der Gestalt Gottes selbst (Phil 2,6; vgl. Joh 1,14; 14,9). Mit dieser Beschreibung Jesu betont Paulus, dass Christus sowohl die Repräsentation als auch die Offenbarung Gottes ist. Von daher ist er in jeder Hinsicht völlig Gott (vgl. 2,9; Joh 8,58; 10,30-33; Hebr 1,8). der Erstgeborene, der über alle Schöpfung ist. Vgl. V. 18. Das gr. Wort für »Erstgeboren« kann sich auf jemanden beziehen, der zeitlich als erster geboren wurde, doch in den meisten Fällen bezeichnet es eine vorrangige Stellung oder einen höheren Rang (s. Anm. zu Hebr 1,6; vgl. Röm 8,29). Sowohl in der gr. als auch in der hebr. Kultur war der Erstgeborene der vorrangige Sohn, der von seinem Vater das Erbrecht empfi ng, ob er nun als erster geboren war oder nicht. Dieser Begriff wird für Israel verwendet, das zwar nicht zeitlich die erste Nation, aber die vorrangige Nation war (vgl. 2Mo 4,22; Jer 31,9). In diesem Zusammenhang bedeutet Erstgeborener eindeutig nicht »geschaffen«, sondern »von höchstem Rang« (vgl. Ps 89,28; Offb 1,5), und das aus mehreren Gründen: 1.) Christus kann nicht zugleich der »Erstgeborene« und »Ein-geborene« sein (vgl. Joh 1,14.18; 3,16.18; 1Joh 4,9); 2.) wenn der »Erstgeborene« zu einer Gruppe gehört, steht diese Gruppe im Plural (vgl. V. 18; Röm 8,29), doch die Bezugsgruppe hier ist die »Schöpfung« – und die steht im Singular; 3.) wenn Paulus lehrte, Christus sei ein erschaffenes Wesen, stimmte er damit der Irrlehre zu, die er mit dem Brief widerlegen wollte; und 4.) kann Christus unmöglich geschaffen und zugleich der Schöpfer von allem sein (V. 16). Deshalb ist Jesus der Erstgeborene im Sinne der Vorrangstellung (V. 18) und besitzt das Erbrecht »über aller Schöpfung« (vgl. Hebr 1,2; Offb 5,1-7.13). Er existierte vor der Schöpfung und steht in seinem Rang über ihr. S. Anm. zu Ps 2,7; Röm 8,29.
1,16 Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Ge- walten. Vgl. 2,15; Röm 8,38; Eph 1,21; 3,10; 6,12; 1Pt 3,22; Jud 6. Das sind verschiedene Kategorien von Engeln, die Christus erschaffen hat und über die er herrscht. Aus dem Text geht nicht hervor, ob es sich um heilige oder gefallene Engel handelt, da er Herr über beide Gruppen ist. Anbetung von Engeln war ein Bestandteil der Irrlehre von Kolossä (s. Anm. zu 2,18); dazu gehörte auch die Lüge, dass Jesus ebenfalls zu den Engeln gehöre und nur ein Geist sei, der von Gott erschaffen wurde und von geringerer Stellung sei als er. Paulus wies diese Lehre zurück und stellte klar, dass Engel nur Geschöpfe sind, ob heilig oder gefallen, und dass ihr Schöpfer kein anderer ist als der Allerhöchste, der Herr und Retter Jesus Christus. Diese Liste von Engel-Rangstufen soll verdeutlichen, wie unermesslich überlegen Christus über allen anderen Wesen steht, welche die Irrlehrer womöglich zur Verehrung empfahlen. alles ist durch ihn und für ihn geschaffen. Vgl. Röm 11,33-36. S. Anm. zu Joh 1,3; Hebr 1,2. Als Gott hat Jesus das materielle und geistliche Universum zu seinem Wohlgefallen und zu seiner Verherrlichung geschaffen.
1,17 er ist vor allem. Als das Universum ins Dasein gerufen wur- de, existierte Christus bereits. Deshalb muss er per Defi nition ewig sein (Mi 5,1; Joh 1,1.2; 8,58; 1Joh 1,1; Offb 22,13). Bestand. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »zusammen-halten«. Christus erhält das Universum und bewahrt die Kraft und das Gleichgewicht, die für die Existenz und das Fortbestehen des Lebens notwendig sind (vgl. Hebr 1,3).
1,18 das Haupt des Leibes. Vgl. 2,19. Paulus verwendet den menschlichen Körper als Bild für die Gemeinde, von der Christus der »Kopf« ist. So wie ein Körper vom Gehirn gesteuert wird, so beherrscht Christus jedes Teil der Gemeinde und gibt ihr Leben und leitet sie. Vgl. Eph 4,15; 5,23. Zu einer detaillierten Diskussion der Gemeinde als Leib s. Anm. zu 1Kor 12,4-27. der Anfang. Sowohl Ursprung als auch Oberhaupt. Die Gemeinde hat in dem Herrn Jesus ihren Ursprung (Eph 1,4) und durch seinen Opfertod und seine Auferstehung hat er der Gemeinde Leben gegeben und wurde ihr Herrscher. der Erstgeborene aus den Toten. S. Anm. zu V. 15. Jesus war zeitlich der Erste, der auferstand und nie mehr sterben wird. Von allen, die jemals von den Toten auferstanden sind oder auferstehen werden – und das schließt alle Menschen ein (Joh 5,28.29) –, ist Christus der Höchste (s. Anm. zu V. 15; Phil 2,8-11).
1,19 alle Fülle. Mit diesem Begriff bezeichneten wahrscheinlich die Anhänger der Irrlehre von Kolossä die göttlichen Kräfte und Eigenschaften, von denen sie glaubten, sie kämen auf unterschiedliche Weise und durch verschiedene Wesen zum Ausdruck (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Paulus widerlegte diese Vorstellung durch die Aussage, dass die Fülle der Gottheit, alle göttlichen Kräfte und Eigenschaften, nicht unter erschaffenen Wesen verteilt sind, sondern vollständig allein in Christus wohnen (vgl. 2,9).
1,20 mit sich selbst zu versöhnen. Das gr. Wort für »versöhnen« bedeutet »wechseln« oder »austauschen«. Im NT bedeutet es, dass sich die Beziehung des Sünders zu Gott verändert. S. Anm. zu Röm 5,10; 2Kor 5,18-21. Der Mensch wird mit Gott versöhnt, wenn Gott den Menschen durch Jesus Christus wieder in eine rechtmäßige Beziehung zu ihm bringt. In diesem Vers wird eine intensivierte Form für »versöhnen« verwendet, um herauszustellen, dass der Gläubige und letztlich »alle Dinge« im geschaffenen Universum vollkommen und vollständig versöhnt sind (vgl. Röm 8,21; 2Pt 3,10-13; Offb 21,1). Dieser Text lehrt nicht, dass infolge dessen alle glauben werden; vielmehr wird hier gelehrt, dass letztendlich alle sich unterwerfen werden (vgl. Phil 2,9-11). indem er Frieden machte. S. Anm. zu Röm 5,1. Gott und die von ihm Erretteten sind nicht mehr verfeindet. das Blut seines Kreuzes. S. Anm. zu V. 14.
1,21 entfremdet und feindlich. Der gr. Begriff für »entfremdet« bedeutet auch »abgeschnitten« oder »entfernt worden sein«. Vor ihrer Versöhnung waren alle Menschen völlig von Gott entfremdet (vgl. Eph 2,12.13). Das gr. Wort für »feindlich« kann auch mit »verhasst« oder »Feinde« übersetzt werden. Ungläubige hassen Gott und widersetzen sich seinem heiligen Maßstab, weil sie »böse Werke« lieben (vgl. Joh 3,19.20; 15,18.24.25). Diese Entfremdung besteht von beiden Seiten, denn Gott »hasst alle Übeltäter« (Ps 5,7). versöhnt. S. Anm. zu V. 20. 1,21 versöhnt … durch den Tod. Jesu stellvertretender Tod am Kreuz, der die ganze Schuld der Sünde für alle Gläubigen bezahlt hat, hat die Versöhnung ermöglicht und verwirklicht. S. Anm. zu 2Kor 5,1821; vgl. Röm 3,25; 5,9.10; 8,3.
1,22 heilig … vor seinem Angesicht. »Heilig« bezieht sich auf die stellungsmäßige Beziehung des Gläubigen zu Gott: Durch zugerechnete Gerechtigkeit ist er abgesondert von der Sünde und für Gott beiseite gestellt. Das ist Rechtfertigung (s. Anm. zu Röm 3,24-26; Phil 3,8.9). Infolge der Vereinigung des Gläubigen mit Christus in seinem Tod und in seiner Auferstehung betrachtet Gott den Christen als so heilig wie sein Sohn es ist (Eph 1,4; 2Kor 5,21). Christen sind außerdem »tadellos« (ohne Makel) und »unverklagbar« (niemand kann eine Klage gegen sie vorbringen; Röm 8,33; vgl. Phil 2,15). Wenn wir Christus begegnen, sollen wir ihm als eine reine Braut dargestellt werden (Eph 5,25-27; 2Kor 11,2).
1,23 im Glauben gegründet. Vgl. Apg 11,23; 14,22. Wer versöhnt worden ist, wird im Glauben und im Gehorsam ausharren, weil er nicht nur als gerecht erklärt wurde, sondern tatsächlich eine neue Schöpfung ist (2Kor 5,17) und eine neue Veranlagung hat, mit der er Gott liebt, die Sünde hasst, Gehorsam ersehnt und vom Heiligen Geist gestärkt wird (vgl. Joh 8,30-32; 1Joh 2,19). Wahre Gläubige werden nicht vom gehörten Evangelium abweichen, sondern fest bei Christus bleiben, der ihre einzige Grundlage ist (1Kor 3,11) und sie werden treu bleiben durch die befähigende Gnade Gottes (Phil 1,6; 2,11-13). Für eine Diskussion über das Ausharren der Heiligen s. Anm. zu Mt 24,13. verkündigt worden ist in der ganzen Schöpfung. Vgl. Mk 16,15. Das Evangelium kennt keine ethnischen Grenzen. Als es nach Rom gelangt war, wo Paulus sich bei seiner Niederschrift des Kolosserbriefes befand, hatte es das Zentrum der damals bekannten Welt erreicht. 1,24 meinen Leiden. Paulus’ gegenwärtige Gefangenschaft (Apg 28,16.30; s. Einleitung zum Epheserbrief: Hintergrund und Umfeld). [erleide] … was noch … aussteht. Paulus erlitt die Verfolgung, die eigentlich Christus galt. Obwohl Christus am Kreuz hingerichtet worden war, gaben sich seine Feinde noch nicht zufrieden mit dem Leid, das sie ihm bisher zugefügt hatten. So richteten sie ihren Hass auf diejenigen, die das Evangelium verkündeten (vgl. Joh 15,18.24; 16,13). In diesem Sinne vervollständigte Paulus das, was an Christi Leiden noch fehlte (s. Anm. zu 2Kor 1,5; Gal 6,17). um seines Leibes willen. Paulus war zum Ertragen von Leid motiviert, weil es der Gemeinde Christi zugute kam und sie erbaute. Vgl. Phil 1,13.29.30; s. Anm. zu 2Kor 4,8-15; 6,4-10; 11,23-28; 12,9.10.
1,25 Haushalterschaft. Vgl. 1Kor 4,1.2; 9,17. Ein Haushalter war ein Sklave, der den Haushalt seines Herrn verwaltete, die anderen Sklaven beaufsichtigte, Güter verteilte und geschäftliche und fi nanzielle Belange regelte. Paulus betrachtete seinen Dienst als ein Verwalteramt, das er vom Herrn empfangen hatte. Die Gemeinde ist die Familie bzw. das Haus Gottes (1Tim 3,16) und Paulus hatte die Aufgabe, für die Gemeinden zu sorgen, sie zu ernähren und zu leiten. Dafür war er Gott gegenüber verantwortlich (vgl. Hebr 13,17). Alle Gläubigen sind dafür verantwortlich, die Fähigkeiten und Ressourcen zu verwalten, die Gott ihnen gibt (s. Anm. zu 1Pt 4,10). das Wort Gottes voll ausrichten. Paulus war völlig der Aufgabe hingegeben, den Dienst zu erfüllen, den Gott ihm aufgetragen hatte: den ganzen Ratschluss Gottes denen zu verkünden, zu denen Gott ihn gesandt hatte (Apg 20,27; 2Tim 4,7).
1,26 Geheimnis. Vgl. 2,2; 4,3. S. Anm. zu Mt 13,11; 1Kor 2,7; Eph
3,4 Ein »Geheimnis« ist eine bisher verborgene Wahrheit, die im NT zum ersten Mal den Gläubigen offenbart wird. Zu diesen Wahrheiten gehört das Geheimnis des fl eischgewordenen Gottes (2,2.3.9), des Unglaubens Israels (Röm 11,25), der Gesetzlosigkeit (2Th 2,7), der Einheit von Juden und Heiden in der Gemeinde (Eph 3,3-6) sowie der Entrückung der Gemeinde (1Kor 15,51). In diesem Abschnitt wird das Geheimnis in V. 27 näher identifi ziert.
1,27 Heiden … Christus in euch. Das AT kündete an, dass der Messias kommen wird und dass die Heiden am Heil teilhaben werden (vgl. Jes 42,6; 45,21.22; 49,6; 52,10; 60,1-3; Ps 22,28; 65,6; 98,2.3), aber es offenbarte nicht, dass der Messias tatsächlich in jedem Glied seiner erlösten Gemeinde wohnen wird, die größtenteils aus Heiden besteht. Das glorreich offenbarte Geheimnis ist, dass alle Gläubigen, Juden wie Heiden, jetzt die alles übersteigenden Reichtümer des innewohnenden Christus besitzen (Joh 14,23; Röm 8,9.10; Gal 2,20; Eph 1,7.17.18; 3,8-10.16-19). die Hoffnung der Herrlichkeit. Der innewohnende Geist Christi garantiert jedem Gläubigen die künftige Herrlichkeit (Röm 8,11; Eph 1,13.14; 1Pt 1,3.4).
1,28 vollkommen. Vollständig oder reif sein – so wie Christus. S. Anm. zu Röm 8,29; 1Kor 11,1; Phil 3,12-14.19.20; 1Joh 2,6; 3,2. Diese geistliche Reife wird in 2,2 beschrieben.
1,29 arbeite … gemäß seiner wirksamen Kraft. Das ist der Ba- lanceakt des Lebens als Christ. Paulus bemühte sich mit all seiner Kraft, Gott zu dienen und zu ehren. »Arbeiten« spricht von einer Arbeit bis zur Erschöpfung. Vom gr. Wort für »ringen« stammt der dt. Begriff »Agonie« ab. Es beschreibt die erforderliche Mühe, um bei einem Sportwettkampf mithalten zu können. Gleichzeitig wusste Paulus, dass Gott in ihm das effektive »Arbeiten« und »Ringen« bewirkte, das zu geistlichen und ewigen Ergebnissen führte (s. Anm. zu Phil 2,11-13; vgl. 1Kor 15,10.58).
2,1 großen Kampf. Das gr. Wort für »Kampf« bedeutet »Ring- kampf« und stammt von derselben Wurzel wie »ringen« in 1,29. Sowohl die Kolosser als auch die Laodizeer gehörten zu denen, um die Paulus so sehr rang, weil er sie zur Reife bringen wollte. Laodizea. Die wichtigste Stadt in Phrygien in der römischen Provinz Asien. Diese Stadt liegt direkt südlich von Hierapolis im Lykostal (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Offb 3,14; vgl. 4,13).
2,2 mit völliger Gewissheit … zur Erkenntnis. Reife Gläubige sind gekennzeichnet von »Erkenntnis« der Fülle des Evangeliums, kombiniert mit innerer Ermutigung und gemeinsamer Liebe. So können sie sich der »Gewissheit« des Heils erfreuen (s. Anm. zu 2Pt 1,5-8). Geheimnisses. S. Anm. zu 1,26. Gottes … des Christus. Vgl. 4,3. Wenn man zwischen »Gottes« und »Christus« die Worte »des Vaters und des« weglässt, wie es gute Handschriften tun, so ändert das nichts. Hier geht es ja um das Geheimnis, auf das Paulus hinweist: Der Messias Christus ist der Fleisch gewordene Gott selbst (vgl. 1Tim 3,16).
2,3 alle Schätze. Vgl. V. 9.10; 1,19. Die Irrlehrer von Kolossä be- haupteten, sie besäßen eine geheime Weisheit und eine transzendentale Erkenntnis, die nur die geistliche Elite erlangen könne. Im krassen Gegensatz dazu erklärt Paulus, dass der ganze Reichtum der Wahrheit, die erforderlich ist für die Errettung, Heiligung oder Verherrlichung, in Jesus Christus, dem geoffenbarten Gott höchstpersönlich, zu fi nden ist. Vgl. Joh 1,14; Röm 11,33-36; 1Kor 1,24.30; 2,6-8; Eph 1,8.9; 3,8.9.
2,4 damit euch nicht irgendjemand … verleitet. Paulus wollte nicht, dass die Kolosser verführt würden von der überzeugenden Rhetorik der Irrlehrer, deren Lehre die Person Christi angriff. Deshalb betont er in den Kapitel 1 und 2, dass Christus Gott ist und dass er allein völlig ausreicht, um Gläubige zu erretten und zur geistlichen Reife zu bringen.
2,5 leiblich abwesend … im Geist bei euch. Als Häftling konnte Paulus nicht bei den Kolossern sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass seine Liebe und seine Sorge für sie irgendwie geringer war (vgl. 1Kor 5,3.4; 1Th 2,17). Ihre »Ordnung« und »Festigkeit des Glaubens« (zwei militärische Begriffe, die eine stramme Soldatentruppe in Kampfaufstellung schildern) erfreuten das Herz des Apostels.
2,6 wandelt in ihm. »Wandeln« ist der bekannte neutestamentli- che Begriff für das alltägliche Verhalten des Gläubigen (1,10; 4,5; Röm 6,4; 8,1.4; 13,13; 1Kor 7,17; 2Kor 5,7; 10,3; 12,18; Gal 5,16.25; 6,16; Eph 2,10; 4,1.17; 5,2.8.15; Phil 3,16-18; 1Th 2,12; 4,1.12; 2Th 3,11; 1Joh 1,6.7; 2,6; 2Joh 6; 3Joh 3.4). In Christus wandeln bedeutet, ein Leben zu führen, das seinem Vorbild folgt.
2,7 im Glauben. Damit ist im objektiven Sinn die Wahrheit der christlichen Lehre gemeint. Geistliche Reife entwickelt sich aufwärts und beginnt bei der Grundlage biblischer Wahrheit, wie sie von den Aposteln gelehrt und überliefert wurde. Vgl. 3,16. Gläubige sollten in gesunder Lehre gewurzelt, auferbaut und gefestigt sein (vgl. 1Tim 4,6; 2Tim 3,16.17; Tit 2,1).
2,8 beraubt. Dieses Wort bedeutet »wegführen« und warnt vor den Irrlehrern, die erfolgreich Gläubige von Lügen überzeugen und sie so der Wahrheit, des Heils und des Segens berauben. Philosophie und leeren Betrug. »Philosophie« (wörtl. »Weisheitsliebe«) kommt nur hier im NT vor. Das Wort bedeutet nicht nur das akademische Fach, sondern beschreibt jede Theorie über Gott, die Welt oder den Sinn des Lebens. Die Anhänger der Irrlehre von Kolossä nannten ihre angeblich höhere Erkenntnis »Philosophie«. Paulus setzt die Philosophie der Irrlehrer jedoch gleich mit »leerem Betrug«, d.h. wertloser Irreführung. Vgl. 1Tim 6,20; s. Anm. zu 2Kor 10,5. Grundsätzen der Welt. S. Anm. zu V. 20; Gal 4,3. Die Lehren der Irrlehrer waren alles andere als fortschrittlich, nämlich trivial und unreif wie alle anderen Spekulationen, Ideologien, Philosophien und Psychologien, die das gefallene satanische und menschliche System erfi ndet.
2,9 Fülle der Gottheit. Christus besitzt die Fülle des Wesens und der Eigenschaften Gottes (s. Anm. zu 1,19; Joh 1,14-16). leibhaftig. In der gr. Philosophie war die Materie böse und der Geist gut. Deshalb war es undenkbar, dass Gott jemals einen menschlichen Körper annehmen könnte. Um diese Irrlehre zu widerlegen, betonte Paulus die Realität von Jesu Fleischwerdung. Jesus war nicht nur völlig Gott, sondern auch völlig Mensch. S. Anm. zu Phil 2,5-11.
2,10 zur Fülle gebracht in ihm. S. Anm. zu V. 3.4; vgl. Joh 1,16; Eph
1,3 Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Mit Hilfe die- ser Bezeichnung hat man häufi g dargelegt, dass Jesus wesensgleich ist mit Gott, so wie jeder wahre Sohn wesensgleich mit seinem Vater ist. Der Ausdruck ist eine Bekräftigung der Gottheit Christi (vgl. Röm 15,6; 2Kor 1,3; 11,13; Eph 1,3; 3,14; 1Pt 1,3). 1,3 im Licht. Mit »Licht« beschreibt die Bibel intellektuell gesehen göttliche Wahrheit (Ps 119,130) und moralisch gesehen göttliche Reinheit (Eph 5,8-14; 1Joh 1,5). Das Erbe der Heiligen existiert im geistlichen Reich der Wahrheit und Lauterkeit. Dort wohnt Gott selbst (1Tim 6,16). Daher ist Licht auch ein Synonym für das Reich Gottes. Vgl. Joh 8,12; 2Kor 4,6; Offb 21,23; 22,5. 1,3 Das gr. Wort für »Ebenbild« ist eikon, wovon das dt. Wort »Ikone« abstammt. Es bedeutet »Kopie« oder »Abbild«. Jesus Christus ist das vollkommene Bild – das exakte Abbild – Gottes. Er war von aller Ewigkeit her in der Gestalt Gottes selbst (Phil 2,6; vgl. Joh 1,14; 14,9). Mit dieser Beschreibung Jesu betont Paulus, dass Christus sowohl die Repräsentation als auch die Offenbarung Gottes ist. Von daher ist er in jeder Hinsicht völlig Gott (vgl. 2,9; Joh 8,58; 10,30-33; Hebr 1,8). der Erstgeborene, der über alle Schöpfung ist. Vgl. V. 18. Das gr. Wort für »Erstgeboren« kann sich auf jemanden beziehen, der zeitlich als erster geboren wurde, doch in den meisten Fällen bezeichnet es eine vorrangige Stellung oder einen höheren Rang (s. Anm. zu Hebr 1,6; vgl. Röm 8,29). Sowohl in der gr. als auch in der hebr. Kultur war der Erstgeborene der vorrangige Sohn, der von seinem Vater das Erbrecht empfi ng, ob er nun als erster geboren war oder nicht. Dieser Begriff wird für Israel verwendet, das zwar nicht zeitlich die erste Nation, aber die vorrangige Nation war (vgl. 2Mo 4,22; Jer 31,9). In diesem Zusammenhang bedeutet Erstgeborener eindeutig nicht »geschaffen«, sondern »von höchstem Rang« (vgl. Ps 89,28; Offb 1,5), und das aus mehreren Gründen: 1.) Christus kann nicht zugleich der »Erstgeborene« und »Ein-geborene« sein (vgl. Joh 1,14.18; 3,16.18; 1Joh 4,9); 2.) wenn der »Erstgeborene« zu einer Gruppe gehört, steht diese Gruppe im Plural (vgl. V. 18; Röm 8,29), doch die Bezugsgruppe hier ist die »Schöpfung« – und die steht im Singular; 3.) wenn Paulus lehrte, Christus sei ein erschaffenes Wesen, stimmte er damit der Irrlehre zu, die er mit dem Brief widerlegen wollte; und 4.) kann Christus unmöglich geschaffen und zugleich der Schöpfer von allem sein (V. 16). Deshalb ist Jesus der Erstgeborene im Sinne der Vorrangstellung (V. 18) und besitzt das Erbrecht »über aller Schöpfung« (vgl. Hebr 1,2; Offb 5,1-7.13). Er existierte vor der Schöpfung und steht in seinem Rang über ihr. S. Anm. zu Ps 2,7; Röm 8,29. 1,3 Gläubige haben in Christus alles, was sie brauchen, sowohl von ihrer Stellung her durch die zugerechnete vollkommene Gerechtigkeit Christi (s. Anm. zu 1,22), als auch volles Genüge in allen himmlischen Gütern, die zur geistlichen Reife führen (s. Anm. zu 2Pt 1,3.4). das Haupt jeder Herrschaft und Gewalt. Jesus Christus ist der Schöpfer und Herrscher des Universums und aller geistlichen Wesen (s. Anm. zu 1,16), und kein Gott unterordnetes Wesen, das von Gott ausgestrahlt wird, wie die Irrlehrer von Kolossä behaupteten (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
2,11 einer Beschneidung, die nicht von Menschenhand ge- schehen ist. S. Anm. zu Beschneidung in 1Mo 17,11. Die Beschneidung symbolisierte, dass der Mensch ein gereinigtes Herz braucht (vgl. 5Mo 10,16; 30,6; Jer 4,4; 9,26; Apg 7,51; Röm 2,29). Sie war das äußere Zeichen für diese Reinigung von Sünde, die durch Glauben an Gott geschieht (Röm 4,11; Phil 3,3). Bei ihrer Errettung unterziehen sich die Gläubigen einer geistlichen »Beschneidung«, nämlich »durch das Ablegen des fl eischlichen Leibes der Sünden« (vgl. Röm 6,6; 2Kor 5,17; Phil 3,3; Tit 3,5). Das ist die neue Geburt, die neue Schöpfung, bei der Bekehrung. Jetzt ist die Wassertaufe des Gläubigen die äußerliche Bekräftigung der bereits vollzogenen inneren Umgestaltung (Apg 2,38).
2,13 tot wart in den Übertretungen. S. Anm. zu Eph 2,1.5. Sie wa- ren so gefangen in der Sphäre der Sünde, der Welt (Eph 2,12), des Fleisches (Röm 8,8) und des Teufels (1Joh 5,19), dass sie nicht imstande waren, auf geistliche Signale zu reagieren; ihnen fehlte jedes geistliche Leben. Paulus defi niert diesen Zustand der Unerretten in 1Kor 2,14; Eph 4,17-19; Tit 3,3. mit ihm lebendig gemacht. S. Anm. zu Eph 2,1.5. Nur durch Vereinigung mit Jesus Christus (V. 10-12) können diese Menschen, die in ihren Sünden geistlich hoffnungslos tot sind, ewiges Leben empfangen (vgl. Eph 2,5). Man beachte, dass Gott die Initiative ergreift und seine lebensspendende Macht ausübt, um den Sünder zu erwecken und mit seinem Sohn zu vereinen. Die geistlich Toten können sich nicht selbst lebendig machen (vgl. Röm 4,17; 2Kor 1,9). alle Übertretungen vergab. Vgl. 1,14. Dass Gott schuldigen Sündern, die ihren Glauben auf Jesus Christus richten, ohne Gegenleistung (Röm 3,24) und vollständig (Röm 5,20; Eph 1,7) vergibt, ist die wichtigste Realität der Bibel (vgl. Ps 32,1; 130,3.4; Jes 1,18; 55,7; Mi 7,18; Mt 26,28; Apg 10,43; 13,38.39; Tit 3,4-7; Hebr 8,12).
2,14 Schuldschrift ausgelöscht. Das gr. Wort für »Schuldschrift« bezeichnet einen handschriftlichen Schuldschein, mit dem ein Schuldner seine Verschuldung anerkannte. Alle Menschen (Röm 3,23) schulden Gott eine unbezahlbare Schuld, weil sie sein Gesetz übertreten haben (Gal 3,10; Jak 2,10; vgl. Mt 18,23-27) und stehen daher unter dem Todesurteil (Röm 6,23). Paulus vergleicht Gottes Vergebung anschaulich mit dem Löschen von Tinte von einem Pergament. Durch Christi Opfertod am Kreuz hat Gott unseren Schuldschein ganz getilgt und uns völlig vergeben. ans Kreuz heftete. Noch ein weiteres Bild für Vergebung. Bei einem gekreuzigten Verbrecher nagelte man die Liste seiner Vergehen an sein Kreuz. So wurden die Verstöße bekannt gegeben, für die er bestraft wurde (so war es auch bei Jesus, s. Mt 27,37). Die Sünden der Gläubigen wurden allesamt Christus zur Last gelegt und an sein Kreuz genagelt. Er erlitt die Strafe an ihrer Stelle für alle Gläubigen und stillte somit völlig den Zorn Gottes gegen die Missetaten, die Gottes Strafe verdienen.
2,15 Herrschaften und Gewalten. S. Anm. zu 1,16. Während sein Körper tot war, ging sein lebendiger, göttlicher Geist tatsächlich in den Aufenthaltsort der Dämonen und verkündete seinen Sieg über Sünde, Satan, Tod und Hölle. S. Anm. zu 1Pt 3,18.19. entwaffnet. Als ein weiteres Element des Werkes am Kreuz erklärt Paulus, dass das Kreuz der letztendliche Urteilsspruch über Satan und seine bösen Heerscharen gefallener Engel war (vgl. 1Mo 3,15; Joh 12,31; 16,11; Hebr 2,14). stellte er sie öffentlich an den Pranger und triumphierte über sie. Das ist das Bild eines siegreichen römischen Feldherrn, der seine besiegten Feinde bei einer Parade in den Straßen von Rom vorführt (s. Anm. zu 2Kor 2,14-16). Christus errang am Kreuz den Sieg über die dämonischen Heerscharen; dort am Kreuz wurden ihre Versuche, Gottes Heilsplan zu vereiteln, endgültig zunichte gemacht. Weitere Einzelheiten über dieses Bild des Triumphes s. Anm. zu 2Kor 2,14-16.
2,16 Paulus warnte die Kolosser davor, ihre Freiheit in Christus einzutauschen gegen eine Liste nutzloser, von Menschen gemachter, gesetzlicher Regeln (vgl. Gal 5,1). Gesetzlichkeit hat keine Kraft, um zu retten oder über Sünde zu siegen. 2,16 Speise oder Trank. Die Irrlehrer versuchten, eine Art Speise- gesetze aufzuerlegen, die wahrscheinlich auf den mosaischen Gesetzen gründeten (vgl. 3Mo 11). Da die Kolosser jedoch unter dem Neuen Bund standen (wie alle Christen), waren sie nicht verpfl ichtet, die Speisevorschriften des ATs zu beachten (vgl. Mk 7,14-19; Apg 10,9-15; Röm 14,17; 1Kor 8,8; 1Tim 4,1-5; Hebr 9,9.10). Feiertage. Die alljährlichen religiösen Feste des jüdischen Kalenders (z.B. Passah, Pfi ngsten oder Laubhütten; vgl. 3Mo 23). Neumondfeste. Das monatliche Opfer, das am ersten Tag jeden Monats dargebracht wurde (4Mo 10,10; 28,11-14; Ps 81,4). Sabbate. Die wöchentliche Feier des siebten Tages, ein Bild für Gottes Ruhe von der Schöpfung. Das NT lehrt eindeutig, dass Christen den Sabbat nicht zu halten brauchen (s. Anm. zu Apg 20,7; Röm 14,5.6).
2,17 Schatten … Wesen. Die zeremoniellen Aspekte des alttesta- mentlichen Gesetzes (Speisevorschriften, Feste, Opfer) waren nur Schattenbilder, die auf Christus hindeuteten. Da Christus, das Original, nun gekommen ist, haben die Schattenbilder keinen Wert mehr. Vgl. Hebr 8,5; 10,1.
2,18 um den Kampfpreis bringt. Paulus warnt die Kolosser, sie sollten es nicht zulassen, dass die Irrlehrer sie ihrer zeitlichen Segnungen oder ihres ewigen Lohnes beraubten (vgl. 2Joh 8), indem sie die Gläubigen zu einem irrationalen Mystizismus verführten. Demut. Da sich die Irrlehrer ihrer »Demut« rühmten, war diese Demut in Wirklichkeit Stolz, den Gott hasst (Spr 6,16.17). Verehrung von Engeln. Der Beginn einer Irrlehre, die die Region von Kolossä mehrere Jahrhunderte und noch länger plagen sollte. Die Bibel verbietet diese Praxis eindeutig (Mt 4,10; Offb 19,10; 22,8.9). die er nicht gesehen hat. Wie praktisch alle Sekten und falschen Religionen begründeten auch die Irrlehrer von Kolossä ihre Lehre auf Visionen und Offenbarungen, die sie angeblich empfangen hatten. Das waren falsche Behauptungen, denn Jesus Christus ist Gottes endgültige und vollständige (s. Anm. zu V. 3.4) Offenbarung an die Menschheit (Hebr 1,1.2). fl eischlichen Gesinnung. S. Anm. zu Röm 8,6. Eine Beschreibung des Nichtwiedergeborenen, die in Eph 4,17-19 näher defi niert wird.
2,19 Vgl. 1,18; s. Anm. zu Eph 4,15.16. Ohne das Haupt, Chris- tus, gibt es kein geistliches Wachstum für den Leib (vgl. Joh 15,4.5; 2Pt 1,3).
2,20 mit Christus … gestorben seid. Das bezieht sich auf die Ver- einigung des Gläubigen mit Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung (s. Anm. zu Röm 6,1-11), wodurch er von aller weltlichen Torheit befreit und zu neuem Leben umgestaltet worden ist. Grundsätzen. S. Anm. zu V. 8. Dasselbe wie die »Weisungen und Lehren der Menschen« (V. 22).
2,21 Diese Verse verdeutlichen, wie nutzlos Askese ist. Sie ist nichts als der Versuch, Heiligkeit zu erlangen durch strenge Selbstverachtung (V. 23), Selbstverleugnung (V. 21) und sogar Selbstkasteiung. Da die Askese sich konzentriert auf zeitliche Dinge, die »doch alle durch den Gebrauch der Vernichtung anheim fallen«, hat sie keine Kraft zum Sieg über die Sünde und kann nicht zu Gott führen. Während vernünftige Körperpfl ege und -disziplin einen gewissen zeitlichen Wert haben (1Tim 4,8), sind sie für die Ewigkeit jedoch wertlos. Extreme Askese dient nur zur Befriedigung des Fleisches. Allzu oft wollen Asketen mit ihrer angeblichen Heiligkeit nur öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen (Mt 6,16-18).
3,1 Wenn. Die bessere Übersetzung wäre »weil«. auferweckt. Die- ses Wort bedeutet eigentlich »mit-auferstanden«. Aufgrund ihrer Vereinigung mit Christus wurden die Gläubigen bei ihrer Bekehrung geistlich in seinen Tod und seine Auferstehung hineingenommen (s. Anm. zu Röm 6,3.4; Gal 2,20) und sind jetzt lebendig in ihm. So können sie geistliche Wahrheiten, Tatsachen, Segnungen und den Willen Gottes verstehen. Diese glorreichen Segnungen (vgl. Eph 1,3) sind die Vorrechte und Reichtümer des himmlischen Reiches und stehen uns allesamt zur Verfügung. Paulus nannte sie »das, was droben ist«. Für ein besseres Verständnis, worum es sich dabei handelt, s. Anm. zu 2,3. sitzend zur Rechten Gottes. Die Stellung der Ehre und Majestät (vgl. Ps 110,1; Lk 22,69; Apg 2,33; 5,31; 7,56; Eph 1,20; Hebr 1,3; 8,1; 1Pt 3,22), die Christus als erhöhter Sohn Gottes genießt (s. Anm. zu Phil 2,9). Aufgrund dieser Erhöhung ist er die Quelle des Segens für sein Volk (Joh 14,13.14; vgl. 2Kor 1,20).
3,2 Trachtet. Das kann auch übersetzt werden mit »denkt an« oder »habt diese innere Veranlagung«. So wie ein Kompass nach Norden zeigt, sollte der Gläubige mit seiner ganzen Veranlagung auf die himmlischen Dinge ausgerichtet sein. Der Gläubige kann nur dann himmlisch denken, wenn er die himmlische Realität anhand der Bibel versteht (vgl. Röm 8,5; 12,2; Phil 1,23; 4,8; 1Joh 2,15-17; s. Anm. zu Mt 6,33).
3,3 ihr seid gestorben. S. Anm. zu Röm 6,1-11; 2Kor 5,17; Gal 6,14. Die Zeitform des Verbs zeigt an, dass in der Vergangenheit ein Tod stattfand, nämlich beim Tod Jesu Christi, als die Gläubigen mit Christus vereint wurden, ihre Sündenschuld bezahlt wurde und sie mit ihm in einem neuen Leben auferstanden. verborgen mit dem Christus in Gott. Dieser reichhaltige Ausdruck hat eine dreifache Bedeutung: 1.) Das geistliche Leben der Gläubigen haben sie gemeinsam mit dem Vater und dem Sohn (1Kor 6,17; 2Pt 1,4); 2.) die Welt kann die volle Bedeutung des neuen Lebens des Gläubigen nicht verstehen (Röm 8,19; 1Kor 2,14; 1Joh 3,2); und 3.) Gläubige sind ewig sicher, vor allen geistlichen Feinden geschützt und haben Zugang zu allen Segnungen Gottes (Joh 10,28; Röm 8,31-39; Hebr 7,25; 1Pt 1,4).
3,4 Ein »Geheimnis« ist eine bisher verborgene Wahrheit, die im NT zum ersten Mal den Gläubigen offenbart wird. Zu diesen Wahrheiten gehört das Geheimnis des fl eischgewordenen Gottes (2,2.3.9), des Unglaubens Israels (Röm 11,25), der Gesetzlosigkeit (2Th 2,7), der Einheit von Juden und Heiden in der Gemeinde (Eph 3,3-6) sowie der Entrückung der Gemeinde (1Kor 15,51). In diesem Abschnitt wird das Geheimnis in V. 27 näher identifi ziert. 3,4 Wenn der Christus … offenbar werden wird. Bei seiner Wie- derkunft (vgl. Offb 19,11-13.15.16).
3,5 Tötet. S. Anm. zu Röm 8,13; vgl. Sach 4,6; Eph 5,18; 6,17; 1Joh
2,14 Schuldschrift ausgelöscht. Das gr. Wort für »Schuldschrift« bezeichnet einen handschriftlichen Schuldschein, mit dem ein Schuldner seine Verschuldung anerkannte. Alle Menschen (Röm 3,23) schulden Gott eine unbezahlbare Schuld, weil sie sein Gesetz übertreten haben (Gal 3,10; Jak 2,10; vgl. Mt 18,23-27) und stehen daher unter dem Todesurteil (Röm 6,23). Paulus vergleicht Gottes Vergebung anschaulich mit dem Löschen von Tinte von einem Pergament. Durch Christi Opfertod am Kreuz hat Gott unseren Schuldschein ganz getilgt und uns völlig vergeben. ans Kreuz heftete. Noch ein weiteres Bild für Vergebung. Bei einem gekreuzigten Verbrecher nagelte man die Liste seiner Vergehen an sein Kreuz. So wurden die Verstöße bekannt gegeben, für die er bestraft wurde (so war es auch bei Jesus, s. Mt 27,37). Die Sünden der Gläubigen wurden allesamt Christus zur Last gelegt und an sein Kreuz genagelt. Er erlitt die Strafe an ihrer Stelle für alle Gläubigen und stillte somit völlig den Zorn Gottes gegen die Missetaten, die Gottes Strafe verdienen. 2,14 Ein bewusstes Bemühen, um die verbleibende Sünde in unserem Fleisch zu erschlagen. Unzucht. Wird auch mit »Hurerei« übersetzt und bezeichnet jede Art sexueller Sünde (s. Anm. zu Gal 5,19; vgl. 1Th 4,3). Unreinheit. Dieser Begriff ist umfassender als sexuelle Tatsünden und umfasst auch böse Gedanken und Absichten (s. Anm. zu Gal 5,19; vgl. Mt 5,28; Mk 7,21.22; 1Th 4,7). Leidenschaft, böse Lust. Ähnliche Begriffe, die sexuelle Lust bedeuten. »Leidenschaft« ist die körperliche Seite dieser Unsitte und »böse Begierde« die geistige Seite (s. Anm. zu Röm 1,26; 1Th 4,5; vgl. Jak 1,15). Habsucht. Oder »Gier«; wörtl. »mehr haben«. Die unersättliche Begierde nach mehr, insbesondere nach mehr von verbotenen Dingen (vgl. 2Mo 20,17; 5Mo 5,21; Jak 4,2). die Götzendienst ist. Wenn jemand sich auf Habgier oder auf die sexuellen Sünden einlässt, die Paulus hier angeführt hat, folgt er nicht Gott, sondern seinen Begierden und betet damit im Grunde sich selbst an, und das ist Götzendienst (4Mo 25,1-3; Eph 5,3-5).
3,6 Zorn Gottes. Gottes beständige, unabänderliche Reaktion auf Sünde (s. Anm. zu Joh 3,36; Röm 1,18; Offb 11,18). Söhne des Ungehorsams. S. Anm. zu Eph 2,2. Dieser Ausdruck benennt Ungläubige nach dem Wesen und Charakter der ungehorsamen, rebellischen Sündhaftigkeit, die sie lieben. 3,7 einst gewandelt. Vor ihrer Bekehrung (vgl. Eph 2,1-5; Tit 3,3.4). 3,8 legt … ab. Ein gr. Wort für das Ausziehen von Kleidung (vgl. Apg 7,58; Röm 13,12-14; 1Pt 2,1). Wie jemand, der am Ende des Tages seine schmutzige Kleidung auszieht, so müssen Gläubige die dreckigen Kleider ihres alten, sündigen Lebens ablegen. Zorn. Eine tiefe, schwelende Bitterkeit; die beständige Herzenshaltung einer nicht vergebungsbereiten Person (vgl. Eph 4,31; Jak 1,19.20). Wut. Im Gegensatz zu Gottes feststehendem und gerechtem Zorn (s. Anm. zu Röm 1,18), ist diese Wut ein plötzlicher Ausbruch sündigen Zorns und gewöhnlich ein »Wutausbruch« (s. Anm. zu Gal 5,20; vgl. Lk 4,28; Apg 19,28; Eph 4,31). Bosheit. Von einem gr. Begriff für allgemeines moralisches Übel. Hier bezeichnet es wahrscheinlich den Schaden, der durch üble Rede angerichtet wird (vgl. 1Pt 2,1). Lästerung. Das ist die normale Übersetzung, wenn sich die Lästerung gegen Gott richtet. Da es hier jedoch um üble Nachrede gegen Menschen geht, wäre »Verleumdung« die bessere Übersetzung. Über Menschen schlecht zu reden, ist jedoch auch Gotteslästerung (Jak 3,9; vgl. Mt 5,22; Jak 3,10).
3,9 ausgezogen … angezogen. S. Anm. zu V. 8; Eph 4,24.25. Diese Worte sind die Grundlage für den Befehl aus V. 8. Weil der alte Mensch mit Christus gestorben ist und der neue Mensch in Christus lebt – denn das ist die Tatsache der neuen Schöpfung bzw. Wiedergeburt (2Kor 5,17) –, müssen Gläubige verbleibende sündige Taten ablegen und ständig zur Christusähnlichkeit erneuert werden, zu der sie berufen sind. 3,9 alten Menschen. Das alte, nicht wiedergeborene Ich, das seinen Ursprung in Adam hat (s. Anm. zu Röm 5,12-14; 6,6; vgl. Eph 4,22). 3,10 neuen (Menschen). Das neue, wiedergeborene Ich, das den alten Menschen ersetzt; es ist das Wesen dessen, was Gläubige in Christus sind (vgl. Eph 4,17; 5,1.8.15). Der Grund, weshalb Gläubige immer noch sündigen, ist ihr unerlöstes Fleisch (s. Anm. zu Röm 6,6.12; 7,5). erneuert. S. Anm. zu 2Kor 4,16; vgl. Röm 12,2; 2Kor 3,18. Dieses gr. Verb vermittelt den Gedanken an einen Gegensatz zur früheren Wirklichkeit. Es beschreibt eine neue Qualität von Leben, die es vorher niemals gab (vgl. Röm 12,2; Eph 4,22). Genau wie ein Säugling als vollständiger, aber unreifer Mensch geboren wird, so ist der neue Mensch in sich vollständig, muss aber noch wachsen. Erkenntnis. S. Anm. zu 1,9. Eine tiefe, gründliche Einsicht über Gott, ohne die es kein bewusstes geistliches Wachstum und keine praktische Erneuerung geben kann (2Tim 3,16.17; 1Pt 2,2). Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat. Gott beabsichtigt, dass Gläubige schrittweise immer mehr wie ihr Schöpfer Jesus Christus werden (vgl. Röm 8,29; 1Kor 15,49; 1Joh 3,2). S. Anm. zu Phil 3,12-14.19.20.
3,11 So wie der einzelne Gläubige seine alten, sündigen Gewohn- heiten ablegen muss, so muss der Leib Christi seine Einheit erkennen und die alten, völkertrennenden Barrieren abbrechen (vgl. Gal 3,28; Eph 2,15). Grieche. Ein Heide oder Nichtjude (s. Anm. zu Röm 1,14). Jude. Ein Nachkomme Abrahams über Isaak (s. Anm. zu Röm 2,17). Barbar. S. Anm. zu Röm 1,14. Skythe. Ein antikes nomadisches und kriegerisches Volk, das im 7. Jhdt. v.Chr. einfi el. Die Skythen waren für ihre Wildheit bekannt und unter allen so genannten Barbaren die gehasstesten und gefürchtetsten. Knecht, Freier. Schon immer existierte eine soziale Barriere zwischen Sklaven und Freien; Aristoteles bezeichnete Sklaven als »lebendige Werkzeuge«. Doch der Glaube an Christus hob die Trennung auf (1Kor 12,13; Gal 3,28; vgl. Phim 6). alles und in allen Christus. Weil Jesus Christus der Retter aller Gläubigen ist, ist er zugleich der Herr von allen.
3,12 Zieht … an. S. Anm. zu V. 9.10. nun. In Anbetracht dessen, was Gott durch Jesus Christus für den Gläubigen getan hat, beschreibt Paulus das Verhalten und die Gesinnung, die Gott als Reaktion darauf erwartet (V. 12-17). Gottes Auserwählte. Wahre Christen werden hier als von Gott auserwählt bezeichnet. Niemand bekehrt sich allein aufgrund seiner eigenen Entscheidung, sondern nur als Reaktion auf Gottes wirksame, freie, unbeeinfl usste und souveräne Gnade (s. Anm. zu Joh 15,16; Röm 8,29; 9,10-24; Eph 1,4; 2Th 2,13; 2Tim 1,8.9; 1Pt 1,1.2; vgl. Apg 13,46-48; Röm 11,4.5). Geliebte. Erwählung bedeutet, dass die Gläubigen der Gegenstand von Gottes unbegreifl icher, besonderer Liebe sind (vgl. Joh 13,1; Eph 1,4.5). herzliches Erbarmen. Wörtl. »Eingeweide des Erbarmens«. Das ist ein Hebraismus, der bildhaft auf die inneren Organe als Sitz der Gefühle anspielt (vgl. Mt 9,36; Lk 6,36; Jak 5,11). Freundlichkeit. Güte gegenüber anderen, die die gesamte Person prägt und alle harten Seiten vergehen lässt (vgl. Mt 11,29.30; Lk 10,25-37). Demut. S. Anm. zu Röm 12,3.10; Phil 2,3; vgl. Mt 18,4; Joh 13,14-16; Jak 4,6.10. Das vollkommene Gegenmittel für Selbstliebe, die die zwischenmenschlichen Beziehungen vergiftet. Sanftmut. S. Anm. zu Mt 5,5, Gal 5,23. Wird manchmal mit »Milde« übersetzt; es ist die Bereitschaft, ein Unrecht oder eine Verletzung zu erleiden, anstatt anderen so etwas zuzufügen. Langmut. S. Anm. zu 1,11; vgl. Röm 2,4. Wird auch mit »Geduld« übersetzt und ist das Gegenteil von aufgebrachter Wut, Groll oder Rache und entspricht daher dem Bild Jesu Christi (1Tim 1,16; vgl. 2Pt 3,15). Diese Charaktereigenschaft erduldet Unrecht und schwierige Umstände in der Hoffnung auf künftige Erleichterung. Dies alles wird sonst als Erklärung für »Ausharren, hypomene« gesagt. Langmut ist der lange Atem dessen, der weiß, dass er auf der Seite des Rechts ist. Wörtlich heißt makrothymia: fern vom Zorn sein, also gnädig mit der Schwäche der anderen umgehen.
3,13 gleichwie Christus euch vergeben hat. S. Anm. zu Mt 18,23-35; Eph 4,32. Weil Christus als Vorbild der Vergebung alle unsere Sünden vollkommen vergeben hat (1,14; 2,13.14), müssen Gläubige bereit sein, anderen zu vergeben.
3,14 das Band der Vollkommenheit. Eine bessere Übersetzung wäre »vollkommenes Band der Einheit« (s. Anm. zu Eph 4,3; Phil 1,27; 2,2). Übernatürliche Liebe, ausgeschüttet in die Herzen der Gläubigen, ist der Klebstoff der Gemeinde. Vgl. Röm 5,5; 1Th 4,9.
3,15 der Friede Gottes. Das gr. Wort »Friede« bezieht sich hier sowohl auf Gottes Ruf zum Heil und auf den sich daraus ergebenden Frieden mit ihm (s. Anm. zu Röm 5,1) als auch auf die Einstellung der Gelassenheit bzw. Sicherheit (Phil 4,7) des Gläubigen, die er aufgrund dieses ewigen Friedens hat.
3,16 Wort des Christus. Die vom Heiligen Geist inspirierte Schrift, das Wort der Offenbarung, das er in die Welt gebracht hat. reichlich in euch wohnen. S. Anm. zu Eph 5,18. »Wohnen« bedeutet »darin leben« oder »zu Hause sein«, und »reichlich« kann besser übersetzt werden mit »überströmend« oder »als großer Reichtum«. Die Bibel sollte jeden Aspekt des Lebens des Gläubigen durchdringen und jeden Gedanken beherrschen, jedes Wort und jede Tat (vgl. Ps 119,11; Mt 13,9; Phil 2,16; 2Tim 2,15). Das ist ein paralleles Konzept zum Erfülltsein mit Heiligem Geist in Eph 5,18, denn bei beiden ist das Ergebnis dasselbe. In Eph
5,18 ist die Kraft und Motivation zu dieser Wirkung das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist; hier ist es das Wort Gottes, das reichlich im Gläubigen wohnt. Diese beiden Tatsachen sind in Wirklichkeit ein und dasselbe. Der Heilige Geist erfüllt den Gläubigen, der von seinem Wort beherrscht ist. Das verdeutlicht, dass das Erfülltsein mit Heiligem Geist keine ekstatische oder emotionale Erfahrung ist, sondern das ständige Beherrschtwerden durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit des Wortes Gottes. Psalmen und Lobgesängen. S. Anm. zu Eph 5,19.
3,17 tut alles im Namen des Herrn Jesus. Das bedeutet einfach, im Einklang mit seinem Wesen und seinem Willen zu handeln (s. Anm. zu 1Kor 10,31).
5,18 ist die Kraft und Motivation zu dieser Wirkung das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist; hier ist es das Wort Gottes, das reichlich im Gläubigen wohnt. Diese beiden Tatsachen sind in Wirklichkeit ein und dasselbe. Der Heilige Geist erfüllt den Gläubigen, der von seinem Wort beherrscht ist. Das verdeutlicht, dass das Erfülltsein mit Heiligem Geist keine ekstatische oder emotionale Erfahrung ist, sondern das ständige Beherrschtwerden durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit des Wortes Gottes. Psalmen und Lobgesängen. S. Anm. zu Eph 5,19. 3,18 Paulus erläutert nun die zwischenmenschlichen Beziehun- gen des neuen Menschen. Dieser Abschnitt ist außerdem eine kurze Parallele zu Eph 5,19-6,9 (s. Anm. dort). 3,18 ordnet euch … unter. S. Anm. zu Eph 5,22-24., das heißt, dass man sich willentlich jemanden oder einer Sache unterstellt (vgl. Lk 2,51; 10,17.20; Röm 8,7; 13,1.5; 1Kor 15,27.28; Eph 1,22).
3,19 liebt. S. Anm. zu Eph 5,25-29. Ein Aufruf zur höchsten, selbst- losen Art von Liebe (vgl. 1Mo 24,67; Eph 5,22-28; 1Pt 3,7). seid nicht bitter. Die Form dieses gr. Verbs wird besser übersetzt mit »hört auf, bitter zu sein«, oder »habt nicht die Gewohnheit, bitter zu sein«. Ehemänner dürfen zu ihren Frauen niemals grob sein oder ihre körperliche Überlegenheit und ihre größere emotionale Unabhängigkeit, ihre Lieblosigkeit, ausspielen.
3,20 in allem. S. Anm. zu Eph 6,1-3. Der Gehorsam des Kindes gegenüber seinen Eltern hat nur dann eine Grenze, wenn die Eltern etwas verlangen, das gegen Gottes Wort verstößt. Beispielsweise handeln manche Kinder zurecht entgegen dem Willen ihrer Eltern, wenn sie sich zu Christus bekehren (vgl. Lk 12,51-53; 14,26).
3,21 erbittert. S. Anm. zu Eph 6,4. Dies Wort kann auch übersetzt werden mit »ärgert« oder »provoziert nicht« und hat den Beiklang, Kinder nicht zornig oder verstockt zu machen oder zu reizen.
3,22 S. Anm. zu Eph 6,5-9; s. Einleitung zum Philemonbrief: Historische und lehrmäßige Themen. Paulus tritt für die Pfl ichten von Sklaven und Herren ein. Die heutige Parallele wären die Pfl ichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Bibel spricht sich nirgends für Sklaverei aus, anerkennt sie aber als Element der antiken Gesellschaft. Die Sklaverei hätte positiver sein können, wenn Sklaven und Herren angemessen miteinander umgegangen wären. Hier folgte Paulus dem Vorbild Jesu und verwendet Sklaverei als eine Veranschaulichung für geistliche Dinge. Er beschreibt den Gläubigen als einen Sklaven und Diener Jesu Christi und sieht den Dienst für einen irdischen Herrn als eine Möglichkeit, dem Herrn Jesus zu dienen. 3,22 Knechte. Wörtl. Sklaven (s. Anm. zu Röm 1,1). Augendienerei. S. Anm. zu Eph 6,6. D.h. man arbeitet nur, wenn der Chef zuschaut und bedenkt nicht, dass der Herr Jesus immer zuschaut und dass unsere Arbeit ihn betrifft (V. 23.24). Vgl. 1Tim 6,1.2; Tit 2,9.10; 1Pt 2,18-21.
3,24 zum Lohn das Erbe. S. Anm. zu Eph 6,8. Der Herr Jesus si- chert dem Gläubigen zu, dass er eine gerechte, ewige Entschädigung für seine Mühen bekommen wird (vgl. Offb 20,12.13), auch wenn sein irdischer Chef oder Herr ihn nicht gerecht bezahlt (V. 25). Mit Gehorsam und Ungehorsam verfährt Gott unparteiisch (vgl. Apg 10,34; Gal 6,7). Christen sollen ihren Glauben nicht als Vorwand benutzen, um Ungehorsam gegenüber einer Autorität oder einem Vorgesetzten zu rechtfertigen (vgl. Phim 18).
4,1 Herren. S. Anm. zu Eph 6,9.
4,2 Seid ausdauernd. Das gr. Wort bedeutet »anhalten« oder »mit Wachsamkeit festhalten« und beschreibt hier ein beständiges Gebetsleben (Apg 1,14; Röm 12,12; Eph 6,18; 1Th 5,17; vgl. Lk 11,5-10; 18,18). wacht. Das bedeutet im allgemeinsten Sinn, beim Beten wach zu bleiben. Doch Paulus denkt an die weitergehende Bedeutung, wachsam zu sein für besondere Anliegen, für die man beten sollte und nicht unkonkret und vage zu beten. Vgl. Mt 26,41; Mk 14,38; Lk 21,36. 4,3 eine Tür. Eine Gelegenheit (1Kor 16,8.9; 2Kor 2,12). das Geheimnis des Christus. S. Anm. zu 1,26.27; 2,2.3.
4,5 denen … die außerhalb. Ungläubige. S. Anm. zu Eph 5,15.16. Gläubige sollen so leben, dass sie ein Zeugnis für die Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens sind. Sie sollen aus jeder evangelistischen Gelegenheit das Beste herausholen.
4,6 in Gnade. Das reden, was geistlich ist, nützlich, angemessen, freundlich, aufmerksam, sinnvoll, lobend, milde, wahr, liebevoll und gut durchdacht (s. Anm. zu Eph 4,29-31). mit Salz gewürzt. So wie Salz nicht nur würzt, sondern auch vor Verderbnis bewahrt, so soll die Sprache des Christen nicht nur ein Segen für andere sein, sondern auch einen reinigenden Einfl uss auf die verfallende Gesellschaft dieser Welt ausüben.
4,7 Tychikus. Der Name bedeutet »Glückskind« oder »Glücklicher«. Er war einer der heidnischen Bekehrten, die Paulus als Vertreter der heidenchristlichen Gemeinden mit nach Jerusalem nahm (Apg 20,4). Er war ein zuverlässiger Begleiter des Paulus und ein talentierter Leiter, da er bei mehreren Gelegenheiten als Ersatz für Titus und Timotheus erwähnt wird (2Tim 4,12; Tit 3,12). Er war dafür verantwortlich, Paulus’ Briefe an die Kolosser, Epheser (Eph 6,21) und an Philemon zu überbringen (V. 9).
4,9 Onesimus. Der weggelaufene Sklave, dessen Rückkehr zu sei- nem Herrn die Grundlage für Paulus’ Brief an Philemon war (s. Einleitung zum Philemonbrief: Hintergrund und Umfeld). 4,10 Aristarchus. Der gr. Name eines Juden (vgl. V. 11), der gebürtig aus Thessalonich stammte (Apg 20,4; 27,2). Er war einer von Paulus’ Begleitern, die in Ephesus von der aufgebrachten Meute gepackt wurden (Apg 19,29). Außerdem begleitete er Paulus auf seiner Reise nach Jerusalem und auf seiner Romreise (Apg 27,4). Markus. S. Anm. zu Apg 13,5.13; s. Einleitung zum Markusevangelium: Autor und Abfassungszeit. Nachdem er eine Zeit lang aus Paulus’ Gunst gefallen war, wird Markus hier als einer der bedeutendsten Mitarbeiter des Paulus beschrieben (vgl. 2Tim 4,11).
4,11 Jesus, der Justus genannt wird. Möglicherweise einer der römischen Juden, die durch Paulus’ Verkündigung gläubig geworden waren (Apg 28,24). Reich Gottes. S. Anm. zu 1,13.
4,12 Epaphras. S. Einleitung: Hintergrund und Umfeld. vollkom- men und zur Fülle gebracht. Er hatte dasselbe Ziel für die Gläubigen von Kolossä wie Paulus (vgl. 1,28-2,2).
4,13 Laodizea. S. Anm. zu 2,1. Hierapolis. Eine Stadt in Phrygien gut 30 km westlich von Kolossä und 10 km nördlich von Laodizea (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld).
4,14 Lukas. Paulus’ Leibarzt und enger Freund, der ihn häufi g auf seinen Missionsreisen begleitete. Er schrieb das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte (s. Einleitung zum Lukasevangelium und zur Apostelgeschichte: Autor und Abfassungszeit). Demas. Ein Mann, der zunächst eine grundsätzliche Entschlossenheit für das Werk des Herrn zeigte, bevor er der Verlockung der Welt nachgab und Paulus und den Dienst verließ (2Tim 4,9.10; Phim 24).
4,15 Nymphas und die Gemeinde in seinem Haus. In anderen Handschriften ist der Name in weiblicher Form (Nympha) überliefert. Die Gemeinde versammelte sich in ihrem oder seinem Haus, wahrscheinlich in Laodizea.
4,16 wenn der Brief bei euch gelesen ist. Dieser Brief sollte in den Gemeinden von Kolossä und Laodizea öffentlich vorgelesen werden. den aus Laodizea. Ein weiterer Brief von Paulus, der üblicherweise als der Epheserbrief identifi ziert wird. Die ältesten Handschriften des Epheserbriefes enthalten nicht die Worte »in Ephesus«, was darauf hinweist, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach ein Rundbrief war, der sich an mehrere Gemeinden in dieser Region richtete. Womöglich
1,1 Paulus. Biografi sche Details über den einstigen Saulus von Tar- sus (Apg 9,11) sind zu fi nden unter Apg 9,1-30; 11,19-28,31; s. Anm. zu Röm 1,1. Autobiografi sches Material s. 2Kor 11,16-12,10; Gal 1,112,21; Phil 3,4-6; und 1Tim 1,12-17. Silvanus. Ein Begleiter des Paulus auf seiner zweiten Missionsreise (Apg 15-18) und später der Schreiber des Petrus (1Pt 5,12). Er wurde auch Silas genannt. Timotheus. Paulus’ bedeutendster Jünger (Phil 2,17-23), der auf der zweiten und dritten Missionsreise mitreiste und während Paulus’ erster Haftzeit in Rom in seiner Nähe blieb (Phil 1,1; Kol 1,1; Phim 1). Später diente er in Ephesus (1Tim 1,3) und verbrachte einige Zeit im Gefängnis (Hebr 13,23). Paulus schrieb seinen ersten Brief an Timotheus, als dieser in Ephesus diente, und unterwies ihn darin über das Gemeindeleben (vgl. 1Tim 3,15). Im zweiten Timotheusbrief rief Paulus ihn auf, stark zu sein (2Tim 2,1) und treu die Wahrheit zu verkündigen, da er selbst vor der Hinrichtung stand und seinen Dienst an Timotheus übertrug (2Tim 4,1-8). Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Da die ersten Bekehrten des Paulus in Thessalonich Juden waren, stellte Paulus unmissverständlich heraus, dass diese Gemeinde keine jüdische Versammlung war, sondern dass sich diese Gläubigen im Namen Jesu, des Sohnes Gottes versammelten (Apg 17,2.3), der sowohl Gott als auch Messias ist. Dieser Nachdruck darauf, dass zwischen Gott und dem Herrn Jesus kein Unterschied besteht, gehört in allen Paulusbriefen zur Einleitung (vgl. 1Joh 2,23).
1,2 unseren Gebeten. Paulus und seine Begleiter beteten häufi g für die ganze Gemeinschaft der Gläubigen. Drei seiner Gebete sind in diesem Brief enthalten (1,2.3; 3,11-13; 5,23.24).
1,3 Werk im Glauben. Die Dreierkombination von Glaube, Hoff- nung und Liebe ist ein Lieblingsthema des Paulus (5,8; 1Kor 13,13; Kol 1,4.5). Paulus spricht hier davon, dass sein Dienst erfolgreich war, was aus diesen drei geistlichen Charakterzügen hervorging (vgl. V. 9.10).
1,4 eure Auserwählung. Die Gemeinde wird häufi g als Gemein- schaft der »Erwählten« bezeichnet (vgl. Röm 8,33; Kol 3,12; 2Tim 2,10; Tit 1,1). Gott ist es, der bei der Errettung die Initiative ergreift, nicht der Mensch (vgl. Joh 1,13; Apg 13,46-48; Röm 9,15.16; 1Kor 1,30; Kol 1,13; 2Th 2,13; 1Pt 1,1.2; s. Anm. zu Eph 1,4.5). Der Wille des Menschen ist daran beteiligt, indem er auf Gottes Ruf reagiert. Paulus verdeutlicht das, wenn er schreibt, dass die Thessalonicher das Wort »aufgenommen« (V. 6) und sich von den Götzen zu Gott bekehrt haben (V. 9). Diese beiden Reaktionen werden als Glauben und Buße bezeichnet, wozu Gott den Sünder in der ganzen Bibel immer wieder aufruft (z.B. Apg 20,21).
1,5 unser Evangelium. Paulus nannte seine Botschaft »unser Evangelium«, weil es ihm und allen Sündern gegeben war, um daran zu glauben, und er hatte insbesondere den Auftrag, dies Evangelium zu verkündigen. Er wusste, dass es nicht von ihm stammte, sondern von Gott; deshalb nannte er es auch »das Evangelium Gottes« (2,2.9; Röm 1,1). Weil es der Herr Jesus ist, der Vergebung möglich macht, wird es auch als »Evangelium von Christus« bezeichnet (3,2). nicht nur im Wort. Das Evangelium musste im Wort zu ihnen kommen (vgl. Röm 10,13-17), aber nicht nur im Wort, sondern auch in der Kraft des Heiligen Geistes (vgl. 1Kor 2,4.5) und in Zuversicht (vgl. Jes 55,11). wie wir unter euch gewesen sind. Der Charakter der Prediger bestätigte die Qualität der Botschaft. Paulus’ vorbildliches Leben konnte wie ein offenes Buch von allen gelesen werden und bezeugte somit, dass die Kraft und Gnade Gottes glaubwürdig sind. Das war erforderlich, damit Sünder die Heilsbotschaft als glaubhaft annehmen konnten (s. Anm. zu 2Kor 1,12).
1,6 Nachahmer. Die Thessalonicher waren Nachahmer Christi der dritten Generation. Christus ist die erste Generation; Paulus die zweite und die Thessalonicher sind die dritte (1Kor 4,16; 11,1). Freude des Heiligen Geistes. Vgl. Röm 14,17. Freude inmitten von Leid war ein Indiz dafür, dass sie wirklich errettet waren und der Heilige Geist in ihnen wohnte (1Kor 3,16; 6,19).
1,7 Vorbilder. Das gr. Wort beschrieb ein Siegel, das in Wachs eingedrückt oder mit welchem Münzen geprägt wurden. Paulus lobte die Thessalonicher als vorbildliche Gläubige, die sich auch auf andere prägend auswirkten. Mazedonien und Achaja. Die beiden römischen Provinzen, die zusammen Griechenland bildeten: Mazedonien den nördlichen Teil und Achaja den südlichen.
1,8 erklungen. Der Gedanke ist »widerhallen«. Wohin immer die Thessalonicher gingen, wurde das Evangelium gehört. So wurde zuerst im örtlichen Bereich Thessalonich mit dem Evangelium erreicht, dann im landesweiten Bereich Mazedonien und Achaja und schließlich über die Ländergrenzen hinaus auch noch andere Regionen. wir es nicht nötig haben, davon zu reden. Oder: »sodass wir nicht nötig haben, etwas zu sagen«. Obgleich man den Eindruck gewinnen könnte, dass diese Gemeinde ein solches Zeugnis innerhalb von nur drei Sabbaten Verkündigung entwickelte (vgl. Apg 17,2), was eine Zeitspanne von nur fünfzehn Tagen wäre, ist es besser dies so zu verstehen, dass Paulus an drei Sabbaten in der Synagoge predigte, bevor er sich eine neue Wirkungsstätte in der Stadt suchen musste. Aller Wahrscheinlichkeit nach verkündete Paulus eher monate- als nur wochenlang. Das wäre eine Erklärung für 1.) die zwei Sammlungen, die er in dieser Zeit aus Philippi empfi ng (Phil 4,16); 2.) die Zeitspanne, während der er Nacht und Tag arbeitete (2,9; 2Th 3,8); und 3.) die Tiefe der hirtendienstlichen Fürsorge, die er in diesem Brief an den Tag legt (2,7.8.11).
1,9 bekehrt. Dies Wort beschreibt das, was die Bibel an anderer Stelle Buße nennt (Mt 3,1.2; 4,17; Apg 2,38; 3,19; 5,31; 20,21). Die Errettung umfasst die Abkehr eines Menschen von der Sünde und vom Vertrauen auf falsche Götter und die Hinwendung zu Christus. Vgl. die Anm. zu 2Kor 7,8-11. dem lebendigen und wahren Gott zu dienen. Die zu Christus Bekehrten verwarfen die Verehrung toter Götzen und dienten (wörtl. »dienten als Sklaven«) bereitwillig dem lebendigen Gott.
1,10 erwarten. Ein in den Thessalonicherbriefen immer wieder- kehrendes Thema (3,13; 4,15-17; 5,8.23; 2Th 3,6-13; vgl. Apg 1,11; 2Tim 4,8; Tit 2,11-13). Diese Abschnitte sprechen vom unmittelbaren Bevorstehen der Erlösung; Paulus meinte, dass dies durchaus während ihres Lebens geschehen könne. errettet vor dem zukünftigen Zorn. Das kann entweder bedeuten, dass sie aus einer aktuellen Drangsal herausgeholt (Röm 7,24; Kol 1,13) oder davor bewahrt werden, in diese Drangsal zu kommen (Joh 12,27; 2Kor 1,10). Mit dem Zorn kann entweder Gottes zeitweiliger Zorn gemeint sein, der über die Erde kommt (Offb 6,16.17; 19,15) oder Gottes ewiger Zorn (Joh 3,36; Röm 5,9.10). In 1Th 5,9 fi ndet sich derselbe Gedanke (s. Anm. dort). Da beide Abschnitte Jesu Werk der Errettung von Sünden betonen, liegt es nahe, dass es hier um die Errettung vom ewigen Zorn Gottes, von der Hölle, geht.
2,1 nicht vergeblich. Paulus hatte unter den Thessalonichern derart fruchtbringend gewirkt, dass nicht allein Menschen errettet wurden und eine pulsierende, sich vermehrende Gemeinde entstanden war, sondern dass die Gemeinde sogar nach Paulus’ Weggang wuchs und gedieh (vgl. 1,5-8).
2,2 misshandelt worden waren in Philippi. Bevor Paulus und Silas nach Thessalonich kamen, waren sie in Philippi brutal behandelt worden (vgl. Apg 16,19-24.37). Sie wurden schmerzhaft geschlagen (Apg 16,22.23), eingekerkert (Apg 16,24), unverfroren unter falschen Anschuldigungen misshandelt (Apg 16,20.21) und unrechtmäßigerweise bestraft, obwohl sie römische Bürger waren (Apg 16,37). viel Kampf. Wie bereits in Philippi, so wurden Paulus und seine Begleiter auch in Thessalonich fälschlicherweise des Volksverrats bezichtigt (Apg 17,7) und brutal bedroht (Apg 17,5.6).
2,3 nicht dem Irrtum … noch unlauteren Absichten … noch … listigem Betrug. Mit drei verschiedenen Ausdrücken bekräftigt Paulus die Wahrhaftigkeit seines Dienstes. Jeder Ausdruck beschreibt einen Gegensatz zu den Kennzeichen falscher Verkündiger. Erstens stellte er heraus, dass seine Botschaft kein Irrtum war, sondern der Wahrheit entsprach. Zweitens hatte er keinen verderblichen Lebensstil, sondern einen lauteren, und drittens wollte er niemand verführen, sondern die Wahrheit predigen (s. Anm. zu 2Kor 4,2).
2,4 von Gott für tauglich befunden. Möglicherweise waren eini- ge falsche Verkündiger in die Gemeinde gekommen und verunglimpften den Dienst des Paulus. Das würde erklären, weshalb Paulus in V. 1-12 so großen Nachdruck darauf legt, dass er von Gott berufen und bestätigt war und dass er ihnen in Lauterkeit und Hingabe gedient hatte. Vgl. Apg 9,15; 16,9.10.
2,5 Schmeichelworten. Mit drei Richtigstellungen bekräftigt Paulus, dass er den Thessalonichern aus reinen Motiven gedient hatte: 1.) Er war kein geschliffener Redner, der auf Beliebtheit aus war, um Einfl uss für eigennützige Vorteile zu erlangen; 2.) er gab nicht vor, arm zu sein, und arbeitete Nacht und Tag (vgl. V. 9), damit sie nicht meinten, er wolle sich auf ihre Kosten durch seinen Dienst bereichern; und 3.) er nutzte seine hohe Stellung als Apostel nicht zu persönlichem Ruhm, sondern suchte nur die Ehre Gottes (vgl. 1Kor 10,31).
2,6 Apostel des Christus. Dieser Plural zählt Paulus zu den Zwölf und betont somit seine einzigartige Autorität. Silvanus und Timotheus waren »Apostel (Gesandte) der Gemeinde« (vgl. Röm 16,7; Phil 2,15).
2,7 liebevoll … eine stillende Mutter. Paulus dachte vielleicht an Mose, der sich als stillende Mutter für Israel beschrieb (vgl. 4Mo 11,12). Dasselbe zarte Bild verwendete er bei den Korinthern (vgl. 2Kor 12,14.15) und Galatern (vgl. Gal 4,19). Paulus war den Thessalonichern so zugeneigt wie eine Mutter, die bereit ist, für ihr Kind ihr Leben aufzuopfern. So war auch Christus bereit, sein Leben für diejenigen hinzugeben, die in die Familie Gottes hineingeboren werden (vgl. Mt 20,28)
2,9 wir arbeiteten Tag und Nacht. In 2Th 3,7-9 beschreibt Pau- lus seine Arbeit näher. Er bat die Thessalonicher um keinerlei fi nanzielle Zuwendung, sondern lebte von seinen eigenen Einkünften und von der Gabe der Philipper (Phil 4,16). Seine Motive konnten also nicht in Frage gestellt werden – im Gegensatz zu falschen Verkündigern, die stets auf Geld aus sind (vgl. 1Pt 5,2). das Evangelium Gottes. Vgl. Röm 1,1. Die gute Nachricht von Gott, die Paulus verkündete, umfasste folgende Wahrheiten: 1.) die Autorität und Wahrhaftigkeit der Bibel (V. 13); 2.) die Gottheit Jesu Christi (Röm 10,9); 3.) die Sündhaftigkeit des Menschen (Röm 3,23); 4.) Christi Tod und Auferstehung (1Kor 15,4.5); und 5.) die Errettung aufgrund der Gnade Gottes durch Glauben (Eph 2,8.9). In 1Kor 15,1-5 fasst Paulus sein Evangelium zusammen.
2,10 Ihr selbst seid Zeugen. Unter dem Gesetz des ATs waren mindestens zwei Zeugen nötig, um etwas als wahr zu bestätigen (4Mo 35,30; 5Mo 17,6; 19,15; 2Kor 13,1). Hier beruft Paulus sich auf die Thessalonicher und auf Gott als Zeugen für sein heiliges Verhalten im Dienst. Vgl. 2Kor 1,12.
2,11 ermahnt und ermutigt … ernstlich bezeugt. Mit die- sen drei Begriffen beschreibt Paulus seine väterliche Beziehung zu den Thessalonichern, denn sie waren alle seine Kinder im Glauben. Diese Ausdrücke betonen die persönliche Seite seines Dienstes als liebevoller Vater (vgl. 1Kor 4,14.15).
2,12 zu seinem Reich und seiner Herrlichkeit. Das spricht von der Sphäre ewiger Errettung (vgl. Kol 1,13.14), die in der Herrlichkeit des Himmels gipfeln wird.
2,13 Wort Gottes. Paulus’ Botschaft von Gott wird mit dem AT gleichgesetzt (Mk 7,13). Es war die Botschaft, die von den Aposteln gelehrt wurde (Apg 4,31; 6,2). Petrus verkündete sie den Heiden (Apg 11,1). Auf seiner ersten Missionsreise verkündete Paulus »das Wort Gottes« (Apg 13,5.7.44.48.49), ebenso auf seiner zweiten (Apg 16,32; 17,13; 18,11) und dritten Reise (Apg 19,10). Vgl. Kol 1,25. wirksam. Die Wirkungen des Wortes Gottes sind: Errettung (Röm 10,17; 1Pt 1,23); Belehrung und Zurüstung (2Tim 3,16.17); Führung (Ps 119,105); Beratung (Ps 119,24); Belebung (Ps 119,154); Wiederherstellung (Ps 19,8); Warnung und Belohnung (Ps 19,12); Ernährung (1Pt 2,2); Beurteilung (Hebr 4,12); Heiligung (Joh 17,17); Befreiung (Joh 8,31.32); Erkenntnis (Kol 3,16); Bewahrung (Ps 119,11); Stärkung (Ps 119,28); Weisheit (Ps 119,17-100); Freude im Herzen (Ps 19,9) und Wohlergehen (Jos 1,8.9). Das alles ist in Ps 19,8-10 zusammengefasst (s. Anm. dort).
2,14 Nachahmer. Die Thessalonicher waren nicht nur Nachahmer des Paulus und des Herrn (vgl. 1,6), sondern sie eiferten auch den Gemeinden in Judäa nach, und zwar in dem Sinne, dass beide Gemeinden um Christi Willen verfolgt wurden (vgl. Apg 4,1-4; 5,26; 8,1). Sie tranken aus dem Leidenskelch Christi (Mt 26,39) und wandelten auf der Spur der Propheten des ATs (Mt 21,33-46; Lk 13,34).
2,15 den Herrn Jesus … getötet. Ohne Frage waren die Juden verantwortlich für den Tod ihres Messias, wenngleich die Römer die Hinrichtung durchführten. Die Juden waren es, die seine Verurteilung durchgesetzt und seinen Tod gefordert hatten (vgl. Lk 23,1-24.34-38). In gleicher Weise hatten sie die Propheten umgebracht (vgl. Mt 22,37; Mk 5,1-8; Apg 7,51.52). 2,15 allen Menschen feindlich gegenüber. So wie es Gottes Wille ist, dass alle Menschen gerettet werden (1Tim 2,4; 2Pt 3,9), so war es der Wille der Juden, dass niemand in Christus Errettung fi ndet (V. 16). Paulus hatte sich einst an dieser gottlosen Handlungsweise beteiligt und die Verkündigung des Evangeliums zu verhindern versucht (vgl. 1Tim 1,12-17). 2,16 Zorn über sie gekommen. Gottes Zorn (vgl. 1,10; 5,9) auf die Juden, die »das Maß ihrer Sünden voll machen« (vgl. Mt 23,32; Röm 2,5) und somit den Zornesbecher auffüllen, kann wie folgt verstanden werden: 1.) historisch in der babylonischen Gefangenschaft (Hes 8-11); 2.) prophetisch in der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr.; 3.) eschatologisch in der Wiederkunft Christi im Gericht (Offb 19); oder 4.) soteriologisch in dem Sinne, dass Gottes verheißener ewiger Zorn über die Ungläubigen so gewiss ist, dass die Schrift davon so spricht, als sei er bereits gekommen – so z.B. der Apostel Johannes (vgl. Joh 3,18.36). Der Zusammenhang dieser Schriftstelle zeigt, dass hier die vierte Option anzuwenden ist.
2,17 von euch getrennt. Paulus war gewaltsam von seinen geist- lichen Kindern getrennt worden (vgl. Apg 17,5-9). Seinen mütterlichen (V. 7) und väterlichen Instinkten (V. 11) war ein schwerer Schlag versetzt worden. Wörtl. heißt es hier, dass die Thessalonicher durch den Weggang von Paulus »verwaist« wurden.
2,18 Satan hat uns gehindert. Satan, was »Widersacher« bedeu- tet, versucht ständig die Gemeinde niederzureißen, von der Christus verheißen hat, dass er sie bauen wird (vgl. Mt 16,18). Die Bibel sagt, dass er gegenwärtig war in den Gemeinden von Jerusalem (Apg 5,110), Smyrna (Offb 2,9.10), Pergamus (Offb 2,13), Thyatira (Offb 2,24), Philadelphia (Offb 3,9), Ephesus (1Tim 3,6.7) und Korinth (2Kor 2,111). Er hinderte Paulus in dem Sinne, wie ein militärischer Gegner den Vormarsch seines Feindes verhindert. Es ist durchaus möglich, dass sich diese Aussage auf die Bürgschaft Jasons bezieht (Apg 17,9), wenn diese Bürgschaft als Garantie galt, dass Paulus nicht mehr nach Thessalonich zurückkehrte.
2,19 Krone des Ruhms. Die Bibel beschreibt das ewige Leben als einen Siegeskranz, den ein Sportler für einen Sieg bei einem Wettkampf erhält. Dieser Siegeskranz hat verschiedene Namen: 1.) der unvergängliche Siegeskranz für den Sieg des Heils über das Verderben (1Kor 9,25); 2.) der gerechte Siegeskranz für den Sieg des Heils über die Ungerechtigkeit (2Tim 4,8); 3.) der unverwelkliche Siegeskranz der Herrlichkeit für den Sieg des Heils über die Verunreinigung (1Pt 5,4); 4.) der Siegeskranz des Lebens für den Sieg des Heils über den Tod (Jak 1,12. Offb 2,10); und hier 5.) der Siegeskranz des Rums für den Sieg des Heils über Satan und über die Verfolgung der Gläubigen durch die Welt. bei seiner Wiederkunft. »Wiederkunft«, gr. parousia, bedeutet wörtl. »gegenwärtig sein«. Dieser Begriff kann wie folgt verstanden werden: 1.) eine tatsächliche Gegenwart (Phil 2,2); 2.) der Augenblick der Ankunft (1Kor 16,17); oder 3.) die Erwartung der Ankunft (2Kor 7,6). In Bezug auf Christus und die Zukunft kann dieser Begriff bedeuten: 1.) Christi Wiederkunft bei der Entrückung (4,15) oder 2.) Christi zweite Wiederkunft vor seiner 1000-jährigen Herrschaft (Mt 24,37; Offb 19,11 – 20,6). Paulus spricht in 1Th viermal direkt von Christi Wiederkunft (s.a. 3,13; 4,15; 5,23) und einmal indirekt (1,10). Der Zusammenhang zeigt, dass Paulus hier höchstwahrscheinlich von Christi Wiederkunft bei der Entrückung spricht.
3,1 nicht länger aushielten. Die Trennung zwischen Paulus und seinen geistlichen Kindern in Thessalonich schmerzte ihn so sehr, dass es unerträglich wurde (vgl. V. 5). allein in Athen. Paulus und Silas blieben dort, während Timotheus nach Thessalonich zurückkehrte (V. 2). Das war nicht das letzte Mal, dass Timotheus als Vertreter des Paulus eine Gemeinde aufsuchte (vgl. 1Kor 4,17; 16,10; Phil 2,19-24; 1Tim 1,3).
3,2 euch stärke und euch tröste in eurem Glauben. Im Dienst des Paulus war das ein übliches Anliegen und Tätigkeitsfeld (vgl. Apg 14,22; 15,32; 18,23). Paulus konzentrierte sich in seinem Dienst nicht auf Gesundheit, Wohlstand, Selbstachtung oder ein bequemes Leben, sondern auf geistliche Lebensqualität. In Denken des Paulus war der Glaube der Jünger das Wichtigste, wie aus den fünf Erwähnungen von »eurem Glauben« in V. 1-10 deutlich wird (s.a. V. 5.6.7.10). Zum Glauben gehört auch, in der gesamten biblischen Lehre gefestigt zu werden (vgl. Jud 3) und im Glauben auf Gott zu reagieren, indem man die geglaubte Wahrheit auslebt (vgl. Hebr 11,6).
3,3 bestimmt. Gott hatte Paulus seine bevorstehenden Leiden ver- heißen, als er ihn durch Ananias in den Dienst stellte (Apg 9,16). Paulus erinnert die Thessalonicher daran, dass Gott sie zum Leiden bestimmt hat, damit sie nicht meinten, Paulus’ Leiden würden zeigen, 1.) dass Gottes Plan nicht funktioniere, oder 2.) dass Gott kein Gefallen an ihm habe. Hätte die Gemeinde das gedacht, dann wäre ihre Zuversicht in Paulus erschüttert worden und Satan hätte seine trügerische Absicht erreicht (V. 5). Vgl. 2Kor 4,8-15; 6,1-10; 11,23-27; 12,7-10.
3,4 Bedrängnisse erleiden. Paulus hatte ihnen gesagt, sie sollten erwarten, dass er leiden werde, so wie er bereits vor seinen Erlebnissen in Thessalonich gelitten hatte (2,14-16; Apg 13,14). Auch während (Apg 17,1-9) und nach (Apg 17,10-18,11) seiner Zeit in Thessalonich kannte Paulus Drangsale.
3,5 der Versucher. Paulus hatte Satan bereits als Verhinderer be- schrieben (2,18) und nennt ihn jetzt Versucher in dem Sinne, dass er Gläubige mit dem Ziel versucht bzw. prüft, dass sie versagen (vgl. Mt 4,3; 1Kor 7,5; Jak 1,12-18). Paulus kannte Satans Taktiken (2Kor 2,11; 11,23) und war für seine Methoden nicht verwundbar (Eph 6,11). Deshalb startete Paulus einen Gegenangriff auf Satans zu erwartenden Schachzug und vergewisserte sich, dass all seine Mühen nicht vergeblich waren (vgl. 2,1).
3,6 von eurem Glauben und eurer Liebe. Als Timotheus zu Paulus zurückkehrte, berichtete er, dass die Thessalonicher auf Gott vertrauten und aufeinander und auf Paulus’ Dienst achteten. Diese Botschaft überzeugte Paulus, dass Satans Pläne, Gottes Werk zu vereiteln, erfolglos waren, was ihm in seiner Sorge um sie Erleichterung verschaffte (V. 7).
3,8 feststeht. Dieses Bild beschreibt eine Armee, die den Rückzug verweigert, obwohl der Feind sie angreift. Paulus fordert die Gläubigen häufi g dazu auf (1Kor 16,13; Gal 5,1; Eph 6,11.13.14; Phil 1,27; 4,1; 2Th 2,15). 3,9 Freude. Wie bei Johannes (3Joh 4) so war es auch für Paulus die höchste Freude im Dienst, wenn er wusste, dass seine Glaubenskinder wuchsen und in der Wahrheit wandelten. Das führte ihn zur Anbetung Gottes in Danksagung und Freude.
3,10 fl ehen. Zeitlich gesehen betete Paulus viel und häufi g, nämlich Nacht und Tag, genau wie er Nacht und Tag arbeitete (2,9). Und qualitativ gesehen betete er inbrünstig und erbat äußerst hohe Dinge (vgl. Eph 3,20). mangelt. Paulus kritisierte die Gemeinde nicht, sondern gestand einfach ein, dass sie noch nicht ihr volles Potenzial erreicht hatte, wofür er betete und arbeitete (V. 10). Die Themen der Kap. 4 und 5 behandeln die Bereiche, wo es noch mangelte.
3,11 lenke unseren Weg. Paulus wusste, dass Satan seine Rückkehr nach Thessalonich verhindert hatte (2,18). Obwohl Timotheus dort gewesen war und Paulus Gutes berichtet hatte, spürte Paulus immer noch die Dringlichkeit, seine geistlichen Kinder wiederzusehen. Er befolgte die biblische Aufforderung aus den Psalmen (Ps 37,1-5) und Sprüchen (Spr 3,5.6) und befahl diese schwierige Situation Gott an.
3,12 Liebe zueinander. Bei den 30 positiven und negativen Vor- kommen von »einander« im NT geht es mit Abstand am häufi gsten um Liebe (vgl. 4,9; Röm 12,10; 13,8; 2Th 1,3; 1Pt 1,22; 1Joh 3,11.23; 4,7.11; 2Joh 5). »Liebe« ist der alles überragende Begriff, der alle übrigen »einander« überschattet und das Augenmerk auf die Gläubigen in der Gemeinde richtet. zu allen. Gott hat die Welt geliebt und seinen Sohn gesandt, um für die Sünde der Menschen zu sterben (Joh 3,16). Die Gläubigen wurden also bereits geliebt, als sie noch völlig unliebenswürdig waren (Röm 5,8). Angesichts dieser Tatsache sollen auch sie die Ungläubigen lieben (s. Anm. zu Mt 5,43.44). Darüber hinaus fordert das NT die Gläubigen zu folgendem Verhalten gegenüber »allen Menschen« auf: Frieden zu erstreben (Röm 12,18), Gutes zu tun (Gal 6,10), geduldig zu sein (Phil 4,5), für sie zu beten (1Tim 2,1), nachsichtig zu sein (Tit 3,2) und ihnen Ehre zu erweisen (1Pt 2,17).
3,13 untadelig … in Heiligkeit. Paulus betete, dass es keinen Grund geben möge, die Thessalonicher wegen Unheiligkeit zu beschuldigen. Vgl. 1Kor 1,8; 2Kor 11,2; Eph 5,25-27; 1Pt 5,16.17; Jud 24. seinen Heiligen. Da dieser Begriff im NT an keiner anderen Stelle für Engel verwendet wird (s. Anm. zu Jud 14), sondern stets Gläubige beschreibt, wird der Ausdruck hier am besten so verstanden, das er sich darauf bezieht, dass der Herr zur Entrückung seiner ganzen Gemeinde wiederkommen (s. Anm. zu 4,13-18) und sie zu sich in den Himmel nehmen wird, wo sie sich seiner Gegenwart erfreut (s. Anm. zu Joh 14,1-3).
4,1 in dem Herrn Jesus. Um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, machte Paulus darauf aufmerksam, dass er mit der Autorität Jesu Christi schrieb (s. V. 2.15; 5,27; 2Th 3,6.12; vgl. 2,4.15; 2Kor 5,9; Eph 5,10.17; Kol 1,10; Hebr 11,6; 13,15.16; 1Joh 3,22). Diese Autorität erkennt man an durch Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes (vgl. V. 3).
4,3 der Wille Gottes. Das ganze Wort Gottes enthält den Willen Gottes – sowohl seine Willenserklärungen als auch seine Verbote. Gottes Wille umfasst insbesondere Errettung (1Tim 2,4), Selbstaufopferung (Röm 12,1.2), Erfüllung mit Heiligem Geist (Eph 5,18), Unterwürfi gkeit (1Pt 2,13-15), Leiden (1Pt 3,17), Zufriedenheit (5,18), Ausharren (Hebr 10,36) und hier ausdrücklich Heiligung. Sie bezieht sich buchstäblich auf einen Zustand der Absonderung weg von Sünde und hin zur Heiligkeit. In diesem Zusammenhang bedeutet Heiligung die Absonderung von sexueller Unreinheit, d.h. der Gläubige soll sich von Unmoral fernhalten, indem er die Anweisung aus V. 4-8 befolgt.
4,4 sein eigenes Gefäß. Die Bedeutung des Begriffs »Gefäß« wird üblicherweise auf zweierlei Weise ausgelegt: 1.) Die gewonnene Ehefrau (vgl. Rt 4,10 LXX; 1Pt 3,7) oder 2.) der eigene Körper (2Kor 4,7; 2Tim 2,21). Höchstwahrscheinlich ist hier Letzteres gemeint, denn: 1.) In 1Pt 3,7 wird das Wort »Gefäß« nur in vergleichendem Sinn gebraucht (»schwächere Gefäß«) und bezeichnet daher nicht die Frau als solche, sondern den Menschen allgemein; 2.) verheiratet zu sein, ist keine Garantie für sexuelle Reinheit; 3.) Paulus würde damit seiner Lehre aus 1Kor 7 widersprechen, wo er den Ledigenstand als den besseren Weg vorstellt (vgl. 7,8.9); und 4.) wenn dieser Ausdruck bedeuten würde »eine Ehefrau zu gewinnen«, dann spräche Paulus ausschließlich zu Männern und würde nichts darüber sagen, wie Frauen in Reinheit leben können. Deshalb ist die bevorzugte Übersetzung bzw. Auslegung: »seinen eigenen Körper besitzen«. Vgl. die Anm. zu 1Kor 9,27.
4,5 die Heiden. Damit sind im geistlichen Sinne Nichtchristen ge- meint, was deutlich wird aus der erklärenden Aussage: »die Gott nicht kennen«. S. Anm. zu Eph 4,17.18.
4,6 seinen Bruder … übervorteilt. Der Zusammenhang bleibt von V. 1-8 derselbe und daher bezieht sich diese Aussage offenbar auf alle destruktiven sozialen und geistlichen Folgen unrechtmäßiger sexueller Aktivität. S. Anm. zu Mt 18,6-10. Rächer. Das heißt, dass letztendlich Gott selbst solche Sünden gerecht vergelten wird (vgl. Kol 3,4-7; Hebr 13,4).
4,7 berufen. Wenn in den Briefen von der »Berufung« Gottes die Rede ist, bezieht sich das immer auf seine wirksame, errettende Berufung und nie auf einen allgemeinen Aufruf. Auf Gottes Berufung folgt unweigerlich die Rechtfertigung (vgl. Röm 8,30).
4,8 seinen Heiligen Geist in uns gegeben. Gottes Geist ist eine freie Gabe für alle, die zu ihrer Errettung an den Herrn Jesus Christus glauben. Vgl. Apg 2,38; Röm 8,9; 1Kor 3,16; 12,13; 2Kor 6,16.
4,9 von Gott gelehrt, einander zu lieben. Belehrt durch das Wort Gottes (Ps 119,97-102) und von Gott selbst, liebten sich die Gläubigen untereinander (vgl. Röm 5,5; 1Joh 2,7-11; 3,14; 4,7.8,12).
4,11 ein stilles Leben. Das beschreibt jemanden, der keinen so- zialen Problemfall darstellt (s. Anm. zu 1Tim 2,2) oder keine Konfl ikte unter den Menschen in seinem Leben anstiftet, sondern dessen Seele auch inmitten von Schwierigkeiten Ruhe bewahrt (vgl. 1Pt 3,4). An späterer Stelle kommt Paulus auf diejenigen in Thessalonich zu sprechen, die nicht ihre »eigenen Angelegenheiten besorgen« (vgl. 2Th 3,6-15). mit euren eigenen Händen zu arbeiten. Wer körperlich arbeitete, wurde in der gr. Kultur verachtet, doch Paulus wertet hier körperliche Arbeit auf (s. Anm. zu Eph 4,28). 4,12 denen außerhalb. Nichtchristen (vgl. 1Kor 5,2; Kol 4,5; 1Tim 3,7).
4,13 Obwohl Paulus nur kurz in Thessalonich gewirkt hatte, waren offenkundig Menschen gläubig geworden und hofften nun auf die tatsächliche Wiederkunft des Retters (vgl. 1,3.9.10; 2,19; 5,1.2; 2Th 2,1.5). Sie lebten in eifriger Erwartung der Wiederkunft Christi. Vers 13 (vgl. 2Th 2,1-3) weist darauf hin, dass sie sogar beunruhigt waren wegen einiger Dinge, die ihnen widerfuhren und von denen sie befürchteten, dass sie ihr Miterleben dieser Wiederkunft beeinträchtigten. Sie wussten, dass die Wiederkunft Christi der Höhepunkt der Heilsgeschichte sein wird und sie wollten diesen Höhepunkt keinesfalls verpassen. Ihre wichtigste Frage war: »Was geschieht mit den Christen, die vor seiner Wiederkunft gestorben sind? Verpassen sie seine Wiederkunft?« Offenbar lebten sie in Naherwartung der Wiederkunft Christi und Paulus hatte ihnen sicherlich den Eindruck vermittelt, dass diese während ihres Lebens geschehen könnte. Als sie Verfolgung erlitten, wurden sie dadurch irritiert, denn sie dachten, die Wiederkunft des Herrn würde sie vor dieser Erfahrung bewahren (vgl. 3,3.4). 4,13 die Entschlafenen. Schlaf ist im NT eine übliche Beschöni- gungsform für den Tod, der die äußere Erscheinung der Verstorbenen beschreibt (s. Anm. zu 1Kor 11,30). Der Ausdruck bezieht sich nicht auf die Seele, sondern auf den erstorbenen Leib (vgl. 2Kor 5,1-9; Phil 1,23). Die Tochter des Jairus, die Jesus auferweckte, wird als schlafend beschrieben (Mt 9,24), ebenso Stephanus, der zu Tode gesteinigt wurde (Apg 7,60; vgl. Joh 11,11; 1Kor 7,39; 15,6.18,51; 2Pt 3,4). Die Entschlafenen werden in V. 16 identifi ziert als »die Toten in Christus«. In ihrer Unwissenheiten dachten die Gläubigen, die Verstorbenen würden die Wiederkunft des Herrn verpassen und so waren sie betrübt darüber, dass sie bei einem solch glorreichen Ereignis nicht dabei sein würden. Deshalb verursachte der Tod eines Angehörigen stets tiefe Seelentrübsal. Doch wenn ein Mitgläubiger stirbt, brauchen Christen sich nicht sorgen, dass dem Verstorbenen irgendetwas Bedeutendes entgehen werde.
4,14 wird Gott … mit ihm führen. So wie Jesus starb und aufer- stand, so werden auch die als Gläubige Verstorbenen wieder auferstehen und mit dem Herrn in den Himmel aufgenommen werden (s. Anm. zu Joh 14,1-3; 1Kor 15,51-58). Diese Schriftstellen beschreiben die Entrückung der Gemeinde, die stattfi ndet, wenn Jesus wiederkommt, seine Erlösten sammelt und sie in den Himmel nimmt. Die vor diesem Zeitpunkt Verstorbenen (die »Entschlafenen«) werden gesammelt und mit dem Herrn in den Himmel geführt werden.
4,15 Wort des Herrn. Zitierte Paulus hier eine Aussage Jesu aus den Evangelien? Nein. Es gibt in den Evangelien keine derartigen oder auch nur ähnliche Aussagen. In den Evangelien erwähnt der Herr die Entrückung ausdrücklich nur an einer einzigen Stelle, in Joh 14,1-3. Manche meinen, Jesus habe dies gesagt, als er auf der Erde lebte, und sinngemäß sei diese Aussage überliefert in Textstellen wie Mt 24,30.31 und Joh 6,39.40; 11,25.26. Zu den Übereinstimmungen zwischen dieser Schriftstelle in 1Th und den Abschnitten in den Evangelien gehören: die Posaune (Mt 24,31), die Auferstehung (Joh 1,26) und die Sammlung der Erwählten (Mt 24,31). Doch die Unterschiede dazwischen stellen die Gemeinsamkeiten weit in den Schatten. U.a. bestehen folgende Unterschiede zwischen Mt 24,30.31 und 1Th 4,15-17: 1.) in Mt kommt der Sohn des Menschen auf den Wolken (s. jedoch Mk 13,26; Lk 21,27), in 1Th hingegen fahren die Gläubigen in den Wolken auf; 2.) in Mt sammeln die Engel, in 1Th sammelt Christus selbst; 3.) Mt sagt nichts von der Auferstehung, in 1Th ist die Auferstehung hingegen das Hauptthema; und 4.) Mt berichtet nichts über die Reihenfolge der Auffahrt, was in 1Th hingegen die wichtigste Lektion ist. Andererseits stellt sich die Frage: Meinte Paulus eine Aussage Jesu, die er auf der Erde traf, die jedoch nicht in den Evangelien überliefert ist (wie Apg 20,35)? Nein. Es gibt keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung, denn Paulus bekräftigte, dass er die Entrückung als eine bisher verborgene Wahrheit lehrte (1Kor 15,51), d.h. als »Geheimnis«. Offenbar waren die Thessalonicher über den »Tag des Herrn« völlig unterwiesen (vgl. 5,1.2), kannten jedoch nicht das vorausgehende Ereignis, die Entrückung der Gemeinde. Bevor Paulus ihnen die Lehre der Entrückung, die er von Gott empfangen hatte, offenbarte, war sie ein Geheimnis, die vorher nur von Jesus in Joh 14,1-3 angedeutet wurde. Hier handelt es sich um eine neue Offenbarung eines zuvor unbekannten Geheimnisses. Wir, die wir leben und … übrigbleiben. Damit sind die Gläubigen gemeint, die zum Zeitpunkt der Entrückung auf dieser Erde leben und die die Wiederkunft des Herrn für die Seinen vor ihrem Tod miterleben. Da Paulus Gottes Zeitplan nicht kannte, lebte und redete er so, als könne dies während seines Lebens geschehen. Wie alle Christen in der Anfangszeit der Gemeinde glaubte auch er, dass dies Ereignis nahe bevorstände (vgl. Röm 13,11; 1Kor 6,14; 10,11; 16,22; Phil 3,20.21; 1Tim 6,14; Tit 2,13). Die Gläubigen, die bei der Entrückung noch leben, werden den Verstorbenen folgen, die als erstes auferstehen (V. 16).
4,16 Herr selbst wird … herabkommen. Das ist die Erfüllung der Verheißung aus Joh 14,1-3 (vgl. Apg 1,11). Bis dahin bleibt er im Himmel (vgl. 1,10; Hebr 1,1-3). Erzengels. Über die hierarchische Struktur und die Rangordnung der Engel ist wenig bekannt (vgl. Kol 1,17). Zwar wird nur Michael als Erzengel bezeichnet (Jud 9), doch anscheinend haben mehr als nur ein einziger Engel diesen Rang (Dan 10,13). Vielleicht ist es der Erzengel Michael, dessen Stimme bei der Entrückung ertönt, denn in Dan 12,1-3 steht er in Verbindung mit der Auferstehung Israels. In jenem »Augenblick« (vgl. 1Kor 15,52) erstehen zuerst die Verstorbenen. Sie werden die Entrückung nicht verpassen, sondern als erste daran teilnehmen. Posaune Gottes. Vgl. 1Kor 15,52. Das ist nicht die Gerichtsposaune aus Offb 8-11, sondern das Gegenbild der Posaune aus 2Mo 19,16-19; die das Volk aus dem Lager rief, um seinem Gott zu begegnen. Sie ist eine Posaune der Erlösung (vgl. Zeph 1,16; Sach 9,14).
4,17 entrückt. Nachdem die Toten aus den Gräbern gekommen und sich ihre Geister, die bereits beim Herrn waren (2Kor 5,8; Phil 1,23), mit ihren neuen Auferstehungsleibern verbunden haben (s. Anm. zu 1Kor 15,35-50), werden die noch lebenden Christen entrückt (wörtl. »weggeschnappt«) werden (vgl. Joh 10,28; Apg 8,39). Zusammen mit Joh 14,13 und 1Kor 15,51.52 bildet dieser Abschnitt die biblische Grundlage für die Lehre der Entrückung der Gemeinde. Der Zeitpunkt der Entrückung kann allein aus dieser Schriftstelle nicht defi nitiv ermittelt werden. Wenn man jedoch andere Texte wie z.B. Offb 3,10 und Joh 14,3 zusätzlich betrachtet und mit den Texten vergleicht, die Christi Wiederkunft zum Gericht beschreiben (Mt 13,34-50; 24,29-44; Offb 19,11-21), die am Ende der siebenjährigen Trübsalszeit geschehen wird, muss man feststellen: Diese Abschnitte unterscheiden sich deutlich vom Charakter der »Entrückung«, da bei dieser keinerlei Gericht erwähnt wird, wohingegen die anderen Schriftstellen von Gericht sprechen. Deshalb versteht man die Entrückung am besten so, dass sie zu einem anderen Zeitpunkt stattfi ndet und nicht bei der Wiederkunft Christi zum Gericht. Daher wurde die Entrückung als »prätribulational« beschrieben, d.h. als ein Ereignis, das stattfi ndet, bevor sich der Zorn Gottes (prä – vor, tribulatio – Trübsal) in den Gerichten von Offb 6-19 entfaltet. Dies Ereignis umfasst die völlige Umgestaltung der Gläubigen (vgl. 1Kor 15,51.52; Phil 3,20.21) und ihre Vereinigung mit dem Herrn Jesus Christus, die niemals enden wird.
4,18 tröstet … einander. Dieser Abschnitt dient in erster Linie nicht dazu, ein prophetisches Schema zu entwerfen, sondern um solche Christen zu trösten, die verstorbene Angehörige haben. Der hier gebotene Trost basiert auf folgenden Tatsachen: 1.) Die Toten werden auferstehen und an der Wiederkunft des Herrn für die Seinen teilnehmen; 2.) wenn Christus wiederkommt, werden die Lebenden mit ihren geliebten Angehörigen wieder für ewig zusammengeführt; und 3.) sie werden in alle Ewigkeit beim Herrn sein (V. 17). 5,1 Mit einem vertrauten gr. Wort (»aber«) verdeutlicht Paulus, dass er innerhalb des allgemeinen Themas Prophetie nun das Unterthema wechselt (vgl. 4,9.13; 1Kor 7,1.25; 8,1; 12,1; 16,1). Die Ausdrucksweise an dieser Stelle zeigt, dass er innerhalb des weiteren Zusammenhangs der Endzeit und der Wiederkunft Jesu das Thema wechselt und es nun nicht mehr um die segensreiche Entrückung der Gläubigen geht, sondern um das Gericht über die Ungläubigen. Zeiten und Zeitpunkten. Diese beiden Begriffe bezeichnen das Zeitdauer bzw. den Charakter der Zeiten (vgl. Dan 2,21; Apg 1,7). Viele Thessalonicher erwarteten den Herrn während ihres Lebens und waren betrübt, als einige Mitgläubige bereits vor seiner Wiederkunft starben (s. Anm. zu 4,13-18). Sie waren über diese Verzögerung besorgt. Offenbar wussten sie über das künftige Gericht alles, was Gott den Gläubigen darüber mitteilen wollte, und nun hatte Paulus sie auch noch über die Entrückung aufgeklärt (4,13-18). Daher ermahnte Paulus sie, sich nicht von Datierungsversuchen prophetischer Ereignisse verwirren zu lassen, sondern vielmehr angesichts des Gerichts, das über diese Welt kommen wird, ein gottesfürchtiges Leben zu führen. Den genauen Zeitpunkt von Gottes Endgericht konnten sie nicht herausfi nden, doch eines wussten sie bestimmt: Es wird unerwartet kommen (V. 2).
5,2 Tag des Herrn. Im AT wird der Ausdruck »Tag des Herrn« 19- mal und im NT viermal mit eindeutigem Sinn verwendet (vgl. Apg 2,20; 2Th 2,2; 2Pt 3,10). Die Propheten des ATs beschrieben mit dem »Tag des Herrn« nahe bevorstehende, historische Gerichte (s. Jes 13,6-22; Hes 30,2-19; Joe 1,15; Am 5,18-20; Zeph 1,14-18) oder auch ferne eschatologische Gerichte Gottes (s. Joe 2,30-32; 3,14; Sach 14,1; Mal 3,19.23). Sechsmal wird der Tag des Herrn als »Tag des Unglücks« bezeichnet und viermal als »Tag der Rache«. Das NT nennt ihn Tag des »Zorns«, Tag der »Heimsuchung« und den »großen Tag Gottes, des Allmächtigen« (Offb 16,14). Dann werden schreckliche Gerichte Gottes (vgl. Joe 2,30.31; 2Th 1,7-10) über die überwältigende Sündhaftigkeit der Welt ergehen. Der künftige »Tag des Herrn«, an dem Gottes Zorn ausgegossen wird, gliedert sich in zwei Teile: 1.) das Ende der siebenjährigen Trübsalszeit (vgl. Offb 19,11-21) und 2.) das Ende des Tausendjährigen Reiches. Diese beiden Teile sind von einem Zeitraum von 1.000 Jahren getrennt. Petrus spricht vom Ende des Tausendjährigen Reiches in Verbindung mit dem endgültigen »Tag des Herrn« (vgl. 2Pt 3,10; Offb 20,7-15). Paulus bezieht sich hier jedoch auf den Teil des »Tages des Herrn«, der die Trübsalszeit beendet. ein Dieb in der Nacht. Dieser Ausdruck wird nirgends für die Entrückung der Gemeinde verwendet, sondern nur für Christi Wiederkunft zum Gericht am Tag des Herrn am Ende der siebenjährigen Trübsal, was ein anderes Ereignis ist, als die Entrückung der Gemeinde (s. Anm. zu 4,15). Dieser Ausdruck wird auch für das Gericht am Ende des Tausendjährigen Reiches gebraucht (2Pt 3,10). So wie ein Dieb unerwartet und ohne Vorwarnung kommt, so werden beide Teile des Tages des Herrn kommen.
5,3 »Friede und Sicherheit« So wie im AT die falschen Propheten in trügerischer Weise eine glorreiche Zukunft in Aussicht stellten, obwohl Gottes Gericht unmittelbar bevorstand (Jer 6,14; 8,11; 14,13.14; Kla 2,14; Hes 13,10.16; Mi 3,5), so wird man auch in der Zukunft kurz vor dem zerstörerischen Tag des Herrn »Frieden und Sicherheit« verheißen. Wehen. In seiner Ölbergrede verwendete der Herr dasselbe Bild (s. Anm. zu Mt 24,8). Es veranschaulicht die unausweichliche und plötzliche Natur und die Schmerzhaftigkeit des Tages des Herrn.
5,4 Ihr aber, Brüder. In eindrücklicher Weise wechselt Paulus nun von der 3. Person Plural (dreimal in V. 3) zur 2. Person Plural. Weil die Gemeinde vor dem Gericht beim Tag des Herrn entrückt wird, werden die Gläubigen dann nicht mehr auf der Erde sein und die Schrecken und Zerstörungen nicht miterleben (V. 3). nicht in der Finsternis. Gläubige haben keinen Teil am Tag des Herrn, weil sie aus dem Reich der Finsternis herausgerettet und ins Reich des Lichts versetzt worden sind (Kol 1,13). Jesus lehrte: Wer an ihn glaubt, ist nicht mehr in geistlicher Finsternis (Joh 8,12; 12,46). Es besteht ein ausdrücklicher Gegensatz zwischen Gläubigen und Verlorenen, den Paulus in V. 4-7 deutlich herausstellt. Gläubige werden nicht unter den Zorn Gottes kommen, weil sie eine andere Natur haben. Ungläubige sind in Finsternis (vgl. V. 2. »in der Nacht«), und wegen ihrer Sünde und ihres Unglaubens gefangen in geistiger, moralischer und geistlicher Finsternis (vgl. Joh 1,5; 3,19; 8,12; 2Kor 4,6; Eph 4,17.18; 5,8.11). Alle diese Menschen sind Kinder Satans (vgl. Joh 8,44), der als »Macht der Finsternis« bezeichnet wird (Lk 22,53). Der Tag des Herrn wird sie plötzlich und mit tödlichem Ausgang »überfallen«.
5,5 Söhne des Lichts. Ein hebr. Ausdruck, der die Gläubigen als Kinder Gottes, Söhne ihres himmlischen Vaters, charakterisiert, der Licht ist und in dem keinerlei Finsternis ist (1Joh 1,5-7). Vgl. Lk 16,8; Joh 8,12; 12,36. Gläubige leben in einer völlig anderen Sphäre als diejenigen, über die der Tag des Herrn kommen wird.
5,6 lasst uns auch nicht schlafen. Weil Gläubige aus dem Reich der Finsternis herausgerettet worden sind, befi nden sie sich nicht mehr in der Nacht der Sünde und der Unwissenheit, sondern sind ins Licht Gottes versetzt worden. Deshalb sollen Christen nicht in den Schlaf geistlicher Gleichgültigkeit und Behaglichkeit fallen, sondern wachsam sein für die geistlichen Dinge um sie her. Sie sollen nicht wie schlafende, verfi nsterte Menschen leben, die am Tag des Herrn aus ihrem Koma gerissen werden (V. 7), sondern sollen aufmerksam, ausgewogen und gottesfürchtig unter der Herrschaft der Wahrheit leben.
5,8 Brustpanzer. Paulus beschreibt das Leben des Gläubigen in militärischen Begriffen als ein Leben der Nüchternheit (Besonnenheit) und mit der erforderlichen Ausrüstung. Der »Brustpanzer« bedeckt die lebenswichtigen Körperorgane. »Glaube« ist ein essenzieller Schutz vor Versuchungen, denn er bedeutet Vertrauen auf Gottes Verheißungen, Ratschlüsse und Wahrheiten. Der unerschütterliche Glaube an Gottes Wort schützt uns vor den Pfeilen der Versuchung. Negativ gesehen ist jegliche Sünde von Unglauben charakterisiert. Wenn Gläubige sündigen, haben sie der Lüge Satans geglaubt. Liebe zu Gott ist höchst wichtig, da vollkommene Liebe zu ihm auch vollkommenen Gehorsam zu ihm hervorbringt. An anderer Stelle repräsentiert der Brustpanzer Gerechtigkeit (Jes 59,17; Eph 6,14). Der Glaube wird an anderer Stelle durch den Schild des Soldaten beschrieben (Eph 6,16). Der »Helm« steht stets in Verbindung mit dem Heil in seinen zukünftigen Aspekten (vgl. Jes 59,17; Eph 6,17). Unser künftiges Heil ist garantiert und nichts kann es uns nehmen (Röm 13,11). Auch hier verbindet Paulus wieder Glaube, Liebe und Hoffnung (vgl. 1,3). S. Anm. zu Eph 6,10-17. 5,9 Zorngericht. Das ist derselbe Zorn wie in 1,10 (s. Anm. dort). In diesem Zusammenhang (man beachte insbesondere den Gegensatz), handelt es sich offenbar nicht um Gottes zeitweiligen Zorn während der Trübsalszeit, sondern um seinen ewigen Zorn (vgl. Röm 5,9).
5,10 wachen oder schlafen. Diese Analogie greift zurück auf
4,13 Obwohl Paulus nur kurz in Thessalonich gewirkt hatte, waren offenkundig Menschen gläubig geworden und hofften nun auf die tatsächliche Wiederkunft des Retters (vgl. 1,3.9.10; 2,19; 5,1.2; 2Th 2,1.5). Sie lebten in eifriger Erwartung der Wiederkunft Christi. Vers 13 (vgl. 2Th 2,1-3) weist darauf hin, dass sie sogar beunruhigt waren wegen einiger Dinge, die ihnen widerfuhren und von denen sie befürchteten, dass sie ihr Miterleben dieser Wiederkunft beeinträchtigten. Sie wussten, dass die Wiederkunft Christi der Höhepunkt der Heilsgeschichte sein wird und sie wollten diesen Höhepunkt keinesfalls verpassen. Ihre wichtigste Frage war: »Was geschieht mit den Christen, die vor seiner Wiederkunft gestorben sind? Verpassen sie seine Wiederkunft?« Offenbar lebten sie in Naherwartung der Wiederkunft Christi und Paulus hatte ihnen sicherlich den Eindruck vermittelt, dass diese während ihres Lebens geschehen könnte. Als sie Verfolgung erlitten, wurden sie dadurch irritiert, denn sie dachten, die Wiederkunft des Herrn würde sie vor dieser Erfahrung bewahren (vgl. 3,3.4). 4,13 die Entschlafenen. Schlaf ist im NT eine übliche Beschöni- gungsform für den Tod, der die äußere Erscheinung der Verstorbenen beschreibt (s. Anm. zu 1Kor 11,30). Der Ausdruck bezieht sich nicht auf die Seele, sondern auf den erstorbenen Leib (vgl. 2Kor 5,1-9; Phil 1,23). Die Tochter des Jairus, die Jesus auferweckte, wird als schlafend beschrieben (Mt 9,24), ebenso Stephanus, der zu Tode gesteinigt wurde (Apg 7,60; vgl. Joh 11,11; 1Kor 7,39; 15,6.18,51; 2Pt 3,4). Die Entschlafenen werden in V. 16 identifi ziert als »die Toten in Christus«. In ihrer Unwissenheiten dachten die Gläubigen, die Verstorbenen würden die Wiederkunft des Herrn verpassen und so waren sie betrübt darüber, dass sie bei einem solch glorreichen Ereignis nicht dabei sein würden. Deshalb verursachte der Tod eines Angehörigen stets tiefe Seelentrübsal. Doch wenn ein Mitgläubiger stirbt, brauchen Christen sich nicht sorgen, dass dem Verstorbenen irgendetwas Bedeutendes entgehen werde. 4,13 und bezieht sich auf den körperlichen Zustand des Gläubigen als entweder lebend oder tot und verheißt, dass wir in jedem Fall eines Tages gemeinsam mit dem Heiland leben werden (vgl. 4,17; Joh 14,1-3), der als Stellvertreter für unsere Sünden starb. Vgl. Röm 4,9; Gal 1,4; 2Kor 5,15.21.
5,12 anerkennt. Das bedeutet nicht nur ein Kennen von Ansehen, sondern die Gläubigen sollen ihre Hirten gut genug kennen, um sie persönlich für ihren Dienst wertzuschätzen und zu achten. Die Arbeit von Gemeindehirten wird hier in einer dreifachen Beschreibung zusammengefasst: 1.) Sie arbeiten, im Sinn einer Anstrengung bis an den Rand der Erschöpfung; 2.) sie »stehen« der Herde »vor«, d.h. sie üben den Aufseherdienst aus und führen die Gläubigen auf den Weg der Gerechtigkeit; und 3.) sie ermahnen, d.h. sie unterweisen in den Wahrheiten des Wortes Gottes. Vgl. Hebr 13,7.17. 5,13 achtet. Die Gemeinde soll ihre Hirten nicht nur kennen (s. Anm. zu V. 12), sondern auch gerecht und liebevoll von ihnen denken. Der Grund dafür ist nicht etwa ihr Charme oder edler Charakter, sondern die Tatsache, dass sie dem Erzhirten als seine besonderen Knechte dienen (vgl. 1Pt 5,2-4). Die Gläubigen sollen sich außerdem der Leitung der Hirten unterwerfen, damit in der Gemeinde »Frieden« herrscht.
5,14 Wir ermahnen euch. Paulus hat erklärt, wie die Hirten den Gläubigen dienen und wie die Gläubigen zu ihren Hirten stehen sollen (V. 12,13). In diesen Versen erläutert er den Umgang der Gläubigen in der Gemeinschaft der Gemeinde untereinander. Die »Unordentlichen«, die aus der Reihe tanzen, müssen gewarnt und angehalten werden, ihr Leben in Ordnung zu bringen. Die »Kleinmütigen«, die von Ängsten und Zweifeln geplagt sind, müssen ermutigt und angespornt werden. Die »Schwachen«, denen moralische und geistliche Kraft fehlt, brauchen starke Unterstützung. Zwischen allen müssen Geduld, Vergebung und Gütigkeit vorherrschen.
5,16 Hier fasst Paulus die christlichen Tugenden zusammen. Die- se Verse führen die grundlegenden Prinzipien eines gesunden geistlichen Lebens ins kurzen und knappen Aussagen auf. Trotz ihrer Kürze zeigen sie den Gläubigen die Prioritäten für ein erfolgreiches Leben als Christ. 5,16 Freut euch. Freude ist niemals unangebracht. Vgl. Phil 2,17.18; 3,1; 4,4.
5,17 Betet. Das bedeutet nicht, immer wieder dasselbe oder unauf- hörlich und pausenlos zu beten (vgl. Mt 6,7.8), sondern fordert vielmehr auf zu Beständigkeit (vgl. Lk 11,1-13; 18,1-8) und Regelmäßigkeit im Gebet (vgl. Eph 6,18; Phil 4,6; Kol 4,2.12).
5,18 Seid in allem dankbar. Undankbarkeit ist ein Charakterzug der Ungläubigen (vgl. Röm 1,21; 2Tim 3,1-5). »Das ist der Wille Gottes« bezieht sich auch auf V. 16.17.
5,19 dämpft. Das Feuer des Heiligen Geistes darf nicht durch Sünde ertränkt werden. Die Gläubigen sollen den Heiligen Geist auch nicht betrüben (Eph 4,30), sondern sich vom ihm leiten und beherrschen lassen (Eph 5,18) und durch den Heiligen Geist wandeln (Gal 5,16).
5,20 Weissagung. Dasselbe Wort wie »Prophetie«, das eine münd- liche Offenbarung von Gott bedeuten kann (vgl. Apg 11,27.28; 1Tim 1,18; 4,14), sich aber meistens auf das geschriebene Wort Gottes bezieht (vgl. Mt 13,14; 2Pt 1,19-21; Offb 1,3; 22,7.10.18.19). Diese »Prophezeiungen« sind autoritative Botschaften Gottes durch einen anerkannten Sprecher Gottes. Aufgrund ihres göttlichen Ursprungs dürfen sie nicht leichtfertig ignoriert werden. Wenn Gottes Wort verkündet oder verlesen wird, soll es mit tiefer Ernsthaftigkeit angenommen werden.
5,21 Prüft alles. Dieser Aufruf zu sorgfältiger Untersuchung und zu Unterscheidungsvermögen setzt die Aufforderung aus V. 20 fort. Man darf die Kundgebung von Gottes Wort niemals leicht nehmen, sondern soll das verkündete Wort sorgfältig prüfen (vgl. Apg 17,10.11). Was dabei als »gut« befunden wird, soll von ganzem Herzen festgehalten werden. Das »Böse« bzw. Unbiblische jedoch soll gemieden werden.
5,23 Gott … heilige euch. Nachdem Paulus alle Ermahnungen des Abschnitts ab 4,1 und besonders von V. 16-22 beendet hat, kommt er zu seinem Schlusssegen. Darin erkennt er an, aufgrund welcher Quelle alle diese Gebote befolgt und erfüllt werden können. In allen diesen Bereichen kann man nicht aus menschlicher Kraft geheiligt werden (vgl. Sach 4,6; 1Kor 2,4.5; Eph 3,20.21; Kol 1,29). Nur Gott »selbst« (vgl. Röm 15,33; 16,20; Phil 4,9; Hebr 13,20 als Parallelen zu »Gott des Friedens«) kann uns »durch und durch« von der Sünde zur Heiligkeit absondern. der Geist, die Seele und der Leib. Dieser zusammenfassende Ausdruck unterstreicht den Begriff »durch und durch«. Wenn Paulus hier von Geist und Seele spricht, bedeutet das nicht, dass er den immateriellen Teil des Menschen in zwei Komponenten teilt (vgl. Hebr 4,12). Diese beiden Begriffe werden in der ganzen Bibel austauschbar verwendet (vgl. Hebr 6,19; 10,39; 1Pt 2,11; 2Pt 2,8). Geist und Seele können nicht getrennt werden, sondern als Mehrfachnennungen dienen sie, wie auch in anderen Texten üblich, der Betonung (vgl. 5Mo 6,5; Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27). Paulus war kein Gläubiger, der aus drei Teilen bestand (vgl. Röm 8,10; 1Kor 2,11; 5,3-5; 7,34; 2Kor 7,1; Gal 6,18; Kol 2,5; 2Tim 4,22), sondern vielmehr aus zwei Teilen: dem materiellen und dem immateriellen. bei der Wiederkunft. Diese vierte Erwähnung der parousia Christi bezieht sich auf die Entrückung der Gemeinde, wie bereites zuvor in 2,19; 3,13; 4,15.
5,24 der euch beruft. Wenn im NT von Gottes Berufung die Rede ist, bezieht sich das immer auf seine wirksame Berufung seiner Erwählten zum Heil (vgl. 2,12; 4,7; Röm 1,6.7; 8,28; 1Kor 1,9; Eph 4,1.4; 2Tim 1,9; 1Pt 2,9; 5,10; 2Pt 1,10). Der berufende Gott wird die, die er beruft, auch zur Herrlichkeit führen; keiner von ihnen wird verloren gehen (vgl. Joh 6,37-44; 10,28.29; Röm 8,28-39; Phil 1,6; Jud 24).
5,26 heiligen Kuss. Diese Geste der Zuneigung wird fünfmal im NT befohlen (Röm 16,16; 1Kor 16,20; 2Kor 13,12; 1Pt 5,14) und beschreibt das kulturbedingte Umarmen und Küssen zum Gruß, wie es im 1. Jhdt. üblich war. Christen sollten dies in rechtschaffener Weise ausüben und dabei anerkennen, dass Gläubige Brüder und Schwestern in der Familie Gottes sind.
5,27 Dass öffentliche Vorlesen wird hier mit größtem Nachdruck in ihre geistliche Verantwortlichkeit gelegt (vgl. Gal 4,16; 2Th 3,14).
5,28 Vgl. Röm 16,20.24; 2Th 3,18.
1,1 S. Anm. zu 1Th 1,1.
1,3 schuldig … zu danken. Wenn Gott große Dinge im Leben der Seinen erreicht, verpfl ichtet das zu Dank im Gebet. Bei den gehorsamen Thessalonichern war das der Fall, denn seit dem ersten Brief waren sie im Glauben und in der Liebe gewachsen. Das war eine direkte Erhörung von Paulus’ Gebeten (vgl. 1Th 1,3; 3,12).
1,4 Ausharren … Glaubenstreue. Nirgends trat ihr Wachstum im Glauben und in der Liebe (V. 3) deutlicher zu Tage als darin, wie geduldig und treu sie Anfeindungen und Leiden durch die Feinde Christi ertrugen. Obwohl eigentlich nichts gesagt zu werden brauchte, da das Leben der Thessalonicher deutlich genug sprach (1Th 1,8), freute Paulus sich so sehr über ihr Ausharren, dass er vor dem Herrn schier übersprudelte.
1,5 leidet. Eine richtige Einstellung zum Leiden ist äußerst wichtig, und diese erforderliche Einstellung besteht darin, dass das Reich Gottes zum Herzensanliegen wird. Die Thessalonicher waren nicht auf sich selbst fi xiert, sondern auf Gottes Reich. Sie widmeten sich nicht ihrem persönlichen Wohlergehen, ihrem Lebensstandard und Glück, sondern der Ehre Gottes und der Erfüllung seiner Absichten. Sie beklagten sich nicht, dass ihre Verfolgung ungerecht sei. Vielmehr ertrugen sie geduldig die Leiden, die sie nicht verdient hatten (V. 4). Diese Haltung war ein »Anzeichen« oder positiver Beweis, dass Gottes weiser Prozess im Gange war, der sie durch Leiden reinigte, läuterte und vollkommen machte. Durch diese Vervollkommnung (vgl. Jak 1,2-4; 1Pt 5,10) machte Gott seine geliebten Kinder dem Reich Gottes würdig (vgl. 2,12). Wenn Gläubige in einer satanischen Welt einen christlichen Charakter ausleben und entwickeln wollen, müssen sie mit Leiden rechnen (vgl. 1Th 3,3). Leiden dürfen nicht als Anzeichen dafür verstanden werden, dass Gott seine Kinder im Stich gelassen habe, sondern als Zeichen dafür, dass er mit ihnen ist und sie vollkommen macht (vgl. Mt 5,10; Rom 8,18; 2Kor 12,10). Daher zeigten die Thessalonicher, dass ihre Errettung allein durch Glauben an den Herrn Jesus Christus echt war, weil sie wie Christus bereit waren, für Gott und sein Reich zu leiden. Sie litten ungerechterweise als Ziele des Zornes der Menschen, die Christus und sein Reich anfeindeten (Apg 5,41; Phil 3,10; Kol 1,24). »Reich Gottes« ist hier im geistlichen Sinne der Errettung gemeint (s. Anm. zu Mt 3,2).
1,6 gerecht ist vor Gott … vergilt. Genau wie das gerechte Ge- richt Gottes zur Vervollkommnung der Gläubigen dient (V. 5), so dient es auch zur »Vergeltung« für die Gottlosen (vgl. V. 8). Nicht der Mensch muss bei geistlicher Verfolgung für Klarstellung und Vergeltung sorgen, sondern Gott tut dies (vgl. 5Mo 32,35; Spr 25,21.22; Röm 12,19-21; 1Th 5,15; Offb 19,2). Wann und wie Gott vergilt, bestimmt nur er.
1,7 Ruhe gemeinsam mit uns. Auch Paulus litt mit für die gerechte Sache Christi. Wie die Thessalonicher hoffte auch er auf diese künftige Ruhe und Belohnung für das Leiden um des Reiches Gottes willen, das beginnen wird, wenn Christus wiederkommt und die Gottlosen richtet. Der Herr Jesus hat diese zweifache Wiederkunft zur Ruhe und zur Vergeltung verheißen (vgl. Mt 13,40-43; 24,39-41; 25,31-33; Lk 21,27.28,34-36; Joh 5,24-29). bei der Offenbarung des Herrn Jesus. Das bezieht sich zweifellos auf das Offenbarwerden Christi, wenn er als Richter kommt. Der erste Teil dieser Offenbarung geschieht am Ende der siebenjährigen Trübsalszeit (vgl. Mt 13,24-30.36-43; 24,29-51; 25,31-46; Offb 19,1115). Endgültig und universal wird Christus sich als Richter beim Gericht am »großen weißen Thron« offenbaren, das nach der 1000-jährigen irdischen Herrschaft Christi stattfi nden wird (Offb 20,11-15). Wenn Christus zum Gericht kommt, erscheint er stets in Begleitung von Engeln (vgl. Mt 13,41.49; 24,30.31; 25,31; Offb 14,14.15). 1,8 in fl ammendem Feuer. Feuer ist ein Symbol des Gerichts (vgl. 2Mo 3,2; 19,16-20; 5Mo 5,4; Ps 104,4; Jes 66,15.16; Mt 3,11.12; Offb 19,12). Vergeltung üben. Wörtl. bedeuten diese Worte »volle Bestrafung geben« (vgl. 5Mo 32,35; Jes 59,17; 66,15; Hes 25,14; Röm 12,19). die Gott nicht anerkennen. Oder »nicht kennen«. Vgl. 1Th 4,5. Das spricht von einer fehlenden persönlichen Beziehung zu Gott durch Jesus Christus (vgl. Joh 17,3; Gal 4,8; Eph 2,12; 4,17.18; Tit 1,16). Vergeltung wird nicht für die Verfolgung von Christen vollzogen, sondern weil sie Gottes Gebot, zu glauben, nicht gehorcht haben (vgl. Apg 17,30.31; Röm 1,5; 10,16; 15,18; 16,19) und nicht den Namen des Herrn angerufen haben, um von ihrer Sünde errettet zu werden (Röm 10,9-13; 1Kor 16,22; Hebr 10,26-31). Errettung wird nie durch Werke erlangt, sondern stets dadurch, dass man seinen Glauben allein auf den Herrn Jesus Christus setzt (Eph 2,8-10).
1,9 ewiges Verderben. S. Anm. zu Mt 25,46. Paulus erklärt die Dauer und das Ausmaß dessen, was die Bibel an anderer Stelle als »Hölle« bezeichnet. Erstens ist sie für immer und ist daher eine unumkehrbare Erfahrung. Zweitens bedeutet Verderben nicht Vernichtung, sondern Elend und einen neuen Zustand des bewussten Erlebens, der beträchtlich schlimmer ist als der erste (vgl. Offb 20,14.15). Dieser Zustand wird beschrieben als Trennung von Gottes Gegenwart und Herrlichkeit (vgl. Mt 8,12; 22,13; 25,30; Lk 16,24-26).
1,10 wenn Er kommen wird. D.h. wenn der Tag des Herrn kommt und Vergeltung und Verderben für die Ungläubigen bringt. Wenn Christi großartige Herrlichkeit erscheint, werden die Gläubigen dadurch Ruhe und Erleichterung empfangen sowie das Vorrecht, an seiner Herrlichkeit teilzuhaben (vgl. Phil 3,21; 1Joh 3,2). Das ist die »Offenbarung der Herrlichkeit« der Gläubigen, von der Paulus sprach (Röm 8,18.19). Dann werden alle Gläubigen ihn verehren und anbeten, einschließlich der Thessalonicher, die an Paulus’ Zeugnis des Evangeliums geglaubt haben.
1,11 beten wir auch. Dieser Brief enthält 4 Beispiele für Paulus’ Gebetsleben (vgl. V. 12; 2,16.17; 3,1-5.16). Hier betet er wie bereits in V. 5, dass sie sich in Übereinstimmung mit ihrem Bekenntnis als Christen verhalten (vgl. 1Th 2,19; Eph 4,1; Kol 1,10) und somit entsprechend ihrer »Berufung zum Heil« leben (vgl. Rom 8,30; 11,29; Gal 4,13-15; 1Kor 1,26; Kol 1,3-5; 1Th 2,12) und ihr Leben gekennzeichnet ist von guten und vollmächtigen Glaubenswerken.
1,12 damit. Der würdige Wandel von V. 11 ermöglicht, dass Gott sich in uns verherrlicht (vgl. 2,14; 1Kor 10,31; 1Pt 4,11).
2,1 Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus. Die Wiederkunft Christi wird hier zum fünften Mal in den Thessalonicherbriefen erwähnt (vgl. 1Th 2,19; 3,13; 4,15; 5,23; s. Anm. zu 1Th 2,19). Der besondere Aspekt seiner Wiederkunft, um den es hier geht, wird im nächsten Ausdruck genannt: »unsere Vereinigung mit ihm (wörtl. unser Versammeltwerden zu ihm)«, was den Gedanken vermittelt, dass alle Gläubigen mit dem Herrn Jesus versammelt sein werden. Das bezieht sich offenbar auf die Entrückung der Gemeinde, die in 1Th 4,13-18 und Joh 14,1-3 beschrieben wird. Vgl. Hebr 10,25 für das einzige weitere Vorkommen dieses Begriffs im NT. Auf dieses Ereignis warteten die Thessalonicher (vgl. 1Th 1,10; 3,13; 5,9).
2,2 schnell … erschüttern. Dieser Begriff wurde für ein Erdbeben verwendet (Apg 16,26) sowie für ein Schiff vor Anker, das bei einem heftigen Sturm von seinem Anlegeplatz weggerissen wird. Zusammen mit dem Begriff »in Schrecken jagen« beschreibt es einen Zustand des Aufruhrs und der Angst, der die Gemeinde erfasst hatte. Die Gläubigen waren in großer Sorge, weil sie erwartet hatten, dass die Entrückung, das Versammeltwerden zum Herrn, vor dem Tag des Herrn stattfi ndet. Sie hatten erwartet, in die Herrlichkeit und himmlische Ruhe aufgenommen und nicht der Verfolgung und dem Zorn Gottes überlassen zu werden. Paulus muss ihnen offenbar gesagt haben, dass sie den Tag des Herrn nicht miterleben werden (1Th 5,2-5; vgl. Offb 3,10), doch sie waren verwirrt durch die Verfolgung, die sie erfuhren, und dachten, der Tag des Herrn sei bereits da. In diesem Irrtum waren sie noch bestärkt worden, als einige ihnen weismachen wollten, der Tag des Herrn sei tatsächlich gekommen. Paulus bezeichnete die Quelle dieser Behauptungen als »Geist«, »Wort« und »Brief«. Ein »Geist« bezieht sich höchstwahrscheinlich auf einen falschen Propheten, der behauptet, eine Offenbarung von Gott zu haben, so z.B. in 1Joh 4,1-3. Ein »Wort« könnte eine Predigt oder einen Vortrag bedeuten und ein »Brief« eine schriftliche Mitteilung. Diese Fehlinformation konnte deshalb so einfl ussreich und schädigend sein, weil behauptet wurde, sie stamme vom Apostel Paulus (»angeblich von uns«). Wer auch immer es war, der den Thessalonichern weismachen wollte, der Tag des Herrn sei schon da, diese Lügner behaupteten jedenfalls, es sei eine Botschaft von Paulus, der sie gehört, verkündet und geschrieben habe. Damit verliehen sie ihrer Lüge eine angeblich apostolische Autorität und erzeugten Angst und Schrecken. Offenbar hatten sie die Entrückung vor dem Tag des Herrn erwartet. Denn wenn sie davon ausgegangen wären, dass die Entrückung erst nach dem Tag des Herrn geschähe, dann hätten sie sich gefreut, dass Christi Wiederkunft nahe sei. In diesem Brief war apostolische Authentizität wichtig; denn nur sie konnte diesen Irrtum richtig stellen. Deshalb war Paulus darauf bedacht, am Ende des Briefes seine typische Handschrift anzufügen (3,17; vgl. Gal 6,11). der Tag des Christus. Die besseren Textquellen schreiben nicht »des Christus«, sondern »des Herrn« (s. Anm. zu 1Th 5,2 zu einer Diskussion dieses »Tages«). Die Vorstellung, der Tag des Herrn sei bereits gekommen, widersprach dem, was Paulus zuvor über die Entrückung gelehrt hatte. Diesen Irrtum, der die Thessalonicher so sehr in Aufruhr versetzte, korrigierte Paulus in V. 3-12. Dort zeigte er, dass dieser Tag noch nicht gekommen ist und nicht kommen kann, ehe nicht bestimmte Tatsachen geschehen sind, insbesondere der »Mensch der Sünde« die Weltbühne betreten hat (V. 3).
2,3 der Abfall. Bevor der Tag des Herrn kommt, muss etwas Bestimmtes geschehen: die vorsätzliche Preisgabe einer Position, eines Treuebunds oder einer Verpfl ichtung, die zuvor belobigt wurden (der Begriff »Abfall« bezeichnete eine militärische, politische oder religiöse Rebellion). Einige meinen aufgrund eines fragwürdigen sprachtheoretischen Befunds, »Abfall« bedeute »Abscheiden« im Sinne der Entrückung. Der Zusammenhang deutet jedoch auf ein religiöses Abfallen hin, was in V. 4 näher beschrieben wird. Die Ausdrucksweise verweist nicht auf einen allgemeinen Glaubensabfall, den es immer gegeben hat und geben wird, sondern auf ein spezielles Ereignis. Paulus spricht von dem Abfall. Dieses Ereignis kann klar und deutlich identifi ziert werden und ist einzigartig. Es ist die Kulmination der Rebellion, ein Ereignis ultimativen Ausmaßes. Der Schlüssel zum Identifi zieren des Ereignisses besteht in der Identifi kation der Hauptperson. Paulus identifi ziert sie und nennt sie »Mensch der Sünde«. Einige Texte lesen »Mensch der Gesetzlosigkeit«, doch das macht keinen Unterschied, denn die Sünde ist die Gesetzlosigkeit (1Joh 3,4). Dieser »Mensch der Sünde« ist der »zukünftige Fürst« (Dan 9,26) und das »kleine Horn« (Dan 7,8). Johannes nennt ihn »das Tier« (Offb 13,2-10.18) und am bekanntesten ist er unter dem Namen »der Antichrist«. Der Kontext und die Sprache weisen ihn eindeutig als eine reale zukünftige Person aus, die tatsächlich die Dinge tut, die die Bibel über sie prophezeit. Er wird auch »Sohn des Verderbens« genannt. So wird auch Judas Ischariot bezeichnet (Joh 17,12). Der »Abfall« ist der Gräuel der Verwüstung, der in der Mitte der Trübsalszeit stattfi ndet und von dem die Rede ist in Dan 9,27; 11,31 und Mt 24,15 (s. Anm. dort). Dieser Mann ist nicht Satan, wenngleich Satan die Macht ist, die hinter ihm steht (V. 9), und die Motive dieses Menschen den Wünschen des Teufels entsprechen (vgl. Jes 14,13.14). Paulus spricht hier von der eigentlichen Handlung des ultimativen Abfalls, die den letztendlichen Antichrist offenbart und den Beginn angibt für die Ereignisse, die den Tag des Herrn einleiten. Offenbar wird man ihn als Befürworter von Religion ansehen, sodass er vor dem Abfall nicht als Feind Gottes und Christi erscheint. Er erhöht sich selbst und widersetzt sich Gott, indem er in den Tempel einzieht, in den Ort der Anbetung Gottes, und sich selbst als Gott erklärt und von der Welt verlangt, ihn anzubeten. Mit dieser satanischen Selbstvergötterung verübt er diesen großen Abfall und widersetzt sich Gott. Während der ersten 3½ Jahre der Trübsalszeit unterhält er gute Beziehungen zu Israel, doch dann verwirft er es (vgl. Dan 9,27); und die zweiten 3½ Jahre sind die große Trübsalszeit unter seiner Herrschaft (vgl. Dan 7,25; 11,36-39; Mt 24,15-21; Offb 13,1-8), die im Tag des Herrn gipfelt.
2,5 euch dies sagte. Dieser Ausdruck steht im Imperfekt, was eine wiederholte Tätigkeit in der Vergangenheit bedeutet. Paulus hatte die Thessalonicher offenbar bei zahlreichen Gelegenheiten detailliert über Gottes Plan für die Zukunft belehrt. Hier erinnert er sie an die Fakten, die bewiesen, dass die falschen Lehrer hinsichtlich des Tages des Herrn irrten. Paulus hatte ihnen zuvor gesagt, dass der Antichrist vor dem Tag des Herrn offenbar wird, und da er noch nicht offenbart worden war, konnten sie sich unmöglich im Tag des Herrn befi nden.
2,6 zurückhält. Zwar waren die Thessalonicher bereits belehrt und wussten daher, was das Kommen des Antichristen zurückhielt, doch Paulus sagt in diesem Brief nicht ausdrücklich, worum es sich dabei handelt. Deshalb hat man viele Vorschläge gemacht, um die zurückhaltende Macht von V. 6.7 zu identifi zieren: 1.) die menschliche Regierung; 2.) die Verkündigung des Evangeliums; 3.) das Gebundensein Satans; 4.) die Vorsehung Gottes; 5.) der Zustand der Juden; 6.) die Gemeinde; 7.) der Heilige Geist; und 8.) Michael. Was immer jetzt den Antichristen von V. 3.4.8-10 davon zurückhält, in all seiner Abtrünnigkeit und Bosheit offenbar zu werden, es muss sich jedenfalls um mehr als eine menschliche oder von Engeln stammende Kraft handeln. Es muss eine göttliche und übernatürliche Macht sein, die Satan davon abhält, den endgültigen Abfall zu bewirken und seinen falschen Christus zu bringen, der von ihm besessen ist. Nur Gottes wirksame Macht kann Satan zurückhalten, sodass der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens noch nicht kommen kann, solange Gott es nicht zulässt und die zurückhaltende Macht nicht wegnimmt. Der Grund für dieses Zurückhalten ist, dass der Antichrist erst zu Gottes festgesetztem Zeitpunkt offenbar wird und nicht früher (genau wie es bei Christus der Fall war; vgl. Gal 4,4), denn Gott herrscht über Satan.
2,7 das Geheimnis der Gesetzlosigkeit. Das ist der Geist der Ge- setzlosigkeit, der in der Gesellschaft bereits vorherrscht (vgl. 1Joh 3,4; 5,17), aber jetzt noch ein Geheimnis ist in dem Sinne, dass er noch nicht vollständig offenbart ist. Vollständig offenbaren wird sich der Geist der Gesetzlosigkeit in demjenigen, der sich so dreist Gott widersetzt, dass er in gotteslästerlicher Weise den Platz Gottes auf Erden einnimmt, den Gott für Jesus Christus vorbehalten hat. Der Geist eines solchen Menschen ist bereits wirksam (vgl. 1Joh 2,18; 4,3), doch der Mensch, der diesen Geist vollends verkörpern wird, ist noch nicht gekommen. Mehr über den Begriff Geheimnis s. Anm. zu Mt 13,11; 1Kor 2,7; Eph 3,4.5. aus dem Weg sein. Hier geht es nicht um räumliches Entfernen (daher kann es sich nicht um die Entrückung der Gemeinde handeln), sondern vielmehr um ein »zur Seite treten«. Der zugrunde liegende Gedanke ist nicht »weg sein«, sondern »aus dem Weg sein« (vgl. Kol 2,14, wo unsere Sünden aus dem Weg geräumt sind, die eine Barriere zwischen Gott und uns waren); s. Anm. zu V. 3.4. Diese zurückhaltende Macht wird bestehen bleiben, bis der Antichrist offenbar wird. Das wird in der Mitte der Trübsalszeit geschehen. Dann verbleiben dem Antichrist noch 42 Monate Regierungszeit (Dan 7,25; Offb 13,5).
2,8 der Gesetzlose. Er wird machtvolle Taten vollbringen und damit zeigen, dass er übernatürliche Kräfte besitzt. Seine gesamte Vorgehensweise wird trügerisch sein und die Welt dazu verführen, ihn anzubeten und verdammt zu werden. Die Karriere des Gesetzlosen wird in Offb 13,1-18 detaillierter beschrieben (s. Anm. dort). und dann wird … geoffenbart. Zur von Gott beschlossenen Zeit in der Mitte der Trübsal, wenn Gott die zurückhaltende Macht entfernt, erhält Satan, der den Geist der Gesetzlosigkeit verbreitet hat (V. 7), letztendlich die Erlaubnis, sein Begehren zu erfüllen und Gott zu imitieren, indem er in einem Menschen innewohnt, der seinen Willen so tut, wie Jesus Gottes Willen getan hat. Auch das passt zu Gottes Plan für die Kulmination des Bösen und zum Gericht am Tag des Herrn. den der Herr verzehren wird. Der Tod ereilt sie durch Gottes Hand (vgl. Dan 7,26; Offb 17,11), und dieser Mensch und sein Partner, der falsche Prophet, werden lebendig in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt, wo er ewig von Gott getrennt sein wird (Offb 19,20; 20,10). seiner Wiederkunft. Bei diesem Aspekt seiner Wiederkunft geht es nicht um die Entrückung der Gemeinde, sondern um die Wiederkunft des Herrn zum Gericht an jenem Tag, wenn er die Streitmächte Satans besiegen und sein Tausendjähriges Reich aufrichten wird (Offb 19,11-21).
2,10 denen, die verloren gehen. Sein Einfl uss ist darauf be- schränkt, die Unerretteten zu verführen, die seinen Lügen glauben werden (vgl. Mt 24,24; Joh 8,41-44). Sie werden in der Verführung untergehen, weil ihnen durch Satan Blindheit für die Wahrheit des rettenden Evangeliums auferlegt ist. Vgl. Joh 3,19.20; 2Kor 4,4.
2,11 Kraft der Verführung. Wer es vorzieht, die Sünde und die Lüge zu lieben anstatt die Wahrheit des Evangeliums, wird, wie alle Sünder, von Gott eine schwere Vergeltung empfangen. Gott selbst wird ein Gericht senden, das ihr Schicksal besiegelt, und zwar in Form eines täuschenden Einfl usses, sodass sie weiterhin das Falsche glauben. Sie akzeptieren das Böse als gut und die Lüge als Wahrheit. So benutzt Gott Satan und den Antichristen als seine Werkzeuge des Gerichts (vgl. 1Kö 22,19-23).
2,12 gerichtet. So wie Gott willentliche Ablehnung stets dadurch gerichtet hat, dass er Menschen der Unreinheit und niedrigen Begierden dahingab (Röm 1,24-28), so wird Gott auch in den letzten Tagen in souveräner Weise das Schicksal derer besiegeln, die darin beharren, Satan und seinem falschen Christus zu folgen. Wie zu allen Zeiten werden dann diejenigen, die beständig die Wahrheit ablehnen, gerichtet werden, indem sie den Konsequenzen ihrer Sünde ausgeliefert werden.
2,13 Errettung … Heiligung. So wie der Charakter des Antichris- ten spezifi sche Elemente aufweist (V. 10-12), so gibt es auch Charakteristika der Erretteten. In diesen beiden Versen gibt Paulus einen Überblick über die Eigenschaften der Errettung. Er stellt fest, dass Gläubige »vom Herrn geliebt« sind, in der ewigen Vergangenheit zum Heil erwählt (vgl. Offb 13,8; 17,8), vom Heiligen Geist von der Sünde abgesondert und zu ewiger Herrlichkeit berufen wurden, d.h. zur Teilhabe an der »Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus«. Paulus wollte mit diesem Abschnitt in erster Linie die Thessalonicher erinnern, dass es keinen Grund zur Unruhe oder Sorge gab (V. 2) und sie nicht zu denken brauchten, sie hätten die Entrückung verpasst und befänden sich nun unter dem Gericht beim Tag des Herrn. Sie waren nicht zum Gericht, sondern zur Herrlichkeit bestimmt und gehörten nicht zu denen, die am Tag des Herrn gerichtet werden.
2,15 steht fest … haltet fest. Diese direkte Ermahnung rief auf zu einer angemessenen Reaktion auf die großartigen Wahrheiten, die Paulus gerade beschrieben hatte. Anstatt von Schrecken sollten sie von Stärke und Standhaftigkeit gekennzeichnet sein. An die Stelle falscher Lehre sollte ein treues Anhängen an der Wahrheit treten.
2,16 Er selbst aber. Einer der vielen Segenswünsche in den Pau- lusbriefen. Hier bittet er um Gottes Macht, die auf seiner Liebe und Gnade gründet und die wahre Quelle der Ermutigung und Kraft ist (vgl. 3,5.16).
3,1 betet für uns. Paulus bat die Gemeinden oft um Gebetsunterstüt- zung für seinen Dienst (vgl. Röm 15,30-32; Eph 6,18.19; Kol 4,2.3; 1Th 5,25; Phim 22). Insbesondere bat er sie, dafür zu beten, dass das Wort Gottes sich weiterhin so schnell ausbreite wie bisher (vgl. Apg 6,7; 12,24; 13,44-49) und mit der Ehre aufgenommen werde, die es verdient.
3,2 verkehrten und bösen Menschen. Das waren Paulus’ Feinde in Korinth, wo er sich zur Zeit der Abfassung des 2. Thessalonicherbriefes aufhielt (vgl. Apg 18,9-17). Diese Gegner setzten ihm und dem Evangelium einen abartigen und aggressiven Widerstand entgegen.
3,3 der Herr ist treu. Vgl. Kla 3,23. Gott ist treu im Hinblick auf: die Schöpfung (Ps 119,90), seine Verheißungen (5Mo 7,9; 2Kor 1,18; Hebr 10,23), die Errettung (1Th 5,24), Versuchungen (1Kor 10,13), Leiden (1Pt 4,19) und wie hier treu in dem Sinne, dass er die Gläubigen stärkt und vor Satan schützt (vgl. Joh 17,15; Eph 6,16; 1Th 3,5).
3,5 Ein weiterer, in seinen Briefen häufi ger Segenswunsch des Paulus (vgl. V. 16; 2,16.17).
3,6 Wir gebieten euch. Paulus’ Anweisungen waren nicht nur Ratschläge, sondern hatten das Gewicht und die Autorität der gerichtlichen Anordnung eines Richters, die der Apostel hier bekannt gibt und bekräftigt (vgl. V. 4.6.10,12). Er fordert Absonderung, damit gehorsame Christen keine Gemeinschaft mit gewohnheitsmäßig ungehorsamen Gläubigen haben. Das wird in V. 14 näher erklärt. Überlieferung. Es gab falsche Überlieferungen (Mk 7,2-13; Kol 2,8) und wahre (vgl. 2,15). Paulus’ Überlieferungen waren seine inspirierten Lehren, die er vermittelt hatte.
3,7 uns nachahmen. Paulus rief die Gläubigen auf, ihm nachzuei- fern (vgl. V. 9; 1Th 1,6), denn er eiferte dem Vorbild Christi nach (vgl. 1Kor 4,16; 11,1; Eph 5,1).
3,8 gearbeitet. Hier geht es besonders um fl eißiges Arbeiten, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Obwohl Paulus als Apostel das »Recht« auf Unterstützung gehabt hätte, wollte er seinen Lebensunterhalt lieber selbst verdienen und somit ein Beispiel setzen (vgl. 1Kor 9,3-14; Gal 6,4; 1Tim 5,17.18).
3,11 Wir hören. Obwohl Paulus sie gelehrt hatte, zu arbeiten, und ihnen diesbezüglich geschrieben hatte (1Th 4,11), war ihm zu Ohren gekommen, dass einige immer noch nicht arbeiten wollten (vgl. 1Tim 5,13). Diesen befahl er, ein regelmäßiges und geordnetes Arbeitsleben zu beginnen.
3,13 werdet nicht müde. Die schwer arbeitenden Gläubigen wa- ren es leid, die Faulen unterstützen zu müssen und waren bereit, alle Hilfeleistungen für die Bedürftigen einzustellen und keine Nächstenliebe mehr zu üben. Paulus erinnerte sie, dass die wahrhaft Bedürftigen immer noch Hilfe brauchten und dass die Thessalonicher ihnen gegenüber nicht nachlässig werden durften.
3,14 habt keinen Umgang mit ihm. D.h. sie sollten keine Gesell- schaft mit ihnen pfl egen und nicht mit ihnen »durcheinander gehen«. Wenn sich auffallend ungehorsame Christen weigerten, dem Wort Gottes zu gehorchen, sollten sie aus der Gemeinschaft entfernt werden (V. 6), um Beschämung und somit hoffentlich Buße zu bewirken. S. Mt 18,15-17; 1Kor 5,9-13; Gal 6,1 zu weiteren Details darüber, wie mit solchen umzugehen ist, die unbußfertig sind und wiederholt sündigen.
3,15 Feind … Bruder. Der Zweck dieser Zuchtmaßnahme ist nicht
1,1 Apostel Jesu Christi. S. Anm. zu 2Kor 12,11.12; vgl. Apg 1,2; 2,42; Röm 1,1; Eph 2,20. Gottes, unseres Retters. Dieser Titel kommt nur in den Pastoralbriefen vor (1.2 Tim, Titus) und wurzelt im AT (Ps 18,47; 25,5; 27,9; Mi 7,7; Hab 3,18). Gott ist von seinem Wesen her ein rettender Gott und der Ursprung unserer Errettung, die er sich in der ewigen Vergangenheit bereits vorgesetzt hat (s. Anm. zu 4,10; vgl. 2Th 2,13). Jesus Christus, der unsere Hoffnung ist. Christen können auf die Zukunft hoffen, weil Christus in der Vergangenheit am Kreuz das Heil für sie erworben hat (Röm 5,1.2), in der Gegenwart durch seinen Geist heiligt (Gal 5,16-25) und in der Zukunft zur Herrlichkeit führen wird (Kol 1,27; 1Joh 3,2.3).
1,2 Timotheus. S. Einleitung: Titel. echtes Kind im Glauben. Nur Timotheus (2Tim 1,2; 2,1) und Titus (1,4) wurden von Paulus mit diesem besonderen Ausdruck der Gunst bezeichnet. Das gr. Wort für »Sohn« wird besser mit »Kind« übersetzt, was Paulus’ Rolle als Timotheus geistlichem Vater hervorhebt. »Echt« spricht von der Echtheit des Glaubens des Timotheus (vgl. 2Tim 1,5). Timotheus war Paulus’ Lieblingsschüler und Schützling (1Kor 4,17; Phil 2,19-22). Gnade, Barmherzigkeit, Friede. Paulus’ vertrauter Gruß in allen seinen Briefen (s. Anm. zu Röm 1,7), dem hier aber noch »Barmherzigkeit« zugefügt ist (vgl. 2Tim 1,2). Barmherzigkeit befreit den Gläubigen von dem Elend, das die Sünde als Konsequenz nach sich zieht.
1,3 In dieser Einleitung fordert Paulus auf, die Verbreitung fal- scher Lehre in der Gemeinde von Ephesus zu stoppen und charakterisiert die falschen Lehrer und ihre Lehre. 1,3 bei meiner Abreise nach Mazedonien … in Ephesus zu bleiben. Bevor Paulus Ephesus verließ, hatte er wahrscheinlich begonnen, sich mit Hymenäus und Alexander (V. 20) auseinander zu setzen und sie abzuweisen. Dann trug er Timotheus auf, dort zu bleiben und die begonnene Konfrontation zu beenden. gewissen Leuten. Oder »einigen«. Die falschen Lehrer waren nur wenige, doch ihr Einfl uss zog weite Kreise. Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass diese Männer Älteste aus Ephesus und den umgebenden Gemeinden waren: 1.) Sie gaben vor, Lehrer zu sein (V. 7); diese Aufgabe war Ältesten vorbehalten (3,2; 5,17). 2.) Paulus selbst musste Hymenäus und Alexander ausschließen, was impliziert, dass sie die höchsten pastoralen Posten innehatten. 3.) Paulus listet detailliert die Qualifi kationen von Ältesten auf (3,1-7), was vermuten lässt, dass unqualifi zierte Männer diese Aufgaben bekleideten und von qualifi zierten ersetzt werden mussten. 4.) Paulus betonte, dass sündigende Älteste öffentlich unter Zucht gestellt werden müssen (5,19-22). gebietest. Das beschreibt einen militärischen Befehl und fordert von einem Untergebenen, einem Auftrag eines Höherstehenden zu gehorchen (vgl. 2Tim 4,1). keine fremden Lehren zu verbreiten. Eine Wortkomposition aus zwei gr. Begriffen, die so viel bedeuten wie »andersartig« und »lehren«. Die falschen Lehrer lehrten offenbar ein anderes Evangelium der Errettung als die Apostel (vgl. 6,3.4; Apg 2,42; Gal 1,6.7; s. Anm. zu Gal 1,6-9) und nicht das »Evangelium der Herrlichkeit des hochgelobten Gottes« (V. 11).
1,4 Legenden und endlosen Geschlechtsregistern. Legenden und Fantastereien aus den Elementen des Judaismus (V. 7; vgl. Tit 1,14). Dabei handelte es sich wahrscheinlich um allegorische oder ausgedachte Interpretationen von atl. Stammbäumen. In Wirklichkeit waren das »Lehren von Dämonen« (4,1), die als Wahrheit Gottes dargestellt wurden (vgl. 4,7).
1,5 des Gebotes. S. Anm. zu V. 3, wo die Verbform »gebieten« verwendet wird (ebenso in V. 8). Zweck des Gebots in V. 3.u.4 sind die geistlichen Tugenden, die in V. 5 defi niert werden. Timotheus sollte die Gemeinde mit diesem Gebot konfrontieren. Wenn Wahrheit verkündet und vor Irrtümern gewarnt wird, zielt das stets darauf ab, Menschen zur wahren Errettung in Christus zu führen. Das Ergebnis davon ist Liebe zu Gott aus einem gereinigten Herzen (2Tim 2,22; 1Pt 1,22), ein sauberes Gewissen (Hebr 9,22; 10,14) und echter Glaube (Hebr 10,22). Liebe. Das ist die freiwillige, willentliche Liebe, die geprägt ist von Selbstverleugnung und Selbstaufopferung zugunsten der anderen; sie ist das Kennzeichen eines wahren Christen (Joh 13,35; Röm 13,10; 1Joh 4,7.8; s. Anm. zu 1Kor 13,1-7). Im Gegensatz dazu führt falsche Lehre nur zu Konfl ikten und »Streitfragen« (V. 4; 6,3-5). gutem Gewissen. Vgl. V. 19; 3,9; 4,2; s. Anm. zu 2Kor 1,12. Das gr. Wort für »gut« bezeichnet etwas Vollkommenes, das zu Freude und Genugtuung führt. Gott schuf den Menschen mit einem »Gewissen« als Fähigkeit zur Selbstbeurteilung. Da Gott sein Gesetz in das Herz des Menschen geschrieben hat (s. Anm. zu Röm 2,15), kennt der Mensch den grundsätzlichen Maßstab für Recht und Unrecht. Wenn er gegen diesen Maßstab verstößt, meldet sich sein Gewissen mit Schuldgefühlen. So wirkt es als Sicherheitssystem des Denkens, das Angst, Scham und Zweifel hervorruft und somit vor den Bedrohungen warnt, die das Wohlergehen der Seele gefährden (vgl. Joh 8,9; 1Kor 8,7.10.12; Tit 1,15; Hebr 10,22). Wenn ein Gläubiger andererseits Gottes Willen tut, genießt er die Bestätigung, die Gewissheit, den Frieden und die Freude eines guten Gewissens (vgl. Apg 23,1; 24,16; 2Tim 1,3; Hebr 13,18; 1Pt 3,16.21).
1,6 unnützem Geschwätz. Vgl. Tit 1,10. D.h. ziellosem Gerede ohne logischen Sinn. Es ist im Grunde bedeutungslos und wird nichts Geistliches bewirken und die Gläubigen nicht auferbauen. Dieser Ausdruck kann auch übersetzt werden mit »unfruchtbaren Diskussionen«. Falsche Lehre führt zu nichts, als nur zur tötenden Wirkung von menschlicher Spekulation und dämonischer Verführung (vgl. 6,3-5).
1,7 wollen Lehrer des Gesetzes sein. Die falschen Lehrer erstreb- ten das Prestige der jüdischen Rabbis, aber sie waren überhaupt nicht daran interessiert, das Gesetz wirklich zu lernen und an andere weiterzuvermitteln (vgl. 6,4; Mt 23,5-7). Stattdessen legten sie den Gläubigen in Ephesus eine gesetzliche Irrlehre auf, die Errettung durch Werke anbot. 1,7 das Gesetz. Hier geht es nicht um Gesetz als allgemeines Prinzip, sondern um das mosaische Gesetz. Diese jüdischen MöchtegernLehrer wollten der Gemeinde auferlegen, die Beschneidung und die mosaischen Zeremonien als heilsnotwendig anzusehen und zu praktizieren. Damit plagten sie die Urgemeinde (s. Anm. zu Gal 3-5; Phil 3,1-8).
1,8 dass das Gesetz gut ist. Das gr. Wort für »gut« kann auch mit »nützlich« übersetzt werden. Das Gesetz ist gut bzw. nützlich, weil es Gottes heiligen Willen und gerechten Maßstab widerspiegelt (Ps 19,8; Röm 7,12) und seinen Zweck darin erfüllt, Sündern ihre Sünde zu zeigen (Röm 3,19) sowie ihnen deutlich zu machen, dass sie einen Retter brauchen (Gal 3,24). Das Gesetz zwingt die Menschen anzuerkennen, dass sie sich schuldig gemacht und Gottes Gebot nicht gehorcht haben. Dadurch verurteilt das Gesetz jeden Menschen und verdammt ihn zur Hölle (s. Anm. zu Röm 3,19.20).
1,9 einem Gerechten kein Gesetz auferlegt ist. Solange sich je- mand für gerecht hält, wird er nie errettet werden (Lk 5,32), weil er den wahren Zweck des Gesetzes nicht versteht. Die falschen Lehrer mit ihrem System der Werke und ihrer selber erlangten (vermeintlichen) Gerechtigkeit hatten klar gezeigt, dass sie das Gesetz völlig missverstanden. Es war kein Mittel zur Selbstgerechtigkeit, sondern ein Mittel zur Selbstverurteilung und führte zur Sündenerkenntnis, zur Buße und zum Anrufen Gottes um Erbarmen (V. 15). S. Anm. zu Lk 18,9-14; Röm 5,20; Gal 3,10-13.19. Gesetzlosen … Gemeinen. Diese ersten sechs Charaktereigenschaften, die in drei Paaren aufgelistet sind, beschreiben Sünde entsprechend der ersten Hälfte der Zehn Gebote, bei der es um die Beziehung des Menschen zu Gott geht. »Gesetzlose« sind diejenigen, die sich keinem Gesetz oder Maßstab unterordnen und daher »widerspenstig« bzw. rebellisch sind. Die »Gottlosen« verachten alles Heilige, was bedeutet, dass sie »Sünder« sind, weil sie Gottes Gesetz verachten. »Unheilige« sind gleichgültig gegenüber dem, was recht ist, und daher sind sie »gemein«, d.h. sie treten alles, was heilig ist, mit Füßen (vgl. Hebr 10,29). 1,9 die Vater und Mutter misshandeln … Meineidige. Diese Sünden sind Verstöße gegen die zweite Hälfte der Zehn Gebote, bei denen es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Diese speziellen Sünden charakterisierten zweifellos die falschen Lehrer, denn es sind typische Verhaltensweisen, die mit falscher Lehre einhergehen (V. 10). »Vater und Mutter misshandeln« (oder »totschlagen«) bedeutet, gegen das 5. Gebot zu verstoßen (2Mo 20,12; vgl. 21,15-17), welches alles verbietet von Verunehrung bis Mord. »Menschen töten« (oder »ermorden«) ist ein Verstoß gegen das 6. Gebot (2Mo 20,13). »Unzüchtige« und »Knabenschänder« (oder »Homosexuelle«) verstoßen gegen das 7. Gebot (2Mo 20,14), das sexuelle Betätigung außerhalb der Ehe verbietet. Weil zur Zeit des Paulus Kinderdiebstahl an der Tagesordnung war, erwähnt er »Menschenräuber« in Zusammenhang mit dem 8. Gebot (2Mo 20,15), das Stehlen verbietet. »Lügner« und »Meineidige« sind Übertreter des 9. Gebots (2Mo 20,16).
1,10 gesunden Lehre. Das ist in den Pastoralbriefen ein häufi ger Schwerpunkt (vgl. 2Tim 4,3; Tit 1,9; 2,1). »Gesund« bezieht sich auf das, was heilsam und unverfälscht ist. Gesund ist die Lehre, die geistliches Leben und Wachstum hervorbringt. Folglich führt falsche Lehre zu geistlicher Krankheit und Schwächung.
1,11 Evangelium der Herrlichkeit. Das Evangelium offenbart die Herrlichkeit Gottes, d.h. die Vollkommenheit seiner Person bzw. seiner Eigenschaften, einschließlich seiner Heiligkeit (er hasst die Sünde), Gerechtigkeit (er fordert Strafe für die Übertretung seines Gesetzes) und Gnade (er vergibt Sünde). Diese besonderen Eigenschaften haben eine Schlüsselbedeutung für eine wirksame Präsentation des Evangeliums. anvertraut. Dieses gr. Wort bedeutet, jemandem etwas Wertvolles zu übergeben. Gott vertraute Paulus die Verkündigung und Bewahrung seiner offenbarten Wahrheit an. Vgl. 2,7; 6,20.21; Röm 15,15.16; 1Kor 4,1.2; 9,17; 2Kor 5,18-20; Gal 2,7; Kol 1,25; 1Th 2,4.
1,12 Paulus bezeugt in diesen Versen seine eigene Errettung und verdeutlicht damit den Gegensatz zwischen seinem eigenen richtigen Verständnis des Gesetzes und dem falschen Verständnis der falschen Lehrer, sowie zwischen der Herrlichkeit des wahren Evangeliums und der Hohlheit falscher Lehre. 1,12 mich treu erachtet. Gott bewirkt seine souveräne Absicht für Paulus und für alle Gläubigen durch ihren persönlichen Glauben. Bevor der Heilige Geist Paulus von selbstgerechten Werken (s. Phil 3,4-7) wegwendete und zum Glauben allein an Christus führte, war Paulus für Gott unbrauchbar. Er befand sich im selben Zustand wie die unbrauchbaren falschen Lehrer (V. 6.7).
1,13 ein Lästerer und Verfolger und Frevler. Diese Verse be- schreiben Paulus‘ Erfahrung, als er sich im Licht des Gesetzes Gottes sah und erkannte, wer er wirklich ist (s. Anm. zu Röm 7,7-12). Ein »Lästerer« spricht schlecht über Gott und verleumdet ihn. Durch seine offenkundigen Angriffe gegen Christus hatte Paulus gegen die erste Hälfte der Zehn Gebote verstoßen (vgl. Apg 9,4.5; 22,7.8; 26,9.14.15). Als »Verfolger« und »Frevler« verstieß er dadurch, dass er Gläubige angriff, gegen die zweite Hälfte. Das gr. Wort für »Frevler« kann auch übersetzt werden mit »gewaltsamer Aggressor«, was verdeutlicht, mit welcher Gewalt Paulus gegen Christen vorging. Vgl. Anm. zu. V. 20. weil ich es unwissend im Unglauben getan habe. Paulus war weder ein abtrünniger Jude noch ein Pharisäer, der die Lehre Jesu klar verstanden hatte und ihn dennoch ablehnte. Er war ein eifriger Mensch, der sein Judentum ernst nahm, der versuchte, seine Errettung zu verdienen, aber damit war er verloren und verdammt (s. Anm. zu Phil 3,4-7). Wenn er sich hier auf Unwissenheit beruft, behauptet er damit nicht, unschuldig zu sein oder eine Ausrede für seine Schuld zu haben. Er weist damit lediglich darauf hin, dass er die Wahrheit des Evangeliums Christi nicht verstand und seine Religion aufrichtig zu verteidigen versuchte. Als Christus ihn zur Rede stellte, kam er bereitwillig zur Buße (vgl. Röm 7,9; Phil 3,8.9), was zeigt, dass er die Konsequenzen seines Tuns nicht verstanden hatte – er dachte wirklich, er würde Gott damit dienen (Apg 26,9).
1,14 Gnade. Gottes liebevolle Vergebung, durch die er Errettung gewährt, und zwar unabhängig von jeglichem Verdienst auf Seiten derer, die er errettet (s. Anm. zu Röm 3,24; Gal 1,6). dem Glauben und der Liebe. Diese Charaktereigenschaften stehen im NT häufi g im Zusammenhang mit der Errettung (vgl. Eph 1,15; 3,17; Kol 1,4.23). Sie sind Gaben der Gnade Gottes in Christus.
1,15 Glaubwürdig ist das Wort. Dieser Ausdruck kommt nur in den Pastoralbriefen vor (vgl. 3,1; 4,9; 2Tim 2,11; Tit 3,8) und kündigt Aussagen an, die Lehren mit Schlüsselbedeutung zusammenfassen. Der Ausdruck »aller Annahme wert« verleiht der Aussage zusätzliches Gewicht. Diese Sprüche waren in den Gemeinden offenbar so gut bekannt wie die elementare Wahrheit des Evangeliums. um Sünder zu retten. Diese Aussage basierte auf den Worten Jesu, die überliefert sind in Mt 9,13; Lk 19,10. ich der größte. Wörtl. »der erste« nach der Reihenfolge. Niemand konnte als schlimmerer Sünder betrachtet werden als jemand, der Gott gelästert und seine Gemeinde verfolgte hatte (s. Anm. zu 1Kor 15,9; Eph 3,8). Paulus’ Einstellung zu sich selbst hatte sich dramatisch verändert (vgl. Phil 3,7-9; s. Anm. zu Röm 7,7-12).
1,16 darum. Paulus wurde errettet, und daher hat Gott dem schlimmsten Sünder seine ganze gnadenreiche und barmherzige Geduld erwiesen. Langmut. Geduld mit Menschen (vgl. Röm 2,4). zum Vorbild. Ein Musterbeispiel. Paulus war der lebende Beweis, dass Gott jeden Sünder erretten kann, so sündig er auch ist. Der Bekehrungsbericht des Paulus kam bei der Errettung vieler zum Einsatz. Sein Zeugnis kommt noch sechs weitere Male im NT vor (Apg 9,22.26; Gal 1,2; Phil 3,1-14). 1,17 Eine von vielen Doxologien (Verherrlichungen Gottes) des Paulus (vgl. Röm 11,33-36). Gott bekommt alles Lob dafür, dass er Paulus souverän errettet hat.
1,18 Timotheus. S. Einleitung: Titel. den früher über dich ergan- genen Weissagungen. Das gr. Wort für »früher ergangenen« besagt, dass über Timotheus eine Reihe von Prophezeiungen geäußert wurde, als er seine Geistesgabe empfi ng (s. Anm. zu 4,14). Diese Prophezeiungen beriefen Timotheus ausdrücklich und übernatürlich in den Dienst für Gott. den guten Kampf kämpfst. Paulus nötigte Timotheus, den Kampf gegen die Feinde Christi und des Evangeliums zu kämpfen. Vgl. 2Kor 10,3-5; 2Tim 2,3.4; 4,7.
1,19 den Glauben … im Glauben. »Den Glauben« ist subjektiv und bedeutet dauerhaftes Glauben an die Wahrheit. »Im Glauben« ist objektiv und bezieht sich auf den Inhalt des Evangeliums. ein gutes Gewissen. S. Anm. zu V. 5. Schiffbruch. Ein gutes Gewissen dient als Ruder, das den Gläubigen durch die Felsen und Riffe der Sünde und des Irrtums lenkt. Die falschen Lehrer ignorierten ihr Gewissen und die Wahrheit und erlitten folglich Schiffbruch im christlichen Glauben (d.h. in der wahren Lehre des Glaubens), was eine schwerwiegende geistliche Katastrophe herbeiführt. Das bedeutet nicht, ein wahrer Gläubiger könne sein Heil verlieren (s. Anm. zu Röm 8,31-39), verdeutlicht jedoch den tragischen Verlust, den die Abgefallenen erleiden. Sie waren in der Gemeinde, hörten das Evangelium und verwarfen es zugunsten der falschen Lehre von V. 3-7. Abfall ist ein Wegwenden vom Evangelium, nachdem man es kennen gelernt hat. S. Anm. zu Hebr 2,3.4; 3,12-15; 6,1-8; 10,26-31.
1,20 Hymenäus und Alexander. Hymenäus wird in 2Tim 2,17 im Zusammenhang mit Philetus, einem anderen Irrlehrer, erwähnt. Alexander ist womöglich der Gegner des Glaubens, von dem in 2Tim 4,14.15 die Rede ist. Weiteres ist über diese beiden Männer nicht bekannt (s. Anm. zu V. 3). dem Satan übergeben. Paulus stellte beide Männer außerhalb der Gemeinde. Somit schob er ihrem Einfl uss einen Riegel vor und entzog ihnen den Schutz und die Geborgenheit des Volkes Gottes. Sie waren nun nicht mehr in der Sphäre des Segens Gottes, sondern unter dem Herrschaftsbereich Satans. In einigen Fällen hat Gott zu positiven Zwecken Gläubige dem Satan übergeben, um z.B. zu prüfen, ob sie echten rettenden Glauben haben, um sie demütig zu halten und in Abhängigkeit von ihm zu bewahren, um sie zu befähigen, andere zu stärken oder um Gott zu preisen (vgl. Hi 1,1-22; Mt 4,1-11; Lk 22,3133; 2Kor 12,1-10; Offb 7,9-15). Manche Menschen übergibt Gott dem Satan zum Gericht, wie z.B. den König Saul (1Sam 16,12-16; 28,4-20), Judas (Joh 13,27) und die sündigenden Gläubigen aus der Gemeinde von Korinth (s. Anm. zu 1Kor 5,1-5). damit sie gezüchtigt werden und nicht mehr lästern. S. Anm. zu V. 13. Paulus lernte durch Gottes Züchtigung, nicht mehr zu lästern, als er mit dem wahren Verständnis des Gesetzes und mit dem Evangelium konfrontiert wurde. Diese Konfrontation brauchten auch diese Männer. Der inspirierte Text scheint zu zeigen, dass Gott sie züchtigen und ihnen Gnade erweisen würde, wie er es bei Paulus getan hatte. Doch die evangelistische Arbeit konnte nicht auf Kosten der Reinheit der Gemeinde weitergeführt werden.
2,1 Die Gemeinde von Ephesus hatte offenbar aufgehört, für die Verlorenen zu beten, denn Paulus nötigt Timotheus, dieses Gebetsanliegen wieder zur Priorität zu erheben. Durch ihr verdrehtes Evangelium und durch die Lehre, die Errettung sei nur für Juden und für heidnische Anhänger des Judentums, hatten die judaistischen Irrlehrer in Ephesus das evangelistische Gebet sicherlich beeinträchtigt. Religiöser Exklusivismus (d.h. die Errettung gelte nur der Elite) besagte, das Gebet für die Verlorenen sei überfl üssig. 2,1 Bitten. Das gr. Wort stammt von einer Wurzel, die so viel be- deutet wie »ermangeln«, »fehlen«, »ohne etwas sein«. Daher geht es bei dieser Art von Gebet um Nöte und Bedürfnisse. Den Verlorenen fehlt dringend Errettung, und die Gläubigen sollten stets Gott bitten, diesen Mangel zu beheben. Fürbitten. Dieses Wort stammt von einer Wurzel, die so viel bedeutet wie »sich jemandem anschließen« oder »jemandem nahe treten, um ihm etwas Persönliches zu sagen«. Das Verb, das aus dieser Wurzel gebildet wird, bezeichnet die Fürsprache Jesu und des Heiligen Geistes für die Gläubigen (Röm 8,26; Hebr 7,25). Paulus wünscht für die Epheser, dass sie Mitgefühl für die Verlorenen haben, dass sie deren tiefes Leid und Elend verstehen und sich persönlich an Gott wenden, um für ihre Errettung zu beten. S. Anm. zu Tit 3,3.4. alle Menschen. Das sind nicht nur die Erwählten, sondern die Verlorenen allgemein. Gott hat seine Erwählung nicht öffentlich getroffen, sondern im Verborgenen; wir können nicht wissen, wer erwählt ist, bis der Erwählte auf das Evangelium reagiert. Gottes evangelistische Bemühungen sind umfangreicher als die Erwählung (Mt 22,14; Joh 17,21.23; s. Anm. zu V. 4).
2,2 Könige und alle, die in hoher Stellung sind. Weil so vie- le mächtige und einfl ussreiche Politiker und Regenten Gott gegenüber feindlich eingestellt sind, sind sie oft das Ziel von Bitterkeit und Feindseligkeit. Paulus nötigt die Gläubigen jedoch zu beten, dass diese Führungspersonen zur Buße über ihre Sünden kommen und das Evangelium annehmen. Das bedeutet, dass die Epheser sogar für die Bekehrung des römischen Kaisers Nero beten sollten, der ein grausamer und bösartiger Gotteslästerer war und die Gläubigen verfolgte. ein ruhiges und stilles Leben. »Ruhig« bedeutet die Freiheit von äußeren Störungen, »still« (oder »friedlich«) die Freiheit von inneren Störungen. Während die Gemeinde kompromisslos für die Wahrheit einsteht, soll sie dennoch nicht das zivile Leben in Aufruhr versetzen oder stören. Wenn die Gläubigen allen gegenüber Liebe und Güte zeigen und inbrünstig für die Verlorenen beten, einschließlich der Herrscher, werden sie eine gewisse religiöse Freiheit erfahren können. Verfolgung sollte nur die Folge eines gerechten Lebens sein und nicht von zivilem Ungehorsam (s. Anm. zu Tit 3,1-4; 1Pt 2,13-23). Gottesfurcht und Ehrbarkeit. »Gottesfurcht« ist ein Schlüsselbegriff in diesem Brief (3,16; 4,7.8; 6,3.5.6.11; vgl. 2Tim 3,5; Tit 1,1), was darauf hinweist, dass die Epheser zu einem geheiligten Leben aufgerufen werden mussten, da sie von der falschen Lehre negativ beeinfl usst waren. Gottesfurcht bedeutet, vor Gott in allem die richtige Einstellung und das angebrachte Verhalten zu zeigen; »Ehrbarkeit« kann auch übersetzt werden mit »moralische Ernsthaftigkeit« und bezeichnet moralische Würde und einen heiligen Umgang mit Menschen.
2,3 Gott, unserem Retter. S. Anm. zu 1,1.
2,4 welcher will, dass alle Menschen gerettet werden. Das gr. Wort für »will« ist nicht der Begriff, der üblicherweise Gottes Willen oder Beschluss ausdrückt (seinen ewigen Ratschluss), sondern es bezeichnet Gottes wünschenden Willen. Man muss unterscheiden zwischen Gottes Wunsch und seinem ewigen rettenden Vorsatz, der über seine Wünsche hinausgeht. Gott möchte nicht, dass Menschen sündigen. Er hasst Sünde mit seinem ganzen Wesen (Ps 5,5; 45,8) und hasst daher auch ihre Konsequenz, die ewige Verdammnis in der Hölle. Gott möchte nicht, dass Menschen für alle Ewigkeit böse und im verbitterten Hass auf ihn bleiben. Doch zu seiner eigenen Herrlichkeit und zur Offenbarung dieser Herrlichkeit im Zorn entschloss er sich, »die Gefäße des Zorns zu ertragen, die zum Verderben zugerichtet sind«, um so seinen höchsten Willen zu erfüllen (Röm 9,22). In seinem ewigen Ratschluss erkor er nur die Erwählten aus der Welt (Joh 17,6). Die übrigen gab er dahin und überließ sie den Konsequenzen ihrer Sünde, ihres Unglaubens und ihrer Ablehnung Christi (vgl. Röm 1,18-32). Letztendlich sind Gottes Entscheidungen nicht von seinen Wünschen bestimmt, sondern von seinem souveränen, ewigen Ratschluss. S. Anm. zu 2Pt 3,9. zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. D.h. gerettet werden. S. Anm. zu 2Tim 3,7.
2,5 es ist [nur] ein Gott. Es gibt keinen anderen Weg der Errettung (Apg 4,12), und deshalb ist es notwendig, für die Verlorenen zu beten, damit sie zur Erkenntnis des einen wahren Gottes kommen (vgl. 5Mo 4,35.39; 6,4; Jes 43,10; 44,6; 45,5.6.21.22; 46,9; 1Kor 8,4.6). Mittler. Das bezeichnet jemanden, der zwischen zwei Parteien vermittelt, um einen Konfl ikt zu lösen oder einen Vertrag oder Bund zu schließen. Jesus Christus ist der einzige »Mittler«, der zwischen Gott und Sündern Frieden vermitteln kann (Hebr 8,6; 9,15; 12,24). der Mensch Christus Jesus. Da im Grundtext vor »Mensch« kein Artikel steht, kann man übersetzen: »Christus Jesus, selber Mensch«. Nur der vollkommene Gott-Mensch konnte Gott und Mensch zusammenführen. Vgl. Hi 9,32.33.
2,6 Lösegeld. Das beschreibt die Wirkung von Christi stellvertreten- dem Tod für Gläubige, den er freiwillig auf sich nahm (Joh 10,17.18). Der Ausdruck erinnert uns an Jesu Aussage in Mt 20,28, wo er sich als »Lösegeld für viele« bezeichnet. Dieses »viele« schränkt das »alle« ein. Nicht für alle wurde das Lösegeld bezahlt (wenngleich Jesu Tod ausreichen würde), sondern nur für die vielen, die durch das Wirken des Heiligen Geistes glauben und denen die tatsächliche Versöhnung gilt. S. Anm. zu 2Pt 3,9. Christus zahlte nicht nur das Lösegeld; er wurde auch an Stelle des Gläubigen zum Ziel des Zornes Gottes; Christus starb den Tod des Sünders und trug seine Sünde (vgl. 2Kor 5,21; 1Pt 2,24). für alle. Das sollte in zweierlei Sinn verstanden werden: 1.) Es gibt zeitliche Segnungen der Erlösung, von denen alle Menschen gleichermaßen profi tieren (s. Anm. zu 4,10) und 2.) Jesu Tod reichte aus, um die Sünden aller Menschen zu bedecken. Doch der stellvertretende Aspekt seines Todes wird nur auf die Erwählten angewendet (s. oben und Anm. zu 2Kor 5,14-21). Deshalb ist Jesu Tod unbegrenzt in seiner Hinlänglichkeit, aber begrenzt in seiner Anwendung. Da Christi Sühnewerk für Sünde unteilbar, unausschöpfl ich und ausreichend ist, um die Schuld sämtlicher jemals begangener Sünden zu decken, kann Gott diese Sühne allen anbieten. Doch nur die Erwählten gehen darauf ein und werden gerettet, und zwar aufgrund des ewigen Ratschlusses Gottes (vgl. Joh 17,12). zur rechten Zeit. Zur passenden Zeit in Gottes Heilsplan (s. Anm. zu Gal 4,4).
2,7 für das. Der Auftrag Gottes an Paulus basierte auf den in V. 3-6 beschriebenen Wahrheiten. Verkündiger. Das gr. Wort stammt von einem Verb, das so viel bedeutet wie »bekannt machen«, »benachrichtigen« oder »öffentlich reden«. Paulus war ein öffentlicher Herold, der das Evangelium Christi verkündete. Apostel. S. Anm. zu 1,1. ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht. Mit seinem Nachdruck auf seine apostolische Autorität und Integrität betont Paulus, dass er ein Lehrer für die Heiden ist. Lehrer der Heiden. Das besondere Merkmal von Paulus’ Aufgabe als Apostel. Es verdeutlicht den weltweiten Geltungsbereich des Evangeliums. Da Paulus diesen Unterschied ausdrücklich herausstellen musste, kann man annehmen, dass er sich mit einer Form von jüdischem Exklusivismus auseinandersetzte. Dieser Exklusivismus hatte das Interesse der Epheser geschwächt, für die Errettung von Heiden zu beten.
2,8 Männer. Das gr. Wort für »Männer« im Gegensatz zu Frauen. Gott will, dass bei den Zusammenkünften der Gemeinde zur gemeinsamen Anbetung die Männer die Leiter sind. Wenn bei den Gemeindezusammenkünften für die Verlorenen gebetet wird, sollen die Männer dieses Gebet leiten. an jedem Ort. So bezeichnet Paulus die offi zielle Versammlung der Gemeinde (vgl. 1Kor 1,2; 2Kor 2,14; 1Th 1,8). heilige Hände aufheben. Paul setzt sich hier nicht für eine bestimmte Körperhaltung beim Gebet ein, sondern für eine Voraussetzung für wirksames Gebet (vgl. Ps 66,18). Diese Haltung wird zwar im AT beschrieben (1Kö 8,22; Ps 28,2; 63,4; 134,2), doch werden auch viele andere Körperhaltungen erwähnt. Das gr. Wort für »heilig« bedeutet »ungetrübt« oder »nicht durch Böses verunreinigt«. Die »Hände« symbolisieren die Aktivitäten des Lebens und somit bedeuten »heilige Hände« ein heiliges Leben. Die Grundlage für wirksames Gebet ist ein gerechtes Leben (Jak 5,16). ohne Zorn und Zweifel. »Zorn« und Gerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus (Jak 1,20; vgl. Lk 9,52-56). Eine bessere Übersetzung für »Zweifel« wäre »Meinungsverschiedenheit«. Das Wort bezeichnet den zögernden Unwillen, kontinuierlich zu beten. Das »ernstliche Gebet eines Gerechten« ist wirksam (Jak 5,16). Diese Eigenschaften beschreiben die innere Haltung des Beters.
2,9 In der Gemeinde von Ephesus gab es Frauen, die unrein und selbstdarstellerisch lebten (vgl. 5,6.11-15; 2Tim 3,6) und diese Praxis machte sich sogar bei der Anbetung der Gemeinde bemerkbar, wo diese Frauen zu Störungen wurden. Weil die Anbetung eine solch zentrale Bedeutung für das Gemeindeleben hat, fordert Paulus Timotheus auf, das Problem zu behandeln. 2,9 in ehrbarem Anstand … schmücken. Das gr. Wort für »An- stand« kann auch mit »Kleidung« übersetzt werden und bedeutet wörtl. »arrangieren«, »anordnen« oder »bereit machen«. Eine Frau soll sich für den Anbetungsgottesdienst angemessen zubereiten. Dazu gehört auch dezente Kleidung, die ein angemessen geschmücktes, keusches Herz ausdrückt. mit Schamhaftigkeit und Zucht. Das gr. Wort für »Schamhaftigkeit« bedeutet Zurückhaltung kombiniert mit Demut, was den Gedanken an Bescheidenheit vermittelt. Dieses Wort bedeutet auch das Ablehnen von allem, was Gott verunehrt, dann trauert man auch über eigene Sünden. »Zucht« bedeutet in erster Linie Selbstbeherrschung hinsichtlich sexueller Leidenschaften. Gottesfürchtige Frauen hassen Sünde und beherrschen ihre Leidenschaften, damit sie andere nicht zur Sünde verführen. S. Anm. zu 1Pt 3,3.4. Haarfl echten oder Gold oder Perlen oder aufwändiger Kleidung. Das waren praktische Gewohnheiten, die in der Gemeinde zu Ablenkung und Unstimmigkeiten führten. Im 1. Jhdt. fl ochten Frauen häufi g »Gold oder Perlen« oder Juwelen in ihre Frisuren (»Haarfl echten«), um die Aufmerksamkeit auf sich und vom Herrn wegzulenken. Die ärmeren Frauen beneideten sie vermutlich. Paulus wollte hier diesen gewissen Frauen verbieten, mit Herzenslust ihren Wohlstand zu präsentieren und die Gläubigen davon abzuhalten, den Herrn anzubeten.
2,10 Wenn Frauen sich öffentlich dazu bekannt haben, nach Gott- seligkeit zu streben, sollten sie diesen Anspruch nicht nur in ihrem Auftreten, ihrer Kleidung und ihrem Erscheinungsbild bestätigen, sondern auch dadurch, dass sie sich mit dem richtigen Verhalten kleiden.
2,11 Eine Frau soll … lernen. Frauen sollen bei den Gemeinde- zusammenkünften nicht öffentlich lehren, aber sie sind auch nicht vom Unterricht ausgeschlossen. Das gr. Verb für »lernen« steht hier im Imperativ. Paulus befi ehlt, dass Frauen in der Gemeinde unterrichtet werden. Das war ein neuartiges Konzept, da im 1. Jhdt. weder im Judentum noch in der griechischen Kultur die Frauen viel galten. In Ephesus hatten wahrscheinlich einige Frauen überreagiert, als sie unter der typischen kulturellen Erniedrigung litten und ergriffen in der Gemeinde die Gelegenheit, eine dominierende Rolle in der Leiterschaft zu spielen. in der Stille … in aller Unterordnung. Im Kontext der Gemeindeversammlung sollten »Stille« (»schweigen«) und »Unterordnung« (»sich unter etwas stellen«) die Rolle der Frau als Schülerin charakterisieren. Paulus erklärt in V. 12, was er damit meint: Frauen sollen still sein, indem sie nicht lehren, und sie sollen Unterwürfi gkeit zeigen, indem sie nicht die Autorität der Hirten oder Ältesten untergraben.
2,12 zu lehren. Paulus verwendete eine Verbform dieses gr. Wortes, die einen Zustand oder einen Prozess anzeigt und besser übersetzt wird mit »ein Lehrer zu sein«. Das war in der Gemeinde eine wichtige, offi zielle Aufgabe (s. Apg 13,1; 1Kor 12,28; Eph 4,11). Paulus verbietet also, dass Frauen das Amt oder die Rolle eines Hirten oder Lehrers ausüben. Er verbietet ihnen nicht das Lehren in anderen, angebrachten Situationen und Umständen (vgl. Apg 18,26; Tit 2,3.4). ich erlaube einer Frau nicht. Das gr. Wort für »erlauben« bedeutet im NT, jemandem zu gestatten, das zu tun, was er will. Paulus sprach hier wahrscheinlich eine reale Situation an, d.h. in Ephesus gab es einige Frauen, die öffentlich predigen wollten. herrscht. Paulus verbietet den Frauen in der Gemeindezusammenkunft jede Art von Autorität über Männer, da die Ältesten die Gemeinde leiten (5,17). Alle Ältesten müssen Männer sein (das wird aus den Anforderungen in 3,2.5 deutlich). still. S. Anm. zu V. 11.
2,13 Die untergeordnete Rolle der Frau ergab sich nicht aus dem Sündenfall als kulturelle, chauvinistische Entstellung des vollkommenen Planes Gottes, sondern Gott hatte ihr diese Rolle bereits als Teil seiner ursprünglichen Schöpfung zugeteilt (V. 13). Gott schuf die Frau nach dem Mann als seine auf ihn zugeschnittene Helferin (s. Anm. zu 1Mo 2,18; vgl. 1Kor 11,8.9). Der Sündenfall bestätigt Gottes Schöpfungsplan (s. Anm. zu 1Mo 3,1-7). Eva war von Natur nicht dazu geeignet, die Stellung höchster Verantwortung einzunehmen. Als sie den Schutz Adams verließ und sich seine Führungsrolle aneignete, war sie verwundbar und fi el. Das bestätigt, wie wichtig es für sie war, unter dem Schutz und der Führung ihres Mannes zu bleiben (s. Anm. zu 5,11.12; 2Tim 3,6.7). Dann verstieß Adam gegen seine Führungsrolle, folgte Eva in ihrer Sünde und stürzte die Menschheit damit in die Sünde. Das alles steht im Zusammenhang mit dem Missachten der Geschlechterrollen, wie Gott sie zugedacht hatte. Letztendlich ist Adam für den Sündenfall verantwortlich, denn er war es, der sich entschied, Gott ungehorsam zu sein, ohne verführt worden zu sein (Röm 5,12-21; 1Kor 15,21.22).
2,15 sie. Paulus meint damit nicht Eva, denn das Verb für »bewahrt werden« steht im Futur, und außerdem verwendet er die dritte Person Plural (»sie«, die Frauen). Er spricht von den Frauen, die nach Eva lebten. soll … bewahrt werden. Das ist die bessere Übersetzung als »errettet werden«. Das gr. Wort kann bedeuten: »retten«, »sicher und unversehrt bewahren«, »heilen« oder »befreien«. Im NT bezieht es sich einige Male nicht auf die geistliche Errettung (vgl. Mt 8,25; 9,21.22; 24,22; 27,40.42.49; 2Tim 4,18). Paulus lehrt hier nicht, Frauen würden ewig von der Sünde errettet, indem sie Kinder gebären, oder sie würden ihre Errettung bewahren, wenn sie Babys aufziehen. Beides würde klar der Lehre widersprechen, dass die Errettung allein aus Gnade ist (Röm 3,19.20) und ewig erhalten bleibt (Röm 8,31-39). Paulus lehrt hier Folgendes: Obwohl die Frau das Stigma trägt, das auslösende Werkzeug zu sein, durch das die Menschheit in Sünde fi el, werden Frauen, die Kinder bekommen, von diesem Stigma bewahrt oder befreit, wenn sie eine Generation gottesfürchtiger Kinder aufziehen (vgl. 5,10). durch das Kindergebären. Weil Mütter eine einzigartige und besonders vertraute Beziehung zu ihren Kindern haben und weit mehr Zeit mit ihnen verbringen als die Väter, üben sie einen erheblich größeren Einfl uss auf ihr Leben aus und haben somit eine einzigartige Verantwortung und Gelegenheit, gottesfürchtige Kinder zu erziehen. Zwar hat eine Frau die Menschheit in die Sünde geführt, doch haben Frauen das Privileg, viele von der Sünde zur Gottesfurcht zu führen. Paulus drückt sich hier allgemein aus; Gott will nicht von allen Frauen, dass sie heiraten (1Kor 7,25-40) oder Kinder gebären. wenn sie bleiben im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung samt der Zucht. Zu ihrem gottesfürchtigen Auftreten, zu ihrem Erscheinungsbild und Verhalten (V. 9-12) werden die Frauen in der Gemeinde motiviert durch die Verheißung, dass sie von jedem niedrigeren Status befreit werden und durch die Freude, gottesfürchtige Kinder aufzuziehen.
3,1 Mit diesem Brief beabsichtigte Paulus, Timotheus Anweisun- gen bezüglich der Gemeinde zu erteilen (V. 14.15). Für jede Gemeinde ist es von höchster Wichtigkeit, dass ihre Leiter für Lehrtätigkeit qualifi ziert und Vorbilder für die anderen Gläubigen sind. Diese Verse beschreiben diese Qualifi kationen für Hirten und Diakone (s.a. Anm. zu Tit 1,5-9). 3,1 Glaubwürdig ist das Wort. S. Anm. zu 1,15. trachtet, der begehrt. Das gr. Wort für »trachten« bedeutet »nach etwas streben«. Es beschreibt keine innere Motivation, sondern eine äußere Handlung. Das Wort für »begehren« bedeutet »eine starke Leidenschaft haben« und bezeichnet einen inneren Wunsch. Zusammen genommen beschreiben diese beiden Wörter treffend einen Mann, der in eine solche Aufgabe gehört: ein Gläubiger, der äußerlich danach strebt, weil er von einem starken inneren Wunsch dazu getrieben wird. Aufseherdienst. Von diesem gr. Begriff stammt das dt. Wort »Bischof« ab. Es bedeutet tatsächlich wörtl. »Auf-seher« und bezeichnet die Männer, die dafür verantwortlich sind, die Gemeinde zu leiten (vgl. 5,17; 1Th 5,12; Hebr 13,7). Im NT werden die Begriffe »Aufseher«, »Ältester« und »Hirte« synonym verwendet und bezeichnen dieselben Männer (Apg 20,17.28; Tit 1,5-9; 1Pt 5,1.2). Aufseher (Hirten, Aufseher, Älteste) sind dafür verantwortlich, zu leiten (5,17), zu predigen und zu lehren (5,17), den geistlich Schwachen zu helfen (1Th 5,12-14), für die Gemeinde zu sorgen (1Pt 5,1.2) und andere Leiter zu berufen (4,14).
3,2 muss. Dieses gr. Wort betont ausdrücklich die absolute Notwen- digkeit für die Gemeindeleiter, ein Leben zu führen, dem man nichts Böses nachsagen kann. untadelig. Wörtl. »dem man (in juristischem Sinne) nichts vorhalten kann«; wenn jemand »untadelig« ist, besteht keinerlei berechtigte Anklage, er habe irgendwo unrecht gehandelt. Das Leben eines Aufsehers darf von keiner offenkundigen, schändlichen Sünde getrübt sein, sondern er muss ein Vorbild für die Gläubigen sein, dem sie uneingeschränkt folgen können (vgl. V. 10; 4,16; 5,7; Ps 101,6; Phil 3,17; 2Th 3,9; Hebr 13,7; 1Pt 5,3). Das ist die alles überragende Anforderung für Älteste; die restlichen Qualifi kationen beschreiben im Einzelnen, was es heißt, untadelig zu sein. Tit 1,6.7 besagt dasselbe mit einem anderen gr. Wort. Mann einer Frau. Wörtl. ein »einzige-Ehefrau-Ehemann«. Das sagt nichts über Verheiratet- oder Geschiedensein (Erläuterungen dazu s. Anm. zu V. 4). Hier geht es nicht um den Familienstand des Ältesten, sondern um seine moralische und geschlechtliche Reinheit. Diese Qualifi kation steht ganz oben auf der Liste, denn auf diesem Gebiet sind Führungspersonen am anfälligsten. Diese Qualifi kation wurde ganz unterschiedlich interpretiert. Einige sehen darin ein Verbot von Polygamie. Das wäre jedoch eine unnötige Aufforderung, da in der römischen Gesellschaft Polygamie nicht üblich war und sie klar verboten ist durch die Lehre des AT (1Mo 2,24), die Lehre Jesu (Mt 19,5.6; Mk 10,6-9) und die Lehre des Paulus (Eph 5,31). Ein Polygamist könnte noch nicht einmal in die Gemeinde aufgenommen werden, geschweige denn ein Leiter werden. Andere sehen in dieser Anforderung einen Ausschluss solcher, die nach dem Tod ihrer Ehefrauen ein zweites Mal geheiratet haben. Doch wie bereits gesagt, geht es hier nicht um den Familienstand, sondern um sexuelle Reinheit. Außerdem ermutigt die Bibel Witwen und Witwer zur Wiederheirat (5,14; 1Kor 7,39). Einige meinen, Paulus schließe hier Geschiedene von der Gemeindeleitung aus. Diese Auffassung ignoriert ebenfalls die Tatsache, dass es bei dieser Qualifi kation nicht um den Familienstand geht. Die Bibel verbietet nicht jegliches Wiederheiraten nach einer Scheidung (s. Anm. zu Mt 5,31.32; 19,9; 1Kor 7,15). Und schließlich meinen einige, diese Anforderung schließe Unverheiratete von der Gemeindeleitung aus. Doch wenn Paulus das sagen wollte, hätte er sich selber disqualifi ziert (1Kor 7,8). Ein »Mann einer Frau« ist jemand, der völlig seiner Frau geweiht ist, beständig nur auf sie ausgerichtet lebt und in Gedanken und Werken nur ihr körperlich und seelisch zugeneigt ist. Wer dagegen verstößt, verwirkt seine Untadeligkeit und ist nicht mehr »unanstößig« (Tit 1,6.7). Vgl. Spr 6,32.33. nüchtern. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »ohne Wein«, doch hier bedeutet es bildhaft »wachsam«, »aufmerksam«, »wachend« oder »mit klarem Kopf«. Älteste müssen einen klaren Verstand haben. besonnen. Ein »besonnener« Mann ist diszipliniert, weiß seine Prioritäten richtig zu ordnen und legt in geistlichen Dingen die nötige Ernsthaftigkeit an den Tag. anständig. Das gr. Wort bedeutet »ordentlich«. Älteste dürfen kein chaotisches Leben führen, denn wenn sie ihr eigenes Leben nicht in Ordnung halten können, wie sollten sie dann in der Gemeinde für Ordnung sorgen? gastfreundlich. Dieses zusammengesetzte gr. Wort bedeutet »Liebe zu Fremden« (s. Anm. zu Röm 12,13; Hebr 13,2; vgl. 1Pt 4,9). Wie bei allen geistlichen Tugenden müssen Älteste ein Vorbild sein. Sie müssen offene Herzen und Häuser haben, damit alle Einblick in ihren geistlichen Charakter haben. fähig zu lehren. Dieses Wort kommt nur hier und in 2Tim 2,24 vor. Es ist die einzige Qualifi kation, die sich auf die Begabung und geistliche Fähigkeit eines Ältesten bezieht und die einzige zusätzliche Anforderung an Älteste im Vergleich zu Diakonen. Das Verkündigen und Lehren von Gottes Wort ist die vorrangige Pfl icht von Aufsehern, Hirten und Ältesten (4,6.11.13; 5,17; 2Tim 2,15.24; Tit 2,1).
3,3 nicht der Trunkenheit ergeben. Das ist mehr als nur ein Verbot von Betrunkenheit (s. Anm. zu Eph 5,18). Ein Ältester darf nicht als Trinker in Verruf kommen und sein Urteilsvermögen darf niemals von Alkohol benebelt sein (vgl. Spr 31,4.5; 1Kor 6,12). Er muss sich in seinem Lebensstil radikal von der Welt unterscheiden und andere nicht zur Sünde, sondern zur Heiligkeit führen (Röm 14,21). S. Anm. zu 5,23. nicht gewalttätig. Wörtl. »keiner, der Schläge austeilt«. Älteste müssen in heiklen Situationen gelassen und gelinde reagieren (2Tim 2,24.25) und dürfen unter keinen Umständen zu körperlicher Gewalt greifen. nicht nach schändlichem Gewinn strebend. Die besseren gr. Handschriften enthalten diesen Ausdruck nicht. S. Anm. unten zu »nicht geldgierig«. Dieses Prinzip ist jedoch in Tit 1,7 und 1Pt 5,2 enthalten. gütig. Rücksichtsvoll, freundlich, barmherzig, vergebungsbereit, friedfertig und nachsichtig. nicht streitsüchtig. »Friedliebend« und »nicht zum Streit bereit«, jemand, der keine Uneinigkeit oder Disharmonie fördert. nicht geldgierig. Älteste dürfen nicht von Geld motiviert sein, sondern vielmehr von Liebe zu Gott und seinem Volk (vgl. 1Pt 5,2). Wenn ein Leiter diesen Dienst wegen des Geldes ausübt, zeigt er, dass sein Herz nicht auf die Dinge Gottes gerichtet ist, sondern auf die Welt (Mt 6,24; 1Joh 2,15). Habgier charakterisiert falsche Lehrer (Tit 1,11; 2Pt 2,1-3.14; Jud 11), aber nicht den Dienst des Paulus (Apg 20,33; 1Kor 9,1-16; 2Kor 11,9; 1Th 2,5).
3,4 der seinem eigenen Haus gut vorsteht. Das Familienleben des Ältesten muss vorbildlich sein, genau wie sein Privatleben. Er muss jemand sein, der seinem »Haus« (d.h. allem, was mit seinem Haus in Verbindung steht, nicht nur seiner Frau und seinen Kindern) »vorsteht« (d.h. er führt und übt Autorität darüber aus), und zwar »gut« (im Wesen gut und exzellent). Das Thema Scheidung sollte in Verbindung hiermit gesehen werden. Ein Geschiedener zeigt nicht, dass er sein Haus gut führt, sondern offenbart vielmehr Schwäche in seiner geistlichen Leiterschaft. Hat der Mann eine biblisch zulässige Scheidung hinter sich, muss sie so weit zurückliegen, dass er sich durch eine lange beständige Zeit solider Führung der Familie bewährt und gottesfürchtige Kinder aufgezogen hat (V. 4; Tit 1,6). Unterordnung. Ein militärischer Begriff für Soldaten mit rangmäßig niedrigerer Autorität. Die Kinder eines Ältesten müssen gläubig sein (s. Anm. zu »treu« in Tit 1,6), gut erzogen und ehrerbietig.
3,5 für die Gemeinde Gottes sorgen. Ein Ältester muss zunächst im privaten und offenkundigen Bereich seines Familienlebens beweisen, dass er fähig ist, andere zum Heil und zur Heiligung zu führen. Dort zeigt sich, ob Gott ihn dazu begabt hat, ein Vorbild geistlicher Tugenden zu sein, anderen zu dienen, Konfl ikte zu lösen, Einheit zu fördern und die Liebe zu bewahren. Wenn er diese grundlegenden Dinge im Rahmen der Familie nicht kann, warum sollte man dann annehmen, er sei in der Gemeinde dazu fähig?
3,6 kein Neubekehrter, damit er nicht aufgeblasen wird. Wenn man einen Neubekehrten in eine Leitungsaufgabe stellte, würde ihn das zum Stolz versuchen. Deshalb müssen sich die Ältesten aus den geistlich reifen Männern der Gemeinde rekrutieren (s. Anm. zu 5,22). in das Gericht des Teufels gerät. D.h. unter dieselbe Anklage wie der Teufel. Satan wurde verurteilt, weil er stolz auf seine Stellung war. Das führte dazu, dass er aus seiner Stellung der Ehre und Autorität fi el (Jes 14,1214; Hes 28,11-19; vgl. Spr 16,18). Wenn ein neuer und schwacher Gläubiger in eine geistliche Führungsrolle gestellt wird, kann das bei ihm leicht zur selben Art von Fall und Verurteilung führen.
3,7 gutes Zeugnis haben von denen außerhalb. Ein Gemeinde- leiter muss unter den Ungläubigen einen unanfechtbaren Ruf genießen, auch wenn die Ungläubigen nicht mit seiner moralischen und theologischen Überzeugung übereinstimmen. Wie könnte er sonst einen geistlichen Einfl uss auf diejenigen ausüben, die ihn nicht respektieren? Vgl. Mt 5,48; Phil 2,15.
3,8 Diakone. Dieser Begriff stammt von einer Wortfamilie, die »die- nen« bedeutet. Ursprünglich war »Diakon« eine Bezeichnung für einfache Aufgaben wie z.B. das Bedienen von Tischen (s. Anm. zu Apg 6,1-4), doch später bezeichnete der Begriff jeglichen Dienst in der Gemeinde. Diakone unterstehen der Leitung der Ältesten und helfen ihnen bei der Aufsicht über die praktischen Belange des Gemeindelebens. Die Bibel defi niert keine offi ziellen und konkreten Verantwortungen für Diakone; sie sollen einfach das tun, womit die Ältesten sie beauftragen oder was geistlich gerade nötig ist. ehrbar. Von ernsthaftem Denken und Charakter; nicht albern oder leichtfertig im Umgang mit wichtigen Dingen. nicht doppelzüngig. Diakone dürfen nicht zum einen dieses und zum anderen jenes sagen; sie dürfen nicht heuchlerisch reden, sondern ihre Sprache muss aufrichtig und widerspruchsfrei sein. nicht vielem Weingenuss ergeben. Nicht vom Trinken in Beschlag genommen (s. Anm. zu V. 3). nicht nach schändlichem Gewinn strebend. Genau wie Älteste (s. Anm. zu V. 3) dürfen Diakone ihr Amt nicht zur eigenen Bereicherung missbrauchen. Diese Qualifi kation war in der Urgemeinde besonders wichtig, weil die Diakone üblicherweise das Geld der Gemeinde verwalteten und es an die Bedürftigen verteilten.
3,9 das Geheimnis. S. Anm. zu Mt 13,11; 1Kor 2,7; Eph 3,4.5. Das Wort »Geheimnis« kommt in den Paulusbriefen häufi g vor (vgl. Röm 11,25; 16,25; Eph 1,9; 3,9; 6,19; Kol 2,2), und bezeichnet eine Wahrheit, die zuvor verborgen war, aber jetzt offenbart ist. Dazu gehören die Fleischwerdung Christi (V. 16), das Wohnen Christi im Gläubigen (Kol 1,26.27), die Einheit von Juden und Heiden in der Gemeinde (Eph 3,4-6), das Evangelium (Kol 4,3), die Gesetzlosigkeit (2Th 2,7) und die Entrückung der Gemeinde (1Kor 15,51.52). reinen Gewissen. S. Anm. zu 1,5.
3,10 zuerst erprobt werden. Der Präsens dieses Verbs zeigt, dass die Gemeinde den Charakter und Dienst der Diakone ständig prüft. wenn sie untadelig sind. S. Anm. zu V. 2.
3,11 Die Frauen. Paulus meint damit wahrscheinlich nicht die Ehe- frauen der Diakone, sondern Frauen, die als Diakoninnen dienen. Das einleitende Wort »ebenfalls« (vgl. V. 8) legt nahe, dass hier eine dritte Gruppe zusätzlich zu den Ältesten und Diakonen gemeint ist. Da Paulus außerdem keine Anforderungen an die Ehefrauen der Ältesten stellte, gibt es keinen Grund zur Annahme, es handle sich um Bedingungen für die Ehefrauen von Diakonen. ehrbar. S. Anm. zu V. 8. nicht verleumderisch. Oder »keine Verleumder«, wobei »Verleumder« der Plural von diabolos ist, einem häufi gen Titel für Satan (Mt 4,5.8.11; 13,39; Lk 4,3.5.6.13; 8,12; 1Pt 5,8; 1Joh 3,8; Offb 2,10; 12,9.12; 20,2.10). Die Frauen, die dienen, dürfen keine Tratschweiber sein. nüchtern. S. Anm. zu V. 2. treu in allem. Wenn Frauen in der Gemeinde dienen, müssen sie, wie die Ältesten (s. Anm. zu V. 2), in allen Lebens- und Dienstbereichen absolut vertrauenswürdig sein.
3,12 Mann einer Frau. S. Anm. zu V. 2. ihrem Haus gut vorste- hen. S. Anm. zu V. 4.
3,14 Diese Verse bilden einen Übergang zwischen den positiven Anweisungen der ersten drei Kapitel und den Warnungen der letzten drei. Sie offenbaren das Herz des Sendungsauftrags (V. 15) und der Botschaft (V. 16) der Gemeinde. 3,14 in der Hoffnung, recht bald zu dir zu kommen. Die gr. Grammatik legt nahe, dass Paulus meinte: »Dies schreibe ich dir, obwohl ich gehofft hatte, eher zu dir zu kommen«. Da er sich in Mazedonien länger aufhielt als ursprünglich geplant (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), schrieb Paulus Timotheus diesen Brief.
3,15 wie man wandeln soll. Die zweite Hälfte dieses Verses be- schreibt das Thema dieses Briefes: die Dinge in der Gemeinde in Ordnung bringen. Haus Gottes. Eine bessere Übersetzung wäre »Haushalt« Gottes. Gläubige sind Gottes Hausgenossen (Gal 6,10; Eph 2,19; Hebr 3,6; 1Pt 4,17) und müssen sich dementsprechend verhalten. Der Ausdruck bezieht sich nicht auf ein Gebäude, sondern auf die Menschen, aus denen die wahre Gemeinde besteht. Gemeinde des lebendigen Gottes. Die Gemeinde ist Gottes Besitz (Apg 20,28; Eph 1,14; Tit 2,14; 1Pt 2,9). Der Titel »des lebendigen Gottes« hat ein reichhaltiges Erbe aus dem AT (5Mo 5,26; Jos 3,10; 1Sam 17,26.36; 2Kö 19,4.16; Ps 42,3; 84,3; Jes 37,4.17; Jer 10,10; 23,26; Dan 6,21.27; Hos 2,1). der Pfeiler und die Grundfeste. Vielleicht spielte Paulus mit diesem Bild auf den kolossalen Tempel der Diana (Artemis) in Ephesus an, der von 127 vergoldeten Marmorsäulen getragen wurde. Das Wort, das hier mit »Grundfeste« übersetzt ist, kommt nur hier im NT vor und bezeichnet die Grundlage eines Gebäudes. Die Gemeinde trägt die Wahrheit des offenbarten Wortes Gottes. Wahrheit. Der Inhalt des christlichen Glaubens, wie er in der Bibel überliefert ist und in V. 16 zusammengefasst wird.
3,16 Dieser Vers enthält einen Teil aus einem alten Gemeindelied. Das ist erkennbar an seinem Ebenmaß, Rhythmus und Parallelismus. Die sechs Zeilen bilden eine kurze Zusammenfassung der Wahrheit des Evangeliums. das Geheimnis der Gottesfurcht. Mit dem Begriff »Geheimnis« bezeichnet Paulus eine Wahrheit, die im AT noch verborgen war und im NT geoffenbart ist (s. Anm. zu V. 9). Gottseligkeit bezieht sich auf die Wahrheiten der Errettung und Gerechtigkeit in Christus, die in den Gläubigen Heiligkeit hervorbringt. So wird die wahre und vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi an ihnen sichtbar. Gott ist geoffenbart. Die besseren Manuskripte lesen statt »Gott« »er«. In jedem Fall ist damit eindeutig Christus gemeint, der den unsichtbaren Gott der Menschheit offenbart hat (Joh 1,1-4; 14,9; Kol 1,15; Hebr 1,3; 2Pt 1,16-18). im Fleisch. Das ist in diesem Fall nicht die sündige, gefallene Menschennatur (vgl. Röm 7,18.25; 8,8; Gal 5,16.17), sondern einfach das Menschsein (vgl. Joh 1,14; Röm 1,3; 8,3; 9,5; 1Pt 3,18; 1Joh 4,2.3; 2Joh 7). gerechtfertigt im Geist. »Gerechtfertigt« bedeutet »gerecht«, sodass entweder mit dem »Geist« nicht der Heilige Geist gemeint ist und der Ausdruck Christi sündlose geistliche Gerechtigkeit beschreibt (Joh 8,46; 2Kor 5,21; Hebr 4,15; 5,9; 7,26; 1Pt 2,21.22; 1Joh 2,1) oder aber der Ausdruck bezieht sich auf seine Einsetzung durch den Heiligen Geist (Röm 1,4). gesehen von den Engeln. Sowohl von den gefallenen Engeln (s. Anm. zu Kol 2,15; 1Pt 3,18-20) als auch von den auserwählten (Mt 28,2; Lk 24,4-7; Apg 1,10.11; Hebr 1,6-9). verkündigt unter den Heiden. Oder Nationen. S. Mt 24,14; 26,13; 28,19.20; Mk 13,10; Apg 1,8. aufgenommen in die Herrlichkeit. S. Apg 1,9.10; Phil 2,8-11; Hebr 1,3. Christi Himmelfahrt und Erhöhung haben gezeigt, dass der Vater Wohlgefallen an ihm fand und sein Werk völlig angenommen hat.
4,1 Nachdem Paulus bereits angedeutet hat, dass in Ephesus fal- sche Lehrer am Werke sind (1,3-7.18-20) und er ihrer Irrlehre die positiven Anweisungen von Kap. 2.3 entgegengestellt hat, geht er nun in diesem Abschnitt auf diese Irrlehrer direkt ein und befasst sich mit ihrem Ursprung und ihrer Lehre. 4,1 Der Geist aber sagt ausdrücklich. Paulus wiederholt ge- genüber Timotheus die Warnungen, mit denen er bereits viele Jahre zuvor die Ältesten von Ephesus gemahnt hatte (Apg 20,29.30). In der ganzen Bibel warnt der Heilige Geist immer wieder vor der Gefahr des Abfalls (vgl. Mt 24,4-12; Apg 20,29.30; 2Th 2,3-12; Hebr 3,12; 5,116,8; 10,26-31; 2Pt 3,3; 1Joh 2,18; Jud 18). in späteren Zeiten. Der Zeitabschnitt vom ersten Kommen Christi bis zu seiner Wiederkunft (Apg 2,16.17; Hebr 1,1.2; 9,26; 1Pt 1,20; 1Joh 2,18). Der »Abfall« wird während dieser ganzen Zeit bestehen, aber kurz vor Jesu Wiederkunft seinen Höhepunkt erreichen (vgl. Mt 24,12). vom Glauben abfallen. Wer den falschen Lehrern zum Opfer fällt, wird den christlichen Glauben preisgeben. Vom gr. Wort für »abfallen« stammt der Begriff »Apostat« ab. Es bezeichnet jemanden, der seine ursprüngliche Überzeugung verlässt. Solche »Abgefallenen« sind ehemalige bekennende Christen oder Namenschristen, die sich mit den wahrhaft Gläubigen verbunden hatten, dann aber an Lügen und Verführungen glaubten und abtrünnig wurden. So offenbaren sie ihre wahre, unbekehrte Natur. S. Anm. zu 1Joh 2,19; Jud 24. irreführenden Geistern. Jene dämonischen Geister, die entweder unmittelbar oder durch falsche Lehrer wirken und die von der Wahrheit abgewichen sind und nun andere ebenfalls zum Abfall verführen. Die ganze Vorgehensweise Satans und seiner Dämonen wird am deutlichsten beschrieben durch das Wort »Verführung« (vgl. Joh 8,44; 1Joh 4,1-6). Lehren der Dämonen. Nicht Lehren über Dämonen, sondern falsche Lehren, die von Dämonen stammen. Wer auf eine solche Lehre hört, horcht damit auf Lügen aus dem Reich der Dämonen (Eph 6,12; Jak 3,15; 2Joh 7-11). Der Einfl uss von Dämonen wird während der Trübsalszeit seinen Höhepunkt erreichen (2Th 2,9; Offb 9,2-11; 16,14; 20,2.3.8.10). Satan und die Dämonen bewirken ständig die Verführungen, die das Wort Gottes verzerren und entstellen.
4,2 durch die Heuchelei von Lügenrednern. Oder »durch die Heuchelei von Lügnern«. Das sind menschliche Irrlehrer, die dämonische Lehren verbreiten (vgl. 1Joh 4,1). Gewissen. S. Anm. zu 1,5. gebrandmarkt. Ein medizinischer Ausdruck (kauterisiert). Die falschen Lehrer können ihre heuchlerischen Lügen lehren, weil ihr Gewissen so abgestumpft ist (vgl. Eph 4,19), als habe das Brenneisen der dämonischen Verführung alle Gefühlsnerven versengt und vernarbt.
4,3 verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen. Ein Beispiel für die falschen Lehren in Ephesus. Wie bei Irrlehren typisch, enthielten auch diese falschen Lehren Teilwahrheiten, denn die Bibel empfi ehlt sowohl Ledigsein (1Kor 7,25-35) als auch Fasten (Mt 6,16.17; 9,14.15). Die Verführung kam, als solche menschlichen Werke zur Bedingung für die Errettung erhoben wurden, was ein Erkennungszeichen aller falschen Religionen und Irrlehren ist. Wahrscheinlich war diese Lehre der Askese von zwei Faktoren beeinfl usst: von einer jüdischen Sekte, die als »Essener« bekannt ist, und vom zeitgenössischen griechischen Denken (die Materie sei böse und Geist gut). In Kol 2,21-23 geht Paulus auf diesen Asketismus ein (s. Anm. dort). Weder das Zölibat noch irgendeine Form von Nahrungseinschränkung können retten oder heiligen.
4,4 alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Die Askese der Irr- lehrer widersprach der Bibel, die lehrt, dass sowohl die Ehe als auch alle Speisen im Wesen gut sind (1Mo 1,31), da Gott sie erschaffen hat (1Mo 1,28-31; 2,18-24; 9,3). Gläubige dürfen sich in Dankbarkeit daran erfreuen. Nahrung und Ehe sind offenbar unverzichtbar zum Leben und zur Vermehrung.
4,5 geheiligt. Zum heiligen Gebrauch für Gott abgesondert oder geweiht. Die Mittel zur Heiligung sind Dankgebet und die Erkenntnis, dass das Wort Gottes die zeitweiligen mosaischen Speisevorschriften beiseite gesetzt hat (Mk 7,19; Apg 10,9-15; Röm 14,1-12; Kol 2,16.17). Im Gegensatz dazu verdirbt der Ungläubige durch seine innere Verderbtheit und seine bösen Motive jede gute Sache (Tit 1,15).
4,6 sich nährt mit den Worten des Glaubens und der guten Lehre. Die ständige Ernährung mit den Wahrheiten der Bibel ist lebenswichtig für die geistliche Gesundheit aller Christen (2Tim 3,16.17), doch insbesondere für geistliche Führungspersonen wie Timotheus. Ein Hirte kann seine Aufgabe nur dann erfüllen, wenn er das Wort Gottes liest und studiert, darüber nachsinnt und seinen Inhalt beherrscht (2Tim 2,15). Das hatte Timotheus von Kindheit an getan (2Tim 3,15) und Paulus nötigte ihn, damit fortzufahren (vgl. V. 16; 2Tim 3,14). »Worte des Glaubens« ist eine allgemeine Bezeichnung für die Bibel als Gottes offenbarte Wahrheit. Die »gute Lehre« ist die biblische Theologie.
4,7 Die unheiligen und Altweiberlegenden weise ab. Gläubige müssen nicht nur dem Wort Gottes hingegeben sein (s. Anm. zu V. 6), sondern auch alle falschen Lehren meiden. Paulus verschmähte solche Irrtümer als »unheilig« (weltlich, das Gegenteil von heilig), als »Legenden« (gr. mythos, das wir in unsere Sprache übernommen haben) und nur für »alte Weiber« geeignet (ein üblicher Ausdruck für etwas, was nur zu ungebildeten und philosophisch unbelehrten Leuten passt). S. Anm. zu 2Tim 2,14-18. übe dich in der Gottesfurcht. »Gottseligkeit« (die richtige Haltung und Reaktion gegenüber Gott; s. Anm. zu 2,2) ist die Vorbedingung für jeden effektiven Dienst. »Üben« ist ein Begriff aus dem Sport, der ein strenges, aufopferungsvolles Training bezeichnet, wie es ein Leistungssportler auf sich nimmt. Geistliche Selbstdisziplin ist der Weg zu einem gottseligen Leben (vgl. 1Kor 9,24-27).
4,8 nützt wenig. Körperliche Übungen sind im Ausmaß und der Dauer eingeschränkt; sie wirken sich nur auf den Körper während dieses irdischen Leben aus. für alles nützlich. Für Zeit und Ewigkeit.
4,9 Glaubwürdig ist das Wort. S. Anm. zu 1,15. 4,10 Hoffnung. Gläubige sind auf Hoffnung errettet (s. Anm. zu Röm 8,24) und leben und dienen angesichts dieser Hoffnung auf das ewige Leben (Tit 1,2; 3,7; s. Anm. zu Röm 5,2). Gläubige können bis zum Rand der Erschöpfung arbeiten und Ablehnung und Verfolgung erleiden, weil sie wissen, dass sie Gottes Werk tun – das Werk des Heils. Deshalb waren alle Opfer ihren Preis wert (Phil 1,12-18.27-30; 2,17; Kol 1,24.25; 2Tim 1,6-12; 2,3.4,9.10; 4,5-8). ein Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen. Paulus lehrt offensichtlich keine Allversöhnung (die besagt, alle Menschen würden im geistlichen und ewigen Sinn errettet), denn die Bibel lehrt klar, dass Gott nicht jeden erretten wird. Die meisten Menschen werden ihn verwerfen und die Ewigkeit in der Hölle verbringen (Mt 25,41.46; Offb 20,11-15). Doch das gr. Wort für »besonders« muss bedeuten, dass in einem gewissen Sinn alle Menschen auf dieselbe Weise in den Genuss des Heils Gottes kommen wie die Gläubigen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Gott ist nur im zeitlichen Sinn der Retter aller Menschen; der Retter der Gläubigen ist er jedoch im ewigen Sinn. Paulus will hier herausstellen: Gott rettet zwar ausschließlich die Gläubigen vor den Konsequenzen der Sünde, weil er ihr Stellvertreter geworden ist (2Kor 5,21), aber alle Menschen verdanken viele irdische Segnungen der Rettergüte Gottes. Diese Segnungen sind: 1.) Die allgemeine Gnade – ein Begriff für Gottes Güte gegenüber allen Menschen weltweit (Ps 145,9). Diese Gnade bedeutet, dass er Sünde zurückhält (Röm 2,15), dass er mit dem Gericht wartet (Röm 2,3-6), dass er durch die Regierungen die Gesellschaftsordnung aufrecht erhält (Röm 13,1-5), dass er den Menschen befähigt, Schönheit und Güte wertzuschätzen (Ps 50,2) und dass er ihn mit zeitlichen Wohltaten überschüttet (Mt 5,45; Apg 14,15-17; 17,25). 2.) Das Mitgefühl Gottes – seine mitleidvolle Liebe aus einem schmerzenden Herzen zu unwürdigen, unbekehrten Sündern (2Mo 34,6.7; Ps 86,5; Dan 9,9; Mt 23,37; Lk 19,41-44; vgl. Jes 16,11-13; Jer 48,35-37). 3.) Gottes ernstliche Aufforderung zur Buße – Gott warnt Sünder immer wieder vor ihrem Schicksal und zeigt somit sein Herz eines mitfühlenden Schöpfers, der kein Gefallen am Tod des Sünders hat (Hes 18,30-32; 33,11). 4.) Die Einladung des Evangeliums – die Errettung in Christus wird ohne Unterschied allen Menschen angeboten (Mt 11,28.29; 22,2-14; Joh 6,35-40; Offb 22,17; vgl. Joh 5,39.40). Gott ist in seinem Wesen ein rettender Gott, d.h. er hat keinen Gefallen am Tod von Sündern. Sein Retter-Charakter offenbart sich auch in seinem Umgang mit denen, die niemals glauben werden – allerdings nur auf diese vierfache zeitliche Weise. S. Anm. zu 2,6.
4,12 Niemand verachte dich. Die gr. Kultur legte großen Wert auf Alter und Erfahrung. Timotheus galt mit seinen 30-40 Jahren in dieser Kultur immer noch als jung und so musste er sich durch ein gutes Vorbild Anerkennung verschaffen. Da er sich bereits als Jugendlicher Paulus angeschlossen hatte, lag eine lange Zeit des Reifens hinter ihm. Daher war es unentschuldbar, wegen seines Alters von unter 40 Jahren auf ihn herabzusehen. sei … ein Vorbild … in der Keuschheit. Paulus führt fünf Bereiche auf (in den besseren gr. Handschriften fehlt »im Geist«), in denen Timotheus der Gemeinde ein Vorbild sein sollte: »im Wort« (im Reden; vgl. Mt 12,34-37; Eph 4,25.29.31); im »Wandel« (in einer gerechten Lebensweise; vgl. Tit 2,10; 1Pt 1,15; 2,12; 3,16); in »Liebe« (im aufopferungsvollen Dienst für andere; vgl. Joh 15,13); im »Glauben« (oder in der »Treue«, d.h. nicht im errettenden Glauben, sondern in Zuverlässigkeit und Hingabe; vgl. 1Kor 4,2); in »Reinheit« (insbesondere in sexueller Reinheit; vgl. 3,2). Wenn Timotheus in diesen Bereichen vorbildlich lebte, glich das den Nachteil seines geringen Alters aus.
4,13 Bis ich komme. S. Anm. zu 3,14. sei bedacht auf … das Lehren. Diese Dinge sollten seine ständige Praxis sein, quasi sein Lebensstil. Das »Vorlesen« bezieht sich auf die Gewohnheit des öffentlichen Verlesens der Schrift bei den Zusammenkünften der Gemeinde, gefolgt von der Auslegung des verlesenen Abschnitts (vgl. Neh 8,1-8; Lk 4,16-27). Das »Ermahnen« fordert die Hörer des Wortes heraus, es auf ihr Alltagsleben anzuwenden. Dazu können Tadel, Warnungen, Ermutigungen und Tröstungen gehören. Das »Lehren« bezieht sich auf die systematische Unterweisung aus dem Wort Gottes (vgl. 3,2; Tit 1,9).
4,14 die Gnadengabe. Die Gnade, die Timotheus und alle anderen Gläubigen bei der Errettung empfi ngen, ist eine von Gott entworfene, vom Heiligen Geist bevollmächtigte geistliche Fähigkeit, die im Dienst verwendet wird (s. Anm. zu Röm 12,4-8; 1Kor 12,4-12; 1Pt 4,10.11). Timotheus hatte die Gabe (vgl. 2Tim 1,6) der Leitung mit einem besonderen Schwerpunkt auf Verkündigung (2Tim 4,2) und Lehre (V. 6.11.13; 6,2). durch Weissagung. Die Gabe des Timotheus wurde durch eine Offenbarung von Gott erkannt (s. Anm. zu 1,18) sowie durch die Bestätigung des Apostels (2Tim 1,6), wahrscheinlich als er sich ihm bei der zweiten Missionsreise anschloss (Apg 16,1-3). Handaufl egung der Ältestenschaft. S. Anm. zu 5,22. Diese öffentliche Bestätigung der Berufung des Timotheus in den Dienst fand wahrscheinlich gleichzeitig mit der Weissagung statt (vgl. 2Tim 1,6). Somit wurde seine Berufung in den Dienst mehrfach bestätigt: subjektiv (durch seine Geistesgabe), objektiv (durch die Weissagung über ihn) und kollektiv (durch die Bestätigung des Apostels und der Gemeinde, repräsentiert durch die Ältesten).
4,15 Fortschritte. Dieses Wort wurde im militärischen Sinne ver- wendet für das Vordringen von Truppen und im allgemeinen Sinne für fortschreitendes Lernen, Verstehen oder Wissen. Paulus ermahnte Timotheus, diesen Fortschritt zur Christusähnlichkeit für alle deutlich werden zu lassen.
4,16 auf dich selbst und auf die Lehre. Die Prioritäten eines gottesfürchtigen Leiters sind in seiner persönlichen Heiligkeit und seiner öffentlichen Lehre zusammengefasst. Alle Ermahnungen, die Paulus in V. 6-16 geschrieben hat, lassen sich in eine dieser beiden Kategorien einordnen. dich selbst retten. Eine echte Bekehrung zieht stets Ausharren im Glauben an die Wahrheit nach sich (s. Anm. zu Mt 24,13; vgl. Joh 8,31; Röm 2,7; Phil 2,12.13; Kol 1,23). die, welche auf dich hören. Wenn er sorgfältig auf sein eigenes gottesfürchtiges Leben achtet und treu das Wort verkündet, wird Timotheus weiterhin das menschliche Werkzeug sein, das Gott zur Verbreitung des Evangeliums benutzt sowie zur Errettung einiger, die ihn hören. Obgleich die Errettung Gottes Werk ist, gefällt es ihm, dieses Werk durch menschliche Werkzeuge auszuführen.
5,1 Einen älteren Mann. In diesem Zusammenhang meint das gr. Wort keinen Ältesten, sondern einen älteren Mann im Allgemeinen. Der jüngere Timotheus sollte älteren Männern, die sündigen, mit Ehrerbietung und Respekt gegenübertreten, was aus den Prinzipien des ATs klar hervorgeht (vgl. 3Mo 19,32; Hi 32,4.6; Spr 4,1-4; 16,31; 20,29). fahre nicht hart an. »Hart anfahren« ist ein einziges, starkes gr. Wort. Wenn ein älterer Gläubiger sündigt, muss man ihm Respekt erweisen, indem man ihn nicht scharf anspricht (vgl. 2Tim 2,24.25). ermahne. Dieses gr. Wort stammt von der gleichen Wurzel wie ein Titel des Heiligen Geistes (parakletos; vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7) und bedeutet, jemandem zur Seite zu kommen, um ihm zu helfen. Am besten übersetzt man es mit »stärken«. Wir sollen unsere Mitgläubigen stärken (vgl. Gal 6,1.2), und zwar auf dieselbe Weise, wie auch die Bibel (Röm 15,4) und der Heilige Geist Gläubige stärken.
5,3 Dieser Abschnitt bekräftigt die biblische Anordnung, dass sich die Gemeinde um die Witwen kümmern soll, für die kein Ehemann mehr sorgt (vgl. 2Mo 22,21-23; 5Mo 27,19; Jes 1,17). Gott hat stets Mitleid mit Witwen, und das unterstreicht diese Aufforderung noch mehr (vgl. Ps 68,6; 146,9; Mk 12,41-44; Lk 7,11-17). 5,3 Ehre. »Respekt oder Fürsorge zeigen«, »unterstützen« oder »lie- bevoll behandeln«. Dieser Ausdruck umfasst das Stillen aller Arten von Bedürfnissen, doch Paulus dachte hier nicht nur an diese weit gefasste Defi nition, sondern in erster Linie an fi nanzielle Unterstützung (vgl. 2Mo 20,12; Mt 15,1-6; 27,9). wirklich Witwen. Nicht alle Witwen sind wirklich allein und mittellos. Finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde gilt nur den Witwen, die so arm sind, dass sie nicht für ihren täglichen Bedarf aufkommen können.
5,4 eine Witwe Kinder oder Enkel hat. Die erste Verantwortung für die Witwen obliegt nicht der Gemeinde, sondern der Familie. den Eltern Empfangenes zu vergelten. Kinder und Enkel stehen in der Schuld derer, die sie auf die Welt gebracht, sie aufgezogen und geliebt haben. Das Erfüllen dieser Verantwortung ist ein Kennzeichen für gottesfürchtigen Gehorsam (vgl. 2Mo 20,12).
5,5 vereinsamte. S. Anm. zu V. 3. Die Form dieses gr. Wortes be- zeichnet einen Dauerzustand der Einsamkeit und Mittellosigkeit. Eine solche Frau ist »wirklich Witwe«, da sie keine Familie hat, von der sie unterstützt wird. Hoffnung auf Gott. Der kontinuierliche Zustand oder die feste Haltung der Hoffnung auf Gott (vgl. 1Kö 17,8-16; Jer 49,11). Da sie niemand anderen hat, ruft sie Gott als ihre einzige Hoffnung an.
5,6 lebendig tot. Wenn eine Witwe ein weltliches, unmoralisches und ungeistliches Leben führt, lebt sie vielleicht körperlich, doch ihre Lebensweise beweist, dass sie nicht wiedergeboren, sondern geistlich tot ist (vgl. Eph 2,1).
5,7 untadelig. S. Anm. zu 3,2; Phil 2,15. »Untadelig« bedeutet »un- angreifbar«, niemand kann ihr ein Fehlverhalten vorwerfen.
5,8 Wenn. Die bessere Übersetzung wäre »weil«. Paulus wieder- holt auf negative Weise das positive Prinzip aus V. 4. Dabei verwendet er eine gr. Konstruktion, die den Zustand als gegeben voraussetzt. Daher kann man vermuten, dass in Ephesus gegen dieses Prinzip häufi g verstoßen worden war. Jeder Gläubige, der diesem Gebot nicht gehorcht, macht sich in folgenden Punkten schuldig: 1.) Er verleugnet das Prinzip mitfühlender christlicher Nächstenliebe (vgl. Joh 13,35; Röm 5,5; 1Th 4,9) und 2.) er ist »schlimmer als ein Ungläubiger«. Die meisten Heiden erfüllen diese ihre Pfl icht von Natur aus, und deshalb verhalten sich Gläubige schlimmer als diese Heiden, wenn sie diese Pfl icht nicht erfüllen, obwohl sie Gottes Gebot und Kraft haben. Vgl. 1Kor 5,1.2.
5,9 nicht weniger als 60 Jahre alt. In der Kultur des NTs begann mit 60 Jahren der Ruhestand. In diesem Alter haben die Frauen die Kindererziehung beendet und haben die Zeit, die Reife und den Charakter, um ihr Leben dem Dienst für Gott und für die Gemeinde zu weihen. Wahrscheinlich werden sie nicht noch einmal heiraten und von der Ehe in Beschlag genommen. in die Liste eingetragen. Auf dieser Liste standen nicht die Witwen, die gewürdigt wurden, von der Gemeinde unterstützt zu werden (denn die Gemeinde unterstützte alle Witwen, die keine anderen Mittel hatten, V. 3), sondern die Liste führte vielmehr die Witwen auf, die für einen Dienst in der Gemeinde als geeignet angesehen wurden (vgl. Tit 2,3-5). Frau eines Mannes. Wörtl. eine »einzigerEhemann-Ehefrau« (vgl. 3,2.12). Das schließt nicht solche Frauen aus, die mehr als einmal verheiratet waren (vgl. V. 14; 1Kor 7,39), sondern spricht von einer Frau, die ihrem Ehemann völlig geweiht und treu war, also einer Ehefrau, die in ihrer Ehe in Gedanken und Verhalten völlig rein war.
5,10 Kinder aufgezogen. Das zeigt die gottesfürchtige Witwe als eine christliche Mutter, deren Kinder, die sie genährt und großgezogen hat, dem Herrn folgen (s. Anm. zu 2,15). die Füße der Heiligen gewaschen. Die niedrige Aufgabe von Sklaven. Dieser Ausdruck wird buchstäblich und bildhaft für Witwen gebraucht, die das demütige Herz von Dienern haben (s. Anm. zu Joh 13,5-17). jedem guten Werk. Vgl. Dorkas in Apg 9,36-39.
5,11 begehrlich geworden. Eine bessere Übersetzung ist: »die Impulse sinnlicher Wünsche spüren«. Dieser Ausdruck umfasst alles, das mit der ehelichen Beziehung zu tun hat, einschließlich sexueller Leidenschaft. Paulus sah die Gefahr, dass jüngere Witwen womöglich ihrem Gelöbnis entfl iehen wollten, unverheiratet zu bleiben (s. Anm. zu V. 12) und sich allein dem Dienst für Gott zu weihen (vgl. 4Mo 30,10). Er wusste, welche negative Auswirkung solche Gefühle auf das Privatleben und den Gemeindedienst der jüngeren Witwen haben könnten. Solche Frauen fi elen zudem leicht auf die Irrlehrer herein (2Tim 3,6.7), durch die sie von der Wahrheit fortgezogen wurden (V. 15).
5,12 die erste Treue gebrochen. Im klassischen Gr. kann das Wort für »Treue« (oder »Glauben«) auch »Versprechen« bedeuten. Wenn dieser Begriff hier so verstanden wird, bezeichnet er einen besonderen Bund, den die jüngeren Witwen eingegangen waren, als sie darum baten, in die Witwenliste aufgenommen zu werden. Wahrscheinlich hatten sie versprochen, den Rest ihres Lebens dem Dienst für den Herrn und für die Gemeinde zu weihen. Obwohl sie es damals, als sie in Trauer und bedürftig waren, aufrichtig gemeint hatten, wollten sie jetzt wohl gern wieder heiraten (s. V. 11) und sagten sich somit von ihrem ursprünglichen Versprechen los.
5,13 geschwätzig. Solche Leute verbreiten Unsinn, reden eitles Zeug, machen unberechtigte Vorwürfe oder klagen andere sogar mit boshaften Worten an. Wegen dieser leeren Geschwätzigkeit sind sie auch geeignete Ziele der Irrlehrer (1,6). neugierig. Wörtl. »umhertreibend«. Solche Leute mischen sich in Dinge ein, die sie nichts angehen und kümmern sich nicht um ihre eigenen Angelegenheiten.
5,14 Kinder gebären. Die jüngeren Witwen waren noch im gebär- fähigen Alter. Sie hatten zwar ihre ersten Ehemänner verloren, doch war es ihnen noch möglich, wieder zu heiraten und Kinder zu bekommen (s. Anm. zu 2,15; vgl. Ps 127,3.5). den Haushalt führen. Dieser gr. Ausdruck bezeichnet alle Aspekte der Verwaltung des Haushaltes und nicht nur die Erziehung der Kinder. Das Haus ist der Bereich, wo eine Ehefrau die Erfüllung nach den Gedanken Gottes erlangt. S. Anm. zu Tit 2,4.5.
5,15 Einige jüngere Witwen hatten ihre Entschlossenheit, Christus zu dienen, aufgegeben (s. Anm. zu V. 11.12). Womöglich folgten sie nun entweder den Irrlehrern und verbreiteten deren falsche Lehren oder sie heirateten Ungläubige und brachten so die Gemeinde in Schwierigkeiten. Satan. Der Teufel, der Widersacher der Gläubigen (s. Anm. zu Hi 1,6-12; 2,1-7; Jes 14,12-15; Hes 28,12-15; Offb 12,9).
5,16 eine Gläubige. Paulus wiederholt die Botschaft von V. 4-8 mit dem Zusatz, dass auch gläubige Frauen die Verantwortung haben können, Witwen zu unterstützen, je nachdem es die Situation erfordert.
5,17 Die Schwierigkeiten in der Gemeinde von Ephesus gingen zum Großteil auf die Unzulänglichkeit der Hirten zurück. Deshalb zeigt Paulus Timotheus, wie er wieder einen angemessenen Hirtendienst und rechte Aufsicht in der Gemeinde herbeiführen kann. Er erklärt, dass die Gemeinde verpfl ichtet ist, Älteste zu ehren, zu schützen, zu ermahnen und auszuwählen. 5,17 Ältesten. Eine andere Bezeichnung für die »Aufseher« (»Bischöfe«) aus 3,1, die auch »Hirten« genannt werden (Eph 4,11). S. Anm. zu 3,1-7; Tit 1,6-9. gut vorstehen. Die Ältesten sind die geistlichen Leiter der Gemeinde. Vgl. 1Th 5,12.13; Hebr 13,7.17. doppelter Ehre. Wenn Älteste mit besonders großer Hingabe und Mühewaltung zum Wohl aller dienen, sollte die Gemeinde sie dafür besonders anerkennen. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, solche Männer sollten genau doppelt so viel Belohnung erhalten wie die anderen, doch weil sie so viel Respekt verdienen, müssten sie großzügiger bezahlt werden. besonders. D.h. »vor allem« oder »insbesondere« und lässt daran denken, dass einige Älteste schwerer arbeiten und mehr dienen als andere. im Wort und in der Lehre. Oder besser übersetzt: »in Predigt- und Lehrdienst« (s. Anm. zu 4,13). Der erste Punkt betont die Verkündigung in Verbindung mit Ermahnung und Ermunterung. Dieser Dienst zielt darauf ab, das Herz anzusprechen, sodass es auf den Herrn hört. Der zweite Punkt ist die höchst wichtige Festigung der Gläubigen gegen Irrlehren und betont mehr die Unterweisung. arbeiten. Wörtl. »bis zum Rand der Erschöpfung arbeiten«. Das gr. Wort betont mehr die Mühe hinter der Arbeit als die Arbeitsleistung an sich.
5,18 Denn die Schrift sagt. Eine typische Formulierung bei der Einleitung von Schriftzitaten, in diesem Fall sowohl aus dem AT (5Mo 25,4) als auch aus dem NT (Lk 10,7). Dieser Ausdruck ist auch deshalb besonders bedeutsam, weil hier ein Schreiber des NTs (Paulus) die Inspiration eines anderen ntl. Autors bestätigt, indem er Lukas als »die Schrift« zitiert (vgl. 2Pt 3,15.16). Das zeigt, in welch hohem Ansehen die Schriften des NT in der Urgemeinde standen.
5,19 zwei oder drei Zeugen. Schwerwiegende Vorwürfe gegen Älteste müssen untersucht und durch denselben Prozess bestätigt werden, wie in Mt 18,15-20 dargelegt ist (s. Anm. dort). Dieser Prozess gilt für die ganze Gemeinde ebenso wie für die Ältesten. Diese Vorkehrung nimmt Älteste nicht von wirksamer Anklage aus, sondern schützt sie vor leichtfertigen und boshaften Anklagen, indem bei ihnen ein Vorwurf der Sünde durch dieselbe Vorgehensweise bestätigt werden muss wie bei allen anderen Gemeindegliedern auch.
5,20 Die, welche sündigen. Das sind Älteste, die auch nach der Konfrontation mit zwei oder drei Zeugen in irgendeiner Sünde beharren, insbesondere in einer Sünde, die gegen ihre erforderlichen Qualifi kationen verstößt (3,2-7). vor allen. Vor den anderen Ältesten und der ganzen Gemeinde. Der dritte Schritt der Konfrontation aus Mt 18,17 besteht darin, die Sünde der Gemeinde vorzulegen, damit alle Gläubigen die Person ansprechen und zur Buße auffordern können.
5,21 ich ermahne dich ernstlich vor Gott und dem Herrn. Vgl. 6,13; s. Anm. zu 2Tim 4,1. auserwählten Engeln. Die »auserwählten Engel« sind die nicht gefallenen Engel im Gegensatz zu Satan und seinen Dämonen. Gottes souveräne Erwählung der Geschöpfe, die an seinem ewigen Reich teilhaben sollen, umfasst auch die Engel, die er zur ewigen Herrlichkeit erwählt hat. Auch Christen werden »Erwählte« genannt (Röm 8,33; 11,7; Kol 3,12; 2Tim 2,10; Tit 1,1; 1Pt 1,2; 2Joh 1,13). ohne Vorurteil … nichts aus Zuneigung. Zuchtmaßnahmen bei Ältesten müssen stets gerecht und fair ausgeübt werden, nicht mit Vorurteilen oder persönlichen Bevorzugungen, sondern gemäß dem Maßstab der Bibel.
5,22 Die Hände lege niemand schnell auf. Die Zeremonie, die bestätigte, dass ein Gläubiger für einen öffentlichen Dienst als Ältester, Hirte und Aufseher geeignet und angenommen ist. Diese Praxis entstammte dem atl. Brauch, einem Opfertier die Hände aufzulegen und sich so damit zu identifi zieren (2Mo 29,10.15.19; 3Mo 4,15; vgl. 4Mo 8,10; 27,18-23; 5Mo 34,9; Mt 19,15; Apg 8,17.18; 9,17; Hebr 6,2). »Schnell« bedeutet, diese Zeremonie ohne gründliche Prüfung und Vorbereitungszeit zu vollziehen und ohne sicherzugehen, dass der Gläubige wirklich qualifi ziert ist (wie in 3,1-7). mache dich auch nicht fremder Sünden teilhaftig. Das bezieht sich auf die Sünde voreiliger Einsetzung. In diesem Fall machen sich die Verantwortlichen mitschuldig an der Sünde des Mannes, als unqualifi zierter Ältester zu dienen und somit die Gläubigen schlecht oder falsch zu führen. bewahre dich selbst rein. Manche Bibelausgaben übersetzen »rein« mit »frei von Sünde«. Paulus wollte, dass Timotheus sich nicht an der Anerkennung unqualifi zierter Ältester beteiligt, damit er sich nicht durch die Sünden anderer befl eckt. Die Gemeinde braucht unbedingt qualifi zierte geistliche Leiter, doch diese Wahl musste unter größter Sorgfalt durchgeführt werden.
5,23 Trinke nicht mehr nur Wasser. »Wasser« war in der Antike oft verunreinigt und übertrug viele Krankheiten. Deshalb nötigte Paulus Timotheus, keine Krankheit zu riskieren – nicht einmal wegen eines Versprechens, auf Wein zu verzichten. Offenbar hatte Timotheus Wein gemieden, um jeder möglichen geistlichen Gefahr aus dem Weg zu gehen (s. Anm. zu 3,3). gebrauche ein wenig Wein … Unwohlseins. Paulus forderte Timotheus auf, Wein zu verwenden, der aufgrund der Gärung desinfi zierend wirkte. Somit würde er vor den gesundheitlichen Problemen bewahrt, die er sich durch das verunreinigte Wasser zuziehen konnte. Mit diesem Rat sprach Paulus sich jedoch nicht dafür aus, Timotheus solle seinen hohen Maßstab für das Verhalten von geistlichen Führungspersonen herabsetzen (vgl. 4Mo 6,1-4; Spr 31,4.5).
5,24 Die Sünden mancher Menschen sind allen offenbar. Bei manchen Männern sind die Sünden klar erkennbar und somit liegt es auf der Hand, dass sie nicht als Älteste dienen können. kommen vorher ins Gericht. Die bekannten Sünden der Unqualifi zierten verkünden die Schuld dieser Männer und ihre Untauglichkeit vor allen. »Gericht« bezieht sich auf das Verfahren der Gemeinde, mit dem sie untersucht, ob die Männer für einen Dienst als Älteste geeignet sind. folgen sie auch nach. Bei anderen Kandidaten für den Ältestendienst werden die Sünden rechtzeitig ans Licht kommen, vielleicht sogar während des Prüfungsverfahrens.
5,25 Für gute Werke gilt dasselbe wie für Sünden. Manche sind of- fensichtlich, andere kommen später ans Licht. Zeit und Wahrheit gehen Hand in Hand. Paulus betont bei diesen Anweisungen, dass Älteste gemäß der Anforderungen von 3,1-7 mit Geduld, Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Reinheit (V. 21-25) ausgewählt werden müssen. Bei einer solchen Vorgehensweise werden gewiss die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
6,1 Die Gläubigen in Ephesus hatten vielleicht damit zu kämpfen, in der Welt der Sklaverei eine biblische Arbeitsethik zu praktizieren, und Paulus gibt ihnen in diesen Versen einige Anweisungen zu diesem Thema. Im Wesentlichen glichen die Knechte im 1. Jhdt. den Sklaven aus amerikanischer Kolonialzeit. In vielen Fällen waren Knechte besser dran als Tagelöhner, da ihnen Kost, Kleidung und Unterkunft größtenteils bereitgestellt wurde. Das System der Sklaverei beherrschte in der römischen Welt die gesamte Wirtschaftsstruktur. Für weitere Informationen über Sklaven s. Einleitung zum Philemonbrief: Hintergrund und Umfeld. 6,1 unter dem Joch. Ein umgangssprachlicher Ausdruck für unter- würfi gen Dienst unter der Autorität eines anderen. Er beschreibt nicht unbedingt eine Beziehung des Missbrauchs oder des Ausnutzens (vgl. Mt 11,28-30). Sklaverei. Sklaven sind Menschen unter Unterordnung. Diese Bezeichnung hat eigentlich keinen negativen Beiklang und hat oft eine positive Bedeutung, wenn sie sich auf den Herrn bezieht, der dem Vater dient (Phil 2,7) oder auf Gläubige, die Gott dienen (1Pt 2,16), dem Herrn (Röm 1,1; Gal 1,10; 2Tim 2,24; Jak 1,1), Ungläubigen (1Kor 9,19) und anderen Gläubigen (Gal 5,13). Herren. Von diesem gr. Wort für »Herr« stammt der Begriff »Despot« ab. Es hat aber keinen negativen Beiklang, sondern bezeichnet jemanden mit einer absoluten, uneingeschränkten Autorität. aller Ehre. Praktisch bedeutet das Fleiß und treuen Dienst für den Arbeitgeber. S. Anm. zu Eph 6,5-9; Kol 3,22-25. die Lehre. Die Offenbarung Gottes, wie sie im Evangelium zusammengefasst ist. Das Verhalten von Gläubigen unter der Autorität von anderen ist ausschlaggebend dafür, wie die Menschen die von Christen verkündete Heilsbotschaft einschätzen (s. Anm. zu Tit 2,5-14). Wenn man die richtige Haltung der Unterwürfi gkeit und des Respekts an den Tag legt und gute Arbeit leistet, trägt das dazu bei, das Evangelium glaubwürdig erscheinen zu lassen (Mt 5,48).
6,2 gläubige Herren. Der Sklave oder Angestellte neigt in diesem Fall dazu, davon auszugehen, dass er mit seinem gläubigen Herrn eins in Christus ist und die Autorität zu verachten, unter welcher er in seiner Rolle als Arbeitnehmer steht. Im Gegensatz dazu sollte ein gläubiger Arbeitgeber zu umso treuerem und fl eißigerem Dienst aus Liebe zu ihm als Bruder motivieren. ermahnen. Wörtl. »zur Seite rufen«. Paulus betont hier besonders sein starkes Drängen, Leiten und Überreden, die Prinzipien für korrektes Verhalten am Arbeitsplatz zu befolgen. 6,3 Paulus identifi ziert drei Merkmale von falschen Lehrern: 1.) Sie lehren »fremde Lehren«, d.h. eine andersartige Lehre oder irgendetwas im Widerspruch zu Gottes Offenbarung in der Bibel (s. Anm. zu Gal 1,6-9); 2.) sie »nehmen nicht die gesunden Worte an«, d.h. sie stimmen nicht mit der gesunden, unverfälschten Lehre überein, insbesondere nicht mit der Lehre der Bibel (2Pt 3,16); und 3.) sie verwerfen »die Lehre, die der Gottseligkeit entspricht«, d.h. eine Lehre, die nicht auf der Bibel gründet, wird stets zu einem unheiligen Leben führen. Solche Irrlehrer sind nicht von Gottseligkeit geprägt, sondern von Sünde (s. Anm. zu 2Pt 2,10-22; vgl. Jud 4,8-16).
6,4 Streitfragen und Wortgefechten. »Streitfragen« sind leere Spekulationen; »Wortgefechte« sind Auseinandersetzungen um Worte. Weil stolze, unwissende Irrlehrer göttliche Wahrheit nicht verstehen (2Kor 2,14), ereifern sie sich über Begriffl ichkeiten und greifen die Zuverlässigkeit und Autorität der Bibel an. Paulus führt verschiedene Streitformen auf und zeigt damit, dass Irrlehrer aus ihrer fl eischlichen, verdorbenen und leeren Gesinnung nichts Nützliches hervorbringen (V. 5).
6,5 der Wahrheit beraubt. Falsche Lehrer befi nden sich in einem Zustand des Abfalls, d.h., obwohl sie die Wahrheit einst kannten und anscheinend angenommen hatten, haben sie eine Kehrtwendung vollzogen und verwerfen die Wahrheit nun öffentlich. Die Form des gr. Wortes für »beraubt« zeigt, dass irgendjemand oder irgendetwas vom Kontakt zur Wahrheit weggezogen wurde (das bedeutet nicht, dass die Irrlehrer jemals errettet waren; s. Anm. zu 1,19; vgl. 2Tim 2,18; 3,7.8; Hebr 6,4-6; 2Pt 2,1.4-9). ein Mittel zur Bereicherung. Hinter all den Bemühungen der heuchlerischen, lügnerischen (4,2) Irrlehrer steht fast immer als treibende Motivation fi nanzieller Gewinn (vgl. Apg 8,18-23; 2Pt 2,15). von solchen halte dich fern. Dieser Ausdruck fehlt in den besseren Handschriften, wenngleich dieser Gedanke offensichtlich ist.
6,6 Genügsamkeit. Dieses gr. Wort bedeutet »Selbstgenugsam- keit«. Die stoischen Philosophen beschrieben damit jemanden, der unerschütterlich ist und sich von äußeren Umständen nicht bewegen lässt. Christen sollen zufrieden und genügsam sein und nicht nach mehr streben, als Gott ihnen bereits gegeben hat. Er ist die Quelle wahrer Zufriedenheit (2Kor 3,5; 9,8; Phil 4,11-13.19).
6,8 Nahrung und Kleidung … genügen. Die grundlegenden Not- wendigkeiten des Lebens sollten den Christen zufrieden machen. Paulus verurteilt nicht den Besitz von Eigentum, solange Gott diesen in seiner Gnade gegeben hat (V. 17). Er verurteilt jedoch alle Maßlosigkeit und Geldgier, die aus der Unzufriedenheit erwachsen. S. Anm. zu Mt 6,33.
6,9 welche reich werden wollen, fallen in Versuchung. »Wollen« beschreibt hier den entschlossenen Wunsch aufgrund einer vernünftigen Überlegung und bezeichnet eindeutig diejenigen, die der Habgier schuldig sind. Die Form des gr. Verbs für »fallen« zeigt, dass solche Leute ständig in Versuchung fallen. Habgierige Menschen handeln zwanghaft, sie verfangen sich ständig in Sünden durch ihre verzehrende Begierde nach mehr. Untergang und Verderben. Aufgrund ihrer Habgier erleiden diese Menschen ein tragisches Ende: das Verderben in der Hölle. Diese Begriffe beschreiben die ewige Bestrafung der Gottlosen.
6,10 Geldgier. Besser »Geldliebe«, wörtl. »Zuneigung zum Silber«. In diesem Zusammenhang trifft diese Sünde insbesondere auf falsche Lehrer zu, doch das Prinzip gilt allgemein. Geld an sich ist nicht böse, da es eine Gabe Gottes ist (5Mo 8,18); Paulus verurteilt hier nur die für Irrlehrer so typische Liebe zum Geld (vgl. Mt 6,24), (s. Anm. zu 1Pt 5,2; 2Pt 2,1-3.15). vom Glauben abgeirrt. Von der Gesamtheit christlicher Wahrheit. Bei diesen Abgefallenen ist Geld an die Stelle Gottes getreten. Sie haben sich davon abgewendet, nach den Dingen Gottes zu streben und streben stattdessen nach Geld.
6,11 o Mensch Gottes. Oder »Mann Gottes«. Vgl. 2Tim 3,17. Die- ser Begriff wird im NT nur für Timotheus verwendet; im AT kommt er als Terminus Technicus etwa 70-mal vor, wobei er stets einen Mann bezeichnet, der öffentlich für Gott sprach (s. Anm. zu 5Mo 33,1). Zusammen mit den Versen 1,2 und 2,1 zeigt dies, dass der Brief hauptsächlich an Timotheus gerichtet ist und ihn ermahnt, treu und stark zu sein auch angesichts von Verfolgung und Schwierigkeiten – und weil der Tod des Paulus nahe bevorstand (s. Einleitung zu 2. Timotheus: Hintergrund und Umfeld). Ein Mann Gottes wird erkannt daran, 1.) wovor er fl ieht (V. 11); 2.) wem oder was er folgt (V. 11); 3.) wofür er kämpft (V. 12) und 4.) wem oder was er treu ist (V. 13.14). Der Schlüssel zu seinem Erfolg in all diesen Bemühungen ist die Vollkommenheit, die das Wort Gottes in ihm hervorbringt (2Tim 3,16.17). diese Dinge. Geldliebe und alles, was damit einhergeht (V. 6-10), zusammen mit den anderen stolzen Leidenschaften falscher Lehrer (V. 3-5). Gerechtigkeit, Gottesfurcht. »Gerechtigkeit« bedeutet das zu tun, was recht ist in Bezug sowohl auf Gott als auch auf den Menschen. Dieser Begriff betont das äußere Verhalten. »Gottseligkeit« (s. Anm. zu 2,2) bezieht sich auf die ehrende Haltung gegenüber Gott und könnte auch übersetzt werden mit »Gott-Ähnlichkeit«.
6,12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Vom gr. Wort für »kämpfen« stammt das Wort »Agonie« ab. Es bezeichnete sowohl im militärischen als auch sportlichen Bereich Konzentration, Disziplin und höchste Anstrengung, um zu gewinnen. Der »gute Kampf des Glaubens« ist die geistliche Auseinandersetzung mit Satans Reich der Finsternis. In diesen Kampf werden alle »Menschen Gottes« unweigerlich hineingezogen. S. Anm. zu 2Kor 10,3-5; 2Tim 4,2. ergreife das ewige Leben. Paulus ermahnt Timotheus hier, die Realität der Dinge des ewigen Lebens »in den Griff zu kriegen«, sodass er mit einer himmlischen und ewigen Perspektive lebt (vgl. Phil 3,20; Kol 3,2). zu dem du auch berufen bist. Das bezieht sich auf Gottes wirksamen, souveränen Ruf an Timotheus zum Heil (s. Anm. zu Röm 1,7). gute Bekenntnis. Timotheus’ öffentliches Bekenntnis seines Glaubens an den Herrn Jesus Christus, das er wahrscheinlich bei seiner Taufe und zu Beginn seines Dienstes ablegte (4,14; 2Tim 1,6).
6,13 gebiete … Gott … Christus. Vgl. 5,21; s. Anm. zu 2Tim 4,1. vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis. Obgleich Christus wusste, dass dieses Bekenntnis ihn das Leben kosten würde, bekannte er dennoch, dass er wahrhaftig der König und Messias ist (Joh 18,33-37). Er ist niemals einer Gefahr ausgewichen, sondern hat sich stets freimütig und vertrauensvoll Gott anvertraut, der die Toten auferweckt (vgl. Kol 2,12).
6,14 das Gebot. Das gesamte offenbarte Wort Gottes, das Timo- theus verkünden sollte (2Tim 4,2). Paulus ermunterte Timotheus immer wieder, das Wort Gottes zu bewahren (V. 20; 1,18.19; 4,6.16; 2Tim 1,13.14; 2,15-18). Erscheinung. Wenn der Herr in Herrlichkeit zur Erde zurückkehrt (vgl. 2Tim 4,1.8; Tit 2,13), um Gericht zu halten und sein Reich aufzurichten (Mt 24,27.29.30; 25,31). Weil Jesu Wiederkunft nahe bevorsteht, sollte der Mensch Gottes ausreichend motiviert sein, seiner Berufung treu zu bleiben, bis er stirbt oder der Herr wiederkommt (vgl. Apg 1,8-11; 1Kor 4,5; Offb 22,12).
6,15 zu seiner Zeit. Der nur Gott bekannte Zeitpunkt der Wieder- kunft Christi, den Gott in der ewigen Vergangenheit festgesetzt hat (Mk 13,32; Apg 1,7). Gewaltige. Dieses Wort stammt von einer gr. Wortfamilie, die im Wesentlichen »Macht« bedeutet, hier aber am besten mit »souverän« übersetzt wird. Gott ist absolut souverän und regiert in seiner Allmacht alles und überall. König der Könige und der Herr der Herrschenden. Ein Titel Christi (Offb 17,14; 19,16), der hier für Gott, den Vater, verwendet wird. Paulus konfrontierte mit diesem Titel den Kult der Kaiseranbetung und wollte herausstellen, dass nur Gott allein der Souverän ist und nur ihm Anbetung gebührt.
6,16 den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Gott ist Geist und somit unsichtbar (vgl. 1,17; Hi 23,8.9; Joh 1,18; 5,37; Kol 1,15). Deshalb ist er unnahbar in dem Sinne, dass ein sündiger Mensch niemals seine ganze Herrlichkeit gesehen hat oder jemals sehen wird (vgl. 2Mo 33,20; Jes 6,1-5).
6,17 Paulus schreibt Timotheus, was er die lehren soll, die mate- riell reich sind und die mehr besitzen als die lebensnotwendige Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Paulus verurteilt solche Menschen nicht und befi ehlt nicht, dass sie ihren Reichtum weggeben sollen. Er ruft sie auf, ihre von Gott gegebenen Möglichkeiten gut zu verwalten (vgl. 5Mo 8,18; 1Sam 2,7; 1Chr 29,12). 6,17 hochmütig. »Eine hohe Meinung von sich selbst haben«. Wer Überfl uss hat, ist beständig versucht, auf andere als minderwertig herabzublicken. Reichtum und Stolz gehen oft miteinander einher, und je reicher jemand ist, desto eher ist er versucht, stolz zu sein (Spr 18,23; 28,11; Jak 2,1-4). die Unbeständigkeit des Reichtums … der uns alles reichlich … darreicht. Wer viel hat, neigt dazu, auf seinen Wohlstand zu vertrauen (vgl. Spr 23,4.5). Doch Gott bietet viel mehr Sicherheit, als irgendeine irdische Investition jemals geben kann (Pred 5,17-19; Mt 6,19-21).
6,18 freigebig. Das gr. Wort bedeutet »großzügig« oder »freiherzig«. Die Gläubigen, die Geld besitzen, müssen es selbstlos und großzügig zur Deckung der Bedürfnisse anderer verwenden (s. Anm. zu Apg 4,32-37; 2Kor 8,1-4).
6,19 eine gute Grundlage … sammeln. »Sammeln« kann auch übersetzt werden mit »Schätze aufhäufen«, und »Grundlage« kann ein Vermögen bedeuten. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass die in dieser Welt Reichen sich nicht darum sorgen sollten, ob sie für ihre irdischen Investitionen etwas zurückbekommen. Wer in die Ewigkeit investiert, wird zufrieden sein, wenn er seine Dividenden im Himmel empfängt. S. Anm. zu Lk 16,1-13. das ewige Leben ergreifen. S. Anm. zu V. 12.
6,20 Die Hauptverantwortung der Gemeinde besteht darin, die Wahrheit der Bibel zu bewahren und zu verkünden. Deshalb unterweist Paulus hier Timotheus, wie er das Wort Gottes schützen und hüten kann. 6,20 das anvertraute Gut. Das ist die Übersetzung eines gr. Wor- tes, das »Pfand« bedeutet. Das Pfand, das Timotheus bewahren sollte, ist die Wahrheit, die göttliche Offenbarung, die Gott seiner Fürsorge anvertraut hat (vgl. 1Kor 4,1; 1Th 2,3.4). fälschlich so genannten »Erkenntnis«. D.h. falsche Lehre – alles, was den Anspruch erhebt, die Wahrheit zu sein, ist in Wirklichkeit Lüge. Falsche Lehrer behaupten typischerweise, eine höhere Erkenntnis zu besitzen (wie z.B. in der Gnosis). Sie behaupten, sie würden die transzendentalen Geheimnisse kennen, doch in Wirklichkeit sind sie in ihrer Erkenntnis unwissend und kindisch (s. Anm. zu Kol 2,8).
6,21 Die Gnade sei mit dir. Paulus’ Schlussgruß steht im Plural, lau- tet also wörtl. »Die Gnade sei mit euch« und bezieht sich nicht nur auf Timotheus, sondern auf die ganze Gemeinde in Ephesus. Alle Gläubigen brauchen die Gnade, um die Wahrheit zu bewahren und an die nächste Generation weiterzuvermitteln.
1,1 Paulus erinnerte Timotheus, dass er ihm mit der geistlichen Autorität schrieb, die Gott ihm verliehen hatte, obwohl sie eine vertraute geistliche Beziehung zueinander hatten. Daher gelten die inspirierten Anweisungen dieses Briefes nicht nur für Timotheus, sondern auch für alle anderen Gläubigen. 1,1 Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen. S. Anm. zu 1Tim 1,1 Gott hatte ihn gemäß seinem souveränen Plan und Ratschluss beru- fen (vgl. 1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Eph 1,1; Kol 1,1). Verheißung des Lebens in Christus Jesus. Das Evangelium verheißt, dass geistlich Tote, die das Evangelium annehmen, mit Christus vereint und ewiges Leben in ihm fi nden werden (Joh 3,16; 10,10; 14,6; Kol 3,4).
1,2 Timotheus, [mein] geliebtes Kind. S. Anm. zu 1Tim 1,2. Gnade … unserem Herrn. S. Anm. zu 1Tim 1,2. Das war nicht nur ein Standardgruß von Paulus, sondern sein echter Wunsch, dass Gott im Leben von Timotheus zum Besten wirkt.
1,3 Ich danke Gott … in meinen Gebeten. S. Anm. zu Phil 1,3.4. mit reinem Gewissen. S. Anm. zu 1Tim 1,5.
1,4 voll Verlangen, dich zu sehen. Wegen seiner tiefen Zunei- gung zu Timotheus und der Dringlichkeit der Stunde kurz vor seinem Tod sehnte Paulus sich danach, Timotheus wiederzusehen (vgl. 4,9.13.21). an deine Tränen erinnere. Vielleicht erinnerte Paulus sich an Tränen bei ihrem letzten Abschied, nachdem Paulus kurz Ephesus besucht hatte. Kurz darauf schrieb Paulus den 1. Timotheusbrief und wurde dann in Troas verhaftet (s. Anm. zu 4,13) und zum zweiten Mal in Rom inhaftiert. Einige Jahre zuvor hatte Paulus einen ähnlichen Abschied von den Ältesten von Ephesus erlebt (Apg 20,36-38).
1,5 Lois … Eunike. Da Paulus sie namentlich erwähnt, kann man davon ausgehen, dass er sie persönlich kannte. Vielleicht hatte er (mit Barnabas) die zwei bei seiner ersten Missionsreise zu Christus geführt (vgl. Apg 13,13 – 14,21). Diese Frauen waren echte jüdische Gläubige im Sinne des ATs. Aufgrund ihrer guten Schriftkenntnis waren sie selbst und Timotheus (3,15) darauf vorbereitet, Jesus unverzüglich als Messias anzunehmen, als sie das Evangelium von Paulus zum ersten Mal hörten.
1,6 die Gnadengabe Gottes wieder anzufachen. Anscheinend war Paulus mit dem derzeitigen Dienst von Timotheus unzufrieden. »Anfachen« bedeutet wörtl. »das Feuer am Brennen halten« und mit der »Gnadengabe« ist die Geistesgabe des Gläubigen gemeint (s. Anm. zu Röm 12,4-8; 1Kor 12,7-11; bzgl. der Geistesgabe von Timotheus s. Anm. zu 4,2-6; 1Tim 4,14). Paulus erinnert Timotheus an seine Verantwortung als Verwalter seiner von Gott gegebenen Gabe zum Predigen, Lehren und Evangelisieren; er könne es nicht verantworten, diese Gabe nicht einzusetzen (vgl. 4,2-5). Aufl egung meiner Hände. S. Anm. zu 1Tim 4,14; 5,22; vgl. 6,12. Womöglich hatte Paulus nach Timotheus’ Bekehrung ihm die Hände aufgelegt. In diesem Fall entspräche dieser Zeitpunkt zugleich dem Empfang seiner Geistesgabe. Der Ausdruck kann sich aber auch auf eine außergewöhnliche geistliche Bevollmächtigung beziehen, die sich irgendwann nach seiner Bekehrung vollzog.
1,7 Geist der Furchtsamkeit. Das gr. Wort, das auch mit »Schüch- ternheit« übersetzt werden kann, bezeichnet eine feige, peinliche Angst aufgrund eines schwachen, selbstsüchtigen Charakters. Vielleicht fürchtete Timotheus sich zu sehr vor der drohenden römischen Verfolgung, die sich unter Nero immer stärker ausweitete, vor der Feindschaft derer in der Gemeinde von Ephesus, die sich seiner Leiterschaft widersetzten und vor den Angriffen falscher Lehrer mit ihren ausgeklügelten Verführungssystemen. Diese Furcht kam jedoch nicht von Gott. Kraft. Gott hat den Gläubigen alle geistlichen Hilfsmittel gegeben, die sie zur Bewältigung aller Versuchungen und Gefahren brauchen (vgl. Mt 10,19.20). Den Gläubigen steht Gottes Kraft zur Verfügung, d.h. eine wirksame, produktive geistliche Energie (Eph 1,18-20; 3,20; vgl. Sach 4,6). Liebe. S. Anm. zu 1Tim 1,5. Diese Art von Liebe dreht sich um Gottes Wohlgefallen und das Wohlergehen anderer, und das geht vor das eigene Wohlergehen (vgl. Röm 14,8; Gal 5,22.25; Eph 3,19; 1Pt 1,22; 1Joh 4,18). Zucht. D.h. ein diszipliniertes, selbstbeherrschtes Gedankenleben mit den richtigen Prioritäten. Das ist das Gegenteil von Angst und Feigheit, die zu Unordnung und Verwirrung führen. Wenn Gläubige auf das souveräne Wesen unseres ewigen Gottes und seine vollkommenen Ratschlüsse blicken, können sie ihr Leben in jeder Situation von göttlicher Weisheit und Zuversicht beherrschen lassen (vgl. Röm 12,3; 1Tim 3,2; Tit 1,8; 2,2).
1,8 des Zeugnisses von unserem Herrn. Das Evangelium von Jesus Christus. Paulus wollte nicht, dass Timotheus sich aus Furcht vor möglicher Verfolgung für den Namen Christi schämt (vgl. V. 12.16). der ich sein Gefangener bin. S. Einleitung: Autor und Abfassungszeit; s. Anm. zu Eph 3,1; Phil 1,12-14. Für Timotheus war es lebens- und freiheitsgefährdend, mit Paulus verbunden zu sein, der wegen seiner Evangeliumsverkündigung inhaftiert war (vgl. Hebr 13,23).
1,9 mit einem heiligen Ruf. Diese Berufung ist, wie stets in den Briefen des NTs, keine allgemeine Einladung an Sünder, an das Evangelium zu glauben und errettet zu werden (wie in Mt 20,16), sondern Gottes wirksame Berufung der Erwählten zum Heil (s. Anm. zu Röm 1,7). Diese Berufung führt zu Heiligkeit, die zugerechnet (Rechtfertigung), verliehen (Heiligung) und schließlich vollendet (Verherrlichung) wird. nicht … Werke, sondern … Gnade. Diese Wahrheit ist die Grundlage des Evangeliums. Die Errettung ist aus Gnade durch Glauben und unabhängig von Werken (s. Anm. zu Röm 3,20-25; Gal 3,10.11; Eph 2,8.9; Phil 3,8.9). Gnade ist auch die Grundlage für Gottes fortdauerndes, bewahrendes Werk in den Gläubigen (vgl. Phil 1,6; Jud 24.25). in Christus Jesus. Sein Opfer ermöglichte die Ausführung von Gottes Errettungsplan, da er das stellvertretende Opfer für die Sünden des Volkes Gottes wurde (s. Anm. zu 2Kor 5,21). aufgrund seines eigenen Vorsatzes. Gottes souveräner Plan der Erwählung (s. Anm. zu 2,10; Joh 6,37-40.44; Apg 13,48; Röm 8,29; 9,10-24; Eph 1,4; 3,11; 2Th 2,13; Tit 1,1.2; 1Pt 1,2). vor ewigen Zeiten. Derselbe gr. Ausdruck wie in Tit 1,2. Das Schicksal der Erwählten Gottes wurde in der ewigen Vergangenheit beschlossen und besiegelt (Joh 17,24; vgl. Eph 1,4.5; Phil 1,29; 1Pt 1,2).
1,10 Erscheinung. Von diesem gr. Wort stammt der Begriff »Epi- phanie«, eine Bezeichnung für die Wiederkunft Christi (4,18; 1Tim 6,14; Tit 2,13). Hier bezieht sich dieser Ausdruck aber auf das erste Kommen Christi. dem Tod die Macht genommen … Unvergänglichkeit ans Licht gebracht. »Die Macht genommen« bedeutet »unwirksam gemacht«. Der leibliche Tod existiert zwar noch, ist für Christen aber keine Bedrohung und kein Feind mehr (1Kor 15,54.55; Hebr 2,14). Die Wahrheit der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens offenbarte Gott erst nach der Fleischwerdung Christi und mit dem Evangelium. Die Gläubigen des ATs verstanden diese Wahrheit nur teilweise (vgl. Hi 19,26).
1,11 Verkündiger und Apostel und Lehrer. S. Anm. zu 1Tim 2,7.
1,12 erleide ich. Vgl. V. 8; s. Anm. zu 2Kor 4,8-18; 6,4-10; 11,23- 28; Gal 6,17; Phil 3,10. ich schäme mich nicht. S. Anm. zu V. 8; Röm 1,16; 1Pt 4,16. Paulus fürchtete sich nicht davor, dass er wegen seiner Evangeliumsverkündigung in einer feindlichen Umgebung Verfolgung und Tod erleiden könnte, denn er vertraute darauf, dass Gott seine künftige Verherrlichung und Segnung besiegelt hatte. ich weiß, an wen ich glaube. »Ich weiß« beschreibt die Gewissheit von Paulus’ persönlicher, rettender Erkenntnis, deren Inhalt Gott selbst war. Die Form des gr. Verbs für »Vertrauen geschenkt habe« (oder »geglaubt habe«) beschreibt etwas, was in der Vergangenheit begonnen wurde und fortdauernde Auswirkungen hat (s. Anm. zu Röm 1,16). Diese Erkenntnis ist dasselbe wie die »Erkenntnis der Wahrheit« (3,7; 1Tim 2,4). mächtig … zu bewahren. S. Anm. zu Jud 24.25. mir anvertraute. Paulus hatte sein zeitliches und ewiges Leben seinem Herrn hingegeben. Er lebte mit unerschütterlicher Zuversicht und Freimütigkeit, weil Gott seine Kraft und Treue geoffenbart und er selber eine unzertrennliche Beziehung zum Herrn erfahren hatte (Röm 8,31-39). jenem Tag. Vgl. V. 18; 4,8; s. Anm. zu Phil 1,6. Dieser Tag wird auch »Tag Christi« genannt (s. Anm. zu Phil 1,10). Dann werden die Gläubigen vor dem Preisrichterstuhl stehen und belohnt werden (s. Anm. zu 1Kor 3,13; 2Kor 5,10; 1Pt 1,5).
1,13 gesunden Worte. Vgl. 1Tim 4,6; 6,3. Die Schrift und die darin dargelegte Lehre (s. Anm. zu 3,15-17). von mir. Paulus war der Kanal dieser Offenbarung Gottes (vgl. 2,2; 3,10.14; Phil 4,9; s. Anm. zu Eph 3,15). im Glauben und in der Liebe, die in Christus Jesus ist. »Glauben« ist das Vertrauen, dass Gottes Wort wahr ist, und »Liebe« ist die Güte und Herzlichkeit bei der Verkündigung dieser Wahrheit (vgl. Eph 4,15).
1,14 Dieses edle anvertraute Gut. Der Schatz der frohen Bot- schaft der Errettung, wie sie in der Bibel offenbart ist (s. Anm. zu 1Tim 6,20).
1,15 Asia. Eine römische Provinz in der heutigen Türkei. Damit ist nicht die gesamte Region Kleinasiens gemeint. Phygelus und Hermogenes. Über diese beiden Männer ist nichts Näheres bekannt. Sie waren offenbar verheißungsvolle Führungspersonen und nahe Vertraute des Paulus, die in den Gemeinden Asias gut bekannt waren, aber unter dem Druck der Verfolgung Paulus verlassen hatten.
1,16 Onesiphorus. Einer der treuen Mitarbeiter von Paulus, der ihn nicht verlassen hatte, sondern ihm im Gefängnis Beistand leistete und sich nicht schämte oder fürchtete, den Apostel dort regelmäßig zu besuchen und sich um seine Bedürfnisse zu kümmern. Da Paulus Timotheus bittet, die Hausgenossen von Onesiphorus zu grüßen (4,19), lebte seine Familie offenbar in oder in der Nähe von Ephesus.
1,17 als er in Rom war. Für Anmerkungen zu Rom s. Einleitung zum Römerbrief: Hintergrund und Umfeld. Onesiphorus war vielleicht auf einer Geschäftsreise. Der Text besagt, dass er bei seiner Suche nach Paulus Zeitverlust, Mühen und möglicherweise auch Gefahren auf sich nahm.
1,18 jenem. S. Anm. zu V. 12. Ephesus. S. Einleitung zum Ephe- serbrief: Hintergrund und Umfeld. Hier hatte Onesiphorus bereits seinen treuen Dienst gezeigt, als Paulus dort auf seiner dritten oder vierten Missionsreise wirkte.
2,1 mein Sohn. Paulus hatte Timotheus auf seiner ersten Missions- reise zu Christus geführt (vgl. 1Kor 4,17; 1Tim 1,2.18). sei stark. Das ist die wichtigste Ermahnung im ersten Teil des Briefes. Paulus ruft Timotheus auf, seinen offensichtlichen Hang zur Schwachheit zu überwinden und seine Entschlossenheit zu seinem Dienst zu erneuern (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
2,2 von mir gehört. S. Anm. zu 1,13; vgl. 3,14. Im Lauf der vielen Jahre, in denen Timotheus eng mit Paulus zusammenlebte (s. Einleitung zu 1. Timotheus: Autor und Abfassungszeit), hatte er die Wahrheiten gelernt, die Gott durch Paulus geoffenbart hatte. vor vielen Zeugen. Wie z.B. Silas, Barnabas und Lukas sowie vielen anderen in den Gemeinden, die bescheinigen konnten, dass die Lehre von Paulus authentisch ist. Für Timotheus war das angesichts der vielen Missstände in Ephesus eine notwendige Erinnerung (vgl. 1,15). treuen Menschen … die fähig sein werden, auch andere zu lehren. Timotheus sollte die göttliche Offenbarung, die Paulus ihm mitgeteilt hatte, anderen zuverlässigen Männern weitergeben. Das sollten Männer sein, die einen bewährten geistlichen Charakter hatten und dazu begabt waren, diese Wahrheit wiederum einer weiteren Generation zu vermitteln. Von Paulus über Timotheus und den »treuen Menschen« bis zu den »anderen« sind es vier Generationen gottesfürchtiger Führungspersonen. Dieser Prozess geistlicher Reproduktion, der in der Urgemeinde begann, soll fortdauern, bis der Herr wiederkommt.
2,3 ein guter Streiter. Oder »Soldat«. Die Metapher des Christenle- bens als Kampf (gegen das böse Weltsystem, die sündige Menschennatur des Gläubigen und Satan) ist im NT üblich (vgl. 2Kor 10,3-5; Eph 6,10-20; 1Th 4,8; 1Tim 1,18; 4,7; 6,12). Hier spricht Paulus vom Konfl ikt mit der feindlichen Welt und der Verfolgung (vgl. V. 9; 1,8; 3,11.12; 4,7).
2,4 verstrickt sich. So wie ein Soldat im Einsatz keinerlei normalen Tätigkeiten des bürgerlichen Lebens nachgeht, so darf sich auch ein guter Soldat Jesu Christi nicht von den Dingen dieser Welt ablenken lassen (vgl. Jak 4,4; 1Joh 2,15-17). 2,5 an Wettkämpfen beteiligt. Ein einziges gr. Verb (athleô), das die nötige Anstrengung und Entschlossenheit beschreibt, um erfolgreich an einem Sportwettkampf teilzunehmen (vgl. 1Kor 9,24). Dieses Bild für geistliche Anstrengung und unermüdliches Streben nach dem Sieg ist besonders hilfreich für solche Gläubige, die vertraut sind mit Sportereignissen wie den Olympischen oder den Isthmischen Spielen (die in Korinth stattfanden). Siegeskranz … nach den Regeln. Alle Mühen eines Sportlers und seine ganze Disziplin waren umsonst, wenn er sich beim Wettkampf nicht an die Regeln hielt. Die Gläubigen sind aufgerufen, beim Streben nach geistlichem Sieg dem Wort Gottes zu gehorchen.
2,6 Der Ackersmann, der sich mit der Arbeit müht. »Der sich mit der Arbeit müht« ist ein einziges gr. Wort, das so viel bedeutet wie »bis zum Rand der Erschöpfung arbeiten«. In der Antike arbeiteten Bauern stundenlang in allen erdenklichen Lagen unter zermürbenden Mühen und hofften dabei, dass ihre körperliche Mühe von einer guten Ernte belohnt wird. Paulus ermahnt Timotheus, nicht faul oder träge zu sein, sondern intensiv zu arbeiten (vgl. Kol 1,28.29) und dabei auf die Ernte zu blicken. S. Anm. zu 1Kor 3,6.7.
2,7 Bedenke. Das gr. Wort beschreibt eine klare Wahrnehmung, ein völliges Begreifen und eine sorgfältige Erwägung. Die Form des Verbs verdeutlicht, dass es sich hier nicht um einen bloßen Rat handelt, sondern um eine strenge Ermahnung, mit der Paulus seiner Aussage Nachdruck und Tiefgang verleihen wollte.
2,8 Halte im Gedächtnis Jesus Christus. Er ist das höchste Bei- spiel für einen treuen Lehrer (V. 2), Soldaten (V. 3.4), Sportler (V. 5) und Ackerbauer (V. 6). Timotheus sollte seinem Vorbild folgen im Lehren, Leiden, Streben nach dem Lohn und im Säen der Wahrheit mit dem Blick auf eine geistliche Ernte. aus dem Samen Davids. S. Anm. zu Röm 1,3; Offb 22,16. Als Nachkomme Davids ist Jesus dessen rechtmäßiger Thronerbe (Lk 1,32.33). Hier wird das Menschsein des Herrn betont. aus den Toten auferstanden. Die Auferstehung Christ ist die zentrale Wahrheit des christlichen Glaubens (1Kor 15,3.4.17.19). Durch sie bestätigte Gott das vollkommene Erlösungswerk Jesu Christi (s. Anm. zu Röm 1,4).
2,9 Ketten … aber das Wort Gottes ist nicht gekettet. Paulus stellt seine Gefangenschaft, die er wegen des Evangeliums erleidet, in Kontrast zur ungebändigten Kraft des Wortes Gottes.
2,10 um der Auserwählten willen. D.h. diejenigen Erwählten, die vor Beginn der Welt zum Heil erwählt wurden (s. Anm. zu 1,9), aber noch nicht zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind (s. Anm. zu Apg 18,10; Tit 1,1). die Errettung … die in Christus Jesus ist. In niemand anderem ist Heil (Apg 4,12; vgl. Röm 8,29; Eph 1,4.5). Das Evangelium muss verkündet werden (Mt 28,19; Apg 1,8), weil die Erwählten nicht anders errettet werden können, als nur durch Glauben an Christus (Röm 10,14). ewiger Herrlichkeit. Das Endergebnis der Errettung (s. Anm. zu Röm 5,2; 8,17).
2,11 Glaubwürdig ist das Wort. Das Wort von V. 11-13. S. Anm. zu 1Tim 1,15. mitgestorben … mitleben. Das bezieht sich auf die geistliche Teilhabe des Gläubigen an Christi Tod und Auferstehung (Röm 6,4-8). Wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, schließt das auch die Möglichkeit des Leidens und des Märtyrertums um Christi willen ein.
2,12 ausharren. Wenn Gläubige ausharren, stellen sie damit die Echtheit ihres Glaubens unter Beweis (s. Anm. zu Mt 10,22; vgl. 24,13; Joh 8,31; Röm 2,7; Kol 1,23). mitherrschen. Mit Christus in seiner künftigen ewigen Herrlichkeit (Offb 1,6; 5,10; 20,4.6). wenn wir verleugnen, so wird er uns auch verleugnen. Das bedeutet das endgültige, dauerhafte Verleugnen eines Abgefallenen (s. Anm. zu 1Tim 1,19) und nicht das zeitweilige Versagen eines wahren Gläubigen wie Petrus (Mt 26,69-75). Wer in dieser Weise Christus verleugnet, zeigt damit, dass er niemals wahrhaft zu ihm gehört hat (1Joh 2,19) und wird die schreckliche Realität erleben, eines Tages von ihm verleugnet zu werden (Mt 10,33).
2,13 untreu. Das bedeutet nicht, dass der Glaube schwach ist oder wankt, sondern dass gar kein rettender Glaube vorhanden ist. Ungläubige werden letzten Endes Christus verleugnen, weil ihr Glaube niemals echt war (vgl. Jak 2,14-26). bleibt er doch treu; er kann sich selbst nicht verleugnen. So sicher es ist, dass Jesus in seiner Treue die retten wird, die an ihn glauben (Joh 3,16), so sicher ist es auch, dass er in derselben Treue die richten wird, die nicht an ihn glauben (Joh 3,18). Wenn er irgendetwas anderes täte, wäre das unvereinbar mit seinem heiligen, unveränderlichen Wesen. Vgl. Hebr 10,23.
2,14 um Worte streiten. Diskussionen mit falschen Lehrern, d.h. mit Verführern, die mit menschlichen Argumenten Gottes Wort untergraben, sind nicht nur töricht (Spr 14,7) und vergeblich (Mt 7,6), sondern gefährlich (V. 16.17; vgl. V. 23). Das ist die erste von drei Warnungen vor solchen nutzlosen Diskussionen (s. Anm. zu V. 16.23). S. Anm. zu 1Tim 4,6.7; 6,3-5; 2Pt 1-3. Verwirrung. Besser übersetzt »Verderben«. Das gr. Wort (katastrophe) bedeutet »Umsturz« oder »Untergang«. Es kommt nur ein weiteres Mal im NT vor (2Pt 2,6), wo es die Zerstörung von Sodom und Gomorra bezeichnet. Weil Irrlehre die Wahrheit durch Lüge ersetzt, führt sie zur geistlichen Katastrophe und zum Verderben derer, die sie annehmen. Dieses Verderben kann ewig sein.
2,15 Strebe eifrig. Ein einziges Wort, das eifrige Ausdauer beim Erreichen eines Ziels bedeutet. Wie alle Lehrer und Verkündiger des Wortes sollte auch Timotheus alles daran setzen, um Gottes Wort seinen Zuhörern vollständig, präzise und deutlich zu vermitteln. Das ist von entscheidender Wichtigkeit, um die katastrophalen Auswirkungen falscher Lehre zu vermeiden (V. 14.16.17). das Wort der Wahrheit. Das ist die ganze Bibel im Allgemeinen (Joh 17,17) und insbesondere die Botschaft des Evangeliums (Eph 1,13; Kol 1,5). recht teilt. Wörtl. »gerade schneidet«. Das bezieht sich auf die Präzision, die bei solchen Tätigkeiten wie Tischlerei, Hausbau und dem Handwerk des Paulus, dem Zeltemachen, erforderlich ist. Bei der Auslegung der Bibel sind Genauigkeit und Sorgfalt wichtiger als alles andere, weil der Ausleger es mit dem Wort Gottes zu tun hat. Alles, was weniger als präzise ist, ist schändlich.
2,16 unheiligen, nichtigen Schwätzereien. S. Anm. zu V. 14; 1Tim 6,20; vgl. Tit 3,9. Solche destruktiven Irrlehren führen nur zu »noch mehr Gottlosigkeit«. Keine Irrlehre kann retten oder heiligen. Das ist die zweite derartige Warnung des Paulus. Vgl. V. 14.23.
2,17 Krebsgeschwür. Das Wort bezeichnet eine Krankheit, die sich schnell ausbreitet und tödlich ist. Das Bild betont die heimtückische Gefahr falscher Lehre: Sie greift das eigene Leben an und verzehrt es. Hymenäus. S. Anm. zu 1Tim 1,20. Philetus. Er trat als Komplize von Hymenäus an die Stelle Alexanders (1Tim 1,20).
2,18 die Auferstehung sei schon geschehen. Wie die Irrlehrer, die in Korinth ihr Unwesen trieben (1Kor 15,12), so leugneten auch Hymenäus und Philetus die Wahrheit der leiblichen Auferstehung der Gläubigen. Wahrscheinlich lehrten sie, die geistliche Identifi kation des Gläubigen mit Christi Tod und Auferstehung (Röm 6,4.5.8) sei die einzige Auferstehung, die Gläubige erfahren könnten und sei somit bereits geschehen. Diese Irrlehre spiegelt die damalige griechisch-philosophische Ansicht wider, dass Materie böse und Geist gut sei. den Glauben … umstürzen. D.h. derer, deren Glaube nicht echt war (vgl. Mt 24,24). Echter rettender Glaube kann nicht endgültig und vollständig zu Fall gebracht werden (s. Anm. zu V. 12). Vermeintlicher, aber nicht rettender Glaube ist häufi g (vgl. 4,10). S. Anm. zu Mt 7,21-27; 13,18-22; Joh 2,23-25; 6,64-66; 8,31; 1Joh 2,19.
2,19 der feste Grund Gottes. Das bezieht sich wahrscheinlich auf die Gemeinde (vgl. 1Tim 3,15), die von den Mächten der Hölle nicht zu Fall gebracht werden kann (Mt 16,18) und die aus denen besteht, die zu Gott gehören. Siegel. Ein Symbol für Eigentum und Echtheit. Paulus nennt zwei Merkmale derer, die das göttliche Echtheitssiegel haben. Der Herr kennt die Seinen. Das ist wahrscheinlich ein Zitat aus 4Mo 16,5. Gott kennt die Gläubigen nicht nur im Sinne eines Wissens um sie, sondern im Sinne einer vertrauten Beziehung, so wie ein Ehemann seine Frau kennt (s. Anm. zu Joh 10,27.28; Gal 4,9). Gott kennt die Seinen seit ewigen Zeiten, d.h. seitdem er sie vor allen Zeiten erwählt hat. S. Anm. zu 1,9. Jeder … wende sich ab von der Ungerechtigkeit. Diese Aussage hat Paulus wahrscheinlich aus 4Mo 16,26 übernommen. Sie beschreibt ein zweites Merkmal eines Gläubigen, der Gott gehört: sein Streben nach Heiligkeit (vgl. 1Kor 6,19.20; 1Pt 1,15.16).
2,20 Gefäße. Das gr. Wort ist sehr allgemein und bezeichnete verschiedene Werkzeuge, Utensilien und Einrichtungsgegenstände im Haus. In dieser Analogie vom »großen Haus« bildet Paulus einen Kontrast zwischen zwei Arten von Utensilien bzw. Speisegefäßen. die einen zur Ehre. In einem wohlhabenden Haushalt wurden die Gefäße aus »Gold und Silber« für ehrenhafte Zwecke benutzt, wie z.B. als Schüsseln für Speisen, die der Familie oder Gästen serviert wurden. die anderen aber zur Unehre. Die »hölzernen und irdenen« Gefäße waren nicht zum ehrenhaften Gebrauch bestimmt, sondern dienten eher unappetitlichen Zwecken wie der Abfallentsorgung. S. Anm. zu 2Kor 4,7.
2,21 jemand. Jeder, der dem Herrn zu ehrenhaften Zwecken nütz- lich sein möchte. Sogar ein normaler Holzeimer oder Tontopf wird nützlich, wenn er gereinigt und geheiligt wird. von solchen. Von den Gefäßen zur Unehre (V. 20). Verbindungen mit jemandem, der Irrlehre verbreitet oder in Sünde lebt, sind verunreinigend (Spr 1,10-19; 13,20; 1Kor 5,6.11; 15,33; Tit 1,16), insbesondere wenn es sich bei diesen Irrlehrern oder Sündern um Führungspersonen in der Gemeinde handelt. Der Gläubige wird hier eindeutig aufgerufen, sich von allen abzusondern, die behaupten, Gott zu dienen, aber in Wirklichkeit schmutzige Gefäße und für nichts anderes zu gebrauchen sind als für unehrenhafte Pfl ichten. reinigt. S. Anm. zu V. 19. Das gr. Wort bedeutet »gründlich ausputzen« oder »vollständig reinigen«. Wenn ein Mülleimer im Haus zu ehrenhaften Zwecken umfunktioniert werden soll, muss er gründlich geschrubbt, gereinigt und von allen Spuren des vorherigen Gebrauchs befreit werden.
2,22 jugendlichen Lüste. Das sind nicht nur verbotene sexuelle Triebe, sondern auch solche Lüste wie Stolz, Geld- und Machtgier, Eifersucht, Selbsteingenommenheit und Streitsucht.
2,23 Streitfragen … Streit. Paulus’ dritte Warnung vor diesen un- nützen Diskussionen mit Irrlehrern (s. Anm. zu V. 14.16).
2,24 fähig zu lehren. Im Gr. ein einziges Wort, das so viel bedeutet wie »geschickt im Lehren«. S. Anm. zu 1Tim 3,2. 2,25 die Widerspenstigen. In erster Linie Ungläubige (Gefangene Satans, V. 26), aber auch Gläubige, die von den »törichten und unverständigen« (V. 23) Spekulationen der Irrlehrer verführt sind und möglicherweise die falschen Lehrer selbst. ob ihnen Gott nicht noch Buße geben möchte. Vgl. Apg 11,18; s. 2Kor 7,9.10. Wahre Buße ist stets eine Wirkung von Gottes souveräner Gnade (Eph 2,7) und ohne diese Gnade sind alle menschlichen Bemühungen, sich zu ändern, vergeblich (vgl. Jer 13,23). Erkenntnis der Wahrheit. S. Anm. zu 3,7. Wenn Gott in seiner Gnade rettenden Glauben schenkt, gibt er damit auch Buße über Sünde. Weder Glaube noch Buße sind menschliche Werke.
2,26 Fallstrick des Teufels. Verführungen sind die Falle Satans. Er ist ein eingefl eischter, listiger, durchtriebener und raffi nierter Erfi nder von Lügen. S. Anm. zu 1Mo 3,4-6; Joh 8,44; 2Kor 11,13-15; Offb 12,9.
3,1 letzten Tagen. Dieser Ausdruck bezeichnet das gegenwärtige Zeitalter, d.h. die Zeit seit dem ersten Kommen des Herrn Jesus. S. Anm. zu 1Tim 4,1. schlimme Zeiten. Das gr. Wort für »schlimm« wurde auch für die Wildheit zweier Besessener verwendet (Mt 8,28). Bei »Zeiten« geht es nicht um die Uhr- oder Jahreszeit, sondern um eine Epoche. Solche grausamen, gefährlichen Zeiten bzw. Epochen werden an Häufi gkeit und Intensität zunehmen, je näher die Wiederkunft Christi heranrückt (V. 13). Das Zeitalter der Gemeinde ist voll solch gefährlicher Tendenzen, die mit dem Herannahen des Endes immer stärker werden. Vgl. Mt 7,15; 24,11.12.24; 2Pt 2,1.2.
3,2 Diese Liste von Kennzeichen der Führungspersonen in diesen gefährlichen Zeiten ist eine Beschreibung von Ungläubigen. Ganz ähnlich hat der Herr die Ungläubigen in Mk 7,21.22 beschrieben.
3,5 haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie. »Form« bedeutet die äußere Gestalt oder das Erscheinungsbild. Wie die ungläubigen Schriftgelehrten und Pharisäer, so geht es den falschen Lehrern und ihren Anhängern nur um ihre äußere Erscheinung (vgl. Mt 23,25; Tit 1,16). Mit ihrer äußeren Form des Christseins und ihren scheinbaren Tugenden sind sie umso gefährlicher.
3,6 leichtfertigen Frauen. Diese Frauen sind schwach in Tugend und Erkenntnis der Wahrheit und niedergedrückt von den emotionalen und geistlichen Lasten ihrer Sündenschuld. Deshalb sind sie für diese verführerischen Irrlehrer eine leichte Beute. S. Anm. zu 1Tim 2,13.14; 5,11.12.
3,7 Erkenntnis der Wahrheit. In 1. Timotheus 2,4 steht derselbe Ausdruck, wo er gleichgesetzt wird mit der Errettung. Hier beschreibt Paulus mit diesem Ausdruck diese Frauen (V. 6) und Männer, die häufi g von einem Irrlehrer oder Guru zum anderen laufen, ohne jemals Gottes rettende Wahrheit in Jesus Christus zu verstehen. Das gegenwärtige Zeitalter ist seit dem Kommen Jesu Christi voller gefährlicher Irrlehren, die nicht retten können, sondern zur Verdammnis führen (vgl. V. 14.16.17; 1Tim 4,1).
3,8 Jannes und Jambres. Ihre Namen werden zwar im AT nicht erwähnt, doch wahrscheinlich waren sie die beiden ägyptischen Magier, die gegen Mose kämpften (2Mo 7,11.22; 8,7.18.19; 9,11). Der jüdischen Überlieferung zufolge gaben sie vor, zum Judentum übergetreten zu sein, verführten zur Anbetung des goldenen Kalbes und starben zusammen mit den übrigen Götzendienern (2Mo 32). Dass Paulus diese zwei als Beispiele wählt, weist womöglich darauf hin, dass die falschen Lehrer von Ephesus verführerische Zeichen und Wunder vollführten. Wahrheit. S. Anm. zu V. 7. untüchtig. Dasselbe Wort wird in Röm 1,28 mit »unwürdig« übersetzt (s. Anm. dort) und stammt von einem gr. Wort, das so viel bedeutet wie »nutzlos« im Sinne von geprüft (wie ein Metall) und für wertlos erfunden.
3,9 Torheit … offenbar. Früher oder später wird sich herausstellen, dass diese falschen Lehrer verlorene Toren sind, so wie es bei Jannes und Jambres ebenfalls deutlich wurde.
3,11 Verfolgungen. Von einem gr. Verb, das wörtl. »in die Flucht schlagen« bedeutet. Paulus musste fl iehen aus Damaskus (Apg 9,23-25), Antiochia in Pisidien (Apg 13,50), Ikonium (Apg 14,6), Thessalonich (Apg 17,10) und Beröa (Apg 17,14). in Antiochia, in Ikonium und Lystra. Da Timotheus aus Lystra stammte (Apg 16,1), erinnerte er sich lebhaft an die Verfolgung, die Paulus in diesen drei Städten erlitten hatte. hat mich der Herr gerettet. Vgl. 4,17.18; Ps 34,5.6.20; 37,40; 91,2-6.14; Jes 41,10; 43,2; Dan 3,17; Apg 26,16.17; 2Kor 1,10. Dass der Herr Paulus immer wieder aus den Verfolgungen rettete, sollte Timotheus angesichts seiner Verfolgung durch die ephesischen Gegner des Evangeliums ermutigen.
3,12 die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden Ver- folgung erleiden. Treue Gläubige müssen darauf gefasst sein, dass die christusfeindliche Welt ihnen Verfolgungen und Leiden zufügt (vgl. Joh 15,18-21; Apg 14,22). 3,13 Alle gefährlichen Bewegungen von Irrlehrern (vgl. V. 1-9) werden mit dem Herannahen der Wiederkunft Christi immer erfolgreicher. Vgl. 2Th 2,11.
3,14 von wem du es gelernt hast. S. Anm. zu 1,13. Um Timo- theus noch mehr zu fester Standhaftigkeit zu ermutigen, erinnert Paulus ihn an sein göttliches Erbe. Das Pronomen »wem« steht im Plural, was nahe legt, dass Timotheus nicht nur von Paulus, sondern auch von anderen gelernt hatte (1,5).
3,15 von Kindheit an. Wörtl. »von der Unmündigkeit an«. Beson- ders viel zu verdanken hatte Timotheus seiner Mutter und seiner Großmutter (s. Anm. zu 1,5), die ihn von jüngster Kindheit beständig in den Schriften des ATs unterwiesen, sodass er vorbereitet war, das Evangelium anzunehmen, als er es von Paulus hörte. die heiligen Schriften kennst. So bezeichneten die griechisch sprechenden Juden üblicherweise das AT. weise zu machen zur Errettung. Das AT deutete auf Christus hin (Joh 5,37-39) und zeigt, dass der Mensch Glauben an Gottes Verheißungen braucht (1Mo 15,6; vgl. Röm 4,1-3). So konnten diese Schriften Menschen zur Sündenerkenntnis führen und ihnen zeigen, dass sie die Rechtfertigung in Christus nötig haben (Gal 3,24). Die Errettung wird vom Heiligen Geist gewirkt, und er verwendet dabei das Wort Gottes. S. Anm. zu Röm 10,14-17; Eph 5,26; 1Pt 1,23-25. Glauben, der in Christus Jesus ist. Die Gläubigen des ATs verstanden zwar nicht alle dazugehörigen Einzelheiten (vgl. 1Pt 1,10-12), doch diese Gläubigen wie z.B. Abraham (Joh 8,56) und Mose (Hebr 11,26) warteten und hofften auf das Kommen des Messias (Jes 7,14; 9,6) und dessen Sühnung der Sünden (Jes 53,5.6). Auch Timotheus lebte in dieser Erwartung und reagierte daher auf das Evangelium. 3,16 Alle Schrift. Grammatisch ähnliche gr. Konstruktionen (Röm 7,12; 2Kor 10,10; 1Tim 1,15; 2,3; 4,4) überzeugen, dass die Übersetzung »die ganze Schrift ist eingegeben« richtig ist. Dazu gehören sowohl die Schriften des ATs als auch des NTs (s. Anm. zu 2Pt 3,15.16; diese Verse identifi zieren die ntl. Schriften als »die Schrift«). von Gott eingegeben. Wörtl. »von Gott ausgeatmet« oder »Gott-gehaucht«. Manchmal hat Gott den Autoren der Bibel die Worte exakt gesagt (z.B. Jer 1,9), doch meistens benutzte er ihren Verstand, Wortschatz und ihre Erfahrung, um sein eigenes, vollkommenes, unfehlbares, irrtumsloses Wort hervorzubringen (s. Anm. zu 1Th 2,13; Hebr 1,1; 2Pt 1,20.21). Es ist wichtig anzumerken, dass die Inspiration nur für die ursprünglichen Originalschriften, die Autographen, gilt und nicht für die Autoren der Bibel. Es gibt keine inspirierten Schreiber, sondern nur inspirierte Schriften. Gott identifi ziert sich so sehr mit seinem Wort, dass er selbst spricht, wenn die Schrift spricht (vgl. Röm 9,17; Gal 3,8). Die Bibel wird »Aussprüche Gottes« genannt (Röm 3,2; 1Pt 4,11) und ist unveränderbar (Joh 10,35; Mt 5,17.18; Lk 16,17; Offb 22,18.19). Belehrung. Das ist die göttliche Unterweisung oder der lehrmäßige Gehalt sowohl des ATs als auch des NTs (vgl. 2,15; Apg 20,18.20.21.27; 1Kor 2,14-16; Kol 3,16; 1Joh 2,20.24.27). Die Bibel bildet die zusammengefasste und vollständige Gesamtheit göttlicher Wahrheit, die zum Leben und zur Gottseligkeit notwendig ist. Vgl. Ps 119,97-105. Überführung. Zurechtweisung wegen falschen Verhaltens oder falschen Glaubens. Die Bibel deckt Sünde auf (Hebr 4,12.13), gegen die man dann vorgehen kann mittels Bekenntnis und Buße. Zurechtweisung. Die Wiederherstellung einer Sache oder Person in ihren richtigen Zustand. Das Wort kommt nur hier im NT vor, bezeichnete im außerbiblischen Gr. jedoch den Vorgang, ein umgestürztes Objekt wieder aufzurichten oder einer Person, die gefallen war, wieder auf die Beine zu helfen. Die Schrift tadelt nicht nur falsches Verhalten, sondern zeigt auch den Weg zurück zu einem gottesfürchtigen Leben. Vgl. Ps 119,9-11; Joh 15,1.2. Erziehung in der Gerechtigkeit. Die Bibel bietet einen positiven Unterricht (das gr. Wort für »Erziehung« bezeichnete ursprünglich die Unterweisung und Ausbildung eines Kindes) in gottesfürchtigem Verhalten und nicht nur Tadel und Korrektur bei falschem Verhalten (Apg 20,32; 1Tim 4,6; 1Pt 2,1.2).
3,17 Mensch Gottes. Ein Terminus Technicus für einen offi ziellen Verkündiger göttlicher Wahrheit. S. Anm. zu 1Tim 6,11. ganz zubereitet. Fähig, alles zu tun, wozu man berufen ist (vgl. Kol 2,10). völlig ausgerüstet. Befähigt, alle Anforderungen eines gottesfürchtigen Dienstes und gerechten Lebens zu erfüllen. Das Wort Gottes erreicht das nicht nur im Leben eines Menschen Gottes, sondern im Leben aller, die diesem Wort folgen (Eph 4,11-13).
4,1 ermahne ich dich. Oder besser »befehle ich dir«. Der gr. Aus- druck vermittelt den Gedanken einer nachdrücklichen Anordnung oder Anweisung (vgl. 2,14; 1Tim 1,18; 5,21). vor dem Angesicht Gottes und des Herrn Jesus Christus. Die gr. Formulierung ermöglicht auch die Übersetzung »in der Gegenwart Gottes und auch Jesu Christi«, was wahrscheinlich die beste Wiedergabe ist, da Jesus daraufhin als Richter offenbart wird (vgl. Joh 5,22). Jeder, der am Wort Gottes dient, wird vom allwissenden Christus geprüft (s. Anm. zu 2Kor 2,17; Hebr 13,17). der … richten wird. Die grammatische Konstruktion deutet auf ein unmittelbar Bevorstehendes hin; Christus steht im Begriff zu richten. Paulus betont die einzigartige Verantwortlichkeit aller Gläubigen und insbesondere der Diener am Wort Gottes gegenüber Christus als ihrem Richter. Gläubige dienen Christus sowohl unter seinem aufmerksamen Blick als auch in dem Wissen, dass er als Richter eines Tages ihr Werk beurteilen wird (s. Anm. zu 1Kor 3,12-15; 4,1-5; 2Kor 5,10). Dabei geht es nicht um ein Urteil zur Verdammnis, sondern zur Bewertung. Hinsichtlich der Errettung sind die Gläubigen bereits gerichtet und als gerecht erklärt worden. Damit sind sie nicht mehr dem Verdammungsurteil der Sünde unterworfen (Röm 8,1-4). Lebendige und Tote. Christus wird bei drei verschiedenen Gerichtsereignissen letztlich alle Menschen richten: 1.) beim Gericht der Gläubigen nach der Entrückung (1Kor 3,12-15; 2Kor 5,10); 2.) beim Gericht der Nationen, das zwischen Schafen und Böcken und somit zwischen Gläubigen und Ungläubigen trennt (Mt 25,31-33, hier geht es um den Eingang ins Tausendjährige Reich); und 3.) beim Gericht am großen weißen Thron, wo nur Ungläubige gerichtet werden (Offb 20,11-15). Hier bezieht sich Paulus auf Gericht im allgemeinen Sinne und damit auf alle drei Aspekte. seiner Erscheinung. Das gr. Wort für »Erscheinung« bedeutet wörtl. »Hervorleuchten« und bezeichnete bei den Griechen der Antike angebliche Erscheinungen von heidnischen Gottheiten vor Menschen. Paulus bezieht sich hier allgemein auf Christi Wiederkunft, bei der er »die Lebenden und die Toten« richten (s. vorige Anm.) und sein Tausendjähriges und ewiges Reich aufrichten wird (s. Anm. zu 1Tim 6,14).
4,2 das Wort. Das ganze geschriebene Wort Gottes, seine voll- ständige geoffenbarte Wahrheit, wie sie in der Bibel enthalten ist (vgl. 3,15.16; Apg 20,27). tritt dafür ein. Oder »sei bereit«. Das gr. Wort hat ein weites Bedeutungsspektrum, einschließlich Plötzlichkeit (Lk 2,9; Apg 12,7) oder Eindringlichkeit (Lk 20,1; Apg 4,1; 6,12; 23,27). Hier vermittelt die Form des Verbs den kombinierten Gedanken von Dringlichkeit, Vorbereitung und Bereitschaft. Das Verb wurde für einen Soldaten verwendet, der bereit stand, um in den Krieg zu ziehen, oder für eine Wache, die ständig vor einem Überraschungsangriff auf der Hut war. Einem treuen Verkündiger des Wortes ist es geboten, diese Haltungen zu haben (Jer 20,9; Apg 21,11-13; Eph 5,15.16; 1Pt 3,15). gelegen oder ungelegen. Der treue Prediger muss das Wort Gottes verkündigen, sowohl wenn es Anklang fi ndet, als auch wenn es auf Ablehnung stößt, sowohl wenn es ihm passend erscheint, als auch wenn es ihm ungelegen ist. Der treue Prediger darf sich niemals leiten lassen von dem, was gerade populär ist, auch nicht von Tradition, gutem Ruf, Anerkennung oder Wertschätzung seitens seiner Gesellschaft (oder seiner Gemeinde) und darf nie zulassen, dass diese Dinge zu Kompromissen in seiner Verkündigung des Wortes Gottes führen. überführe, tadle. Das ist die negative Seite der Verkündigung von Gottes Wort (»Überführung« und »Zurechtweisung«; vgl. 3,16). Das gr. Wort für »überführen« bezeichnet das Korrigieren von Verhalten oder falscher Lehre mittels biblischer Argumente. Dadurch kann man jemandem helfen, einen Fehler in seinem Verhalten oder Denken zu verstehen. Das gr. Wort für »tadeln« bezieht sich mehr auf die Korrektur von Motiven, indem jemand von seiner Sünde überführt und zur Buße geleitet wird. ermahne mit aller Langmut und Belehrung. Das ist die positive Seite der Verkündigung (»Belehrung« und »Erziehung«; vgl. 3,16).
4,3 gesunde Lehre. S. Anm. zu 1,13; 1Tim 4,6; Tit 2,1. nicht er- tragen. Das bezeichnet ein Durchhalten oder Ertragen widriger Umstände und kann auch mit »tolerieren« übersetzt werden. Paulus warnt Timotheus, dass unter den gefährlichen Umständen dieses Zeitalters viele Menschen intolerant werden gegenüber einer konfrontativen, herausfordernden Verkündigung des Wortes Gottes (1,13.14; 1Tim 1,9.10; 6,3-5). ihren eigenen Lüsten … empfi ndliche Ohren. Besser »juckende Ohren«. Bekennende Gläubige und Namenschristen in der Gemeinde folgen ihren eigenen Lüsten und scharen sich um solche Prediger, die ihnen Gottes Segnungen ohne Vergebung versprechen und seine Errettung ohne Buße. Sie verspüren einen Juckreiz, der von Lehren befriedigt werden will, die angenehme Empfi ndungen verursachen und ihnen gute Gefühle über sich selbst vermitteln. Sie wollen Predigten hören entsprechend »ihren eigenen Begierden«. Unter diesen Umständen gibt nicht mehr Gott durch sein Wort vor, was der Prediger zu verkündigen hat, sondern die Masse diktiert die Verkündigung.
4,4 Legenden. Falsche Ideologien, Ansichten und Philosophien in verschiedenen Formen, die der gesunden Lehre entgegenstehen (s. Anm. zu 2Kor 10,3-5; 1Tim 1,4; 4,7; vgl. Tit 1,14; 2Pt 1,16).
4,5 eines Evangelisten. Dieses Wort kommt nur zwei weitere Male im NT vor (s. Anm. zu Apg 21,8; Eph 4,11) und bezeichnet stets ein bestimmtes Amt mit der Aufgabe, Nichtchristen das Evangelium zu verkünden. Aufgrund von Eph 4,11 kann man grundsätzlich annehmen, dass es in allen Gemeinden sowohl Hirten und Lehrer als auch Evangelisten gibt. Doch das verwandte Verb »evangelisieren« bzw. »das Evangelium verkünden« und der dazugehörige Begriff »Evangelium« beziehen sich im gesamten NT nicht nur auf Evangelisten, sondern auf die Berufung jedes Christen, insbesondere von Predigern und Lehrern, das Evangelium zu verkündigen. Paulus berief Timotheus nicht in das Amt eines Evangelisten, sondern dazu, »das Werk« eines solchen zu tun.
4,6 Paulus konnte ohne Bedauern und Gewissensbisse auf sein zu Ende gehendes Leben zurückblicken. In diesen Versen prüft er sein Leben aus 3 Perspektiven: aus der gegenwärtigen Realität seines Lebensendes, für das er bereit war (V. 6); aus der Vergangenheit, in der er treu war (V. 7), und aus der Zukunft, für die er seinen himmlischen Lohn erwartete (V. 8). 4,6 schon. D.h. sein Tod stand kurz bevor. geopfert. Das gr. Wort bedeutet »als Trankopfer gespendet«. Im Opfersystem des ATs war das Trankopfer das abschließende Opfer nach dem Brand- und Speisopfer und war dem Volk Israel vorgeschrieben (4Mo 15,1-16). Paulus sah seinen bevorstehenden Tod als letzte Opfergabe für Gott nach einem Leben, das bereits voller Opfer für Gott war (s. Anm. zu Phil 2,17). meines Aufbruchs. Der Tod von Paulus. Das gr. Wort bezeichnete ursprünglich das Lösen von etwas Angebundenem wie z.B. der Vertäuung eines Schiffs oder der Befestigungsseile eines Zeltes. So kam das Wort zu seiner zweiten Bedeutung von »Abfahrt« oder »Aufbruch«.
4,7 Die Form der drei gr. Verben »gekämpft, vollendet, bewahrt« zeigt eine vollendete Handlung mit fortdauernden Ergebnissen an. Paulus sah sein Leben als vollendet an; durch die Kraft des Herrn hatte er alles vollbringen können, wozu Gott ihn berufen hatte. Er war ein Soldat (2,3.4; 2Kor 10,3; 1Tim 6,12; Phim 2), ein Sportler (1Kor 9,24-27; Eph 6,12) und ein Wächter (1,13.14; 1Tim 6,20.21). den Glauben. Die Wahrheiten und Normen des offenbarten Wortes Gottes.
4,8 die Krone der Gerechtigkeit. Das gr. Wort für »Krone« be- deutet wörtl. »Umkränzung« und bezeichnete die gefl ochtenen Kränze oder Girlanden auf den Köpfen von Würdenträgern oder siegreichen Feldherren oder Sportlern. Sprachtheoretisch kann »der Gerechtigkeit« bedeuten, dass »Gerechtigkeit« entweder die Quelle oder das Wesen der Krone ist. Wie die »Krone des Lebens« (Jak 1,12), die »Krone der Freude« (1Th 2,19), die »unverwesliche Krone« (1Kor 9,25) und die »Krone der Herrlichkeit« (1Pt 5,4), bei denen Leben, Freude, Unverweslichkeit und Herrlichkeit das Wesen der Krone beschreiben, so zeigt auch hier der Zusammenhang anscheinend, dass die Krone ewige Gerechtigkeit repräsentiert. Gläubige empfangen die ihnen zugerechnete Gerechtigkeit Christi (die Rechtfertigung) bei der Errettung (Röm 4,6.11). Der Heilige Geist bewirkt praktische Gerechtigkeit (die Heiligung) im Gläubigen während seines lebenslangen Kampfes gegen Sünde (Röm 6,13.19; 8,4; Eph 5,9; 1Pt 2,24). Doch erst wenn der Kampf beendet ist, wird Jesu Gerechtigkeit in dem Gläubigen vervollkommnet werden (die Verherrlichung), wenn er in den Himmel einzieht (s. Anm. zu Gal 5,5). der gerechte Richter. S. Anm. zu V. 1. jenem Tag. S. Anm. zu 1,12. seine Erscheinung. S. Anm. zu V. 1; 1Tim 6,14.
4,9 In diesen abschließenden Versen informiert Paulus Timotheus über den neuesten Stand der Dinge bezüglich des geistlichen Zustands, der Tätigkeit und des Aufenthaltsorts bestimmter Männer und Frauen, die ihm in seinem Dienst entweder geholfen oder geschadet haben. 4,9 Beeile dich, bald zu mir zu kommen! Paulus sehnte sich, seinen geliebten Mitarbeiter wiederzusehen, doch für Timotheus war es ein Befehl, dass er sich beeilen sollte, weil Paulus wusste, dass seine Tage gezählt waren (V. 6).
4,10 Demas. Zusammen mit Lukas und Epaphras war er einer der engsten Mitarbeiter des Paulus (s. Anm. zu Kol 4,14; Phim 24). verlassen Dieses gr. Wort bedeutet »vollständig verwerfen« und vermittelt den Gedanken, jemanden in einer schlimmen Situation allein zu lassen. Demas war ein Schönwetter-Jünger, der nie die Kosten wahrer Hingabe an Christus überschlagen hatte. Der Herr beschreibt Menschen wie ihn in Mt 13,20.21; vgl. Joh 8,31; 1Joh 2,1. die jetzige Weltzeit lieb gewonnen. S. Anm. zu Jak 4,4; 1Joh 2,15-17. Thessalonich. Womöglich hielt Demas diese Stadt für sichere Gefi lde (s. Einleitung zu 1. Thessalonicher: Hintergrund und Umfeld). Crescens. Im Gegensatz zu Demas war Crescens offenbar treu und zuverlässig, da Paulus ihn nach Galatien sandte, einer römischen Provinz mitten in Kleinasien, wo Paulus auf allen drei Missionsreisen gedient hatte. Titus. Nach Timotheus der engste Freund und Mitarbeiter des Paulus (Tit 1,5; s. Einleitung zum Titusbrief: Titel). Dalmatien. Auch bekannt als Illyrien (Röm 15,19). Eine römische Provinz an der Ostküste der Adria nördlich von Mazedonien.
4,11 Lukas. Der Autor des Lukasevangeliums und der Apostel- geschichte und Paulus’ treuer Freund und persönlicher Arzt, der die Last des Dienstes in Rom allein nur schwer tragen konnte (s. Einleitung zum Lukasevangelium und zur Apostelgeschichte: Autor und Abfassungszeit). Nimm Markus zu dir und bringe ihn mit. Markus lebte offenbar irgendwo entlang der Reiseroute von Ephesus nach Rom. Der Autor des Markusevangeliums (mit dem Beinamen Johannes), Neffe des Barnabas (Kol 4,10) und hingegebener Mitarbeiter (Phim 24), hatte einst Paulus und Barnabas in beschämender Weise verlassen (s. Anm. zu Apg 13,13; 15,36-39), doch nun war er wieder ein wertvoller Diener (s. Einleitung zum Markusevangelium: Autor und Abfassungszeit).
4,12 Tychikus. Entweder hatte Paulus ihn zu einem früheren Zeitpunkt nach Ephesus gesandt oder er sandte ihn jetzt, um diesen zweiten Brief an Timotheus zu überbringen, so wie Tychikus zuvor bereits mehrere Briefe von Paulus überbracht hatte: an die Gemeinde in Ephesus (Eph 6,12), an die Gemeinde in Kolossä (Kol 4,7) und möglicherweise an Titus (Tit 3,12; s. Anm. zu Kol 4,7). Ephesus. S. Einleitung zum Epheserbrief: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Offb 2,1.
4,13 Reisemantel. Ein großes, schweres Wollgewand mit der zweifachen Funktion als Mantel und als Decke bei Kälte, welche Paulus mit dem herannahenden Winter bevorstand (V. 21). Troas. Eine Hafenstadt in Phrygien in Kleinasien. Karpus. Ein ansonsten unbekannter Gläubiger, dessen Name »Frucht« bedeutet. die Bücher, besonders die Pergamente. »Bücher« waren Papyrusrollen, möglicherweise Schriften des ATs. »Pergamente« waren Pergamentblätter aus behandelten Tierhäuten und daher äußerst teuer. Möglicherweise handelte es sich um Abschriften von Briefen, die er geschrieben hatte, oder um leere Blätter zum Schreiben neuer Briefe. Da sie sich offensichtlich noch nicht im Besitz von Paulus befanden, kann man schließen, dass er in Troas verhaftet worden war und noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sie zurückzubekommen.
4,14 Alexander, der Schmied. Das ist wahrscheinlich nicht der- selbe Alexander, den Paulus zusammen mit Hymenäus dem Satan überliefert hatte (1Tim 1,20), da Paulus ihn gesondert als »den Schmied« bezeichnet. Womöglich war dieser Alexander jedoch ein Götzenhandwerker (vgl. Apg 19,24). hat mir viel Böses erwiesen. Alexander bekämpfte die Lehre des Paulus und verbreitete wahrscheinlich seine eigene falsche Lehre. Vielleicht war er an Paulus’ Verhaftung beteiligt und machte womöglich eine falsche Zeugenaussage gegen ihn. Vgl. Apg 19,23ff. der Herr vergelte ihm. Paulus überließ die Rache der Hand Gottes (5Mo 32,35; Röm 12,19).
4,16 ersten Verteidigung. Vom gr. Wort für »Verteidigung« stammen die Begriffe »Apologie« und »Apologetik«. Es bezeichnet eine mündliche Verteidigung bei einer Gerichtsverhandlung. Im römischen Rechtssystem bekam ein Angeklagter zwei Verhöre: die prima actio ähnelte der heutigen Anklageerhebung. Sie legte die Klage vor und prüfte, ob ein weiteres Verhör erforderlich war. Die secunda actio bestätigte dann die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Die Verteidigung, von der Paulus hier spricht, war die prima actio. es werde ihnen nicht angerechnet. Das sagten auch Stephanus (Apg 7,60) und der Herr selbst (Lk 23,24).
4,17 Der Herr aber stand mir bei. Der Herr erfüllt seine Ver- heißung, dass er seine Kinder nie »verlassen noch versäumen« wird (5Mo 31,6.8; Jos 1,5; Hebr 13,5). durch mich die Verkündigung völlig ausgerichtet würde. Wie schon früher (Apg 26,2-29) hatte Paulus auch hier die Gelegenheit, das Evangelium vor einem römischen Tribunal zu verkündigen. alle Heiden sie hören. Aufgrund seiner Verkündigung des Evangeliums vor solch einer kosmopolitischen, heidnischen Zuhörerschaft konnte Paulus sagen, dass er alle Heiden mit dem Evangelium erreicht habe. Damit war sein Auftrag erfüllt (Apg 9,15.16; 26,15-18). Rachen des Löwen. Vgl. Dan 6,27.28. Ein übliches Bild für Lebensgefahr (Ps 22,22; 35,17), die für Paulus gewöhnlich war (vgl. Apg 14,19; 2Kor 4,8-12; 6,4-10; 11,23-27). In 1Pt 5,8 beschreibt Petrus den Teufel als brüllenden Löwen.
4,18 wird mich auch von jedem boshaften Werk erlösen. Paulus hoffte aufgrund des gegenwärtigen Wirkens des Herrn – Paulus zu stärken und ihm beizustehen (V. 17) – auf das künftige Wirken des Herrn. Er wusste, dass Gott ihn aus allen Versuchungen und aus allen Nachstellungen gegen ihn erretten wird (2Kor 1,8-10). mich in sein himmlisches Reich retten. Paulus wusste, dass die Vollendung seiner eigenen Errettung näher war als damals, als er zum Glauben kam (vgl. Röm 13,11; 2Kor 5,8; Phil 1,21).
4,19 Prisca und Aquila. Paulus hatte diese beiden treuen Freunde in Korinth kennen gelernt, wohin sie aus Rom gefl ohen waren (s. Anm. zu Apg 18,2). Sie dienten eine Zeit lang in Ephesus (Apg 18,18.19), kehrten später für eine Weile nach Rom zurück (Röm 16,3) und gingen dann wieder nach Ephesus. das Haus des Onesiphorus. S. Anm. zu 1,16.
1,1 Dieser Gruß betont das Wesen des Dienstes von Paulus als Apostel Jesu Christi. Er verkündete: 1.) Errettung: Gottes Ratschluss, die Erwählten durch das Evangelium zu erretten; 2.) Heiligung: Gottes Ratschluss, die Erretteten durch das Wort Gottes aufzuerbauen; und 3.) Verherrlichung: Gottes Ratschluss, die Gläubigen zur ewigen Herrlichkeit zu führen. 1,1 Paulus. S. Einleitung: Titel; Autor und Abfassungszeit; Hinter- grund und Umfeld. Knecht. Wörtl. »Sklave«. Paulus bezeichnet sich als Sklaven; etwas Niedrigeres gab es damals nicht (s. Anm. zu 2,9; 1Kor 4,1.2) und sagt damit, dass er dem Herrn, der alle Gläubigen »zu einem Preis erkauft« hat, völlig und bereitwillig als Sklave hingegeben ist (1Kor 6,20; vgl. 1Pt 1,18.19). Hier bezeichnete Paulus sich nicht zum einzigen Mal mit diesem gr. Ausdruck als »Sklave Gottes« (vgl. Röm 1,1; Gal 1,10; Phil 1,1). Er reihte sich unter die Männer Gottes des ATs ein (vgl. Offb 15,3). Apostel. Vgl. Röm 1,1; 1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Eph 1,1 Dieses Wort bedeutet grundsätzlich »Bote« oder »Gesandter«. Es bezeichnete zwar oft königliche Abgesandte, die in der ihnen erteilten Vollmacht ihres Oberhauptes handelten, doch gehörte die erhöhte Position des »Apostels« auch zu seinem Sklavendienst für Gott und brachte somit große Autorität, Verantwortung und Aufopferung mit sich. S. Anm. zu Apg 20,24. Auserwählten Gottes. S. Anm. zu Eph 1,4.5. Das sind diejenigen, die Gott in seiner Gnade »vor Grundlegung der Welt« zum Heil erwählt hat (Eph 1,4), die aber auf das Wirken und die Befähigung des Heiligen Geistes mit persönlichem Glauben reagieren müssen. Gottes Erwählung der Gläubigen geht stets ihrer Entscheidung für ihn voraus und befähigt sie zu diesem Entschluss (vgl. Joh 15,16; Apg 13,46-48; Röm 9,15-21; 2Th 2,13; 2Tim 1,8.9; 2,10; 1Pt 1,1.2). Wahrheit. Paulus dachte an die Wahrheit des Evangeliums, der rettenden Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu Christi (1Tim 2,3.4; 2Tim 2,25). Diese rettende Wahrheit ist es, die zur »Gottseligkeit« bzw. Heiligung führt (s. 2,11.12).
1,2 Hoffnung. Diese Hoffnung verheißt und garantiert Gott allen Gläubigen und verleiht ihnen somit Beharrlichkeit und Geduld (vgl. Joh 6,37-40; Röm 8,18-23; 1Kor 15,51-58; Eph 1,13.14; Phil 3,8-11.20.21; 1Th 4,13-18; 1Joh 3,2.3). S. Anm. zu 1Pt 1,3-9. der nicht lügen kann. Vgl. 1Sam 15,29; Hebr 6,18. Weil Gott selbst die Wahrheit und die Quelle der Wahrheit ist, ist es ihm unmöglich, etwas Unwahrhaftiges zu sagen (Joh 14,6.17; 15,26; vgl. 4Mo 23,19; Ps 146,6). vor ewigen Zeiten. Gottes Heilsplan für die sündige Menschheit wurde beschlossen, bevor der Mensch auch nur erschaffen wurde. Die Verheißung galt Gott, dem Sohn (s. Anm. zu Joh 6,37-44; Eph 1,4.5; 2Tim 1,9).
1,3 sein Wort geoffenbart in der Verkündigung. Gottes Wort ist die alleinige Quelle aller treuen Verkündigung und Lehre. Vgl. 1Kor 1,18-21; 9,16.17; 2,1-4; Gal 1,15.16; Kol 1,25. Gottes, unseres Retters. Vgl. 2,10; 3,4. Gott entwarf seinen Heilsplan in der ewigen Vergangenheit.
1,4 echtes Kind. Ein geistlicher Sohn und wie Timotheus ein echter Gläubiger (1Tim 1,2). gemeinsamen Glauben. Das kann sich auf rettenden Glauben beziehen oder auf den Inhalt des christlichen Glaubens wie z.B. den Glauben, »der den Heiligen ein für allemal überliefert worden ist« (Jud 3). unserem Retter. Christus wird bei jeder Erwähnung nach V. 1 »Retter« genannt (vgl. 2,13; 3,6).
1,5 Gott hat hohe Maßstäbe für alle Gläubigen; seine Anforderun- gen für Gemeindeleiter sollen diesen Maßstab erfüllen und veranschaulichen. Solche Leiter eignen sich dazu nicht aufgrund ihrer natürlichen Fähigkeiten, ihrer Intelligenz oder Ausbildung, sondern auf der Grundlage ihres moralischen und geistlichen Charakters und der Fähigkeit und der Begabung zu lehren, mit der der Heilige Geist sie souverän ausgerüstet hat. 1,5 Kreta. S. Einleitung: Hintergrund und Umfeld. in Ordnung bringst. Titus sollte in den Gemeinden Kretas falsche Lehren und Praktiken korrigieren. Paulus hatte diese Aufgabe selbst nicht mehr zu Ende führen können. Diese Aufgabe wird nirgends anders erwähnt. Älteste. Vgl. die entsprechenden Qualifi kationen in 1Tim 3,1-7. Weitere Bezeichnungen für reife, geistliche Gemeindeleiter sind »Aufseher« (oder »Bischöfe«, V. 7; vgl. 1Tim 3,2; s. 1Pt 2,25, wo dasselbe gr. Wort für Christus verwendet wird) und »Hirten« (s. Eph 4,11). Sie sollten sich in jeder Stadt um die dortige Versammlung kümmern. S. auch Apg 20,17.28; 1Pt 5,1.2. Die Aufgabe, Gemeindeleiter einzusetzen, ist durchaus paulinisch (vgl. Apg 14,23). Anweisung gegeben. Eine Erinnerung an frühere apostolische Anweisungen.
1,6 untadelig. Dieses Wort bezeichnet keine sündlose Vollkommen- heit, sondern ein persönliches Leben, das über jede berechtigte Anklage und über öffentliche Skandale erhaben ist. Das ist eine allgemeine und primäre Anforderung für geistliche Leiter, die Paulus in den nächsten Versen wiederholt (V. 7) und erläutert (vgl. 1Tim 3,2.10). Mann einer Frau. Wörtl. ein »einzige-Ehefrau-Ehemann«, d.h. ein Ehemann, der seiner Frau ständig innerlich und äußerlich hingegeben und treu ist (vgl. 1Tim 3,2). Ein ansonsten geeigneter Unverheirateter ist nicht unbedingt disqualifi ziert. Hier geht es nicht um Scheidung, sondern um innere und äußere Reinheit auf sexuellem Gebiet. S. Anm. zu Spr 6,32.33. Diese Anforderung motivierte Paulus, seinen Leib zu beherrschen (1Kor 9,27). treue Kinder. Oder »gläubig«. Dieses Wort wird im NT stets für Gläubige und nie für Ungläubige verwendet und bezeichnet daher Kinder mit rettendem Glauben an Christus, die diesen Glauben in ihrem Verhalten zeigen. Da in 1Tim 3,4 von den Kindern Unterwürfi gkeit verlangt wird, richtet sich die Anforderung aus 1Tim 3,4 womöglich an jüngere Kinder im Haus, während es in diesem Text um ältere Kinder geht. Ausschweifung oder Aufsässigkeit. »Ausschweifung« oder Zügellosigkeit legt ebenfalls nahe, dass es hier um ältere oder erwachsene Kinder geht. »Aufsässigkeit« vermittelt den Gedanken von Rebellion gegen das Evangelium. Hierin zeigt der Älteste, ob er fähig ist, seine Familie zur Errettung und Heiligung zu leiten (s. 1Tim 3,4.5). Das ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um eine Gemeinde zu leiten.
1,7 Aufseher. Dieses gr. Wort, von dem die Bezeichnung »Bischof« stammt, ist kein Titel einer Hierarchie, sondern bedeutet wörtl. »AufBeobachter«. Vgl. Apg 20,28; Hebr 13,17; 1Pt 5,2. Haushalter. Dieser Begriff bezeichnet jemanden, der den Besitz eines anderen zum Wohlergehen derer verwaltet, die seinem Herrn gehören. In diesem Zusammenhang ist es jemand, der geistliche Wahrheiten verwaltet, für Gott lebt und ihm gegenüber völlig verantwortlich ist. Die Gemeinde ist Gottes Besitz (Apg 20,28; 1Tim 3,15; 1Pt 5,2-4) und Älteste bzw. Aufseher sind ihm gegenüber verantwortlich dafür, wie sie die Gemeinde leiten (Hebr 13,17). der Trunkenheit ergeben. Oder »dem Wein ergeben«. Das gilt für alle alkoholischen Getränke, die den Verstand benebeln oder Hemmungen herabsetzen (vgl. Spr 23,29-35; 31,4-7). In ihrer Anwendung verbietet diese Anforderung auch alle anderen Substanzen, die den Verstand trüben, wie z.B. Drogen. nach schändlichem Gewinn strebend. Schon in der Anfangszeit der Gemeinde wurden einige Männer Älteste, um sich zu bereichern (s. V. 11; 1Pt 5,3; vgl. 2Pt 2,1-3).
1,8 gastfreundlich. »Gastfreundschaft« bedeutet im Gr. wörtl. »Fremdenfreundlichkeit«. besonnen. Ernsthaft, mit den richtigen Prioritäten und vernünftig.
1,9 das zuverlässige Wort. Gesunde biblische Lehre sollte nicht nur gelehrt werden, sondern man sollte auch mit tiefer Überzeugung daran festhalten. Vgl. 1Tim 4,6; 5,17; 2Tim 2,15; 3,16.17; 4,2-4. ermahnen … überführen. Das treue Lehren und Verteidigen der Bibel, was zur Gottesfurcht ermuntert und Sünden und Fehler korrigiert (bei den »Widersprechenden«). S. Anm. zu V. 10-16; 3,10.11; Apg 20,29.30.
1,10 Die falschen Lehrer in den Gemeinden Kretas ähnelten sehr den Irrlehrern, mit denen Timotheus in Ephesus zu kämpfen hatte (s. 1Tim 1,3-7; vgl. Röm 16,17.18; 2Pt 2,1-3). 1,10 Widerspenstige. Weil es von diesen Männern so viele gab, hatte Titus eine besonders schwierige Aufgabe. Daher war die Einsetzung gottesfürchtiger Ältester (V. 5) umso entscheidender. Vielleicht hatten sich einige falsche Lehrer sogar der apostolischen Autorität des Paulus widersetzt, als dieser kurzzeitig auf Kreta diente. Verführer. Vgl. Jer 14,14; 23,2.21.32. Beschneidung. Vgl. Apg 10,45; 11,2. Diese Juden lehrten, zur Errettung sei es erforderlich, sich leiblich beschneiden zu lassen (s. Anm. zu 1Mo 17,9-14) und die mosaischen Zeremonien zu befolgen. S. Anm. zu Apg 15,1-12; Gal 3,1-12; Eph 2,11; Kol 2,12.
1,11 ganze Häuser. Vgl. 2Tim 3,6. schändlichen Gewinnes. Fal- sche Lehrer sind stets auf Geld aus (1Tim 6,4; 1Pt 5,2).
1,12 Prophet. Epimenides, der hochgeschätzte gr. Dichter aus dem 6. Jhdt. v.Chr., stammte gebürtig von Kreta und hatte sein eigenes Volk als Abschaum der gr. Kultur charakterisiert. Auch an anderer Stelle zitierte Paulus heidnische Sprichworte (vgl. Apg 17,28; 1Kor 15,33). Dieses Zitat bezieht sich auf den Charakter der falschen Lehrer.
1,13 gesund im Glauben. Die Männer, die in der Gemeinde spra- chen, mussten eine bibeltreue und reine Lehre haben. Wer diesem Maßstab nicht entsprach, wurde zurechtgewiesen.
1,14 Legenden … Gebote von Menschen. Paulus betonte erneut (s. V. 10. »die aus der Beschneidung«), dass die meisten falschen Lehrer Juden waren. Sie lehrten dieselben Äußerlichkeiten und unbiblischen Gesetze und Traditionen, die sowohl Jesaja als auch Jesus gebrandmarkt hatten (Jes 29,13; Mt 15,1-9; Mk 7,5-13). 1,15.16 Falsche Lehrer sind sowohl innerlich verdorben (»Gesinnung und Gewissen«) als auch äußerlich (»Werke« und »ungehorsam«). Vgl. Mt 7,15.16.
1,15 befl eckt. Die äußerlich schändlichen Dinge, die diese Män- ner praktizierten (V. 10-12), waren lediglich ein Ausdruck ihrer inneren Verderbtheit. S. Anm. zu Mt 15,15-20. ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen. Wenn die Gesinnung unrein ist, kann sie das Gewissen nicht richtig informieren und so kann das Gewissen die Person nicht warnen. Wenn das Gewissen gut und reichlich mit Gottes Wahrheit getränkt ist, funktioniert es als das von Gott entworfene Warnsystem. S. Anm. zu 2Kor 1,12; 4,2; 1Tim 1,19.20.
1,16 geben vor … verleugnen. Einige falsche Lehrer in der Ge- meinde waren keine echten Gläubigen. Letztendlich werden die Ungläubigen sogar durch ihre anscheinend »guten Werke« entlarvt werden. untüchtig. Sie können nichts tun, was Gott gefällt. S. Anm. zu 1Kor 9,27; vgl. 2Tim 3,8. 2,1-10 Die gesunde Lehre für ältere Männer (V. 2), ältere Frauen (V. 3), junge Frauen (V. 4.5), junge Männer (V. 6-8) und Sklaven (V. 9.10) zeigt die Pfl ichten jedes Gläubigen in der Gemeinde.
2,1 gesunden. Paulus verwendet dieses Wort in den Pastoralbrie- fen neunmal (fünfmal im Titusbrief), und zwar stets in dem Sinne, dass Wahrheit zu geistlicher Gesundheit führt. Bei dem, »was der gesunden Lehre entspricht« (in V. 2-10), geht es um Wahrheiten, Haltungen und Verhaltensweisen, die auf biblischer Wahrheit basieren und dieser entsprechen. Um Gott nicht nur zu gefallen, sondern auch ein wirksames Zeugnis gegenüber Ungläubigen zu haben, müssen die Gläubigen die Wahrheit kennen, die zu geistlicher Gesundheit führt. 2,2 alten Männer. Paulus bezeichnete sich selbst als »alt« (Phim 9), als er über 60 Jahre alt war. Hier liegt ein anderes Wort vor als der Begriff für »Ältester« in 1,5; es bezeichnet Männer fortgeschrittenen Alters. ehrbar. Diese Anforderung beschränkt sich nicht auf Verehrung Gottes, was vorausgesetzt wird, sondern bedeutet auch, ehrenswert und würdevoll gegenüber Menschen zu sein. Die alten Männer sollen vernünftig und geistlich gesund sein.
2,3 alten Frauen. Das sind die Frauen, die keine Kinder mehr aufzie- hen und normalerweise um die 60 Jahre alt sind (vgl. 1Tim 5,3-10). wie es Heiligen geziemt. Vgl. 1Tim 2,9-11.15. nicht verleumderisch. Dieser Begriff wird im NT 34-mal für Satan benutzt, den Erz-Verleumder. die das Gute lehren. Das Gute, woran Gott Wohlgefallen hat (vgl. 1,16), insbesondere der Lektionen aus V. 4.5.
2,4 die jungen Frauen dazu anleiten. Aufgrund ihres gottes- fürchtigen Vorbilds haben die älteren Frauen (V. 3) das Recht und die Glaubwürdigkeit, die jüngeren Frauen der Gemeinde zu unterweisen. Das verlangt offenbar, dass die älteren Frauen Musterbeispiele sein müssen für die Tugenden (V. 4.5), zu denen sie »anleiten«. ihre Männer … zu lieben. Wie die anderen hier angeführten Tugenden ist diese Liebe bedingungslos. Sie basiert nicht auf der Liebenswürdigkeit des Mannes, sondern auf Gottes Willen. Das gr. Wort phileô betont die Zuneigung. S. Anm. zu Eph 5,22-24.
2,5 besonnen. D.h. rein. Vgl. 1Tim 2,9-11.15; 1Pt 3,3-6. häuslich. Vgl. 1Tim 5,14. Die gläubige Frau hat die unbestreitbare Verantwortung, das Haus in gottesfürchtiger Weise und mit Vortreffl ichkeit für den Mann und die Kinder zu führen. unterzuordnen. Die Ideologie des radikalen Feminismus war ein integraler Bestandteil der antiken babylonischen und assyrischen Mythologie sowie der griechischen Gnosis, die zur Zeit des NTs im römischen Reich grassierte und eine ständige Gefahr für die junge Gemeinde war. Der heutige Feminismus ist weder neu noch fortschrittlich, sondern uralt und rückschrittlich. S. Anm. zu Eph 5,22. nicht verlästert. Das ist der Zweck gottesfürchtigen Verhaltens: jeden Vorwurf gegen die Bibel zu unterbinden. Wenn jemand überzeugt werden soll, dass Gott von Sünden rettet, muss er jemanden sehen, der ein heiliges Leben führt. Wenn Christen behaupten, an Gottes Wort zu glauben, aber ihm nicht gehorchen, wird das Wort Gottes verunehrt. Gott und seine Wahrheit wurden nur allzu oft wegen des sündigen Verhaltens angeblicher Christen verspottet. Vgl. Mt 5,16; 1Pt 2,9.
2,6 jungen Männer. Männer und Jungen ab 12 Jahren. 2,6.7 besonnen. Vernünftig (s. V. 2).
2,7 In allem. Diese Charakterisierung der jungen Männer gehört eigentlich ans Ende von V. 6. und betont die umfassende Bedeutung dieser Ermahnung. Vorbild. Titus war besonders dazu verpfl ichtet, ein Vorbild für die moralischen und geistlichen Charakterzüge zu sein, zu denen er andere anhalten sollte. Vgl. 1Kor 4,16; 11,1; Phil 3,17; 2Th 3,8.9; 1Tim 4,12; Hebr 13,7. In der Lehre. Alle drei Begriffe »Unverfälschtheit, würdiger Ernst, Unverderbtheit« charakterisieren die angemessene Weise, mit der Lehre umzugehen.
2,8 gesunde, untadelige Rede. Bei der Alltagssprache. Vgl. Eph 4,31; Kol 3,16.17; 4,6. nichts Schlechtes … sagen kann. Der Zweck des gottesfürchtigen Lebens ist hier, wie bereits in V. 5., die Gegner des Christentums und des Evangeliums zum Schweigen zu bringen (s. Anm. zu 1Pt 2,11.12) und die Macht Christi glaubhaft zu machen.
2,9 Knechte. Wörtl. »Sklaven«. Der Begriff gilt allgemein für Arbeit- nehmer, bezieht sich hier jedoch direkt auf Sklaven, d.h. Männer, Frauen und Kinder, die im römischen Reich und einem Großteil der antiken Welt Leibeigene ihrer Herren waren. Sie hatten, wenn überhaupt, nur wenige zivile Rechte und sie wurden kaum mehr gewürdigt oder gepfl egt als Haustiere. Das NT heißt Sklaverei weder gut noch verurteilt es sie, doch es lehrt durchweg, dass Freiheit von der Sklaverei der Sünde unendlich viel wichtiger ist als Freiheit von irgendeinem menschlichen Joch, das man erleiden kann (s. Röm 6,22). unterordnen … gefällig. Paulus lehrt eindeutig, dass Gläubige sogar in den bedrückendsten Umständen gehorsam sein und versuchen sollen, ihren Arbeitgebern zu gefallen, ob ihre »Herren« nun gläubig sind oder ungläubig, gerecht oder ungerecht, freundlich oder grausam. Und Arbeitgeber, für die man freiwillig arbeitet, sollen Gläubige erst recht respektieren und ihnen gehorchen! So wie bei Ehefrauen, die sich ihren Männern unterordnen sollen (V. 5), ist auch hier die einzige Ausnahme, wenn von einem Gläubigen verlangt wird, gegen Gottes Wort zu verstoßen. Vgl. Eph 6,5-9; Kol 3,22-4,1; 1Tim 6,1.2.
2,10 nichts entwenden. Dieser Ausdruck bezeichnete Veruntreu- ung. alle gute Treue. Tun, was dem Nutzen des Auftraggebers dient (V. 5). Paulus betont das höchste Ziel eines tugendhaften Lebens: die Lehre attraktiv zu machen, dass Gott Sünder rettet.
2,11 Diese Verse bilden das Herzstück des Briefes. Sie betonen Gottes souveränes Ziel mit der Berufung von Ältesten (1,5) und mit dem Aufruf an sein Volk zu einem gerechten Leben (V. 1-10): Dadurch soll das Zeugnis aufgestellt werden, welches Gottes Plan und Zweck der Errettung erfüllt. Paulus fasste den Heilsplan Gottes in drei Eckpunkten zusammen: 1.) Errettung von der Schuld (V. 11), 2.) der Macht (V. 12) und 3.) der Gegenwart (V. 13) der Sünde. 2,11 Gnade Gottes. Das bezieht sich nicht nur auf die göttlichen Eigenschaften der Gnade, sondern auf Jesus Christus selbst, die fl eischgewordene Gnade und Gottes absolut gnädige Gabe an die gefallene Menschheit. Vgl. Joh 1,14. für alle Menschen. Hier wird keine Allversöhnung gelehrt. »Alle Menschen« wird so verwendet wie der Begriff »Menschenliebe« in 3,4 und bezieht sich auf die Menschheit im Allgemeinen als eine Kategorie und nicht auf jeden einzelnen Menschen. S. Anm. zu 2Kor 5,19; 2Pt 3,9. Das Opfer Jesu Christi reicht aus, um jede Sünde jedes Gläubigen zu begleichen (Joh 3,16-18; 1Tim 2,5.6; 4,10; 1Joh 2,2). Paulus macht in der Einleitung dieses Briefes deutlich, dass die Errettung nur durch »den Glauben der Auserwählten« (1,1) effektiv wird. S. Anm. zu 3,2. Aus der Menschheit werden nur diejenigen errettet, die glauben (Joh 1,12; 3,16; 5,24.38.40; 6,40; 10,9; Röm 10,9-17).
2,12 verleugnen … leben. Die Errettung bewirkt eine Umgestal- tung (2Kor 5,17; Eph 2,8-10) und die Umgestaltung (die Wiedergeburt) bringt neues Leben hervor, in welchem die Macht der Sünde gebrochen ist (s. Anm. zu Rom 6,4-14; Phil 3,8.9; Kol 3,9.10).
2,13 glückselige Hoffnung. Eine allgemeine Bezeichnung für die Wiederkunft Christi einschließlich der Auferstehung der Gläubigen (vgl. Röm 8,22.23; 1Kor 15,51-58; Phil 3,20.21; 1Th 4,13-18; 1Joh 3,2.3) und ihrer Herrschaft mit Christus in Herrlichkeit (2Tim 2,10). Erscheinung der Herrlichkeit. Vgl. 2Tim 1,10. Das wird unsere Errettung von der Gegenwart der Sünde sein. Gottes und … Retters. Ein klarer Hinweis auf die Gottheit Jesu. Vgl. 2Pt 1,1. 2,14 erlösen … reinigen. Ein weiterer Ausdruck (vgl. V. 12) fasst die zweifache Auswirkung der Errettung zusammen (Wiedergeburt und Heiligung). »Erlösen« bedeutet, einen Gefangenen durch Zahlen eines Lösegelds zu befreien. Der Preis war das Blut Christi, das den Forderungen der Gerechtigkeit Gottes Genüge tat. S. Anm. zu Apg 20,28; Gal 1,4; 2,20; 1Pt 1,18.19; vgl. Mk 10,45. ein Volk zum besonderen Eigentum. »Auserwählt … zum Eigentum« ist ein einziges gr. Wort, das das Volk als etwas Besonderes beschreibt, weil Gott es erwählt hat und weil es sich als solches erwiesen hat, da es die Gnade der Errettung angenommen hat (s. Anm. zu 1,1-4). Vgl. 1Kor 6,19.20; 1Pt 2,9. eifrig. Vgl.
3,8 Gute Werke sind kein Mittel zur Errettung, sondern deren Früchte. Vgl. Eph 2,10.
2,15 lehren … ermahnen und zurechtweisen. Diese drei Ver- ben beschreiben die Notwendigkeit der Verkündigung und Anwendung des Wortes Gottes und der Korrektur durch dasselbe. Nachdruck. Oder »Autorität«. Geistliche Befehlsgewalt über Menschen kommt einzig und allein aus dem Wort Gottes. Vgl. Mt 7,28.29. 2,15 Niemand soll dich gering schätzen. S. 3,9-11. Rebellion gegen die Wahrheit muss angegangen werden. Vgl. Mt 18,15-20; 1Kor 5,9-13; 2Th 3,14.15.
3,1 In seinen abschließenden Bemerkungen ermahnt Paulus Ti- tus, die Gläubigen unter seiner Obhut an ihre Einstellungen zu erinnern, gegenüber: 1.) unerretteten Regenten (V. 1) und Menschen im Allgemeinen (V. 2); 2.) ihrem früheren Zustand als Ungläubige, die in Sünde verloren waren (V. 3); 3.) ihrer Errettung aus Gnade durch Jesus Christus (V. 4-7); 4.) ihrem gerechten Zeugnis gegenüber der unerretteten Welt (V. 8); 5.) und ihrer Verantwortung, falsche Lehrer und Sektierer in der Gemeinde zurechtzuweisen (V. 9-11). Alle diese Dinge sind unverzichtbar für wirkungsvolle Evangelisation. 3,1 unterordnen. Unterordnung unter die Autorität der Schrift ver- langt Unterordnung unter die irdischen Regierungen als Bestandteil des Zeugnisses als Christ (s. Anm. zu Röm 13,1-7; 1Pt 2,12-17).
3,2 allen Menschen. Christen sollen diese geistlichen Tugenden in ihrem Umgang mit allen Menschen veranschaulichen. Die Ermahnung gilt besonders für den Umgang mit Ungläubigen. Dass dieser Ausdruck sich hier auf die Menschheit im Allgemeinen bezieht (und insbesondere auf solche, die unsere Wege kreuzen) und nicht auf jeden einzelnen lebenden Menschen, ist ein weiterer Beleg für dieselbe Bedeutung in 2,11.
3,3 auch wir. Das heißt nicht, dass jeder Gläubige alle hier aufge- führten Sünden begangen hat, sondern dass das Leben vor der Errettung von derartigen Sünden gekennzeichnet war. Diese ernüchternde Wahrheit sollte Gläubige demütig machen im Umgang mit Unerretteten, auch wenn sie noch so unmoralisch und gottlos sind. Ohne die Gnade Gottes wären wir alle gottlos. S. Anm. zu 1Pt 3,15; vgl. 2Tim 2,25. Weitere Sündenlisten s. Röm 1,18-32; 1Kor 6,9.10; Gal 5,19-21; Eph 4,17-19.
3,4 Freundlichkeit … erschien. Wie in 2,11 spricht Paulus hier von Jesus Christus selbst, der die fl eischgewordene Freundlichkeit und Menschenliebe war und in Menschengestalt auf die Welt kam. Vgl. Eph 2,4-6.
3,5 nicht um der Werke … willen. Die Errettung geschah niemals aus Werken (s. Anm. zu Eph 2,8.9; vgl. Röm 3,19-28.) aufgrund seiner Barmherzigkeit. Vgl. Eph 2,4; 1Tim 1,13; 1Pt 1,3; 2,10. Bad der Wiedergeburt. S. Anm. zu Hes 36,25-29; Eph 5,26; Jak 1,18; 1Pt 1,23. Die Errettung bewirkt eine geistliche Reinigung von Sünden und verleiht die Gabe eines neuen, vom Heiligen Geist gewirkten, gestärkten und geschützten Lebens als Gottes eigene Kinder und Erben (V. 7). Das ist die Wiedergeburt (vgl. Joh 3,5; 1Joh 2,29; 3,9; 4,7; 5,1). Erneuerung des Heiligen Geistes. Vgl. Röm 8,2. Der Heilige Geist ist der Ausführende der »Wirkungen der Wiedergeburt«.
3,6 reichlich. Wenn Gläubige gerettet werden, segnet der Geist Je- su sie über alle Maßen (vgl. Apg 2,38.39; 1Kor 12,7.11.13; Eph 3,20; 5,18).
3,7 gerechtfertigt. Die zentrale Wahrheit der Errettung ist die Rechtfertigung allein durch Glauben. Wenn ein Sünder zur Buße kommt und an Jesus Christus gläubig wird, erklärt Gott ihn gerecht, rechnet ihm die Gerechtigkeit Christi an und verleiht ihm ewiges Leben aufgrund des stellvertretenden Todes Christi, der die Strafe für die Missetaten des Sünders beglichen hat. S. Anm. zu Röm 3,21-5,21; Gal 3,6-22; Phil 3,8.9. Erben. Als angenommene Kinder Gottes aufgrund des Glaubens an Jesus Christus werden Gläubige zu »Erben Gottes und Miterben Christi« (Röm 8,17; vgl. 1Pt 1,3.4).
3,8 Gute Werke sind kein Mittel zur Errettung, sondern deren Früchte. Vgl. Eph 2,10. 3,8 Glaubwürdig ist das Wort. Ein üblicher Ausdruck in der Urge- meinde, der in den Pastoralbriefen fünfmal vorkommt (vgl. 1Tim 1,15; 3,1; 4,9; 2Tim 2,11). nützlich für alle Menschen . D.h. nützlich für die Evangelisation. »Menschen« ist auch hier (vgl. V. 2; 2,11) wiederum im allgemeinen Sinne gemeint und bezieht sich auf diejenigen, die auf das Evangelium reagieren.
3,9 törichten Streitfragen. Paulus warnt noch einmal davor, sich auf sinnlose Diskussionen mit den vielen falschen Lehrern auf Kreta einzulassen (s. 1,10.14-15), insbesondere mit den Judaisten, die dafür kämpften, dass ein Christ »dem (mosaischen) Gesetz« gehorchen müsse. Diese Ansicht untergrub die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnade durch Glauben allein. Außerdem war sie »unnütz und nichtig«, im Gegensatz zu einer heiligen Lebensweise, die gut und nützlich ist. Biblische Evangelisation bedeutet nicht, über Irrtümer zu streiten, sondern die Wahrheit zu verkündigen.
3,10 weise … ab. Jede Person in der Gemeinde, die eigensinnig, sektiererisch und nicht unterwürfi g ist, muss abgewiesen werden. Ein solcher Sektierer muss zweimal vorgewarnt werden, was dem grundsätzlichen Muster für Gemeindezucht entspricht, wie Christus es gelehrt hat (s. Anm. zu Mt 18,15-17; vgl. Röm 16,17.18; 2Th 3,14.15).
3,11 sich selbst verurteilt. Durch sein eigenes ungeistliches Ver- halten bringt ein sektiererischer Gläubiger das Urteil über sich selbst.
3,12 Paulus gibt Titus spezielle Anweisungen. 3,12 Artemas. Von diesem Mann ist nichts Weiteres bekannt, außer dass Paulus ihm offenbar vertraute. Tychikus. Dieser »geliebte Bruder und treue Diener und Mitknecht im Herrn« (Kol 4,7) begleitete Paulus von Korinth nach Kleinasien (Apg 20,4), überbrachte den Brief an die Kolosser (Kol 4,7) und möglicherweise auch diesen Brief nach Ephesus (s. Eph 6,21). Nikopolis. Das bedeutet »Siegesstadt« und war der Name von vielleicht neun verschiedenen Städten, die so benannt worden waren, weil in oder bei ihnen entscheidende Schlachten gewonnen worden waren. Das Nikopolis, von dem Paulus hier spricht, lag wahrscheinlich in Südgriechenland an der Westküste Achajas, was ein günstiger Ort zum »Überwintern« war.
3,13 Zenas. Über diesen Gläubigen ist nichts bekannt, außer dass er bewandert war entweder im biblischen oder im römischen Gesetz. Apollos. Er stammte ursprünglich aus Alexandria und war ein herausragender Bibellehrer. Er bekehrte sich zu Christus, nachdem er zunächst nur die Lehre von Johannes dem Täufer gekannt hatte (Apg 18,24-28). In der Gemeinde von Korinth hatten einige seiner Anhänger eine abgespaltene Gruppe gebildet (1Kor 1,11.12; 3,4).
3,14 gute Werke. Der Nachdruck liegt wiederum auf guten Wer- ken als Ausgangsbasis für ein wirksames Zeugnis (vgl. V. 8; 1,13-16; 2,5.8.10.12.14).
3,15 alle, die bei mir sind. Vgl. 1Kor 16,20; 2Kor 13,12; Phil 4,22; vgl. auch Röm 16,21-23; Kol 4,10-14, wo Paulus die Gläubigen, die bei ihm sind, namentlich erwähnt.
1.2 Nach der Sitte des 1. Jhdts. enthält der Gruß die Namen von Autor und Empfänger des Briefes. Der Philemonbrief ist ein sehr persönlicher Brief und Philemon ist eine von nur drei Personen (neben Timotheus und Titus), die einen von Gott inspirierten Brief von Paulus erhielten. 1 Gefangener Christi Jesu. Zur Abfassungszeit war Paulus Häftling in Rom (s. Einleitungen zum Epheser- und Philipperbrief: Autor und Abfassungszeit). Paulus war um Christi willen und nach dessen souveränem Ratschluss inhaftiert (vgl. Eph 3,1; 4,1; 6,19.20; Phil 1,13; Kol 4,3). Da Paulus nicht mit seiner apostolischen Autorität beginnt, sondern mit seiner Gefangenschaft, verleiht er diesem Brief einen sanften und einzigartigen Ton einer Bitte an seinen Freund. Dieser Hinweis auf die schwere Notsituation des Paulus sollte Philemon zur vergleichsweise leichten Aufgabe bereitwillig machen, um die Paulus ihn in diesem Brief bat. Timotheus. S. Einleitung zu 1. Timotheus: Hintergrund und Umfeld; s. Anm. zu Apg 16,1-3; 1Tim 1,2; Phil 1,1. Er war nicht der Koautor dieses Briefes, sondern hatte Philemon wahrscheinlich in Ephesus kennen gelernt und war bei Paulus, als dieser diesen Brief schrieb. Paulus erwähnt Timotheus hier und in anderen Briefen (z.B. 2Kor 1,1; Phil 1,1; Kol 1,1; 1Th 1,1; 2Th 1,1), weil er wollte, dass er als Führungsperson und als nichtapostolischer Erbe des Paulus anerkannt wird. Philemon. Ein wohlhabender Gläubiger aus der Gemeinde von Kolossä, die sich in seinem Haus versammelte (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Kirchengebäude waren bis zum 3. Jhdt. unbekannt. 2 Aphia, und Archippus. Philemons Frau und Sohn. in deinem Haus. Die Gemeinden des ersten Jahrhunderts versammelten sich in Privathäusern und Paulus wollte, dass dieser persönliche Brief in der Gemeinde vorgelesen wurde, die in Philemons Haus zusammenkam. Dieses Vorlesen sollte Philemon verantwortlich machen und außerdem die Gemeinde über das Thema Vergebung belehren. 3 Gnade sei mit euch. Der Standardgruß in allen 13 Paulusbriefen. Er stellte das Mittel (Gnade) und das Ergebnis (Frieden) der Errettung heraus und verband Gott, den Vater, und Gott, den Sohn, und bestätigte somit die Gottheit Christi. 5 Im gr. Text hat dieser Vers die Form eines so genannten Chiasmus. »Liebe« bezieht sich auf den letzten Ausdruck »gegenüber allen Heiligen«. Diese willentliche, selbstaufopfernde und demütige Liebe (Gal 5,22) war ein Ausdruck von Philemons echtem Glauben »an den Herrn Jesus« (vgl. Röm 5,5; Gal 5,6; 1Joh 3,14). 6 Gemeinschaft. Dieses gr. Wort bedeutet viel mehr als nur die Gesellschaft eines anderen. Es bezeichnet ein gegenseitiges Teilnehmen am ganzen Leben, was Gläubige praktizieren, weil sie in Christus gemeinsames Leben sowie eine gegenseitige Partnerschaft haben bzw. weil sie im Glauben zueinander gehören. wirksam. Wörtl. »kraftvoll«. Paulus wollte, dass Philemon mit seinem Verhalten der Gemeinde eine wirkungsvolle Botschaft mitteilt über die Wichtigkeit von Vergebung. Erkenntnis. Die tiefe, reichhaltige, völlige und erfahrungsmäßige Erkenntnis der Wahrheit (s. Anm. zu Kol 1,9; 3,10). 7 Herzen. Dieses gr. Wort bezeichnet den Sitz der Gefühle des Menschen (s. Anm. zu Kol 3,12, wo dasselbe gr. Wort mit »herzliches Erbarmen« übersetzt ist). erquickt. Dieses Wort stammt von einem gr. Militärbegriff für eine Armee, die sich von einem Marsch ausruht. 8 Freiheit … dir zu gebieten. Aufgrund seiner apostolischen Autorität (s. Anm. zu Röm 1,1; 1Th 2,6), konnte Paulus Philemon befehlen, Onesimus wieder aufzunehmen. 9 vielmehr eine Bitte. Doch Paulus stützte sich in dieser Situation nicht auf seine Autorität, sondern rief zu einer Reaktion auf, die auf dem Band der Liebe zwischen ihm und Philemon basierte (V. 7; vgl. 2Kor 10,1). der alte. Das ist mehr als nur ein Hinweis auf sein Alter an Jahren (er war zu dieser Zeit etwa 60) sondern weist auch auf den Tribut hin, den all die Jahre der Verfolgung, Krankheit, Haft, schwierigen Reisen und die ständige Sorge um die Gemeinden gefordert hatten (s. Anm. zu 2Kor 11,23-30). Daher fühlte er sich und erschien er älter als er tatsächlich war. Gefangener. S. Anm. zu V. 1. 10 mein Kind … Onesimus. S. Einleitung: Hintergrund und Umfeld. Für Paulus war Onesimus ein Sohn im Glauben (s. Anm. zu 1Tim 1,2). in meinen Fesseln gezeugt. Im Gefängnis in Rom hatte Paulus ihn zum Glauben an Christus geführt. 11 unnütz … nützlich. Diese Wörter stammen von derselben gr. Wurzel wie »Onesimus« (»der Nützliche«). Paulus machte hier ein Wortspiel, das im Grunde besagt: »Nützlich war einst unnütz, ist jetzt aber nützlich.« Paulus stellt damit heraus, dass die Gnade Gottes Onesimus radikal umgestaltet hat. 14 freiwillig. Oder »aus deinem persönlichen Willen«. Paulus hätte Onesimus gern bei sich behalten, damit er ihm diene, aber nur dann, wenn Philemon offen und froh zustimmt, ihn freizulassen. 15 vielleicht. Paulus meinte, Gott habe in seiner Vorsehung die Bosheit von Onesimus’ Weglaufen umgekehrt und es schließlich zum Guten gewendet (vgl. 1Mo 50,20; Röm 8,28). 16 mehr als einen Sklaven … geliebten Bruder. Paulus rief Philemon nicht auf, Onesimus freizulassen (vgl. 1Kor 7,20-22), sondern dazu, dass er seinen Sklaven nun als einen Mitgläubigen aufnehme (vgl. Eph 6,9; Kol 4,1; 1Tim 6,2). Der christliche Glaube hat nie versucht, die Sklaverei abzuschaffen, sondern hat sich vielmehr für gerechte und gütige Beziehungen zwischen Sklaven und Herren eingesetzt. im Fleisch. In seinem leiblichen Leben (s. Anm. zu Phil 1,22) bei der täglichen Zusammenarbeit. im Herrn. Bei ihrem gemeinsamen Dienst für Gott sollten der Herr und sein Sklave eine geistliche Einheit und Gemeinschaft erleben. 17-19 Paulus bot an, jede erforderliche Wiedergutmachung für Onesimus zu zahlen, damit dieser mit Philemon versöhnt werde. Damit folgte Paulus dem Beispiel Jesu, der Sünder auf seine Kosten mit Gott versöhnt hat. 19 eigenhändig. S. Anm. zu Gal 6,11; Kol 4,18; vgl. 2Th 3,17. auch dich selbst. Philemon schuldete Paulus etwas weit Größeres als die materielle Schuld, die Paulus zu erstatten anbot, denn Paulus hatte Philemon zum rettenden Glauben geführt. Diese Schuld konnte Philemon niemals zurückzahlen. 20 lass mich von dir Nutzen haben. Oder »Freude«. S. Anm. zu Phil 2,2. Wenn Philemon Onesimus vergibt, würde er dadurch die Einheit der Gemeinde in Kolossä bewahren und dem eingekerkerten Apostel Freude bereiten (vgl. V. 7). 21 noch mehr … als ich dir sage. Das über die Vergebung Hinausgehende, um das Paulus Philemon hier bittet, war entweder: 1.) Onesimus nicht unwirsch, sondern liebevoll zu empfangen (vgl. Lk 15,22-24); 2.) Onesimus zu erlauben, über seine häuslichen Aufgaben hinaus auch geistlich mit Philemon zusammen zu dienen; oder 3.) allen anderen zu vergeben, die Philemon womöglich Unrecht angetan hatten. Was Paulus auch immer meinte, drängte er Philemon nicht unterschwellig dazu, Onesimus die Freiheit zu gewähren (s. Anm. zu V. 16). 22 eine Herberge. Eine Unterkunft, d.h. ein Ort, wo Paulus bleiben konnte, wenn er Kolossä besuchte. euch geschenkt werde. Paulus erwartete, in baldiger Zukunft aus dem Gefängnis entlassen zu werden (vgl. Phil 2,23.24) und anschließend Philemon und die anderen Kolosser wieder besuchen zu können. 23 Epaphras. S. Anm. zu Kol 4,12. 24 Markus, Aristarchus. S. Anm. zu Kol 4,10. Die Geschichte von der einst getrennten, doch nun geheilten Beziehung zwischen Paulus und Markus (Apg 15,38-40; 2Tim 4,11) war den Gläubigen in Kolossä gut bekannt (Kol 4,10). Die Anführung von Markus an dieser Stelle erinnerte Philemon daran, dass Paulus selber in einem schwierigen Fall vergeben hatte und dass er die Anweisungen, die er seinem Freund gab, selbst bereits in seiner Beziehung zu Johannes Markus praktiziert hatte. Demas, Lukas. S. Anm. zu Kol 4,14.
1,1 in vergangenen Zeiten vielfältig. Das bedeutet »in vielen Ab- schnitten« (wie bei Büchern). Das AT wurde geschrieben in 39 verschiedenen Büchern im Laufe von etwa 1.800 Jahren (von Hiob, der ungefähr 2.200 v.Chr. [?] lebte, bis Nehemia, ca. 400 v.Chr.) und unter verschiedenen historischen Zeiten, Schauplätzen, Kulturen und Situationen. auf vielerlei Weise. Dazu gehören Vision, Symbole und Gleichnisse, die sowohl in Poesie als auch in Prosa verfasst wurden. Wenngleich die literarische Form und der Stil variierten, war es doch stets Gottes Offenbarung dessen, was er seinem Volk mitteilen wollte. Die fortschreitende Offenbarung des ATs beschrieb Gottes systematischen Heilsplan (1Pt 1,10-12) und seinen Willen für sein Volk (Röm 15,4; 2Tim 3,16.17).
1,2 letzten Tagen. Für die Juden bedeuten die »letzten Tage« die Zeit, wenn der Messias (Christus) kommt (vgl. 4Mo 24,14; Jer 33,14-16; Mi 4,14; 5,1; Sach 9,9.16). Die Erfüllung der messianischen Prophezeiungen begann mit der Ankunft des Messias. Seitdem er gekommen ist, befi nden wir uns in den »letzten Tagen« (vgl. 1Kor 10,11; Jak 5,3; 1Pt 1,20; 4,7; 1Joh 2,18). Früher offenbarte Gott sich durch seine Propheten, doch jetzt, seit der Ankunft des Messias, hat Gott seine Heilsbotschaft durch seinen Sohn verkündet. Erben. Alles, was existiert, wird letztlich unter die Herrschaft des Sohnes Gottes, des Messias, gestellt werden (vgl. Ps 2,8.9; 89,28; Röm 11,36; Kol 1,16). Dies »Erbe« ist das volle Ausmaß der Autorität, die der Vater dem Sohn als seinem »Erstgeborenen« (s. Anm. zu V. 6) verliehen hat (vgl. Dan 7,13.14; Mt 28,18). Welten. Oder »Zeitalter«. Das bezieht sich auf Zeit, Raum, Energie und Materie – das ganze Universum mit allem, was es in Gang hält (vgl. Joh 1,3).
1,3 Ausstrahlung. Der Ausdruck kommt nur hier im NT vor und bezeichnet das Aussenden von Licht oder Strahlen (vgl. Joh 8,12; 2Kor 4,4.6). Hier geht es nicht um ein »Refl ektieren«. Der Sohn Gottes refl ektiert nicht nur die Herrlichkeit Gottes, sondern er selbst ist Gott und strahlt seine eigene Herrlichkeit aus. Ausdruck seines Wesens. Das Wort für »Ausdruck« kommt nur hier im NT vor. In der außerbiblischen Literatur bezeichnete es Gravuren in Holz, Ritzungen oder Stiche in Metall, Brandzeichen auf Tierfellen, Einkerbungen in Ton oder geprägte Bilder auf Münzen. »Wesen« ist ein Wort, das die Natur, das Sein oder den Charakter einer Sache oder Person ausdrückt. Der Sohn ist der vollkommene Abdruck, die exakte Repräsentation des Wesens und des Charakters Gottes in Zeit und Raum (vgl. Joh 14,9; Kol 1,15; 2,9). trägt. Das Universum und alles, was es enthält, wird ständig durch das vollmächtige wirksame Wort des Sohnes Gottes aufrecht erhalten (Kol 1,17). Der Ausdruck vermittelt außerdem den Gedanken an eine Bewegung oder einen Prozess: Der Sohn Gottes lenkt alles hin auf die Vollendung aller Dinge gemäß dem souveränen Ratschluss Gottes. Er, der alle Dinge ins Dasein rief, trägt auch seine Schöpfung und vollführt seine Ratschlüsse durch sein Wort. Reinigung von unseren Sünden. Durch sein eigenes stellvertretendes Opfer am Kreuz (vgl. Tit 2,14; Offb 1,5). zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt. Zur »Rechten (Hand)« ist der Platz der Macht, Autorität und Ehre (vgl. V. 13; Röm 8,34; 1Pt 3,22). Außerdem ist das die Position der Unterordnung, was impliziert, dass der Sohn unter der Autorität des Vaters steht (vgl. 1Kor 15,27.28). Der Platz, den Christus eingenommen hat, ist der Thron Gottes (8,1; 10,12; 12,2), wo er als souveräner Herr regiert. Dieses Bild beschreibt keinen besiegten Märtyrer, sondern einen siegreichen Retter. Die Hauptbedeutung dieses Ausdrucks ist zwar die Inthronisation Christi, doch sein Sitzen drückt darüber hinaus auch die Vollendung seines Erlösungswerks aus.
1,4 geworden. Das hier verwendete gr. Verb beschreibt keine Ver- änderung der Existenz, sondern eine Veränderung des Zustands. In seinem göttlichen Wesen hat der Sohn Gottes von Ewigkeit her existiert, doch für eine Zeit lang war er niedriger als die Engel geworden (2,9) und wurde aufgrund dessen, was er in seinem Erlösungswerk vollbracht hatte (s. Anm. zu Phil 2,9-11), schließlich auf eine unendlich höhere Position erhoben. Engel. Diese Wesen hat Gott erschaffen, damit sie ihm dienen und seine Befehle ausführen. Die Juden schätzten die Engel sehr als die nach Gott höchsten Wesen. Die jüdische Sekte in Qumran lehrte, dass der Erzengel Michael die Autorität des Messias streitig mache oder sogar übertraf. Der Schreiber des Hebräerbriefs verwirft eindeutig jegliche derartige Vorstellung. Der Sohn Gottes ist über alle Engel erhaben. erhabener … als der Name. Dieser erhabenere Name ist »Herr« (s. Anm. zu Phil 2,9-11). Kein Engel ist der souveräne Herr (V. 6.13.14).
1,5 Mit Zitaten aus Ps 2,7 und 2Sam 7,14 erklärt der Schreiber die einzigartige Beziehung des Sohnes zum Vater. Kein Engel hat jemals eine solche Beziehung erlebt.
1,6 Erstgeborenen. S. Anm. zu Röm 8,29; Kol 1,15, wo sich dieser Ausdruck nicht auf eine zeitliche Reihenfolge bezieht, sondern auf eine vorrangige Position oder auf den Titel. Christus war nicht der erste, der auf der Erde geboren wurde, sondern besitzt die höchste Position der Souveränität. Als »Erstgeborener« ist er auch für den Dienst Gottes ausgesondert und hat in seiner Vorrangstellung auch das Anrecht auf das Erbe (vgl. V. 2; 1Mo 43,33; 2Mo 13,2; 22,29; 5Mo 21,17; Ps 89,28). wiederum. Dieses Adverb kann verknüpft werden mit »einführt« – dann bezieht es sich auf die Wiederkunft Christi – oder mit »spricht« – dann weist es auf ein weiteres Zitat aus dem AT hin (»und wenn er den Erstgeborenen in die Welt einführt, spricht er wiederum«; vgl. V. 5; 2,13). Die Schlachterbibel hat die erstere Alternative gewählt. alle Engel Gottes sollen. Ein Zitat von 5Mo 32,43 aus der LXX (vgl. Ps 97,7). Da den Engeln befohlen ist, den Messias anzubeten, muss der Messias ihnen überlegen sein. fünf der sieben in diesem ersten Kapitel zitierten ATAbschnitte stehen im Zusammenhang mit dem davidischen Bund, der die Begriffe von Sohnschaft, Königtum und Königreich betont. 5Mo 32,43 steht zwar nicht im Zusammenhang des Davidbundes, ist aber mit der Lehre von Ps 89,7 verknüpft (ein Psalm über den Davidbund), wo erklärt wird, dass selbst die himmlischen Wesen die Herrschaft Gottes anerkennen müssen. In der Einleitung zum Zitat aus 5. Mose wird »der Erstgeborene« erwähnt und in Ps 89,28 wird er ebenfalls genannt.
1,7 Von den Engeln. Der Schreiber fährt fort, aus der Bibel zu be- weisen, dass die Engel dem Sohn Gottes untergeordnet sind und zitiert dazu Ps 104,4. Das ist das einzige der sieben atl. Zitate in Kap. 1, das sich überhaupt nicht auf den Davidbund bezieht. Das Zitat defi niert lediglich das Wesen und den Zweck der Engel.
1,8 aber von dem Sohn. Der Schreiber zitiert Aussagen über den Sohn Gottes aus Ps 45,7.8 und belegt damit die Gottheit und Herrschaft des Sohnes über die Schöpfung (vgl. V. 3). Dass hier der Vater selbst mit seinen eigenen Worten die Gottheit des Sohnes Gottes erklärt, macht den Text umso bedeutsamer (vgl. Jes 9,5; Jer 23,5.6; Joh 5,18; Tit 2,13; 1Joh 5,20). Der Schreiber des Hebräerbriefs dachte offenbar an drei messianische Ämter: Prophet (V. 1), Priester (V. 3) und König (V. 3.8). Die Einsetzung in diese drei Ämter erforderte eine Salbung (V. 9). Der Titel Messias (Christus) bedeutet »Gesalbter« (vgl. Jes 61,1-3; Lk 4,16-21).
1,9 Gefährten. Dieser Ausdruck kommt nur im Hebräerbrief vor (3,1.14; 6,4; 12,8) und in Lk 5,7. Hier kann er sich auf die Engel beziehen oder auf andere Menschen, die ebenfalls für diese Ämter gesalbt wurden: Die Propheten, Priester und Könige des ATs. Wenn das »Freudenöl« dasselbe ist wie das Freudenöl in Jes 61,3, bezieht sich dieser Vers eindeutig auf diejenigen, die in Zion gemurrt hatten, die aber eines Tages mit einem Ruhmesgewand bekleidet und »Eichen der Gerechtigkeit« genannt werden, d.h. nicht auf Engel, sondern auf Menschen. So edel solche Menschen auch sein mögen, ist Christus ihnen jedenfalls weit überlegen.
1,10 Ein Zitat aus Ps 102,26-28. Der Sohn, der das Universum erschaffen hat (Joh 1,1-3), wird eines Tages die Himmel und die Erde vernichten (s. Anm. zu 2Pt 3,10-12; Offb 6,14), er selbst jedoch verändert sich nicht. Unveränderlichkeit ist eine weitere Eigenschaft Gottes. Wiederum bezeugt das AT die Gottheit des Sohnes Gottes.
1,13 Der Schreiber betont nochmals die Herrschaft des Sohnes Gottes durch ein Zitat aus Ps 110,1. Christus ist zur Herrschaft bestimmt (vgl. V. 3; Mt 22,44; Apg 2,35), aber die Engel sind dazu bestimmt, den Erlösten zu dienen (s. Anm. zu 1Kor 6,3). Das ist das siebte und letzte der Zitate aus dem AT, mit denen der Schreiber nachweist, dass der Sohn Gottes, Herr und Messias erhabener ist als die Engel. 1,13 deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße. Dieses Zitat aus Ps 110,1 fi ndet sich im NT in 10,13; Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,43; Apg 2,35 und beschreibt Christi über alles erhabene Souveränität (vgl. Phil 2,10).
1,14 S. Anm. zu Mt 18,10.
2,1 Um überzeugend darzulegen, wie wichtig die Erhabenheit des Sohnes Gottes über die Engel ist, nötigt der Schreiber seine Leser zu reagieren. »Wir« schließt alle Hebräer mit ein. Einige von ihnen hatten intellektuell der Lehre zugestimmt, dass der Messias über die Engel erhaben ist, hatten sich ihm aber noch nicht als ihrem Gott und Herrn hingegeben. So wie er es verdient, von den Engeln angebetet zu werden, so verdient er auch die Anbetung der Hebräer. 2,1 achten … nicht etwa abgleiten. Beide Ausdrücke haben ei- nen nautischen Beiklang. Der erste Begriff beschreibt das Vertäuen und Festzurren eines Schiffes an die Anlegestelle. Der zweite Ausdruck wurde für ein Schiff verwendet, dass an der Hafeneinfahrt vorbei segelte. Die Warnung besagt, man soll sichergehen, die Wahrheit des Evangeliums zu ergreifen, und aufpassen, dass man nicht den einzigen Hafen der Errettung verpasst. Dieser äußerst ernsten Sache des christlichen Glaubens muss man höchste Aufmerksamkeit widmen. Die Leser neigten zu Gleichgültigkeit und standen deshalb in der Gefahr, ihr Leben in den Schiffbruch zu steuern (vgl. 6,19; s. Anm. zu 1Tim 1,18).
2,2 wenn. Der gr. Ausdruck nimmt den Zustand als gegeben an und bedeutet hier »angesichts der Tatsache, dass …« Engel. Engel wirkten bei der Gesetzgebung Gottes an sein Volk am Berg Sinai mit (vgl. 5Mo 33,1.2; Ps 68,18; Apg 7,38.53; Gal 3,19). Übertretung und … Ungehorsam. Ersteres bedeutet, eine Grenze zu übertreten und eine offenkundige Tatsünde zu begehen. »Ungehorsam« bedeutet, seine Ohren vor Gottes Geboten zu verschließen und damit eine Unterlassungssünde zu begehen. Beides geschieht willentlich, ist schwerwiegend und verdient das gerechte Gericht.
2,3 wie wollen wir entfl iehen. Wenn Ungehorsam gegenüber dem älteren Bund des Gesetzes schweres Gericht auf sich zog, wie viel schwerer wird das Gericht über Ungehorsam gegen den Neuen Bund des Heils sein, den der Sohn Gottes vermittelt hat, der den Engeln überlegen ist (vgl. Mt 10,14.15; 11,20-24)! Der Bote und die Botschaft des Neuen Bundes sind größer als die Boten und die Botschaft des älteren Bundes. Je größer das Privileg ist, desto größer ist die Strafe für Ungehorsam oder Missachtung (10,29; vgl. Lk 12,47). von denen, die ihn gehört haben. Dieser Ausdruck offenbart die Aufeinanderfolge der Evangelisation. Diese Generation von Hebräern hätte das Evangelium nicht gehört, wenn die vorige Generation von Augenzeugen die Botschaft nicht weitergegeben hätte (vgl. 1Tim 2,5-7).
2,4 Zeichen und Wundern und mancherlei Kraftwirkungen und Austeilungen. Durch die übernatürliche Vollmacht Jesu und seiner Apostel bestätigte Gott, der Vater, das Evangelium Jesu Christi, seines Sohnes (vgl. Joh 10,38; Apg 2,22; Röm 15,19; 1Kor 14,22; s. Anm. zu 2Kor 12,12). Die Wunder hatten den Zweck, die Botschaft zu autorisieren. des Heiligen Geistes. Die erste Erwähnung des Heiligen Geistes in diesem Brief bezieht sich auf seinen Dienst, die Heilsbotschaft durch übernatürliche Gaben zu bestätigen. Weitere Erwähnungen des Heiligen Geistes im Hebräerbrief beziehen sich auf seine Offenbarung der Schrift (3,7; 10,15), sein Lehren (9,8), seine Wirkungen im Vorfeld der Errettung (6,4, vielleicht sein überführendes Wirken; 10,29, allgemeine Gnade) und seinen Dienst für Christus (9,14).
2,5 Welt. Die bewohnte Erde. Hier bezieht sich dieser Begriff auf das Tausendjährige Reich (vgl. Sach 14,9; Offb 20,1-5). Im messianischen Reich werden nicht die Engel herrschen. 2,6-8 Ein Zitat aus Ps 8,5-7 (vgl. 1Kor 15,27.28; Eph 1,22).
2,6 an einer Stelle. Das bedeutet nicht, der Schreiber habe nicht gewusst, wo das folgende Zitat zu fi nden ist. Ort und Stelle des Zitats sind nicht so wichtig wie seine göttliche Autorschaft. Vielleicht ist es hier bedeutsam, dass auch der Autor des Hebräerbriefes selbst nicht identifi ziert wird. Womöglich wollte der Schreiber seinen Lesern klar machen, dass der Heilige Geist der eigentliche Autor aller biblischer Schriften ist (vgl. 2Tim 3,16; 2Pt 1,21). Mensch … Sohn des Menschen. Beides bezieht sich nicht auf Christus, sondern auf die Menschheit. Diese Schriftstelle fragt, warum Gott sich überhaupt mit dem Menschen abgibt. Wie die folgenden Verse zeigen (V. 9.10), ist die Fleischwerdung Christi der große Beweis der Liebe Gottes und seiner Fürsorge für die Menschheit. Christus wurde nicht als Engel gesandt, sondern in Gestalt eines Menschen.
2,7 Engel. Den Engeln wurden vom Schöpfer übernatürliche Kräfte verliehen. Sie haben dauerhaft Zugang zum Thron Gottes (vgl. Hi 1,6; 2,1; Offb 5,11) und sind nicht dem Tod unterworfen.
2,8 unterworfen. Obgleich die Engel dem Menschen überlegen sind, hat Gott die Verwaltung der Erde in die Hände der Menschheit gestellt (1Mo 1,26-28). Durch den Sündenfall (1Mo 3) wurde der Mensch jedoch unfähig, diese von Gott zugeteilte Stellung auszufüllen.
2,9 Herrlichkeit und Ehre. Weil Jesus »gehorsam war bis zum Tod … hat Gott ihn auch erhöht« (Phil 2,8.9). Christus hat durch sein Erlösungswerk alles erfüllt, was für ihn als höchster Repräsentant der Menschheit erforderlich war. Durch seine Fleischwerdung, sein stellvertretendes Opfer und seinen Sieg über Sünde und Tod (vgl. Röm 6,23; 1Joh 4,10), hat er die ursprüngliche Bestimmung des Menschen erfüllt. Als zweiter Adam (1Kor 15,47) war er für eine kurze Zeit niedriger als die Engel. Nun hat er Herrlichkeit und Ehre, und alles (einschließlich der Engel) ist ihm unterworfen. für alle den Tod schmecken. D.h. für alle, die glauben. Der Tod Christi kann nur auf diejenigen wirkungsvoll angewendet werden, die in Buße und Glauben zu Gott kommen und um rettende Gnade und Sündenvergebung bitten. S. Anm. zu 2Kor 5,21; 1Tim 2,6; 4,10; Tit 2,11.
2,10 angemessen. Was Gott durch die Erniedrigung Jesu Chris- ti tat, stand in völligem Einklang mit seiner souveränen Gerechtigkeit und Heiligkeit. Ohne Christi Erniedrigung und Leiden könnte es keine Erlösung geben. Ohne Erlösung gäbe es keine Verherrlichung (vgl. Röm 8,18.29.30). Urheber. Der Begriff kommt auch in 12,2 und Apg 5,31 vor und kann auch übersetzt werden mit »Pionier«, »Anführer« oder »Vorreiter«. Christus ist die Quelle (vgl. »Urheber« in 5,9, mit der Bedeutung »Ursache«), der Initiator und der Anführer der Errettung. Als unser Vorläufer hat er den Weg in den Himmel gebahnt (6,20). vollenden. In seiner göttlichen Natur war Christus bereits vollkommen. Seine menschliche Natur wurde jedoch durch Gehorsam vollendet, wozu auch Leiden gehörten, damit er ein verständnisvoller Hoherpriester und ein Vorbild für die Gläubigen wird (vgl. 5,8.9; 7,25-28; Phil 2,8; 1Pt 2,21) und ein Exempel statuiert für die vollkommene Gerechtigkeit (Mt 3,15), die den Gläubigen zugerechnet wird (2Kor 5,21; Phil 3,8.19).
2,11 heiligt. Heiligung sondert einen Gläubigen ab zum Dienst. Da- bei wird er von Sünde gereinigt und zur Heiligkeit Gottes umgestaltet (vgl. 10,10).
2,12 meinen Brüdern. Ein Zitat aus Ps 22,23. Jesus hatte gelehrt, dass seine Brüder und seine Mutter diejenigen sind, die seinem Wort gehorchen und somit den Willen Gottes, des Vaters, tun (Mt 12,50; Lk 8,21). Vor seiner Auferstehung hat er seine Jünger nie direkt mit dem Titel »Brüder« bezeichnet (Mt 28,10; Joh 20,17). Erst als er den Preis für ihre Erlösung bezahlt hatte, wurden sie wahrhaft seine geistlichen Brüder und Schwestern. Die Verwendung des Ausdrucks zeigt, dass er sich völlig mit den Menschen identifi zierte, um ihnen eine vollständige Erlösung zu geben (Phil 2,7-9). 2,13 Das Zitat aus Jes 8,17.18 (vgl. 2Sam 22,3) betont die Aussage von V. 9-11: Christus hat sich durch seine Menschwerdung völlig mit den Menschen identifi ziert. Seine menschliche Natur hat er als real erwiesen, indem er während seines irdischen Wandels auf Gott vertraute.
2,14 Anteil … teilhaftig. Das gr. Wort für »Anteil« bedeutet Ge- meinschaft oder Partnerschaft. »Teilhaftig« bedeutet etwas zu ergreifen, was einem von Natur aus nicht zu Eigen ist. Der Sohn Gottes war von Natur her nicht »Fleisch und Blut«, aber er nahm diese Natur an, um den Menschen die Erlösung bringen zu können. Tod … Macht des Todes. Das ist der höchste Zweck der Fleischwerdung: Jesus kam zur Erde, um zu sterben. Durch sein Sterben war er imstande, den Tod in seiner Auferstehung zu besiegen (Joh 14,19). Mit dem Sieg über den Tod machte er den Teufel machtlos gegenüber allen Erretteten. Satan ist in seinem Gebrauch der Macht des Todes dem Willen Gottes unterworfen (vgl. Hi 2,6).
2,15 Todesfurcht. Für die Gläubigen ist »der Tod verschlungen in Sieg« (1Kor 15,54). Daher hat das Werk Christi der Todesfurcht und der geistlichen Versklavung des Todes ein Ende bereitet.
2,16 nimmt sich … an. Wörtl. bedeutet das »erfassen«. Die Be- deutung von »sich eines anderen annehmen« entstammt dem Bild, sich jemandem zu widmen, um ihn in Sicherheit zu bringen und zu retten. Der Gedanke, dass der Messias bei seinem Kommen in die Welt die Engel retten würde, war dem Judentum jedoch völlig fremd. Im Vergleich mit all dem, was bisher über die Erhabenheit Christi über die Engel gesagt wurde, vermittelt diese Übersetzung nur einen schwachen Kontrast. Im Kontext geht es um die Identifi kation Christi mit der Menschheit in seiner Fleischwerdung – er selbst nahm Menschennatur an (V. 9-14.17). Wenn der Schreiber des Hebräerbriefs »annehmen« im Sinne von »helfen« gemeint hätte, würde er ein anderes gr. Wort wählen (wie z.B. in V. 18 oder in 4,16). Eine bessere Übersetzung ist daher: »nahm er die Natur von … an«. Samens Abrahams. Christus ist dieser verheißene Nachkomme (s. Anm. zu Gal 3,16). Als Hebräer haben sich die Leser sicherlich mit dieser Beschreibung identifi ziert. Der Messias wurde als Nachkomme Abrahams geboren und erfüllte somit die atl. Prophezeiungen (Mt 1,1). Ein Hauptzweck der Fleischwerdung war die Errettung Israels (Mt 1,21). Doch ein weiterer Zweck war die Erfüllung des Abrahambundes in Bezug auf den verheißenen Samen. Von allen Völkern sollten die Hebräer die ersten sein, die die Bedeutung und Wichtigkeit der Fleischwerdung erkannten.
2,17 sühnen. Das Wort bedeutet »versöhnen« oder »zufrieden stel- len«. S. Anm. zu Röm 3,25. Christi Sühnewerk ist mit seinem Dienst als Hoherpriester verbunden. Durch sein Annehmen einer Menschennatur erwies Christus seine Barmherzigkeit gegenüber der Menschheit und seine Treue gegenüber Gott, indem er Gottes Forderungen für die Sünde erfüllte und somit seinem Volk die volle Vergebung erwarb. Vgl. 1Joh 2,2; 4,10.
2,18 versucht. Dass Christi Menschennatur echt war, wird daran deutlich, dass er Versuchungen erlitt. Aufgrund seiner Versuchungen ist Jesus völlig imstande, seine menschlichen Brüder zu verstehen und mit ihnen mitzufühlen (vgl. 4,15). Er spürte die volle Gewalt der Versuchung. Wir geben zwar häufi g der Versuchung nach, bevor wir ihre volle Kraft zu spüren bekommen, doch Jesus hat der Versuchung auch dann widerstanden, wenn die Verlockung am größten war (vgl. Lk 4,1-13). kann er denen helfen, die versucht werden. S. Anm. zu 4,15.16; 1Kor 10,13.
3,1 Dieser Abschnitt präsentiert die Erhabenheit Jesu über den geehrten Mose. Der Herr hatte mit Mose »von Angesicht zu Angesicht« gesprochen, »wie ein Mann mit seinem Freund spricht« (2Mo 33,11) und hatte ihm das Gesetz gegeben (Neh 9,13.14). Die Gebote und Rituale des Gesetzes hatten bei den Juden höchste Priorität und für sie waren Mose und das Gesetz Synonyme. Das AT wie auch das NT bezeichnen die Gebote Gottes als »das Gesetz Moses« (Jos 8,31; 1Kö 2,3; Lk 2,22; Apg 13,39). Doch so groß Mose auch war, ist Jesus noch unendlich größer. 3,1 heiligen Brüder. Der Ausdruck kommt nur hier und in 1Th 5,27 vor, wo einige Manuskripte das Wort »heilig« auslassen. Der Schreiber richtet sich an Gläubige mit einer »himmlischen Berufung« (vgl. Phil 3,14). An anderer Stelle wird über sie gesagt, dass sie sich nach einem »himmlischen Vaterland« sehnen (11,16) und dass sie zum »himmlischen Jerusalem« gekommen sind (12,22). Sie sind »heilig« in dem Sinne, dass sie für Gott ausgesondert sind und mit der Himmelswelt identifi ziert werden – sie sind eher Himmelsbürger als Erdenbürger. Berufung. Wie stets im NT bezieht sich dieser Ausdruck auf die wirksame Berufung zum Heil in Christus (vgl. Röm 8,30; 1Kor 7,21). betrachtet. Der Schreiber bittet seine Leser, mit ungeteilter Aufmerksamkeit und eifriger Beobachtung auf die Erhabenheit Jesu Christi zu blicken. Apostel und Hohenpriester. Ein Apostel ist ein »Gesandter«, der das Recht, die Vollmacht und die Autorität dessen besitzt, der ihn ausgesandt hat. Jesus war vom Vater zur Erde gesandt (vgl. Joh 3,17.34; 5,36-38; 8,42). Das Thema des Hohenpriestertums Christi, das bereits in 2,17.18 angeschnitten wurde und hier wiederum Erwähnung fi ndet, wird in 4,14-10.18 ausführlich behandelt. Bis dahin präsentiert der Schreiber die Erhabenheit Christi über Mose (V. 1-6), Josua (4,8) und alle anderen jüdischen Volkshelden und Gottesmänner des ATs, die bei den Juden in hohen Ehren standen. Jesus selbst sprach von seiner Erhabenheit über Mose im selben Zusammenhang mit seinem Sendungsauftrag vom Vater (Joh 5,36-38.4547; vgl. Lk 16,29-31). Mose war von Gott gesandt, um sein Volk aus Ägypten und dessen Sklaverei zu befreien (2Mo 3,10). Jesus war von Gott gesandt, um sein Volk aus dem geistlichen Ägypten und dessen Versklavung zu befreien (2,15). unseres Bekenntnisses. Christus ist der Mittelpunkt unseres Bekenntnisses des Glaubens an das Evangelium. Das betrifft das formale Glaubensbekenntnis sowie unser Zeugnis in der Öffentlichkeit. Der Begriff kommt nochmals vor in 4,14 und 10,23 (vgl. 2Kor 9,13; 1Tim 6,12). In allen drei Vorkommen im Hebräerbrief vermittelt er einen Sinn von Dringlichkeit. Wenn die Leser verständen, wie erhaben Christus in seiner Person und seinem Werk ist, würden sie ihn, zu dem sie sich bekannt hatten, sicherlich nicht aufgeben und sein Werk für sie nicht verwerfen.
3,2 Haus. Dieser Begriff spricht eher von einer Familie als von einem Gebäude (vgl. V. 6; 1Tim 3,15). Die Verwalter eines Hauses mussten vor allen Dingen treu sein (1Kor 4,2). Sowohl Mose (4Mo 12,7) als auch Christus (2,17) haben ihre jeweiligen Aufgaben am Volk Gottes treu erfüllt.
3,3 welcher ein Haus gebaut hat. Moses war nur ein Angehö- riger der Glaubensfamilie Gottes, wohingegen Jesus der Urheber dieses Hauses ist (vgl. 2Sam 7,13; Sach 6,12.13; Eph 2,19-22; 1Pt 2,4.5) und deshalb größer als Mose und Gott gleich ist.
3,5 Diener … Sohn. Das Wort für »Diener« spricht nicht von Sklaverei, sondern von einer Position der Würde und Freiheit (vgl. 2Mo 14,31; Jos 1,2). Doch selbst Mose, der hochrangigste Diener, konnte nie die Position eines Sohnes erreichen, die allein Christus zusteht (vgl. Joh 8,35). 3,5 verkündet. Mose war vor allem treu als Zeugnis für das, was in Christus kommen sollte (vgl. 11,24-27; s. Anm. zu Joh 5,46).
3,6 sein Haus sind wir. S. Anm. zu V. 2; Eph 2,22; 1Tim 3,15; 1Pt 2,5; 4,17. wenn wir … festhalten. Vgl. V. 14. Hier geht es nicht darum, wie man gerettet wird oder ob man errettet bleibt (vgl. 1Kor 15,2). Der Ausdruck besagt vielmehr, dass treue Beharrlichkeit ein Erweis echten Glaubens ist. Wer zu den Ritualen des levitischen Systems zurückkehrt und damit etwas zu seiner Errettung beitragen will, beweist, dass er niemals wirklich zu Gottes Familie gehört hat (s. Anm. zu 1Joh 2,19), wohingegen derjenige, der in Christus bleibt, damit den Nachweis erbringt für seine echte Zugehörigkeit zu dieser Familie (vgl. Mt 10,22; Lk 8,15; Joh 8,31; 15,4-6). Die Verheißung Gottes wird gewährleisten, dass dieses Festhalten tatsächlich geschieht (1Th 5,24; Jud 24,25). S. Anm. zu Mt 24,13. Hoffnung. S. die weiteren Beschreibungen dieser Hoffnung in 6,18.19. Diese Hoffnung beruht auf Christus selbst, der mit seinem Erlösungswerk unsere Errettung vollbracht hat (Röm 5,1.2; s. Anm. zu 1Pt 1,3).
3,7 Der Schreiber zitiert Ps 95,7-11 als Aussage des eigentlichen Autors, des Heiligen Geistes (vgl. 4,7; 9,8; 10,15). Dieser Abschnitt beschreibt die Wüstenwanderung Israels nach ihrer Befreiung aus Ägypten. Trotz Gottes Wunderwirken und seiner barmherzigen, fürsorglichen Treue ihnen gegenüber gab sich das Volk ihm dennoch nicht im Glauben hin (vgl. 2Mo 17; 4Mo 14,22.23; Ps 78,40-53). Der Schreiber des Hebräerbriefs erklärt diesen Abschnitt des AT in drei Punkten: 1.) Vorsicht vor Unglauben (V. 12-19); 2.) Furcht vor Zurückbleiben (4,1-10) und 3.) Fleiß, um hineinzugelangen (4,11-13). Die Themen der Auslegung umfassen Dringlichkeit, Gehorsam (einschließlich Glauben), Beharrlichkeit und Ruhe. 3,7 Heute. Das bezieht sich auf den gegenwärtigen Augenblick, wo die Worte Gottes frisch im Gedächtnis sind. Es ist eine dringliche Aufforderung an die Hörer, unverzüglich auf die Stimme Gottes zu achten. Diese Dringlichkeit wird durch die dreimalige Wiederholung des »Heute« aus Ps 95,7 (V. 13.15; 4,7) zusätzlich betont und ist das Thema der Erklärung des AT-Abschnitts (vgl. 2Kor 6,2).
3,11 meine Ruhe. Die irdische Ruhe, die Gott verheißen hatte, war das Leben im Land Kanaan, welches Israel als Erbe empfangen sollte (5Mo 12,9.10; Jos 21,44; 1Kö 8,56). Aufgrund ihrer Rebellion gegen Gott wurde einer ganzen Generation der Eingang in diese Ruhe im Gelobten Land versagt (vgl. 5Mo 28,65; Kla 1,3). Dies Bild wird angewendet auf die geistliche Ruhe des Einzelnen im Herrn, die auch schon im AT vorkommt (vgl. Ps 116,7; Jes 28,12). Bei der Errettung gelangt jeder Gläubige in die wahre Ruhe, das geistliche Land der Verheißung, und wird sich nie wieder abmühen, um durch eigenen Leistung eine Gerechtigkeit zu erlangen, die Gott gefällt. Gott wollte dieser aus Ägypten befreiten Generation beide Arten von Ruhe geben.
3,12 Brüder. Diese Ermahnung gilt denen, die dieselben potentiel- len Charaktereigenschaften haben wie die Generation, die in der Wüste umkam, ohne jemals das verheißene Land gesehen zu haben. Sie waren ungläubige jüdische Brüder in Gemeinschaft der »heiligen Brüder« (V. 1). Sie wurden ermahnt, zu glauben und sich retten zu lassen, bevor es zu spät ist. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. ein böses, ungläubiges Herz. Alle Menschen werden mit einem solchen Herzen geboren (Jer 17,9). Bei diesen Hebräern zeigte sich diese Bösartigkeit im Unglauben gegen das Evangelium, woraufhin sie sich von Gott weg bewegt hatten.
3,13 Ermahnt einander jeden Tag. Diese Ermahnung zielt sowohl auf individuelle als auch kollektive Verantwortlichkeit ab. Solange sie sich in diesen notvollen Zeiten befanden und versucht waren, zum nutzlosen levitischen System zurückzukehren, sollten sie einander ermutigen, sich völlig mit Jesus Christus zu identifi zieren. verstockt. Wiederholte Verwerfung des Evangeliums führt zu einer fortschreitenden Verhärtung des Herzens und Willens und wird schließlich in offener Feindschaft gegenüber dem Evangelium enden. Vgl. 6,4-6; 10,26-29; Apg 19,9. Betrug. Sünde lügt und betrügt und benutzt dazu jeden möglichen Trick und jede List (vgl. Röm 7,11; 2Th 2,10; Jak 1,14-16). Die Hebräer täuschten sich selbst und redeten sich ein, Jesus Christus abzulehnen bedeute, dem alten System treu zu sein. Mit ihrer Bereitwilligkeit, am levitischen System festzuhalten, verwarfen sie in Wirklichkeit das lebendige Wort (4,12) des »lebendigen Gottes« (V. 12), der durch Christus einen »neuen und lebendigen Weg« eröffnet hat (10,20). Die Entscheidung für den Weg des Unglaubens führt stets nur zum Tod (V. 17; 10,26-29; vgl. 2,14.15; Jud 5).
3,14 Die Ermahnung gleicht der in V. 6 und wiederholt das Thema Beharrlichkeit. 3,15-19 Das Zitat aus Ps 95,7.8 wird wiederholt (vgl. V. 7). Auf das erste Zitat folgt eine Auslegung, die das »Heute« und die in diesem Wort enthaltene Dringlichkeit betont. Auf dieses zweite Zitat folgt eine Auslegung, die das Wort »Aufl ehnung« hervorhebt (V. 15.16) und das Thema Gehorsam mithilfe dessen Gegenteil präsentiert. Mit vier verschiedenen Begriffen macht der Schreiber deutlich, was er über Aufl ehnung zu sagen hat: »lehnten sich auf« (V. 16), »sündigten« (V. 17), »weigerten sich zu glauben« (V. 18) und »Unglauben« (V. 19). Der Schreiber fasst dieses erste Drittel (s. Anm. zu V. 7-11) seiner Auslegung von Ps 95,7-11 in der offenkundigen Schlussfolgerung zusammen, dass die Israeliten, die in der Wüste starben, ihrem eigenen Unglauben zum Opfer fi elen (V. 19).
4,1 Der zweite Teil der Auslegung von Ps 95,7-11 geht über die Beschreibung des Unglaubens und seiner furchtbaren Konsequenzen hinaus (3,12-19) und defi niert das Wesen der »Ruhe«, welche die Ungehorsamen verwirkt hatten. Im ersten Abschnitt ging es hauptsächlich um Ps 95,7.8; im zweiten vorwiegend um Ps 95,11. 4,1 Verheißung. Dies wichtige Wort kommt hier zum ersten Mal im Hebräerbrief vor. Der Inhalt dieser Verheißung wird defi niert als »Eingang in seine Ruhe«. seine Ruhe. S. Anm. zu 3,11. Das ist die Ruhe, die Gott gibt, und die deshalb »meine Ruhe« (Ps 95,11) und »seine Ruhe« genannt wird. Für Gläubige beinhaltet Gottes Ruhe Frieden mit Gott, Heilsgewissheit, Vertrauen auf Gottes Kraft und Gewissheit einer künftigen Heimat im Himmel (vgl. Mt 11,29). zurückgeblieben. Der ganze Ausdruck könnte übersetzt werden: »dass ihr nicht etwa meint, ihr seid zu spät gekommen, um in die Ruhe Gottes einzugehen« (vgl. 12,15). Alle sollen in Ehrfurcht ihren eigenen geistlichen Zustand prüfen (vgl. 1Kor 10,12; 2Kor 13,5) und andere aktiv zur Hingabe drängen (vgl. Jud 23).
4,2 Glauben. Bloßes Kennen der Botschaft Gottes reicht nicht aus. Sie muss durch rettenden Glauben angewendet werden. An späterer Stelle des Briefes wird dieses Thema des Glaubens wesentlich ausführlicher erklärt (10,19 – 12,29). Der Schreiber vergleicht hier die Juden, die aus Ägypten gefl ohen waren (3,16-19), mit seiner gegenwärtigen Generation, die ebenfalls Gottes Botschaft durch die Verkündigung des Evangeliums erfahren hatten, d.h. evangelisiert worden war.
4,3 wir … gehen in die Ruhe ein. Wer aktiv an die Botschaft Gottes glaubt, wird in diese Ruhe eingehen. Das ist die logische Schlussfolgerung von Ps 95,11, der die gegenteilige Seite darstellt: Der Ungläubige wird nicht in die Ruhe Gottes gelangen. seit Grundlegung der Welt beendigt. Die geistliche Ruhe, die Gott gibt, ist nichts Unvollständiges oder Unvollendetes. Sie ist eine Ruhe, die auf einem vollendeten Werk beruht, welches Gott in der ewigen Vergangenheit beschlossen hat und entspricht der Ruhe Gottes nach seiner vollendeten Schöpfung (V. 4).
4,4 Bei seiner Erklärung der Aussage von V. 3. erwähnt der Schreiber den siebten Schöpfungstag als Illustration und zitiert 1Mo
2,2 wenn. Der gr. Ausdruck nimmt den Zustand als gegeben an und bedeutet hier »angesichts der Tatsache, dass …« Engel. Engel wirkten bei der Gesetzgebung Gottes an sein Volk am Berg Sinai mit (vgl. 5Mo 33,1.2; Ps 68,18; Apg 7,38.53; Gal 3,19). Übertretung und … Ungehorsam. Ersteres bedeutet, eine Grenze zu übertreten und eine offenkundige Tatsünde zu begehen. »Ungehorsam« bedeutet, seine Ohren vor Gottes Geboten zu verschließen und damit eine Unterlassungssünde zu begehen. Beides geschieht willentlich, ist schwerwiegend und verdient das gerechte Gericht. 2,2 Dann wiederholt er den letzten Teil von Ps 95,11.
4,6 Die Möglichkeit, in Gottes Ruhe einzugehen, bleibt offen (vgl. »die Verheißung besteht« in V. 1). Noch ist es nicht zu spät. Gott hat zu Moses Zeit seinem Volk die Ruhe angeboten und bot sie auch zur Zeit Davids weiter an. Immer noch lädt er sein Volk geduldig in diese Ruhe ein (vgl. Röm 10,21). Mit einem weiteren Zitat von Ps 95,7.8 (s. 3,7.15), drängt der Schreiber auf eine sofortige positive Reaktion und kombiniert damit die Themen Dringlichkeit und Gehorsam zu einer unmissverständlichen Einladung an den Leser.
4,8 Gottes wahre Ruhe kam nicht durch Josua oder Mose, sondern durch Jesus Christus, der größer als beide ist. Josua führte das Volk Israel ins Land ihrer verheißenen Ruhe (s. Anm. zu 3,11; Jos 21,43-45). Das war jedoch nur die irdische und nur ein Schatten der himmlischen Ruhe. Aus Ps 95 geht hervor, dass Gott zur Zeit Davids (als Israel schon lange im Land war) die Ruhe immer noch anbot. Das bedeutet, dass er eine geistliche Ruhe anbietet, die größer und besser ist als die Ruhe, die Josua erlangt hatte. Israels irdische Ruhe war geprägt von Angriffen der Feinde und von der täglich wiederkehrenden Arbeit. Die himmlische Ruhe ist charakterisiert von der Fülle himmlischer Verheißungen (Eph 1,3) und der Abwesenheit jeglicher Arbeit und Mühe, um diese Ruhe zu erlangen.
4,9 Ruhe. Hier wird ein anderes gr. Wort für »Ruhe« eingeführt, das »Sabbatruhe« bedeutet und das nur hier im NT vorkommt. Der Schreiber wählte dieses Wort, um die Aufmerksamkeit des Lesers zurück auf den in V. 4 erwähnten »siebten Tag« zu lenken und die Erklärung in V. 10 einzuleiten (»ruht auch selbst von seinen Werken, gleichwie Gott von den seinen«).
4,11 Der abschließende dritte Teil der Erklärung von Ps 95,7-11 betont die Verantwortung derer, die das Wort Gottes gehört haben. Die Bibel berichtet von Beispielen aus dem Volk in der Wüste, die mit Josua nach Kanaan gelangten, und von denen, die zur Zeit Davids dieselbe Möglichkeit hatten, in die Ruhe einzugehen. Es ist das Wort Gottes, dem man glauben und gehorchen muss, und das Wort Gottes ist es, das den Ungehorsamen richten wird (vgl. 1Kor 10,5-13).
4,12 zweischneidige Schwert. Während das Wort Gottes die Gläubigen tröstet und nährt, ist es zugleich ein Instrument des Gerichts und dessen Vollstreckung für diejenigen, die sich nicht Jesus Christus hingegeben haben. Einige Hebräer hatten sich nur formal zu Christus bekannt. Intellektuell waren sie zumindest teilweise überzeugt, doch im Innern waren sie Christus nicht hingegeben. Gottes Wort wird die Oberfl ächlichkeit ihres Glaubens sowie ihre falschen Absichten aufdecken (vgl. 1Sam 16,7; 1Pt 4,5). scheidet sowohl Seele als auch Geist. Diese Begriffe beschreiben keine zwei separaten Bestandteile des Menschen (genauso wenig sind »Gedanken und Gesinnungen« zwei eigenständige Dinge), sondern werden verwendet im Sinne des Ausdrucks »Herz und Seele« und drücken somit eine Vollständigkeit aus (vgl. Lk 10,27; Apg 4,32; s. Anm. zu 1Th 5,23). An anderer Stelle werden diese beiden Begriffe austauschbar verwendet und beschreiben das immaterielle Wesen des Menschen, seine ewige, innere Person.
4,13 aufgedeckt vor den Augen dessen. »Aufgedeckt« ist ein spezieller Ausdruck, der nur hier im NT verwendet wird. Ursprünglich bedeutete er, den Hals darbieten, nämlich entweder bei einem Opfer, das geschlachtet werden soll, oder vor einer Enthauptung. Vielleicht war das »Schwert« im vorigen Vers der Auslöser für diesen Begriff. Jeder einzelne Mensch wird nicht nur durch das Wort Gottes beurteilt (vgl. Joh 12,48), sondern von Gott selbst. Wir sind gegenüber dem lebendigen, geschriebenen Wort verantwortlich (vgl. Joh 6,63.68; Apg 7,38) und auch gegenüber dem lebendigen Gott, dem Autor dieses Wortes.
4,14 – 7,28 Als Nächstes befasst sich der Schreiber mit Ps 110,4, der in 5,6 zitiert wird. Christus ist nicht nur als Apostel Mose und Josua überlegen, sondern als Hoherpriester ist er auch über Aaron erhaben (4,14 – 5,10; vgl. 3,1). Mitten in seiner Erklärung erteilt der Schreiber eine Ermahnung bezüglich des geistlichen Zustands seiner Leser (5,11 – 6,20). Am Schluss der Ermahnung kehrt er zum Thema des Priestertums Christi zurück (7,1-28). 4,14 die Himmel durchschritten. So wie der Hohepriester unter dem Alten Bund drei Bereiche durchschritt (den Vorhof, das Heiligtum und das Allerheiligste), um das Sühneopfer darzubringen, so ging Jesus, nachdem er das vollkommene, endgültige Opfer erbracht hatte, durch drei verschiedene Himmel (die Atmosphäre, den interstellaren Raum und den Wohnort Gottes; vgl. 2Kor 12,2-4). Einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, ging der Hohepriester Israels in das Allerheiligste und bewirkte Sühnung für die Sünden des Volkes (3Mo 16). Das damalige Zelt war nur eine beschränkte Nachbildung der himmlischen Wirklichkeit (vgl. 8,1-5). Als Jesus nach der Vollbringung der Erlösung ins himmlische Allerheiligste gegangen war, wurde die irdische Nachbildung durch die Realität des Himmels selbst ersetzt. Der christliche Glaube ist befreit von allem Irdischen und ist von himmlischen Dingen gekennzeichnet (3,1; Eph 1,3; 2,6; Phil 3,20; Kol 1,5; 1Pt 1,4). Jesus, den Sohn Gottes. Es ist bedeutsam, dass hier sowohl der Titel für seine Menschheit (Jesus) als auch der Titel seiner Gottheit (Sohn Gottes) verwendet wird. Eins der wenigen Beispiele einer solchen Nebeneinanderstellung fi ndet sich in 1Joh 1,7, wo sein Opfer für Sünden betont wird (vgl. 1Th 1,10; 1Joh 4,15; 5,5). festhalten an dem Bekenntnis. S. Anm. zu 3,1.6; 10,23.
4,15 in allem versucht. S. Anm. zu 2,17.18. Der Schreiber fügt hier seiner Aussage von 2,18 hinzu, dass Jesus sündlos war. Er konnte versucht werden (Mt 4,1-11), konnte aber nicht sündigen (s. Anm. zu 7,26).
4,16 mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade. Die meisten Herrscher der Antike waren unnahbar für alle außer ihren höchsten Ratgebern (vgl. Est 4,11). Im Gegensatz dazu ruft der Heilige Geist alle Gläubigen auf, freimütig zum Thron Gottes zu kommen, um durch Jesus Christus Barmherzigkeit und Gnade zu empfangen (vgl. 7,25; 10,22; Mt 27,51; s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). Die Bundeslade wurde als der Ort angesehen, wo Gott auf der Erde zwischen den Cherubim thront (vgl. 2Kö 19,15; Jer 3,16.17). Im Orient gehörte zum Thron ein Fußschemel, wofür die Bundeslade ebenfalls ein Bild ist (vgl. Ps 132,7). Am Thron Gottes hat Christus die Sühne für Sünden erwirkt und dort ist auch der Platz, wo allen Gläubigen Gnade für alle Lebensbereiche erteilt wird (vgl. 2Kor 4,15; 9,8; 12,9; Eph 1,7; 2,7). »Gnade sei mit dir« wurde ein Standardgruß unter den Gläubigen, die damit ihre Freude über dieses Vorrecht ausdrückten (Röm 1,7; 16,20.24; 1Kor 1,3; 16,23; 2Kor 1,2; 13,14; Gal 1,3; 6,18; Eph 1,2; 6,24; Phil 1,2; 4,18; Kol 1,2; 4,18; 1Th 1,1; 5,28; 2Th 1,2; 3,18; 1Tim 1,2; 6,21; 2Tim 1,2; 4,22; Tit 1,4; 3,15; Phim 3,25). zu rechtzeitiger Hilfe. S. Anm. zu 2,16.18.
5,1 Als Hoherpriester konnte kein Engel mit übernatürlicher Kraft dienen. Nur ein Mensch mit der Schwachheit der Menschennatur konnte Hoherpriester sein (V. 2; 7,28). Im levitischen System konnte man die Position des Hohenpriesters nur durch Einsetzung erlangen. Niemand hatte das Recht, sich selbst als Hoherpriester einzusetzen. Die Zeitform des Präsens in diesen Versen deutet darauf hin, dass das levitische System zur Abfassungszeit des Briefes noch in Gebrauch war (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). 5,1 Gaben … Opfer. »Gaben« kann sich speziell auf Speisopfer unter dem Alten Bund beziehen, die zur Danksagung oder Weihe dargebracht wurden. Außerdem bedeutet »Opfer« blutige Schlachtopfer zur Sühne von Sünden (s. 3Mo 1-5). In 8,4 bezieht sich »Gaben« jedoch auf alle verschiedenen Opfer (vgl. 8,3). Die drei Vorkommen des Ausdrucks »Gaben und Opfer« im NT (vgl. 8,3; 9,9) bestehen aus einer gr. Konstruktion, die eine engere Beziehung zwischen den beiden Begriffen ausdrückt, als es für das Wort »und« üblich ist. Das könnte darauf hinweisen, dass diese Begriffe nicht unterschieden werden sollten und dass »für die Sünden« sich auf beide bezieht.
5,2 Nachsicht üben. Dieses Verb kommt nur hier im NT vor. Es ver- mittelt den Gedanken des Bewahrens einer beherrschten, aber sanften Einstellung im Umgang mit den geistlich Unwissenden und Widerspenstigen. Ungeduld, Ablehnung und Entrüstung haben im Priesterdienst keinen Platz. Diese Zurückhaltung und Milde ergibt sich aus der Erkenntnis der eigenen menschlichen Schwachheit. Jedes Mal, wenn der Priester Opfer für seine eigenen Sünden darbrachte (V. 3) wurde er an seine eigene sündige Menschennatur erinnert.
5,4 von Gott berufen. Ein Hoherpriester wurde von Gott gewählt und in den Dienst berufen (vgl. 2Mo 28; 4Mo 16,1-17,5; 1Sam 16,1-3).
5,5 Mit den Zitaten von Ps 2,7 und 110,4 zeigt der Schreiber, dass Christus als Priester von Gott eingesetzt worden ist (vgl. Joh 8,54). Bemerkenswert ist, dass Ps 2 den Sohn als König wie auch als Messias beschreibt. Christus ist der königliche Priester.
5,6 Ein Zitat aus Ps 110,4, anhand dessen dieser ganze Abschnitt er- klärt wird (s. Anm. zu 4,14 – 7.28). Melchisedeks. Als König von Salem und Priester Gottes, des Allerhöchsten zur Zeit Abrahams war Melchisedek ebenfalls ein königlicher Priester (1Mo 14,18-20). Die Priesterschaft nach der Ordnung Melchisedeks wird ausführlich in Kap. 7 behandelt.
5,7 Nachdem der Schreiber als erste Anforderung dargelegt hat, dass ein Hoherpriester eingesetzt werden muss (V. 1.4.5.6), widmet er sich der Anforderung, dass er menschliches Mitgefühl haben muss (V. 2.3). 5,7 er. Der anschließende Zusammenhang verdeutlicht, dass sich dies auf Christus bezieht, um den es in V. 5 ging. Im Garten Gethsemane hatte Jesus gerungen und geweint, aber sich hingegeben, um den Willen des Vaters zu tun und den Leidenskelch anzunehmen, der für ihn den Tod bedeutete (Mt 26,38-46; Lk 22,44.45). Jesus wusste im Voraus, welche Last des Gerichts über die Sünde auf ihn zukommt und fühlte den ganzen Schmerz und Gram dieses Gerichts (vgl. Jes 52,14; 53,35.10). Wenngleich er die Strafe stillschweigend auf sich nahm und sich nicht davon zu befreien versuchte (Jes 53,7), schrie er unter der Qual des Zornes Gottes, der über seine vollkommen heilige und gehorsame Person erging (Mt 27,46; vgl. 2Kor 5,21). Jesus betete, vom Verbleiben im Tod errettet, d.h. auferweckt zu werden (vgl. Ps 16,9.10).
5,8 Gehorsam gelernt. Christus musste nicht leiden, um irgendei- nen Ungehorsam zu überwinden oder zu korrigieren. In seiner Gottheit (als Sohn Gottes) verstand er völlig, was Gehorsam ist. Als fl eischgewordener Herr demütigte er sich und lernte (vgl. Lk 2,52). Er lernte den Gehorsam aus demselben Grund, weshalb er auch Versuchung ertrug: um seine Menschennatur zu bestätigen und um die menschlichen Leiden bis zum Vollmaß zu erfahren (s. Anm. zu 2,10; vgl. Lk 2,52; Phil 2,8). Christi Gehorsam war auch dafür notwendig, damit er alle Gerechtigkeit erfüllen (Mt 5,13) und somit beweisen konnte, dass er das vollkommene Opfer ist, das den Platz von Sündern einnimmt (1Pt 3,18). Er war der vollkommen Gerechte, dessen Gerechtigkeit erretteten Sündern zugerechnet wird (vgl. Röm 3,24-26).
5,9 zur Vollendung gelangt … Urheber ewigen Heils. S. Anm. zu 2,10. Aufgrund seiner vollkommenen Gerechtigkeit und seines vollkommenen Opfers für Sünde wurde er zur Ursache des Heils. ihm gehorchen. Wahre Errettung erweist sich im Gehorsam gegen Christus, angefangen vom Gehorsam gegen das Gebot des Evangeliums, Buße zu tun und zu glauben (vgl. Apg 5,32; Röm 1,5; 2Th 1,8; 1Pt 1,2.22; 4,17), bis hin zu einem Leben, das geprägt ist von Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes (vgl. Röm 6,16). 5,10 Der Schreiber zitiert ein zweites Mal Ps 110,4 (vgl. V. 6) und erwähnt nochmals Gottes Berufung zum Priestertum (V. 4).
5,11 Über ihn. Eine alternative Übersetzung wäre »darüber«, näm- lich über die Beziehung zwischen dem Hohenpriestertum Christi und dem des Melchisedek. Logisch und stilistisch gesehen, scheint V. 11 den gesamten Abschnitt 5,11 – 6,12 einzuleiten. Das gr. Verb »geworden« klammert den Abschnitt ein zwischen »träge geworden« (V. 11) und »träge werdet« (6,12). träge. Die geistliche Lethargie der Hebräer und ihre zögerliche Reaktion auf die Lehre des Evangeliums war ein Hindernis für weitere Belehrungen an dieser Stelle. Das erinnert daran, dass es zu einem geistlichen Entwicklungsstillstand und zur Unfähigkeit führt, weitere Belehrungen zu verstehen oder zu verinnerlichen, wenn man die Wahrheit des Evangeliums nicht anwendet (vgl. Joh 16,12). Das ist auch bei den Heiden der Fall, die in der Schöpfung (Röm 1,18-20) eine Offenbarung Gottes haben (die natürliche oder allgemeine Offenbarung). Die Ablehnung dieser Offenbarung führt zu einer allmählichen Verhärtung (Röm 1,21-32). Die Hebräer hatten nicht nur diese allgemeine Offenbarung empfangen, sondern hatten auch geistliche Offenbarungen durch die Schriften des ATs (Röm 9,4), durch den Messias selbst (Röm 9,5) und durch die Lehren der Apostel (2,3.4). Solange die Hebräer nicht der Offenbarung gehorchten, die sie bereits empfangen hatten, und nicht die ewige Errettung ergriffen (V. 8), hätte ihnen weitere Belehrung über das Priestertum Christi nach der Ordnung Melchisedeks nichts genützt. 5,12 Lehrer. Jeder Gläubige soll ein Lehrer sein (Kol 3,16; 1Pt 3,15; vgl. 5Mo 6,7; 2Tim 3,15). Wenn diese Hebräer wirklich dem Evangelium Christi gehorcht hätten, dann hätten sie diese Botschaft auch an andere weitergegeben. Die Juden waren im Gesetz unterwiesen und rühmten sich, weil sie das Gesetz lehrten, doch hatten sie dessen Wahrheiten nicht wirklich verstanden und nicht auf sich selbst angewendet (s. Anm. zu Röm 2,17-23). Aussprüche. Die Schriften des ATs, die die Grundlage für das Evangelium bilden und die der Obhut der Hebräer anvertraut worden waren (Röm 3,1.2). Die Grundlehren des Gesetzes dienten den Hebräern zur Erziehung, um sie zum Glauben an den Messias zu führen (Gal 3,23.24). Außerdem hatten sie das Evangelium des NTs gehört (2,24; 1Pt 4,11).
5,12 Milch. Erkenntnis ohne Gehorsam bringt einen Menschen nicht weiter. In Wirklichkeit machten die Hebräer Rückschritte in ihrer Erkenntnis des Messias, da sie den rettenden Glauben verwarfen. Sie kannten das Evangelium lange genug, um es an andere weitervermitteln zu können, doch waren sie wie Säuglinge, die zu unmündig und unfähig sind, die Wahrheit Gottes zu begreifen, geschweige denn zu lehren.
5,13 Wort der Gerechtigkeit. Das ist die Botschaft der Gerech- tigkeit Christi, die wir durch Glauben empfangen haben (Röm 3,21.22; 1Kor 1,30; 2Kor 5,21; Phil 3,9; Tit 3,5). Der Ausdruck bedeutet dasselbe wie das Evangelium des Heils durch Glauben und nicht durch Werke.
5,14 Gereiften. Dieselbe gr. Wurzel wird in 6,1 mit »volle Reife« und an anderer Stelle mit »vollendet« oder »vollkommen« übersetzt (7,11.19.28; 9,9; 10,1.14; 11,40; 12,23). Im Hebräerbrief wird sie, wie hier, als Synonym für die Errettung verwendet. Von daher bezieht sie sich auf die Vollendung, die sich vollzieht, wenn man zum Glauben an Christus kommt. Somit unterscheidet sich ihr Gebrauch im Hebräerbrief von der für Paulus typischen Verwendung, der damit reif gewordene Christen beschreibt (vgl. Kol 4,12). Jesus lud die ungläubigen Juden ein, in der Errettung vollendet zu werden, was nur möglich ist, wenn sie ihm im Glauben folgen (Mt 19,21). Paulus schrieb, dass die an Christus Gläubigen durch diesen Glauben reif und imstande sind, die Weisheit Gottes zu empfangen (1Kor 2,6). Als er von denen sprach, deren Gerechtigkeit in Christus ist (Phil 3,2-20), beschrieb er die Gläubigen als »reif«, im Gegensatz zu denen, die auf Fleisch vertrauten. Paulus erklärte außerdem, dass die Apostel alle ermahnten und lehrten, »um jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus darzustellen« (Kol 1,28). Übung. Die tieferen, »festeren« Wahrheiten über das Priestertum des Herrn Jesus konnten nur denen mitgeteilt werden, die ihn als Retter kannten. Dieses Wort benutzt das Bild von sportlichem Training und Wettkampf (vgl. 1Tim 4,7.8). Wer zu Christus gekommen und geistlich vollendet worden ist, wird dann vom Wort Gottes trainiert, um Wahrheit und Irrtum unterscheiden zu können und heiligen Wandel von unheiligem (vgl. 2Tim 3,16.17).
6,1 Anfangsgründe des Wortes von Christus. Dieser Ausdruck bezieht sich ebenso wie die »Aussprüche Gottes« in 5,12 auf das AT. Der Schreiber spricht von grundlegenden Lehren des ATs, die dem Messias den Weg bereiteten – die Anfangslehren über Christus. Diese »Anfangsgründe« (oder »Prinzipien«) des ATs umfassen sechs Punkte, die in V. 1.2 aufgelistet werden. lassen. Dieses »Verlassen« bedeutet nicht, diese grundlegenden Lehren zu verachten oder zu verwerfen. Sie sind nicht das Ziel, sondern der Startpunkt. Sie sind das Eingangstor zum Weg des Heils in Christus. zur vollen Reife übergehen. Die Errettung durch Glauben an Jesus, den Messias. S. Anm. zu 5,14. Das Verb steht im Passiv und besagt damit etwa »zur Errettung geführt werden«. Dabei geht es nicht um Schüler, die von Lehrern geführt werden, sondern darum, dass beide von Gott weitergeführt werden. Der Schreiber warnt seine jüdischen Leser, dass es wertlos ist, sich länger mit den Grundelementen des ATs zu beschäftigen und das zu wiederholen (»nochmals den Grund legen«), was nur von grundlegender Bedeutung sein sollte. Buße von toten Werken. Diese atl. Form der Buße ist das Wegwenden von bösen Taten, die den Tod einbringen (vgl. Hes 18,4; Röm 6,23) und das Hinwenden zu Gott. Nur allzu oft hatte der Jude sich nur oberfl ächlich zu Gott hingewendet und den Buchstaben des Gesetzes als Erweis seiner Buße erfüllt. Der innere Mensch war immer noch tot (Mt 23,25-28; Röm 2,28.29). Das war nicht die Art von Buße, die zur Errettung führte (V. 6; 12,17; vgl. Apg 11,18; 2Kor 7,10). Unter dem Neuen Bund ist »Buße zu Gott« jedoch gepaart mit »Glauben an unseren Herrn Jesus Christus« (Apg 20,21). Christi Sühneopfer rettet von »toten Werken« (9,14; vgl. Joh 14,6). Glauben an Gott. Einen Glauben, der nur auf Gott, den Vater, gerichtet ist, kann Gott nicht annehmen, wenn er nicht einhergeht mit Glauben an seinen Sohn Jesus Christus (Apg 4,12; vgl. Jak 2,14-20).
6,2 Waschungen. Wörtl. »Taufen«, so auch in 9,10. Allerdings wird dies gr. Wort nirgends für die christliche Taufe verwendet. Auch der Plural ist unvereinbar mit dem einmaligen Charakter der christlichen Taufe. Im levitischen System des ATs gab es viele zeremonielle Waschungen, die äußere Zeichen waren für die Reinigung des Herzens (vgl. 2Mo 30,1821; 3Mo 16,4.24.26.28; Mk 7,4.8). Der Neue Bund ruft zu einer inneren Waschung auf (Tit 3,5), die die Seele erneuert. Handaufl egung. Unter dem Alten Bund legte der Mensch, der ein Opfer darbrachte, seine Hände auf das Opfer und symbolisierte damit seine Identifi kation mit dem Tier als ein stellvertretendes Opfer für Sünde (3Mo 1,4; 3,8.13; 16,21). Hier kann aber auch eine Handlaufl egung bei einer feierlichen priesterlichen Segnung gemeint sein (vgl. Mt 19,13). Totenauferstehung und dem ewigen Gericht. Die Pharisäer glaubten an die Auferstehung von den Toten (Apg 23,8), waren aber noch geistlich tot (Mt 23,27). Sie glaubten auch an das Gericht Gottes und steuerten dennoch darauf zu. Es ist bedeutsam, dass alle diese Lehren, die in V. 1.2 aufgelistet werden, mit den Pharisäern in Verbindung gebracht werden können, die sich für Jesus interessierten und sich ihm manchmal anschlossen (Lk 7,36-50; 13,31; 14,1; Joh 3,1). Paulus war vor seiner Bekehrung ein Pharisäer (Phil 3,5). Die Pharisäer waren entstanden aus dem Streben nach Gerechtigkeit aus Gesetzeswerken anstatt aus Glauben (Röm 9,30-32; 10,1-3). Ein Teil der Hebräer, an die sich dieser Brief richtet, waren vielleicht Pharisäer.
6,3 wollen wir tun. Der Schreiber bezeugt wahrscheinlich, wie er selber von den Lehren des ATs zum Annehmen des Neuen Bundes in Jesus Christus gekommen war und identifi ziert sich zugleich mit den Lesern. Zur Errettung ist stets erforderlich, dass Gott dazu befähigt (vgl. Joh 6,44).
6,4 S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. Fünf Privi- legien der Juden gereichten ihnen immer noch nicht zur Errettung. 6,4 erleuchtet. Sie waren in biblischer Wahrheit unterwiesen wor- den und hatten sie intellektuell begriffen. Das Evangelium zu verstehen, bedeutet nicht, wiedergeboren zu werden (vgl. 10,26.32). Joh 1,9 erklärt deutlich, dass Erleuchtung nicht dasselbe ist wie Errettung. Vgl. 10,29. die himmlische Gabe geschmeckt. Im bildlichen Sinne bedeutet Schmecken im NT, etwas bewusst erfahren (vgl. 2,9). Die Erfahrung kann dabei zeitweilig oder dauerhaft sein. Christus »schmeckte den Tod« (2,9) offenbar nur vorübergehend und nicht dauerhaft. Alle Menschen erfahren die Güte Gottes, aber das bedeutet nicht, dass sie alle errettet sind (vgl. Mt 5,45; Apg 17,25). Während des Wirkens des Herrn auf der Erde erfuhren viele Juden die himmlischen Segnungen in Form von Heilungen und Befreiung von Dämonen und sie genossen die Nahrung, die er ihnen durch ein Wunder verschaffte (Joh 6). Ob sich die Gabe nun auf Christus bezieht (vgl. Joh 6,51; 2Kor 9,15) oder auf den Heiligen Geist (vgl. Apg 2,38; 1Pt 1,12), bedeutet das Erfahren dieser Gabe in einem dieser beiden Sinne jedenfalls nicht zugleich die Errettung (vgl. Joh 16,8; Apg 7,51). Heiligen Geistes teilhaftig. S. Anm. zu 2,4. Obwohl der Gedanke des Teilhabens in 3,1; 3,14; und 12,8 sich nur auf Gläubige bezieht, ist der Kontext der letztendlich ausschlaggebende Faktor für die Bedeutung. In V. 4-6 schließt dieser Kontext offenbar aus, dass sich dieser Ausdruck auf wahre Gläubige bezieht. Er kann bedeuten, dass die Hebräer, wie oben bemerkt, der Wunder Jesus teilhaftig waren, die er durch die Kraft des Heiligen Geistes tat (s. Anm. zu Mt 12,18-32; vgl. Lk 4,14.18) oder dass sie durch den Heiligen Geist überführt worden waren (Joh 16,8). Diesem Wirken des Heiligen Geistes kann man offenbar widerstehen, ohne die Errettung zu erfahren (vgl. Apg 7,51).
6,5 geschmeckt. S. Anm. zu V. 4. Das entspricht erstaunlich dem, was in 2,1-4 beschrieben wurde (s. Anm. dort). Wie Simon Magus (Apg 8,9-24) waren auch diese Hebräer noch nicht wiedergeboren, obwohl sie so viel gehört und gesehen hatten (vgl. Mt 13,3-9; Joh 6,60-66). Sie wiederholten die Sünden derer, die in der Wüste gestorben waren, nachdem sie die Wunder Moses und Aarons gesehen und die Stimme Gottes vom Berg Sinai gehört hatten.
6,6 abgefallen. Dies gr. Wort kommt nur hier im NT vor. In der LXX wird es als Übersetzung für hebr. Wörter verwendet, die furchtbare Untreue und Abtrünnigkeit bedeuten (vgl. Hes 14,13; 18,24; 20,27). Es beschreibt denselben Abfall wie in 3,12. Wie schlimm diese Untreue ist, wird daran deutlich, wie krass dieses Verwerfen in diesem Vers beschrieben wird: Sie kreuzigten Christus aufs Neue und behandelten ihn zutiefst verächtlicht (s.a. die ausdrucksstarke Beschreibung in 10,29). Das »unmöglich« aus V. 4 bezieht sich auf das »wieder zur Buße zu erneuern«. Für jemanden, der auf solche Weise gegen Christus gesündigt hat, gibt es keine Hoffnung auf Wiederherstellung oder Vergebung (vgl. 2,2.3; 10,26.27; 12,25). Der Grund dafür ist, dass sie ihn in voller Erkenntnis und bewusster Erfahrung verworfen hatten (wie in den Merkmalen von V. 5.6 beschrieben). Sie hatten die volle Offenbarung, verwarfen aber die Wahrheit und entschieden sich für das Gegenteil der Wahrheit über Christus und haben somit keine Hoffnung, gerettet zu werden. Sie können niemals noch mehr Erkenntnis haben als die, die sie verwarfen. Sie kamen für sich zu dem Schluss, dass Jesus gekreuzigt werden sollte und stellten sich auf die Seite seiner Feinde. Diese Verse können sich unmöglich auf ein Verlieren des Heils beziehen. Viele Bibelstellen machen unmissverständlich klar, dass die Errettung ewig ist (vgl. Joh 10,27-29; Röm 8,35.38.39; Phil 1,6; 1Pt 1,4.5). Würden diese Verse bedeuten, Gläubige könnten ihre Errettung verlieren, dann würde dieser Text ebenfalls besagen, dass man die Errettung niemals wiedererlangen kann, wenn man sie einmal verloren hat. Die Vertreter der Verlierbarkeit des Heils müssen diese Konsequenz zugeben. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger.
6,7 Diese Illustrationen zeigen, dass diejenigen gesegnet sind, die das Evangelium hören und mit Glauben darauf reagieren; diejenigen hingegen, die es hören und verwerfen, sind verfl ucht (vgl. Mt 13,18-23). 6,8 untauglich. S. die Verwendung dieses Begriffs in Röm 1,28 (»unwürdig«); 2Kor 13,5 (»unecht«) und 2Tim 3,8 (»untüchtig«).
6,9 Geliebten. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass der Schreiber nun eine andere Gruppe von Lesern anspricht und von einer warnenden zu einer ermutigenden Botschaft übergeht. Dass er sich jetzt an Gläubige richtet, wird auch durch die zuversichtliche Ausdrucksweise bestätigt, dass sie sich in einem »besseren Zustand« befanden (im Vergleich zu denen, die in den vorigen Versen gewarnt worden waren). »Mit der Errettung verbunden« spricht von ihren Werken, die ihre Errettung bestätigen (V. 10; vgl. Eph 2,10; Jak 2,18.26). Gerade diese Aussage beinhaltet, dass die in 5,11 – 6,5 beschriebenen Dinge nicht auf Errettete zutreffen, sondern Anzeichen für Unglauben und Abfall sind. obgleich wir so reden. In den vorigen Versen musste zwar über Gericht gesprochen werden, doch der Schreiber versichert seinen »Geliebten«, die Gläubige sind, dass er mit Zuversicht annimmt, dass sie errettet sind.
6,10 euer Werk und die Bemühung in der Liebe. S. 1Th 1,3.4. für seinen Namen. In diesem gesamten Brief steht der »Name« im hebräischen Sinne für die Autorität, den Charakter und die Eigenschaften des Sohnes Gottes (1,4) oder Gottes, des Vaters (2,12; 13,15; vgl. Joh 14,13.14). Heiligen. Alle wahren Christen sind Heilige bzw. »Geheiligte« (vgl. 13,24; Apg 9,13; Röm 1,7; s. Anm. zu 1Kor 1,2).
6,11 euch. Hier spricht der Schreiber wieder zu Ungläubigen, doch distanziert er diese Gruppe offenbar bewusst von den quasi Abgefallenen von V. 4-6, die in Gefahr standen, nie wieder zur Buße kommen zu können. Eifer. Dies Wort kann so viel wie Fleiß oder Eile bedeuten. Hier ist es ein Appell an die ungläubigen Juden, unverzüglich zu Christus zu kommen. Wenn diese unentschlossenen Juden dem Beispiel des aktiven Glaubens der Heiligen folgten (V. 9.10.12), dann würden sie die Errettung erlangen, die zur »Hoffnung mit voller Gewissheit bis ans Ende« führt (vgl. 10,22; Kol 2,2). Die Errettung sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden.
6,12 träge. S. Anm. zu 5,11, wo dasselbe gr. Wort vorkommt. Nachfolger. Der Gedanke der Nachfolge wird in 13,7 wiederholt und ist ein Wesensmerkmal der Glaubensvorbilder aus Kap. 11. die Verheißungen erben. Das Erbe und die Verheißungen des Heils sind ein Thema dieses Briefes (vgl. V. 13.15.17; 1,14; 4,1.3; 9,15; 10,36; 11,7.8.9.11.1 3.17.33.39).
6,13 Die Verfolgungen und Versuchungen, die die gläubigen Hebräer erlitten, erforderten geduldiges Ausharren. Dieser beharrliche Glaube konnte sie befähigen, die Verheißungen Gottes zu erben, die zur Zeit des Leidens so fern erschienen. Ungeachtet ihrer Umstände sollten sie bedenken, dass Gott treu ist (vgl. V. 10) und dass in ihm ihre Hoffnung gewiss und sicher war (vgl. V. 11). 6,13 Abraham. Um die Hebräer dazu zu ermutigen, sich vielmehr auf den Glauben zu verlassen, anstatt am levitischen Gottesdienstsystem festzuhalten, zitiert der Schreiber das Beispiel Abrahams, dem sie als großes Glaubensvorbild (vgl. Röm 4) nacheifern sollten (V. 12). schwor er. In 1Mo 22,15-19 verhieß Gott bedingungslos, den abrahamitischen Bund zu erfüllen.
6,14 Ein Zitat aus 1Mo 22,17, das das Wesentliche der Verheißung Gottes zusammenfasst. Die Erfüllung war gewiss, weil Gott selbst es gesagt hat. Es ist bedeutsam, dass das Zitat in 1. Mose im Zusammenhang von Abrahams Opferung Isaaks steht. Isaak selbst war ja die Erfüllung von Gottes Verheißung an Abraham. Die letztendliche Erfüllung wird ebenfalls durch Isaak und seine Nachkommen eintreten.
6,15 geduldig wartete. Abraham war ein Vorbild der Geduld, von der in V. 12 die Rede ist. Mit der Geburt Isaaks erlebte er, wie sich die Verheißung zu erfüllen begann (s. Anm. zu V. 14), erlebte aber nicht mehr die Erfüllung aller Verheißungen (11,13).
6,16 Gottes Wort braucht keine Bestätigung durch jemand ande- ren. Es ist zuverlässig, weil Gott selbst treu ist. Menschen bestätigen ihre Verheißungen, indem sie sich auf jemand Größeren als Zeugen berufen (insbesondere auf Gott). Da aber niemand größer ist als Gott, kann er nur bei sich selbst schwören. Damit geht er bereitwillig (V. 17) auf die menschlichen Bedürfnisse ein, die eine Bestätigung verlangen, weil menschliche Verheißungen und Versprechen gewöhnlich so unzuverlässig sind.
6,18 zwei unabänderliche Handlungen. Gottes Verheißung und sein Eidschwur. Das gr. Wort für »unwandelbar« wurde für ein rechtskräftiges Testament verwendet, das niemand ändern konnte als nur der Verfasser des Testaments. Zufl ucht. In der LXX bezeichnet dieses gr. Wort die Zufl uchtsstädte, die Gott für versehentliche Totschläger vorgesehen hatte, die Schutz vor Rächern suchten (4Mo 35,9-34; 5Mo 19,113; Jos 20,1-9; vgl. Apg 14,5.6). Hoffnung. S. Anm. zu 3,6. Hoffnung ist eines der Themen des Hebräerbriefes. Sie ist außerdem das Ergebnis des Studiums des ATs (Röm 15,4). Die Hoffnung darauf, dass Gott seine Verheißungen der Errettung erfüllt, ist der »Anker der Seele« (V. 19), der die Gläubigen in Zeiten der Not und Trübsal sicher bewahrt.
6,19 Unsere Hoffnung ist in Christus selbst verkörpert, der im himmlischen Allerheiligsten für uns in die Gegenwart Gottes getreten ist (s. Anm. zu 4,14). Mit diesem Gedankengang kehrt der Schreiber zurück zum Thema, das er in 5,10 verlassen hatte: dem Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks.
7,1 In Kap. 7. erklärt der Schreiber anhand der atl. Parallele von Melchisedek (1Mo 14,18-20; Ps 110,4), dass das Priestertums Christi erhaben ist über das Priestertum dieses einzigartigen Hohenpriesters, der in gewisser Hinsicht ein Typus für Christus war (s. Anm. zu 5,6). Kap. 7 ist der Dreh- und Angelpunkt des Hebräerbriefs, weil hier das Priestertum Christi detailliert mit dem levitischen Hohenpriestertum verglichen wird. 7,1 Eine Zusammenfassung der Geschichte Melchisedeks in 1Mo 14,18-20 (s. Anm. dort).
7,3 Im Gegensatz zum Priestertum Melchisedeks war das levitische Priestertum erblich. Melchisedeks Vorfahren und seine Herkunft sind unbekannt, weil sie keine Bedeutung für sein Priestertum haben. Entgegen diverser Auslegungen hatte Melchisedek einen Vater und eine Mutter. Die antike syrische Peschitta übersetzt die Bedeutung der gr. Formulierung genauer: »dessen Vater und Mutter in keinem Geschlechtsregister verzeichnet sind«. Melchisedeks Geburt und Tod sind nicht überliefert. Bei Aaron ist das völlig anders, sein Tod wird detailliert beschrieben (4Mo 20,22-29). verglichen. Wörtl. »gleichgemacht«. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor und bedeutet, dass Melchisedek Christus darin entspricht, wie das AT seine Geschichte überliefert. Diese Entsprechung beruht also nicht auf Melchisedek selbst. Melchisedek war nicht der prä-inkarnierte Christus, wie einige behaupten, sondern er glich Christus in seinem Priestertum: es war universal (V. 1), königlich (V. 1.2; vgl. Sach 6,13), gerecht (V. 2; vgl. Ps 72,2; Jer 23,5; 1Kor 1,30), friedevoll (V. 2; vgl. Ps 72,7; Jes 9,5; Röm 5,1) und endlos (V. 3; vgl. V. 24.25).
7,4 Dieser Abschnitt präsentiert die Erhabenheit des Priestertums nach der Ordnung Melchisedeks gegenüber dem levitischen Priestertum. Die Hauptargumente für die Erhabenheit beziehen sich auf den Empfang des Zehnten (V. 2-10), der Erteilung des Segens (V. 1.6.7), der Ersetzbarkeit des levitischen Priestertums (V. 11-19) und der Dauerhaftigkeit des Priestertum Melchisedeks (V. 3.8.16.17.20-28). 7,4 In der Antike war es üblich, dass die Menschen einem Gott oder seinem Repräsentanten den Zehnten gaben. Abraham, der Vater des hebräischen Glaubens, gab Melchisedek den Zehnten. Das beweist, dass Melchisedek Abraham überlegen war. Der Geringere gibt den Zehnten an den Größeren (V. 7).
7,5 Aufgrund der Autorität, die ihnen durch das mosaische Gesetz verliehen war, empfi ngen die levitischen Priester den Zehnten von ihren israelitischen Volksgenossen (s. Anm. zu 4Mo 18,21.26). Nicht die Priester sollten durch diese Unterwerfung der Israeliten geehrt werden, sondern das Gesetz Gottes.
7,6 Melchisedek empfi ng nicht nur den Zehnten von Abraham, sondern segnete ihn auch. Auch das verdeutlicht, dass Melchisedek über Abraham erhaben ist.
7,8 hier … dort. Die Adverbien beziehen sich auf das levitische Gesetz, dessen System zur Abfassungszeit des Briefes noch in Gebrauch war (»hier«) sowie auf das historisch frühere Ereignis aus 1Mo 14 (»dort«). Die levitischen Priester wechselten, da jeder Priester irgendwann starb, bis schließlich das ganze Priestertum beendet wurde. Melchisedeks Priestertum hingegen ist dauerhaft, da die Bibel nichts über seinen Tod sagt (vgl. V. 3).
7,9 Da Abraham als Vorfahr Levis dessen Haupt war, bemerkt der Schreiber, dass man durchaus sagen kann, Levi habe den Zehnten an Melchisedek gezahlt. Mit derselben Argumentation verdeutlichte Paulus, dass in Adam alle Menschen gesündigt haben (s. Anm. zu Röm 5,12-14).
7,11 In diesem Abschnitt wird die Argumentation einen Schritt weitergeführt. Da das Priestertum Melchisedeks über das levitische Priestertum erhaben ist (V. 1-10), ist auch Christi Priestertum über das levitische Priestertum erhaben, denn Christi Priestertum ist nicht levitisch, sondern nach der Ordnung Melchisedeks. 7,11 Vollkommenheit. S. Anm. zu 5,14. Im ganzen Hebräerbrief bezieht sich dieser Begriff auf die vollkommene Versöhnung mit Gott und den Zugang zu ihm, d.h. auf die Errettung. Das levitische System und sein Priestertum konnte niemand von seinen Sünden erretten. S. Anm. zu 10,1-4.
7,12 Da Christus der Hohepriester des Christen ist und da er aus dem Stamm Juda war und nicht aus Levi (vgl. Mt 2,1.6; Offb 5,5), besteht sein Priestertum eindeutig außerhalb des Gesetzes, welches für das levitische Priestertum maßgeblich war (vgl. V. 11). Das beweist, dass das mosaische Gesetz außer Kraft gesetzt worden ist. Das levitische System wurde durch einen neuen Priester ersetzt, der unter einem Neuen Bund ein neues Opfer dargebracht hat. Er schaffte das Gesetz ab, in dem er es erfüllte (vgl. Mt 5,17) und die Vollkommenheit brachte, die das Gesetz nie verschaffen konnte (vgl. Mt 5,20).
7,13 anderen. In beiden Versen bedeutet dieses Wort »von ei- ner anderen Art« (hetereos) und betont den Unterschied zum levitischen Priestertum.
7,16 Gesetzesbestimmung, die auf fl eischlicher [Abstammung] beruht. Das Gesetz bezog sich lediglich auf die zeitweilige Existenz Israels. Die Vergebung, die am großen Versöhnungstag erwirkt wurde, war ebenfalls nur zeitweilig. Die Priester unter dem Gesetz waren sterbliche Menschen, die ihr Amt durch Erbschaft empfangen hatten. Im levitischen System herrschten sichtbare Dinge und vorübergehende Zeremonien vor. Kraft unaufl öslichen Lebens. Weil Christus die ewige zweite Person der Gottheit ist, kann Christi Priestertum nicht enden. Er erlangte sein Priestertum nicht kraft des Gesetzes, sondern kraft seiner Gottheit. 7,17 Wiederum ein Zitat aus Ps 110,4 (s. Anm. zu 5,6.10).
7,18 Aufhebung. S. Anm. zu V. 12-14. Das Gesetz war in dem Sinne schwach, dass es nicht retten und keine innere Veränderung im Menschen bewirken konnte (vgl. Röm 8,3; Gal 4,9).
7,19 das Gesetz hat nichts zur Vollkommenheit gebracht. S. Anm. zu V. 11. Das Gesetz hat niemanden errettet (vgl. Röm 3,19.20); sondern vielmehr alle verurteilt (vgl. Gal 3,10-13). besseren Hoffnung. S. Anm. zu 3,6; 6,18. Gott nahen. S. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen; s. Anm. zu 4,16. Das ist in diesem Abschnitt der Schlüsselbegriff. Gott zu nahen ist das Wesentliche des christlichen Glaubens, im Vergleich zum levitischen System, bei dem die Menschen nicht in die Gegenwart Gottes kommen konnten. Als Gläubige sind wir Priester und können somit alle Gott nahen – das war das Privileg des Priestertums (vgl. 2Mo 19,22; s. Anm. zu Mt 27,51).
7,20 Eidschwur. Gottes Verheißungen sind unabänderlich und mit einem Eid besiegelt (vgl. 6,17). Gott hat in Ps 110,4 mit einem Eid bestätigt, dass Christus Priester nach der Ordnung Melchisedeks ist. Er wird seine Gesinnung in dieser Sache nicht ändern (»nicht gereuen«, V. 21).
7,22 Bürge. Dieser gr. Begriff kommt nur hier im NT vor und kann auch mit »Garant« übersetzt werden. Jesus selbst garantiert den Erfolg seines Neuen Heilsbundes. eines besseren Bundes. Des Neuen Bundes (8,8.13; 9,15). S. Anm. zu Jer 31,31-34; Mt 26,28. Die erste Erwähnung des Wortes »Bund« in diesem Brief ist an eines der Schlüsselthemen des Buches geknüpft (»besser«, vgl. V. 19; s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). Dieser Bund wird in Kap. 8 ausführlicher erläutert werden.
7,23 S. Anm. zu V. 3.8.16. 7,23 in großer Anzahl. Man sagt, von Aaron bis zur Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70 n.Chr. habe es 84 Hohepriester gegeben. Die Anzahl der untergeordneten Priester war weit höher.
7,25 vollkommen. Ein anderer Wortstamm als bei »Vollkommen- heit« in V. 11.19, der aber im Grunde denselben Gedanken ausdrückt. Dieser gr. Begriff kommt nur hier und in Lk 13,11 vor (die Frau konnte sich nicht vollkommen gerade aufrichten). zu Gott kommen. S. Anm. zu 4,16 (vgl. Joh 6,37). einzutreten. Das Wort bedeutet »für einen anderen Fürsprache einlegen«. Es bezeichnete das Einreichen einer Bittschrift an einen König zugunsten eines Dritten. S. Anm. zu Röm
8,34 Vgl. die hohepriesterliche Fürbitte Jesu in Joh 17. Da die Rabbiner den Engeln zuschrieben, für Menschen vor Gott eintreten zu können, wurden Engel wie Fürsprecher behandelt. Der Schreiber macht deutlich, dass allein Christus der Fürsprecher ist (vgl. 1Tim 2,5).
7,26 Christi göttlicher und heiliger Charakter ist ein weiterer Beweis für die Erhabenheit seines Priestertums. 7,26 In seiner Beziehung zu Gott ist Christus »heilig« (seine Frömmigkeit ist völlig ungetrübt; Mt 3,17; 17,5; Mk 1,24; Lk 4,24; Apg 2,27; 13,35). In seiner Beziehung zum Menschen ist er »unschuldig« (ohne Bosheit oder böse Absicht; Joh 8,46). In der Beziehung zu sich selbst ist er »unbefl eckt« (frei von Verunreinigung; 1Pt 1,19) und »von den Sündern abgesondert« (er hatte keine sündige Natur, die die Quelle irgendeiner Art von Sünde hätte sein können; vgl. »ohne Sünde« in 4,15). S. Anm. zu 2Kor 5,21. höher als die Himmel. S. Anm. zu 1,3; 4,14.
7,27 täglich. Jedesmal, wenn ein levitischer Hoherpriester sündig- te, musste er ein Opfer für sich selbst darbringen (3Mo 4,3). Wenn das Volk sündigte, musste er auch für sie opfern (3Mo 4,13). Das konnte täglich erforderlich sein. Dann musste er alljährlich am großen Versöhnungstag wiederum Opfer für sich selbst und für das Volk darbringen (3Mo 16,6.11.15). Christus hatte keine Sünde und brauchte kein Opfer für sich selbst. Nur ein Opfer (durch ihn) war nötig – nur einmal, für alle Menschen und für alle Zeiten. ein für allemal. Ein Ausdruck mit Schlüsselbedeutung im Hebräerbrief. Im Gegensatz zu den priesterlichen Opfern des ATs braucht das Opfer Christi niemals wiederholt zu werden. Vgl. 9,12.26.28; 10,2.10; 1Pt 3,18.
7,28 Wort des Eidschwurs. Gott bestätigte Christus als Hohen- priester. S. Anm. zu V. 20.21; 6,16-18. in Ewigkeit vollkommen. S. Anm. zu 2,10.
8,34 Vgl. die hohepriesterliche Fürbitte Jesu in Joh 17. Da die Rabbiner den Engeln zuschrieben, für Menschen vor Gott eintreten zu können, wurden Engel wie Fürsprecher behandelt. Der Schreiber macht deutlich, dass allein Christus der Fürsprecher ist (vgl. 1Tim 2,5).
8,1 – 10,18 Dieser gesamte Abschnitt ist eine Erklärung des in Jer 31,31-34 verheißenen Neuen Bundes und seiner Unterschiede zum Alten Bund des Gesetzes. 8,1 Eine kurze Beschreibung von Jesu Priestertum im himmlischen Heiligtum. Sein Priestertum ist besser als das aaronitische, denn er dient in einem besseren Heiligtum (V. 1-5; vgl. 9,1-12). 8,1 Hauptsache. Hier kommt der Schreiber zu seiner zentralen Botschaft. Tatsache ist: »Wir haben« (als gegenwärtigen Besitz) einen überlegenen Hohenpriester, Jesus Christus, der alles erfüllt, was im AT verheißen ist. gesetzt. S. Anm. zu 1,3.13.
8,2 Diener. Das ist dasselbe Wort, das in 1,7 für die Engel verwendet wurde. In Jer 33,21 wurde es für die Priester gebraucht. Heiligtums. Vgl. 9,3. Der heiligste Ort, wo Gott wohnte (vgl. 2Mo 15,17; 25,8; 26,23.24; 1Chr 22,17). wahrhaftigen Stiftshütte. Dieses Zelt wird defi niert: »das der Herr errichtet hat und nicht ein Mensch«. Es wird auch in 9,11.24 beschrieben (vgl. V. 5). Dieser Begriff bezeichnet den himmlischen Wohnort Gottes.
8,3 Gaben und Opfer. S. Anm. zu 5,1.
8,4 nicht einmal Priester. Jesus hätte kein levitischer Priester sein können, weil er nicht aus dem Stamm Levi war. S. Anm. zu 7,12-14. Da dieser Vers im Präsens steht, war das levitische System zur Abfassungszeit des Briefes offenbar noch in Gebrauch, d.h. der Brief wurde vor der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n.Chr. geschrieben (s. Anm. zu 5,1-4).
8,5 Das Zitat stammt aus 2Mo 25,40. Abbild und Schatten. Das bedeutet nicht, dass es im Himmel tatsächliche Gebäude gibt, von denen die Stiftshütte ein Abbild war, sondern vielmehr, dass die himmlische Realität im irdischen Modell der Stiftshütte adäquat symbolisiert und repräsentiert wurde.
8,6 Mittler. Vgl. 9,15. Das Wort beschreibt einen Mittelsmann oder einen Schlichter, und zwar hier zwischen Gott und Mensch. S. Anm. zu 1Tim 2,5 (vgl. Gal 3,19.20). besseren Bundes … besseren Verheißungen. S. Anm. zu 7,19.22; Joh 1,17. Dieser Bund wird in V. 8.13;
9,15 identifi ziert als der »Neue Bund«.
8,34 Vgl. die hohepriesterliche Fürbitte Jesu in Joh 17. Da die Rabbiner den Engeln zuschrieben, für Menschen vor Gott eintreten zu können, wurden Engel wie Fürsprecher behandelt. Der Schreiber macht deutlich, dass allein Christus der Fürsprecher ist (vgl. 1Tim 2,5).
8,7 Vgl. dieselbe Argumentation in 7,11. Der ältere, unvollständige und unvollkommene Bund sollte nur vorübergehend bestehen. 8,8-12 Ein Zitat aus Jer 31,31-34 (s. Anm. dort).
8,9 ich ließ sie gehen. Jer 31,32 liest: »ich hatte sie mir doch ange- traut«. Der Schreiber zitiert hier aus der LXX, die eine andere Lesart, aber nicht unbedingt eine andere Bedeutung hat.
8,10 Sinn … Herzen. Der Bund des Gesetzes war von seinem We- sen her hauptsächlich äußerlich, doch der Neue Bund ist innerlich (vgl. Hes 36,26.27).
8,12 Die LXX erweitert den letzten Satz von Jer 31,34 geringfügig.
8,13 wird bald verschwinden. Kurz nach der Niederschrift des Hebräerbriefes wurde der Tempel in Jerusalem zerstört und damit der levitische Gottesdienst beendet (s. Anm. zu 5,1-4; s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit).
9,1 In diesen Versen beschreibt der Autor kurz die Stiftshütte. Im AT sind ihr und ihrem Gottesdienst etwa 50 Kapitel gewidmet (vgl. 2Mo 25-40). Eingerahmt wird der Abschnitt von dem Begriff »Ordnung« (V. 1.10).
9,2 erste Bund … ein Heiligtum. Das ist das »Heilige«, der erste Raum des Heiligtums (2Mo 26,33). Zu den Einrichtungsgegenständen des Heiligtums s. 2Mo 25,23-40; 40,22-25; 3Mo 24,5-9.
9,3 Allerheiligste. Das Allerheiligste war der Ort, wo die Bundeslade und der Gnadenstuhl standen; das war der Sühneort (2Mo 26,33.34).
9,4 goldene Räucheraltar. Kann auch mit »Räucherfass« übersetzt werden, bezeichnet aber höchstwahrscheinlich den Räucheraltar. S. Anm. zu 2Mo 30,1-10 (vgl. 2Mo 40,5.26.27). Er stand zwar außen vor dem Allerheiligsten (2Mo 30,6), der Schreiber des Hebräerbriefs beschreibt ihn aber als zum Allerheiligsten zugehörig, denn er denkt in erster Linie an seine Bedeutung in der Liturgie des großen Versöhnungstags. An diesem Tag brachte der Hohepriester Weihrauch von diesem Altar in das Allerheiligste (3Mo 16,12.13). Der goldene Räucheraltar stand direkt an der Grenze zum Allerheiligsten am Vorhang. Nur einmal im Jahr ging der Hohepriester über den Räucheraltar hinaus. die Bundeslade. S. Anm. zu 2Mo 25,10-18; 26,31-34. der goldene Krug mit dem Manna. S. Anm. zu 2Mo 16,32-36. der Stab Aarons. S. Anm. zu 4Mo 17,17-25. die Tafeln des Bundes. S. Anm. zu 2Mo 25,16 (vgl. 1Kö 8,9).
9,5 Cherubim … Sühnedeckel. S. Anm. zu 2Mo 25,17.18. nicht im einzelnen geredet. Der Schreiber möchte seine Hauptaussage nicht durch Details verschleiern (vgl. 8,1).
9,7 Der große Versöhnungstag. S. Anm. zu 4,14; 7,27; 3Mo 16,16.20-22.30. nicht ohne Blut. S. Anm. zu V. 22. Die erste von vielen Erwähnungen des Opferblutes. Das Wort »Blut« ist von besonders zentraler Bedeutung für 9,1 – 10,18, wo es den Tod der atl. Opfertiere bezeichnet sowie den Tod Christi (vgl. V. 12-14). Man beachte jedoch, dass Blutvergießen an sich ein unzureichendes Opfer ist. Christus musste nicht nur sein Blut vergießen, sondern er musste sterben. Hebr 10,10 verdeutlicht, dass er seinen Leib als Opfer gab. Ohne seinen Tod hätte sein Blut keinen errettenden Wert. S. Anm. zu V. 14.18.22; 10,10.
9,8 Das levitische System verschaffte dem Volk keinen direkten Zu- gang in die Gegenwart Gottes. Vielmehr hielt es das Volk von seiner Gegenwart fern. Nähe zu Gott musste auf eine andere Weise verschafft werden (V. 12). Das ist die Hauptlektion, die der Heilige Geist anhand der Stiftshütte lehrt. Er verdeutlicht, wie unzugänglich Gott ohne den Tod Christi ist. S. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen. S. die Gegenseite dieser Lektion in 10,20. Heilige Geist. S. Anm. zu 2,4. Durch seine inspirierte Lektion über das Allerheiligste zeigt der Heilige Geist, dass es im zeremoniellen System keinen Weg zu Gott gab. Nur Christus konnte den Weg öffnen (vgl. Joh 14,6).
9,9 ein Gleichnis. Das levitische System war ein Gleichnis und eine gegenständliche Lektion für das, was in Christus kommen sollte. für die gegenwärtige Zeit. »Für« ist zweideutig und ermöglicht zwei verschiedene Bedeutungen und Interpretationen: 1.) »während« der Zeit des ATs, oder 2.) »bis zur« christlichen Zeit und »hindeutend auf« sie. Die Übersetzung »in welcher« deutet auf die erste Möglichkeit hin. Bei der zweiten Auslegung müsste man übersetzen mit »entsprechend welchem« (nach einer alternativen gr. Lesart), wobei sich das »welchem« nicht auf die Zeit bezieht, sondern auf das »Gleichnis«: »Es war eine gegenständliche Lektion in der Vergangenheit, die auf die gegenwärtige Zeit hindeutet.« Aufgrund der Erläuterung in V. 10 ist diese letztere Auslegung zu bevorzugen. »Die gegenwärtige Zeit« ist »die Zeit der besseren Ordnung« (V. 10). Gaben und Opfer. S. Anm. zu 5,1. Gewissen … vollkommen. Dieser Ausdruck bezieht sich wiederum auf die Errettung. S. Anm. zu 5,14; 7,11; 10,1 (vgl. 7,25). Die Opfer des ATs reinigten nicht das schuldbewusste Gewissen der Opfernden und boten ihnen keine volle Sündenvergebung (vgl. 10,1-4). Sie waren nur »Gleichnisse« für jemanden, der diese Segnungen bringen würde, nämlich Christus. Das Gewissen ist eine von Gott gegebene Warneinrichtung, die auf Sünde reagiert und Vorwürfe und Schuldgefühle bewirkt (s. Anm. zu Röm 2,14.15), von denen nur das Werk Christi befreien kann (vgl. V. 14; 10,22). Bei der Errettung werden die verurteilenden Anklagen des Gewissens zum Schweigen gebracht, aber das Gewissen selbst bleibt aktiv. Es wirkt weiterhin und warnt den Gläubigen vor Sünde. Gläubige sollten nach einem reinen Gewissen trachten (s. Anm. zu 2Kor 1,12).
9,10 Speisen und Getränken. S. Anm. zu 3Mo 11,1-47; 5Mo 14,3-21 (vgl. Kol 2,16). Waschungen. S. Anm. zu 6,2. Verordnungen für das Fleisch. Die levitischen Satzungen regelten das äußere Verhalten, ohne den inneren Menschen zu verändern (vgl. 10,4). eine bessere Ordnung eingeführt. Ein gr. Wort, das so viel bedeutet wie »völlige Richtigstellung«. In Christus wurden alle Dinge in die richtige Ordnung gebracht. Die bessere Ordnung ist der Neue Bund und seine Anwendung. S. Anm. zu V. 9.
9,11 zukünftigen [Heils-]Güter. Das bezieht sich anscheinend auf die »ewige Erlösung« (V. 12). In 10,1 beziehen sich die »ewigen Heilsgüter« zurück auf das »Heil« in V. 28 (vgl. Röm 10,15). Die meisten gr. Ausgaben des NTs akzeptieren die Lesart »gewordenen« (statt zukünftigen). In diesem Kontext beziehen sich beide Lesarten auf die Güter des Neuen Bundes. Es ist nur eine Frage der Perspektive: entweder aus Sicht des levitischen Systems, bei dem die Erlösung noch »zukünftig« war, oder aus Sicht der christlichen Zeit, in der die Erlösung »geworden« ist, weil Christus sein Werk vollbracht hat. nicht von dieser Schöpfung. Das erklärt den Ausdruck »nicht von Händen gemacht«. Das Heiligtum, in dem Christus dient, ist allein Gottes Schöpfung und der Himmel selbst (vgl. V. 24; 8,2).
9,12 Böcken und Kälbern. Am großen Versöhnungstag wurde je- weils nur eins dieser Tiere geopfert (vgl. 3Mo 16,5-10). Der Plural hier spricht von der Vielzahl der Opfer, die sich ergaben, weil der Versöhnungstag Jahr für Jahr stattfand. mit seinem eigenen Blut. Eine bessere Übersetzung wäre »durch sein eigenes Blut«. Derselbe Ausdruck wird in 13,12 verwendet. Nichts weist darauf hin, dass Christus tatsächlich sein leibhaftiges Blut in das himmlische Heiligtum gebracht habe. Der Opfernde war auch das Opfer. ein für allemal. S. Anm. zu 7,27. ewige Erlösung. Dies Wort für Erlösung kommt nur hier vor sowie in Lk 1,68; 2,38. Es bezeichnete ursprünglich die Freilassung von Sklaven durch die Zahlung eines Lösegelds.
9,13 Christi Tod war notwendig, damit der ältere Bund erfüllt und der Neue Bund eingeführt wurde. 9,13 Asche der jungen Kuh. S. Anm. zu 4Mo 19. Man sagt, in der Geschichte Israels seien nur sechs junge Kühe getötet und ihre Asche verwendet worden. Die Asche von einer Kuh reichte für Jahrhunderte aus, da nur ein winziger Bruchteil der Asche benötigt wurde. Verunreinigten. Das gr. Wort bedeutet wörtl. »gemein« oder »profan« und bezeichnete keine zeremonielle Unreinheit, sondern bedeutete, dass etwas nicht geheiligt oder für Gott abgesondert war. Im NT wird dieses Wort verwendet in Jesu Erklärung, was einen Menschen verunreinigt (vgl. Mt 15,11.18.20; Mk 7,15.18.20.23), beim Vorwurf der Juden gegen Paulus, er führe (angeblich) Heiden in den Tempel und verunreinige ihn somit (Apg 21,28), und für das Fleisch, das Petrus zu essen aufgefordert wurde (Apg 10,15; 11,9). Den mosaischen Satzungen zufolge musste die Asche der Kuh »außerhalb des Lagers« aufbewahrt werden und wurde in einer Zeremonie verwendet, die die Reinigung von Sünden symbolisierte (4Mo 19,9; vgl. 13,11-13).
9,14 wie viel mehr. Das Opfer Christi hat eine weitaus überlegene Reinigungswirkung als die Asche von Tieren. das Blut des Christus. Dieser Ausdruck bezieht sich nicht nur auf die Flüssigkeit, sondern auf das gesamte Werk des Sühneopfers Christi in seinem Tod. Blut wird als Synonym für Tod verwendet (vgl. Mt 23,30.35; 27,6.8.24.25; Joh 6,5456; Apg 18,6; 20,26). S. Anm. zu Mt 26,28; Röm 3,25; 5,9; Kol 1,14. den ewigen Geist. S. Anm. zu 2,4 (vgl. Jes 42,1; 61,1; Lk 4,1.14). Einige Ausleger argumentieren, aufgrund des Fehlens des bestimmten Artikels im Gr. beziehe sich dieser Ausdruck auf Jesu eigenen »ewigen Geist« (im Sinne eines endlosen Lebens, vgl. 7,16). In 2,4 und 6,4 wird der Heilige Geist jedoch ebenfalls ohne bestimmten Artikel erwähnt. Die nähere Bestimmung »ewig« verbindet den Geist mit der »ewigen Erlösung« (V. 12) und dem »ewigen Erbe« (V. 15); beides hat Christus durch seinen Opfertod erworben. sich selbst … dargebracht. S. Anm. zu V. 7; Joh 10,17.18. Im levitischen System starben die Tiere unfreiwillig und ohne eigene Einsicht. Christus brachte sich freiwillig dar und im vollen Bewusstsein, dass sein Opfer notwendig war und welche Konsequenzen es haben würde. Sein Opfer war nicht nur sein Blut, sondern seine ganze Menschennatur (vgl. 10,10). makelloses. In der LXX bezeichnet dieser Begriff annehmbare Opfer einschließlich der roten Kuh (4Mo 19,3; vgl. 2Mo 29,1; 3Mo 1,3). Ein ähnlicher Bezug fi ndet sich in 1Pt 1,19 (s. Anm. dort). Gewissen. S. Anm. zu V. 9. toten Werken. S. Anm. zu 6,1. Die Werke sind tot, weil die nicht Wiedergeborenen »tot sind in Übertretungen und Sünden« (Eph 2,1), ihre Werke wertlos und unproduktiv sind (Gal 2,16; 5,19-21) und zum Tod führen (Röm 6,23). dem lebendigen Gott dienen. Die Errettung ist kein Selbstzweck. Der Gläubige wurde von Sünden befreit, um Gott zu dienen (vgl. Röm 6,16-18; 1Th 1,9). Der Gegensatz zwischen toten Werken und dem lebendigen Gott (vgl. 3,12; 10,31; 12,22) ist grundlegend. Vgl. Jak 2,14-26.
9,15 identifi ziert als der »Neue Bund«. 9,15 Mittler. S. Anm. zu 8,6. Tod. Zum Abschluss einiger biblischer Bündnisse gehörten Opfer. Als Gott den Bund mit Abraham schloss, wurden bei der Zeremonie fünf verschiedene Tiere geopfert (1Mo 15,9.10). Der mosaische Bund wurde durch Tieropfer bestätigt (2Mo 24,5-8). Erlösung. Das hier verwendete zusammengesetzte Wort kommt häufi ger vor als der Begriff in V. 12 (vgl. 11,35; Lk 21,28; Röm 3,24). Jesu Tod hat rückwirkend alle Gläubigen unter dem Alten Bund erlöst (vgl. Röm 3,24-26). Das stimmt überein mit dem Symbolismus des großen Versöhnungstages. Alljährlich sühnte bzw. bedeckte der Hohepriester die Sünden, die das Volk im vorangegangenen Jahr begangen hatte (3Mo 16,16.21.30). ersten Bund. S. Anm. zu 1Mo 9,16. Der historisch tatsächlich erste Bund wurde mit Noah geschlossen (1Mo 6,18; 9,9). Der nächste war der Abrahamsbund (1Mo 15,18). Dem Kontext zufolge geht es hier jedoch um den so genannten mosaischen Bund bzw. den Bund des Gesetzes (2Mo 19,1-20.21). »Erste« bezieht sich daher in diesem Vers auf den vorherigen, älteren Bund, mit dem das levitische System verbunden ist. die Berufenen. Wörtl. »die Berufenwordenseienden«, was zurückblickt auf diejenigen unter dem Alten Bund, die von Gott zum Heil berufen wurden auf Grundlage des Opfers Jesu Christi, das erst lange Zeit nach dem Tod der meisten dieser Berufenen geschehen sollte. »Berufen« bedeutet in den ntl. Briefen stets Gottes wirksame Berufung zum Heil (vgl. 3,1), was sich in diesem Zusammenhang auf Gläubige des ATs bezieht. verheißene ewige Erbe. D.h. das Heil in seiner Fülle (s. Anm. zu »Ruhe« in 3,11; 4,1.9; 6,12; 1Pt 1,3-5).
9,16 Ein letzter Wille bzw. Testament illustriert hier die Notwen- digkeit des Todes Christi. »Testament« ist im Gr. dasselbe Wort, das auch mit »Bund« übersetzt wird, doch in diesem Kontext nimmt das Wort eine speziellere Bedeutung an. Die Wohltaten und Verordnungen eines Testaments sind lediglich Verheißungen, solange der Verfasser noch lebt. Sein Tod verwirklicht die Verheißungen.
9,18 Auch die Blutvergießung bei der Zeremonie der Bundes- schließung am Berg Sinai (2Mo 24,1-8) illustriert die Notwendigkeit des Todes Christi (s. Anm. zu V. 15). 9,18 Blut. Der Begriff »Tod« in V. 15.16 wird nun durch »Blut« er- setzt (s. Anm. zu V. 7.14). Dieses Wort betont den gewaltsamen Aspekt seines Opfertodes.
9,19 Wasser und Purpurwolle und Ysop. Diese Dinge wurden zur Blutbesprengung beim Passah in Ägypten verwendet (2Mo 12,22) sowie bei der rituellen Reinigung von Aussätzigen (3Mo 14,4) und in der Zeremonie mit der roten Kuh (4Mo 19,6). Doch hier geht es um noch weitere Verwendungen dieser Elemente. Sie wurden ebenfalls verwendet bei der Blutbesprengung in der Bundeszeremonie, die beschrieben ist in 2Mo 24,1-8, wenngleich sie dort nicht ausdrücklich erwähnt sind. Die zusätzlichen Details wurden dem Schreiber entweder direkt von Gott eingegeben oder sie waren in anderen Überlieferungen enthalten, die der Schreiber und seine Leser kannten. das Buch … das ganze Volk. S. Anm. zu 2Mo 24,1-8. Die Einweihung Aarons und seiner Söhne in das Priestertum ist die einzige weitere Begebenheit im AT, wo Menschen mit Blut besprengt wurden (2Mo 29,21; 3Mo 8,30; vgl. 1Pt 1,2). Dass auch das Buch mit dem Blut besprengt wurde, wird in 2. Mose nicht berichtet.
9,20 Dies ist das Blut. Vgl. 2Mo 24,8 mit Mt 26,28. Bei der Ein- führungszeremonie des mosaischen Bundes und bei der Einsetzung des Neuen Bundes wurde dieselbe Formulierung verwendet.
9,21 in gleicher Weise. Die Einweihung des Zeltes und seiner Gerä- te ging mit einer Blutbesprengung einher, die dem Ritual bei der Einführung des mosaischen Bundes entsprach (vgl. 2Mo 29,10-15.21.36.37).
9,22 fast alles. Es gibt einige wenige Ausnahmen. Wasser, Weih- rauch und Feuer wurden ebenfalls zur Reinigung verwendet (vgl. 2Mo 19,10; 3Mo 15,5; 4Mo 17,11.12; 31,21-24). Wer zu arm war, um auch nur ein kleines Opfertier darzubringen, durfte stattdessen Feinmehl opfern (3Mo 5,11). Blutvergießen … Vergebung. »Das Blut ist es, das Sühne erwirkt für die Seele« (3Mo 17,11). Die Ausdrucksweise erinnert an Christi eigene Worte (Mt 26,28). »Blutvergießen« bedeutet Tod (s. Anm. zu V. 7.14.18). »Vergebung« ist das nachdrückliche letzte Wort dieses Abschnitts (V. 18-22) im gr. NT und bildet den Übergang zum nächsten Abschnitt (V. 23-28).
9,23 Christus muss seinen Dienst als Hoherpriester im vollkom- menen Heiligtum des Himmels ausüben. Der wirkliche Hohepriester, der das wirkliche Opfer für Sünde darbrachte, dient im wirklichen Heiligtum. Er ist die vollständige Erfüllung der schattenhaften Abbilder des levitischen Systems. 9,23 Abbilder. S. Anm. zu 8,5. Das irdische Zelt und seine Gerä- te waren nur symbolische Nachbildungen des wahren Heiligtums im Himmel (8,2) und wurden auch durch die Übertretungen des Volkes verunreinigt (3Mo 16,16). im Himmel befi ndlichen Dinge. Wie der vorangegangene Kontext verdeutlicht, musste der mosaische Bund durch Opfer eingeführt werden (V. 18-21). Dieses Muster wird hier auf das himmlische Heiligtum angewendet – es wird durch Christi Tod als das zentrale Heiligtum des Neuen Bundes eingeweiht bzw. eingeführt. Der bessere Bund erforderte ein besseres Opfer. bessere Opfer. Christi erhabenes Opfer ist das Hauptthema in 9,13 – 10,18. Die vielen Opfer des levitischen Systems wurden ersetzt durch bessere Opfer, die allesamt repräsentiert sind in dem einen allumfassenden und vollkommenen Opfer Jesu Christi (vgl. 10,12). S. Anm. zu 7,22.
9,24 Nachbildung. Das ist nicht derselbe Begriff wie in V. 23 und
8,34 Vgl. die hohepriesterliche Fürbitte Jesu in Joh 17. Da die Rabbiner den Engeln zuschrieben, für Menschen vor Gott eintreten zu können, wurden Engel wie Fürsprecher behandelt. Der Schreiber macht deutlich, dass allein Christus der Fürsprecher ist (vgl. 1Tim 2,5).
8,5 Das Zitat stammt aus 2Mo 25,40. Abbild und Schatten. Das bedeutet nicht, dass es im Himmel tatsächliche Gebäude gibt, von denen die Stiftshütte ein Abbild war, sondern vielmehr, dass die himmlische Realität im irdischen Modell der Stiftshütte adäquat symbolisiert und repräsentiert wurde. 8,5, sondern bedeutet wörtl. »Gegenbild« oder »Antitypus«. Es kommt im NT nur zweimal vor. Der Antitypus schattet entweder den Typus voraus (wie hier), oder er ist eine spätere Veranschaulichung des Typus (wie in 1Pt 3,21). In beiden Fällen ist der Antitypus nicht die eigentliche Realität, sondern nur ein Abbild davon. Das irdische »Heiligtum« der Stiftshütte war nur ein Bild für den himmlischen Wohnort Gottes. jetzt … erscheinen. Am großen Versöhnungstag betrat der Hohepriester das Allerheiligste, wo Gott erschien (3Mo 16,2). Der Hohepriester war jedoch durch die Wolke des Weihrauchs vor der Gegenwart Gottes verborgen (3Mo 16,12.13). S. auch »ist erschienen« (V. 26) und »wird erscheinen« (V. 28). Jedes Verb ist im Gr. ein anderer Begriff. Das Wort für Christi jetziges Erscheinen im Himmel (V. 24) spricht von seinem amtlichen Auftreten, um Gott, dem Vater, die Erfüllung seines Sendungsauftrags zu berichten. Die Fleischwerdung Christi, in der er erschien, um für Sünde zu sterben, enthält ebenfalls den Gedanken des Erscheinens (V. 26). Im Zusammenhang mit Christi Erscheinung bei seiner Wiederkunft (V. 28) betont der verwendete Ausdruck, dass die Erscheinung sichtbar ist (vgl. 2,8; 12,14). Damit sind alle drei Zeitphasen von Christi Werk als Erlöser abgedeckt: 1.) Sein erstes Kommen, um uns vor der Strafe der Sünde zu retten; 2.) Sein gegenwärtiger Dienst als Fürsprecher im Himmel, um uns vor der Macht der Sünde zu retten und 3.) seine Wiederkunft, um uns von der Gegenwart der Sünde zu retten. für uns. Christus ist unser Stellvertreter und sorgt für unsere geistlichen Segnungen (vgl. 2,9; 6,20; 7,25; Joh 14,12-14; Eph 1,3).
9,26 von Grundlegung der Welt an. Das bezieht sich auf die Schöpfung (s. Anm. zu 4,3). Vollendung der Weltzeiten. Alle Epochen und Zeitalter münden in der Ankunft des Messias und werden darin vollendet. Damit wurde das eschatologische Zeitalter eingeführt (s. Anm. zu 1,2; vgl. Gal 4,4).
9,27 einmal zu sterben. Das ist ein allgemeines Gesetz für alle Menschen. Es gab nur äußerst wenige Ausnahmen (z.B. starb Lazarus zweimal; vgl. Joh 11,43.44). Solche Menschen wie z.B. Lazarus wurden durch ein Wunder des Herrn von den Toten auferweckt, hatten dann aber noch keinen verherrlichten Leib und kein ewiges Leben. Sie wurden quasi nur wiederbelebt. Eine weitere Ausnahme bilden diejenigen, die überhaupt nicht sterben, sondern »entrückt werden und dem Herrn in der Luft begegnen« (1Th 4,17; vgl. Henoch, 1Mo 5,24; Elia, 2Kö 2,11). das Gericht. Ein allgemeiner Ausdruck, der das Gericht über alle Menschen umfasst, Gläubige (s. Anm. zu 2Kor 5,10) und Ungläubige (s. Anm. zu Offb 20,11-15).
9,28 um die Sünden vieler auf sich zu nehmen. S. Anm. zu Jes 53,12 (vgl. 2Kor 5,21; 1Pt 2,24). zum zweiten Mal. Am großen Versöhnungstag wartete das Volk sehnlichst darauf, dass der Hohepriester aus dem Allerheiligsten zurückkam. Wenn er erschien, wussten sie, dass Gott das Opfer für sie angenommen hatte. In gleicher Weise wird Christi zweites Erscheinen bei seiner Wiederkunft bestätigen, dass Gott, der Vater, mit dem Opfer des Sohnes zugunsten der Gläubigen völlig zufrieden ist. Dann wird das Heil vollendet sein (vgl. 1Pt 1,3-5). auf ihn warten. S. Anm. zu Phil 3,20. nicht wegen der Sünde. S. Anm. zu 2,17.18; 4,15. Dieser Ausdruck bezeugt das vollbrachte Werk Christi, durch das er bei seinem ersten Kommen mit seinem Opfer die Sünde aufgehoben hat. Bei seiner Wiederkunft wird keine solche Bürde auf ihm liegen.
10,1 Christi Opfer gilt ein für allemal und ist über alle Opfer des levitischen Systems erhaben. 10,1 Schatten. S. Anm. zu 8,5. Der gr. Begriff, der hier mit »Schat- ten« übersetzt ist, bezeichnet eine matte Widerspiegelung im Gegensatz zu einem scharfen und deutlichen Abbild. Der Ausdruck hinter »Gestalt der Dinge selbst« weist andererseits auf eine exakte und klare Nachbildung hin (vgl. Kol 2,17). [Heils-]Güter. S. Anm. zu 9,11. Vollendung. Dieser Begriff bezeichnet im Hebräerbrief häufi g das Heil. S. Anm. zu 5,14; 7,11; 9,9. So sehr die Menschen unter dem Gesetz auch wünschten, Gott zu nahen, bot das levitische System doch keinen Weg, um in seine heilige Gegenwart zu treten (vgl. Ps 15,1; 16,11; 24,3.4).
10,2 Bewusstsein von Sünden. Dasselbe Wort, das in V. 22; 9,9; 13,18 mit »Gewissen« übersetzt ist. S. Anm. zu 9,9. Wäre die Sünde wirklich durch dies Opfersystem überwunden worden, dann wäre das Gewissen der atl. Gläubigen von der verurteilenden Schuld gereinigt gewesen (vgl. V. 22). Unter dem Alten Bund gab es keine Freiheit für das Gewissen.
10,3 Erinnerung. Die Opfer des ATs konnten keinesfalls die Sün- den bereinigen, sondern ihre andauernde Wiederholung erinnerte beständig an diesen Missstand. Der Neue Bund verheißt, dass die Sünde beseitigt ist und sogar Gott »ihrer Sünden nicht mehr gedenkt« (8,12, ein Zitat aus Jer 31,34).
10,4 unmöglich. Das levitische System war von Gott nicht dafür entworfen, Sünden zu vergeben oder zu beseitigen, sondern bereitete das Kommen des Messias vor (Gal 3,24), indem es das Volk in eine Erwartungshaltung brachte (vgl. 1Pt 1,10). Da selbst das zeitliche Zudecken von Sünden den Tod eines Tieres erforderte, offenbarte dieses System, wie furchtbar ihr sündiger Zustand war. Das System verdeutlichte, dass Sünde unbedingt zugedeckt werden musste und offenbarte dadurch Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit. Und letztlich offenbarte es, dass vollständige Vergebung notwendig ist, damit Gott die ersehnte Gemeinschaft mit seinem Volk haben kann.
10,5 Ein Zitat aus Ps 40,7-9. 10,5 hast du nicht gewollt. Gott hatte kein Gefallen an Opfern von jemandem, der sie nicht aus aufrichtigem Herzen darbrachte (vgl. Ps 51,19; Jes 1,11; Jer 6,20; Hos 6,6; Am 5,21-25). Ein rein rituelles Opfern ohne Gehorsam war Lästerung und schlimmer als überhaupt kein Opfer (vgl. Jes 1,11-18). 10,5 einen Leib aber hast du mir bereitet. Psalm 40,7 liest: »Die Ohren hast du mir aufgetan.« Das ist aber keine wesentliche Änderung der Bedeutung des Psalms, was daraus deutlich wird, dass der Schreiber den Ausdruck nach der LXX zitiert. Für die griechischsprachigen Leser war das eine treffende Wiedergabe. Die Übersetzer ins Griechische betrachteten die hebr. Worte als bildhafte Rede, bei der ein Teil einer Sache das Ganze repräsentierte. Das Bilden der Ohröffnung war also ein Teil des gesamten Werkes, einen menschlichen Körper zu formen. Und das Ohr wurde deshalb als Bestandteil gewählt und besonders herausgestellt, weil es als Sinnesorgan für die Wahrnehmung von Gottes Wort und Willen Gehorsam symbolisiert (vgl. 1Sam 15,22). Christus brauchte einen Körper, um sich selbst als das endgültige Opfer darzubringen (2,14).
10,7 um deinen Willen … zu tun. Vgl. Mt 26,39.42.
10,8 Der Schreiber zitiert wieder Ps 40,7-9, doch jetzt in gestraff- ter Form.
10,9 erste … zweite. Das alte, wiederholende Opfersystem wurde beseitigt, um Platz zu machen für das neue, ein für allemal gültige Opfer Christi, der gehorsam den Willen Gottes getan hat (vgl. 5,8; Phil 2,8).
10,10 geheiligt. Das bedeutet »heilig machen«, von der Sünde für Gott absondern (vgl. 1Th 4,3). Als Christus den Willen Gottes erfüllte, verschaffte er damit dem Gläubigen einen dauerhaften, beständigen Zustand der Heiligkeit (Eph 4,24; 1Th 3,13). Das ist die stellungsmäßige Heiligung des Gläubigen im Gegensatz zu seiner fortschreitenden Heiligung, die sich daraus ergibt, dass der Gläubige täglich durch den Willen Gottes wandelt (s. Anm. zu Röm 6,19; 12,1.2; 2Kor 7,1). Leibes. Das bezieht sich auf Christi Sühnetod, genau wie zuvor der Begriff »Blut« (9,7.12.14.18.22). Die Erwähnung des Leibes Christi in einer solchen Aussage ist im NT ungewöhnlich, leitet sich logisch jedoch aus dem Zitat von Ps 40,8 ab.
10,11 Altes und Neues werden gegenüber gestellt: Tausende von Priester im Gegensatz zu einem einzigen; der immer wieder dastehende Priester im Gegensatz zu dem einen, der sich nun gesetzt hat; die wiederholten Opfer im Gegensatz zu dem ein für allemal geschehenen Opfer; und die unwirksamen Opfer, die Sünde nur bedecken konnten, im Gegensatz zu dem wirksamen Opfer, das die Sünde vollständig beseitigt. 10,11 steht da. S. Anm. zu 1,3. In 2Chr 6,10.12 setzte Salomo sich als König auf seinen Thron, stand aber am Altar, als er eine priesterliche Rolle ausübte (vgl. 5Mo 17,12; 18,7).
10,13 Schemel. S. Anm. zu 1,13. Eine weitere Anspielung auf Ps 110,1. Diese Voraussage wird sich erfüllen, wenn Christus wiederkommt, die ganze Schöpfung ihn als Herrn anerkennt und sich zu seinen Füßen niederbeugt (Phil 2,10).
10,14 vollendet. S. Anm. zu V. 1. Dazu gehört eine vollendete Stellung vor Gott in der Gerechtigkeit Christi (s. Anm. zu Röm 3,22; Phil 3,8.9). geheiligt. S. Anm. zu V. 10.
10,15 Der Schreiber bestätigt seine Auslegung von Ps 40,8-10 mit der Wiederholung des Zitats aus Jer 31,31-34, das er bereits in 8,812 angeführt hatte. 10,19-25 Der Schreiber fasst zum zweiten Mal (vgl. 8,1-6) die Argumente zusammen, die die Erhabenheit des Priesterdienstes Christi belegen.
10,19 Brüder. S. Anm. zu 3,12. Wie in 3,12 spricht der Schreiber auch hier seine jüdischen Brüder an und lädt sie ein, das levitische System hinter sich zu lassen und sich die Segnungen des Neuen Bundes in Christus anzueignen. Freimütigkeit. Oder »Zuversicht«, in diesem Brief ein wichtiger Begriff (s. Anm. zu 4,16). Aufgrund des hohenpriesterlichen Dienstes Christi und seines vollendeten Opfers können die Hebräer freimütig in die Gegenwart Gottes treten.
10,20 neuen. Im Gr. bedeutete dieses Wort ursprünglich »frisch geschlachtet«; wurde zur Zeit der Abfassung dieses Briefes jedoch als »aktuell« verstanden. Der Weg ist neu, weil der Bund neu ist. Diesen Weg bot das levitische System nicht an. lebendigen Weg. Wenngleich dies der Weg des ewigen Leben ist, wurde er nicht durch Jesu sündloses Leben geöffnet, sondern erforderte seinen Tod. S. Anm. zu 2,17.18; 4,16. Der Schreiber lud die Hebräer ein, diesen Weg einzuschlagen, der charakterisiert ist vom ewigen Leben des Sohnes Gottes, der sie geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat (vgl. Joh 14,6; Gal 2,20). Der christliche Glaube war sowohl unter den Juden in Jerusalem (Apg 9,2) als auch unter den Heiden (Apg 19,23) als »der Weg« bekannt. Die Empfänger dieses Briefes verstanden recht deutlich, dass der Schreiber sie einlud, Christen zu werden und sich denen anzuschließen, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden. Wahre Gläubige unter ihnen erlitten sogar zu diesem Zeitpunkt Verfolgung, und diejenigen, die sich noch nicht für »den Weg« entschlossen hatten, wurden aufgefordert, dieselbe Verfolgung über sich ergehen zu lassen. Vorhang … Fleisch. So wie bei der Kreuzigung Jesu Fleisch zerrissen wurde, so wurde auch der Vorhang im Tempel zerrissen, der symbolisch die Menschen von der Gegenwart Gottes trennte (Mt 27,51). Wenn der Hohepriester am Großen Versöhnungstag ins Allerheiligste trat, wartete das Volk draußen darauf, dass er zurückkehrte. Als Christus das himmlische Heiligtum betrat, kehrte er nicht zurück. Stattdessen hat er den Vorhang und das Allerheiligste geöffnet, sodass wir ihm folgen können. Hier wird der Begriff »Fleisch« im dem Sinne verwendet wie zuvor »Leib« (V. 10) und »Blut« (9,7.12.14.18.22), die den Opfertod des Herrn Jesus bezeichneten.
10,21 Haus Gottes. S. Anm. zu 3,6.
10,22 lasst uns hinzutreten. S. Anm. zu 7,19. Das war das Herzstück der Einladung an jene in der Gemeinde, die noch nicht zu Christus gekommen waren. Sie basierte auf dem, was bisher geschrieben worden war. Dieselbe Einladung fi ndet sich auch in dem Buch des NTs, das als Erstes geschrieben wurde (Jak 4,8), wo Jakobus zeigt, was geschieht, wenn man sich Gott naht: Er wird sich uns nahen. Asaph lehrte, dass es gut ist, sich Gott zu nahen (Ps 73,28). Die volle Wiederherstellung Israels zur Fülle des Segens Gottes hängt davon ab, dass sich das Volk wieder Gott zuwendet und ihm naht (Jer 30,18-22). Anders ausgedrückt, handelt es sich um eine eschatologische Einladung an sie, die in »diesen letzten Tagen« leben (1,2). Dieser Vers beschreibt die nötigen Voraussetzungen, um in die Gegenwart Gottes zu treten (vgl. Ps 15): Aufrichtigkeit, Gewissheit, Errettung und Heiligung. wahrhaftigem Herzen. Der gr. Begriff für »wahrhaftig« vermittelt den Gedanken, aufrichtig und echt zu sein, ohne versteckte Motive (vgl. Jer 24,7; Mt 15,8). An dieser einen Sache fehlte es dieser Gruppe von Hebräern: echte Hingabe an Christus. völliger Gewissheit des Glaubens. S. Anm. zu 6,11. Dieser Ausdruck bezeichnet völliges Vertrauen auf die Verheißungen Gottes. Diese Zuversicht führt zu einer tief empfundenen Heilsgewissheit, die den Gläubigen ermöglicht, den künftigen Erprobungen standzuhalten. Das ist der erste Punkt einer bekannten Dreiergruppe: Glaube, Hoffnung (V. 23) und Liebe (V. 24). Besprengung der Herzen. S. Anm. zu 9,9.14; 10,1-4; 1Pt 1,2. reinem Wasser. Die Bildersprache dieses Verses stammt aus den Opferzeremonien des Alten Bundes, wo Blut als ein Zeichen der Reinigung gesprengt wurde. Die Priester wuschen sich und die heiligen Gefäße immer wieder in Becken mit klarem Wasser. Das »Waschen mit reinem Wasser« bezieht sich nicht auf die christliche Taufe, sondern darauf, dass der Heilige Geist das Leben des Gläubigen durch das Wort Gottes reinigt (vgl. Eph 5,25.26; Tit 3,5). Das ist ein Bild, das sich ausschließlich auf den Neuen Bund bezieht (Jer 31,33; Hes 36,25.26).
10,23 festhalten. Das Standhalten bzw. das Ausharren in der Heiligkeit ist die menschliche Seite der ewigen Heilssicherheit. Das geschieht nicht, um die Errettung aufrecht zu erhalten, sondern ist vielmehr ein Erweis der Errettung. S. Anm. zu 3,6. Bekenntnis der Hoffnung. Die Bestätigung der Errettung. S. Anm. zu 3,1. ohne zu wanken. Das bedeutet, keinerlei Neigung zu folgen, die zurück zum alten Bund führt. In anderer antiker Literatur beschreibt derselbe gr. Ausdruck das Ertragen von Folter. Es wird Verfolgung geben (2Tim 3,12), aber Gott ist treu. Die Versuchungen werden überhand nehmen, aber Gott ist treu und wird einen Ausweg schaffen (vgl. 1Kor 10,13). Gottes Verheißungen sind zuverlässig (1Kor 10,13; 1Th 5,24; Jud 24,25). Mit dieser Zuversicht kann der Gläubige ausharren.
10,24 Acht geben. Dasselbe Verb wird in 3,1 für Jesus verwen- det. Auf diese Einladung muss jeder Einzelne reagieren, doch gibt es auch eine kollektive Seite der Reaktion. Die Leser gehörten zu einer Gemeinschaft von Hebräern, die sich anfänglich zu Christus hingezogen fühlten. Die aber jetzt in Gefahr standen, sich zurückzuziehen. Sie hatten in Erwägung gezogen, zum levitischen System des Judentums zurückzukehren, um der Verfolgung aus dem Weg zu gehen (vgl. Joh 12,42.43). Es ist äußerst wichtig, sich gegenseitig zur vollen Hingabe zu ermutigen. anspornen. Das Fremdwort »Paroxysmus« (heftiger Anfall, Höhepunkt) stammt von diesem gr. Begriff. In diesem Zusammenhang bedeutet er, jemanden zu etwas anzureizen oder anzutreiben. zur Liebe und zu guten Werken. Ein Beispiel für solche gegenseitigen Bemühungen sollte in Korinth vorhanden sein (vgl. 2Kor 8,1-7).
10,25 Versammlung nicht verlassen. Kollektive, gemeinsame Anbetung ist ein wesentlicher Bestandteil des geistlichen Lebens. Dies ist eine Warnung vor Abfall in einem endzeitlichen Zusammenhang (vgl. 2Th 2,1). Es geht um den herannahenden »Tag« (die Wiederkunft Christi; vgl. Röm 13,12; 1Kor 3,13; 1Th 5,4). ermahnen. Ermahnung kann die Gestalt annehmen von Ermutigung, Trost, Warnung und Stärkung. In dieser Ermahnung liegt eine endzeitliche Dringlichkeit, die eine gesteigerte Aktivität erfordert, da die Wiederkunft Christi naht (vgl. 3,13; vgl. 1Th 4,18).
10,26 S. Anm. zu 6,1-8. In diesem warnenden Abschnitt geht es um die Sünde des Abfalls, eines willentlichen Wegwendens oder Lossagens. Abgefallene sind solche, die auf Christus zugehen, sein Evangelium hören, es verstehen und an der Schwelle des rettenden Glaubens stehen, doch dann rebellieren und sich abwenden. Diese Warnung vor Abfall ist eine der ernstesten Warnungen der ganzen Bibel. Nicht alle Hebräer reagierten auf die sanfte Einladung von V. 19-25. Andere hatten sich bereits entschieden. 10,26 wir. Der Schreiber formuliert seine Aussage wie eine rheto- rische Frage. In V. 39 schließt er sich selber und wahre Gläubige aus dieser Kategorie aus. mutwillig sündigen. Der gr. Ausdruck vermittelt den Gedanken einer vorsätzlichen, gewohnheitsmäßigen Absicht. Bei dieser Sünde handelt es sich nicht um vereinzelte Taten, sondern sie ist ein bewusstes Verwerfen Christi. Dem mosaischen Gesetz zufolge musste derjenige, der eine solche vorsätzliche und absichtliche Sünde begangen hatte, von der Gemeinschaft (vgl. 4Mo 15,30.31) und vom Gottesdienst Israels ausgeschlossen werden (vgl. 2Mo 21,14). Solche Sünden schlossen die Person auch vom Schutz in den Zufl uchtsstädten aus (vgl. 5Mo 19,11-13). Erkenntnis. Der gr. Begriff bezeichnet nicht die allgemeine geistliche Erkenntnis, sondern eine spezielle Erkenntnis (vgl. 6,4; vgl. 1Tim 2,4). Wenngleich die Erkenntnis nicht mangelhaft oder unvollständig war, so war diese Erkenntnis sicherlich unzureichend angewendet worden. Judas Ischariot ist ein gutes Beispiel für einen Jünger, dem es nicht an Erkenntnis fehlte, sondern an Glauben, und der somit zum Erz-Agefallenen wurde. kein Opfer mehr übrig. S. Anm. zu 6,6. Der Abgefallene kann nicht mehr errettet werden, weil er das einzige Opfer verworfen hat, das ihn von Sünde reinigen und ihn zu Gott führen könnte. Wenn er sich von diesem Opfer wegwendet, verbleibt ihm keine andere Alternative der Errettung. Das ist ein Parallele zu Mt 12,31 (s. Anm. dort).
10,27 schreckliches Erwarten. Das Gericht wird gewisslich kom- men und veranlasst deshalb Angst. des Gerichts und ein Zorneseifer des Feuers. Eine ähnliche Beschreibung fi ndet sich in Jes 26,11 und Zeph 1,18 (vgl. 2Th 1,7-9). Letzten Endes ist dies das Gericht im ewigen Feuersee (vgl. Mt 13,38-42.49.50). Widerspenstigen. Ablehnung Gottes und seines Heilsplans (s. Anm. zu Phil 3,18.19).
10,28 Vgl. 5Mo 17,2-7.
10,29 wie viel schlimmerer Strafe. In der Hölle wird es unter- schiedliche Grade der Bestrafung geben. Das wird auch aus Mt 11,2224 deutlich (s. Anm. dort). mit Füßen getreten. In der Antike war es im Orient eine Geste der Geringschätzung, »den Fuß gegen jemanden zu erheben« (vgl. Ps 41,10). Auf jemanden oder auf eine Sache zu treten oder darauf zu herumzutrampeln, war eine noch extremere Geste, die absolute Verachtung und Verschmähung ausdrückte (vgl. 2Kö 9,33; Jes 14,19; Mi 7,10; Sach 10,5). Diese Verachtung zeigt, dass diese Person Christus als Retter und Herrn vollständig verworfen hat. Blut des Bundes. S. Anm. zu 9,14.15. Christi Tod eröffnete bzw. bestätigte den Neuen Bund. für gemein geachtet. Christ Blut als etwas »Gemeines« oder Profanes anzusehen, ist dasselbe, als wenn man sagt, es sei unrein oder schmutzig (s. Anm. zu 9,13) oder als würde man sagen, Christus sei ein Sünder und ein befl ecktes Opfer. Ein solches Denken ist wirklich Gotteslästerung. geheiligt. Das bezieht sich auf Christus, der für Gott abgesondert war (vgl. Joh 17,19). Auf den Abgefallenen kann sich das nicht beziehen, da nur wahre Gläubige geheiligt sind. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. den Geist der Gnade geschmäht. S. Anm. zu 6,4 und 9,14. Derselbe Titel kommt in Sach 12,10 vor. Christus zu verwerfen, bedeutet, den Heiligen Geist zu verschmähen, der durch ihn gewirkt (Mt 12,31.32) und ihn bezeugt hat (Joh 15,26; 16,811). 10,30 Ein Zitat aus 5Mo 32,35.36 (vgl. Ps 135,4; Röm 12,19).
10,31 lebendigen Gottes. S. Anm. zu 3,12.
10,32 Dieser Abschnitt präsentiert ein Wort der Ermutigung, um nach der vorhergegangenen ernsten Warnung nun das Gleichgewicht herzustellen (V. 19-31). Die Hebräer sollen sich von ihrer früheren Erfahrung motivieren lassen, vom bevorstehenden Lohn stärken lassen und von der Furcht vor Gottes Missfallen davon abhalten lassen, zurück ins Judentum zu fallen. 10,32 Erinnert. Das Wort vermittelt den Gedanken nicht nur eines Erinnerns, sondern eines sorgsamen Zurückdenkens und gedanklichen Rekonstruierens (vgl. Apg 5,41; 2Kor 7,15). erleuchtet. S. Anm. zu 6,4 (vgl. »Erkenntnis der Wahrheit« in V. 26). viel Kampf. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor. Es beschreibt einen kämpfenden Sportler in einem heftigen Wettkampf (vgl. 2Tim 2,5). Nachdem sie erleuchtet worden waren, hatten sie gelitten (V. 33), wurden beleidigt und begannen abzufallen (s. Anm. zu Mt 13,20.21).
10,33 öffentlich preisgegeben. Oder »zur Schau gestellt«. Das gr. Wort ist theatrizo, was auf ein Theater anspielt. Dabei werden die Schauspieler auf eine Bühne gestellt, wo sie von allen betrachtet werden können. Im Zusammenhang dieses Verses bedeutet das Schmach und Spott (vgl. 1Kor 4,9). Gemeinschaft hattet. Oder »Gefährten wurdet«. Diese unbekehrten Hebräer hatten Verfolgung miterlebt, als sie den Gläubigen widerfuhr, denen sie sich angeschlossen hatten. Vielleicht bedeutete diese Identifi kation für sie tatsächlich Leiden, einschließlich des Diebstahls ihrer Habe, doch hatten sie sich noch nicht abgewendet, weil sie sich immer noch für die Aussicht auf den Himmel interessierten (V. 34). Im NT gibt es Beispiele für solche, die sich freiwillig der Gefahr der Verhaftung oder Verfolgung aussetzten, weil sie denen helfen wollten, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Überraschenderweise gehören in einem Fall sogar die Pharisäer dazu. Sie warnten Jesus vor Herodes’ Mordabsichten (Lk 13,31). Unter echten Gläubigen ist Onesiphorus (2Tim 1,16-18) ein Beispiel für jemanden, der den Verfolgten hilft.
10,34 in meinen Ketten. Das ist einer der Hinweise, aufgrund derer manche vermuten, Paulus habe diesen Brief geschrieben (vgl. Eph 3,1; 2Tim 1,8). Doch auch viele andere Christen waren inhaftiert. mit Freuden hingenommen. Vgl. Apg 5,41; 16,24.25; Röm 5,3; Jak 1,2. ein besseres und bleibendes Gut. S. Anm. zu 9,15 (vgl. Mt 6,19.20; 1Pt 1,4).
10,35 werft … nicht weg. Aufgrund ihrer gegenwärtigen Verfol- gung waren sie versucht, ihre äußere Identifi kation mit Christus und den Christen aufzugeben und abzufallen (vgl. V. 23; 5Mo 32,15.18). Belohnung. Sie sind dem ewigen Lohn näher denn je. Jetzt ist nicht die Zeit, sich zurück zu wenden.
10,36 den Willen Gottes getan. D.h. sie vertrauten völlig auf Christus, indem sie täglich im Willen Gottes lebten. S. Anm. zu Mt 7,2127; Jak 1,22-25; vgl. Joh 6,29. die Verheißung erlangt. S. Anm. zu 4,1; 6,12; 9,15. Wenn sie beim Neuen Bund blieben und allein auf Christus vertrauten, sollten sie die Verheißung ihrer Errettung erlangen. 10,37.38 Die leichte Anspielung auf Hab 2,3.4 (vgl. Röm 1,17; Gal 3,11) wird von einem Ausdruck aus Jes 26,20 eingeleitet. Das ist die zweite Bezugnahme auf den Abschnitt aus Jesaja (vgl. V. 27), der zu einem Lied des Heils gehört. Der Abschnitt in Jes 26 (bzw. der weitere Zusammenhang Jes 24-27) beherrscht hier vielleicht das Denken des Schreibers. Das Zitat aus Habakuk wird beträchtlich verändert, sodass es eher eine interpretierende und freie Wiedergabe ist unter Verwendung anderer atl. Konzepte und Kontexte. Hab 2,4.5 beschreibt den Stolzen, der nicht durch Glauben lebt. Der Stolze ist es, der selbstzufrieden ist und der nicht erkennt, wie nötig Ausharren und Vertrauen auf Gott ist. Der stolze Jude wird verworfen werden, wenn er nicht zum Glauben kommt. Er wird mit den Nationen gerichtet werden.
10,38 Der Gerechte aber wird aus Glauben leben. S. Anm. zu Röm 1,17. Das Gegenteil von Abfall ist Glauben. Das ist eine Vorschau auf das folgende Kapitel. An Glauben hat Gott Wohlgefallen. Wer sich von der Erkenntnis des Evangeliums und vom Glauben abwendet, wird seinen Abfall unter Beweis stellen.
10,39 zurückweichen zum Verderben. Der Schreiber drückt seine Zuversicht aus, dass die gläubigen Leser (»wir«) nicht »zu denen gehören«, die abfallen und ins Verderben kommen. Abgefallene werden von Christus zurückweichen, aber es gibt einige, die an der Schwelle des Glaubens stehen und »aus dem Feuer« gezogen werden können (vgl. Jud 23). »Verderben« bezeichnet im NT üblicherweise die ewige Bestrafung bzw. das Gericht über die Ungläubigen (vgl. Mt 7,13; Röm 9,22; Phil 1,28; 3,19; 1Tim 6,9). Judas und der Mensch der Sünde werden als »Sohn des Verderbens« bezeichnet (ein Hebraismus, der so viel bedeutet wie »zum Verderben bestimmt«; Joh 17,12; 2Th 2,3). Errettung der Seele. In diesem Zusammenhang bedeutet Errettung die Bewahrung vor endzeitlicher Vernichtung. Im Kontext von Jes 26,20.21 (V. 19) umfasst die endzeitliche Bewahrung die Auferstehung von den Toten. Der Schreiber verbindet Glauben und Auferstehung im Beispiel von Abraham (11,19).
11,1 Das 11. Kapitel ist eine ergreifende Aufl istung von Gläubigen des ATs und wurde mit Titeln bedacht wie »Ruhmeshalle der Heiligen«, »Ehrenliste alttestamentlicher Heiliger« oder »Glaubenshelden«. Sie alle bezeugen den Wert des Lebens aus Glauben. Sie bilden zusammen die »Wolke von Zeugen« (12,1), die den Hebräern vollmächtig bekunden sollte, dass sie zum Glauben an die Wahrheit Gottes in Christus kommen sollten. 11,1 Dieser Vers ist im Stil hebr. Poesie geschrieben (die häufi g in den Psalmen vorkommt), bei der zwei parallele und nahezu identische Ausdrücke ein und dieselbe Sache besagen. Vgl. 1Pt 1,7 – Gott prüft unseren Glauben im Schmelztiegel. Zuversicht. Dasselbe gr. Wort, das in 1,3 mit »Wesen« übersetzt wurde. Der hier beschriebene Glaube umfasst eine Überzeugung, die so fest ist, wie irgend möglich. Sie ist die von Gott gegebene gegenwärtige Gewissheit einer zukünftigen Realität. Überzeugung von Tatsachen, die man nicht sieht. Wahrer Glaube basiert nicht auf empirischen Befunden, sondern auf göttlicher Gewissheit und ist eine Gabe Gottes (Eph 2,8).
11,2 die Alten. Das heißt »die Leute von früher«. In diesem Zusam- menhang bezeichnet dieser Ausdruck alle Heiligen, Männer wie Frauen, unter dem alten Bund, von denen einige wenige erlesene Beispiele in V. 4-40 beschrieben werden. ein gutes Zeugnis erhalten. Wörtl. »wurden bezeugt« oder »über sie wurde Zeugnis gegeben« (vgl. V. 4.39). Gott bezeugt diesen Heiligen, dass sie durch Glauben lebten und ihnen Gottes Wohlwollen gewährt wird.
11,3 Durch Glauben. Alle Beispiele für Glauben in V. 3-31 wer- den formal mit diesem Ausdruck eingeleitet. Wahrer rettender Glaube bewirkt Gehorsam gegenüber Gott (s. Anm. zu Jak 2,14-26). wir. Das bezieht sich auf den Schreiber und auf alle anderen wahren Gläubigen in Vergangenheit und Gegenwart. Welten. Sowohl das natürliche Universum als auch dessen Funktion und Verwaltung. bereitet worden. Dieses Verb (das auch in 13,21 verwendet wird) beschreibt ein Zurüsten, sodass etwas fertig gestellt wird und seinen Zweck erfüllen kann. Gottes Wort. Gottes übernatürliche Aussprüche (siehe z.B. 1Mo 1,3.6.9.11.14). nicht aus Sichtbarem. Gott schuf das Universum aus etwas Unsichtbarem. Möglicherweise handelte es sich dabei um Gottes eigene Energie oder Kraft. Näheres über die Schöpfung s. Anm. zu 1Mo 1,1-31.
11,4 Adam und Eva werden in diesem Abschnitt über die Schöp- fung übergangen, weil sie Gott gesehen, Gemeinschaft mit ihm erlebt und mit ihm geredet hatten. Ihre Kinder waren die ersten, die Glauben an den unsichtbaren Gott ausübten. 11,4 Abel. S. 1Mo 4,1-15. besseres. Der Schreiber des Hebräer- briefs gibt keinen genauen Grund an, weshalb Abels Opfer besser war, aber in 12,24 ist ein solcher Grund angedeutet (s. Anm. dort). Hier geht es ihm um den Glauben Abels. Sowohl Kain als auch Abel wussten, was Gott forderte. Abel gehorchte und Kain nicht. Abel hatte Glauben, Kain handelte im Unglauben (s. Anm. zu 1Mo 4,4.5). durch ihn. Beide Male in diesem Vers bezieht sich »durch ihn« tatsächlich auf den Glauben und nicht etwa auf das Opfer. Durch diesen Glauben bezeugte Abel allen nachfolgenden Generationen, dass ein Mensch durch Glauben zu Gott kommt und dadurch Gerechtigkeit empfängt. gerecht. Aufgrund seines Glaubens, der sich im Gehorsam gegenüber Gottes Anforderung für das Opfer zeigte, wurde Abel von Gott als gerecht angesehen (vgl. Röm 4,48). Christus selbst sprach von der Gerechtigkeit Abels (Mt 23,35). Kain zeigte mit seinem Opfer, dass er lediglich ein Ritual durchführte – und das auf ungehorsame Weise – und keinen echten Glauben zeigte. Ohne Glauben kann niemand zugerechnete Gerechtigkeit empfangen (vgl. 1Mo 15,6). über seine Gaben Zeugnis ablegte. Abel stellte etwas über seinen Glauben unter Beweis, was durch Kains Opfer nicht deutlich wurde.
11,5 Der Schreiber bezieht sich auf 1Mo 5,24. Henoch. S. Anm. zu 1Mo 5,24. Die LXX übersetzt die hebr. Wendung »Henoch wandelte mit Gott« mit »er gefi el Gott«. Der Schreiber kombiniert in diesem Vers beide Aussagen. Henoch wurde auf wunderbare Weise in den Himmel genommen, ohne zu sterben (vgl. 1Th 4,17).
11,6 unmöglich, ihm wohlzugefallen. Henoch gefi el Gott, weil er Glauben hatte. Ohne solchen Glauben ist es für niemanden möglich, »mit Gott zu wandeln« oder »Gott zu gefallen« (vgl. 10,38). dass er ist. Der Nachdruck liegt hier auf »er«, dem wahren Gott. Echter Glaube glaubt nicht einfach, dass irgendein göttliches Wesen existiert, sondern dass der Gott der Bibel der einzig echte und wahre Gott ist, den es gibt. Wenn man nicht glaubt, dass Gott existiert, ist das gleichbedeutend damit, ihn einen Lügner zu nennen (vgl. 1Joh 5,10). belohnen wird. Der Mensch muss nicht nur glauben, dass Gott existiert, sondern auch, dass Gott den Glauben des Menschen mit Vergebung und Gerechtigkeit belohnt, weil er es verheißen hat (vgl. 10,35; 1Mo 15,1; 5Mo 4,29; 1Chr 28,9; Ps 58,12; Jes 40,10).
11,7 Noah. S. 1Mo 5,28-9.29; Hes 14,14. Dinge, die man noch nicht sah. S. Anm. zu V. 1.6. Die Welt hatte so etwas wie die Sintfl ut noch nie gesehen (noch nicht einmal Regen; s. Anm. zu 1Mo 7,11), doch Noah verbrachte 120 Jahre (1Mo 6,3) mit dem Erfüllen des Auftrags Gottes, eine massive Arche zu bauen (1Mo 6,13-22). Gottesfurcht. Noah reagierte auf Gottes Botschaft mit großer Achtung und Ehrfurcht (vgl. 5,7). Sein Glaube kam in Gehorsam zum Ausdruck (vgl. 1Mo 6,22; 7,5). verurteilte. Noah warnte seine Zeitgenossen vor dem drohenden Gericht Gottes (vgl. 1Pt 3,20) und wird »Verkündiger der Gerechtigkeit« genannt (2Pt 2,5). Erbe der Gerechtigkeit. S. Anm. zu 6,12; 9,15. Der Verkündiger der Gerechtigkeit (2Pt 2,5) wurde auch ein Erbe der Gerechtigkeit. Er glaubte der Botschaft, die er verkündete. Wie vor ihm Henoch (s. Anm. zu V. 5), so wandelte auch Noah im Glauben und Gehorsam mit Gott (1Mo 6,9).
11,8 Abraham. S. 1Mo 11,27-25.11. 11,8 Ort … Erbteil. Das Land Kanaan, fern von seiner ursprüngli- chen Heimat in Ur in Chaldäa (1Mo 11,31). Er zog im Glauben dorthin.
11,9 Verheißung. Weder Abraham noch Isaak noch Jakob konn- ten sich dauerhaft in dem Land niederlassen, das Gott ihnen verheißen hatte, oder es in Besitz nehmen (V. 10). Zuerst ging Abraham dort im Glauben hin, und er und seine Nachkommen lebten im Glauben an die Verheißung, dass sie dieses Land besitzen werden. Doch erst viele Generationen nach ihnen sollte sich diese Verheißung erfüllen (1Mo 12,7).
11,10 Stadt. Abrahams letztendliches und dauerhaftes »gelobtes Land« war der Himmel, von dem er durch Glauben wusste, dass er ihn einmal erben wird. Diese Stadt wird in V. 16; 12,22; 13,14 nochmals erwähnt.
11,11 Sarah. S. 1Mo 11,27-23.2; 1Pt 3,5.6. 11,11 über das geeignete Alter hinaus. Mit 90 Jahren (1Mo 17,17) war sie weit über das gebärfähige Alter hinaus und hatte nie ein Kind empfangen können. Doch Gott befähigte sie dazu aufgrund ihres Glaubens an seine Verheißungen (1Mo 21,1-3).
11,12 doch erstorben. Mit 99 Jahren war Abraham weit über das Alter hinaus, um Kinder zeugen zu können (1Mo 17,1.15-17; 21,1-5); dazu musste Gott eingreifen. Sterne … Sand. Das sind Übertreibungen, die die gewaltige Nachkommenschaft beschreiben, die aus Abrahams Lenden hervorgehen sollte. S. 1Mo 15,4.5; 22,17. 11,13 Diese alle. Das bezieht sich nur auf die Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob). Diese Auslegung wird dadurch gestützt, dass die Verheißungen mit Abraham begannen (vgl. Apg 7,17; Röm 4,13; Gal 3,14-18) und auf Isaak (1Mo 26,2-5.24) und Jakob übergingen (1Mo 28,10-15). Außerdem trifft die Beschreibung nur auf die Personen aus V. 15 zu, Henoch ist nicht gestorben. S. Anm. zu 6,15. Diese Glaubensmänner wussten nicht, wann sie die Verheißung erben würden. Sie lebten in dem Land, aber besaßen es nicht.
11,13 Fremdlinge und Wanderer. S. 1Mo 23,4. Ihr Glaube war geduldig und ertrug schwere Mühsale, weil sie glaubten, dass Gott etwas Besseres für sie habe. Sie hatten nicht den Wunsch, nach Ur zurückzukehren, sondern sehnten sich nach dem Himmel (Hi 19,25.26; Ps 27,4).
11,16 ihr Gott. Gott bezeichnete sich selbst als »der Gott Abra- hams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs« (2Mo 3,6; vgl. 1Mo 28,13; Mt 22,32). Das ist eine wichtige Bundesformel, womit sich sowohl Einzelpersonen oder ein Volk mit Gott identifi zierten als auch Gott mit ihnen (vgl. 3Mo 26,12). eine Stadt. S. Anm. zu 12,22.
11,17 S. 1Mo 22,1-18. Abraham erwies seinen Glauben aber- mals und zeigte sich bereit, Gott seinen verheißenen Sohn Isaak zurückzugeben, den er auf wunderbare Weise wegen seines Glaubens empfangen hatte. Abraham vertraute darauf, dass Gott ihn von den Toten auferwecken würde. Vgl. Röm 4,16-21. 11,17 Eingeborenen. Isaak war nicht der einzige Sohn Abra- hams, denn er hatte auch noch Ismael von Hagar (1Mo 16,1-16). Dieser Begriff bezeichnet jemanden, der einzigartig ist, d.h. einzig in seiner Art (vgl. Joh 1,14). Isaak war der einzige Sohn, der gemäß der Verheißung Gottes geboren wurde, und war der einzige Erbe dieser Verheißung. Das Zitat aus 1Mo 21,12 beweist diesen letzteren Punkt.
11,19 auch aus den Toten. Da Abraham glaubte, dass Gottes Verheißung über Isaak bedingungslos ist, schlussfolgerte er, dass Gott diese Verheißung erfüllen wird, auch wenn dies erfordern sollte, Isaak von den Toten aufzuerwecken (vgl. 1Mo 22,5). Gleichnis. Dasselbe Wort wie in 9,9. Abraham empfi ng Isaak quasi aus den Toten zurück, obgleich Isaak nicht getötet worden war.
11,20 Isaak. S. 1Mo 27,1-28.5.
11,21 Jakob. S. 1Mo 47,28-49.33. jeden der Söhne. Bei- de Söhne Josephs, Ephraim und Manasse, empfi ngen einen Segen von Jakob. Folglich gingen aus Joseph zwei Stämme hervor, wohingegen aus allen seinen Brüdern jeweils nur ein Stamm hervorging (s. 1Mo 47,31; 48,1.5.16). auf seinen Stab gestützt. Nach 1Mo 47,31 stützte Jakob sich auf sein »Bett«. Die beiden Worte Stab und Bett haben im Hebr. exakt dieselben Konsonanten. Die hebr. Handschriften des ATs wurden ohne die Vokale vervielfältigt. Die späteren hebr. Handschriften, die zwischen dem 6. und 9. Jhdt. n.Chr. angefertigt wurden, lasen hier »Bett«. Die LXX aus dem 3. Jhdt. v.Chr. liest »Stab«, was wahrscheinlicher zu sein scheint, wenngleich beides stimmen könnte.
11,22 Joseph. S. 1Mo 37,1-50.26. Joseph verbrachte sein ganzes Leben als Erwachsener in Ägypten. Obwohl er in der 4. Generation Erbe der Verheißung an Abraham war, kehrte er zu seiner Lebzeit nie nach Kanaan zurück. Doch angesichts seines Todes glaubte er immer noch, dass Gott seine Verheißung erfüllen wird. Diese Zuversicht brachte er dadurch zum Ausdruck, dass er seine Brüder versprechen ließ, seine Gebeine nach Kanaan zu bringen und dort zu begraben (1Mo 50,24.25; vgl. 2Mo 13,19; Jos 24,32).
11,23 Mose. S. 2Mo 1-15; Apg 7,17-36. 11,23 ein schönes Kind. Das bedeutet »unter Gunst«, in diesem Fall unter der Gunst Gottes (Apg 7,20; vgl. 2Mo 2,2). Hier geht es um den Glauben von Moses Eltern, wenngleich unklar ist, in wie weit die Eltern Gottes Plan für ihr Kind verstanden.
11,24 Mose lehnte den Ruhm ab, den er in Ägypten hätte haben können, wenn er die Möglichkeiten genutzt hätte, die sich ihm in seiner Stellung als Adoptivsohn der Tochter Pharaos boten (vgl. 2Mo 2,10).
11,25 mit dem Volk Gottes. Mose hätte gesündigt, wenn er die Verantwortung verweigert hätte, in die Gott ihn hinsichtlich des Volkes Israel stellte. Er war völlig überzeugt, dass »Gott ihnen durch seine Hand Rettung gebe« (Apg 7,25). Mose verwarf die Vergnügungen Ägyptens.
11,26 Schmach des Christus. Mose litt in dem Sinne Schmach um Christi willen, dass er sich mit dem Volk des Messias in ihrem Leiden identifi zierte (V. 25). Außerdem identifi zierte Mose sich selbst mit dem Messias aufgrund seiner eigenen Rolle als Führer und Prophet (vgl. 12,2; 5Mo 18,15; Ps 69,10; 89,52). Mose kannte die Leiden und die Herrlichkeit des Messias (vgl. Joh 5,46; Apg 26,22.23; 1Pt 1,10-12). Wer wegen echten Glaubens an Gott leidet oder wegen des Evangeliums der Erlösung, leidet um Christi willen (vgl. 13,12.13; 1Pt 4,14).
11,27 verließ er Ägypten. Mose verließ Ägypten zum ersten Mal, als er um sein Leben fl oh, nachdem er den ägyptischen Sklaventreiber umgebracht hatte (2Mo 2,14.15), denn er fürchtete sich vor dem Zorn Pharaos. Beim zweiten Mal kehrte er Ägypten den Rücken samt allem, was Ägypten repräsentierte. Er verließ das Land nicht aus Angst vor Pharao, und daher geht es hier um dies zweite Verlassen Ägyptens. als sähe er ihn. Mose hatte einen solchen Glauben, dass er auf Gottes Befehle so reagiert, als stände Gott sichtbar vor ihm. Das war die Grundlage seiner Treue zu Gott und das sollte für jeden Gläubigen ein Vorbild für Treue sein (vgl. 2Kor 4,16-18).
11,28 Passah. S. 2Mo 12.
11,29 Rote Meer. S. 2Mo 14,15. Als Israel am Roten Meer ankam, fürchtete das Volk zuerst um sein Leben (2Mo 14,11.21). Doch nachdem sie Moses Erklärung gehört hatten, dass Gott sie beschützen werde (2Mo 14,13.14), gingen sie im Glauben voran.
11,30 Jericho. S. Jos 6. Das Volk unternahm keinerlei militärische Aktionen, um die Mauern Jerichos umzustürzen, sondern es befolgte einfach im Glauben die Anweisungen Gottes. Vgl. 2Kor 10,4.
11,31 Rahab. S. Jos 2,1-24; 6,22-25; Mt 1,5; Jak 2,25.
11,32 Alle Männer in diesem Vers hatten eine Stellung der Macht oder Autorität, doch keiner von ihnen wird für seinen persönlichen Status oder für seine Fähigkeiten gelobt. Stattdessen werden sie anerkannt für das, was ein jeder von ihnen durch Glauben an Gott vollbracht hat. Sie sind nicht in zeitlicher Reihenfolge aufgeführt, sondern paarweise, wobei die bedeutendere Person jeweils zuerst genannt wird (vgl. 1Sam 12,11). S. Ri 6-9 (Gideon); 4,5 (Barak); 13-16 (Simson); 11,12 (Jephtha). David. David wird in diesem Vers als einziger König erwähnt. Alle anderen sind Richter oder Propheten. Auch David kann als Prophet betrachtet werden (s. 4,7; 2Sam 23,1-3; Mk 12,36). Vgl. 1Sam 13,14; 16,1.12; Apg 13,22. Samuel und den Propheten. Samuel war der letzte Richter und der erste der Propheten (vgl. 1Sam 7,15; Apg 3,24; 13,20). Er salbte David zum König (1Sam 16,13) und war bekannt als ein Mann der Fürbitte bei Gott (1Sam 12,19.23; Jer 15,1).
11,33 Die vielen Errungenschaften und Leiden, die in diesen Versen beschrieben werden, treffen allgemein auf diese glaubensvollen Heiligen zu. Einige von ihnen erlebten großartige Erfolge, während andere große Drangsal erlitten. Hier geht es darum, dass sie alle mutig und kompromisslos Gott folgten, ungeachtet dessen, was auf der Erde dabei herauskommen würde. Sie vertrauten auf ihn und seine Verheißungen (vgl. 6,12; 2Tim 3,12). 11,33 Königreiche bezwangen. Josua, die Richter, David und andere. Gerechtigkeit wirkten. Gerechte Könige wie David, Salomo, Asa, Josaphat, Joas, Hiskia und Josia. Verheißungen erlangten. Abraham, Mose, David und Salomo. die Rachen der Löwen … verstopften. Simson (Ri 14,5.6), David (1Sam 17,34.35) und Daniel (Dan 6,23).
11,34 die Gewalt des Feuers ausgelöscht. Schadrach, Meschach und Abednego (Dan 3,19-30). der Schärfe des Schwertes entkommen. David (1Sam 18,4.11; 19,9.10), Elia (1Kö 19,1-3.10) und Elisa (2Kö 6,15-19). Schwachheit. Ehud (Ri 3,12-30), Jael (Ri 4,17-24), Gideon (Ri 6,15.16; 7,1-25), Simson (Ri 16,21-30) und Hiskia (Jes 38,1-6). Vgl. 1Kor 1,27; 2Kor 12,10. 11,35 Frauen erhielten ihre Toten. Die Witwe von Zarpat (1Kö 17,22) und die Schunemiterin (2Kö 4,34). martern. Das Wort bedeutet, dass sie zu Tode geschlagen wurden, während sie an irgendeine Vorrichtung gefesselt waren (s. 2Makk 6,7 zu Eleasar und die Mutter mit den sieben Söhnen, die als Märtyrer starben). bessere Auferstehung. S. Anm. zu 9,27. Die Errettung vor dem sicheren Tod oder dem bevorstehenden Tod ist wie eine Auferstehung aus den Toten, ist aber nicht die verheißene Auferstehung. Das gilt insbesondere für diejenigen, die gestorben waren und wieder auferweckt wurden. Ihre erste Auferweckung war lediglich eine Wiederbelebung und nicht die wahre und herrliche endgültige Auferstehung (Dan 12,2; vgl. Mt 5,10; Jak 1,12). 11,36 andere. Joseph (1Mo 39,20), Michajah (1Kö 22,27), Elisa (2Kö 2,23), Hanani (2Chr 16,10), Jeremia (Jer 20,1-6; 37,15) und andere (2Chr 36,16). 11,37 gesteinigt. Der Prophet Sacharja (der Sohn Jojadas) wurde auf diese Weise umgebracht (s. Anm. zu 2Chr 24,20-22; s. Einleitung zu Sacharja: Autor und Abfassungszeit). zersägt. Der Überlieferung zufolge ließ Manasse auf diese Weise Jesaja hinrichten. Tod durchs Schwert. Der Prophet Uria starb auf diese Weise (Jer 26,23; vgl. 1Kö 19,10). Dieser Ausdruck kann sich jedoch auch auf die Massenhinrichtungen des Volkes Gottes beziehen. Während der Makkabäerzeit, in den 400 Jahren zwischen AT und NT, geschahen mehrere solcher Vorfälle (s. Einleitung zur zwischentestamentlichen Periode). irrten umher. Viele aus dem Volk Gottes litten unter Armut und Verfolgung (vgl. Ps 107,4-9).
11,38 S. 1Kö 18,4.13; 19,9.
11,39 etwas Besseres. Sie hatten Glauben an die letztendliche Erfüllung der ewigen Verheißungen des Bundes (V. 13). S. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen.
11,40 ohne uns. Die Heiligen des ATs blickten im Glauben voraus auf die verheißene Errettung, wohingegen die Gläubigen, die nach Christus leben, zurückblicken auf die Erfüllung der Verheißung. Beide Gruppen sind von echtem Glauben charakterisiert und durch Christi Sühnewerk am Kreuz errettet (vgl. Eph 2,8.9).
12,1 Da. Das ist ein äußerst bedeutendes Übergangswort, das hin- weist auf eine ausdrückliche Schlussfolgerung (vgl. 1Th 4,8) aus den Abschnitt, der in 10,19 begann. Zeugen. Die verstorbenen Glaubensmenschen aus Kap. 11 bezeugen den Wert und den Segen eines Lebens aus Glaubens. Zum Aufnehmen des vor uns liegenden »Wettlaufs« motiviert nicht die Aussicht, dafür gelobt zu werden, dass man diese himmlischen Heiligen »betrachtet« hat. Vielmehr wird der Läufer von den geistlichen Vorbildern inspiriert, die diese Gläubigen mit ihrem Leben gegeben haben. Die große Menge von Zeugen besteht nicht aus Zuschauern, sondern aus solchen, deren vergangenes Glaubensleben andere ermutigte, ebenso zu leben (vgl. 11,2.4.5.33.39). lasst uns. Die Aufforderung gilt der Gruppe von Hebräern, die sich zwar zu Christus bekannt, aber noch nicht den ganzen Schritt zu vollem Glauben getan haben. Sie hatten den Wettlauf noch nicht begonnen, der mit der Errettung startet. Der Schreiber hat sie eingeladen, die Errettung in Christus anzunehmen und sich dem Rennen anzuschließen. jede Last. Das ist etwas anderes als die anschließend erwähnte »Sünde« und bezieht sich auf die Hauptlast, die die Hebräer niederdrückte: das levitische System mit seiner bedrückenden Gesetzlichkeit. Ein Sportler entledigt sich jedes unnötigen Kleidungsstücks, bevor er den Wettlauf aufnimmt. Die Äußerlichkeiten, die das levitische System betont, behindern nicht nur, sondern »umstricken«. In diesem Zusammenhang betrifft das zunächst die spezielle Sünde des Unglaubens – die Weigerung, sich von den levitischen Opfern weg und zum vollkommenen Opfer hinzuwenden, zu Jesus Christus (vgl. Joh 16,8-11). Darüber hinaus bezieht sich das auch auf andere Lieblingssünden des Ungläubigen. Ausdauer. Ausdauer ist die beständige Entschlossenheit, weiterzumachen, ungeachtet der Versuchung, langsamer zu werden oder aufzugeben (vgl. 1Kor 9,24.25). Kampf. Ein Begriff aus dem Sport und damit ein Bild, welches das Glaubensleben beschreibt als eine anstrengende, in Anspruch nehmende und zermürbende Sache. Von dem hier verwendeten Begriff stammt das Wort »Agonie«. S. Anm. zu Mt 7,14.
12,2 hinschauen. Sie sollten ihre Augen auf Jesus richten als Ge- genstand des Glaubens und der Errettung (vgl. 11,26.27; Apg 7,55.56; Phil 3,8). Anfänger. Oder »Urheber«. S. Anm. zu 2,10. Der Begriff bedeutet Urheber oder herausragendes Beispiel. Vollender. S. Anm. zu 5,14. Der Begriff vermittelt den Gedanken, etwas bis zur perfekten Vollendung durchzuführen (vgl. Joh 19,30). Freude. Jesus harrte aus um der Freude willen, den Willen Gottes, des Vaters, vollbracht zu haben, und um erhöht zu werden (vgl. 1,9; Ps 16,9-11; Lk 10,21-24). zur Rechten. S. Anm. zu 1,3.
12,3 Achtet doch auf ihn. Jesus ist das höchste Beispiel für Lei- densbereitschaft in Gehorsam gegen Gott. Er erfuhr »Widerspruch« (dasselbe Wort wie in Lk 2,34) und erlitt sogar das grausame Kreuz. Dieselbe Feindseligkeit erleben alle, die ihm nachfolgen (Apg 28,22; Gal 6,17; Kol 1,24; 2Tim 3,12). müde werdet und den Mut verliert. Der Druck, die Erschöpfung und die Verfolgung (vgl. Gal 6,9), welche Gläubige erleben, sind nichts im Vergleich zu den Erfahrungen Christi.
12,4 aufs Blut. Keiner der Hebräer hatte bisher solch intensiven Druck oder so heftige Verfolgung erlebt, dass es ihm den Märtyrertod eingebracht hätte. Da Stephanus (Apg 7,60), Jakobus (Apg 12,1) und andere (vgl. Apg 9,1; 22,4; 26,10) in Jerusalem als Märtyrer gestorben waren, können die Christen dieser Stadt aufgrund dieser Aussage offenbar nicht die Empfänger des Briefes sein (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit).
12,5 Hier erwähnt und erklärt der Schreiber Spr 3,11.12. Ver- suchungen und Leiden im Leben des Christen kommen von Gott, der durch diese Erfahrungen den Gläubigen erzieht und züchtigt. Eine solche Behandlung ist ein Zeichen dafür, dass Gott seine Kinder liebt (vgl. 2Kor 12,7-10).
12,6 schlägt. Das bezieht sich auf das Auspeitschen mit einer Rute, was eine heftige und schmerzhafte Form der Prügelstrafe und üblicher jüdischer Brauch war (vgl. Mt 10,17; 23,34).
12,7 Söhne. Weil alle Kinder Gottes unvollkommen sind und Zucht und Übung brauchen, werden sie alle dann und wann und auf die eine oder andere Weise gezüchtigt.
12,8 unecht. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor, bezeichnet an anderer Stelle in der gr. Literatur jedoch Menschen, die in Sklaverei oder Hurerei geboren wurden. Möglicherweise weist der Schreiber damit hin auf Hagar und Ismael (1Mo 16), der Konkubine Abrahams und seinen »unechten« bzw. unehelichen Sohn. 12,9). Vater der Geister. Die beste Übersetzung ist wahrscheinlich »Vater unserer Geister«, im Gegensatz zu »leiblichen Vätern«. unterwerfen. Ehrfurcht vor Gott ist gleichbedeutend mit Unterwerfung unter seinen Willen und sein Gesetz. Wer sich freiwillig der Züchtigung durch den Herrn unterwirft, wird dadurch ein reicheres, üppigeres Leben haben (vgl. Ps 119,165
12,10 zu unserem Besten. Unvollkommene leibliche Väter züch- tigen unvollkommen, doch Gott ist vollkommen und seine Züchtigung ist ebenfalls vollkommen und dient stets dem geistlichen Wohl seiner Kinder.
12,11 Frucht der Gerechtigkeit. Das ist derselbe Ausdruck wie in Jak 3,18. geübt. Dasselbe Wort wurde in 5,14 mit »geschult« übersetzt (s. Anm. dort; vgl. 1Tim 4,7).
12,12 Dieser Abschnitt ermahnt die Gläubigen, die göttlichen Wahrheiten auszuüben, die in den vorigen Passagen dargelegt wurden. Wahrheit, die man kennt, der man aber nicht gehorcht, erweist sich nicht als Segen, sondern als Gericht (vgl. 13,22). 12,12 Der Autor kehrt zum Bild des Wettkampfes zurück, das er in V. 1-3 begonnen hatte (vgl. Spr 4,25-27) und kombiniert es nun mit einer Ausdrucksweise aus Jes 35,3. Damit beschreibt er den Zustand des Gezüchtigten als den eines müden Läufers, dessen Arme erschlaffen und Knie wanken. Wenn der Gläubige in seinem Leben Erprobungen erfährt, darf er sich nicht von den Umständen beherrschen lassen. Stattdessen muss er ausharren und den Tiefpunkt überwinden, damit er in neuer Kraft das Rennen fortsetzt.
12,14 Jagt nach …Heiligung. In diesem Brief wird das erklärt als: 1.) Gott nahen im vollen Glauben und mit gereinigtem Gewissen (10,14.22) und 2.) einem echten Annehmen Christi als Retter und Opfer für Sünde, der den Sünder in Gemeinschaft mit Gott bringt. Ungläubige werden nicht dazu bewegt, Christus anzunehmen, wenn das Leben der Gläubigen nicht die Qualitäten zeigt, die Gott wünscht. Dazu gehören Frieden und Heiligkeit (vgl. Joh 13,35; 1Tim 4,3; 5,23; 1Pt 1,16).
12,15 achtet darauf. Gläubige sollen sowohl auf ihr eigenes Leben achten, damit sie ein Zeugnis sind für Frieden und Heiligkeit, als auch auf das Leben derer in ihrer Mitte, die noch errettet werden müssen. die Gnade Gottes versäumt. S. Anm. zu 4,1; 6,6; 10,26. Das bedeutet, zu spät zu kommen und außen vor zu bleiben. Hier geht es wieder um die intellektuell überzeugten Juden in der Versammlung, die das Evangelium kannten und mit Christus liebäugelten, doch immer noch am Rande des Abfalls standen. bittere Wurzel. Das ist die Haltung von Abgefallenen innerhalb der Gemeinde, die einen verderblichen Einfl uss verbreiten. Vgl. 5Mo 29,17.
12,16 S. 1Mo 25,29-34 und 27,1-39. Esau wollte Gottes Segen, aber Gott wollte er nicht. Er bedauerte, was er getan hatte, tat aber keine Buße. Esau ist ein Beispiel derer, die willentlich gegen Gott sündigen und die keine zweite Chance bekommen, weil sie die Wahrheit kannten und dennoch verhärtet blieben (vgl. 6,6; 10,26). Esau war ein Beispiel für einen »gottlosen Menschen«. 12,16 Unzüchtiger. In diesem Zusammenhang bezieht sich das all- gemein auf einen sexuell unmoralischen Menschen. Abfall ist oft eng verbunden mit Unmoral (vgl. 2Pt 2,10.14.18; Jud 8,16.18).
12,18 Der Schreiber spricht in diesen Versen von Israels Begeg- nung mit Gott am Berg Sinai und erklärt diese Begebenheit (s. 2Mo 19,20; 5Mo 4,10-24). 12,18 S. 2Mo 19,12.13; 5Mo 4,11; 5,22.
12,19 Klang der Posaune. S. 2Mo 19,16.19; 5Mo 4,12. 12,20 Ein Zitat aus 2Mo 19,12.13 (vgl. 20,19; 5Mo 5,23.24).
12,21 Ein Zitat aus 5Mo 9,19.
12,22 Berg Zion. Im Gegensatz zum Berg Sinai, wo Gott das mo- saische Gesetz erteilte, das schrecklich und voller Verbote war, ist der Berg Zion hier nicht der irdische Berg in Jerusalem, sondern Gottes himmlischer Wohnort, der einladend und voller Gnade ist. Niemand war imstande, Gott gemäß seiner Maßstäbe vom Sinai zu gefallen, was vollkommene Erfüllung des Gesetzes bedeutet hätte (Gal 3,10-12). Zion ist jedoch für alle zugänglich, die durch Jesus Christus zu Gott kommen (vgl. Ps 132,13.14; Jes 46,13; Sach 2,14; Gal 4,21-31). Berg Zion … Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem. Das sind Synonyme für den Himmel. Zu einer Beschreibung des Wohnorts Gottes, des himmlischen Jerusalem, s. Anm. zu Offb 21,1 – 22.5. Zehntausenden. Wörtl. »Myriaden«. S. Offb 5,11.12.
12,23 Festversammlung. Der Begriff bedeutet hier »Versamm- lung zu einem öffentlichen Fest«. Das beschreibt wahrscheinlich keine besondere Gruppe, die sich von der Gemeinde unterscheidet, sondern beschreibt den Anblick der unzähligen Engel im Himmel, die sich festlich um den Thron Gottes scharen. Gemeinde der Erstgeborenen. Der Erstgeborene ist Jesus Christus (s. Anm. zu 1,6). Die »Gemeinde« besteht aus Gläubigen, die Miterben Christi sind, des Vorrangigen unter vielen Brüdern (Röm 8,17.29). vollendeten Gerechten. S. Anm. zu 5,14 (vgl. 11,40). Das sind die Gläubigen des ATs im Unterschied zur »Gemeinde der Erstgeborenen«, die aus ntl. Gläubigen besteht. 12,24 Mittler. S. Anm. zu 7,22 (vgl. 8,6-10; 9,15). besseres. S. Anm. zu 6,9; 9,23. Abels Opfer gefi el Gott, weil es in Glauben und Gehorsam dargebracht wurde (vgl. 11,4), aber es hatte keine sühnende Wirkung. Nur das Blut Jesu kann von Sünde reinigen (vgl. 1Joh 1,7). Das Opfer Christi brachte Erlösung (9,12), Vergebung (9,26) und vollständige Errettung (10,10.14). als [das Blut] Abels. Das Blut des Opfers Abels bot nur eine zeitweilige Bedeckung von Sünde, aber das Blutopfer Christi verkündet eine ewige Vergebung (vgl. Kol 1,20).
12,25 abweist. S. Anm. zu V. 19, wo dasselbe Wort das Verhalten der Israeliten am Berg Sinai beschreibt. wie viel weniger. Die Konsequenzen für Abgefallene sind tatsächlich fürchterlich. Das Gericht und der Schrecken, die darauf stehen, übertreffen bei weitem die Erfahrungen am Berg Sinai.
12,26 Ein Zitat aus Hag 2,6. 12,26 erschütterte … die Erde. Am Berg Sinai erschütterte Gott die Erde. Vom Berg Zion aus wird Gott die Himmel und das gesamte Universum erschüttern (vgl. Jes 13,13; 34,4; 65,17.22; 2Pt 3,10-13; Offb 6,12-14; 20,11; 21,1). 12,27 Alle natürlichen Dinge (»Dinge, die erschüttert werden«) werden vernichtet werden und nur die ewigen Dinge (»die nicht erschüttert werden können«) bleiben bestehen.
12,28 Reich. Gott wird »einen neuen Himmel und eine neue Erde … die heilige Stadt, das neue Jerusalem« erschaffen (Offb 21,1.2), die ewig und unerschütterlich Bestand haben. lasst uns die Gnade festhalten. S. Anm. zu 4,16. mit Scheu und Ehrfurcht. S. Anm. zu 11,7 (vgl. 5,7). Der zweite Begriff hat mit der Furcht zu tun, die in Gottes Gegenwart gespürt wird.
12,29 verzehrendes Feuer. S. 5Mo 4,24. Gottes Gesetz, das er am Berg Sinai gegeben hat, schrieb viele schreckliche Strafen vor, doch eine weit schrecklichere Strafe gilt denen, die Gottes Heilsangebot durch seinen Sohn Jesus Christus ablehnen (vgl. Lk 3,16.17). Dieser Vers muss in Verbindung mit 10,29-31 gesehen werden.
13,1 Das letzte Kapitel dieses Briefes widmet sich einigen wesentlichen Verhaltensweisen im Leben als Christ. Dieses ethische Verhalten dient dazu, das wahre Evangelium der Welt vorzustellen, andere zum Glauben an Christus zu ermutigen und Gott zu ehren. Die erste Verhaltensweise ist Liebe zu den Mitgläubigen (vgl. Joh 13,35). Das bezieht sich zwar in erster Linie auf Christen, doch muss der Schreiber ähnlich gefühlt haben wie der Apostel Paulus, als er an seine Mitjuden dachte (s. Röm 9,3.4).
13,2 Vernachlässigt nicht. Die zweite Gnadengabe, die gefördert werden musste, war die Liebe zu den Fremden (vgl. Röm 12,3; 1Tim 3,2). In der Antike umfasste Gastfreundschaft oft die Aufnahme eines Gastes über Nacht oder länger. In einer Zeit der Verfolgung fällt das am schwersten. Die Hebräer wussten nicht, ob sich der Gast als Spion erweist oder als Mitgläubiger, der ebenfalls verfolgt wurde. Engel. Das wird nicht als letztendliche Motivation für Gastfreundschaft hingestellt, sondern soll zeigen, dass man nie weiß, wie weit reichend eine Tat der Barmherzigkeit sein kann (vgl. Mt 25,40.45). Genau das erlebten nämlich Abraham und Sarah (1Mo 18,1-3), Lot (1Mo 19,1.2), Gideon (Ri 6,11-24), und Manoach (Ri 13,6-20).
13,3 selbst auch. Gläubige sollten sich mit den Leiden anderer iden- tifi zieren können, weil auch sie selbst körperliche (»im Leibe«) Schmerzen und Nöte erleiden.
13,4 in Ehren. Gott hat die Ehe bei der Schöpfung eingesetzt (1Mo 2,24) und ehrt sie sehr hoch; doch in der Anfangszeit der Gemeinde hielten einige die Ehelosigkeit für heiliger als die Ehe. Gegen diese Vorstellung spricht Paulus sich in 1Tim 4,3 aus (s. Anm. zu 1Kor 7). In der Ehe ist Sexualität etwas Reines, doch jede sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe zieht Gottes Gericht auf sich. wird Gott richten. Gott schreibt ernstliche Konsequenzen für sexuelle Unmoral vor (s. Anm. zu Eph 5,3-6).
13,5 Geldliebe. Oder »Habgier«. Die Gier nach materiellen Reich- tümern ist »eine Wurzel alles Bösen« und wegen ihr sind »etliche vom Glauben abgeirrt« (1Tim 6,10; vgl. 1Tim 3,3). Ich will dich nicht … verlassen. Ein Zitat aus 1Mo 28,15; 5Mo 31,6.8; Jos 1,5; 1Chr 28,20. Aufgrund dieser Verheißung können Gläubige in jeder Situation zufrieden sein. Fünf negative Aussagen betonen in diesem Vers die Unmöglichkeit, dass Christus Gläubige allein lässt. Es ist, als sage er: »Es besteht absolut keine Möglichkeit, was auch immer geschieht, dass ich dich jemals im Stich lassen würde.«
13,6 zuversichtlich. Dieses Wort vermittelt den Gedanken von Ver- trauen und Mut. Vgl. seine Verwendung in Mt 9,2; 2Kor 5,6.8. Ein Zitat aus Ps 118,6.
13,7 Zusätzlich zur Liste der Gläubigen in Kap. 11 erinnert der Schreiber die Hebräer an ihre eigenen glaubensvollen Führer innerhalb der Gemeinde. Damit gliedert er die Aufgaben der Hirten: 1.) leiten; 2.) das Wort Gottes reden und 3.) ein Vorbild des Glaubens sein, dem die anderen folgen können. Vgl. Apg 20,28; 1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9.
13,9 vielfältigen und fremden Lehren. Dazu gehören Lehren, die dem Wort Gottes widersprechen. Das NT enthält unzählige Warnungen vor falscher Lehre und falschen Lehrern (vgl. Apg 20,29.30; Röm 16,17; 2Kor 10,4.5; Gal 1,6-9; Eph 4,14; 2Tim 3,16). fest … durch Gnade. Wer Gottes Gnade in Christus erfährt, bei dem bleibt Herz und Gesinnung stabil. Speisen. Das mosaische Gesetz regulierte alles, einschließlich der Ernährung (3Mo 11). Doch für Christen gelten diese Gesetze nicht mehr (Apg 10,9-16; vgl. 1Kor 8,8; Röm 14,17; 1Tim 4,1-5).
13,10 S. Anm. zu 11,26; 12,2. Der Schreiber stellt eine Analogie auf für die Identifi kation der Gläubigen mit Christus, der von den Juden verworfen wurde. Die Kadaver der Opfertiere vom großen Versöhnungstag wurden nicht gegessen, sondern »außerhalb des Lagers verbrannt« (3Mo 4,21; 16,27). Jesus, die Erfüllung aller Sühneopfer, wurde ebenso außerhalb der Tore Jerusalems gekreuzigt (Joh 19,17). Bildlich gesehen müssen die Gläubigen sich dort außerhalb des Lagers dieser Welt mit ihm identifi zieren und sollen nicht mehr zu jenen unheiligen Systemen und Praktiken dieser Welt gehören (vgl. 2Tim 2,4). Im weiteren Sinne beschreibt das auch die Trennung vom levitischen System. Die unentschlossenen Hebräer mussten den freimütigen Schritt tun, das System zu verlassen und sich aus dem Lager des alten Bundes Israels hinaus begeben. 13,10 Opferaltar. Der Altar, der Opfernde und das Opfer stehen in enger Verbindung. Die Verbindung zum Altar identifi ziert den Opfernden mit dem Opfer. Durch bestimmte Opfergaben identifi ziert sich die Person weiterhin mit dem Altar und dem Opfer, da sie einen Teil des Opfers aß. Paulus sprach von solcher Beziehung zu einem Altar, als er die Korinther über das Essen von Götzenopferfl eisch (1Kor 9,13) und über den Tisch des Herrn (1Kor 10,18) unterwies. Hier ist der Altar gleichbedeutend mit dem Opfer Christi und insbesondere in dessen Parallele zum großen Versöhnungstag.
13,15 Lobes … bekennen. Im ganzen Hebräerbrief wird deutlich, wie wichtig unter dem Alten Bund Opfer waren. Unter dem Neuen Bund wünscht Gott keine Tier- oder Getreideopfer, sondern er möchte, dass sein Volk ihn lobt und sich zu ihm bekennt. Da alle Gläubigen des NTs Priester sind (1Pt 2,5.9), opfern sie Gott Lob und Dank (vgl. Röm 12,1). Das »Opfer des Lobes« wird auch erwähnt in 3Mo 7,12; Ps 54,7. Zu »Frucht der Lippen« s. Jes 57,19; Hos 14,3.
13,16 Wohl zu tun und mitzuteilen. Die Opfer des Lobes von den Lippen des Volkes Gottes gefallen ihm nur dann, wenn sie mit praktizierter Liebe einhergehen (vgl. Jes 58,6.7; Jak 1,27; 1Joh 3,18).
13,17 Führern. S. Anm. zu V. 7. Wenn die Hirten bzw. Ältesten der Gemeinde predigen, lehren und die Bibel anwenden, üben sie damit die Autorität Christi selbst aus (s. Anm. zu Apg 20,28; 1Th 5,12.13). Sie dienen der Gemeinde im Namen Jesu und müssen ihm Rechenschaft über ihre Treue abgeben. S. Anm. zu 1Kor 4,1-5; 1Pt 5,1-4. Das kann aber auch weltliche Führungspersonen umfassen. Auch die Führer, die Gott nicht anerkennen, sind dennoch von ihm eingesetzt und werden von ihm gebraucht (vgl. Röm 13,1.4). Freuden. Die Gemeinde ist dafür verantwortlich, ihren Führern zu helfen, ihre Aufgabe mit Erfolg und Freude zu tun. S. Anm. zu 1Th 5,12.13.
13,19 wiedergeschenkt. Der Schreiber hatte diese Hebräer be- sucht und sehnte sich nach erneuter Gemeinschaft mit ihnen.
13,20 Dieser Segenswunsch gehört zu den schönsten der ganzen Bibel (vgl. 4Mo 6,24-26; 2Kor 13,14; Jud 24,25). Er ist ein Beispiel dafür, wie die Gnade in gegenseitigem Segen und Gebet zum Ausdruck kommen kann. 13,20 Gott des Friedens. Paulus verwendet diesen Titel in seinen Briefen sechsmal (vgl. 1Th 5,23). großen Hirten der Schafe. S. Jes 63,11. Der Messias wird in der Bibel häufi g als Hirte dargestellt (vgl. Ps 23; Jes 40,11; Hes 34,23; Joh 10,11; 1Pt 2,25; 5,4). durch das Blut eines ewigen Bundes. Das muss sich im Zusammenhang des Hebräerbriefes auf den Neuen Bund beziehen, der ewig ist (in einem zukünftigen Sinne), im Gegensatz zum mosaischen Bund, der zeitweilig war und außer Kraft gesetzt wurde (s. Anm. zu 8,6-13; 9,15).
13,21 rüste euch völlig aus. Das ist nicht das gr. Wort für »voll- kommen« oder »Vollkommenheit«, das im Hebräerbrief häufi g die Errettung bezeichnet (s. Anm. zu 5,14), sondern ein Wort, das in 10,5 und 11,3 mit »bereitet« übersetzt wurde. Es bedeutet, dass Gläubige auferbaut werden. Das Verb vermittelt den Gedanken des Zurüstens durch Formung, Abstimmung, Zurechtbringung, Wiederherstellung und Zubereitung (s. Anm. zu 11,3; vgl. 1Kor 1,10; 2Kor 13,11; 2Tim 3,17).
13,22 nehmt … an. Die Leser werden ermutigt, diese Botschaft mit offener Gesinnung und empfänglichen Herzen anzunehmen, im Gegensatz zu denen, die »die gesunde Lehre nicht ertragen« (2Tim 4,3). das Wort der Ermahnung. Vgl. 3,13. So beschreibt der Autor seinen eigenen Brief (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen).
13,23 freigelassen. Die näheren Umstände der Gefangenschaft von Timotheus sind nicht bekannt (vgl. 2Tim 4,11.21).
13,24 die von Italien. Die Gruppe, an die der Autor schrieb, lebte womöglich in Italien, oder dieser Ausdruck bedeutet, dass Christen aus Italien, die beim Autor waren, die Empfänger grüßten (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Auch die Verwendung ähnlicher Ausdrücke an anderen Stellen schafft keine Klarheit, da einige von ihnen sich eindeutig auf Menschen beziehen, die noch in ihrer Heimat lebten (Apg 10,23; 17,13) und andere auf solche, die fern ihrer Heimat waren (Apg 21,27).
1,1 Jakobus. Der Halbbruder des Herrn Jesus (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit; vgl. Gal 1,19; 2,9). Knecht. S. Anm. zu Röm 1,1. zwölf Stämme. Im NT ein üblicher Titel für Juden (vgl. Mt 19,28; Apg 26,7; Offb 7,4). Als das Reich nach der Regierungszeit Salomos gespalten wurde, bildeten 10 Stämme das Nordreich (Israel) und die beiden verbleibenden Stämme Benjamin und Juda bildeten das Südreich (Juda). Nach dem Fall und der Wegführung des Nordreichs nach Assyrien (722 v.Chr.) siedelten einige der im Nordreich Verbliebenen nach Juda um und kamen nach Jerusalem, um anzubeten (2Chr 29,30.34). So blieben im Land Juda alle 12 Stämme erhalten. Obwohl die Identität der Stämme nicht mit Sicherheit aufrecht erhalten werden konnte, nachdem das Südreich in die Gefangenschaft nach Babylon weggeführt wurde (586 v.Chr.), sahen die Propheten eine Zeit voraus, wenn Gott die ganze Nation wiederherstellt und die Stammeszugehörigkeit jedes einzelnen Israelits wieder aufklärt (vgl. Jes 11,12.13; Jer 3,18; 50,4; Hes 37; Offb 7,5-8). in der Zerstreuung. Das gr. Wort diaspora, das wörtl. so viel bedeutet wie »durch die Saat« (vgl. Joh 7,35), wurde ein Terminus Technicus für Juden, die außerhalb Palästinas lebten (vgl. 1Pt 1,1). Die Juden waren nicht nur durch die Assyrer (2Kö 17; 1Chr 5) und Babylonier (2Kö 24,25; 2Chr 36) aus ihrem Land vertrieben worden, sondern darüber hinaus wurden auch viele Juden als Sklaven nach Rom geführt, als die Römer das Land etwa 63 v.Chr. eroberten. Außerdem wanderten in den Jahrhunderten vor dem Kommen Christi Tausende von Juden aus Palästina aus und siedelten sich im gesamten Mittelmeerraum an (s. Anm. zu Apg 2,5-11). Die Leser des Jakobusbriefes waren jedoch hauptsächlich solche, die aufgrund von Verfolgung zerstreut waren (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 1,2 Brüder. Gläubige Juden unter den Zerstreuten (vgl. 1Pt 1,1.2; s. Anm. zu Apg 8,1). achtet es für lauter Freude. Das gr. Wort für »achten« kann auch übersetzt werden mit »betrachten« oder »bewerten«. Die natürliche menschliche Reaktion auf Anfechtungen ist, sich nicht zu freuen, und deshalb muss der Gläubige sich bewusst dazu entschließen, Anfechtungen mit Freude zu begegnen (s. Anm. zu Phil 3,1). Anfechtungen. Dieses gr. Wort bezeichnet Probleme oder irgendetwas, das dem Frieden, dem Wohlergehen, der Freude und dem Glück in die Quere kommt. Die Verbform dieses Wortes bedeutet »etwas oder jemanden auf die Probe stellen«, um die Qualität der Sache bzw. das Wesen der Person zu bestimmen. Gott lässt solche Prüfungen zu, um die Stärke und Qualität des Glaubens zu prüfen – und zu steigern – und um die Echtheit des Glaubens zu erweisen (V. 2-12). Jede Anfechtung wird zu einer Glaubensprüfung, die den Gläubigen stärken soll: Wenn er aufgrund falscher Reaktion den Test nicht besteht, wird dieser Test zu einer Versuchung oder zu einer Verführung zum Bösen (s. Anm. zu V. 13-15). 1,3 Bewährung. Das bedeutet »Beweis« oder »Erprobung« (s. Einleitung: Gliederung). Standhaftes Ausharren. Durch Prüfungen lernt der Christ, dem Druck einer Anfechtung hartnäckig zu widerstehen, bis Gott sie zu seiner Zeit wegnimmt. Dann wird der Gläubige sogar den Segen aus dieser Anfechtung lieb gewinnen. S. Anm. zu 2Kor 12,710.
1,4 vollkommen. Das bedeutet nicht sündlose Vollkommenheit (vgl. 3,2), sondern geistliche Reife (vgl. 1Joh 2,14). Die Erprobung des Glaubens führt den Gläubigen zu einer tieferen Gemeinschaft mit Christus und zu einem größeren Vertrauen auf ihn. Diese Qualitäten prägen wiederum einen stabilen, geistlichen und gerechten Charakter (s. Anm. zu 1Pt 5,10; vgl. Gal 4,19). vollständig. Von einem zusammengesetzten gr. Wort, das wörtl. bedeutet »in allen Teilen vollständig«.
1,5 Weisheit. Für die jüdische Leserschaft von Jakobus bedeutete Weisheit die Verständigkeit und praktische Fähigkeit, die nötig sind, um ein Leben zur Ehre Gottes zu führen. Das ist keine Weisheit für philosophische Spekulationen, sondern die Weisheit, die enthalten ist in den reinen und friedliebenden Maßstäben des Willens Gottes, die in seinem Wort offenbart sind (vgl. 3,13.17) und die ausgelebt werden. Nur diese göttliche Weisheit befähigt den Gläubigen, sich den Anfechtungen des Lebens zu unterwerfen und sich darüber zu freuen. erbitte er sie von Gott. Dieses Gebot ist ein notwendiger Bestandteil des Gebetslebens des Gläubigen (vgl. Hi 28,12-23; Spr 3,5-7; 1Th 5,17). Gott beabsichtigt mit den Anfechtungen, dass sie die Gläubigen hinführen zu vermehrter Abhängigkeit von ihm, indem sie dadurch ihre eigene Schwachheit erkennen. Gott hat nicht nur Reichtum (Eph 1,7; 2,7; 3,8; Phil 4,19), sondern auch Weisheit im Überfl uss (Röm 11,33) und diese Weisheit steht denen zur Verfügung, die sie suchen. S. Anm. zu Spr 2,1-7.
1,6 bitte im Glauben. Beten muss man mit einem zuversichtlichen Vertrauen auf einen souveränen Gott (s. Anm. zu Hebr 11,1). zweifl e nicht. Zweifeln bedeutet, dass das eigene Denken innerlich gespalten ist. Grund dafür ist nicht nur Unentschlossenheit oder ein innerer moralischer Konfl ikt oder Misstrauen gegen Gott (s. Anm. zu V. 8). Meereswoge. Wer bezweifelt, dass Gott fähig und bereitwillig ist, seine Weisheit zu geben, ist wie das wogende, ruhelose Meer, dessen unaufhörliche Brandung hin- und hergeht und niemals gefestigt werden kann (vgl. Jos 24,15; 1Kö 18,21; Offb 3,16).
1,8 Mann mit geteiltem Herzen. Die Übersetzung des gr. Wortes dipsychos, was wörtl. »Doppelseele« bedeutet und jemanden beschreibt, dessen Denken oder Seele zwischen Gott und der Welt gespalten ist (s. Anm. zu 4,4). Ein solcher Mensch ist ein Heuchler, der zeitweise an Gott glaubt, doch wenn Anfechtungen kommen, vertraut er ihm nicht und empfängt daher nichts. Die Verwendung dieses Ausdrucks in 4,8 macht deutlich, dass es sich um einen Ungläubigen handelt. unbeständig. S. Anm. zu V. 6.
1,9 niedrig gestellt … der Reiche. Bei Anfechtungen sind alle Gläubigen gleichermaßen abhängig von Gott. Diese Erprobungen bringen sie alle auf eine Ebene zusammen und halten sie davon ab, sich von irdischen Dingen in Beschlag nehmen zu lassen. Arme wie reiche Christen können sich freuen, dass Gott nicht die Person ansieht und dass sie beide das Vorrecht haben, mit Christus identifi ziert zu sein. 1,9 rühmen. Dieses Wort bezeichnet das Prahlen mit einem Vor- recht oder einem Besitz; es ist die Freude eines berechtigten Stolzes. Wenngleich der arme Gläubige in dieser Welt nichts hat, so kann er sich doch rühmen über seine hohe geistliche Stellung vor Gott in Gnade und über die Hoffnung, die er dadurch hat (vgl. Röm 8,17.18; 1Pt 1,4).
1,10 seiner Niedrigkeit. Das bezieht sich darauf, dass der reiche Gläubige bei Anfechtungen erniedrigt wird. Solche Erfahrungen helfen ihm, sich zu freuen und zu erkennen, dass echtes Glück und wahre Zufriedenheit nicht von irdischem Wohlstand abhängen, sondern von den wahren Reichtümern der Gnade Gottes.
1,11 Gras … Blume. Ein Bild der Blumen- und Blütenpracht in Pa- lästina, die im Februar farbenfroh hervorkommt und im März verwelkt. Dieser Vers spielt eindeutig an auf Jes 40,6-8, wo es um den versengenden Wüstenwind Scirocco geht, der eine Spur des Verbrennung und Zerstörung hinterlässt. Dieses Bild aus der Natur veranschaulicht, wie schnell von Gott gewirktes Sterben und Gericht die Abhängigkeit eines Reichen von materiellem Besitz beenden kann (s. Anm. zu V. 10; vgl. Spr 27,24).
1,12 Glückselig. S. Anm. zu Mt 5,4.10.11. Gläubige, die erfolgreich Anfechtungen ertragen, sind wirklich glücklich (vgl. 5,11). Anfechtung. s. Anm. zu V. 2. erduldet. S. Anm. zu V. 3. In diesem Zusammenhang bezeichnet das auch das passive, schmerzhafte Überstehen einer Anfechtung und blickt auf den siegreichen Ausgang. Ein solcher Mensch gibt niemals seinen rettenden Glauben an Gott auf; daher ist dieses Konzept eng verbunden mit der Lehre der ewigen Heilssicherheit und der Beharrlichkeit des Gläubigen (s. Anm. zu Mt 24,13; vgl. Joh 14,15.23; 1Joh 2,5.6.15.19; 4,19; 1Pt 1,6-8). bewährt. Wörtl. »die Prüfung bestanden« (s. Anm. zu V. 2. »Anfechtungen«). Der Gläubige ist erfolgreich und siegreich durch seine Anfechtungen gegangen und hat gezeigt, dass er echt ist, weil sein Glaube die Anfechtung ertragen hat wie einst Hiob. Krone des Lebens. Die beste Übersetzung ist: »die Krone, die Leben ist«. Eine »Krone« war der Kranz, der bei den Sportereignissen der gr. Antike den Siegern auf den Kopf gelegt wurde. Hier beschreibt dieser Siegeskranz den letztendlichen Lohn des Gläubigen, das ewige Leben, das Gott ihm verheißen hat und ihm beim Tod oder bei der Wiederkunft Christi in ganzer Fülle gewähren wird (s. Anm. zu 2Tim 4,8; Offb 2,10; vgl. 1Pt 5,4).
1,13 Dasselbe gr. Wort, das bisher mit »Anfechtung« übersetzt wur- de (V. 2-12), wird hier nun mit »Versuchung« wiedergegeben. Jakobus will damit herausstellen, dass alle schwierigen Umstände, die im Leben eines Gläubigen auftreten, ihn entweder stärken können, wenn er Gott gehorcht und seiner Obhut treu bleibt, oder sie werden zu einer Verführung zum Bösen, wenn sich der Gläubige entschließt, stattdessen an Gott zu zweifeln und seinem Wort nicht zu gehorchen. Gott kann nicht versucht werden zum Bösen. Aufgrund seines heiligen Wesens hat Gott keinerlei Veranlagung zum Bösen oder auch nur zur Verwundbarkeit durch Böses (Hab 1,13; vgl. 3Mo 19,2; Jes 6,3; 1Pt 1,16). er selbst versucht auch niemand. Gott lässt Anfechtungen gezielt zu und damit auch Versuchungen, doch hat er verheißen, nicht mehr zuzulassen, als der Gläubige ertragen kann und ihm immer einen Ausweg zu bieten (1Kor 10,13). Der Gläubige muss entscheiden, ob er den von Gott gebotenen Ausweg nimmt oder der Versuchung nachgibt (s. Anm. zu V. 14; vgl. 2Sam 24,1; 1Chr 21,1).
1,14 seiner eigenen Begierde. Das bedeutet Lust, d.h. die starke Begierde der menschlichen Seele, etwas zu genießen oder zu haben, was das Fleisch befriedigt. Die gefallene Natur des Menschen neigt dazu, all das Sündige innig zu begehren, was dieser Natur Befriedigung verschafft (s. Anm. zu Röm 7,8-25). »Seiner eigenen« bezeichnet die individuelle Natur der Lust: Aufgrund der Erbanlagen, der Umgebung, der Erziehung und persönlicher Entscheidungen sind diese Lüste von Mensch zu Mensch verschieden. Die gr. Grammatik zeigt an, dass diese »Begierden« die direkte Ursache des Sündigens sind. Vgl. Mt 15,18-20. gereizt. Dieses gr. Wort bezeichnete Wild, das in Fallen gelockt wurde. So wie Tiere durch reizvolle Köder in ihren Tod gelockt werden können, so verheißt die Versuchung dem Menschen etwas Gutes, was in Wirklichkeit schädlich ist. gelockt. Ein Begriff aus der Fischerei, der »fangen« oder »ködern« bedeutet (vgl. 2Pt 2,14.18) und in Parallele zu »gereizt« steht.
1,15 Sünde ist nicht nur eine spontane Handlung, sondern das Er- gebnis eines Prozesses. Die gr. Wörter für »empfangen hat« und »gebiert« vergleichen den Prozess mit einer natürlichen Empfängnis und Geburt. Jakobus personifi ziert die Versuchung und zeigt, dass sie einem ähnlichen Muster folgen kann und Sünde mit all ihren tödlichen Folgen hervorbringt. Sünde führt für den Gläubigen zwar nicht zu geistlichem Tod, kann aber zu seinem körperlichen Tod führen (1Kor 11,30; 1Joh 5,16).
1,16 Irrt euch nicht. Dieser gr. Ausdruck bezeichnet einen Irrtum, eine Verirrung oder ein Verloren gehen. Christen dürfen nicht den Fehler begehen, Gott für ihre Sünde verantwortlich zu machen anstatt sich selbst.
1,17 Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab. Die beiden Worte »Gabe« und »Geschenk« betonen die Vollkommenheit und Vollständigkeit von Gottes Barmherzigkeit. »Gabe« beschreibt die Handlung des Gebens und »Geschenk« den gegebenen Gegenstand. Alles, was von Gott gegeben wird, ist passend, vollständig und segensreich. Vater der Lichter. Ein alter jüdischer Ausdruck für Gott als den Schöpfer, wobei die »Lichter« Sonne, Mond und Sterne sind (vgl. 1Mo 1,14-19). keine Veränderung … Schatten infolge von Wechsel. Aus menschlicher Perspektive haben die Himmelskörper verschiedene Bewegungs- und Rotationsphasen, wechseln zwischen Tag und Nacht variieren in der Intensität von Licht und Schatten. Doch für Gott gilt dieses Muster nicht – er ist unveränderlich (vgl. Mal 3,6; 1Joh 1,5).
1,18 Nach seinem Willen. Dieser Ausdruck ist die Übersetzung eines gr. Wortes, das herausstellt, dass die Wiedergeburt nicht nur ein Wunsch ist, sondern ein aktiver Ausdruck des Willens Gottes, den er in seiner Macht allezeit ausführen kann. Diese Wendung steht zu Beginn dieses gr. Satzes, was bedeutet, dass Jakobus betonen wollte, dass der souveräne Wille Gottes der Ursprung dieses neuen Lebens ist. hat er uns gezeugt. Der göttliche Akt der Wiedergeburt bzw. neuen Geburt (s. Anm. zu Joh 3,3-8; 1Pt 1,23; vgl. Hes 36,25-27; Joh 1,12.13; Eph 2,5.6; 5,26). Wort der Wahrheit. Vgl. Joh 17,17. Die Bibel bzw. das Wort Gottes. Er bewirkt die Wiedergeburt von Sündern durch die Kraft dieses Wortes (vgl. 2Kor 6,7; Kol 1,5; 1Th 2,13; Tit 3,5; 1Pt 1,23-25). Erstlinge. Ursprünglich ein atl. Ausdruck, der die ersten und besten Früchte der Ernte bezeichnete, die Gott als Opfer erwartete (vgl. 2Mo 23,19; 3Mo 23,9-14; 5Mo 26,1-19). Gott diese ersten Früchte zu geben, war ein Akt des Glaubens daran, dass er seine Verheißung erfüllen und eine volle Ernte geben wird (Spr 3,9.10). In gleicher Weise sind Christen die ersten Anzeichen von Gottes künftiger neuer Schöpfung (vgl. 2Pt 3,10-13) und erfreuen sich in ihrem neuen Leben gegenwärtig an einem Vorgeschmack auf die künftige Herrlichkeit (s. Anm. zu Röm 8,19-23).
1,19 schnell zum Hören, langsam zum Reden. Gläubige sollen auf die Schrift positiv reagieren und eifrig jede Gelegenheit nutzen, Gottes Wort und Willen besser kennen zu lernen (vgl. Ps 119,11; 2Tim 2,15). Doch gleichzeitig sollen sie sich hüten, voreilig Prediger oder Lehrer zu werden (s. Anm. zu 3,1.2; vgl. Hes 3,17; 33,6.7; 1Tim 3,6; 5,22).
1,20 Zorn. Von einem gr. Wort, das eine tiefe, innere Abneigung und Ablehnung bezeichnet, in diesem Kontext gegen Gottes Wort (s. Anm. zu 4,1-3; vgl. Gal 4,16).
1,21 legt ab. Wörtl. »habt ausgezogen«, wie man es bei schmutzi- gen Kleidern getan hat (s. Anm. zu Röm 13,12-14; Eph 4,22; Kol 3,8; Hebr 12,1; 1Pt 2,1.2). Die Zeitform dieses gr. Verbs betont, wie wichtig es ist, Sünde abzulegen, bevor man Gottes Wort empfängt. Schmutz … Bosheit. Der erste Begriff bezeichnete sowohl moralisch Böses als auch schmutzige Kleider. Manchmal wurde es sogar für Ohrschmalz gebraucht. Hier steht es für Sünde, das die geistliche Hörfähigkeit des Gläubigen beeinträchtigt. »Bosheit« bezeichnet böse Lust oder Absicht. eingepfl anzte Wort. S. Anm. zu V. 18.
1,22 Seid aber Täter. Jakobus ruft bekennende Gläubige auf, nicht nur einfach das Wort zu »tun«, sondern vielmehr »Täter« zu sein. Damit betont er, dass ihre ganze Persönlichkeit davon geprägt sein sollte. S. Anm. zu Mt 7,21-27. betrügen. Wörtl. »daneben berechnen«. Dieses Wort bezeichnete in der Mathematik eine Fehlkalkulation. Wenn bekennende Christen sich damit zufrieden geben, das Wort Gottes nur zu hören, unterliegen sie einem schwerwiegenden geistlichen Irrtum.
1,23 Spiegel. Im 1. Jhdt. bestanden Spiegel nicht aus Glas, sondern aus Metall, aus Bronze, Silber oder – bei den Reichen – aus Gold. Das Metall wurde fl ach geschlagen und auf Hochglanz poliert. Das Spiegelbild war zwar erkennbar, aber nicht vollkommen (vgl. 1Kor 13,12). anschaut. Ein kräftiger gr. Ausdruck, der so viel bedeutet wie sorgfältig und aufmerksam betrachten, im Gegensatz zu einem fl üchtigen Blick.
1,24 vergessen, wie er gestaltet war. Wenn bekennende Christen nicht unverzüglich auf das gehörte Wort reagieren, werden sie die nötigen Veränderungen und Verbesserungen vergessen, die ihre Betrachtung ihnen verdeutlicht hat.
1,25 vollkommene Gesetz. Sowohl im AT als auch im NT wird Gottes offenbartes, irrtumsfreies, genugsames und umfassendes Wort »Gesetz« genannt (vgl. Ps 19,8). Die Vorherrschaft der Gnade bedeutet nicht, es gäbe kein moralisches Gesetz oder keinen Verhaltenskodex, dem die Gläubigen gehorchen müssen. Gläubige werden vom Heiligen Geist befähigt (s. Anm. zu Röm 8,4). Freiheit. Echte Freiheit von Sünde. Wenn der Heilige Geist die Prinzipien der Bibel auf die Herzen der Gläubigen anwendet, werden sie von der Sklaverei der Sünde befreit und befähigt, Gott zu gehorchen (Joh 8,34-36).
1,26 fromm. Das bezieht sich auf zeremonielle öffentliche Anbe- tung (vgl. Apg 26,5). Jakobus wählte diesen Begriff anstelle eines Ausdrucks für innere Frömmigkeit, um die äußeren Insignien, Rituale und Formen herauszustellen, die nicht aufrichtig befolgt wurden. Zunge … im Zaum hält. »Im Zaum halten« bedeutet »beherrschen«. Ein reines Herz zeigt sich oft in einer beherrschten und angemessenen Ausdrucksweise (s. Anm. zu Mt 12,36.37).
1,27 reine und makellose Frömmigkeit. Jakobus defi niert mit zwei gleichbedeutenden Adjektiven die vollkommenste Art des Glaubenslebens, die gemessen wird an mitfühlender Liebe (vgl. Joh 13,35). Waisen und Witwen. Diese Menschen ohne Eltern bzw. Ehegatten waren und sind eine besonders bedürftige Gruppe der Gemeinde (s. Anm. zu 1Tim 5,3; vgl. 2Mo 22,21; 5Mo 14,28.29; Ps 68,6; Jer 7,6.7; 22,16; Apg 6,1-6). Da sie sich gewöhnlich nicht revanchieren können, zeigt man wahre, aufopfernde, christliche Nächstenliebe, wenn man sich um sie kümmert. Welt. Das böse Weltsystem (s. Anm. zu 4,4; 1Joh 2,15).
2,1 den Glauben. Das bezieht sich nicht auf den einmaligen Glaubensschritt, sondern auf den gesamten christlichen Glauben (vgl. Jud 3), dessen zentraler Blickpunkt Jesus Christus ist. den Herrn der Herrlichkeit. Christus ist der Eine, der die Herrlichkeit Gottes offenbart (s. Anm. zu Offb 1,6; vgl. Joh 1,14; 2Kor 4,4-6; Hebr 1,1-3). In seiner Fleischwerdung zeigte er, dass er nicht auf die Person sieht und völlig unparteilich ist (vgl. Mt 22,16) – man betrachte beispielsweise die Menschen von niedrigem Rang in seinem Stammbaum (s. Anm. zu Mt 1,116), seine Wahl des demütigen Dorfes Nazareth als seine Heimat für 30 Jahre und seine Bereitschaft, in Galiläa und Samaria zu wirken, obwohl beide Gegenden von den führenden Israeliten geringgeschätzt wurden. Ansehen der Person. Dieser Begriff bedeutete ursprünglich, jemandes Gesicht zu erheben oder die Person zu erhöhen, erhielt aber später die Bedeutung, jemanden zu verherrlichen, und zwar streng auf einer oberfl ächlichen, äußerlichen Grundlage, wie z.B. dem Erscheinungsbild, der Rasse, dem Wohlstand, Rang oder sozialen Status (3Mo 19,15; Hi 34,19; vgl. 5Mo 10,17; 15,7-10; 2Chr 19,7; Spr 24,23; 28,21; Mt 22,8-10; Apg 10,34.35; Röm 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25; 4,1; 1Pt 1,17).
2,2 Versammlung. Wörtl. »Synagoge«, was »zusammenkommen« heißt. Da Jakobus ganz am Anfang der Kirchengeschichte an Gläubige jüdischen Hintergrunds schrieb (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit; 1,1), verwendete er sowohl dieses allgemeine Wort als auch den normalen gr. Begriff für »Gemeinde« (5,14) für die Zusammenkünfte der Gemeinde während dieser Übergangszeit. goldenen Ringen. Zwar trugen die meisten Juden Ringe (vgl. Lk 15,22), doch die wenigsten konnten sich goldene leisten. Überlieferungen bezeugen jedoch, dass in der Antike die meisten prunkvollen Leute an allen Fingern Ringe trugen außer am Mittelfi nger. Damit führten sie ihren wirtschaftlichen Status vor (einige antike Quellen weisen darauf hin, dass es sogar Geschäfte gab, die Ringe vermieteten). prächtiger Kleidung. Dieses Wort bezeichnet strahlende, leuchtende Gewänder und wurde auch für das glänzende Gewand verwendet, das die Soldaten Jesus anzogen, um ihn zu verspotten (Lk 23,11), sowie für das Gewand eines Engels (Apg 10,30). Der Begriff kann auch eine helle, auffällige Farbe bezeichnen sowie brillante, glitzernde und funkelnde Ornamente. Jakobus verurteilt nicht diesen Ungläubigen für seine auffällige Kleidung, sondern die Gemeinde für ihre schmeichelnde Reaktion darauf. ein Armer. In der Urkirche gab es zwar auch bemittelte Leute (Mt 27,57-60; Joh 19,38.39; Apg 4,36.37; 8,27; 10,1.2; 16,14; 17,4; 1Tim 6,17-19), doch größtenteils bestand die Gemeinde aus gewöhnlichen, armen Menschen (vgl. V. 5; Apg 2,45; 4,35-37; 6,1-6; 1Kor 1,26; 2Kor 8,2.14). In der ganzen Bibel gilt den Armen Gottes besondere Aufmerksamkeit (1,27; 3Mo 25,25.35-37.39; Ps 41,2; 68,11; 72,4.12; 113,7; Spr 17,5; 21,13; 28,27; 29,7; 31,9.20; Jes 3,14.15; 10,1.2; 25,4; Gal 2,10).
2,3 Setze … guten Platz. Ein bequemerer und auffälligerer Ehren- platz. In den Synagogen und Versammlungsstätten des 1. Jhdts. gab es manchmal Bänke entlang der Außenwand und ein paar Bänke im vorderen Bereich. Der größte Teil der Versammlung saß entweder im Schneidersitz auf dem Fußboden oder stand. Es gab nur eine begrenzte Anzahl guter Plätze; das waren die Sitze, die die Pharisäer stets gern einnehmen wollten (Mk 12,38.39).
2,4 Unterschiede unter euch machen. S. Anm. zu V. 1. Das war die wahre Natur der Sünde in diesem Abschnitt – und nicht die kostbare Kleidung oder die Ringe des Reichen oder die Tatsache, dass er einen guten Platz bekam. nach verwerfl ichen Grundsätzen richten. Oder »mit böser Absicht richten«. Jakobus befürchtete, dass seine Leser sich verhalten wie die sündige Welt, indem sie den Reichen und Angesehenen umhegen und den Armen und Gewöhnlichen verachten.
2,5 Hat nicht Gott … erwählt. S. Anm. zu Röm 8,29; vgl. 1Kor
1,1 Jakobus. Der Halbbruder des Herrn Jesus (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit; vgl. Gal 1,19; 2,9). Knecht. S. Anm. zu Röm 1,1. zwölf Stämme. Im NT ein üblicher Titel für Juden (vgl. Mt 19,28; Apg 26,7; Offb 7,4). Als das Reich nach der Regierungszeit Salomos gespalten wurde, bildeten 10 Stämme das Nordreich (Israel) und die beiden verbleibenden Stämme Benjamin und Juda bildeten das Südreich (Juda). Nach dem Fall und der Wegführung des Nordreichs nach Assyrien (722 v.Chr.) siedelten einige der im Nordreich Verbliebenen nach Juda um und kamen nach Jerusalem, um anzubeten (2Chr 29,30.34). So blieben im Land Juda alle 12 Stämme erhalten. Obwohl die Identität der Stämme nicht mit Sicherheit aufrecht erhalten werden konnte, nachdem das Südreich in die Gefangenschaft nach Babylon weggeführt wurde (586 v.Chr.), sahen die Propheten eine Zeit voraus, wenn Gott die ganze Nation wiederherstellt und die Stammeszugehörigkeit jedes einzelnen Israelits wieder aufklärt (vgl. Jes 11,12.13; Jer 3,18; 50,4; Hes 37; Offb 7,5-8). in der Zerstreuung. Das gr. Wort diaspora, das wörtl. so viel bedeutet wie »durch die Saat« (vgl. Joh 7,35), wurde ein Terminus Technicus für Juden, die außerhalb Palästinas lebten (vgl. 1Pt 1,1). Die Juden waren nicht nur durch die Assyrer (2Kö 17; 1Chr 5) und Babylonier (2Kö 24,25; 2Chr 36) aus ihrem Land vertrieben worden, sondern darüber hinaus wurden auch viele Juden als Sklaven nach Rom geführt, als die Römer das Land etwa 63 v.Chr. eroberten. Außerdem wanderten in den Jahrhunderten vor dem Kommen Christi Tausende von Juden aus Palästina aus und siedelten sich im gesamten Mittelmeerraum an (s. Anm. zu Apg 2,5-11). Die Leser des Jakobusbriefes waren jedoch hauptsächlich solche, die aufgrund von Verfolgung zerstreut waren (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). 1,2 Brüder. Gläubige Juden unter den Zerstreuten (vgl. 1Pt 1,1.2; s. Anm. zu Apg 8,1). achtet es für lauter Freude. Das gr. Wort für »achten« kann auch übersetzt werden mit »betrachten« oder »bewerten«. Die natürliche menschliche Reaktion auf Anfechtungen ist, sich nicht zu freuen, und deshalb muss der Gläubige sich bewusst dazu entschließen, Anfechtungen mit Freude zu begegnen (s. Anm. zu Phil 3,1). Anfechtungen. Dieses gr. Wort bezeichnet Probleme oder irgendetwas, das dem Frieden, dem Wohlergehen, der Freude und dem Glück in die Quere kommt. Die Verbform dieses Wortes bedeutet »etwas oder jemanden auf die Probe stellen«, um die Qualität der Sache bzw. das Wesen der Person zu bestimmen. Gott lässt solche Prüfungen zu, um die Stärke und Qualität des Glaubens zu prüfen – und zu steigern – und um die Echtheit des Glaubens zu erweisen (V. 2-12). Jede Anfechtung wird zu einer Glaubensprüfung, die den Gläubigen stärken soll: Wenn er aufgrund falscher Reaktion den Test nicht besteht, wird dieser Test zu einer Versuchung oder zu einer Verführung zum Bösen (s. Anm. zu V. 13-15). 1,3 Bewährung. Das bedeutet »Beweis« oder »Erprobung« (s. Einleitung: Gliederung). Standhaftes Ausharren. Durch Prüfungen lernt der Christ, dem Druck einer Anfechtung hartnäckig zu widerstehen, bis Gott sie zu seiner Zeit wegnimmt. Dann wird der Gläubige sogar den Segen aus dieser Anfechtung lieb gewinnen. S. Anm. zu 2Kor 12,710.
1,26 fromm. Das bezieht sich auf zeremonielle öffentliche Anbe- tung (vgl. Apg 26,5). Jakobus wählte diesen Begriff anstelle eines Ausdrucks für innere Frömmigkeit, um die äußeren Insignien, Rituale und Formen herauszustellen, die nicht aufrichtig befolgt wurden. Zunge … im Zaum hält. »Im Zaum halten« bedeutet »beherrschen«. Ein reines Herz zeigt sich oft in einer beherrschten und angemessenen Ausdrucksweise (s. Anm. zu Mt 12,36.37). 1,26 des Reiches. S. Anm. zu Mt 3,2. Jakobus denkt hier an das Reich in seinem gegenwärtigen Sinne der Heilssphäre – all jene, über die Christus herrscht – sowie an seine künftige Herrlichkeit im Tausendjährigen Reich.
2,6 unterdrücken. Wörtl. »tyrannisieren«. ziehen … euch vor Gericht. Das bedeutet zivilgerichtlich anklagen.
2,7 Lästern sie nicht den guten Namen. Das bezieht sich wahr- scheinlich auf religiöse Gerichte. Wohlhabende jüdische Gegner Christi bedrängten diese armen Christen. Vgl. Joh 16,2-4.
2,8 königliche Gesetz. Eine bessere Übersetzung ist »oberstes Ge- setz«. Dahinter steht der Gedanke, dass dieses Gesetz souverän oder verbindlich ist. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Zusammen mit dem Gebot, Gott zu lieben (5Mo 6,4.5), fasst dieses oberste Gebot (ein Zitat aus 3Mo 19,18), das ganze Gesetz und die Propheten zusammen (Mt 22,36-40; Röm 13,8-10). Jakobus spricht sich nicht für irgendeine Art emotionaler Selbstzuneigung aus – Selbstliebe ist eindeutig Sünde (2Tim 3,2). Vielmehr verlangt das Gebot, nach dem körperlichen und geistlichen Wohlergehen des Nächsten zu streben (d.h. aller in unserem Einfl ussbereich; Lk 10,30-37), und zwar mit derselben Intensität und Fürsorge, wie man es natürlicherweise für sich selbst tut (vgl. Phil 2,3.4).
2,9 wenn. Die bessere Übersetzung ist »weil«; die gr. Konstruktion dieses Konditionalsatzes zeigt, das dies unter den Lesern tatsächlich praktiziert wurde. die Person anseht. S. Anm. zu V. 1. Die Form dieses gr. Verbs zeigt, dass ihr Verhalten kein gelegentlicher Ausrutscher war, sondern eine Gewohnheit. vom Gesetz … verurteilt. Insbesondere durch die Gebote in 5Mo 1,17 und 16,19. Übertreter. Das bezeichnet jemanden, der die Grenze des Gesetzes Gottes überschreitet. Wenn man die Person ansieht, verstößt man damit gegen Gottes Gesetz.
2,10 ganze Gesetz … in einem. S. Anm. zu Gal 3,10-13. Das Gesetz Gottes ist keine Reihe zusammenhangsloser Anweisungen, sondern eine elementare Einheit, die vollkommene Liebe zu Gott und zum Nächsten erfordert (Mt 22,36-40). Obwohl nicht alle Sünden gleichermaßen schädigend oder verwerfl ich sind, zerstören sie alle diese Einheit und machen den Menschen zum Übertreter. Wenn man eine Fensterscheibe mit einem Hammer an auch nur einer Stelle einschlägt, zerstört man damit das ganze Fenster. ist in allem schuldig. Nicht, weil man etwa gegen jedes Gebot verstoßen habe, sondern in dem Sinne, dass man die Einheit des Gesetzes zerstört hat. Eine einzige Übertretung macht es unmöglich, die elementarsten Gebote des Gesetzes zu erfüllen: Gott vollkommen zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst.
2,11 Diese Zitate stammen aus 2Mo 20,13.14 und 5Mo 5,17.18.
2,12 Gesetz der Freiheit. S. Anm. zu 1,25. gerichtet. Vgl. Röm 2,6-16.
2,13 Wenn jemand keinerlei Erbarmen und Mitgefühl gegenüber Bedürftigen erweist, zeigt er damit, dass er niemals auf die großartige Gnade Gottes eingegangen ist, und als Unerlöster wird er nur ein strenges, ungemildertes Gericht in der Hölle empfangen (vgl. Mt 5,7). Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht. Wessen Leben von Barmherzigkeit geprägt ist, der kann den Tag des Gerichts getrost erwarten und wird allen Anklagen entkommen, die ein strenges Gericht gegen ihn vorbringen könnten. Denn durch seine Barmherzigkeit gegenüber anderen erweist er, dass er Gottes Gnade wirklich angenommen hat.
2,14 Jakobus setzt seine Reihe von Prüfungskriterien fort, an- hand derer seine Leser überprüfen können, ob ihr Glaube lebendig oder tot ist (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). In diesem Abschnitt geht es um den kombinierten Test, der alle anderen Prüfungskriterien in sich vereint: gute Werke bzw. gerechtes Verhalten, das Gottes Wort gehorcht und einen gottesfürchtigen Charakter offenbart (vgl. 1,22-25). Jakobus will nicht sagen, man werde durch Werke errettet (er hat bereits unmissverständlich klar gestellt, dass die Errettung eine Gnadengabe Gottes ist; 1,17.18; vgl. Eph 2,8.9), sondern er will herausstellen, dass es eine Art von scheinbarem Glauben gibt, der tot ist und nicht rettet (V. 14.17.20.24.26; vgl. Mt 3,7.8; 5,16; 7,21; 13,1823; Joh 8,30.31; 15,6). Möglicherweise schrieb Jakobus an Juden (vgl. 1,1), die zwar die Werkgerechtigkeit des Judentums verworfen hatten, doch stattdessen der irrigen Annahme verfi elen, es seien überhaupt keine gerechten Werke und kein Gehorsam gegenüber Gottes Willen nötig, da diese Dinge nicht zur Errettung beitragen. Daher reduzierten sie den Glauben auf eine bloße theoretische Zustimmung zu den Tatsachen des Lebens Christi. 2,14 wenn jemand sagt. Dieser wichtige Ausdruck bestimmt die Auslegung dieses ganzen Abschnitts. Jakobus sagt nicht, dass dieser Mensch tatsächlich Glauben hat, sondern dass er behauptet, Glauben zu haben. Glauben. Das versteht man am besten in einem weiteren Sinne, nämlich dass jemand die Wahrheiten des Evangeliums in irgendeinem Grad angenommen hat. hat doch keine. Auch hier beschreibt die Form des Verbs jemanden, dem durchgängig jeglicher äußere Erweis des Glaubens fehlt, den er gewohnheitsmäßig behauptet. Werke. Das bezieht sich auf jegliches gerechte Verhalten in Übereinstimmung mit Gottes offenbartem Wort, doch in diesem Zusammenhang geht es insbesondere um Werke der Barmherzigkeit (V. 15). Kann ihn denn der Glaube retten? Eine bessere Übersetzung ist: »Kann diese Art von Glauben ihn retten?« Jakobus bestreitet keineswegs die Wichtigkeit von Glauben. Vielmehr spricht er sich gegen die Vorstellung aus, dass rettender Glaube eine bloß theoretische Übung sein kann, ohne sich verbindlich zu aktivem Gehorsam zu entschließen (vgl. Mt 7,16-18). Die grammatische Form der Frage erfordert eine Verneinung. S. Anm. zu Röm 2,5-10.
2,15 Jakobus veranschaulicht seine Aussage und vergleicht Glauben und Werke mit Mitleid ohne mitleidige Hilfeleistung (vgl. Mt 25,31-46).
2,17 an und für sich tot. So wie angebliches Mitleid ohne Hilfe- leistung nichtig ist, so ist die Art von Glauben, der keine Werke hervorbringt, bloß ein leeres Bekenntnis und kein echter, rettender Glaube. 2,18 einer. Die Ausleger sind sich uneinig, 1.) ob Jakobus mit »einer« in demütiger Weise sich selbst meint oder ob er damit einen seiner Gegner meint, die gegen seine Lehre waren und 2.) wie viel des folgenden Abschnitts diesem Gegner zugeschrieben werden muss, der sich damit gegen Jakobus selbst wendet. In jedem Fall aber bleibt sich die Hauptaussage von Jakobus gleich: Das einzig mögliche Anzeichen für echten Glauben sind Werke (vgl. 2Pt 1,3-11).
2,19 Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt. Das bezieht sich eindeutig auf die Textstelle, die seinen jüdischen Lesern wohlbekannt war: das Schema (5Mo 6,4.5), die elementarste Lehre des AT. Dämonen glauben. Sogar gefallene Engel bestätigen, dass Gott ein einziger Gott ist und sie zittern vor den Konsequenzen. Dämonen sind in ihrer Lehre im Grunde genommen rechtgläubig (vgl. Mt 8,29.30; Mk 5,7; Lk 4,41; Apg 19,15). Doch Rechtgläubigkeit an sich ist noch kein Beweis für rettenden Glauben. Sie kennen die Wahrheit über Gott, Christus und den Heiligen Geist, aber sie hassen Gott und die Wahrheit.
2,20 nichtiger. Oder »leer, vergeblich«. Mit seiner Behauptung, gläubig zu sein, betrügt der Gegner sich selbst und andere, und sein Glaube ist reine Heuchelei. Glaube ohne die Werke tot. Jakobus stellt nicht zwei Methoden der Errettung gegenüber (Glaube kontra Werke), sondern vergleicht zwei Arten von Glauben: lebendigen Glauben, der rettet, und toten Glauben, der nicht rettet (vgl. 1Joh 3,7-10).
2,21 Jakobus zitiert 3 Veranschaulichungen für lebendigen Glauben: 1.) Abraham (V. 21-24); 2.) Rahab (V. 25) und 3.) Körper und Geist (V. 26). 2,21 durch Werke gerechtfertigt. Das widerspricht nicht der klaren Lehre von Paulus, dass Abraham allein aus Gnade und allein durch Glauben vor Gott gerechtfertigt wurde (Röm 3,20; 4,1-25; Gal 3,6.11). Aus mehreren Gründen kann Jakobus damit nicht meinen, dass Abraham vor Gott als gerecht erklärt wurde, weil er eigene gute Werke vorzuweisen hatte: 1.) Jakobus hat bereits herausgestellt, dass die Errettung eine Gnadengabe Gottes ist (1,17.18); 2.) in der Mitte dieser umstrittenen Textstelle (V. 23) zitierte Jakobus 1Mo 15,6, wo ausdrücklich gesagt wird, dass Gott Abraham allein aufgrund seines Glaubens Gerechtigkeit zurechnete (s. Anm. zu Röm 1,17; 3,24; 4,1-25) und 3.) das Werk, von dem Jakobus sagt, es habe Abraham gerechtfertigt, war seine Opferung Isaaks (1Mo 22,9.12), und dieses Ereignis geschah viele Jahre, nachdem sein Glaube begonnen hatte und er vor Gott gerecht erklärt worden war (1Mo 12,1-7; 15,6). Dass Abraham Isaak opferte, erwies vielmehr, dass sein Glaube echt und er wirklich vor Gott gerecht war. Jakobus betont hier, dass die Behauptung, errettet zu sein, für andere ersichtlich nachgewiesen wird. Die Lehre von Jakobus ergänzt in vollkommener Weise die Schriften von Paulus: Die Errettung geschieht allein durch Glauben (Eph 2,8.9) und erweist sich allein durch treuen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes (Eph 2,10).
2,22 vollkommen wurde. Das bedeutet, etwas zum Ziel oder zur Erfüllung bringen. So wie ein Obstbaum seinen Zweck noch nicht erfüllt hat, solange er keine Frucht trägt, so hat auch der Glaube noch nicht sein Ziel erreicht, solange er sich nicht in einer gerechten Lebensweise erweist.
2,23 die Schrift, die spricht. Ein Zitat aus 1Mo 15,6; s. Anm. zu Röm 4,1-5. Freund Gottes. Aufgrund seines Gehorsams wird Abraham in 2Chr 20,7 und Jes 41,8 so bezeichnet (Joh 15,14.15).
2,24 durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein. S. Anm. zu V. 21.
2,25 die Hure Rahab. Das AT berichtet, was ihr Glaube beinhaltete, der die Grundlage ihrer Rechtfertigung vor Gott war (s. Anm. zu Jos 2,11). Sie stellte die Echtheit ihres Glaubens unter Beweis, als sie unter großem persönlichen Risiko die Boten Gottes aufnahm und beschützte (Jos 2,4.15; 6,17; vgl. Hebr 11,31). Jakobus wollte mit diesen Worten jedoch nicht ihr Gewerbe oder ihre Lüge gutheißen. durch Werke gerechtfertigt. S. Anm. zu V. 21.
3,1 In diesem Abschnitt verwendet Jakobus das im Judentum ge- bräuchliche literarische Stilmittel, einem bestimmten Körperglied Schuld zuzuschreiben (vgl. Röm 3,15; 2Pt 2,14). Er personifi ziert die Zunge, sodass sie die Verdorbenheit und Armseligkeit des Menschen repräsentiert. Damit lehrt er im Einklang mit der biblische Wahrheit, dass der Mund ein Zentrum und ein lebhafter Ausdruck des gefallenen Zustands des Menschen und seines sündigen Herzens ist (vgl. Jes 6,5; Mt 15,11.16-19; Mk 7,20-23; Röm 3,13.14). 3,1 Lehrer. Dieses Wort wird in den Evangelien mit »Meister« über- setzt und bezeichnet einen öffentlichen Lehrer oder Prediger (vgl. Lk 4,16-27; Joh 3,10; Apg 13,14.15; 1Kor 12,28; Eph 4,11). strengeres Urteil. Das gr. Wort für »Urteil« bezeichnet im NT normalerweise eine Verurteilung und bezieht sich hier auf ein künftiges Gericht: 1.) über einen ungläubigen falschen Lehrer bei der Wiederkunft Jesu (Jud 14.15) und 2.) über den Gläubigen, wenn er seinen Lohn von Christus empfängt (1Kor 4,3-5). Diese Aufforderung will nicht wahre Lehrer entmutigen, sondern den angehenden Lehrer vor der Ernstlichkeit dieser Rolle warnen (vgl. Hes 3,17.18; 33,7-9; Apg 20,26.27; Hebr 13,17).
3,2 Die Bibel sagt viel über all das Böse, das die Zunge verursachen kann (vgl. Ps 5,10; 34,14; 39,2; 52,6; Spr 6,17; 17,20; 26,28; 28,23; Jes 59,3; Röm 3,13). Mit ihrer enormen Tatkraft ist die Zunge dazu imstande, sündig, unwahr und unangemessen zu reden. In der Sprache des Menschen kommt seine Verdorbenheit drastisch zum Ausdruck (s. Anm. zu V. 1-12). verfehlen. Das bedeutet zu sündigen oder Gott in seiner Person zu beleidigen. Die Form des gr. Verbs betont, dass jedermann ständig darin versagt, das Richtige zu tun. vollkommener Mann. »Vollkommen« kann wahre Vollkommenheit bedeuten. In diesem Fall sagt Jakobus: Wenn ein Mensch hypothetisch imstande wäre, seine Zunge vollkommen zu beherrschen, dann wäre er ein vollkommener Mensch. Doch in der Realität ist natürlich niemand dagegen gefeit, mit seiner Zunge zu sündigen. Wahrscheinlicher ist, dass »vollkommen« solche Gläubigen beschreibt, die geistlich reif und somit imstande sind, ihre Zunge zu beherrschen.
3,3 Jakobus führt mehrere Vergleiche an, die verdeutlichen, wie die Zunge trotz ihrer Unscheinbarkeit die Kraft hat, den ganzen Menschen zu beherrschen und sein gesamtes Leben zu beeinfl ussen.
3,6 die Zunge ist ein Feuer. Wie ein Feuer, so können die sündigen Worte der Zunge in Windeseile Zerstörung verbreiten oder wie der damit einhergehende Qualm den ganzen umgebenden Bereich durchdringen und verderben. befl eckt. Das bedeutet »verunreinigt« oder »ansteckt« (vgl. Mk 7,20; Jud 23). Umkreis des Lebens. Dieser Ausdruck unterstreicht, dass das Übel der Zunge über den Einzelnen hinausgehen und alles in seinem Einfl ussbereich beeinträchtigen kann. Hölle. S. Anm. zu Mt 25,46. Eine Übersetzung des gr. Wortes gehenna (oder Hinnom-Tal). Zur Zeit Christi diente dieses Tal südwestlich der Stadtmauer Jerusalems als Müllgrube der Stadt und war für sein ständig brennendes Feuer bekannt. Jesus zog diesen Ort als Symbol heran für den Ort der ewigen Bestrafung und Qual (vgl. Mk 9,43.45). Für Jakobus bezieht sich »Hölle« nicht nur auf den Ort, sondern auch auf die teufl ischen Heerscharen, die diesen Ort eines Tages erben werden – sie gebrauchen die Zunge als Instrument zum Bösen.
3,8 die Zunge aber kann kein Mensch bezwingen. Das kann nur Gott durch seine Macht (vgl. Apg 2,1-11).
3,9 loben … verfl uchen. Die Juden fügten einer Erwähnung des Namens Gottes traditionell den Ausspruch »er sei gesegnet« an (vgl. Ps 68,20.36). Doch die Zunge spricht auch böse Wünsche über Menschen aus, die im Bild Gottes erschaffen sind. Das stellt heraus, wie heuchlerisch inkonsequent die Tätigkeit der Zunge ist. nach dem Bild Gottes gemacht. Der Mensch wurde im Bild Gottes geschaffen (s. Anm. zu 1Mo 1,26).
3,11 Drei Illustrationen aus der Natur verdeutlichen, wie sündig Fluchen ist. Der wahre Gläubige wird nicht seinem Glauben widersprechen und solche ungesunden Worte nicht regelmäßig verwenden.
3,13 In V. 13 verlässt Jakobus das Thema von Lehrern und der Zunge und geht über zur Weisheit und ihrem Einfl uss auf das Leben aller. Er bestätigt die Wahrheit der atl. Weisheitsliteratur (Hiob bis Hoheslied), dass nämlich die Weisheit in zwei Bereiche geteilt ist: menschliche und göttliche Weisheit. 3,13 weise und verständig. »Weise« ist das übliche gr. Wort für spekulatives Wissen und Philosophie. Die Hebräer verliehen diesem Begriff jedoch die weitaus reichhaltigere Bedeutung, vorhandenes Wissen geschickt auf die Dinge des praktischen Lebens anzuwenden. Das Wort für »verständig« kommt nur hier im NT vor und bezeichnet einen Experten oder Profi , der seine Fachkenntnis in praktischen Situationen geschickt anzuwenden versteht. Jakobus fragt, wer in der Kunst des Lebens wahrhaft geschickt ist. Sanftmütigkeit. Oder »Milde«. Das ist das Gegenteil von Hochmut und Selbstüberhebung (s. Anm. zu Mt 5,5; vgl. 1,21; 4Mo 12,3; Gal 5,23). Die Griechen beschrieben diese Eigenschaft als beherrschte Kraft. Weisheit. Die Art von Weisheit, die nur von Gott kommt (s. Anm. zu 1,5; vgl. Hi 9,4; 28; Ps 104,24; 111,10; Spr 1,7; 2,1-7; 3,19.20; 9,10; Jer 10,7.12; Dan 1,17; 2,20-23; Röm 11,33; 1Kor 1,30; Eph 3,10; Kol 2,3).
3,14 bitteren Neid. Das gr. Wort für »bitter« wurde für ungenieß- bares Wasser verwendet. Kombiniert mit »Neid« bezeichnet es eine harte, verletzende Haltung gegenüber anderen. Selbstsucht. Dieses Wort bezeichnet die selbstsüchtige Einstellung, die Feindseligkeit und Parteigeist hervorruft. Das gr. Wort beschrieb später jemanden, der sich aus eigennützigen Motiven politisch engagierte und versuchte, seine Ziele um jeden Preis zu erreichen (d.h. auch dann, wenn er dafür über Leichen gehen musste).
3,15 von oben. S. Anm. zu V. 13. Eine auf sich selbst fi xierte Weis- heit, die man sich nur aus eigenen Interessen aneignet, kommt nicht von Gott. irdische, seelische, dämonische. Menschliche Weisheit wird hier beschrieben als: 1.) auf die Erde beschränkt; 2.) charakterisiert von Menschlichkeit, Empfi ndlichkeit, einem ungeheiligten Herzen und einem unerlösten Geist und 3.) erzeugt von den Mächten Satans (vgl. 1Kor 2,14; 2Kor 11,14.15).
3,16 Unordnung. Das ist die Unordnung, die aus der Unbeständig- keit und dem Chaos menschlicher Weisheit hervorgeht (s. Anm. zu 1,6.8; vgl. V. 8). jede böse Tat. Wörtl. »jedes wertlose (oder unnütze) Werk«. Das sind Dinge, die nicht so sehr in sich selbst böse sind, sondern einfach nichts Gutes einbringen.
3,17 Die Weisheit von oben. S. Anm. zu V. 13. rein. Das bezeich- net geistliche Integrität und moralische Aufrichtigkeit. Jeder echte Christ hat diese Art von Motivation im Herzen (vgl. Ps 24,3.4; 51,7; Mt 5,8; Röm 7,22.23; Hebr 12,14). friedfertig. Das bedeutet »friedliebend« oder »friedenstiftend« (vgl. Mt 5,9). gütig. Dieses Wort ist schwer zu übersetzen. Wahrscheinlich ist damit ein Charakterzug lieblicher Vernünftigkeit gemeint. Ein solcher Mensch unterwirft sich jeder Art von schlechter Behandlung und Schwierigkeit und zeigt dabei eine Haltung der gutmütigen, höfl ichen und geduldigen Demut ohne jeden Gedanken des Hasses oder der Rache (vgl. Mt 5,10.11). sie lässt sich sagen. Der ursprüngliche Ausdruck beschrieb jemanden, der belehrbar ist, gefällig, einfach zu überzeugen und der sich bereitwillig einer militärischen Disziplin und moralischen und rechtlichen Maßstäben unterwirft. Für den Gläubigen defi niert das Gehorsam gegenüber Gottes Maßstäben (vgl. Mt 5,3-5). voll Barmherzigkeit. Die Gabe, denen Fürsorge zu erweisen, die Schmerzen und Nöte erleiden, und die Fähigkeit, schnell zu vergeben (vgl. Mt 5,7; Röm 12,8). unparteiisch. Dieses gr. Wort kommt nur hier im NT vor und bezeichnet einen konsequenten, standhaften Menschen mit ungeteilter Hingabe und Überzeugung, der keine ungerechten Unterschiede macht (s. Anm. zu 2,1-13).
3,18 Frucht der Gerechtigkeit. Gute Werke, die aus der Errettung resultieren (vgl. V. 17; Mt 5,6; s. Anm. zu 2,14-20; Gal 5,22.23; Phil 1,11). die Frieden stiften. S. Anm. zu V. 17. Gerechtigkeit gedeiht in einem Klima geistlichen Friedens.
4,1 die Kämpfe und die Streitigkeiten unter euch. Das sind keine internen Konfl ikte zwischen Einzelpersonen, sondern zwischen Menschen in der Gemeinde. »Kämpfe« sind Konfl ikte im Allgemeinen; »Streitigkeiten« sprechen von besonderen Erscheinungsformen des Streits. Uneinigkeit in der Gemeinde entspricht nicht dem Plan Gottes (Joh 13,34.35; 17,21; 2Kor 12,20; Phil 1,27), sondern resultiert aus der Mischung aus »Unkraut« (unechte Gläubige) und »Weizen« (die wahrhaft Erlösten), aus der die Gemeinde besteht. Lüsten. Dieses gr. Wort (von dem der Begriff »Hedonismus« abstammt) hat im NT stets einen negativen Beigeschmack. Die leidenschaftlichen Lüste auf weltliche Vergnügungen, von denen Ungläubige gekennzeichnet sind (1,14; Eph 2,3; 2Tim 3,4; Jud 18), sind der innere Ursprung des äußeren Konfl ikts in der Gemeinde. Vgl. 1,14.15. euren Gliedern. Das sind nicht die Gemeindemitglieder, sondern Körperglieder (s. Anm. zu Röm 6,13). Wie Paulus, so verwendet auch Jakobus die »Glieder« als Veranschaulichung für die sündige, gefallene Menschennatur (vgl. Röm 6,19; 7,5.23). Ungläubige (um die es hier geht) kämpfen (erfolglos) gegen die bösen Begierden in ihnen, die sie nicht beherrschen können.
4,2 mordet. Das ist das letztendliche Resultat gehinderter Begier- den. Jakobus dachte hier an tatsächlichen Mord und an die Stufenfolge der Sünde (Hass, Zorn, Bitterkeit), die dorthin führt. Das Bild beschreibt Ungläubige, die von ihren unbeherrschten bösen Begierden so getrieben werden, dass sie bis aufs Blut dafür kämpfen werden, diese Begierden zu befriedigen. weil ihr nicht bittet. Freude, Friede, Glück, Sinn, Hoffnung und Erfüllung im Leben kommen nur von Gott. Ungläubige sind jedoch nicht bereit, zu Gottes Bedingungen darum zu bitten; sie verweigern es, sich Gott zu unterwerfen und ihre Abhängigkeit von ihm anzuerkennen.
4,3 in böser Absicht. Das bedeutet, dass sie motiviert waren von persönlicher Genugtuung und Selbstsucht. Ungläubige trachten nach Dingen für ihr eigenes Vergnügen und nicht zur Ehre Gottes.
4,4 Ehebrecher und Ehebrecherinnen. Eine bildhafte Beschrei- bung geistlicher Untreue (vgl. Mt 12,39; 16,4; Mk 8,38). Die jüdischen Leser von Jakobus waren damit insbesondere vertraut, da das untreue Israel im AT oft als geistliche Hure beschrieben wird (vgl. 2Chr 21,11.13; Jer 2,20; 3,1.6.8.9; Hes 16,26-29; Hos 1,2; 4,15; 9,1). Jakobus zielt hier auf bekennende Christen ab, die äußerlich mit der Gemeinde verbunden sind, aber innerlich eine tiefe Liebe zum bösen Weltsystem haben. Freundschaft. Dieses gr. Wort kommt nur hier im NT vor und beschreibt Liebe im Sinne einer starken emotionalen Bindung. Wer sich tief und innig nach den Dingen dieser Welt sehnt, zeigt damit, dass er nicht erlöst ist (1Joh 2,15-17). Welt. S. Anm. zu 1,27. Feindschaft gegen Gott. Die unausweichliche Konsequenz der Freundschaft mit der Welt. Die schlichte Wahrheit, dass Ungläubige Gottes Feinde sind, wird in der ganzen Bibel gelehrt (vgl. 5Mo 32,41-43; Ps 21,9; 68,22; 72,9; 110,1.2; Jes 42,13; Nah 1,2.8; Lk 19,27; Röm 5,10; 8,5-7; 1Kor 15,25).
4,5 die Schrift rede. Im NT eine übliche Einleitung eines AT-Zitats (Joh 19,37; Röm 4,3; 9,17; 10,11; 11,2; Gal 4,30; 1Tim 5,18). Das folgende Zitat kommt als solches jedoch nicht im AT vor, sondern ist eine Essenz aus der allgemeinen Lehre des AT. eifersüchtiges Verlangen hat der Geist. Diesen schwierigen Ausdruck versteht man am besten, wenn man den »Geist« nicht als Heiligen Geist versteht, sondern als den Geist des Menschen, und den Ausdruck »eifersüchtiges Verlangen« im negativen Sinne übersetzt mit »begiert, zu neiden«. Jakobus sagt damit, dass der Geist eines Ungläubigen (seine innere Person) auf Böses erpicht ist (vgl. 1Mo 6,5; 8,21; Spr 21,10; Pred 9,3; Jer 17,9; Mk 7,21-23). Wer anders denkt, missachtet die biblische Diagnose der gefallenen Menschennatur; und wer in weltlichen Begierden lebt, zeigt, dass ein Glaube nicht echt ist (vgl. Röm 8,5-11; 1Kor 2,14).
4,6 reicher aber ist die Gnade. Der einzige Hoffnungsstrahl in der geistlichen Finsternis des Menschen ist die souveräne Gnade Gottes. Nur sie allein kann den Menschen von seiner Neigung zur Lust auf böse Dinge retten. Dass Gottes Gnade »reicher« ist, zeigt, dass seine Gnade größer ist als die Macht von Sünde, Fleisch, Welt und Teufel (vgl. Röm 5,20). Das Zitat aus dem AT (aus Spr 3,34; vgl. 1Pt 5,5) verdeutlicht, wer Gottes Gnade empfängt: nicht die stolzen Feinde Gottes, sondern die Demütigen. Das Wort »demütig« defi niert nicht eine besondere Klasse von Christen, sondern umfasst alle Gläubigen (vgl. Jes 57,15; 66,2; Mt 18,3.4). 4,7-10 In einer Folge von 10 Befehlen (der gr. Text enthält 10 Verben im Imperativ) zeigt Jakobus, wie man die rettende Gnade annimmt. Diese Verse skizzieren die Reaktion des Menschen auf Gottes Gnadenangebot der Errettung und verdeutlichen, was es heißt, demütig zu sein.
4,7 unterwerft. Wörtl. »unter etwas einreihen«. Dieses Wort wur- de für Soldaten verwendet, die unter der Autorität ihres Befehlshabers standen. Im NT bezeichnet es Jesu Unterwerfung unter die Autorität seiner Eltern (Lk 2,51), unsere Unterwerfung unter die menschliche Regierung (Röm 13,1), die Unterwerfung der Gemeinde unter Christus (Eph 5,24) und die Unterwerfung von Sklaven unter ihre Herrn (Tit 2,9; 1Pt 2,18). Jakobus beschrieb mit diesem Wort ein freiwilliges, bewusstes Unterwerfen unter die Autorität Gottes als souveräner Beherrscher des Universums. Ein wahrhaft demütiger Mensch wird Gott Treue erweisen, seinen Geboten gehorchen und seiner Führung folgen (vgl. Mt 10,38). Widersteht dem Teufel, so fl ieht er von euch. Die Kehrseite des ersten Befehls. »Widersteht« bedeutet wörtl. »bezieht Stellung gegen«. Alle Menschen sind entweder unter der Herrschaft Christi oder der Herrschaft Satans (Joh 8,44; Eph 2,2; 1Joh 3,8; 5,19); es gibt keinen Mittelweg. Wer seine Ergebenheit von Satan wegwendet und sie Gott gibt, wird feststellen, dass Satan »von ihm fl ieht«; der Teufel ist dann ein besiegter Feind.
4,8 naht euch. Strebt nach einer innigen Beziehung der Liebe zu Gott (vgl. Phil 3,10). Der Gedanke des Nahens zu Gott hin war ursprünglich verknüpft mit den levitischen Priestern (2Mo 19,22; 3Mo 10,3; Hes 44,13), beschrieb jedoch später allgemein das Nahen eines Menschen zu Gott hin (Ps 73,28; Jes 29,13; Hebr 4,16; 7,19; 10,22). Die Errettung umfasst mehr als sich Gott zu unterwerfen und dem Teufel zu widerstehen; das erlöste Herz sehnt sich nach Gemeinschaft mit Gott (Ps 27,8; 42,2.3; 63,2.3; 84,3; 143,6; Mt 22,37). Reinigt die Hände. Im AT musste der Priester zuerst seine Hände zeremoniell waschen, bevor er Gott nahen konnte (2Mo 30,19-21). Wenn Sünder (ein Begriff, der nur für Ungläubige verwendet wird; s. Anm. zu 5,20) Gott nahen wollen, müssen sie ihre Sünde erkennen und bekennen. heiligt eure Herzen. Das Reinigen der Hände symbolisiert das äußere Verhalten; dieser Ausdruck hier bezieht sich auf die inneren Gedanken, Motive und Lüste des Herzens (Ps 24,3.4; Jer 4,4; Hes 18,31; 36,25.26; 1Tim 1,5; 2Tim 2,22; 1Pt 1,22). geteilten Herzens. S. Anm. zu 1,8.
4,9 Fühlt euer Elend. Seid bedrängt, zerknirscht und elendig. Das ist der Zustand solcher, die wirklich zerbrochen sind wegen ihrer Sünde. trauert. S. Anm. zu Mt 5,4. Gott wird ein Herz nicht abweisen, das über seine Sünde zerbrochen und zerknirscht ist (Ps 51,19; 2Kor 7,10). Trauer ist die innere Reaktion auf diese Zerbrochenheit. heult. Der äußere Ausdruck von innerer Betrübnis über Sünde (vgl. Mk 14,72). Lachen. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor und bezeichnet das leichtfertige Lachen solcher, die törichterweise weltlichen Vergnügungen frönen. Dieses Bild beschreibt Menschen, die keinen Gedanken an Gott, Leben, Tod, Gericht oder Heiligkeit verlieren. Jakobus ruft solche Menschen auf, über ihre Sünde zu trauern (vgl. Lk 18,13.14).
4,10 S. Ps 75,7; Mt 23,12. Dieser letzte Befehl fasst die vorherge- henden 9 zusammen (s. Anm. zu V. 7-10). Gehorsam gegenüber diesen Befehlen kennzeichnet den wahrhaft demütigen Menschen. »Demütigen« stammt von einem Wort, das so viel bedeutet wie »sich selbst erniedrigen«. Wer sich bewusst ist, dass er sich in Gegenwart des majestätischen, unendlich heiligen Gottes befi ndet, wird demütig sein (vgl. Jes 6,5).
4,11 Verleumdet einander nicht. Das bedeutet, nicht zu diffamie- ren. Jakobus verbietet nicht, andere mit ihrer Sünde zu konfrontieren, was an anderer Stelle der Bibel sogar befohlen wird (Mt 18,15-17; Apg 20,31; 1Kor 4,14; Kol 1,28; Tit 1,13; 2,15; 3,10). Vielmehr verurteilt er unbedachte, abschätzige, kritisierende und verleumderische Anklagen gegen andere (vgl. 2Mo 23,1; Ps 50,20; 101,5; 140,12; Spr 10,18; 11,9; 16,28; 17,9; 26,20; Röm 1,29; 2Kor 12,20; Eph 4,31; 1Tim 3,11; 2Tim 3,3; Tit 2,3; 3,2). seinen Bruder verleumdet …, der verleumdet das Gesetz. Wer in böser Weise über andere Gläubige spricht, erhebt sich selbst zum Richter und verurteilt sie (vgl. 2,4). Somit diffamiert und verachtet er Gottes Gesetz, das ein solches verleumderisches Verurteilen ausdrücklich verbietet. richtet das Gesetz. Da Verleumder sich weigern, sich dem Gesetz unterzuordnen, spielen sie sich selbst als Richter des Gesetzes auf.
4,12 Gesetzgeber. Das ist allein Gott, der das Gesetz gegeben hat (vgl. Jes 33,22). Nur er hat die Autorität, die zu retten, die Buße über ihre Schuld tun und die zu verderben, die die Buße verweigern.
4,13 Jakobus verurteilt nicht eine kluge Geschäftsplanung, sondern eine Planung, die Gott außer Acht lässt. Die hier beschriebenen Leute sind in der Praxis Atheisten, die ihr Leben führen und Pläne manchen, als gäbe es Gott nicht. Ein solches Verhalten ist unvereinbar mit echtem rettendem Glauben, der sich Gott unterwirft (s. Anm. zu V. 7).
4,14 wisst ihr nicht, was morgen sein wird. S. Spr 27,1. Jakobus deckt die vermessene Torheit der praktischen Atheisten auf, die er in V. 13 verurteilt hat. Diese Menschen wissen nicht, was die Zukunft bringen wird (vgl. Lk 12,16-21). Gott allein kennt die Zukunft (vgl. Jes 46,9.10). Dunst. Das bezeichnet entweder eine Rauchwolke oder den Atem, der bei kalter Luft einen Augenblick lang sichtbar ist. Damit betont Jakobus die vorübergehende Natur des Lebens (vgl. 1,10; Hi 7,6.7; 9,25.26; 14,1.2; Ps 39,6.12; 62,10; 89,48; 90,5.6.10).
4,15 Wenn der Herr will. Der wahre Christ unterwirft seine Pläne der Herrschaft Christi (s. Anm. zu V. 7; vgl. Spr 19,21; Apg 18,21; 21,14; Röm 1,10; 15,32; 1Kor 4,19; 16,7).
4,16 rühmt. Arrogantes Prahlen mit den geplanten künftigen Errun- genschaften (s. Anm. zu V. 13).
4,17 Sünde. Das impliziert, dass sie außerdem etwas taten, was sie nicht tun sollten. Unterlassungssünden führen unmittelbar zu Tatsünden.
5,1 ihr Reichen. Das sind jene, die mehr haben, als sie zum Leben brauchen. Jakobus verurteilt sie nicht dafür, dass sie reich sind, sondern für den Missbrauch ihrer Mittel. Im Gegensatz zu den gläubigen Reichen in der Gemeinde, wo Timotheus war (1Tim 6,17-19), geht es hier um gottlose Reiche, die sich zum Christentum bekennen und sich der Gemeinde angeschlossen haben. Ihr eigentlicher Gott ist aber das Geld. Da sie die Güte und Großzügigkeit Gottes schamlos ausgenutzt haben, erwarten sie nur die göttliche Bestrafung (V. 5).
5,2 verfault … Mottenfraß …verrostet. Jakobus stellt heraus, wie töricht es ist, Nahrungsmittel, teure Kleidung oder Geld zu horten. All das unterliegt dem Verfall, Diebstahl, Feuer oder anderer Formen der Vergänglichkeit.
5,3 letzten Tagen. Die Zeitperiode zwischen der Fleischwerdung Christi und seiner Wiederkunft (s. Anm. zu 1Tim 4,1). Jakobus tadelt die Reichen, weil sie so lebten, als käme Jesus nie zurück.
5,4 Lohn … zurückbehalten. Die Reichen hatten einen Teil ihres Reichtums dadurch erworben, dass sie ihre Tagelöhner unterdrückten und betrogen. Diese Praxis war im AT strengstens verboten (vgl. 3Mo 19,13; 5Mo 24,14.15). Herrn der Heerscharen. Wörtl. »Herr (oder Jahwe) Zebaoth«. Jakobus warnt die Reichen, dass der Herr der Heerscharen (im AT ein häufi ger Name Gottes), der Kommandant der Streitkräfte des Himmels (der Engelscharen), die Verzweifl ungsschreie der betrogenen Arbeiter hört. Die Bibel lehrt, dass Engel am Gericht über die Ungläubigen beteiligt sein werden (Mt 13,39-41.49; 16,27; 25,31; 2Th 1,7.8).
5,5 dem Genuss hingegeben und üppig gelebt. Nachdem sie die Arbeiter beraubt und sich selbst bereichert haben, frönen die Reichen einem extravaganten Lebensstil. »Genuss« hat einen Unterton von liederlichem Vergnügen. »Üppig leben« führt zu Unmoral, wenn ein Mensch verzehrt wird vom Streben nach Genuss, da ein Leben ohne Selbstverleugnung schnell auf jedem Gebiet zügellos ausarten kann. Schlachttag. Wie gemästetes Vieh, das schlachtreif ist, so haben sich die Reichen, die Jakobus verurteilt, bis aufs Äußerste verwöhnt. Das ist ein lebhaftes Bild für das Gericht Gottes, das im Einklang steht mit dem bildhaften Vergleich der schwelgerischen Reichen mit gemästetem Vieh.
5,6 verurteilt … getötet. Das beschreibt den nächsten Schritt in der sündhaften Entwicklung der Reichen. Das Horten führt zu Betrug, der Betrug führt zu Maßlosigkeit. Und schließlich sind die Reichen so sehr von seiner Maßlosigkeit verzehrt, dass sie um jeden Preis ihren Lebensstil aufrecht erhalten wollen. »Verurteilt« bedeutet, dass die Reichen die Gerichte heranzogen, um juristische Morde zu begehen (vgl. 2,6). 5,7 geduldig. Das Wort betont die Geduld mit Menschen (vgl. 1Th 5,14), und nicht Geduld in Anfechtungen oder schwierigen Umständen (wie in 1,3). Jakobus denkt hier insbesondere an Geduld mit den unterdrückenden Reichen. Wiederkunft. Die Wiederkunft Christi (s. Anm. zu Mt 24,27). Wenn Gläubige über die Herrlichkeit nachdenken, die sie bei Christi Wiederkunft erwartet, soll sie das motivieren, schlechte Behandlung geduldig zu ertragen (Röm 8,18). Früh- und Spätregen. Der »Frühregen« fällt in Israel im Oktober und November und macht den Boden weich für Anpfl anzungen. Der »Spätregen« fällt im März und April unmittelbar vor der Frühjahrsernte. So wie der Bauer geduldig vom Früh- bis zum Spätregen darauf wartet, dass seine Frucht reift, so muss der Christ geduldig auf die Wiederkunft des Herrn warten (vgl. Gal 6,9; 2Tim 4,8; Tit 2,13).
5,8 stärkt eure Herzen. Ein Aufruf zu entschlossenem, festen Mut und zur Hingabe. Jakobus ermahnt diejenigen, die unter der Last der Verfolgung zusammenzubrechen drohen, ihre Herzen mit der Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu zu befestigen. ist nahe. Die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi ist ein häufi ges Thema des NT (vgl. Röm 13,12; Hebr 10,25; 1Pt 4,7; 1Joh 2,18).
5,9 Seufzt nicht … der Richter steht vor der Tür! Jakobus be- schreibt Christus als einen Richter, der im Begriff steht, die Türen des Gerichtssaals zu öffnen und sein Gericht einzuberufen. Da Jakobus wusste, dass die Last der Verfolgung zu Seufzen führen konnte, warnte er seine Leser vor dieser Sünde (Phil 2,14), damit sie nicht ihren vollen Lohn verwirkten (2Joh 8).
5,11 Hiobs standhaftem Ausharren. Hiob ist das klassische Bei- spiel für jemanden, der geduldig Leiden ertrug und von Gott für seinen beharrlichen Glauben gesegnet wurde. Jakobus versichert seine Leser, dass Gott mit ihrem Leiden, genau wie bei Hiob, einen Zweck verfolgte. Vgl. Hi 42. voll Mitleid und Erbarmen. Es ist ein großer Trost im Leid, an den Charakter des Herrn zu denken. Die Bibel bekräftigt immer wieder sein Mitleid und Erbarmen (2Mo 34,6; 4Mo 14,18; 1Chr 21,13; 2Chr 30,9; Ps 25,6; 78,38; 86,5.15; 103,8.13; 116,5; 136,1; 145,8; Kla 3,22; Joe 2,13; Jon 4,2; Mi 7,18; Lk 6,36).
5,12 Vor allem. Oder »insbesondere«. Wie so oft in diesem Brief be- tont Jakobus hier, dass die Sprache eines Menschen den aufschlussreichsten Einblick in seinen geistlichen Zustand bietet (vgl. 1,26; 2,12; 3,2-11; 4,11). schwört nicht. Wie bereits Jesus (Mt 5,33-36; 23,16-22), so verurteilt Jakobus die damalige jüdische Praxis, falsche, ausweichende und täuschende Eide zu leisten und bei allem Möglichen zu schwören, außer beim Namen des Herrn (allein das wurde als verbindlich betrachtet). euer Ja soll ein Ja sein. Damit bestätigt Jakobus wiederum die Lehre Jesu (s. Anm. zu Mt 5,37) und ruft zu einer geradlinigen, ehrlichen, schlichten Sprache auf. Wenn man in anderer Weise spricht, ruft man damit Gottes Gericht herab.
5,13 Leidet. Das Gegenmittel für Leid, das durch schlechte Behand- lung oder durch Verfolgung zugefügt wurde, ist es, durch Gebet den Trost Gottes zu suchen (vgl. Ps 27,13.14; 55,23; Jon 2,8; Phil 4,6; 1Pt 5,7). Er soll Psalmen singen. Die natürliche Reaktion bei einem freudigen Herzen ist es, Gott Loblieder zu singen.
5,14 krank. Jakobus weist die Kranken an, d.h. diejenigen, die von Leiden geschwächt sind, die Ältesten der Gemeinde zu rufen, damit diese sie stärken, unterstützen und für sie beten. 5,14 mit Öl salben. Wörtl. »mit Öl einreiben«: 1.) Das bezieht sich möglicherweise auf eine zeremonielle Salbung (s. Anm. zu 3Mo 14,18; Mk 6,13); 2.) andererseits dachte Jakobus womöglich an die medizinische Behandlung von Gläubigen, die unter Verfolgung geschlagen und verletzt worden waren. Vielleicht ist es besser, das Salben bildlich zu verstehen in dem Sinne, dass die Ältesten den Gläubigen ermutigen, trösten und stärken.
5,15 Gebet des Glaubens. Das Gebet, das die Ältesten für sie darbrachten. den Kranken retten. D.h. nicht Rettung von der Sünde, die er bekannt hat, sondern Befreiung von den Leiden, die ihm das Gebrechen zufügte. Sünden begangen … vergeben. Nicht die Ältesten vergeben ihm, denn nur Gott kann Sünden vergeben (Jes 43,25; Dan 9,9; Mk 2,7). Dass die Leidenden die Ältesten riefen, bedeutet, dass sie ein zerknirschtes, bußfertiges Herz hatten und dass sie in Gegenwart der Aufseher Gott ihre Sünden bekannten.
5,16 Bekennt einander die Übertretungen. Gegenseitige Ehrlich- keit, Offenheit und Mitteilung der Bedürfnisse befähigen die Gläubigen, sich im geistlichen Kampf einander zu stützen. Das Gebet … vermag viel. Die intensiven, inbrünstigen Gebete gottesfürchtiger Gläubiger können viel erreichen. Vgl. 4Mo 11,2.
5,17 Elia … betete … und er betete wiederum. Elia ist eine der bemerkenswertesten Illustrationen für die Kraft des Gebets im AT. Seine Gebete (die im AT nicht überliefert sind) bewirkten und beendeten eine dreieinhalbjährige Dürre (vgl. Lk 4,25).
5,19 wenn jemand unter euch. Das stellt eine dritte Kategorie von Menschen in der Gemeinde vor (vgl. V. 13.14): die bekennenden Gläubigen, die von der Wahrheit abgeirrt sind. von der Wahrheit abirrt. Das sind Menschen, die von dem Glauben abgefallen sind, zu dem sie sich einst bekannt hatten (vgl. Hebr 5,12-6.9; 10,29; 1Joh 2,19). Solche Menschen befi nden sich in ernster Gefahr (V. 20) und die Gemeinde muss sie zum wahren Glauben zurückrufen.
5,20 Sünder. Vgl. 4,8. Mit diesem Wort werden die nicht Wieder- geborenen bezeichnet (vgl. Spr 11,31; 13,6.22; Mt 9,13; Lk 7,37.39; 15,7.10; 18,13; Röm 5,8; 1Tim 1,9.15; 1Pt 4,18). Jakobus denkt hier nicht an sündigende, aber wahre Gläubige, sondern an diejenigen, die einen toten Glauben haben (vgl. 2,14-26). seinem Irrweg. Wer lehrmäßig abirrt (V. 19), wird auch eine falsche Lebensweise an den Tag legen und nicht nach biblischen Prinzipien leben. eine Seele vom Tod erretten. Wenn ein Mensch von der Wahrheit abirrt, bringt er seine Seele in Gefahr. Hier geht es nicht um körperlichen Tod, sondern um den ewigen Tod, die ewige Trennung von Gott und die ewige Bestrafung in der Hölle (vgl. Jes 66,24; Dan 12,2; Mt 13,40.42.50; 25,41.46; Mk 9,43-49; 2Th 1,8.9; Röm 6,23; Offb 20,11-15; 21,8). Wenn Christen wissen, wie viel auf den Spiel steht, sollte sie das motivieren, solche Menschen mit allen Mitteln zur Umkehr zu bewegen. eine Menge Sünden zudecken. S. Ps 5,11. Da auch nur eine einzige Sünde ausreicht, um einen Menschen zur Hölle zu verurteilen, betont Jakobus mit dem Begriff den hoffnungslosen Zustand des verlorenen, nicht wiedergeborenen Sünders. Die frohe Botschaft des Evangeliums besagt, dass Gottes vergebende Gnade (die größer ist als jede Sünde; Röm 5,20) allen zur Verfügung steht, die sich von ihren Sünden wegwenden und Glauben an den Herrn Jesus Christus ausüben (Eph 2,8.9).
1,1 Petrus. S. Einleitung: Autor und Abfassungszeit. Apostel Jesu Christi. Petrus gehörte zu einer einzigartigen Gruppe von Männern, die von Christus persönlich berufen (Mt 10,1-4) und beauftragt (Joh 20,1923) worden waren und nach der Auferstehung des Herrn zusammen mit ihm dienten. S. Anm. zu 5,1. Ihre Lehre war die Grundlage, auf der die Gemeinde gebaut wurde (s. Anm. zu Apg 2,42; Eph 2,20). Fremdlinge. Sie waren enteignet worden und lebten in einem fremden Land als zeitweilige Bewohner oder »Ausländer«. Wie alle Gläubigen waren sie Bürger der ewigen Stadt (Phil 3,20; Hebr 13,13.14). Zerstreuung. Mit dem bestimmten gr. Artikel ist »Zerstreuung« manchmal ein feststehender Begriff für die Verstreuung der Juden, die nicht mehr in Israel lebten, sondern in der ganzen Welt verteilt waren (Joh 7,35; Jak 1,1). Doch hier hat das Wort ohne diesen Artikel eine nicht festgelegte Bedeutung und spricht von geistlichen Fremdlingen, Fremden auf dieser Erde, seien es Juden oder Heiden (vgl. V. 17; 2,11), d.h. von der Gemeinde. Pontus … Bithynien. Dieser Brief richtet sich an Gemeinden in Provinzen in der heutigen Türkei, die damals zum Römischen Reich gehörten.
1,2 auserwählt. Von einem gr. Wort, das anklingt auf die »He- rausgerufenen«. Das Wort bedeutet »aussuchen« oder »auswählen«. Im AT wurde es für Israel verwendet (5Mo 7,6) und verdeutlichte, dass Gott in seiner Souveränität Israel unter den Nationen der Welt erwählt hat, damit es an ihn glaubt und ihm gehört (vgl. 5Mo 14,2; Ps 105,43; 135,4). Hier bezeichnet das Wort die Christen und damit jene, die Gott zum Heil erwählt hat (vgl. Röm 8,33; Kol 3,12; 2Tim 2,10). Der Begriff wird auch für diejenigen verwendet, die während der Trübsalszeit Christus annehmen (Mt 24,22.24) sowie für die heiligen, nicht gefallenen Engel (1Tim 5,21). Für diese verfolgten Christen war es ein großer Trost, daran erinnert zu werden, dass Gott sie erwählt hat (s. Anm. zu Eph 1,3-14). Vorsehung. Dasselbe gr. Wort wird in V. 20 mit »zuvor ersehen« übersetzt. In beiden Versen bedeutet es nicht das Wissen zukünftiger Ereignisse, sondern es bezeichnet eindeutig eine von Gott in seiner Erkenntnis vorherbestimmte Beziehung. Gott brachte die Heilsbeziehung dadurch zustande, dass er sie vor aller Zeit durch seinen Ratschluss ins Dasein rief. Christen sind in gleicher Weise zum Heil vorerkannt, wie Christus vor Grundlegung der Welt als Opfer für die Sünde vorherbestimmt wurde (vgl. Apg 2,23). »Vorsehung« (oder »Vor-Erkenntnis«) bedeutet nicht, dass Gott im Voraus gesehen hat, sondern dass er im Voraus beschlossen hat (vgl. 2Mo 33,17; Jer 1,5; Am 3,2; Mt 7,23). Somit hat Gott die Errettung jedes Gläubigen vorhererdacht und vorher-bestimmt oder »prä-destiniert« (s. Anm. zu Röm 8,29; Eph 1,4). Heiligung des Geistes. Heiligen bedeutet »weihen«, »absondern«. Das Ziel der Erwählung ist die Errettung, die den Erwählten zuteil wird durch das heiligende Werk des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist macht Gottes Erwählte heilig, indem er sie von Sünde und Unglauben rettet, absondert und zum Glauben und zur Gerechtigkeit bringt (vgl. 1Th 1,4; 2Th 2,13). Daher beginnt die Heiligung mit der Rechtfertigung (der Sünder wird vor Gott als gerecht erklärt, indem ihm Christi Versöhnungswerk zugerechnet wird; vgl. Phil 3,9) und setzt sich fort mit der Heiligung, die als Reinigungsprozess bis zur Verherrlichung weitergeht, wenn der Gläubige Jesus von Angesicht zu Angesicht sehen wird. zum Gehorsam. Die Gläubigen sind von der Sünde zu Gott hin abgesondert, damit sie Jesus Christus gehorchen. Wahre Errettung bringt Gehorsam gegen Christus hervor (vgl. Eph 2,10; 1Th 1,4-10). Besprengung mit dem Blut Jesu Christi. Dieser Ausdruck greift zurück auf Mose, der Opferblut auf das Volk Israel sprengte. Das symbolisierte die Besiegelung des Bundes, mit dem das Volk versprochen hatte, dem Wort Gottes zu gehorchen (s. Anm. zu 2Mo 24,3-8). Ebenso aktualisiert im Neuen Bund der Glaube an die Blutvergießung Christi nicht nur Gottes Verheißung, dem Gläubigen vollkommene Sühnung der Sünde zu gewähren, sondern dieser Glaube bringt auch den Gläubigen in einen Bund, weil er dadurch verspricht, dem Herrn und seinem Wort zu gehorchen.
1,3 Vater unseres Herrn Jesus Christus. Im AT wird Gott zwar als Schöpfer und Erlöser vorgestellt, doch wurde er selten Vater genannt. In den Evangelien sprach Christus Gott jedoch stets als seinen Vater an (z.B. Joh 5,17), außer bei seiner Trennung von Gott am Kreuz (Mt 27,46). Damit erhob Christus den Anspruch, dieselbe Natur und dasselbe Wesen zu haben wie der Vater (vgl. Mt 11,27; Joh 10,29-39; 14,6-11; 2Kor 1,3; Eph 1,3.17; 2Joh 3). Da Petrus außerdem von »unserem« Herrn sprach, verlieh er der innigen Beziehung des Christen zum Gott des Universums durch seinen Sohn eine persönliche Note (vgl. 1Kor 6,17). Für leidende Christen ist das eine wichtige Wahrheit, an die sie denken sollten. großen Barmherzigkeit. Der Grund, weshalb Gott der Menschheit eine glorreiche Errettung anbietet, ist seine große Barmherzigkeit. Sünder brauchen das Erbarmen Gottes, weil sie sich als Sünder in einem bemitleidenswerten, verzweifelten und elendigen Zustand befi nden (vgl. Eph 2,4; Tit 3,5; s.a. 2Mo 34,6; Ps 108,5; Jes 27,4; Kla 3,22; Mi 7,18). wiedergeboren. Die neue Geburt gehört zu Gottes Vorsehung in der Errettung. Wenn ein Sünder zu Christus kommt und seinen Glauben auf ihn setzt, wird er von neuem geboren, gehört somit zu Gottes Familie und empfängt eine neue Natur (s. Anm. zu V. 23; Joh 1,13; 3,1-21). lebendigen Hoffnung. Die lebendige Hoffnung ist das ewige Leben. »Hoffnung« bedeutet zuversichtlichen Optimismus. 1.) kommt sie von Gott (Ps 43,5); 2.) ist sie eine Gnadengabe (2Th 2,16); 3.) wird sie durch die Bibel defi niert (Röm 15,4); 4.) ist sie eine erklärbare Realität (3,15); 5.) wird sie sichergestellt durch die Auferstehung Jesu Christi (Joh 11,25.26; 14,19; 1Kor 15,17); 6.) wird sie dem Christen durch den Heiligen Geist bestätigt (Röm 15,13); 7.) verteidigt sie den Christen vor den Angriffen Satans (1Th 5,8); 8.) wird sie in Anfechtungen bestätigt (Röm 5,3.4); 9.) bringt sie Freude hervor (Ps 146,5); und 10.) erfüllt sie sich bei der Wiederkunft Christi (Tit 2,13).
1,4 unvergänglichen. Das Erbe ist nicht dem Verfall oder der Ver- wesung unterworfen. Im säkularen Griechisch wurde dieses Wort verwendet für etwas, was von einer einfallenden Armee nicht verwüstet worden war (vgl. Mt 6,19-21). unbefl eckten. Dieses Wort bedeutet unbeschmutzt und nicht von Bösem verunreinigt. unverwelklichen. »Verwelken« ist das Verblühen von Blumen und Verdorren von Pfl anzen. Ein irdisches Erbe wird letztendlich dahinschwinden, doch das ewige Erbe enthält keinerlei vergängliche Elemente. Erbe. Petrus zeigte diesen verfolgten Christen, wie sie über ihre Nöte hinweg auf ihr ewiges Erbe blicken konnten: Leben, Gerechtigkeit, Freude, Frieden, Vollkommenheit, Gottes Gegenwart, die glorreiche Gemeinschaft mit Christus, der Lohn und alles weitere, was Gott als himmlisches Erbe für die Christen vorgesehen hat (V. 5; vgl. Mt 25,34; Apg 26,18; Eph 1,11; Kol 1,12; Hebr 9,15; also Ps 16,5; 23; 26; 72; Kla 3,24). Nach Eph 1,14 ist der innewohnende Heilige Geist der Garant dieses Erbes.
1,5 in der Kraft Gottes bewahrt. Gottes höchste Kraft, Allwis- senheit, Allmacht und Souveränität bewahren nicht nur das Erbe (V. 4), sondern bewahrt auch den Gläubigen in völliger Sicherheit. Niemand kann den Schatz des Christen rauben und niemand kann ihn disqualifi zieren, diesen Schatz zu empfangen. S. Anm. zu Röm 8,31-39. durch den Glauben. Der Christ reagiert auf Gottes Erwählung und auf das Wirken des Heiligen Geistes mit Glauben, doch auch zu diesem Glauben wird er von Gott befähigt (s. Anm. zu Eph 2,8.9). Außerdem erweist der kontinuierliche Glaube des Christen Gottes bewahrende Macht. Bei der Errettung bewirkt Gott Glauben und bewahrt ihn daraufhin dauerhaft. Rettender Glaube ist bleibend und stirbt niemals. S. Anm. zu Mt 24,13; Hebr 3,14.
1,6 jubelnd freuen. D.h. sich übermäßig zu freuen und über- schwänglich zu jubilieren. Diese Art von Freude basiert nicht auf veränderlichen, zeitlichen Umständen, sondern spricht von einer Freude, die hervorgeht aus einer unveränderlichen, ewigen Beziehung zu Gott. Petrus bezieht diese Freude auf: 1.) die Gewissheit des sicheren ewigen Erbes (V. 4.5; vgl. Joh 16,16-33) und 2.) die Gewissheit aus dem eigenen erwiesenen Glauben (V. 7). mancherlei Anfechtungen. Petrus lehrt in diesem Vers einige wichtige Wahrheiten über Trübsale: 1.) Trübsale sind nicht von Dauer (»eine kurze Zeit«); 2.) Trübsale dienen einem Zweck (»wenn es sein muss«); 3.) Trübsale verursachen Kummer (»traurig seid«); 4.) Trübsale treten in verschiedenen Formen auf (»mancherlei Anfechtungen«); und 5.) Trübsale sollten nicht die Freude des Christen mindern (»frohlocken«).
1,7 Bewährung eures Glaubens. Wenn Gott Trübsale zulässt, will er damit jemanden auf die Echtheit seines Glaubens prüfen. Doch der unmittelbare Nutzen dieser Erprobung bzw. dieses »Feuers« gilt nicht Gott, sondern dem Gläubigen. Wenn ein Gläubiger durch Anfechtung geht und dabei immer noch auf den Herrn vertraut, erlangt er die Gewissheit, dass sein Glaube echt ist (vgl. 1Mo 22,1-12; Hi 1,20-22). Offenbarung Jesu Christi. Die Offenbarung Christi ist seine Wiederkunft, wobei es hier insbesondere um die Zeit geht, wenn er sein erlöstes Volk zu sich ruft und belohnt (vgl. V. 13; 4,13; 1Kor 1,7), d.h. um die Entrückung (1Th 4,13-18). 1,8 nicht gesehen habt. Dies gilt seiner sichtbaren Erscheinung (V. 7. Vgl. 2Kor 5,7). Dann wird Gott aus den feurigen Erprobungen erlösen, die die Gläubigen erlitten haben, und sie werden davon profi tieren und ewig »Lob, Ehre und Herrlichkeit« dafür bekommen.
1,9 das Endziel … davontragt, die Errettung. »Davontragen« kann wörtl. auch übersetzt werden mit »gegenwärtig für euch empfangt«. In gewissem Sinne besitzen die Christen nun die Ergebnisse ihres Glaubens, die dauerhafte Befreiung von der Macht der Sünde. In einem anderen Sinne warten wir darauf, die volle Errettung zur ewigen Herrlichkeit zu empfangen, wenn unsere Leiber erlöst werden (Röm 8,23).
1,10 dieser Errettung. In diesem Abschnitt betrachtet Petrus, wie großartig die Errettung aus Sicht der göttlichen Mittel ist, die sie ermöglichten: 1.) Die Propheten des AT (V. 10.11); 2.) der Heilige Geist (V. 11.12); 3.) die Apostel des NT (V. 12); und 4.) die Engel (V. 12). gesucht und nachgeforscht. Die atl. Propheten forschten in ihren eigenen Schriften, um mehr über die verheißene Errettung zu erfahren. Obwohl sie glaubten und durch diesen Glauben persönlich von ihrer Sünde gerettet wurden (durch das Opfer, das Gott in Christus später gab), konnten sie nicht gänzlich verstehen, was das Leben und Sterben Jesu Christi beinhaltete (vgl. 4Mo 24,17; Hebr 11,13.39.40). zuteil gewordenen Gnade. Gott ist in seinem Wesen gnädig. Das galt auch unter dem alten Bund, der nicht bedingungslos war (vgl. 2Mo 33,19; Jon 4,2). Doch die Propheten kündeten einen noch größeren Erweis der Gnade an, als sie ihn jemals gekannt haben (Jes 45,20-25; 52,14.15; 55,1-7; 61,1-3; vgl. Röm 9,24-33; 10,11.13.20; 15,9-21).
1,11 auf welche und was für eine Zeit. »Wer wird es sein?« und »Wann wird er kommen?«, lauteten die Fragen, nach deren Antwort die atl. Propheten suchten. Geist des Christus in ihnen. Jesus Christus nahm in der Person des Heiligen Geistes Wohnung in den Schreibern des AT und befähigte sie, über die glorreiche Errettung zu schreiben, die in der Zukunft vollendet werden sollte (2Pt 1,19-21).
1,12 uns dienten. Die Propheten des AT, die über die künftige Errettung schrieben (V. 10.11), wussten, dass es einen zukünftigen Retter gibt, der kommen sollte, und so schrieben sie eigentlich für die Gläubigen, die nach dem Kreuz leben. welche euch das Evangelium verkündigt haben. Die Apostel und Evangelisten des NT hatten das Vorrecht zu verkündigen, dass sich die Prophezeiungen der atl. Propheten erfüllt haben (vgl. 2Kor 6,1.2).
1,13 umgürtet die Lenden eurer Gesinnung. In der Antike war es üblich, sein Gewand zusammenzuraffen, wenn man es eilig hatte und schnell vorwärts kommen musste. Diese Praxis wird hier bildhaft auf das Denken angewendet. Das bedeutet, man zieht alle losen Zipfel des Denkens ein, indem man die weltlichen Hindernisse verwirft und auf die künftige Gnade Gottes blickt (vgl. Eph 6,14; Kol 3,2). seid nüchtern. Zu einer geistlichen nüchternen Gesinnung gehört Standhaftigkeit, Selbstbeherrschung, ein klarer Kopf und moralische Entschlossenheit. Der nüchterne Christ geht in angemessener Weise seinen Verantwortungen und Prioritäten nach und lässt sich nicht von den verschiedenen Verlockungen dieser Welt betören. setzt eure Hoffnung ganz. Angesichts ihrer großartigen Errettung sollten Christen, und insbesondere Christen im Leid, uneingeschränkt für die Zukunft leben und sich ausstrecken nach der Erfüllung ihrer Errettung bei der Wiederkunft Christi (s. V. 7). Vgl. Kol 3,2-4. die Gnade, die euch zuteil wird. Die Gnade, die bei der Errettung erstmals empfangen wurde, wird letztendlich vollendet werden mit Christi künftigem Werk der Verherrlichung der Christen und der Erteilung ewigen Lebens in seiner Gegenwart (vgl. Eph 2,7).
1,15 sollt auch ihr heilig sein. Heiligkeit defi niert grundsätzlich die neue Natur des Christen und sein Verhalten im Gegensatz zu seiner Lebensweise vor seiner Errettung. Der Grund für diese heilige Lebensweise ist, dass Christen mit dem heiligen Gott verbunden sind und ihn und sein Wort mit Hochachtung und Verehrung behandeln müssen. Daher verehren wir ihn am besten dadurch, dass wir sind wie er (s. V. 16.17; Mt 5,48; Eph 5,1; vgl. 3Mo 11,44.45; 18,30; 19,2; 20,7; 21,6-8).
1,17 wenn ihr den als Vater anruft. Das ist ein anderer Ausdruck für »wenn ihr Christen seid«. Der Gläubige, der Gott kennt und der weiß, dass er die Werke aller seiner Kinder gerecht beurteilt, wird Gott und Gottes Bewertung seines Lebens achten und seinen himmlischen Vater gerne ehren.
1,18 losgekauft. Oder »erlöst«. S. Anm. zu 1Tim 2,6. Erlösen heißt, jemanden aus der Sklaverei zurückkaufen, indem man den Preis für ihn zahlt. Man befreit ihn durch Zahlung des Lösegelds. »Erlösung« war ein feststehender Begriff für das Geld, mit dem man einen Kriegsgefangenen zurückkaufte. Hier wird es für den Preis verwendet, den Christus zahlte, um für Sklaven die Freiheit zu erkaufen, die der Sünde versklavt waren und unter dem Fluch des Gesetzes standen (d.h. dem ewigen Tod, vgl. Gal 3,13). Der Preis, den er an den heiligen Gott zahlte, war das vergossene Blut des Sohnes Gottes (vgl. 2Mo 12,1-13; 15,13; Ps 78,35; Apg 20,28; Röm 3,24; Gal 4,4.5; Eph 1,7; Kol 1,14; Tit 2,14; Hebr 9,1117).
1,20 zuvor ersehen. In der ewigen Vergangenheit, bevor Adam und Eva in Sünde fi elen, beschloss Gott die Erlösung von Sündern durch Jesus Christus (vgl. Apg 2,23; 4,27.28; 2Tim 1,9). S. Anm. zu V. 2. letzten Zeiten. Die »letzte Zeit« oder »Endzeit« ist die Zeit des Messias, die sich von seinem ersten Kommen bis zu seiner Wiederkunft erstreckt (vgl. Apg 2,17; 1Tim 4,1; 1Joh 2,18).
1,21 ihm Herrlichkeit gegeben. Durch die Himmelfahrt Christi gab Gott ihm die Herrlichkeit zurück, die er bei ihm hatte, bevor die Welt begann (vgl. Lk 24,51-53; Joh 17,4.5; Apg 1,9-11; Phil 2,9-11; Hebr 1,1-3; 2,9).
1,22 liebt einander beharrlich. Die Liebe, auf die Petrus hier hin- weist, ist die Liebe aufgrund von Entscheidung. Diese Liebe kann auf einen Befehl reagieren. »Beharrlich« bedeutet »bis aufs Äußerste« (vgl. Lk 22,44; Apg 12,5; also Lk 10,27ff.). In solcher Weise können nur diejenigen lieben, die ihre »Seelen gereinigt« haben, d.h. die errettet sind. Diese Liebe kommt dadurch zum Ausdruck, dass man auf die Bedürfnisse anderer eingeht (vgl. 2,17; 3,8; 4,8; s.a. Joh 13,34; Röm 12,10; Phil 2,18; Hebr 13,1; 1Joh 3,11).
1,23 aus unvergänglichem Samen. Das geistliche Leben, das durch den Heiligen Geist eingepfl anzt wurde, um die neue Geburt hervorzubringen, ist unvergänglich und dauerhaft. durch das lebendige Wort Gottes. Der Heilige Geist verwendet das Wort Gottes, um Leben hervorzubringen. Nur die Wahrheit des Evangeliums kann retten. S. Anm. zu Röm 10,17.
1,24 Petrus bekräftigt seine Aussage über die Kraft des Wortes Gottes, die zur Wiedergeburt gereicht, durch ein Zitat aus Jes 40,6-8 (s. Anm. dort).
2,1 legt nun ab. Das neue Leben des Christen kann erst wachsen, wenn er sich von seinen Sünden trennt. Wenn diese Reinigung stattfi ndet, tut das Wort Gottes sein Werk (V. 2). Bosheit. Das gr. Wort für Böses bezeichnet im NT 11-mal die Bosheit, die aus dem Innern eines Menschen kommt (vgl. V. 16; Röm 1,29; Eph 4,31; Tit 3,3).
2,2 begierig nach der unverfälschten Milch des Wortes. Geist- liches Wachstum ist immer gekennzeichnet von einem Hunger nach und einer Freude an dem Wort Gottes. Der Gläubige empfi ndet das so stark wie ein Säugling, der nach Milch verlangt (vgl. Hi 23,12; Ps 1,1.2; 19,812; 119,16.24.35.47.48.72.92.97.103.111.113.127.159.167.174; Jer 15,16). Ein Christ entwickelt seinen Appetit auf die Wahrheit des Wortes Gottes, indem er: 1.) bedenkt, dass es die Quelle seines Lebens ist (1,25; vgl. Jes 55,10.11; Joh 15,3; Hebr 4,12); 2.) Sünde aus seinem Leben eliminiert (V. 1); 3.) zugibt, dass er Gottes Wahrheit braucht (V. 2. »als neugeborene Kindlein«; vgl. Mt 4,4); 4.) nach geistlichem Wachstum strebt (V. 2. »damit ihr durch sie heranwachst«); und 5.) über die Segnungen staunt, die ihm zuteil wurden (V. 3. »dass der Herr freundlich ist«).
2,3 geschmeckt. Bei der Errettung erfahren alle Gläubigen, wie gnädig der Herr zu denen ist, die ihm vertrauen.
2,4 zu ihm gekommen. »Kommen« bedeutet hier im Gr. ein Gekommensein im Sinne von bleiben. Hier bedeutet es, in Christi Gegenwart und in seiner persönlichen Gemeinschaft zu bleiben (vgl. Joh 15,5-15). lebendigen Stein. Dieser Ausdruck aus dem AT (s. V. 6-8) ist sowohl eine Metapher als auch ein Paradox und betont, dass Christus, der »Eckstein« und »Stein des Anstoßes«, von den Toten auferstanden ist und zu den Erretteten eine lebendige Beziehung hat (V. 5; vgl. 1Kor 15,45; 1Joh 5,11.12). verworfen … aber auserwählt. S. V. 7. Die falschen Religionsführer Israels haben Jesu Zeugnisse und Beweise, dass er der Messias ist, geprüft und verachtungsvoll verworfen (V. 6-8; vgl. Mt 12,22-24; Joh 1,10.11). Doch Jesus Christus war Gottes kostbarer und erwählter Sohn und wurde durch seine Auferstehung von den Toten letztendlich beglaubigt (vgl. Ps 2,10.11; Mt 3,17; Apg 2,23.24.32; 4,11.12; 5,30.31; 10,39).
2,5 lasst auch ihr euch nun als lebendige Steine aufbauen. Die Christen sind so eng mit Christus verbunden und identifi ziert, dass Christi eigenes Leben auch in ihnen existiert (vgl. Gal 2,20; Kol 3,3.4; 2Pt 2,4). als ein geistliches Haus. Bildlich gesprochen baut Gott ein geistliches Haus, indem er jeden Gläubigen an seinen Platz stellt und mit anderen Gläubigen und mit dem Leben Christi verbindet (vgl. Eph 2,19; Hebr 3,6). ein heiliges Priestertum. Die neutestamentlich Gläubigen haben als geistliche Priester einige Merkmale der Priester des AT: 1.) Priesterschaft ist ein Privileg der Erwählung (2Mo 28,1; Joh 15,16); 2.) Priester sind von Sünde gereinigt (3Mo 8,6-36; Tit 2,14); 3.) Priester sind zum Dienst gekleidet (5,5; 2Mo 28,42; 3Mo 8,7ff.; Ps 132,9.16); 4.) Priester sind zum Dienst gesalbt (3Mo 8,12.30; 1Joh 2,20.27); 5.) Priester sind zum Dienst zugerüstet (3Mo 8,33; 9,4.23; Gal 1,16; 1Tim 3,6); 6.) Priester sind zum Gehorsam bestimmt (V. 4; 3Mo 10,1ff.); 7.) Priester sollen das Wort Gottes ehren (V. 2; Mal 2,7); 8.) Priester sollen mit Gott wandeln (Mal 2,6; Gal 5,16.25); 9.) Priester sollen einen geistlichen Einfl uss auf Sünder ausüben (Mal 2,6; Gal 6,1); und 10.) Priester sind Botschafter Gottes (Mal 2,7; Mt 28,19.20). Das wichtigste Privileg von Priestern ist jedoch, dass sie Zugang zu Gott haben. um geistliche Opfer darzubringen. Geistliche Opfer sind Werke, die Gott ehren und um Christi willen und unter Leitung des Heiligen Geistes durch das Wort Gottes getan werden. Diese Opfer umfassen: 1.) die eigene Körperkraft Gott darbringen (Röm 12,1.2); 2.) Gott loben (Hebr 13,15); 3.) Gutes tun (Hebr 13,16); 4.) mit anderen teilen (Hebr 13,16); 5.) Menschen zu Christus führen (Röm 15,16); 6.) die eigenen Wünsche zugunsten anderer aufopfern (Eph 5,2); und 7.) Gebet (Offb 8,3).
2,6 Mit drei atl. Textstellen über das Bild des »Steins« verdeutlicht Petrus, dass Gott Christi Stellung als Eckstein des neuen geistlichen Hauses vorherbestimmt hat. Derselbe Stein wird auch der Stein des Anstoßes sein, der den Ungläubigen zum Verhängnis und zum Gericht gereichen wird (vgl. Mt 21,42.44). 2,6 Zion. Ein Zitat aus Jes 28,16. Bildlich gesehen gehört Zion, d.h. Jerusalem, zum Bereich des Neuen Bundes, so wie Sinai zum Bereich des Alten Bundes gehört. 2,6 Eckstein. S. Anm. zu Eph 2,20; vgl. Ps 118,22. 2,7 Ungläubigen. Oder »Ungehorsamen« (V. 8).
2,8 ein »Stein des Anstoßens« und ein »Fels des Ärgernis- ses«. Ein Zitat aus Jes 8,14. Christus ist für jeden Menschen entweder das Mittel zum Heil, wenn dieser Mensch glaubt, oder die Ursache des Gerichts, wenn diese Person das Evangelium ablehnt. Christus ist wie ein Stein auf dem Weg, über den der Reisende stolpert. Weigerten sie sich, dem Wort zu glauben. Oder »zu gehorchen«. Ihr Ungehorsam ist Unglaube, da der Ruf des Evangeliums ein Gebot Gottes ist, Buße zu tun und zu glauben. wozu sie auch bestimmt sind. Gott hat sie nicht zum Ungehorsam und Unglauben bestimmt, sondern wegen ihres Ungehorsams und Unglaubens sind sie zur Verdammnis bestimmt. Das Gericht für Unglauben ist genauso von Gott verordnet, wie die Errettung aus Glauben. S. Anm. zu Röm 9,22; 2Kor 2,15.16.
2,9 ein auserwähltes Geschlecht. Mit Konzepten aus dem AT stellt Petrus die Privilegien der Christen heraus (vgl. 5Mo 7,6-8). In krassem Gegensatz zu den Ungehorsamen, die von Gott zum Zorn bestimmt sind (V. 8), sind Christen von Gott zum Heil erwählt (vgl. 1,2). ein königliches Priestertum. Das Konzept eines königlichen Priestertums stammt aus 2Mo 19,6. Wegen seines Abfalls und weil seine Führer den Messias hingerichtet haben, hat Israel dieses Privileg zeitweilig verwirkt. In der gegenwärtigen Zeit ist die Gemeinde ein königliches Priestertum, das verbunden ist mit dem königlichen Priester Jesus Christus. Ein königliches Priestertum gehört nicht nur dem König und dient ihm, sondern ist auch ein Priestertum, das selber regiert. Das wird sich letztendlich in Christi künftigem Reich erfüllen (1Kor 6,1-4; Offb 5,10; 20,6). ein heiliges Volk. Eine weitere Anspielung auf 2Mo 19,6 (vgl. 3Mo 19,2; 20,26; 5Mo 7,6; Jes 62,12). Tragischerweise hat Israel sein großartiges Privileg, das einzigartige Volk Gottes zu sein, durch Unglauben zeitweilig verwirkt. Solange, bis Israel in Zukunft seinen Messias annehmen wird, hat Gott die Gemeinde an die Stelle des Volkes Israel gesetzt. S. Anm. zu Röm 11,1.2.25-29 zur Errettung von Israel. ein Volk des Eigentums. Eine Kombination von Begriffen aus 2Mo 19,5; Jes 43,21; Mal 3,17. Vgl. Tit 2,14. die Tugenden dessen verkündet. »Verkündet« ist ein ungewöhnliches gr. Wort, das nur hier im NT vorkommt und bedeutet, etwas weiterzusagen oder etwas zu sagen, was noch nie gehört wurde. »Tugenden« sind vorzügliche, herausragende Qualitäten. Finsternis … Licht. Vgl. Apg 26,18; Eph 5,8; Kol 1,13.
2,10 Gottes Volk. Der Gedanke dieses Verses stammt aus Hos 1,6- 10; 2,23. Vgl. Röm 9,23-26, wo sich dieses Zitat ausdrücklich auf die Berufung eines Volkes aus Juden und Heiden bezieht. nun aber begnadigt seid. Gott erweist seiner ganzen Schöpfung im Allgemeinen seine zeitliche Barmherzigkeit und sein Mitgefühl der allgemeinen Gnade (Ps 145,9; Kla 3,22). Davon sprach Paulus, als er schrieb, dass Gott der »Retter aller Menschen« ist (s. Anm. zu 1Tim 4,10). Doch seiner erwählten Gemeinde erweist er ewige Gnade, indem er ihre Sünden vergibt und die Gläubigen nicht richtet (vgl. Röm 9,15; Tit 3,5). Im AT verhieß der Prophet Hosea, dass Israel zwar lange Zeit außerhalb der Segnungen Gottes bleiben, aber schließlich unter die Gnade Gottes zurückkommen wird. Gottes Handeln mit Israel war gewissermaßen ein Muster für sein Handeln mit den Gläubigen unter dem Neuen Bund, die vorher außerhalb des Bundes Gottes standen, aber jetzt durch Glauben an Christus unter die Gnade Gottes gebracht wurden (vgl. Eph 2,4-13).
2,11 Gäste und Fremdlinge. In diesem Abschnitt ruft Petrus seine Leser zu einem gerechten Leben in einer feindlichen Welt auf. Christen sind Fremdlinge in einer weltlichen Gesellschaft, denn ihr Bürgertum ist im Himmel. Christen können ihre Pfl ichten aus 3 Per spektiven betrachten: 1.) als Pilger (V. 11.12); 2.) als Bürger (V. 13-17); und 3.) als Knechte (V. 18-20). In V. 21-25 zeigt Petrus, wie Christus ein Vorbild gegeben hat, indem er inmitten seiner feindseligen Umgebung ein vollkommenes Leben führte. Enthaltet euch der fl eischlichen Begierden. Etwas wörtlicher: »Haltet euch fern von fl eischlichen Lüsten«. Wenn Christen einen Einfl uss auf die Welt für Gott ausüben wollen, müssen sie innerlich und persönlich diszipliniert sein und die Begierden der gefallenen Natur meiden (vgl. Gal 5,19-21, wo »fl eischliche Begierden« wesentlich mehr umfasst als sexuelle Versuchungen). die gegen die Seele streiten. »Streiten« bedeutet militärisch Krieg führen. Fleischliche Begierden werden hier personifi ziert, als seien sie eine Armee von Rebellen oder Untergrundkämpfern, die unaufhörlich darauf aus sind und versuchen, die Freude, den Frieden und die Brauchbarkeit des Christen zu zerstören (vgl. 4,2.3).
2,12 führt einen guten Wandel. Das gr. Wort für »gut« hat eine reichhaltige Bedeutung und impliziert die reinste, höchste und nobelste Art von Güte. Es bedeutet »lieblich«, »anziehend«, »gnädig«, »edel« und »exzellent«. Wenn der Christ innerlich und persönlich Disziplin gelernt hat, muss er äußerlich unter Nichtchristen so leben, dass dadurch seine innerliche Disziplin zum Ausdruck kommt. Übeltäter. Die ersten Christen wurden fälschlicherweise beschuldigt, gegen die Regierung zu rebellieren. Man bezichtigte sie unberechtigt des Terrorismus (der Brandstiftung in Rom; s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), des Atheismus (weil sie weder Götzen noch den Kaiser verehrten), des Kannibalismus (Gerüchte über das Mahl des Herrn), der Unmoral (wegen ihrer gegenseitigen Liebe), der Schädigung von Handel und sozialem Fortschritt und der Anstachelung von Sklaven zum Aufstand. Vgl. Apg 16,18-21; 19,19.24-27. Tag der Untersuchung. Oder »Heimsuchung«. Im AT ein üblicher Ausdruck (Jes 10,3; Jer 27,22), der vor Gottes »Heimsuchung« warnt, d.h. vor dem Kommen Gottes entweder zum Gericht oder zum Segen. Im NT spricht »Heimsuchung« von der Erlösung (Lk 1,68; 7,16; 19,44). Petrus lehrte hier: Wenn die Gnade Gottes das Herz eines Ungläubigen heimsucht, wird er mit rettendem Glauben reagieren und Gott verherrlichen. Grund für diese Reaktion ist, dass der bisherige Ungläubige sich an das Zeugnis von Gläubigen erinnert, die er beobachtet hat. Die Ungläubigen hingegen werden beim Endgericht die Heimsuchung von Gottes Zorn erfahren.
2,13 Ordnet euch … unter. »Unterordnen« ist ein militärischer Begriff und bedeutet »sich in militärischer Form unter den Befehlshaber anordnen«, »eine Haltung der Unterwürfi gkeit einnehmen«. Als Bürger in dieser Welt und unter dem Gesetz und der Autorität der zivilen Regierung muss das Volk Gottes demütig und unterwürfi g sein, auch wenn es inmitten einer feindlichen, gottlosen und verleumderischen Gesellschaft lebt (vgl. V. 21-23; Spr 24,21; Jer 29,4-14; Mt 22,21; Röm 13,1ff., 1Tim 2,1; Hebr 10,32-34). um des Herrn willen. Obwohl das wahre Bürgertum des Christen im Himmel ist (Phil 3,20), muss er dennoch als gehorsamer Bürger in dieser Welt leben, damit Gott geehrt und verherrlicht wird. Rebellisches Betragen eines Christen bringt Unehre über Christus. S. Anm. zu Röm 13,1-5; Tit 3,1.2.
2,14 Statthaltern. Christen müssen im Gehorsam gegenüber je- der zivilen oder sozialen Einrichtung auf der Erde leben. Dazu gehört Gehorsam gegenüber der nationalen Regierung (V. 13. »dem König«), der staatlichen Regierung, der Polizei und den Richtern. Nur wenn die Regierung versucht, einen Christen zu etwas zu zwingen, was dem biblischen Gesetz Gottes widerspricht, sollte er Gehorsam verweigern (vgl. Apg 4,18-20; 5,28.29; Tit 1,6; 3,1.2).
2,15 unverständigen Menschen zum Schweigen bringt. Das ist der Zweck unserer Unterwerfung unter die Autorität: Wir sollen vermeiden, verurteilt zu werden und sollen gelobt werden. Dann werden diejenigen verstummen, die sich hartnäckig dem Glauben widersetzen und nach Gelegenheiten suchen, Gläubige zu kritisieren.
2,16 die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit. Gläubige sollten sich über ihre Freiheit in Christus freuen, sollten aber das, was wirklich böse ist, nicht mit einem Schleier verdecken oder zu vertuschen suchen. Christliche Freiheit darf niemals eine Ausrede sein für Maßlosigkeit oder Ausschweifung. Vgl. 1Kor 7,22; 8,9-13; 2Th 3,7-9; s. Anm. zu Röm 14,1-15.3.
2,17 Erweist jedermann Achtung. Hier geht es um Hochachtung; das bezieht sich nicht nur auf gehorsame Pfl ichterfüllung, sondern auf inneren Respekt. Bruderschaft. Die Gemeinde. Vgl. 1,22; 3,8; 4,8; 5,14.
2,18 Hausknechte, seid … untertan. Das Christsein gibt kein Recht, gegen den Vorgesetzten oder Übergeordneten in der Sozialstruktur zu rebellieren (s. Anm. zu 1Kor 7,20-24; Eph 6,5-7; Kol 3,22-25; s.a. 2Mo 21,26.27; 3Mo 25,39-43; 5Mo 23,16.17), so ungerecht oder hart man auch behandelt wird.
2,19 Gnade bei Gott. Gunst bei Gott ist es, wenn ein Ange- stellter ungerecht behandelt wird und diese schlechte Behandlung im Glauben auf Gottes souveräne Fürsorge akzeptiert, anstatt mit Zorn, Feindseligkeit, Murren, Stolz oder Rebellion zu reagieren (vgl. Mt 5,11). 2,21 dazu. Zu geduldigem Ausharren (V. 20). seid ihr berufen. Diese »Berufung« ist, wie immer in den Briefen des NT, die wirksame Berufung zum Heil (V. 9; 5,10; Röm 8,30). Petrus will damit herausstellen, dass jemand, der zum Heil berufen ist, zumindest manchmal ungerechte Behandlung ertragen muss. Löbliches Verhalten des Gläubigen inmitten solcher Erprobungen trägt zur Stärkung und Reifung des Christen auf der Erde bei (5,10; vgl. Jak 1,2-4) und steigert seine Fähigkeit, Gott in der Ewigkeit zu verherrlichen (vgl. Mt 20,21-23; 2Kor 4,17.18; 2Tim 2,12). uns ein Vorbild hinterlassen. Das Wort »Vorbild« bedeutet wörtl. »Darunter-Geschriebenes«. Das war ein Schriftstück, das als Muster unter ein Blatt Papier gelegt wurde, um es zu kopieren. Christus ist das Musterbeispiel, welchem Christen folgen sollen, indem sie Leiden mit völliger Geduld ertragen. Christi Tod war in erster Linie eine wirksame Sühne für die Sünde (2Kor 5,21), doch darüber hinaus war er auch ein Muster für das Ertragen von ungerechtem Leiden.
2,22 Ein Zitat aus Jes 53,9. Christus war das vollkommene Beispiel für geduldiges Ertragen von ungerechtem Leid, denn er war sündlos, wie der Prophet bereits vorausgesagt hatte. Vgl. 1,19.
2,23 geschmäht. »Schmähen« bedeutet jemanden mit ordinärer und niederträchtiger Sprache zu überschütten. Obwohl Christus verbal angegriffen wurde, rächte er sich nicht mit aggressiven Worten und Drohungen (3,9; vgl. Mt 26,57-65; 27,12-14; Lk 23,7-11). übergab es dem. Oder »übergab sich dem«. Christus wurde an Pilatus überliefert (Joh 19,11); Pilatus übergab ihn an die Juden (Joh 19,16); Christus »übergab sich« selbst Gott und litt erstaunlich stillschweigend, weil er vollkommen auf die Souveränität und Gerechtigkeit seines Vaters vertraute (vgl. Jes 53,7).
2,24 unsere Sünden … getragen. Christus litt nicht nur als Vor- bild für den Christen (V. 21-23), sondern, was weit wichtiger ist, als sein Stellvertreter. Sünden zu tragen, bedeutet, dafür bestraft zu werden (vgl. 4Mo 14,33; Hes 18,20). Christus trug die Strafe für die Gläubigen und leistete somit einem heiligen Gott Genüge (3,18; s. Anm. zu 2Kor 5,21; Gal 3,13). Diese großartige Lehre von der stellvertretenden Sühne ist das Herzstück des Evangeliums. Für alle, die jemals glauben werden, d.h. für die Erwählten, wurde tatsächliche Sühne geleistet, die für die Sünden der ganzen Welt ausreichen würde (vgl. 3Mo 16,17; 23,27-30; Joh 3,16; 2Kor 5,19; 1Tim 2,6; 2Tim 4,10; Tit 2,11; Hebr 2,9; 1Joh 2,2; 4,9.10). wir, den Sünden gestorben. Das ist wahr aufgrund des Wunders, in Christus zu sein. Wir sind in dem Sinne der Sünde gestorben, dass wir die Strafe, den Tod, gezahlt haben, indem wir in Christus waren, als er als unser Stellvertreter starb. S. Anm. zu Röm 6,1-11. der Gerechtigkeit leben. Wir wurden nicht nur gerecht erklärt, da Christus durch seinen Tod die Strafe für unsere Sünden gezahlt hat, sondern wir sind auch auferstanden, um durch die Kraft des Heiligen Geistes in einem neuen Leben zu wandeln (s. Anm. zu Röm 6,12 -22). durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Aus Jes 53,5 (s. Anm.). Durch die Wunden Christi, die er am Kreuz erlitt, werden die Gläubigen geistlich von der tödlichen Krankheit der Sünde geheilt. Körperliche Heilung erfolgt nur bei der Verherrlichung. Dann wird es keinen Schmerz, keine Krankheit und keinen Tod mehr geben (Offb 21,4) (s. Anm. zu Jes 53,46; Mt 8,17).
2,25 bekehrt. Das bedeutet »hinwenden« und bezieht sich auf den bußfertigen Glauben, den ein Mensch bei seiner Errettung hat. Hirten und Hüter. Christus ist nicht nur der Maßstab des Christen (V. 2123) und sein Stellvertreter (V. 24), sondern auch sein Hirte (5,4; vgl. Jes 53,6; Joh 10,11). Im AT war »Hirte« häufi g ein messianischer Titel für den Herrn (Hes 34,23.24; 37,24; vgl. Joh 10,1-18). Darüber hinaus war »Hirte und Hüter« für Petrus die treffendste Beschreibung Christi, mit der er die verfolgten und verleumdeten Christen trösten konnte (V. 12). Diese beiden Begriffe werden auch für geistliche Führungspersonen verwendet. »Hirte« wird oft mit »Pastor« übersetzt und »Hüter« heißt eigentlich »Aufseher« und ist das Wort für »Bischof« (vgl. Eph 4,11; Tit 1,7). Beide Begriffe bezeichnen dieselben Männer, die die Gemeinde leiten (vgl. Apg 20,28).
3,1 Gleicherweise. In Kap. 2 lehrte Petrus, dass ein siegreiches Le- ben als Christ in einer feindlichen Welt erfordert, sich in zwei Bereichen angemessen zu verhalten: in der bürgerlichen Gesellschaft (2,13-17) und am Arbeitsplatz (2,18-25). Zu Beginn dieses Kapitels fügte er zwei weitere Bereiche hinzu: die Familie (V. 1-7) und die örtliche Gemeinde (V. 8.9). unterordnen. Wenn Christen ein Zeugnis für ihren Herrn sein wollen, müssen sie sich nicht nur der bürgerlichen, sondern auch der sozialen Ordnung unterwerfen, die Gott entworfen hat. eigenen Männern. Frauen sind den Männern gegenüber in keiner Weise minderwertig, genauso wie Christen in keiner Weise minderwertig sind im Vergleich zu heidnischen Herrschern oder ungläubigen Vorgesetzten, denen sie sich unterordnen sollen (vgl. Gal 3,28). Doch Gott hat den Frauen eine Rolle der Unterordnung unter die Führung ihrer eigenen Ehemänner zugeteilt (s. Anm. zu 1Kor 11,1-9; Eph 5,22; Kol 3,18; Tit 2,4.5). etliche sich weigerten, dem Wort zu glauben. Oder »zu gehorchen«. Da in diesem Brief »Gehorsam« die Gläubigen bezeichnete und »Ungehorsam« die Ungläubigen (s. Anm. zu 1,2; 2,8), geht es hier um einen nichtchristlichen Ehemann. In einer Kultur, in der Frauen niedriger als Männer angesehen werden, gab es in Ehen zwischen Gläubigen und Ungläubigen damals wie heute ein beträchtliches Konfl iktpotential. Petrus forderte die gläubige Frau weder auf, ihren Mann zu verlassen (vgl. 1Kor 7,13-16) noch ihrem Mann zu predigen (»ohne Wort«), noch ihre Rechte einzufordern (»unterordnen«). durch den Wandel der Frauen … gewonnen werden. Die liebevolle, gütige Unterwerfung einer gläubigen Ehefrau unter ihren unerretteten Gatten ist das stärkste evangelistische Mittel, das sie hat. Zur Unterordnung hinzu kommen noch Bescheidenheit, Sanftmut und Respekt vor dem Ehemann (V. 2-6).
3,2 in Furcht reinen Wandel. Der Ehemann sollte bei seiner Frau ständig ein Leben in Reinheit und Ehrfurcht vor Gott beobachten können.
3,3 äußerliche. Petrus verurteilte hier nicht jeglichen äußerlichen Schmuck. Seine Verurteilung zielt ab auf eine unablässige Beschäftigung mit Äußerlichkeiten und die Vernachlässigung des Charakters (V. 4; vgl. 1Tim 2,9.10). Jede gläubige Frau sollte sich insbesondere darauf konzentrieren, diesen reinen und ehrfurchtsvollen christusähnlichen Charakter zu entwickeln.
3,4 sanften und stillen Geistes. Das ist eine Schönheit, die im Gegensatz zum äußeren Leib niemals vergeht. »Sanft« bedeutet »milde« oder »demütig«, und »still« beschreibt ihren Charakter im Umgang mit dem Ehemann und dem Leben im Allgemeinen. Ein solcher Charakter ist nicht nur für ihren Ehemann kostbar, sondern auch für Gott. 3,5 heiligen Frauen. Bestimmte Heilige des AT (insbesondere Sara, V. 6) sind Vorbilder für innerliche Schönheit, Wesensart, Bescheidenheit und Unterwürfi gkeit gegenüber ihren Ehemännern (s. Anm. zu Spr 31,10-31).
3,6 keinerlei Furcht einjagen. Eine gläubige Ehefrau kann mög- licherweise Ängste haben, wenn sie sich ihrem unerretteten Mann unterordnet, je nachdem, wohin diese Unterordnung führt. Doch Petrus fordert die Frau auf, sich nicht einschüchtern zu lassen oder ängstlich zu sein, sondern sich ihrem Ehemann prinzipiell unterzuordnen. Davon ausgenommen ist jeglicher Zwang, zu sündigen, gegen Gottes Wort zu verstoßen oder körperlichen Schaden zu erleiden (vgl. Apg 4,18-20; 5,28.29; Tit 1,6).
3,7 Ihr Männer … gleichermaßen. Unterordnung ist auch die Verantwortung eines christlichen Ehemanns (vgl. Eph 5,21). Obwohl er sich nicht seiner Frau unterordnet, muss sich ein gläubiger Ehemann der Pfl icht unterwerfen, liebevoll auf ihre Bedürfnisse, Ängste und Gefühle zu achten. Anders ausgedrückt, muss ein gläubiger Ehemann seine Bedürfnisse den ihrigen unterordnen, ob sie nun Christ ist oder nicht. Petrus weist insbesondere hin auf Rücksichtnahme, Ritterlichkeit und Gemeinschaft. schwächeren Gefäß. Während die Frau in Christus dem Mann gegenüber völlig gleichwertig und als Frau geistlich nicht unterlegen ist (s. Gal 3,28), ist sie körperlich schwächer und braucht den Schutz, die Fürsorge und die starke Hand ihres Ehemanns. gemeinsam Erben der Gnade des Lebens. Die »Gnade des Lebens« ist hier nicht die Errettung, sondern die Ehe – die beste Beziehung, die das irdische Leben zu bieten hat. Der Ehemann muss die Gemeinschaft und Beziehung zu seiner Frau pfl egen, ob sie Christ ist oder nicht (vgl. Pred 9,9). damit eure Gebete nicht verhindert werden. Das bezieht sich insbesondere auf die Gebete des Ehemanns für die Errettung seiner Frau (s. Anm. zu V. 1). Die Erhörung solcher Gebete würde behindert, wenn er nicht auf ihre Bedürfnisse und ihre Gemeinschaft achtet.
3,8 seid alle gleichgesinnt. Von zwei gr. Wörtern, die so viel be- deuten wie »dasselbe denken«, »eines Sinnes sein«. Das bedeutet, die innere Einheit der Herzen zu bewahren. Alle Christen sollen Vorbilder sein und sollen nicht Trennung und Disharmonie verursachen, sondern Frieden und Einheit stiften (Joh 13,35; 17; Röm 12,16; 15,5; 1Kor 1,10; Phil 2,1.2). brüderlicher Liebe. Ein immer wiederkehrendes Thema im 1. Petrusbrief (s. 1,22; 2,17; 4,8; 5,14).
3,9 im Gegenteil segnet. »Segnen« bedeutet »gut von etwas re- den«, »preisen«. Zum Segnen des Schmähers gehört, ihm zu dienen, für seine Errettung oder sein geistliches Wachstum zu beten, ihm gegenüber Dankbarkeit auszudrücken, gut über ihn zu reden und sein Wohlergehen zu wünschen (2,23; vgl. 3Mo 19,18; Spr 20,22; Lk 6,38). dazu berufen. Wer von Gott anstelle von Gericht unverdienten Segen empfangen hat, sollte den Segen erstreben, den er empfangen wird, indem er jemandem vergibt, der ihm Unrecht getan hat (vgl. V. 21; Mt 18,21-35).
3,10 wem das Leben lieb ist und wer gute Tage sehen will. Mit diesem Zitat aus Ps 34,13-17 zog Petrus eine passende biblische Bestätigung für seine Ermahnung in V. 9 heran. Der Gläubige hat das Vorrecht, sein Leben zu genießen (Joh 10,10). In diesem Abschnitt erteilt Petrus klare Anweisungen, wie man diese reichhaltige Freude und Lebensfülle erfahren kann, selbst wenn man inmitten einer feindseligen Umgebung lebt. Zu den Anforderungen für ein erfülltes Leben gehört eine demütige, liebevolle Einstellung allen Menschen gegenüber (V. 8), eine nicht nachtragende Reaktion auf Spötter (V. 9), eine reine und ehrliche Sprache (V. 10), eine Abscheu vor Sünden und ein Streben nach Frieden (V. 11) und ein richtiges Motiv, d.h. die Gerechtigkeit zu praktizieren, die den allwissenden Herrn erfreut (V. 12; vgl. Mt 5,38-48; Röm 12,14.17; 1Kor 4,12; 5,11; 1Th 5,15).
3,13 wer will euch Schaden zufügen. Wer eifrig nach Gutem strebt, wird gewöhnlich nicht schlecht behandelt. Selbst eine feindliche Welt verletzt nicht so schnell die Wohltäter der Gesellschaft, die freundlich und fürsorglich sind (vgl. 4,12), leider aber ist es nicht immer so (V. 14).
3,14 glückselig. Hier liegt der Gedanke zugrunde von »privilegiert« oder »geehrt« (vgl. Mt 5,10). fürchtet nicht. Dieser Gedanke stammt aus Jes 8,12.13.
3,15 heiligt vielmehr Gott, den Herrn, in euren Herzen. Die Lesart »Christus« ist hier vorzuziehen, so dass es heißt: »sondert in euren Herzen Christus als Herrn ab«. Das Herz ist das Heiligtum, in dem Christus angebetet werden möchte. Lebe in unterwürfi ger Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus, liebe ihn und gehorche ihm, und du wirst nichts zu befürchten haben. allezeit bereit zur Verantwortung. Das Wort »Apologetik« stammt von dem gr. Wort, das hier mit »Verantwortung« übersetzt wurde. Petrus verwendet dieses Wort in einem nicht formalen Sinne (vgl. Phil 1,16.17). Der Gläubige muss verstehen, was er glaubt; er muss wissen, warum er Christ ist, und er muss imstande sein, seinen Glauben demütig, tiefgründig, nachvollziehbar und biblisch zu erklären. die Hoffnung, die in euch. Die Errettung mit ihrer Ausrichtung auf die künftige ewige Herrlichkeit. 3,16 ein gutes Gewissen. Das Gewissen klagt an (vgl. Röm 2,14.15), indem es den Menschen ihre Sünde vorhält und somit Schuld, Scham, Zweifel, Angst, Sorge und Verzweifl ung verursacht. Wer ohne fortdauernde und nicht bekannte Sünde und unter der Herrschaft des Herrn lebt, wird ein »unverletztes« Gewissen haben (Apg 24,16; s. Anm. zu 2Kor 1,12; 4,2). Dann werden die lügnerischen Ankläger in ihrem eigenen Gewissen »zuschanden werden« (vgl. 2,12.15).
3,18 Denn auch Christus hat … gelitten. Petrus wollte seine Le- ser in ihrem Leid ermutigen und erinnerte sie deshalb wieder daran, dass auch Christus ungerechterweise gelitten hat, weil es Gottes Wille war (V. 11). Doch letztendlich war Christus auf wunderbare Weise siegreich und wurde zur Rechten Gottes erhöht, während all diese dämonischen Wesen, die hinter seinem Leiden standen, ihm für immer unterworfen wurden (V. 22). Gott führt auch die leidenden Leser des 1. Petrusbriefes zum Triumph. einmal für Sünden. Unter dem Alten Bund brachte das jüdische Volk ein Opfer nach dem anderen dar und wiederholte das Jahr für Jahr, insbesondere das Passah. Doch Christi einmaliges Opfer für Sünden hatte eine solch dauerhafte Gültigkeit, dass es ein für allemal ausreichte und nie mehr wiederholt zu werden brauchte (s. Anm. zu Hebr 7,27; 9,26-28). der Gerechte für die Ungerechten. Eine weitere Erklärung der Sündlosigkeit Jesu (vgl. Hebr 7,26) und seiner stellvertretenden, repräsentativen Sühne. Er hat niemals selber gesündigt und hatte keine sündige Natur, doch er nahm den Platz von Sündern ein (vgl. 2,24; 2Kor 5,21). Damit leistete er Gottes gerechter und vom Gesetz geforderter Strafe Genüge und öffnete den Weg zu Gott für alle, die Buße tun und glauben (vgl. Joh 14,6; Apg 4,12). uns zu Gott führte. In diesem Leben geistlich und im künftigen Leben vollständig (vgl. Mk 15,38). wurde getötet nach dem Fleisch. Eine gewaltsame körperliche Hinrichtung beendete sein irdisches Leben (vgl. Hebr 5,7). lebendig gemacht durch den Geist. Das bezieht sich nicht auf den Heiligen Geist, sondern auf Jesu wahres inneres Leben, seinen eigenen Geist. Im Gegensatz zu seinem Fleisch (seiner Menschennatur), die 3 Tage lang tot war, war sein Geist (seine göttliche Natur) lebendig, wörtl. »in dem Geist« (vgl. Lk 23,46). 3,19 Geistern im Gefängnis. Das sind gefallene Engel (Dämonen), die aufgrund abscheulicher Boshaftigkeit dauerhaft gefangen sind. Die Dämonen, die nicht derart gefangen sind, sträuben sich gegen eine solche Verurteilung (vgl. Lk 8,31). Letzten Endes werden sie aber alle in den ewigen Feuersee verbannt werden (Mt 25,41; Offb 20,10). verkündigte. Zwischen Christi Tod und seiner Auferstehung ging er in seinem lebenden Geist zu den dämonischen Geistern, die im Abgrund gefangen sind, und verkündete, dass er trotz seines Todes über sie triumphiert hat (s. Anm. zu Kol 2,14.15).
3,20 sich weigerten zu glauben … in den Tagen Noahs. Petrus erklärt weiter, dass im Abgrund gefangene Dämonen leben, die seit der Zeit Noahs dort sind und die dorthin verbannt wurden, weil sie mit ihrer Bosheit die Grenzen der Toleranz Gottes weit überschritten haben. Zu Noahs Zeit hatten die Dämonen auf der ganzen Erde eine gewaltige Macht und erfüllten die Welt mit ihrer boshaften, niederträchtigen, antigöttlichen Aktivität, einschließlich sexueller Sünden, so dass in den ganzen 120 Jahren von Noahs Verkündigung, während der er die Arche baute, von der ganzen Menschheit niemand außer den 8 Familienangehörigen Noahs überzeugt werden konnte an Gott zu glauben (s. Anm. zu 2Pt 2,4.5; Jud 6.7; vgl. 1Mo 6,1-8). Daher verbannte Gott diese Dämonen dauerhaft in den Abgrund, bis sie ihr endgültiges Urteil empfangen. hindurchgerettet … durchs das Wasser. Sie wurden nicht wegen des Wassers, sondern trotz des Wassers gerettet. Das Wasser war hier nicht das Mittel der Errettung, sondern das Mittel des Gerichtes Gottes (s. Anm. zu Apg 2,38).
3,21 welches jetzt auch uns … rettet. Ein Gegenbild ist im AT die irdische Darstellung einer geistlichen Realität. Es beschreibt ein Symbol, ein Bild oder ein Muster für irgendeine geistliche Wahrheit. Petrus lehrt hier Folgendes: Dass acht Menschen in einer Arche waren und durch das ganze Gericht gingen, ohne Schaden zu erleiden, entspricht der Erfahrung des Christen, der sich bei seiner Errettung in Christus befi ndet, der seine rettende Arche ist. Taufe … durch die Auferstehung Jesu Christi. Petrus spricht hier überhaupt nicht von der Wassertaufe, sondern vielmehr von einem bildlichen Eintauchen in die Vereinigung mit Christus, das wie die Arche vor dem Gericht Gottes schützt. Die Auferstehung Christi erweist, dass Gott Jesu stellvertretenden Tod für die Sünden der Gläubigen angenommen hat (Apg 2,30.31; Röm 1,4). Das Gericht traf Christus, genauso wie das Gericht der Wasserfl ut gegen die Arche schlug. Der Gläubige, der in Christus ist, befi ndet sich daher in der sicheren Arche, die ihn über die Wasser des Gerichts hinweg in die ewige Herrlichkeit bringen wird (vgl. Röm 6,1-4). nicht ein Abtun der Unreinheit des Fleisches. Um sicherzugehen, dass er nicht missverstanden wird, schreibt Petrus eindeutig, dass er nicht von der Wassertaufe spricht. Bei der Sintfl ut wurden die Erretteten vor dem Wasser bewahrt, während diejenigen, die ins Wasser gerieten, untergingen. Sich in der Arche zu befi nden und somit vor dem Gericht Gottes über die Welt bewahrt zu werden, symbolisiert, in Christus zu sein und damit vor der ewigen Verdammnis gerettet zu sein. das Zeugnis eines guten Gewissens vor Gott. Das gr. Wort für »Zeugnis« vermittelt den Gedanken eines Versprechens, mit dem man bestimmten Konditionen eines Bundes mit Gott (dem Neuen Bund) zustimmt. Ein von Sünde und einem schlechten Gewissen geplagter Mensch wird nicht durch irgendein äußerliches Ritual gerettet, sondern durch die Vereinbarung mit Gott, in die sichere Arche zu gehen, d.h. in den Herrn Jesus, nämlich durch Glauben an seinen Tod und seine Auferstehung (vgl. Röm 10,9.10; Hebr 9,14; 10,22).
3,22 Rechten Gottes. Nachdem Jesus sein Werk am Kreuz voll- bracht hatte und von den Toten auferstanden war, wurde er auf einen Platz alles überragender Ehre, Majestät, Autorität und Macht erhöht (vgl. Röm 8,34; Eph 1,20.21; Phil 2,9-11; Hebr 1,3-9; 6,20; 8,1; 12,2). Die Leser des Petrusbriefes können für die Praxis daraus lernen, dass Leiden eine Gelegenheit zum großartigen Triumph sein können, wie man am Beispiel des Herrn Jesus sieht.
4,1 Da nun. Angesichts des triumphierenden Leidens und Sterbens Christi sollten die Leser ebenfalls bereit sein, im Fleisch zu leiden, da sie wissen, dass dieses Leiden zum größtmöglichen Triumph führen wird. für uns im Fleisch gelitten hat. Das bezieht sich auf Christi Tod am Kreuz (s. Anm. zu 3,18). derselben Gesinnung. Der Christ sollte mit derselben Denkungsart gewappnet sein (diese Wortwahl entstammt dem Kriegswesen), die sich auch in den Leiden Christi zeigte: Man kann im Leiden siegreich sein, sogar im Todesleiden. Anders ausgedrückt, sollte der Christ freiwillig akzeptieren, dass der Tod möglicherweise zum Christsein dazugehört (vgl. Mt 10,38.39; 2Kor 4,8-11). Petrus sollte später selber diese Möglichkeit bekommen, dieses Prinzip auszuleben, als er vor dem Märtyrertod stand (s. Joh 21,18.19). hat mit der Sünde abgeschlossen. Da das Verb die Zeitform des Perfekt hat, wird hier ein dauerhafter Zustand der Freiheit von Sünde betont. Das Schlimmste, was einem Gläubigen passieren kann, der ungerechterweise leidet, ist der Tod – und das ist das Beste, was ihm passieren kann, weil der Tod das vollständige und endgültige Ende aller Sünde bedeutet. Wenn der Christ mit dem Ziel gewappnet (»bewaffnet«) ist, von Sünde befreit zu werden, und dieses Ziel durch seinen Tod erreicht, wird aus der Bedrohung des Todes eine kostbare Erfahrung (vgl. Röm 7,5.18; 1Kor 1,21; 15,42.49). Außerdem ist dann die mächtigste Waffe des Feindes gegen den Christen, die immer bestehende Todesdrohung, unwirksam geworden.
4,2 nicht mehr den Lüsten der Menschen zu leben. Wenn das Lebensziel des Christen die Freiheit von Sünde ist, die er mit dem Tod erlangt, dann sollte er den Rest seines Lebens auf der Erde nach dem heiligen Willen Gottes streben, anstatt nach den gottlosen Lüsten des Fleisches.
4,3 Ausschweifungen … frevelhaftem Götzendienst. »Aus- schweifungen« sind ungezügelte, hemmungslose Sünden, ein exzessives Schwelgen in sinnlichen Lüsten. »Belustigungen« vermitteln den Gedanken an eine Orgie. Das gr. Wort bezeichnete in außerbiblischer Literatur eine Horde betrunkener, wilder Leute, die grölend, taumelnd und randalierend durch die Straßen ziehen. Daher werden hier die Lüste der Gottlosen aus Gottes Perspektive beschrieben als verabscheuungswürdige, widergöttliche Übeltaten. Die Leser des Petrusbriefes hatten zwar vor ihrer Errettung an solchen Sünden teilgehabt, doch sie durften das nie wieder tun. Sünde ist für den Gläubigen kein Vergnügen, das ihn erfreut, sondern vielmehr eine quälende Last.
4,4 Das befremdet sie. Die ehemaligen Freunde reagieren auf das Desinteresse des Christen an diesen gottlosen Vergnügungen überrascht, beleidigt und verärgert. denselben heillosen Schlamm. »Heillos« ist im gr. ein Substantiv (»Heillosigkeit«), das einen bösen Zustand bezeichnet, in welchem ein Mensch an nichts Gutes mehr denkt. Das Bild beschreibt eine große Menschenmenge, die zusammen wild und wie von Sinnen dahinstürmt – eine Meute, die der Sünde nachjagt.
4,5 Rechenschaft geben. Dieses Verb bedeutet »zurückzahlen«. Die Menschen, die »in Ausschweifungen wandeln« (V. 3) und die die Gläubigen verleumden (V. 4), häufen sich eine Schuld gegenüber Gott auf, für deren Rückerstattung sie die ganze Ewigkeit bezahlen werden (s. Anm. zu Mt 18,23; vgl. Mt 12,36; Röm 14,11.12; Hebr 4,13). die Lebendigen und die Toten zu richten. Alle Unerretteten, die lebenden wie die toten, werden beim Gericht am großen weißen Thron vor den Richter, Jesus Christus, gestellt werden (Offb 20,11-15; vgl. Röm 3,19; 2Th 1,6-10).
4,6 Toten. Die Verkündigung des Evangeliums bietet nicht nur ein reiches Leben (3,10), die Rettung von Sünde (V. 1) und ein gutes Gewissen (3,21), sondern auch einen Ausweg vor dem Endgericht. Petrus dachte an Gläubige, die zu Lebzeiten das Evangelium gehört und angenommen hatten, aber zur Abfassungszeit dieses Briefes bereits verstorben waren. Einige von ihnen hatten vielleicht für ihren Glauben den Märtyrertod erlitten. Obwohl sie leiblich tot waren, lebten sie siegreich in ihren Geistern (vgl. Hebr 12,23). Ihr ganzes Gericht hatten sie bereits zu ihrer Lebzeit in dieser Welt erfahren (»im Fleisch«), und daher werden sie für immer in Gottes Gegenwart leben.
4,7 das Ende aller Dinge. Das gr. Wort für »Ende« bedeutet im NT nirgends ein zeitliches Ende, als höre etwas einfach auf. Vielmehr bedeutet es Vollendung, ein erreichtes Ziel, ein erlangtes Ergebnis oder eine Verwirklichung. Nachdem Petrus das Leiden herausgestellt hat, das durch den Tod triumphiert, beginnt er hier, das Leiden zu betonen, das durch die Wiederkunft Christi triumphiert (vgl. 1,3; 2,12), worauf alle Dinge abzielen. Petrus ruft die Gläubigen auf, gehorsam zu leben in der Erwartung der Wiederkunft Christi. nahe gekommen. Das beschreibt einen Prozess, der in dem sich daraus entwickelnden Nahesein gipfelt, und bedeutet »unmittelbar bevorstehen«. Petrus erinnert seine Leser, dass Jesus Christus in jedem Augenblick wiederkommen kann (vgl. Röm 13,12; 1Th 1,10; Jak 5,7.8; Offb 22,20). seid nun besonnen und nüchtern. »Besonnen« bedeutet hier, sich nicht von Emotionen und Leidenschaften hinreißen zu lassen und somit eine angemessene Ewigkeitsperspektive zu bewahren. Der Christ sollte sich durch die Lehre von der bevorstehenden Wiederkunft Christi nicht in einen Fanatiker verwandeln lassen, der nichts anderes mehr tut, als darauf zu warten. Stattdessen sollte diese Erwartung den Gläubigen zu einem aufmerksamen Streben nach Heiligkeit führen. Außerdem führt eine aufmerksame Haltung zu einer Pilger-Mentalität (2,11). Der Christ wird daran erinnert, dass er ein Himmelsbürger und nur vorübergehend auf der Erde ist. Das sollte ihn auch daran erinnern, dass Christus nach der Entrückung an seinem Richterstuhl prüfen wird, wie man Gott gedient hat, und daran, dass man Lohn empfängt für das, was dieser Prüfung standhält (s. 1Kor 3,1015; 4,1-5; 2Kor 5,9.10). nüchtern zum Gebet. Wenn jemand in seiner Gesinnung den Gefühlen und Leidenschaften zum Opfer gefallen oder durch weltliche Lüste und Ziele außer Kontrolle oder aus dem Gleichgewicht geraten ist, kann er nicht die Fülle der heiligen Gemeinschaft mit Gott im Gebet erfahren (vgl. 3,7). Eine Gesinnung, die fest auf Jesu Wiederkunft ausgerichtet ist, ist gereinigt (1Joh 3,3) und erfreut sich der Fülle der Gemeinschaft mit dem Herrn.
4,8 innige Liebe. »Innig« bedeutet »ausgestreckt«, »gedehnt«. Das Wort wurde für einen Läufer benutzt, der sich mit maximaler Kraft bewegt und sich mit angespannten Muskeln der Leistungsgrenze entgegenstreckt (vgl. 1,22). Diese Art von Liebe verlangt vom Christen, dass er das geistliche Wohl des anderen über seine eigenen Wünsche stellt, auch wenn er unfreundlich oder sogar feindselig behandelt wird (vgl. 1Kor 13,4-7; Phil 2,1-4). die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken. Ein Zitat aus Spr 10,12. Sünden zuzudecken entspricht der Natur wahrer geistlicher Liebe, sowohl der Liebe Gottes zu den Menschen als auch der Liebe unter Christen (vgl. Röm 5,8). Diese Lehre schließt nicht aus, dass ein sündigendes, unbußfertiges Gemeindemitglied unter Zucht gestellt wird (vgl. Mt 18,15-18; 1Kor 5). Diese Aussage bedeutet insbesondere, dass ein Christ möglichst über Sünden hinwegsehen sollte, die gegen ihn selbst begangen wurden, um stets bereit zu sein, Verletzungen und Unfreundlichkeiten zu vergeben.
4,9 Seid gegeneinander gastfreundlich. Das gr. Wort für Gast- freundschaft bedeutet »Liebe zu Fremden«. Liebe ist nicht nur eine emotionale Sache, sondern äußerst praktisch. Zur Zeit des Petrus gehörte es zur Liebe, sein Heim zu öffnen und für andere bedürftige Gläubige zu sorgen, wie z.B. Reiseprediger. Dazu gehörte es auch, dann sein Haus für Gemeindeveranstaltungen zu öffnen. Die Bibel lehrt außerdem, dass Christen gastfreundlich gegenüber Fremden sein sollen (2Mo 22,20; 5Mo 14,28.29; Hebr 13,1.2).
4,10 Gnadengabe … empfangen. Eine Geistesgabe ist eine übernatürliche Fähigkeit, die Gott in seiner Gnade jedem Gläubigen gibt. Durch sie dient der Heilige Geist dem Leib Christi. Das gr. Wort (charisma) betont, dass diese Gabe ohne Gegenleistung gegeben wurde. Eine Geistesgabe kann nicht verdient, erlernt oder erarbeitet werden. Sie wird einfach durch die Gnade Gottes »empfangen« (vgl. 1Kor 12,4.7.11.18). Paulus ermunterte, in der örtlichen Gemeinde nach der Ausübung der besten Gaben (insbesondere Weissagung) zu streben (1Kor 12,31). Die Kategorien der Geistesgaben werden aufgeführt in Röm 12,3-8 und 1Kor 12,4-10 (s. Anm. dort). Jeder Gläubige hat eine besondere Gabe und oft ist das eine Kombination verschiedener Gabenkategorien, die für jeden Christen individuell zusammengestellt werden. Dient einander. Die Geistesgaben wurden nicht zur Erhöhung des Begabten ausgeübt, sondern in liebevoller Fürsorge für das Wohl der anderen in der Gemeinde (vgl. 1Kor 12,7; 13). gute Haushalter. Ein Haushalter ist verantwortlich für die Güter eines anderen. Die Gabe gehört nicht dem Gläubigen, sondern Gott hat sie ihm gegen, damit er sie zum Wohl der Gemeinde und zur Ehre Gottes verwaltet.
4,11 redet … dient. Petrus zeigt, dass es zwei Kategorien von Gaben gibt: Redegaben und Dienstgaben. Eine derartige Unterscheidung wird auch deutlich anhand der Listen aus Röm 12 und 1Kor 12. Zu einer Erläuterung der Gaben s. Anm. zu 1Kor 12-14. Aussprüche Gottes. Dieser Ausdruck bezeichnet an anderer Stelle die Bibel, das Wort aus Gottes eigenem Mund (vgl. Röm 3,2; Apg 7,38). Gott verherrlicht. Das ist bei allem das Ziel. Vgl. Röm 11,33-36; Eph 3,21; 2Tim 4,18; 2Pt 3,18; Offb 1,6.
4,12 Feuerprobe. Petrus schrieb diesen Brief wahrscheinlich kurz vor oder nach dem Brand Roms (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld) und zu Beginn der Schrecken einer 200 Jahre dauernden Periode der Christenverfolgung. Petrus erklärt, dass Triumph unter Verfolgung vier Einstellungen erfordert: Der Gläubige muss 1.) Verfolgung erwarten (V. 12); 2.) sich in ihr freuen (V. 13.14); 3.) ihre Ursache prüfen (V. 15-18); und 4.) sie Gott anbefehlen (V. 19). als widerführe euch etwas Fremdartiges. »Widerfahren« bedeutet »zufällig geschehen«. Ein Christ darf nicht meinen, er würde nur rein zufällig verfolgt. Gott hat die Verfolgung zugelassen und sie dazu bestimmt, den Gläubigen zu prüfen, zu läutern und zu reinigen.
4,13 in dem Maß … Leiden des Christus. Der für seinen Glau- ben verfolgte Christ ist Teilhaber derselben Leiden, die Jesus erlitt, und er leidet dafür, dass er Gutes tut (vgl. Mt 5,10-12; Gal 6,17; Phil 1,29; 3,10; Kol 1,24). bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit. D.h. bei Christi Wiederkunft (vgl. Mt 24,30; 25,31; Lk 17,30). Jesus ist zwar gegenwärtig im Himmel verherrlicht, doch auf der Erde ist seine Herrlichkeit noch nicht völlig offenbart. jubelnd freuen. D.h., er triumphiert und frohlockt mit einer begeisterten Freude (vgl. Jak 1,2). Wenn ein Christ in diesem Leben für seine Gerechtigkeit verfolgt wird, wird er in der Zukunft überströmende Freude über seinen Lohn davontragen (s. Anm. zu Mt 20,20-23). Ein solches Bewusstsein der künftigen Freude befähigt ihn, sich auch jetzt schon zu freuen (V. 13; vgl. Lk 6,22; s. Anm. zu Röm 8,17).
4,14 Glückselig. Das bedeutet nicht so sehr allgemeines, unbe- stimmbares Glück, als vielmehr eine besondere Wohltat, da siegreiches Leiden um Christi willen Gottes Gutheißung zeigt. geschmäht werdet um des Namens des Christus willen. D.h. beleidigt und ungerecht behandelt zu werden, weil man all das repräsentiert, was Christus ist, und weil man den Namen Christi öffentlich verkündet (vgl. Apg 4,12; 5,41; 9,15.16; 15,26). Geist der Herrlichkeit. Hiermit ist der Geist gemeint, der Herrlichkeit hat oder der herrlich ist. Im AT wurde die Herrlichkeit Gottes durch das Licht der Schechina repräsentiert, dieser leuchtenden, hellen Wolke, die die Gegenwart Gottes anzeigte (s. 2Mo 33,15 – 34,9). ruht auf euch. Wenn ein Gläubiger leidet, ruht Gottes Gegenwart ganz besonders auf ihm und stärkt und erhebt ihn, damit er über sein körperliches Vermögen hinaus das Leiden ertragen kann (vgl. Apg 6,8-7.60; 2Kor 12,7-10).
4,15 sich in fremde Dinge mischt. Das bezieht sich auf jeman- den, der in etwas eindringt, was ihn nichts angeht. Petrus zählt hier Dinge auf, die zu Verfolgung führen können, wie z.B. Rebellion, Stören des Friedens oder Einmischen in die Geschäfte der Regierung. Möglicherweise bezieht sich dieser Ausdruck auch auf unliebsame Störenfriede am Arbeitsplatz. Als allgemeines Prinzip muss ein Christ, der in einer nichtchristlichen Kultur lebt, seine Arbeit treu erledigen, Jesus Christus ehren und ein tugendhaftes Leben führen, anstatt zu versuchen, diese Kultur umzustürzen oder zu untergraben (2,13-16; vgl. 1Th 4,11; 2Th 3,11; s. Anm. zu 1Tim 2,1-3).
4,16 Christ. In der Anfangszeit der Gemeinde war »Christ« ein Spottname für die Nachfolger Christi (vgl. Apg 11,26; 26,28). Später gewannen die Nachfolger Jesu diesen Namen lieb und nahmen ihn an.
4,17 Gericht beginnt beim Haus Gottes. Dies ist nicht Ver- dammnis, sondern die Reinigung, Züchtigung und Läuterung der Gemeinde durch die liebevolle Hand Gottes. Gott ist es wichtiger um der Arbeit im Reich Gottes willen, Christen Leiden ertragen zu lassen, weil dadurch die Gemeinde gereinigt und gestärkt wird, als das Endgericht an den Ungläubigen zu vollziehen. Aber wenn Gott seine Gemeinde, die er liebt, so intensiv und schmerzhaft richtet, wie heftig wird dann erst sein Zorn gegen die Gottlosen sein?
4,18 Ein Zitat aus Spr 11,31 aus der LXX und eine Bekräftigung der Aussage aus dem vorigen Vers: Wenn der gerechtfertigte Sünder nur unter großen Schwierigkeiten, Leiden, Schmerzen und Verlusten errettet wird, was wird dann das Ende des Gottlosen sein? Vgl. 2Th 1,4-10.
4,19 ihre Seelen … anvertrauen. »Anvertrauen« ist ein Begriff aus dem Bankwesen und bedeutet »zur sicheren Aufbewahrung deponieren«. treuen Schöpfer. Petrus verwendet den Begriff »Schöpfer«, um seine Leser zu erinnern: Als sie ihr Leben Gott übergaben, gaben sie ihm damit nur das zurück, was er erschaffen hatte. Als Schöpfer weiß Gott am besten, was seine geliebten Geschöpfe brauchen (2,23; vgl. 2Tim 1,12).
5,1 Die Ältesten … ermahne ich. In Zeiten des Leidens und der Verfolgung der Gemeinde ist eine hervorragende Leiterschaft besonders gefragt. Der »Älteste« ist dieselbe Führungsperson wie der »Hirte« (V. 2) und »Aufseher« (V. 2; s. Anm. zu Apg 20,28). Der Begriff »Älteste« betont die geistliche Reife dieser Führer. Wie bei fast allen anderen Verwendungen dieses Wortes (mit der Ausnahme von Petrus’ Selbstbezeichnung in diesem Vers und Johannes’ Selbstbezeichnung in 2Joh 1 und 3Joh 1) schrieb Petrus im Plural und weist somit darauf hin, dass üblicherweise eine Gruppe von gottesfürchtigen Leitern die Herde der Gemeinde ernährte und leitete. Mitältester und Zeuge der Leiden … Teilhaber der Herrlichkeit. Petrus stattete diese Ermahnung an die Ältesten mit einigen reichhaltigen Motivationen aus. Die erste Motivation war die Identifi kation mit Petrus, der sich selbst als Mitältester bezeichnet. Als solcher konnte er den geistlichen Führern nützliche Ermahnungen erteilen. Die zweite Motivation war die Autorität. Petrus weist darauf hin, dass er Augenzeuge der Leiden Christi war und bekräftigt somit seine Apostelschaft (vgl. Lk 24,45; Apg 1,21.22). Die dritte Motivation war der Blick in die Zukunft. Eines Tages werden die Leiter der Gemeinde aus der Hand Christi Lohn für ihren Dienst empfangen. Diese Tatsache sollte sie zu treuer Pfl ichterfüllung anregen. Die Grundlage für diese besondere Erkenntnis des Petrus war sein Miterleben der Verklärung Christi (vgl. Mt 17,1-8; 2Pt 1,16). Bei diesem höchst bedeutsamen Ereignis hatte er Teil an der Herrlichkeit des Herrn. 5,2 Hütet die Herde Gottes. Nach der Motivation (V. 1) kommt die Ermahnung (V. 2-4). Da die Hauptaufgabe beim Hüten das Ernähren ist und damit im geistlichen Sinne das Lehren, muss jeder Älteste lehrfähig sein (vgl. Joh 21,15-17; s. Anm. zu 1Tim 3,2; Tit 1,9). Zum Hüten der Herde gehört auch das Beschützen (vgl. Apg 20,28-30). Bei beiden Aufgaben muss der Hirte daran denken, dass die Herde Gott gehört und nicht ihm. Gott hat dem Hirten einen Teil seiner Herde anvertraut, damit er sie leitet, sich um sie kümmert und sie ernährt (V. 3). nicht gezwungen, sondern freiwillig. Petrus warnt die Ältesten vor der konkreten Gefahr der Faulheit. Die Berufung Gottes (vgl. 1Kor 9,16) und die Dringlichkeit der Aufgabe (Röm 1,15) sollten ausreichen, um vor Faulheit und Gleichgültigkeit zu bewahren. Vgl. 2Kor 9,7. nicht nach schändlichem Gewinn strebend. Falsche Lehrer haben stets ein zweites Motiv: das Geld. Sie setzen ihre Macht und ihre Position dazu ein, die Menschen ihrer Habe zu berauben (s. Anm. zu 2Pt 2,1-3). Die Bibel sagt eindeutig, dass die Gemeinden ihre Hirten gut bezahlen sollten (1Kor 9,7-14; 1Tim 5,17.18); doch eine Gier nach unverdientem Geld darf niemals eine Motivation zum Dienst sein (vgl. 1Tim 3,3; 6,9-11; 2Tim 2,4; Tit 1,7; 2Pt 2,3; s.a. Jer 6,13; 8,10; Mi 3,11; Mal 1,10).
5,3 nicht als solche, die … herrschen. Das ist die dritte bedeu- tende Versuchung für einen Hirten: 1.) Faulheit (V. 2); 2.) unehrliche fi nanzielle Ambitionen (V. 2); und 3.) Demagogie. In diesem Zusammenhang bedeutet »herrschen«, über jemanden oder über eine Situation zu regieren. Das weist auf Leiterschaft hin, die mit Manipulation und Einschüchterung arbeitet. S. Anm. zu Mt 20,25-28. Wahre geistliche Führung geschieht vielmehr durch Vorbild (s. 1Tim 4,12).
5,4 wenn der oberste Hirte offenbar wird. Der Erzhirte ist Jesus Christus (vgl. Jes 40,11; Sach 13,7; Joh 10,2.11.12.16; Hebr 13,20.21). Wenn er bei seiner Wiederkunft erscheint, wird er den Dienst der Hirten beim Gericht an seinem Preisrichterstuhl beurteilen (vgl. 1Kor 3,9-15; 4,5; 2Kor 5,9.10). Ehrenkranz. Das ist die Krone der ewigen Herrlichkeit. In der Welt des NT wurden Kronen als Zeichen siegreich bestandenen Kampfes verliehen (vgl. 1Kor 9,24.25). Gläubigen sind verschiedene Kronen verheißen: außer der Ehrenkrone die Krone des Lebens (Jak 1,12), dazu noch die der Gerechtigkeit (2Tim 4,8) und der Freude (1Th 2,19). Alle diese Kronen sind unvergänglich (1Kor 9,25) und beschreiben bestimmte Merkmale des ewigen Lebens. S. Anm. zu 1Th 2,19. unverwelklichen. Das gr. Wort für »unverwelklich« ist der Name einer Blume, nämlich der Amaranthgewächse.
5,5 ordnet euch den Ältesten unter. S. 2,18 – 3,9. Ältesten. Die Ältesten sind die Hirten, die geistlichen Führer der Gemeinde (vgl. V. 1; s. Anm. zu 1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9). Die Gemeindeglieder, insbesondere die jungen Leute, sollen der geistlichen Leiterschaft Ehre, Achtung und Respekt entgegenbringen. Unterordnung ist eine grundlegende Einstellung von geistlicher Reife (vgl. 1Kor 16,15; 1Th 5,12-14; Tit 3,1.2; Hebr 13,7.17). Mangelnde Unterordnung unter die Ältesten erschwert nicht nur den Dienst, sondern verhindert auch die Gnade Gottes, wie aus dem Zitat aus Spr 3,34 deutlich wird (s. Anm. zu Jak 4,6). mit Demut bekleiden. Sich zu »bekleiden« bedeutet wörtl., sich etwas mit einem Knoten oder einer Schleife umzubinden. Dieser Ausdruck beschrieb häufi g einen Sklaven, der sich eine Schürze über seine Kleider anlegte, damit sein Gewand sauber bleibt. »Demut« ist wörtl. »Gesinnung der Niedrigkeit« und beschreibt eine Geisteshaltung, die sich zum Dienen nicht zu gut ist. Demut wurde in der Antike genauso wenig wie heute als Tugend betrachtet (vgl. jedoch Joh 13,3-17; Phil 2,3.4; s.a. Spr 6,16; 8,13; Jes 57,15).
5,6 unter die gewaltige Hand Gottes. Das ist ein atl. Symbol für die Kraft Gottes, die der Mensch erfährt und die stets Gottes souveräne Absichten vollführt (vgl. 2Mo 3,19.20; Hi 30,20.21; Hes 20,33.37; Mi 6,8). Die Leser des Petrusbriefes sollten nicht gegen die souveräne Hand Gottes ankämpfen, auch wenn das für sie Erprobungen bedeutete. Eines der Anzeichen für fehlende Unterordnung und Demut ist Ungeduld mit dem Gott, der Gläubige zur Demut führt (s. Anm. zu 2Kor 12,7-10). erhöhe zu seiner Zeit. Vgl. Lk 14,11. Gott wird die leidenden, unterwürfi gen Gläubigen zu seiner Zeit erhöhen, die er in seiner Weisheit festgesetzt hat. S. Anm. zu Hi 42.
1,1 Simon Petrus. S. Einleitung. Knecht und Apostel. Petrus bezeichnet und beschreibt sich mit einer ausgewogenen Mischung von Demut und Würde. Als Knecht stand er auf gleicher Grundlage mit anderen Christen und war ein gehorsamer Sklave Christi. Als Apostel war er ein einzigartig von Gott berufener und beauftragter Augenzeuge des auferstandenen Christus (s. Anm. zu Röm 1,1). an die. Die Empfänger dieses Briefes sind dieselben Gläubigen, die auch den 1. Petrusbrief empfi ngen (vgl. 3,1; 1Pt 1,1; s. Einleitung zu 1.2 Petrus). gleichen kostbaren. Im Allgemeinen bedeutete dieser gr. Ausdruck: gleich im Rang, in der Stellung, in Ehre, im Preis oder Wert. In der Antike bezeichnete er Fremde oder Ausländer, die ein gleichberechtigtes Bürgerrecht einer Stadt bekamen. Hier betonte Petrus, dass alle Christen denselben kostbaren, unschätzbaren rettenden Glauben empfangen haben. Es gibt keine Christen erster und zweiter Klasse, die nach geistlichen, ethnischen oder geschlechtlichen Gesichtspunkten unterschieden würden (vgl. Gal 3,28). Da Petrus meistenteils an Heidenchristen schrieb, betonte er wahrscheinlich, dass sie denselben Glauben empfangen hatten wie die Juden (vgl. Apg 10,44-48; 11,17.18). Glauben. Petrus spricht von einem subjektiven Glauben, d.h. von der Fähigkeit des Christen, so zu glauben, dass es ihm zur Errettung gereicht. Glauben zu haben bedeutet, glauben zu können (Eph 2,8.9). Glaube drückt zwar die menschliche Seite der Errettung aus, doch ist es Gott, der diesen Glauben geben muss. Gott ruft Glauben hervor, wenn der Heilige Geist die tote Seele erweckt, die das Wort Gottes gehört hat (vgl. Apg 11,21; Eph 2,8; Phil 1,2). empfangen. Ein ungewöhnliches Wort, das oft bedeutet, etwas durch das Los zu bekommen (vgl. Apg 1,17). Es kann auch so viel bedeuten wie »durch Gottes Willen erhalten«. Hier betont Petrus, dass das Heil nicht durch eigene Anstrengung, Fähigkeiten oder eigenen Wert erlangt wurde, sondern rein aus Gottes Gnade. an die Gerechtigkeit unseres Gottes. Besser: »durch die Gerechtigkeit«. Petrus will damit herausstellen, dass alle Gläubigen die gleiche Gabe des Heils haben, weil ihnen Gottes Gerechtigkeit zugerechnet worden ist. Diese Gerechtigkeit kennt keine Unterschiede zwischen Menschen, außer dass die Sünden von manchen schlimmer sind als bei anderen. Somit haben sie nicht nur Glauben, weil Gott ihnen Glauben gegeben hat, sondern sie sind auch nur deshalb errettet, weil Gott ihnen Gerechtigkeit zurechnet (s. Anm. zu Röm 3,26; 4,5; 2Kor 5,21; Phil 3,8.9). unseres Gottes und Retters Jesus Christus. In der gr. Konstruktion steht nur ein einziger Artikel vor dem ganzen Ausdruck, daher bezieht sich dieser auf nur eine einzige Person. So bezeichnet Petrus Jesus Christus sowohl als Retter als auch als Gott (vgl. Jes 43,3.11; 45,15.21; 60,16; Röm 9,5; Kol 2,9; Tit 2,13; Hebr 1,8).
1,2 Erkenntnis. Das Wort bezeichnet eine verstärkte Form von »Erkenntnis« und bedeutet eine umfassendere, tiefere und vertrautere Erkenntnis. Der kostbare Glaube des Christen gründet sich auf der tiefen Erkenntnis der Wahrheit über Gott (vgl. V. 3). Das Christentum ist keine Mysterienreligion, sondern basiert auf objektiver, offenbarter, logischer Wahrheit über Gott, die verstanden und geglaubt werden kann. Je tiefer und umfassender diese Erkenntnis des Herrn ist, desto mehr werden »Gnade und Frieden« vermehrt.
1,3 seine göttliche Kraft. »Seine« bezieht sich auf Jesus Chris- tus. Christi Kraft ist die Quelle der Zufriedenheit und Beharrlichkeit des Gläubigen (vgl. Mt 24,30; Mk 5,30; Lk 4,14; 5,17; Röm 1,4; 2Kor 12,9). alles … was zum Leben … dient. Der wahre Christ ist in seiner Errettung auf ewig sicher und wird ausharren und wachsen, weil er alles empfangen hat, um das ewige Leben durch Christi Kraft zu erhalten. Gottesfurcht. Gottesfürchtig zu sein bedeutet, so zu leben, dass man Gott verehrt und ihm treu und gehorsam ist. Petrus sagt damit, dass der wahre Gläubige Gott nicht um mehr zu bitten braucht (als fehle uns etwas, das nötig wäre, um Wachstum, Kraft und Ausharren zu gewährleisten), um gottselig zu werden, weil er bereits jedes geistliche Hilfsmittel hat, um seine Gottesfurcht auszuleben, zu erhalten und zu vervollkommnen. Erkenntnis dessen. »Erkenntnis« ist ein Schlüsselwort im 2. Petrusbrief (V. 2.5.6.8; 2,20; 3,18). In der ganzen Bibel bedeutet dieser Begriff eine persönliche Kenntnis (Am 3,2) und wird sogar für geschlechtliche Gemeinschaft verwendet (1Mo 4,1). Die Kenntnis Christi, die hier betont wird, ist keine oberfl ächliche Erkenntnis oder ein rein äußerliches Bewusstsein der Tatsachen über Christus, sondern ein echtes, persönliches Teilhaben am Leben mit Christus, das basiert auf Buße über Sünde und auf persönlichen Glauben an ihn (vgl. Mt 7,21). berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend. Diese Berufung ist, wie stets in den ntl. Briefen, die wirksame Berufung zum Heil (vgl. 1Pt 1,15; 2,21; 5,10; s. Anm. zu Röm 8,30). Diese rettende Berufung basiert darauf, dass der Sünder Christi offenbarte Majestät und moralische Vorzüglichkeit versteht, die ihn als Herrn und Retter erweisen. Dazu gehört immer, dass beim Evangelisieren Christi Person und Werk als Gott-Mensch klar herausgestellt werden müssen. Dadurch werden Menschen zum Heil gezogen (vgl. 1Kor 2,1.2). Kreuz und Auferstehung offenbaren seine »Herrlichkeit und Tugend« am klarsten.
1,4 die überaus großen und kostbaren Verheißungen. Das sind die Verheißungen des überströmenden und ewigen Lebens. göttlicher Natur teilhaftig. Dieser Ausdruck ist nichts anderes als das, was ausgedrückt wird durch die Begriffe »wiedergeboren« bzw. »von oben geboren« (vgl. Joh 3,3; Jak 1,18; 1Pt 1,23) »in Christus sein« (vgl. Röm 8,1) oder Gott »innewohnend« zu haben (Joh 14,17-23). Die kostbare Verheißung der Errettung resultiert darin, in der Jetztzeit Gottes Kinder zu werden (Joh 1,12; Röm 8,9; Gal 2,20; Kol 1,27) und dadurch an Gottes Natur teilzuhaben, indem man sein ewiges Leben besitzt. Christen werden nicht zu kleinen Göttern, sondern sie sind eine »neue Schöpfung« (2Kor 5,17) und der Heilige Geist wohnt in ihnen (1Kor 6,19.20). Außerdem werden die Gläubigen der göttlichen Natur in umfassenderer Weise teilhaftig sein, wenn sie einen verherrlichten Leib wie Jesus Christus bekommen (Phil 3,20.21; 1Joh 3,1-3). dem Verderben entfl ohen. Das Wort »Verderben« vermittelt den Gedanken an etwas Verwesendes oder Verfaulendes. »Entfl ohen« beschreibt eine erfolgreiche Flucht aus einer Gefahr. Bei der Errettung entfl ieht der Gläubige der Macht, die die Vergänglichkeit der Welt aufgrund seiner sündigen Natur über ihn hat.
1,5 ebendeshalb. Wegen all der Segnungen Gottes, die in V. 3.4 vorgestellt wurden, kann der Gläubige nicht gleichgültig oder selbstzufrieden bleiben. Eine solche Fülle göttlicher Gnade ruft zu einer völligen Hingabe auf. allen Eifer. D.h. sich die größtmögliche Mühe zu geben. Zur Ehre Gottes lebt man nicht völlig mühelos. Auch wenn Gott den Gläubigen seine göttliche Kraft gegeben hat, muss der Christ, neben dem, was Gott getan hat, selber jede erdenkliche Mühe und Disziplin auf sich nehmen (vgl. Phil 2,12.13; Kol 1,28.29). reicht in eurem Glauben dar. »Reicht dar« heißt freigiebig und großzügig zu geben. In der gr. Kultur bezeichnete das Wort einen Chorleiter, der dafür zuständig war, seinen Chor mit allem Notwendigen zu versorgen. Das Wort bedeutete nie, etwas sparsam auszustatten, sondern freigiebig für eine vorzügliche Durchführung zu geben. Gott hat uns Glauben und alle Gnaden gegeben, die zur Gottseligkeit nötig sind (V. 3.4). Zu diesen Gaben Gottes tragen wir noch zusätzlich bei, wenn wir uns fl eißig der persönlichen Heiligung widmen. die Tugend. Der erste Punkt in Petrus’ Liste moralischer Vorzüglichkeiten ist ein Wort, das im klassischen Gr. die von Gott gegebene Fähigkeit bezeichnete, heldenhafte Taten zu vollbringen. Außerdem bezeichnete es die Art von Lebensqualität, aufgrund der jemand als vorzüglich herausragt. Es bedeutete niemals eine klösterliche Tugendhaftigkeit oder eine innere tugendhafte Einstellung, sondern eine Tugend, die sich im Leben erweist. Petrus schreibt hier von moralischer Energie, von der Kraft, die vorzügliche Taten vollbringt. Erkenntnis. Das bedeutet Auffassungsfähigkeit, richtige Einsicht und korrekt verstandene und angewendete Wahrheit. Diese Tugend umfasst ein fl eißiges Studieren und Suchen der Wahrheit im Wort Gottes.
1,6 Selbstbeherrschung. Wörtl. »sich selbst im Griff haben«. Zur Zeit von Petrus beschrieb dieser Ausdruck Sportler, die in Mäßigung und Disziplin leben mussten. Deshalb soll ein Christ sein Fleisch, seine Leidenschaften und körperlichen Triebe beherrschen, anstatt sich davon beherrschen zu lassen (vgl. 1Kor 9,27; Gal 5,23). Wenn die Tugendhaftigkeit von Erkenntnis geleitet wird, diszipliniert sie die Triebe und macht diese zum Diener – und nicht zum Herren – des Lebens. Standhaftes Ausharren. Das ist Geduld oder Ausdauer beim Praktizieren des Guten, ohne jemals einer Versuchung oder Anfechtung nachzugeben. Standhaftigkeit ist diese geistliche Durchhaltekraft, die eher stirbt, als aufgibt. Diese Tugend kann Nöte nicht nur mit Resignation ertragen, sondern mit einer pulsierenden Hoffnung. Gottesfurcht. S. Anm. zu V. 3.
1,7 Bruderliebe. D.h. brüderliche Zuneigung und gegenseitige Auf- opferung füreinander (vgl. 1Joh 4,20). Liebe. S. 1Kor 13; 1Pt 4,8.
1,8 nicht träge. Träge zu sein bedeutet, inaktiv, nicht leidensfähig und unnütz zu sein (vgl. Tit 1,12; Jak 2,20-22). Wenn die hier aufgeführten Tugenden im Leben zunehmen (V. 5-7), wird der Christ nicht unnütz oder unbrauchbar sein. noch unfruchtbar. D.h. unproduktiv (vgl. Mt 13,22; Eph 5,11; 2Th 3,14; Jud 12). Wenn diese Qualitäten bei einem Christen nicht vorhanden sind (V. 5-7), wird man ihn nicht von einem Übeltäter unterscheiden und höchstens für einen oberfl ächlichen Gläubigen halten können. Doch wenn diese guten Eigenschaften im Leben eines Christen zunehmen, zeigt sich damit die »göttliche Natur« in diesem Gläubigen (s. Anm. zu V. 4). 1,9 diese Dinge. Die Qualitäten aus V. 5-7 (s. V. 10). blind und kurzsichtig. Ein bekennender Christ, dem die hier angeführten Tugenden fehlen, ist damit nicht imstande, seinen wahren geistlichen Zustand zu erkennen und kann somit keine Heilsgewissheit haben. vergessen. Wenn man nicht fl eißig nach geistlichen Tugenden strebt, zieht man sich geistlichen Gedächtnisschwund zu. Dann ist man unfähig, seinen geistlichen Zustand zu erkennen und hat keine Gewissheit über seinen Glauben. Vielleicht ist man gerettet und besitzt alle Segnungen aus V. 3.4, doch ohne die vorzüglichen Eigenschaften aus V. 5-7 wird man in Zweifel und Angst leben.
1,10 eure Berufung und Auserwählung fest zu machen. Auf genau diesen Punkt hat Petrus in V. 5-9 abgezielt. Bei Gott ist zwar sicher, wer seine Erwählten sind, und er hat ihnen ein ewig sicheres Heil gegeben (s. Anm. zu 1Pt 1,1-5; vgl. Röm 8,31-39), doch hat der Christ möglicherweise nicht immer Heilsgewissheit. Heilsgewissheit ist die vom Heiligen Geist geoffenbarte Tatsache, dass die Errettung für ewig ist. Sie ist die Gewissheit, dass man die ewige Errettung besitzt. Anders ausgedrückt: Der Gläubige, der die hier angeführten geistlichen Qualitäten erstrebt, vergewissert sich durch seine geistliche Frucht selbst, dass Gott ihn zum Heil berufen (vgl. V. 3; Röm 8,30; 1Pt 2,21) und erwählt hat (vgl. 1Pt 1,2). niemals zu Fall kommen. Wenn der Christ nach diesen von Petrus aufgezählten Qualitäten strebt (V. 5-7) und sieht, dass sein Leben nützlich und fruchtbar ist (V. 8), wird er nicht in Zweifel, Verzweiflung, Angst oder Verunsicherung geraten, sondern sich der Gewissheit erfreuen, dass er gerettet ist.
1,11 Eingang in das ewige Reich … reichlich. Petrus beschreibt diesen künftigen Segen mit überschwänglichen Worten, um das Herz des müden Christen zu erfreuen. Ein reichlicher Eingang in den ewigen Himmel ist die Hoffnung und die Realität für einen Christen, der hier auf der Erde ein treues, fruchtbares Leben führt. Petrus will damit herausstellen, dass ein Christ, der die angeführten Tugenden erstrebt (V. 5-7), nicht nur die Gewissheit in der Gegenwart genießt, sondern auch einen reichhaltigen, überströmenden Lohn im künftigen Leben bekommen wird (vgl. 1Kor 4,5; Offb 22,12)
1,12 Darum. Wahrheit muss immer wieder wiederholt werden, weil die Gläubigen so schnell vergessen. Vgl. 2Th 2,5; Jud 5.
1,13 Zelt. Der Tod wird treffend als Ablegen des Zeltes beschrie- ben (vgl. 2Kor 5,1). Petrus war wahrscheinlich über 70, als er diesen Brief schrieb (wahrscheinlich in einem Gefängnis in Rom) und erwartete seinen baldigen Tod. Die Verfolgung unter Nero hatte begonnen, und kurz nach Abfassung dieses Briefes fi el Petrus ihr als Märtyrer zum Opfer. Die Überlieferung sagt, er sei mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden, weil er sich weigerte, in derselben Weise wie sein Herr gekreuzigt zu werden.
1,14 wie es mir unser Herr Jesus Christus eröffnet hat. Christus hatte fast 40 Jahre vorher prophezeit, dass Petrus den Märtyrertod sterben wird (s. Anm. zu Joh 21,18.19).
1,15 nach meinem Abschied. Petrus wollte sicherstellen, dass nach seinem Tod das Volk Gottes eine bleibende Erinnerung an die Wahrheit hat und schrieb deshalb diesen inspirierten Brief.
1,16 klug ersonnenen Legenden. Das Wort für »Legenden« be- zeichnete mythische Geschichten über Götter und Wunder (vgl. 1Tim 1,4; 4,7; 2Tim 4,5; Tit 1,14). Petrus wusste, dass falsche Führer und ihre Anhänger versuchen werden, diesen Brief in Misskredit zu bringen und dass man ihm wahrscheinlich schon jetzt vorwarf, Fabeln und Mythen zu erdichten, um eine Gefolgschaft zu sammeln und somit Reichtum, Macht und Ansehen zu erlangen, was die Motivation der falschen Lehrer ist. Deshalb wies er in den folgenden Versen nach, dass er als wirklich inspirierter Autor die Wahrheit Gottes schrieb. die Macht und Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus. Da dieser Ausdruck nur einen einzigen bestimmten Artikel enthält, bedeutet er »die machtvolle Wiederkunft« oder »die Wiederkunft in Macht«. Die falschen Lehrer, die Petrus angriffen, hatten versucht, die Lehre von der Wiederkunft Christi vom Sockel zu stoßen (s. 3,3.4). Darüber hatte Petrus bereits gesprochen und geschrieben (1Pt 1,3-7.13; 4,13). wissen ließen. Dieses Wort ist eigentlich ein feststehender Begriff für die Verkündigung einer neuen Offenbarung, die zuvor verborgen war, jetzt aber offenbart wurde. Augenzeugen seiner herrlichen Majestät. Das »wir« zu Beginn dieses Verses bezieht sich auf die Apostel. In gewissem Sinne waren alle Apostel Augenzeugen von Jesu Majestät, insbesondere in seinen Wundern, seinem Auferstehungsleib und seiner Himmelfahrt. Petrus spricht hier jedoch von einem konkreten Ereignis, das er im nächsten Vers beschreiben wird. Die königliche Pracht und Herrlichkeit Christi, die bei diesem Ereignis offenbart wurde, war eine Vorausschau auf seine Majestät, die bei seiner Wiederkunft offenbar werden wird (vgl. Mt 16,28; s. Anm. zu 17,1-8). Die Verklärung war ein kurzer Eindruck von der Herrlichkeit, die bei der endgültigen Offenbarung enthüllt werden wird, bei der Apokalypse (Enthüllung) Christi (Offb 1,1). Es ist wichtig zu beachten, dass Jesu irdisches Wirken in Form seines Heilens, Lehrens und Sammelns von Seelen in sein Reich auf den Charakter des irdischen Reiches vorausdeutete, das er bei seiner Wiederkunft aufrichten wird.
1,17 von der hocherhabenen Herrlichkeit. Eine Bezeichnung für die Herrlichkeitswolke auf dem Berg der Verklärung, aus der heraus Gott zu den Jüngern sprach (Mt 17,5). Dies ist mein geliebter Sohn. Das bedeutet: »Dieser ist eines Wesens mit mir«. Somit bekräftigt der Vater die Gottheit Christi (vgl. Mt 17,5; Lk 9,27-36).
1,18 als wir mit ihm … waren. Petrus sagte damit sehr deutlich, dass es keinen Grund gibt, den falschen Lehrern zu glauben, die die Majestät und Wiederkunft Christi leugneten, da sie nicht auf dem Berg der Verklärung waren und nicht die Vorausschau auf das Reich und die Herrlichkeit Christi gesehen haben, wie Petrus, Jakobus und Johannes sie erlebten.
1,19 prophetischen Wort. Das »prophetische Wort« bezeichnet nicht nur die prophetischen Bücher des AT, sondern das gesamte AT. Natürlich wurde das ganze AT von »Propheten« im wahrsten Sinn des Wortes geschrieben, da sie das Wort Gottes redeten und aufschrieben und damit die Aufgabe eines Propheten erfüllten und in gewissem Sinne auf den kommenden Messias hinwiesen (vgl. Lk 24,27). halten wir nun fest. Das bedeutet nicht, dass das Augenzeugenerlebnis der Verklärung Christi die Schriften bestätigte. Vielmehr hat die gr. Konstruktion die entscheidende Bedeutung: »Und wir haben das prophetische Wort noch sicherer«. So wie dieser Satz im Original angeordnet ist, unterstützt er die Auslegung, dass Petrus damit die Bibel über die Erfahrung stellt. Das prophetische Wort (die Bibel) ist vollständiger, dauerhafter und autoritativer als jede Erfahrung irgendeines Menschen. Genauer gesagt, ist das Wort Gottes sogar eine zuverlässigere Bestätigung der Lehren über die Person, das Erlösungswerk und die Wiederkunft Christi, als die originale Erfahrung aus erster Hand der Apostel selbst. tut gut daran, darauf zu achten. Petrus ermahnt die Gläubigen, dass sie sorgfältig auf die Bibel achten müssen, denn sie werden es mit Irrlehrern zu tun bekommen. ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint. Die düstere Finsternis dieser gefallenen Welt hält die Menschen davon ab, die Wahrheit zu sehen, bis das Licht sie erleuchtet. Das Licht ist die Lampe der Offenbarung, das Wort Gottes (vgl. Ps 119,105; Joh 17,17). bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht. Diese beiden bildhaften, gleichzeitigen Ereignisse symbolisieren die parousia, d.h. das Erscheinen Jesu Christi (vgl. Lk 1,78; Offb 2,28; 22,16). in euren Herzen. Die Wiederkunft Christi wirkt sich nicht nur äußerlich auf das Universum aus (3,7-13), sondern hat auch eine Umgestaltungskraft, die sich innerlich in den Gläubigen auswirkt, die dann auf der Erde leben. Sie wird alle ihre bis dahin verbliebenen Zweifel ausräumen. Die vollkommene, aber begrenzte Offenbarung der Schrift wird bei der Wiederkunft ersetzt werden durch die vollkommene und vollständige Offenbarung Jesu Christi (vgl. Joh 14,711; 21,25;). Dann wird die Schrift erfüllt sein und die Gläubigen, die dann sind wie Christus (1Joh 3,1.2), werden vollkommene Erkenntnis haben und alle Prophetie wird abgeschafft werden (s. Anm. zu 1Kor 13,8-12).
1,20 vor allem das erkennen. Ein Aufruf, Gottes Wahrheit als vorrangig anzuerkennen, weil sie nicht menschlichen Ursprungs ist. Weissagung der Schrift. D.h. die ganze Bibel. Dieser Ausdruck bezieht sich in erster Linie auf das AT, darüber hinaus umfasst er aber auch das NT (s. Anm. zu 3,15.16). eigenmächtiger Deutung. Das gr. Wort für »Deutung« vermittelt den Gedanken an »Lösen«. Das bedeutet: kein Teil der Bibel ist das Ergebnis eigenen »Freisetzens« oder »Loslösens« von Wahrheit durch einen Menschen. Petrus geht es hier nicht um die Interpretation der Bibel, sondern vielmehr um den Ursprung der Schrift, aus welcher Quelle sie stammt. Es waren die falschen Propheten, die eigene Ideen entfalteten und von sich gaben. Doch kein Teil von Gottes Offenbarung wurde aus einer menschlichen Quelle offenbart oder verkündet oder von den Propheten aus eigenem Denken und ohne Hilfe von außen erdacht (s. V. 21).
1,21 durch menschlichen Willen. So wie die Bibel nicht mensch- lichen Ursprungs ist, so ist sie auch nicht das Ergebnis des menschlichen Willens. Der Hauptgedanke in diesem Ausdruck ist, dass kein Teil der Bibel jemals deshalb zustande kam, weil es Menschen so wollten. Die Bibel ist nicht das Produkt menschlicher Anstrengung. Die Propheten schrieben tatsächlich bisweilen etwas auf, was sie selbst nicht völlig verstehen konnten (1Pt 1,10.11), doch schrieben sie nichtsdestoweniger treu das auf, was Gott ihnen geoffenbart hatte. vom Heiligen Geist getrieben. Grammatisch gesehen bedeutet das: sie wurden kontinuierlich vom Geist Gottes getragen oder geführt (vgl. Lk 1,70; Apg 27,15.17). Deshalb ist der Heilige Geist der göttliche Autor und Urheber, der Herausgeber der Bibel. Allein im AT bezeichnen die menschlichen Schreiber sie über 3.800-mal als Wort Gottes (z.B. Jer 1,4; vgl. 3,2; Röm 3,2; 1Kor 2,10). Obgleich die menschlichen Autoren der Bibel eher aktiv als passiv am Aufschreiben der Bibeltexte beteiligt waren, überwachte sie Gott, der Heilige Geist, sodass sie ihre individuellen Persönlichkeitsmerkmale, Gedankenabläufe und ihren Wortschatz verwenden konnten und trotzdem irrtumsfrei genau die Worte zusammenstellten und aufschrieben, die Gott geschrieben haben wollte. Deshalb sind die originalen Urschriften der Bibelbücher (die Autographa) inspiriert, d.h. von Gott gehaucht (vgl. 2Tim 3,16) und irrtumslos, d.h. ohne Fehler (Joh 10,34.35; 17,17; Tit 1,2). Petrus defi niert den Prozess der Inspiration, der einen solchen irrtumslosen Originaltext hervorbrachte (vgl. Spr 30,5; 1Kor 14,36; 1Th 2,13).
2,1 falsche Propheten. In diesem Kapitel beschreibt Petrus detail- liert die falschen Lehrer, damit die Christen diese stets an ihren Merkmalen und Methoden erkennen können. Die größte Sünde derer, die Christus verwerfen, und das verdammungswürdigste Werk Satans ist die falsche Darstellung der Wahrheit und die daraus resultierende Verführung. Nichts ist bösartiger als zu behaupten, für Gott zu sprechen und dadurch Seelen erretten zu wollen, wenn man in Wirklichkeit für Satan spricht und Seelen zur Verdammnis führt (vgl. 5Mo 13,2-19; 18,20; Jer 23; Hes 13; Mt 7,15; 23,1-36; 24,4.5; Röm 16,17; 2Kor 11,13.14; Gal 3,1.2; 2Tim 4,3.4). unter dem Volk. »Das Volk« steht im NT für Israel (vgl. Apg 26,17.23). Petrus zeigt damit, dass Satan stets versucht hat, die Gemeinschaft der Gläubigen mit der Verführungskunst falscher Lehrer zu infi ltrieren (vgl. Joh 8,44). Seit seiner Begegnung mit Eva war er ständig im Geschäft der Verführung tätig (s. Anm. zu 2Kor 11,3.4). heimlich verderbliche Sekten einführen. Die falschen Lehrer stellen sich als christliche Hirten, Lehrer und Evangelisten vor (vgl. Jud 4). »Sekten« sind selbstentworfene religiöse Lügengebäude, die zu Spaltung und Parteiung führen (vgl. 1Kor 11,19; Gal 5,20). Das gr. Wort für »verderblich« bedeutet eigentlich Verdammnis. Es wird in diesem Brief sechsmal verwendet und spricht stets von endgültiger Verdammung (V. 1-3; 3,7.16). Deshalb ist es so tragisch, wenn eine Gemeinde im Namen der Liebe und Einheit unbiblische Lehren und Vorstellungen duldet und diese Toleranz zur Tugend erhebt (s. 2Th 3,14; 1Tim 4,1-5; Tit 3,9-11). den Herrn … verleugnen. Dieser Ausdruck offenbart, wie furchtbar das Verbrechen und die Schuld dieser falschen Lehrer ist. Dies unübliche Wort für »Herr« kommt im NT zehnmal vor und bezeichnet jemanden mit höchster (menschlicher oder göttlicher) Autorität. Petrus warnt hier davor, dass falsche Propheten die souveräne Herrschaft Jesu Christi leugnen. Zwar können ihre Irrlehren noch umfassender sein und auch Lehren ablehnen wie die jungfräuliche Geburt, die Gottheit, die leibhaftige Auferstehung und die Wiederkunft Christi, doch der grundlegende Irrtum dieser falschen Lehrer besteht darin, dass sie ihr Leben nicht der Herrschaft Christi unterwerfen. Alle falschen Religionen haben eine irrige Christologie. der sie erkauft hat. Die Begriffe, die Petrus hier verwendet, beruhen mehr auf Analogie als auf Theologie und sprechen von einem menschlichen Herrn, der einem Haushalt vorsteht. Dieser Herr hat Sklaven gekauft und die Sklaven schulden dem Herrn als ihrem Oberhaupt Treue (eine atl. Parallele fi ndet sich in 5Mo 32,5.6, wo es heißt, dass Gott Israel erkauft hat, obwohl das Volk ihn verwarf). Lehrmäßig gesehen beschreibt diese Analogie die Verantwortung, sich Gott zu unterwerfen, was die falschen Lehrer verweigerten. Darüber hinaus behaupteten sie wahrscheinlich, sie seien Christen, was ja bedeutete, dass der Herr sie tatsächlich und persönlich erkauft habe. Petrus verspottet eine solche Behauptung mit einem gewissen Sarkasmus, indem er ihre künftige Verdammung beschreibt. Der Abschnitt stellt also heraus, welch verdorbenen Charakter die falschen Lehrer haben, die sich auf Christus berufen, aber seine Herrschaft über ihr Leben verleugnen. schnelles Verderben. Das bezeichnet entweder den körperlichen Tod oder das Gericht bei der Wiederkunft Christi (Spr 29,1; 2Th 1,7-10).
2,2 viele werden ihren verderblichen Wegen nachfolgen. Viele Menschen werden sich als Christen bekennen, aber die Herrschaft Christi über ihr Leben verleugnen und sich weigern, als gehorsame Knechte Christi und seines Wortes zu leben. Stattdessen werden sie den Lüsten des Fleisches, der Welt und des Teufels nachgehen. Solche Namenschristen werden beim Gericht tragischerweise vom Herrn als Heuchler verdammt werden (Mt 7,21-23; vgl. Jud 4,7). Die Herrschaft Christi zu verleugnen, während man behauptet, ein Gläubiger zu sein, infi ziert andere mit diesem verderblichen Übel und bringt das Evangelium in Verruf. wird der Weg der Wahrheit verlästert. Die Welt verhöhnt und verspottet das Evangelium Jesu Christi wegen dieser Namenschristen, die nicht dem Herrn folgen, auf den sie sich berufen, und die hier als Heuchler entlarvt werden.
2,3 aus Habsucht. D.h. aus unbeherrschtem Habenwollen. Petrus hatte festgestellt, dass die falschen Lehrer nicht von Wahrheitsliebe motiviert waren, sondern von Geldliebe (s. V. 14). Mit ihren Lügen beuteten sie die Menschen aus. das Gericht über sie ist längst vorbereitet. Oder »… bleibt nicht aus«. Das Prinzip, dass Gott falsche Lehrer verdammen wird, wurde in der ewigen Vergangenheit beschlossen, im AT oftmals wiederholt und »bleibt nicht aus« in dem Sinne, dass es nicht hinfällig oder unwirksam geworden ist. Es ist immer noch gültig und wird eintreffen (s. Jud 4). ihr Verderben schlummert nicht. Petrus personifi ziert das Verderben wie einen Henker, der völlig wach, aufmerksam und handlungsbereit ist. Weil Gott in seinem Wesen ein Gott der Wahrheit ist, wird er alle Lügner und Verführer richten (vgl. Spr 6,19; 19,5.9; Jes 9,14; 28,15.22; Jer 9,2.4; 14,14; 23,25.26; Offb 21,8.27).
2,4 wenn. Eine bessere Übersetzung ist »weil«, denn es besteht keinerlei Zweifel an der Geschichte des Gerichts, die Petrus im Folgenden nacherzählt. Die Verse 4-10 sind ein einziger langer Satz, wobei die Schlussfolgerung auf die Konstruktion mit »wenn« (bzw. »weil«) in V. 9 beginnt. Damit niemand meint, Gott sei zu liebevoll und barmherzig, als dass er die bösen Irrlehrer und ihre verführten Anhänger richten würde, führt Petrus drei aussagekräftige Beispiele für bereits vollzogene Gerichte Gottes über böse Menschen an. Diese Illustrationen sind die Präzedenzfälle für das künftige Endgericht, das über Lügner und Verführer verhängt ist. Obwohl Gott kein Gefallen am Tod des Bösen hat (Hes 33,11), muss er Böses richten, weil seine Heiligkeit das erfordert (2Th 1,7-9). die Engel … die gesündigt hatten. Judas 6 bezeichnet sie als »die Engel, die ihren Herrschaftsbereich nicht bewahrten«, d.h. sie nahmen Wohnung in Menschen, die sexueller Ausschweifung mit Frauen nachgingen. Offenbar bezieht sich das auf die gefallenen Engel von 1Mo 6 (»Söhne Gottes«) vor der Sintfl ut (V. 5; 1Mo 6,1-3), als sie ihren normalen Zustand verließen und Frauen nachhurten, (V. 6;). S. Anm. zu 1Mo 6,1.2; Jud 6. in den Abgrund warf. Petrus entlehnt ein Wort für die Hölle (der »Abgrund«), das der gr. Mythologie entstammt: tartarus. Die Griechen lehrten, der tartarus sei ein Ort niedriger als der Hades und den allerübelsten Menschen, Göttern und Dämonen vorbehalten. Die Juden beschrieben später mit diesem Wort den Platz, an den die gefallenen Engel verbannt wurden. Für die Juden bedeutete das die unterste Hölle, den tiefsten Abgrund, den schrecklichsten Ort der Qual und des ewigen Leidens. Jesus ging im Geist an diesen Ort, als sein Leib im Grab war, und verkündete während der Zeit zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung den Triumph über die Dämonen (s. Anm. zu Kol 2,14; 1Pt 3,18.19). Fesseln der Finsternis. Die Dämonen fürchteten sich, dorthin zu gelangen, und baten Jesus, sie nicht dorthin zu schicken (vgl. Mt 8,29; Lk 8,31). Nicht alle Dämonen sind gebunden. Viele durchstreifen die Himmel und die Erde (vgl. Offb 12,7-9). Manche sind zeitweilig gebunden (s. Anm. zu Offb 9,1-12). Die Dämonen, um die es hier geht, waren wegen ihrer Sünde aus 1Mo 6 dauerhaft in der Finsternis gebunden. zum Gericht aufzubewahren. Diese dauerhaft gebundenen Dämonen sind wie Strafgefangene, die im Kerker auf ihre endgültige Verurteilung warten. Der Tartarus ist in dem Sinne nur vorübergehend, da am Tag des Gerichts die dort festgehaltenen bösen Engel letztendlich in den Feuersee geworfen werden (Offb 20,10).
2,5 die alte Welt nicht verschonte. Das zweite Beispiel, das als Präzedenzfall für Gottes künftiges Gericht über die falschen Lehrer dient, ist das Gericht über die alte Welt durch die weltweite Sintfl ut (vgl. 1Mo 6-8). Die Menschheit wurde bei diesem Gericht auf acht Seelen reduziert (vgl. 1Pt 3,20). den Verkündiger der Gerechtigkeit. S. 1Mo 6,9; 7,1. Noahs Leben verkündete Gerechtigkeit, während er die Menschen aufrief, Buße zu tun und dem Gericht der Sintfl ut zu entgehen.
2,6 Sodom und Gomorra. Der dritte Präzedenzfall für ein künfti- ges göttliches Gericht über die Gottlosen ist die völlige Vernichtung von Sodom und Gomorra und der anderen, kleineren Städte in ihrer Umgebung (vgl. 1Mo 13; 18,16-33; 19,1-38; 5Mo 29,22). Dieses Gericht vernichtete durch Einäscherung jeden Menschen in diesem Gebiet. S. Anm. zu Jud 7. zum warnenden Beispiel. D.h. als Muster oder Präzedenzfall. Gott machte allen künftigen Generationen unmissverständlich klar, dass Sündhaftigkeit Gericht nach sich zieht.
2,7 den gerechten Lot herausrettete. Wie alle Erretteten war Lot gerecht aufgrund seines Glaubens an den wahren Gott. Die Gerechtigkeit wurde ihm aus Gnade durch Glauben zugerechnet, genau wie bei Abraham (1Mo 15,6; Röm 4,3.11.22.23). Lot war von geistlicher Schwäche geprägt (1Mo 19,6), wie z.B. von Unmoral (1Mo 19,8) und Trunkenheit (1Mo 19,33-35). Sein Herz hing an Sodom (1Mo 19,16), doch hasste er die Sünden dieser Kultur und versuchte eifrig, die Engel Gottes vor Schaden zu bewahren. Er gehorchte dem Herrn, als er nicht nach Sodom zurückschaute (1Mo 19). Bei beiden Beispielen für Gottes umfassendes Gericht über alle lebenden Menschen (einmal über die ganze Erde und einmal in der ganzen Ebene südlich des Toten Meeres) stellt Petrus heraus, dass Gott die Seinen rettete (V. 5; vgl. V. 9). Das gr. Wort für »geplagt« bedeutet, dass es Lot zutiefst betrübt und gequält hat, das unmoralische, frevelhafte Verhalten der Bewohner von Sodom und Gomorra mitzuerleben. Leider ist es heute üblich, dass Gläubige nicht mehr schockiert sind über die grassierende Sünde in ihrer Gesellschaft.
2,9 die Gottesfürchtigen aus der Versuchung zu erretten. Das gr. Wort für »Versuchung« kann so viel bedeuten wie »ein Angriff mit zerstörerischer Absicht« (vgl. Mk 8,11; Lk 4,12; 22,28; Apg 20,29; Offb 3,10) und beschreibt ein heftiges Gericht Gottes. Gottes Plan verläuft nach dem Muster, dass er die Gottesfürchtigen rettet, bevor sein Gericht über die Gottlosen ergeht. die Ungerechten … aufzubewahren. Die Bösen werden festgehalten wie Strafgefangene, die auf das Urteil warten, welches sie in ihr ewiges Gefängnis verbannen wird (vgl. V. 4). Das endgültige Gericht über die Gottlosen ist das so genannte »Gericht am großen weißen Thron« (Offb 20,11-15), bei dem alle Gottlosen aller Zeiten auferweckt, verurteilt und in den Feuersee geworfen werden.
2,10 dem Fleisch nachlaufen. Vgl. Jud 6. Die falschen Lehrer aus Petrus’ Zeit waren, wie die gottlosen Zeitgenossen Noahs und Lots, versklavt unter die verdorbenen Begierden des Fleisches. Herrschergewalt verachten. Das Wort »Herrschergewalt« stammt vom selben gr. Begriff wie das Wort »Herr« (V. 1). Die Irrlehrer identifi zierten sich äußerlich mit Christus, doch unterwarfen sie ihren Lebenswandel nicht ihm als Herrn. Dieser Vers betont die beiden Hauptmerkmale von falschen Lehrern: 1.) Begierden und 2.) Überheblichkeit. Verwegen und frech. »Verwegen« bedeutet trotzig, dreist und provokativ. »Frech« oder »eigenmächtig« bedeutet starrsinnig und zum eigenen Weg entschlossen. Mächte zu lästern. Vgl. Jud 8. Lästern heißt spotten oder verhöhnen. »Mächte« bezieht sich auf Engel, in diesem Fall wahrscheinlich auf gefallene Engel. Die gefallenen Engel existieren in der jenseitigen Welt auf einer Ebene, deren Würde und überragende Qualität die der Menschen übersteigt (Eph 6,12). Den Wesen, die jenseits der Zeit leben, gebührt eine gewisse Ehre. Folglich darf man nicht leichtfertig über Satan und seine Engel reden. Möglicherweise versuchten diese Lehrer sogar, ihre bösen Lüste dadurch zu entschuldigen, dass sie auf die Engel in 1Mo 6 verwiesen, die »ihren Herrschaftsbereich nicht bewahrten« (Jud 6). Dass die falschen Lehrer über gefallene Engel lästerten, zeigt, wie überheblich und jeder Autorität gegenüber abgeneigt sie waren
2,11 Engel, die an Stärke und Macht größer sind. Das bezieht sich auf die heiligen Engel, die mächtigen Täter des Willens Gottes. das Urteil gegen sie … vorbringen. Im Gegensatz zu den falschen Lehrern, die höhere Mächte provozieren, verehren die heiligen Engel ihren Herrn so sehr, dass sie keinerlei Autorität beleidigen. Sogar der Erzengel Michael erkannte die große Macht Satans an und weigerte sich, schlecht über ihn zu sprechen (s. Anm. zu Jud 8.9) und rief stattdessen den Herrn an, dies zu tun (s. Anm. zu Sach 3,2). Kein Gläubiger sollte so dummdreist sein und übernatürliche Mächte, insbesondere Satan, beleidigen oder befehligen zu wollen.
2,12 wie unvernünftige Tiere von Natur. Vgl. Jud 10. Die fal- schen Lehrer haben kein Gespür für die Macht und Gegenwart von Dämonen oder heiligen Engeln, sondern sind wie wilde Tiere: aufsässig, unverschämt und überheblich. Sie mischen sich in die jenseitige Welt ein und fl uchen gegen Personen und Dinge, die sie nicht verstehen. völlig zugrunde gerichtet. Da sie wie wilde Tiere »zum Fang und Verderben geboren« sind, werden die falschen Lehrer wie Bestien getötet werden. Falsche Lehrer können nicht über ihren eigenen Instinkt hinaus gelangen und werden daher an der Torheit ihrer Begierden zugrunde gehen.
2,13 den Lohn der Ungerechtigkeit. Unmoral und überhebliche Kühnheit werden sich letzten Endes nicht bezahlt machen, sondern nur rauben und vernichten. Schwelgerei bei Tage. Das Sündigen bei Tage ohne den Deckmantel der Dunkelheit war in der römischen Gesellschaft ein Zeichen für niedrigste Verkommenheit (vgl. 1Th 5,7). Doch diese falschen Lehrer sind derart von Begierde und Rebellion verzehrt, dass sie nicht bis zum Abend warten können. Sie sind von ihren ungezügelten Leidenschaften versklavt. Schmutz- und Schandfl ecken. Vgl. Jud 10. D.h. Dreck und Narben. Sie verkörpern das Gegenteil des Charakters Christi (1Pt 1,19). Die Gemeinde sollte sein wie ihr Herr (Eph 5,27). tun sie groß … wenn sie mit euch zusammen schmausen. Die falschen Lehrer gaben sich als Lehrer der Wahrheit aus, während sie mit den Gläubigen beim Liebesmahl der Gemeinde saßen. Selbst auf solchen Veranstaltungen, die der Gemeinschaft unter Christen dienen sollten, verhielten sie sich überheblich und unmoralisch. Wenngleich sie versuchten, ihre Verdorbenheit mit religiösen Gesprächen zu übertünchen, waren sie unfl ätige Störungen bei diesen Gemeindeversammlungen (vgl. 2Joh 9-11; Jud 12).
2,14 Augen voller Ehebruch. Die falschen Lehrer hatten die sitt- liche Beherrschung in solchem Maße verloren, dass sie keine Frau anschauen konnten, ohne sie als potentielle Ehebrecherin zu sehen (vgl. Mt 5,28). Sie waren unbeherrschbar von Begierden getrieben und kamen von ihren Sünden niemals zur Ruhe. locken die unbefestigten Seelen an sich. Dieses Bild stammt aus der Fischerei und kommt bereits in V. 8 vor. »Locken« heißt, mit einem Köder fangen. Falsche Lehrer können keine Gläubigen fangen, die gefestigt im Wort Gottes sind, aber die Schwachen, Ungefestigten und Neubekehrten sind leichte Beute für sie (s. 3,16; vgl. Eph 4,14; 1Joh 2,13). ein Herz, das geübt ist in Habsucht. Das Wort »geübt« bezeichnete oft das Training der Sportler. Die falschen Lehrer haben ihr Denken trainiert, vorbereitet und ausgerüstet, um sich auf nichts anderes zu konzentrieren als auf die verbotenen Dinge, nach denen ihre Leidenschaft giert. Sie sind Meister in der Kunst, die eigenen Lüste zu befriedigen. Kinder des Fluchs. Dieser Hebraismus beschreibt, dass der Fluch der Sünde in ihrem Leben dominiert und besagt somit, dass sie wegen ihrer himmelschreienden Boshaftigkeit zur Hölle verdammt sind. Vgl. Gal 3,10.13; Eph 2,1-3; 1Pt 1,14.
2,15 den richtigen Weg verlassen haben. Der »richtige Weg« ist ein atl. Bild für Gehorsam gegenüber Gott (vgl. Apg 13,10). Bileams. Vgl. Jud 11. Bileam dient als Beispiel solcher falschen Propheten. Er war ein kompromissbereiter atl. Prophet, der für jeden käufl ich war, der ihn bezahlte. Er zog Wohlstand und Popularität vor und verwarf dafür die Treue und den Gehorsam gegenüber Gott (4Mo 22-24). Mittels eines sprechenden Esels hielt Gott ihn davon ab, Israel zu verfl uchen (V. 16; vgl. 4Mo 22,21-35).
2,17 Brunnen ohne Wasser. In diesem Vers verwendet Petrus zwei poetische Stilfi guren (»Brunnen« und »Wolken«), die im Orient kostbare Raritäten sind. Ein Brunnen ohne Wasser wäre in einer heißen und trockenen Gegend eine große Enttäuschung. In gleicher Weise täuschen falsche Lehrer geistliches Wasser vor, um die durstige Seele zu laben, doch in Wirklichkeit haben sie nichts zu bieten. Wolken, vom Sturmwind getrieben. Wenn Wolken aufziehen, verheißt das Regen, doch manchmal bläst ein Sturm die Wolken fort, sodass das Land weiterhin heiß und trocken bleibt. Die falschen Lehrer erwecken womöglich den Anschein, geistliche Erfrischung zu bringen, was sich aber nur als leeres Geplapper ohne Gehalt erweist (vgl. Jud 12). das Dunkel der Finsternis. D.h. die Hölle (vgl. Mt 8,12; Jud 13.)
2,18 hochfahrenden, leeren Reden. Vgl. Jud 16. Das ist ein hochtrabender leerer Wortschwall. Die falschen Lehrer verführen die Schwachen mit schön klingenden Worten, die Gelehrsamkeit oder tiefe geistliche Einsicht vortäuschen und vielleicht sogar für direkte Offenbarungen von Gott gehalten werden können. Womöglich widersprechen sie den einfachen historischen Tatsachen und Lehren der Bibel, da die Irrlehrer diese oft nicht befriedigend erklären können, weil ihnen die entsprechende Übung und die geistliche Weisheit fehlt (vgl. 1Kor 2,14). In Wirklichkeit sagen sie nichts wirklich Gelehrtes, Geistliches oder Göttliches. locken sie durch ausschweifende fl eischliche Lüste. Trotz des ganzen leeren Geschwätzes verlocken die falschen Lehrer andere zu ihren Philosophien, indem sie auf eine niedrigere Ebene der Menschen abzielen. Sie gewinnen nicht Menschen durch die Wahrheit, sondern sie benutzen Verführungskünste. Ihre Art von Religion ist so konzipiert, dass die Menschen diese annehmen und gleichzeitig weiter ihren fl eischlichen Lüsten und Trieben nachgehen können. Möglicherweise meint Petrus damit auch, dass die falschen Lehrer insbesondere versuchen, Frauen durch sinnliche Methoden zu verführen. in Wirklichkeit hinweggefl ohen waren … in die Irre. Die bevorzugte Übersetzung ist: »kaum entfl ohen« oder »versuchen, zu entfl iehen«. Das ist keine Beschreibung von Erretteten, sondern von Menschen, die verwundbar sind, weil sie hochgradig Schuld und Sorgen aufgehäuft haben – Menschen mit zerbrochenen Ehen, Vereinsamte, die die Konsequenzen der Sünde leid sind und einen Neubeginn suchen und dabei auch Religion oder Hilfe von Gott in Erwägung ziehen. Für die falschen Lehrer sind das die passenden Kandidaten, die sie ausbeuten können.
2,19 verheißen sie ihnen Freiheit. Falsche Lehrer verheißen de- nen, die versuchen, den Kämpfen des Lebens »zu entfl iehen«, gerade die Freiheit, die sie suchen. Sklaven des Verderbens. Die falschen Lehrer können nicht die Freiheit geben, die sie versprechen, denn sie selber sind versklavt unter dasselbe Verderben, dem diese Leute entkommen wollen. überwunden … Sklave. Wer sich, um Freiheit zu erlangen, in die Hände eines Irrlehrers begibt, der selber gefangen ist, wird ebenfalls gefangen. Allen Anhängern von Irrlehrern steht die Gefangenschaft zum Verderben bevor.
2,20 den Befl eckungen der Welt entfl ohen. Das Wort »Befl e- ckungen« vermittelt den Gedanken an Fäulnis oder giftige Dämpfe. Sittlich gesehen verbreitet die Welt einen Dunst tödlichen Einfl usses. Petrus sagt, dass diese Irrlehrer und ihre Anhänger irgendwann einmal der moralischen Unreinheit des Weltsystems entfl iehen wollten und Religiosität, ja sogar Jesus Christus suchten (nicht nach seinen Bedingungen, sondern nach ihren eigenen; s. Anm. zu V. 1). Doch diese falschen Lehrer haben sich niemals wirklich zu Christus bekehrt. Sie hörten das wahre Evangelium und waren nahe dran, doch dann verwarfen sie den Christus dieses Evangeliums. Das ist Abfall, genau wie bei den Menschen, um die es in Hebr 10,26.27 geht. Ihr Ende ist weitaus schlimmer als ihr erster Zustand (zu Beispielen für Abfall s. Lk 11,24-26; 12,47.48; 1Kor 10,1-12; Hebr 3,12-18; 6,6; 10,26; 38ff; 1Joh 2,19; Jud 4-6).
2,21 umkehren, hinweg von dem … heiligen Gebot. Dieser Vers beschreibt die Verkommenheit und den Abfall der falschen Lehrer. Sie bekannten, das Christsein (den Weg der Gerechtigkeit; vgl. Mt 21,32) erfahren zu haben, und sie hatten sogar Zugang zu den wahren Lehren der Bibel. Doch mit ihrem Leben zeigten sie, dass sie sich letztendlich entschlossen hatten, Christus zu verwerfen (vgl. Hebr 10,26-31). Solche falschen Lehrer, die Petrus hier beschrieb, entstehen nicht außerhalb der Christenheit. Sie gehen stets aus der Gemeinde hervor, sind halb drinnen und halb draußen; doch schließlich verwerfen sie die Wahrheit und versuchen, bei ihrem Streben nach Selbsterfüllung auch andere mitzuziehen.
2,22 Hund … Sau. Zwei anschauliche Vergleiche für einen Abgefal- lenen. Der erste stammt aus Spr 26,11; der zweite wurde hier von Petrus eingeführt.
3,1 Geliebte. Petrus’ Einstellung gegenüber den Lesern seines Brie- fes zeigt, dass er sich wie ein Hirte um sie sorgte (vgl. 1Pt 5,1-4). der zweite Brief. D.h. der zweite nach dem 1. Petrusbrief (s. Einleitung). eure lautere Gesinnung. Dieses Lob zeigt, dass Petrus seine Leser für echte Christen hielt. »Lauter« bedeutet unverschmutzt, ungetrübt von den verführerischen Einfl üssen der Welt, des Fleisches und des Teufels. Wie sehr unterschieden sich die wahren Gläubigen doch von den verdorbenen, abgefallenen Irrlehrern (2,10-22)! Petrus versuchte seinen Lesern die Wahrheit einzuschärfen, die sie bereits kannten, damit sie mit ihrem geheiligten Denken und ihrer geistlichen Unterscheidungsfähigkeit imstande wären, die Irrlehrer zu entlarven und zurückzuweisen.
3,2 heiligen Propheten. Hier geht es um die Propheten des AT, die im Gegensatz zu den unheiligen falschen Lehrern heilig waren. Das Wort Gottes wurde von diesen Propheten aufgeschrieben (s. Anm. zu 1,19-21). Insbesondere warnten diese Propheten vor dem kommenden Gericht (z.B. Ps 50,1-4; Jes 13,10-13; 24,19-23; Mi 1,4; Mal 3,19.20) und sogar vor dem Kommen des Herrn (Sach 14,1-9). durch uns … aufgetragen. Petrus bezieht sich damit auf die Warnungen, die er und andere Apostel bezüglich des Gerichts geschrieben hatten (Jud 17). die Apostel. Die Apostel Christi (s. Anm. zu Röm 1,1; Eph 4,11) erwähnen in den 260 Kapiteln des NTs etwa 300-mal die Wiederkunft Christi. Die ntl. Offenbarung über Christi Sammlung der Seinen, die Warnungen vor den endzeitlichen Gerichten, die Informationen über die Aufrichtung seines Reiches und die Lehren über Gottes Einsetzung ewiger Gerechtigkeit liefern den unbestreitbaren Beweis für Christi Wiederkunft und für das Gericht über die Gottlosen. 3,3 vor allem das erkennen. »Vor allem« (wörtl. »zuerst«) bedeutet »das Wichtigste«, und nicht das Erste in der Reihenfolge. Petrus will in diesem Abschnitt des Briefes vor allem die Christen vor der Art und Weise warnen, wie die falschen Lehrer versuchen werden, dieses Gericht zu leugnen und den Gläubigen ihre Hoffnung zu rauben. Spötter kommen werden. Irrlehrer bestreiten die Wiederkunft Christi und überschütten jede Lehre der Schrift mit ihrem Spott (vgl. Jes 5,19; Jud 18). am Ende der Tage. Dieser Ausdruck bezieht sich auf den gesamten Zeitabschnitt vom ersten Kommen des Messias bis zu seiner Wiederkunft (vgl. Apg 2,17; Gal 4,4; 2Tim 3,1; Hebr 1,2; 1Pt 1,20; 1Joh 2,18.19; Jak 5,3; Jud 18). Dies ganze Zeitalter wird geprägt sein von Saboteuren, die gegen die christliche Wahrheit und insbesondere gegen die Hoffnung der Wiederkunft Christi kämpfen. nach ihren eigenen Lüsten wandeln. »Wandeln« spricht vom Verhalten und der Ausrichtung der Lebensweise. Petrus schreibt hier wieder über die Lebensweise der falschen Lehrer, die von sexuellen Begierden charakterisiert war (vgl. 2,2.10.13.14.18), und besiegelt seine Warnung damit endgültig. Solche Irrlehrer, die weder Gott noch die Wahrheit kennen, haben nichts, womit sie ihre Begierden zügeln könnten. Insbesondere verhöhnen sie die Wiederkunft Christi, weil sie ihren unreinen sexuellen Vergnügungen nachgehen wollen, ohne die Konsequenzen zu tragen und ohne die Rache Gottes zu erleiden. Sie wollen eine Eschatologie lehren, die zu ihrer Lebensweise passt (vgl. 1Joh 2,28.29; 3,2.3).
3,4 Wo ist die Verheißung seiner Wiederkunft? In ihrer An- fangszeit glaubte die Gemeinde, dass Jesu Wiederkunft unmittelbar bevorstünde (vgl. 1Kor 15,51; 1Th 1,10; 2,19; 4,15-18; 5,1.2). Diese Spötter argumentierten emotional gegen die Naherwartung, anstatt einen biblischen Beleg vorzubringen. Ihr Argument zielte darauf ab, die Naherwartung lächerlich zu machen und die Gläubigen zu enttäuschen. die Väter. Das sind die Patriarchen des AT: Abraham, Isaak und Jakob (vgl. Röm 9,5; Hebr 1,1). bleibt alles so, wie es von Anfang. Dieses Argument gegen die Wiederkunft Christi basiert auf dem so genannten Uniformitarismus. Diese Theorie besagt, dass alle natürlichen Vorgänge seit Anbeginn der Erde in unveränderter Weise ablaufen. Die Irrlehrer gingen außerdem davon aus, dass Gott nicht in das Geschehen auf der Erde eingreife. Im Endeffekt lehrten sie: »Es wird kein umfassendes, katastrophales Gericht am Ende der Weltgeschichte geben, denn so etwas gibt es im Universum nicht. Ein derartiges Gericht ist noch nie vorgekommen, und weshalb sollten wir ein solches in der Zukunft erwarten? Vielmehr funktioniert das Universum in allem völlig stabil, geschlossen, feststehend und wird gelenkt von den unveränderlichen Regeln und Prinzipien der Evolution. In der Vergangenheit ist keine weltweite Katastrophe geschehen, und daher wird es auch in der Zukunft so etwas niemals geben. Gott wird nicht eingreifen oder die Erde heimsuchen und es wird keinerlei übernatürliches Gericht über die Menschheit stattfi nden.«
3,5 übersehen sie aber absichtlich. In ihrem Bestreben, die Lehre vom Gericht Gottes zu umgehen, ignorieren die Irrlehrer vorsätzlich die beiden bisherigen überaus deutlich die ganze Welt bzw. die gesamte Erde umfassenden Ereignisse: die Schöpfung und die Sintfl ut. vorzeiten Himmel gab … durch das Wort Gottes. Bei der Schöpfung griff Gott in das Nichts ein und rief das Universum ins Dasein, und zwar nicht durch Uniformitarismus, sondern durch eine spontane, explosionsartige, direkte Schöpfung innerhalb von 6 Tagen. Nichts in der Schöpfung hat einen konstanten, uniformen Evolutionsprozess durchlaufen. In 6 Tagen á 24 Stunden wurde das gesamte Universum geschaffen, und zwar in voller Ausprägung und Vollständigkeit (s. Anm. zu 1Mo 1; 2). eine Erde aus dem Wasser … inmitten der Wasser. Die bewohnbare Erde wurde zwischen zwei Wassermassen gebildet. Im ersten Teil der Schöpfungswoche sammelte Gott die oberen Wasser in einem Firmament, das die ganze Erde umspannte, und die unteren Wasser in unterirdischen Reservoirs und in Flüssen, Seen und Ozeanen. S. Anm. zu 1Mo 1,2-9.
3,6 durch diese. Da Gott die oberen und unteren Wasservorräte mit- schuf, integrierte er somit das Instrument zur Vernichtung der Menschheit in die Schöpfung. die damalige Erde. Das bezieht sich auf die vorsintfl utliche Weltordnung. Zu dieser Welt gehörten geophysikalische Strukturen wie das Firmament am Himmel, die unterirdischen Wasserreservoirs und die Himmel in der Mitte dazwischen. Die vorsintfl utliche Welt war geschützt vor den zerstörerischen UV-Strahlen der Sonne und es herrschte dort ein mildes Klima ohne Regen, Sturm und Wind. Daher lebten die Menschen in dieser Zeit wesentlich länger als heute (1Mo 5) und die Erde brachte wie ein Gewächshaus eine üppige Vegetation hervor. infolge einer Wasserfl ut zugrunde ging. Das zweite erdumfassende, von Gott verhängte Ereignis, das die Hypothese des Uniformitarismus widerlegt, ist die weltweite Sintfl ut, bei der die ganze Erde in den Fluten versank und somit die ursprüngliche Weltordnung aus den Fugen geriet. Aus 1Mo 7,11ff. geht hervor, dass das Wasser der Sintfl ut einen zweifachen Ursprung hatte: erstens brachen die unterirdischen Wasservorräte auf und es strömten Gas, Staub, Wasser und Luft hervor; anschließend kollabierte das Firmament-System, das von all diesen emporsteigenden Auswürfen erreicht wurde. Das oberhalb des Firmaments befi ndliche Wasser erhielt dadurch die nötigen Kondensationskerne, um jetzt abzuregnen, so dass es sich vollständig auf die Erde ergoss. Die Sintfl ut war ein derart katastrophisches Ereignis, dass alle Erdenbewohner dabei untergingen, mit Ausnahme von acht Menschen und einigen Vertretern jeder Tierart (s. Anm. zu 1Mo 7,11-24). Diese beiden weltumspannenden Ereignisse machen eindeutig klar, dass die Welt sich nicht in einem uniformitarischen Prozess befi ndet.
3,7 Die jetzigen. Seit der Sintfl ut lebt die Menschheit in der zwei- ten Weltordnung. Einer der offensichtlichen Unterschiede zwischen den beiden Weltordnungen ist, dass die Menschen nicht mehr 900 Jahre alt werden, wie es vor der Sintfl ut üblich war, sondern nur noch etwa 70. Und Petrus stellt heraus, dass es eine dritte Form der Himmel und der Erde geben wird, die noch zukünftig ist und die nach einer weiteren kataklysmischen Umwälzung in Erscheinung treten wird. werden durch dasselbe Wort aufgespart. Das gegenwärtige Weltsystem ist für das künftige Gericht aufbewahrt, das genauso durch das Wort Gottes geschehen wird, wie die Schöpfung und die Sintfl ut. Gott wird auch dies Gericht ins Dasein rufen, durch das dann die gegenwärtige Weltordnung zerstört wird. für das Feuer bewahrt. Gott setzte den Regenbogen an den Himmel, um zu symbolisieren, dass er die Welt nie wieder durch Wasser vernichten wird (1Mo 9,13). In der Zukunft wird Gott die Himmel und die Erde durch Feuer zerstören (vgl. Jes 66,15; Dan 7,9.10; Mi 1,4; Mal 3,19; Mt 3,11.12; 2Th 1,7.8). Im jetzigen Universum sind die Himmel voller Sterne, Kometen und Asteroiden. Das Innere der Erde ist ebenfalls gefüllt mit einem brennenden, kochenden, zähfl üssigen Feuersee, dessen Temperatur fast 7.000° C beträgt. Die Menschheit ist vom brennenden Erdkern nur durch eine gut 15 km dicke Kruste getrennt. Noch weitaus bedeutender ist, dass die ganze Schöpfung aufgrund ihrer atomaren Struktur eine potentielle Zeitbombe ist. So wie der Mensch aus Atomen zerstörerische Bomben herstellen kann, die eine Spur des Todes hinterlassen, so kann auch Gott das gesamte Universum durch eine Explosion atomarer Energie aufl ösen (s. Anm. zu V. 10-12). bis zum Tag des Gerichts … der gottlosen Menschen. Die Erde erwartet den Tag des Gerichts und des Untergangs der Gottlosen. Die Gottesfürchtigen werden nicht auf der Erde sein, wenn Gott das Feuergericht herabruft (vgl. 1Th 1,10; 5,9).
3,8 ein Tag … ist wie tausend Jahre. Gott hat ein völlig anderes Zeitverständnis als der Mensch. Aus menschlicher Perspektive scheint Christi Wiederkunft sich lange hinauszuzögern (vgl. Ps 90,4). Doch von Gott her gesehen, wird sie nicht mehr lange auf sich warten lassen. Über diesen allgemeinen Hinweis hinaus kann das ein konkreter Hinweis darauf sein, dass tatsächlich ein Zeitraum von 1.000 Jahren vergehen wird, zwischen der ersten Phase des »Tages des Herrn« am Ende der Trübsalszeit (Offb 6,17) und der letzten Phase am Ende des Tausendjährigen Reiches, wenn der Herr den neuen Himmel und die neue Erde erschafft (s. Anm. zu V. 10.13; Offb 20,1 – 21,1).
3,9 zögert nicht. D.h. er kommt nicht zu spät, sondern wird pünkt- lich handeln (vgl. Gal 4,4; Tit 1,6; Hebr 6,18; 10,23.37; Offb 19,11). er ist langmütig gegen uns. »Uns« bezieht sich hier auf das errettete Volk Gottes. Gott wartet, bis sie errettet sind. Gott hat eine enorme Geduld, bevor er Gericht übt (vgl. V. 15; Joe 2,13; Lk 15,20; Röm 9,22; 1Pt 3,15). Gott erduldet endlose Lästerungen gegen seinen Namen sowie Rebellion, Mord und das fortwährende Brechen seines Gesetzes, während er geduldig wartet und sein Volk beruft und erlöst. Das Endgericht wird nicht hinausgezögert, weil Gott es etwa nicht ausführen könnte oder nachlässig wäre, sondern aufgrund seiner Geduld. nicht will, dass jemand verloren gehe. »Jemand« muss sich auf die von Gott Erwählten beziehen, die er berufen wird, um die Schar der Erlösten vollzählig zu machen, d.h. es bezieht sich auf das »uns«. Da es im gesamten Abschnitt um Gottes Gericht über die Bösen geht, dient seine Geduld nicht dazu, sie alle zu retten, sondern dazu, die Seinen anzunehmen. Es kann nicht sein, dass er wartet, bis alle errettet sind, da die Betonung hier darauf liegt, dass er die Welt und die Gottlosen vernichten wird. Die Menschen, die ins Verderben und in die Hölle kommen, gelangen dorthin, weil sie verdorben sind und nichts anderes verdient haben als die Hölle, und weil sie zu diesem Schicksal bestimmt sind. Der Weg zur Verdammnis ist der Weg eines unbußfertigen Herzens; der Weg eines Menschen, der die Person und das Werk Jesu Christi verwirft und an der Sünde festhält (vgl. Jes 55,1; Jer 13,17; Hes 18,32; Mt 11,28; 13,37; Lk 13,3; Joh 3,16; 8,21.24; 1Tim 2,3.4; Offb 22,17). jedermann Raum zur Buße habe. »Jedermann« (vgl. »uns« und »jemand« in diesem Vers) muss sich auf alle beziehen, die zum Volk Gottes gehören und die zu Christus kommen werden, um dieses Volk Gottes vollzählig zu machen. Die Wiederkunft Christi und das damit einhergehende Gericht lassen nicht auf sich warten, weil Gott in der Erfüllung seiner Verheißungen säumig wäre oder weil er noch mehr Gottlose richten wollte oder weil er angesichts der Gottlosigkeit machtlos wäre, sondern weil er geduldig ist und seinem Volk Zeit geben möchte, zur Buße zu kommen.
3,10 der Tag des Herrn. S. Einleitung zu Joel: Historische und lehrmäßige Themen; s. Anm. zu 1Th 5,2. »Der Tag des Herrn« ist ein feststehender Begriff und bezeichnet das Eingreifen Gottes in die Menschheitsgeschichte in besonderer Weise zum Gericht. Letztendlich bezeichnet er die künftige Zeit des Gerichts, wenn Gott die Bösen auf der Erde richten wird und diesem Weltsystem in seiner jetzigen Form ein Ende macht. Die Propheten des ATs sahen den künftigen Tag des Herrn als beispiellose Finsternis und Verdammnis und als einen Tag, an dem das Handeln des Herrn einen Höhepunkt erreicht und er dadurch seinen Namen rechtfertigt, seine Feinde vernichtet, seine Herrlichkeit offenbart, sein Reich aufrichtet und die Welt zerstört (vgl. Jes 2,10-21; 13,6-22; Hes 13,30; Joel 1,2; Am 5; Ob 15; Sach 14; Mal 4; 2Th 1,7; 2,2). Dieser Tag fi ndet statt, wenn auf der Erde die Trübsalszeit ist (Offb 6,17), sowie 1.000 Jahre später am Ende des Tausendjährigen Reiches, bevor die neuen Himmel und die neue Erde geschaffen werden (V. 13; Offb 20,1 – 21,1). wie ein Dieb in der Nacht. Der Tag des Herrn wird überraschend, plötzlich und unerwartet eintreten und den Unvorberei
1,1 Als apostolischer Augenzeuge des Wirkens Jesu, einschließlich seines Todes und seiner Auferstehung, und als einer der drei vertrautesten Weggefährten des Herrn (Johannes, Petrus, Jakobus), bestätigt Johannes die physische Realität Jesu Christi »im Fleisch« (vgl. 4,2.3). Auf diese Weise betonte Johannes den Ernst der falschen Lehre, indem er die Aufmerksamkeit unmittelbar auf eine stark positive Bestätigung der historischen Realität des Menschseins Jesu und der Gewissheit des Evangeliums lenkt. Obwohl die falschen Lehrer behaupteten, an Christus zu glauben, bewies ihre Verleugnung des wahren Wesens Christi (d.h. seine Menschheit), dass sie nicht wirklich errettet waren (2,22,23). Die Bestätigung einer richtigen Sichtweise von Christus bildet die erste Prüfung echter Gemeinschaft (V. 3; s. 1,5-2,2 hinsichtlich der 2. Prüfung). 1,1 Was. Dies bezieht sich auf die Verkündigung des Evangeliums, welche Jesus’ Person, Worte und Werke zum Mittelpunkt hat, wie es das apostolische Zeugnis enthält. von Anfang. Obgleich das JohannesEvangelium in Bezug auf die vergangene Ewigkeit einen ähnlichen Ausdruck gebraucht (Joh 1,1, »im Anfang«), bezieht sich der Ausdruck hier im Kontext von V. 1-4 auf die Anfänge der Evangeliumsverkündung, als die Leser zum ersten Mal von Jesus hörten (vgl. 2,7,24). Zudem betont der Ausdruck die Beständigkeit der Evangeliumsbotschaft; ihr Inhalt verändert sich nicht, sondern ist seit Anfang an der gleiche geblieben; er ist nicht den Veränderungen gegenwärtiger weltlicher Trends oder philosophischer Denkweisen unterworfen. wir gehört haben … gesehen haben … angeschaut … unsere Hände betastet haben. Die hier verwendeten Worte weisen auf die lebendige Erinnerung an die Person Jesu hin, die Johannes selbst im hohen Alter immer noch besaß. Für Johannes waren diese Erinnerungen auch nach 60 Jahren noch in seinem Gedächtnis eingegraben, so als wären sie gerade erst geschehen. Er verwendet Begriffe, die die physische Realität Jesu zutiefst versichern, denn ein Geist kann nicht gehört oder über einen längeren Zeitraum gesehen (»angeschaut«) oder berührt (»betastet«) werden, so wie Johannes es während des irdischen Dienstes Jesu und auch nach seiner Auferstehung tat. Wort des Lebens. Das bezieht sich nicht nur auf Jesus Christus, sondern auch auf die Verkündigung seines Evangeliums.
1,2 erschienen … gesehen … bezeugen … gehört … ver- kündigen. Mittels Wiederholung dieser Begriffe in V. 2 und 3 betont Johannes (vgl. V. 1) die Vollmacht seiner persönlichen Erfahrung als Augenzeuge des Lebens Jesu. Eine solche Wiederholung erinnert seine Leser, dass Johannes’ persönliches Zeugnis die falschen Lehrer widerlegt, die sich in arroganter Weise und zu Unrecht des Christus rühmten, den sie niemals gesehen noch gekannt haben. 1,2 das ewige Leben … das bei dem Vater war und uns er- schienen ist. Mit dieser Aussage betont Johannes die ewige Existenz Christi in der Herrlichkeit vor seiner Menschwerdung (vgl. 5,12; Joh 1,4; 5,26,40; 11,25; 14,6).
1,3 Gemeinschaft mit uns. Gemeinschaft bedeutet nicht soziale Beziehungen, sondern das seine Leser zusammen mit Johannes Teilhaber (oder Partner) des ewigen Lebens waren (vgl. Phil 1,5; 1Pt 5,1; 2Pt 1,4). Johannes schreibt nicht nur, um die physische Realität Jesu zu bestätigen (V. 1,2) sondern auch um die Leser zur Errettung zu führen. Dass echte Gläubige niemals »außerhalb der Gemeinschaft« sind, ist klar, da dieser Vers zur Gemeinschaft Errettung voraussetzt.
1,4 damit eure Freude vollkommen sei. Ein Hauptziel dieses Brie- fes ist es, Freude in den Lesern zu hervorzurufen. Die Verkündigung des Evangeliums (V. 1,2) führt zur Gemeinschaft des ewigen Lebens (V. 3) und die Gemeinschaft des ewigen Lebens erzeugt ihrerseits Freude (V. 4).
1,5 Um den falschen Lehrern zu entgegnen, die die Existenz oder Bedeutung der Sünde leugneten, bestätigt Johannes ihre Realität. Diese Bestätigung stellt die zweite Prüfung echter Gemeinschaft dar (vgl. V. 1-4 hinsichtlich der 1. Prüfung und 2,3-6 hinsichtlich der 3.). Jene, die die Realität der Sünde leugnen, beweisen dadurch, dass sie nicht errettet sind. Das »wir« in V. 6.8.10 bezieht sich nicht speziell auf wahre Christen, sondern ganz allgemein auf jeden, der Gemeinschaft beansprucht, Sünde jedoch leugnet. Hingegen nimmt das »wir« in V. 7.9 und das Wort »unsere« in 2,1.2 Bezug auf wahre Christen. 1,5 wir haben von ihm gehört. Die Botschaft, die Johannes und die anderen Apostel predigten, kam von Gott, nicht vom Menschen (vgl. Gal 1,12). Gott ist Licht. Licht und Finsternis sind in der Schrift sehr vertraute Symbole. In intellektueller Hinsicht spricht »Licht« von biblischer Wahrheit, wohingegen sich »Finsternis« auf Irrtum oder Unwahrheit bezieht (vgl. Ps 119,105; Spr 6,23; Joh 1,4; 8,12). In moralischer Hinsicht nimmt »Licht« Bezug auf Heiligkeit oder Reinheit, während »Finsternis« für Sünde oder Vergehungen steht (Röm 13,11-14; 1Th 5,4-7). Die Irrlehrer beanspruchten, die wirklich Erleuchteten zu sein, die im wahren Licht lebten, doch Johannes bestritt dies, da sie ihre Sünde nicht anerkannten. Bezüglich dieser elementaren Realität befanden sie sich im Dunkeln. gar keine Finsternis. Mit dieser Aussage bestätigt Johannes eindringlich, dass Gott absolut vollkommen ist und das Wesen Gottes nichts enthält, was seine Wahrheit und Heiligkeit beschränkt (vgl. Jak 1,17).
1,6 Ihre Ansprüche, erleuchtet zu sein und Gemeinschaft mit Chris- tus zu haben, wurden durch ihr Leben in der Finsternis widerlegt, was folglich bewies, dass die falschen Lehrer nicht errettet waren. Das Wort »lügen« in V. 6b bezieht sich auf den Anspruch der Gemeinschaft in V. 6a. tun nicht. Dies weist darauf hin, nicht in der Wahrheit zu leben. 1,7 Ein echter Christ lebt ständig im Licht (Wahrheit und Heiligkeit), nicht in der Finsternis (Unwahrheit und Sünde). S. Anm. zu 3,9. Sein Leben beinhaltet auch die Reinigung von Sünden, da der Herr den Seinen beständig vergibt. Da ein solches Leben im Licht unter dem Einfl uss des Wesens Gottes steht, werden Christen dauerhaft durch seine Heiligkeit gekennzeichnet (3Joh 11), was ihre wirkliche Gemeinschaft mit ihm erkennen lässt (Jak 1,27). Ein wahrer Gläubiger lebt nicht in der Finsternis, sondern ausschließlich im Licht (2Kor 6,14; Eph 5,8; Kol 1,12,13), womit die Reinigung von Sünde beständig einhergeht (vgl. V. 9). 1,8 Die falschen Lehrer lebten nicht nur in der Finsternis (d.h. in der Sünde; V. 6), sondern gingen sogar soweit zu sagen, dass sie überhaupt keine sündige Natur besitzen würden. Wenn jemand nicht zugibt, ein Sünder zu sein, kann er auch nicht errettet werden (s. Mt 19,16-22 hinsichtlich des Berichts eines jungen Mannes, der es ablehnte, seine Sünde anzuerkennen). Die falschen Lehrer beanspruchten irrigerweise, Gemeinschaft zu haben, und ignorierten Sünde (V. 6); darüber hinaus irrten sie sich bezüglich der Sündlosigkeit (Pred 7,20; Röm 3,23).
1,9 Beständiges Bekennen von Sünde ist ein Zeichen echter Erret- tung. Während falsche Lehrer ihre Sünde nicht eingestehen würden, gibt ein wahrer Christ sie zu und bricht mit ihr (Ps 32,3-5; Spr 28,13). Der Begriff »bekennen« bedeutet, das gleiche über die Sünde zu sagen wie Gott, seine Sichtweise über die Sünde zu teilen. Während V. 7 die Sicht Gottes wiedergibt, ist V. 9 aus der Perspektive des Christen geschrieben. Das Bekennen von Sünde kennzeichnet echte Christen, die Gott beständig reinigt (vgl. V. 7). Statt dem Bekennen jeder einzelnen Sünde meint Johannes hier vor allem das wiederholte Erkennen und Anerkennen, dass man ein Sünder ist, der Reinigung und Vergebung benötigt (Eph 4,32; Kol 2,13).
1,10 machen wir ihn zum Lügner . Da Gott gesagt hat, dass alle Menschen Sünder sind (vgl. Ps 14,3; 51,7; Jes 53,6; Jer 17,5,6; Röm 3,10-19,23; 6,23), bedeutet die Leugnung dieser Tatsache, Gott zu verleumden und seinen Namen zu diffamieren.
2,1 damit ihr nicht sündigt. Obwohl ein Christ seine Sünden ständig anerkennen und bekennen muss (1,9), steht er ihnen nicht ohnmächtig gegenüber. Das Bekennen der Sünden beinhaltet keine Genehmigung zu ihrer Ausübung. Sünde kann und sollte durch die Kraft des Heiligen Geistes besiegt werden (s. Röm 6,12-14; 8,12,13; 1Kor 15,34; Tit 2,11,12; 1Pt 1,13-16). Fürsprecher. Joh 16,7 übersetzt dieses Wort mit »Tröster« (wörtl. »herbeigerufen«). Eine heutige Vorstellung dieses Begriffes wäre vielleicht ein »Verteidiger«. Obschon der Teufel die Gläubigen Tag und Nacht wegen ihrer Sünden vor dem Vater verklagt (Offb 12,10), garantiert Christus’ hohenpriesterlicher Dienst nicht nur sein Mitleiden, sondern auch ihren Freispruch (Hebr 4,14-16).
2,2 Sühnopfer. Vgl. 4,10. Das Wort bedeutet »Beschwichtigung« oder »Zufriedenstellung«. Das Opfer Jesu am Kreuz stellte die Forderungen der Heiligkeit Gottes nach Bestrafung der Sünde zufrieden (vgl. Röm 1,18; 2Kor 5,21; Eph 2,3). Jesus besänftigte Gott oder stellte ihn zufrieden. S. Anm. zu Hebr 2,17; 9,15 hinsichtlich einer deutlichen Illustration der Sühnung. für die der ganzen Welt. Dies ist ein Oberbegriff, der sich nicht auf jede einzelne Sünde bezieht, sondern auf die Menschheit im Allgemeinen. Christus bezahlte die Strafe nur für diejenigen, die Buße tun und glauben würden. Eine Reihe von Schriftstellen deutet an, dass Christus für die Welt starb (Joh 1,29; 3,16; 6,51; 1Tim 2,6; Hebr 2,9). Die Mehrzahl der Menschen wird ewig verloren gehen und für ihre Sünden in der Hölle bezahlen, so dass Christus nicht für sie bezahlt haben kann. Die Bibelstellen, die vom Sterben Christi für die ganze Welt sprechen, müssen in der Weise verstanden werden, dass sie sich auf die Menschheit im Allgemeinen beziehen (wie in Tit 2,11). »Welt« weist auf den Bereich, auf die Wesen hin, mit denen Gott Versöhnung sucht und für die er Sühnung bereitet hat. Gott hält seinen Zorn auf Sünder vorübergehend zurück, indem er sie leben und sie ihr irdisches Dasein genießen lässt (s. Anm. zu 1Tim 4,10). In diesem Sinn hat Christus eine kurze, begrenzte Sühnung für die ganze Welt bereitgestellt. Aber für die glaubenden Auserwählten hat er den Zorn Gottes vollständig und für immer besänftigt. Christi Tod hat in sich selbst unbegrenzten, endlosen Wert, weil er der heilige Gott ist. Folglich war sein Opfer ausreichend, um die Strafe für alle Sünden derer zu bezahlen, die Gott zum Glauben führt, denn die tatsächliche Begleichung und Sühnung geschah nur für die Glaubenden (vgl. Joh 10,11,15; 17,9,20; Apg 20,28; Röm 8,32,37; Eph 5,25). Die Begnadigung ist der ganzen Welt angeboten, aber nur die Glaubenden empfangen sie (vgl. 4,9,14; Joh 5,24). Es gibt keinen anderen Weg, mit Gott versöhnt zu werden.
2,3 Der Gehorsam gegenüber Gottes Geboten stellt die dritte Prüfung echter Gemeinschaft dar. Zunächst präsentiert Johannes zwei äußere Prüfungen als Beweis der Errettung: eine lehrmäßige und eine moralische. Die lehrmäßige Prüfung besteht aus der richtigen Sicht über Christus und über Sünde (s. 1,1-4 und 1,5-2,2), während die moralische Prüfung Gehorsam und Liebe zum Inhalt hat (s.a. V. 7-11). Während die subjektive Zusicherung der Errettung durch das innere Zeugnis des Heiligen Geistes erfolgt (5,10; Röm 8,14-16; 2Kor 1,12), stellt die Prüfung des Gehorsams einen objektiven Hinweis auf Errettung dar. Gehorsam ist der äußere, sichtbare Beweis der Errettung (s. Anm. zu Jak 2,14-26; 2Pt 2,5-11). Das Scheitern der falschen Lehrer, Gottes Geboten zu gehorchen, bewies objektiv, dass sie nicht errettet waren (Lk 6,46). Jene, die wirklich im Licht sind und Gott kennen, gehorchen seinem Wort. 2,3 erkannt … halten. Die Wiederholung dieser Worte betont, dass Gehorsam eine Gewohnheit wirklich wiedergeborener Menschen ist. Gehorsam führt zu Heilsgewissheit (vgl. Eph 2,2; 1Pt 1,14). Dass Johannes diese beiden Worte vorzugsweise verwendet, wird deutlich, indem er in diesem Brief die Worte »kennen«, »erkennen« oder »wissen« etwa 40-mal und das Wort »halten« ca. 10-mal gebraucht.
2,6 bleibt. Dieses Wort ist eines von Johannes’ Lieblingsausdrücken für Errettung (s. Anm. zu Joh 15,4-10). wie jener gewandelt ist. Jesus’ gehorsames Leben ist das Vorbild für den Christen. Jene, die behaupten Christen zu sein, müssen wie er leben (vgl. Joh 6,38), da sie seinen Geist und seine Kraft besitzen.
2,7 Die Liebe zu den Mitgläubigen stellt die vierte Prüfung echter Gemeinschaft dar. Der Schwerpunkt der moralischen Prüfung liegt auf dem Gehorsam gegenüber dem Liebesgebot, da die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist (Mt 22,34-40; Röm 13,8-10; Jak 2,8) und zudem Christus’ neues Gebot darstellt (Joh 13,34; 15,12,17). Wahrhaft im Licht zu sein, bedeutet zu lieben. Gottes Licht ist das Licht der Liebe, im Licht zu leben, heißt zu lieben. 2,7 neues. Das Wort »neues« hat hier keinen zeitlichen Bezug, son- dern meint eine neue, frische Qualität, Art oder Form – ein Ersatz für etwas Altes, das sich abgenutzt hat. neues Gebot … altes Gebot. Johannes führt ein bedeutsames Wortspiel an. Obgleich er das Gebot hier nicht nennt, tut er es in 2Joh 5.6; es ist das Gebot, zu lieben. Beide Begriffe beziehen sich auf das gleiche Liebesgebot. Das Liebesgebot war »neu«, da Jesus Liebe in einer neuen, frischen Weise personifi zierte und es in die Herzen der Gläubigen gesenkt wurde (Röm 5,5) und seine Wirksamkeit durch den Heiligen Geist erhält (Gal 5,22; 1Th 4,9). Er brachte der Gemeinde einen höheren Standard für Liebe und gebot seinen Jüngern, seine Liebe nachzuahmen (»wie ich euch geliebt habe«; vgl. 3,16; Joh 13,34). Das Gebot war zudem »alt«, weil auch das AT Liebe gebot (3Mo 19,18; 5Mo 6,5) und Johannes’ Leser vom Liebesgebot Jesu gehört hatten, als sie das Evangelium verkündigt bekamen. von Anfang an. Dieser Ausdruck bezieht sich nicht auf den Anfang der Zeit, sondern auf den Beginn ihres christlichen Lebens, wie folgende Verse andeuten (V. 24; 3,11; 2Joh 6). Dies gehörte zu den moralischen Belehrungen, die sie seit dem Tag ihrer Errettung erhielten; es war keine Neuerung, die Johannes erfunden hatte, wie die Irrlehrer womöglich behauptet hatten.
2,9 hasst. Die Sprache des Originals vermittelt den Gedanken von jemandem, der ständig hasst oder den ein hasserfüllter Lebensstil prägt. noch immer in der Finsternis. Jene, die bekennen, Christen zu sein, aber dennoch vom Hass gekennzeichnet sind, beweisen dadurch, dass sie niemals wiedergeboren wurden. Die falschen Lehrer behaupteten, erleuchtet und errettet zu sein und eine alles übersteigende Erkenntnis von Gott zu besitzen, aber ihr Leben und besonders ihre mangelnde Liebe erwies all ihre Ansprüche als falsch (s.a. V. 11).
2,12 Aus der Sicht Gottes gibt es nur zwei Familien: Kinder Got- tes und Kinder des Teufels (s. Joh 8,39-44). Johannes erinnert seine Leser in diesen Versen, dass ihnen als Christen vergeben wurde und sie Gott als ihren himmlischen Vater kennen gelernt haben. Daraus ergibt sich, dass sie zur Familie Gottes gehören. Sie müssen die Familie des Teufels nicht lieben oder der Welt treu sein, die von ihm kontrolliert wird (s. V. 15). Das Wort »Kinder« in V. 12 ist gültig für alle Abkömmlinge gleich welchen Alters, im Gegensatz zu dem in V. 13 verwendeten gr. Wort, welches sich auf junge Kinder bezieht (s. Anm. zu V. 13,14). ich schreibe … ich habe euch geschrieben. Johannes wiederholt die Botschaft in diesen Versen, um die Sicherheit ihrer Zugehörigkeit zur Familie Gottes hervorzuheben. »Ich schreibe« bezeichnet Johannes’ Sichtweise, wohingegen »ich habe geschrieben« die Perspektive des Lesers beim Empfang des Briefes wiedergibt.
2,13 Väter … jungen Männer … Kinder. Diese sehr deutlichen Unterscheidungen kennzeichnen drei Phasen geistlichen Wachstums in der Familie Gottes. »Väter«, die reifsten, besitzen eine tiefe Erkenntnis des ewigen Gottes. Der Höhepunkt geistlicher Reife ist, Gott in seiner ganzen Fülle zu kennen (vgl. Phil 3,10). »Junge Männer« sind jene, die die gesunde Lehre kennen, obwohl ihren Erfahrungen mit Gott in seinem Wort und in ihrem Leben noch die Reife fehlt. Gegen Sünde und Irrtum sind sie stark, da sie sein Wort in sich haben. Auf diese Weise überwinden sie die Listen des Teufels, der die Kinder in die Irre führt (vgl. Eph 4,14). Da Satan um Unwahrheit und Täuschung bemüht ist, haben sie ihn überwunden. »Kinder« sind jene, die gerade einmal die grundlegende Kenntnis von Gott besitzen und wachsen müssen. Alle gehören zur Familie Gottes und offenbaren das Wesen Christi auf unterschiedlichen Ebenen.
2,15 Habt nicht lieb die Welt. Obwohl Johannes die Wichtigkeit der Liebe oftmals wiederholt und ebenso, dass Gott Liebe ist (4,7.8), zeigt er auch, dass Gott eine bestimmte Art von Liebe hasst: die Liebe zur Welt (Joh 15,18-20). In diesem Abschnitt nennt Johannes eine bestimmte Form der vierten Prüfung (d.h. der Prüfung der Liebe). Positiv ausgedrückt: der Christ liebt Gott und seine Mitchristen. Negativ ausgedrückt: ein Mangel an Liebe zur Welt muss ein ständiges Kennzeichen derer sein, die wahrhaft wiedergeboren sind. »Liebe« meint an dieser Stelle Zuneigung und Ergebenheit. Gott, und nicht die Welt, muss den ersten Platz im Leben eines Christen einnehmen (Mt 10,37-39; Phil 3,20) Welt. Hiermit ist nicht die physische, materielle Welt gemeint, sondern das unsichtbare geistliche System des Bösen, das von Satan beherrscht wird (s. Anm. zu 2Kor 10,3-5), sowie all das, was es im Widerstand zu Gott, seinem Wort und seinem Volk hervorbringt (vgl. 5,19; Joh 12,31; 1Kor 1,21; 2Kor 4,4; Jak 4,4; 2Pt 1,4). so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm. Entweder ist ein Mensch ein wirklicher Christ, der von Liebe und Gehorsam gegenüber Gott geprägt ist oder er ist kein Christ und rebelliert gegen Gott, d.h. er liebt das von Satan kontrollierte Weltsystem und ist ein Sklave dessen (Eph 2,1-3; Kol 1,13; Jak 4,4). Jemand mit dem Anspruch, wiedergeboren zu sein, hat keine Alternative zu diesen beiden Standpunkten. Die falschen Lehrer besaßen diese einzigartige Liebe nicht, stattdessen waren sie der weltlichen Philosophie und Weisheit ergeben, wodurch sie ihre Liebe zur Welt und ihren unerretteten Zustand offenbarten (vgl. Mt 6,24; Lk 16,13; 1Tim 6,20; 2Pt 2,12-22).
2,16 alles, was in der Welt ist. Vgl. Jak 4,4. Obwohl die Philoso- phien und Ideologien der Welt und vieles anderes, was sie zu bieten hat, attraktiv und reizvoll erscheinen mögen, sind sie dennoch Täuschungen. Ihr wahrer und durchdringender Charakter ist böse, schädlich und satanisch. Ihre tödlichen Theorien trotzen der Erkenntnis Gottes und halten die Seelen der Menschen gefangen (2Kor 10,3-5). Fleischeslust. Johannes verwendet den Begriff, um ein starkes Verlangen nach bösen Dingen auszudrücken. Er bezieht sich auf die sündige Natur des Menschen; das rebellische Ich, das von der Sünde beherrscht wird und in Opposition zu Gott steht (Röm 7,15-25; 8,2-8; Gal 5,19-21). Der Teufel benutzt das böse Weltsystem, um das Fleisch aufzuwiegeln. Augenlust. Um verkehrte Wünsche hervorzurufen, gebraucht Satan die Augen als strategisches Einfallstor (Jos 7,20,21; 2Sam 11,2; Mt 5,27-29). Als der Teufel Eva versuchte, tat er dies, indem er ihr etwas Schönes vor Augen führte, doch die Folge war der geistliche Tod (1Mo 3,6 »eine Lust für die Augen«). der Hochmut des Lebens. Dieser Ausdruck beinhaltet den Gedanken einer arroganten Haltung hinsichtlich der Umstände eines anderen, was Hochmut erzeugt – die Angabe mit dem eigenen Besitz, um auf andere Eindruck zu machen (Jak 4,16). ist nicht von dem Vater. Die Welt ist der Feind des Christen, da sie sich im Widerstand zu Gott befi ndet und vom Teufel kontrolliert wird (5,19; Eph 2,2; 2Kor 4,4; 10,35). Gestattet man der Sünde auf die beschriebene Weise Einlass, so führt dies ins Unglück. Der Christ muss die Welt nicht nur ablehnen, weil sie ist, was sie ist, sondern auch aufgrund ihrer Werke.
2,17 die Welt vergeht. Der Christ darf das satanische Weltsystem auch aufgrund ihres vergänglichen Charakters nicht lieben. Sie befi ndet sich in einem beständigen Aufl ösungsprozess, der in die Zerstörung mündet (Röm 8,18-22). wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit. Im Gegensatz zu der vergänglichen Welt bleibt Gottes Wille ewig und unveränderbar bestehen. Diejenigen, die seinem Willen gehorsam sind, bleiben in Ewigkeit seine Kinder. Während Gott ihnen ewiges Leben gibt, ist das gegenwärtige Zeitalter dem Untergang geweiht (vgl. 1Kor 7,3; 2Kor 4,18).
2,18 der Antichrist. Es ist das erste Mal, dass der Begriff »Anti- christ« benutzt wird, welchen wir nur in den Johannesbriefen fi nden (4,3; 2Joh 7). Er wird hier als richtiger Name verwendet und bezieht sich auf den zukünftigen letzten Weltherrscher, der vom Teufel mit der Absicht gesteuert wird, den wahren Christus zu ersetzen und sich ihm entgegen zu stellen (Dan 8,9-11; 11,31-38; 12,11; Mt 24,15; 2Th 2,1-12; s. Anm. zu Offb 13,1-5; 19,20; 20,10). viele Antichristen sind aufgetreten. Während der Ausdruck beim ersten Mal eine ganz bestimmte Person meint, die in der Schrift vorhergesagt wird, nimmt dieser im Plural stehende Begriff Bezug auf viele Personen. Johannes verwendet den Plural zur Bestimmung und Charakterisierung der falschen Lehrer, die den von Johannes umsorgten Gemeinden Schwierigkeiten bereiteten, da ihre falsche Lehre die Wahrheit verdrehte und Christus entgegen stand (Mt 24,24; Mk 13,22; Apg 20,28-30). Deshalb bezieht sich der Begriff auf ein böses Prinzip, das durch die Menschen verkörpert wird, die Gott feindlich gesinnt sind (vgl. 2Kor 10,4,5). Johannes schreibt mit der Absicht, die falschen Lehrer zu entlarven, die Wölfe im Schafspelz, die tödliche Lügen verbreiten (vgl. Eph 5,11). die letzte Stunde. Der Ausdruck bezieht sich auf die »späteren Zeiten« oder »letzten Tage«, gemeint ist die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Kommen Christi (1Tim 4,1; Jak 5,3; 1Pt 4,7; 2Pt 3,3; Jud 18).
2,19 Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Das erste erwähnte Kennzeichen der Antichristen – d.h. der falschen Lehrer und Betrüger (V. 22-26) – ist, dass sie die Gläubigen verlassen (s. V. 22,23 hinsichtlich des 2. Kennzeichens und V. 26 hinsichtlich des 3.). Sie kommen aus den Kreisen der Gemeinde, verlassen echte Gemeinschaft und reißen andere mit sich. Der Vers legt zudem die Betonung auf die Lehre des Ausharrens der Heiligen. Diese wahrhaft Wiedergeborenen bleiben im Glauben, in der Gemeinschaft und Wahrheit (1Kor 11,19; 2Tim 2,12). Die letztendliche Prüfung echten Christseins ist das Ausharren (Mk 13,13; Hebr 3,14). Menschen, die nicht wiedergeboren sind, entlarven sich, indem sie die Wahrheit und die Gemeinde verlassen.
2,20 Echte Christen zeichnen sich im Gegensatz zu den An- tichristen durch zwei Merkmale aus. Erstens, der Heilige Geist (»die Salbung« V. 27) bewahrt sie vor Irrtum (vgl. Apg 10,38; 2Kor 1,21). Christus als der Heilige (Lk 4,34; Apg 3,14) gibt ihnen den Heiligen Geist als wegweisenden Hüter gegen Täuschung. Zweitens, der Heilige Geist leitet die Gläubigen in die »ganze Wahrheit« (Joh 14,26; 16,13). Echte Christen besitzen einen eingebauten Lügendetektor und bleiben in der Wahrheit. Jene, die in der Irrlehre und dem Abfall fortfahren, beweisen dadurch nur, dass sie niemals wiedergeboren wurden (vgl. V. 19).
2,22 der den Vater und den Sohn leugnet. Ein zweites Merkmal der Antichristen ist, dass sie den Glauben verleugnen (d.h. die gesunde Lehre). Jeder, der das wahre Wesen Christi leugnet, wie es die Schrift mitteilt, ist ein Antichrist (vgl. 4,2; 2Th 2,11). Das Leugnen Christi ist mit dem Leugnen Gottes, des Vaters, gleichzusetzen, der von seinem Sohn Zeugnis gab (5,9; Joh 5,32-38; 8,18).
2,24 von Anfang an gehört. Das unveränderliche Evangelium. Gläubige sollen in ihm bleiben und nicht falschen Lehrer folgen (vgl. 2Tim 3,1,7,13; 4,3). Die christliche Wahrheit ist fest und unabänderlich (Jud 3). Wenn wir der Wahrheit treu bleiben, werden wir vertraute Gemeinschaft mit Gott und Christus erfahren und durchhalten, bis das ewige Leben in seinem vollen Umfang sichtbar wird (vgl. 5,11,12).
2,26 Ein drittes Merkmal der Antichristen ist, dass sie versuchen, die Treuen zu verführen (vgl. auch 1Tim 4,1).
2,27 Salbung. S. Anm. zu V. 20,21. Johannes bestreitet nicht die Bedeutung begabter Lehrer in der Gemeinde (1Kor 12,28; Eph 4,11), sondern weist darauf hin, dass weder die Lehrer noch die Gläubigen von menschlicher Weisheit oder menschlichen Vorstellungen über Wahrheit abhängig sind. Gottes Heiliger Geist bewahrt und leitet wahre Gläubige in die Wahrheit (s. V. 20,21). Wenn Gott wahrhaftig ist (vgl. 2Chr 15,3; Jer 10,10; Joh 17,3; 1Th 1,9) und Christus die Wahrheit (vgl. Joh 14,6), so auch der Heilige Geist (vgl. 5,6; Joh 15,26; 16,17). in ihm bleiben. Als Entgegnung auf solche Betrüger ist es die Aufgabe wahrer Gläubiger »in der Wahrheit [zu] wandeln«, d.h. treu zu bleiben und an der gesunden Lehre fest zu halten (s. V. 20-21; 2Joh 4; 3Joh 4).
2,28 Dieser Abschnitt handelt von der »reinigenden Hoffnung« eines jeden Christen, gemeint ist die Rückkehr Christi. Johannes verwendet diese »reinigende Hoffnung«, um die moralische Prüfung (Liebe und Gehorsam) für einen echten Christen zu wiederholen und zu vertiefen. Die Hoffnung der Wiederkehr Christi hat einen heiligenden Effekt auf moralisches Verhalten. In der Erwartung der Rückkehr Christi und seines Lohnes (vgl. 1Kor 3,10-17; 4,1-5; 2Kor 5,9,10; Offb 22,12) lebt ein wahrer Christ ein heiliges Leben. Jene, die ein solches Verhalten nicht an den Tag legen, lassen ihre Errettung nicht erkennen. In diese fünf Verse hat Johannes fünf Merkmale der Hoffnung des Gläubigen hineingelegt. 2,28 bleibt in ihm. Johannes legt ein weiteres Mal die Betonung auf das Bleiben (V. 27), um es als das erste Kennzeichen der Hoffnung des Gläubigen in 2,27-3,3 vorzustellen. Immer wenn Johannes vom Bleiben spricht, meint er das Ausharren im errettenden Glauben, was ein Beweis für einen wahren Christen ist (Joh 15,1-6). Die Hoffnung der Rückkehr Christi hat zur Folge, dass jeder wirklich Gläubige beständig in ihm bleibt, da er sich nach der für ihn bereiteten herrlichen Zukunft sehnt. Paulus sprach davon, dass die Gläubigen, die »seine Erscheinung lieb gewonnen haben« (2Tim 4,8), im Himmel die Krone der Gerechtigkeit empfangen werden. Gemeint ist ein dauerhaftes Bleiben in Christus, welches die Hoffnung der Gläubigen nährt. Jene, die wirklich in ihm bleiben, halten am Glauben und an der Gemeinschaft der Heiligen fest (V. 19). Im Gegensatz zu V. 27 (»ihr werdet in ihm bleiben«) befi ehlt (Imperativ) er den Gläubigen jedoch, in ihm zu bleiben. Der Befehl signalisiert, dass das In-ihm-bleiben nichts Passives ist; beständiges, aktives In-ihm-bleiben muss von jedem wirklichen Christen angestrebt werden (Phil 2,12). Die Errettung hat ewig Bestand, da der Herr uns in seiner Hand hält (vgl. Joh 6,37-44) und wir im Glauben und Gehorsam bleiben (vgl. Joh 8,31,32). Gottes souveräne Errettung und der persönliche Glaube des Erretteten gehören zusammen. Oder in Bezug auf die Heiligung, Gott verwandelt uns in das Bild seines Sohnes unter Berücksichtigung unseres Gehorsams. Das NT ist reich an Aussagen über Gottes Werk und das Werk des Gläubigen. Paulus drückte dies in Kol 1,29 gut aus. wenn er erscheint. Das bezieht sich besonders auf die Entrückung der Gemeinde (vgl. Joh 14,1-6; 1Kor 15,51-54; 1Th 4,13-18) und das folgende Gericht vor dem Richterstuhl Christi (vgl. 1Kor 4,5; 2Kor 5,9,10). Freimütigkeit … uns nicht schämen müssen vor ihm. Das mit »Freimütigkeit« übersetzte Wort der gr. Originalsprache bedeutet auch »Freiheit zu reden«. Die Erretteten werden beim Kommen Christi Freudigkeit haben, weil sie durch das Bleiben in Christus »heilig und tadellos« gefunden werden (Eph 5,27; Kol 1,22; 1Th 3,13; 5,23). Im Gegensatz dazu wird es viele geben, die den Böden in Mt 13 gleichen und vorübergehend wie Christen aussahen (s. 13,20-22; vgl. Joh 8,31). Sie besaßen aber niemals den errettenden Glauben, konnten folglich auch nicht in ihm bleiben und werden bei seinem Erscheinen nichts als Schande empfangen.
2,29 jeder, der die Gerechtigkeit tut, ist aus ihm geboren. Dies ist das zweite Kennzeichen der Hoffnung der Gläubigen in 2,28
3,3 Die Hoffnung der Wiederkunft Christi hält nicht nur den Glauben aufrecht (V. 28), sondern lässt gerechtes Handeln zu einer Gewohnheit werden. Das gleiche gr. Wort, welches hier mit »geboren« wiedergegeben wurde, fi ndet sich ebenso in Joh 3,7, wo Jesus Nikodemus erzählte, dass er von neuem »geboren« werden muss. Menschen, die wahrhaftig als Kinder Gottes wiedergeboren wurden, besitzen die gerechte Natur ihres himmlischen Vaters (1Pt 1,3,13-16). Als Folge werden sie Merkmale der Gerechtigkeit Gottes in ihrem Leben zeigen. Johannes blickt von der Auswirkung (gerechtes Verhalten) zur Ursache hin (die Erfahrung einer echten Wiedergeburt), um zu bestätigen, dass ein gerechtes Leben der Beweis für die Wiedergeburt ist (Jak 2,20,26; 2Pt 3,11).
3,1 welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen. Dieser Ausruf des Staunens leitet das dritte Kennzeichen der Hoffnung der Gläubigen in 2,28-3,3 ein. Die christliche Hoffnung wird durch die Tatsache gestärkt, dass Gottes Liebe den Anstoß zu seiner Errettung gab (Eph 1,3-6). Christi Wiederkunft wird die Gläubigen mit ihrem himmlischen Vater vereinigen, der seine Kinder mit unermesslicher Liebe liebt. Johannes drückt zutiefstes Erstaunen über Gottes Liebe zu den Gläubigen aus, die sie zu seinen Kindern machte (Röm 8,17). Darum erkennt uns die Welt nicht. Die wirklichen Fremdlinge in dieser Welt sind nicht Außerirdische, sondern Christen. Nachdem sie wiedergeboren sind und ihnen eine neue Natur himmlischen Ursprungs gegeben wurde, haben Christen ein Wesen und einen Lebensstil wie ihr Erretter und ihr himmlischer Vater – eine Natur, die den Unerretteten vollkommen fremd ist – wie aus einer anderen Welt (1Kor 2,15,16; 1Pt 4,3,4). Dies verwundert nicht, da die Schrift Christen als »Wanderer« und »Fremdlinge« beschreibt (Hebr 11,13; 1Pt 1,1; 2,11). Der Herr Jesus hatte eine himmlische Herkunft, so wie auch die Wiedergeborenen. Die vollständige Umgestaltung unseres Lebens ist jetzt noch nicht offenbar (s. Anm. zu Röm 8,18-25).
3,2 wir sind jetzt Kinder Gottes. Jeder, der den errettenden Glau- ben ergreift, wird in dem Moment, in dem er glaubt, ein Kind Gottes (Joh 1,12; Röm 8,16; 2Pt 1,4), obwohl das wirklich himmlische, göttliche Leben in dieser Person (vgl. Eph 4,24; Kol 3,10) erst offenbar wird, wenn Jesus erscheint (s. Anm. zu Röm 8,19). In der Zwischenzeit formt uns der Heilige Geist in das Bild Christi (s. Anm. zu 2Kor 3,18). wir ihm gleichgestaltet sein werden. Diese Aussage stellt das vierte Kennzeichen der Hoffnung des Gläubigen in 2,28-3,3 vor. Wenn Christus zurückkehrt, wird er jeden Gläubigen vollständig in sein Bild verwandeln, d.h. in sein Wesen. Es besteht eine Spannung zwischen dem ersten Teil des Verses (»wir sind nun Kinder Gottes«) und dem zweiten Teil (»wir werden ihm ähnlich sein«). Diese Spannung wird aber durch die feste Hoffnung aufgelöst, dass die Gläubigen bei der Rückkehr Christi vollkommen in sein Bild verwandelt werden (s. Anm. zu Röm 8,29; 1Kor 15,42-49; Phil 3,21). Das herrliche Wesen dieser Umgestaltung trotzt jeder Beschreibung, aber insoweit verherrlichte Menschen der fl eischgewordenen Gottheit ähnlich sein können, werden sie es sein, ohne dabei zu Gott zu werden.
3,3 Die Hoffnung der Wiederkunft Christi hält nicht nur den Glauben aufrecht (V. 28), sondern lässt gerechtes Handeln zu einer Gewohnheit werden. Das gleiche gr. Wort, welches hier mit »geboren« wiedergegeben wurde, fi ndet sich ebenso in Joh 3,7, wo Jesus Nikodemus erzählte, dass er von neuem »geboren« werden muss. Menschen, die wahrhaftig als Kinder Gottes wiedergeboren wurden, besitzen die gerechte Natur ihres himmlischen Vaters (1Pt 1,3,13-16). Als Folge werden sie Merkmale der Gerechtigkeit Gottes in ihrem Leben zeigen. Johannes blickt von der Auswirkung (gerechtes Verhalten) zur Ursache hin (die Erfahrung einer echten Wiedergeburt), um zu bestätigen, dass ein gerechtes Leben der Beweis für die Wiedergeburt ist (Jak 2,20,26; 2Pt 3,11). 3,3 jeder … reinigt sich, gleichwie auch Er rein ist. Dies ist der Schlüsselvers von 2,28-3,3 und leitet das fünfte Kennzeichen der Hoffnung der Gläubigen in diesem Abschnitt ein. Das Leben in der Realität der Wiederkunft Christi verändert das Verhalten des Christen. Da Christen eines Tages wie er sein werden, sollte in ihnen der Wunsch wachsen, schon jetzt wie er zu werden. Dies war Paulus’ tiefes Verlangen, das er in Phil 3,12-14 ausdrückte (s. Anm. dort). Es fordert die Reinigung von Sünde, woran auch wir beteiligt sind (s. Anm. zu 2Kor 7,1; 1Tim 5,22; 1Pt 1,22).
3,4 Das wesentliche Ziel dieses Abschnitts ist, die falschen Lehrer zu bekämpfen, die die Grundlagen des Glaubens verderben. Desweiteren vertiefen, wiederholen und betonen diese Verse die von Johannes bereits vorgestellte moralische Prüfung (s. 2,3-6,7-11). V. 4-10 vermitteln, dass echte Gläubige Gerechtigkeit ausüben, während die V. 11-24 erklären, dass wirkliche Christen ihre Mitgläubigen lieben. Johannes lag es sehr am Herzen, dass Christen das Wahre vom Unwahren unterscheiden konnten, das Echte vom Künstlichen, wirkliche Gläubige von falschen. Wie in seinem ganzen Brief stellt er auch hier Prüfungen vor, die helfen sollten, die Gültigkeit des christlichen Anspruchs eines jeden zu testen. 3,4 Diese Verse handeln von der Unvereinbarkeit des Christen mit Sünde. Die falschen Lehrer, die Johannes wegen ihrer gnosis-ähnlichen Vorstellungen bekämpfte (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), ließen die Bedeutung der Sünde und die Notwendigkeit des Gehorsams unberücksichtigt. Aufgrund ihres philosophischen Dualismus war Materie in ihren Augen schlecht, was dazu führte, dass sie jede im physischen Bereich begangene Sünde für irrelevant hielten. Johannes liefert in diesem Abschnitt vier Gründe, weshalb wahre Christen nicht ständig sündigen können (Joh 8,31,34-36; Röm 6,11; 2Joh 9). 3,4 Sünde tut. Das Verb »tun« beinhaltet im Gr. den Gedanken, Sünde zur Gewohnheit zu machen. Obschon echte Christen die Veranlagung zur Sünde besitzen (1,8), Sünde begehen und diese bekennen müssen (1,9; 2,1), ist ihr Leben nicht ununterbrochen durch sie gekennzeichnet. Ein wahrhaft wiedergeborener Gläubiger besitzt aufgrund seiner neuen Natur ein eingebautes Kontrollsystem gegen gewohnheitsmäßiges Sündigen (»aus Gott geboren« – V. 9; Röm 6,12). Sünde ist die Gesetzlosigkeit. Der erste Grund, weshalb Christen nicht ständig sündigen können, ist, dass Sünde unvereinbar mit dem Gesetz Gottes ist, welches sie lieben (Ps 119,34,77,97; Röm 7,12,22). Der Begriff »Gesetzlosigkeit« beinhaltet mehr, als Gottes Gesetz zu übertreten. Er vermittelt den eigentlichen Kern der Rebellion, d.h. so zu leben, als gäbe es kein Gesetz oder die bestehenden Gesetze zu ignorieren (Jak 4,17).
3,5 Er erschienen ist, um unsere Sünden hinwegzunehmen. Ein zweiter Grund, weshalb Christen nicht ständig sündigen können, ist, dass es mit dem Werk Christi unvereinbar ist. Christus starb, um die Gläubigen zu heiligen (2Kor 5,21; Eph 5,25-27). Sündigen steht im Gegensatz zum Werk Christi, die Vorherrschaft der Sünde im Leben eines Gläubigen zu durchbrechen (Röm 6,1-15).
3,6 sündigt nicht. Wie der Ausdruck »Sünde tun« in V. 4 liegt auch hier der Sinn in dem Gedanken des gewohnheitsmäßigen, beständigen Sündigens. wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt. Wenn sich in einem Menschen, der bekennt, Christ zu sein, keine Kontrollvorrichtung gegen gewohnheitsmäßiges Sündigen befi ndet, ist Johannes’ Urteil ganz klar – eine Errettung fand nie statt.
3,7 lasst euch von niemand verführen! Das Wort »verführen« bedeutet »in die Irre geführt werden«. Da die falschen Lehrer versuchten, die Grundlagen des Glaubens zu verdrehen, bestand die Möglichkeit, dass einige Christen ihre Ansichten übernehmen würden. Um dieser Verführung vorzubeugen, betonte Johannes wiederholt die Grundlagen des Christentums, wie z.B. die Notwendigkeit des Gehorsams, der Liebe und einer richtigen Sicht über Christus (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). die Gerechtigkeit übt. Der beständig gerechte Lebensstil des wahren Gläubigen steht in scharfem Kontrast zu diesen falschen Lehrern, die die Sünde taten (vgl. V. 4,6). Da Christus am Kreuz starb, um Sünder zu verändern, haben die wirklich wiedergeborenen Menschen das gewohnheitsmäßige Sündigen durch die Gewohnheit eines gerechten Lebens ersetzt (Röm 6,13,14). gleichwie Er gerecht ist. Wahrhaft wiedergeborene Menschen spiegeln das göttliche Wesen des Sohnes wider. Sie handeln wie er und zeigen dadurch die Kraft seines Lebens in ihnen (Gal 2,20).
3,8 Wer die Sünde tut. Diese Aussage meint: »Wer die Sünde ge- wohnheitsmäßig tut« (s. Anm. zu V. 4,6). aus dem Teufel. Hier wird die Quelle der Taten der falschen Lehrer angegeben. Der Begriff »Teufel« bedeutet »Ankläger« oder »Verleumder«. Satan (»Widersacher«) widersetzt sich nicht nur dem Plan Gottes, sondern er ist auch der Urheber der Sünde und der Initiator der Rebellion gegen Gott und sein Gesetz (V. 4; s. Anm. zu Eph 6,10-17). Aus diesem Grund stehen alle Unerretteten unter dem Einfl uss des Teufels. Ihr sündiger Lebensstil spiegelt ihre satanische Herkunft wider (s. Anm. zu Eph 2,1). Johannes stellt das Handeln der Kinder Gottes dem der Kinder des Teufels gegenüber. Während die Wiedergeborenen beständige Gerechtigkeit in ihrem Handeln zeigen, praktizieren die Kinder des Teufels die Sünde. von Anfang an. Da Satan ursprünglich als vollkommenes Wesen geschaffen wurde und sich erst später gegen Gott erhob (Jes 14,12-14; Hes 24,12-17), meint Johannes wahrscheinlich den Zeitpunkt seines Aufstands gegen Gott, den Beginn seines aufrührerischen Weges. Da ihn die Sünde vollständig charakterisiert, muss jeder, der durch die Sünde gekennzeichnet ist, von ihm abstammen (vgl. Joh 8,44). Dazu … dass er … zerstöre. Ein dritter Grund, weshalb Christen nicht ständig sündigen können, ist, dass Christus kam, um die Werke des Erzsünders, Satan, zu zerstören. Der Teufel wirkt nach wie vor, doch er ist besiegt worden und in Christus entkommen wir seiner Tyrannei. Es wird der Tag kommen, wenn Satan alle seine Aktivitäten im Universum einstellen muss und er für immer in die Hölle geworfen wird (Offb 20,10). Werke des Teufels. Das fasst die ganze Bandbreite seines Handelns zusammen: Sünde, Rebellion, Versuchung, Weltherrschaft, Verfolgung und Anklage der Heiligen, Veranlassung falscher Lehrer, die Macht des Todes (z.B. Lk 8,12; Joh 8,44; Apg 5,3; 1Kor 7,5; 2Kor 4,4; Eph 6,11,12; 1Th 2,18; Hebr 2,14; Offb 12,10).
3,9 Der vierte Grund, weshalb Christen nicht ständig sündigen kön- nen, ist, dass es mit dem Wirken des Heiligen Geistes unvereinbar ist, der dem Gläubigen eine neue Natur verliehen hat (Joh 3,5-8). aus Gott geboren. Johannes schreibt hier von der neuen Geburt (Joh 3,7). Wenn ein Mensch Christ wird, macht Gott aus ihm eine neue Schöpfung mit einer neuen Natur (2Kor 5,17). Gläubige besitzen die Merkmale Gottes, weil sie in Gottes Familie hineingeboren wurden. Diese neue Natur legt den gewohnheitsmäßigen Charakter der Gerechtigkeit an den Tag, der durch den Heiligen Geist hervorgebracht wird (Gal 5,22-24). Zur Betonung führt Johannes diesen Ausdruck zweimal an. Sein Same. Die neue Geburt beinhaltet den Empfang eines Samen, der sich auf das Prinzip des Lebens aus Gott bezieht, das dem Gläubigen bei der Errettung zuteil wurde. Johannes verwendet das Bild des eingesäten Samens, um das göttliche Element bei der Wiedergeburt zu veranschaulichen. S. Anm. zu 1Pt 1,23-25. bleibt. Das Wort vermittelt den Gedanken der Beständigkeit der neuen Geburt, die nicht rückgängig gemacht werden kann, denn wer einmal wirklich wiedergeboren wurde, ist für immer in eine neue Schöpfung verwandelt worden (2Kor 5,17; Gal 6,15; Eph 2,10). er kann nicht sündigen. Auch diese Aussage beinhaltet den Gedanken des beständigen Sündigens (s. V. 4,6).
3,10 Dieser zusammenfassende Vers ist der Schlüssel zu V. 4-10. In der Welt existieren nur zwei Arten von Kindern: die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels. Niemand kann gleichzeitig zu beiden Familien gehören. Entweder gehört man zur Familie Gottes und zeigt seinen gerechten Charakter oder man gehört zur Familie des Teufels und legt dessen sündige Natur an den Tag. 3,10b Jeder, der … seinen Bruder nicht liebt. Diese Aussage führt den Leser in den zweiten Aspekt der moralischen Prüfung ein, gemeint ist die Prüfung der Liebe (wie in 2,7-11). Johannes entwickelt diesen Gedanken in den Versen 11-24. Die falschen Lehrer besaßen nicht nur eine irrige Ansicht über das Wesen Christi und bewiesen ihren Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes, sondern sie zeigten zudem einen klar erkennbaren Mangel an Liebe zu den wahren Gläubigen, die ihre Irrlehren ablehnten.
3,11 Johannes führt die Liebe echter Gläubiger näher aus. Für wiedergeborene Menschen ist Liebe ein unentbehrliches Kennzeichen. Die Natur oder der »Same« (V. 9), den Gott in den Gläubigen legt, bringt nicht nur Heiligkeit zum Vorschein, sondern ebenso die Liebe als ständiges Merkmal (Joh 13,35; Röm 5,5; 1Th 4,9). Jene, die lieben, liefern dadurch den Beweis der neuen Geburt; diejenigen, die nicht lieben, haben nie eine Wiedergeburt erfahren. 3,11 von Anfang an. Seitdem das Evangelium verkündet wurde, war Liebe ein zentrales Thema des Christentums (s. Anm. zu 1,1; 2,7). Johannes betont, was sie »von Anfang an« gehört haben (1,1; 2,7,24), um hervorzuheben, dass die falschen Lehrer das zu verhindern suchten, was Gott durch die Apostel verkündete. wir sollen einander lieben. Diese Aussage veranschaulicht die Liebe, die die Menschen mit der neuen Natur zeigten. Liebe ist für jemanden, der behauptet Christ zu sein, nicht etwas Freiwilliges, sondern der positive Beweis, dass er wirklich wiedergeboren ist (Joh 15,12; 1Pt 1,22,23).
3,12 Wie der ganze Brief beweist, wiederholt Johannes oftmals die gleichen Wahrheiten, entwickelt und vertieft sie weiter, um sie seinen Lesern in neuer und frischer Weise zu präsentieren. Jedes Mal stellt er die gleichen Wahrheiten in einer »neuen« Aufmachung vor, um einen bestimmten Aspekt ihrer Bedeutung zu beleuchten oder das Thema aus einem leicht veränderten Blickwinkel zu betrachten. Die V. 12-17 sprechen von der mangelnden Liebe der Kinder des Teufels, wohingegen Johannes in V. 18-24 die Kennnzeichen der Liebe der Kinder Gottes aufführt (s.a. Kommentar zu V. 10). 3,12 Kain. Die Schrift stellt Kain äußerlich als einen Anbeter Gottes dar, der ihm sogar Opfer brachte (1Mo 4,3-5). Kains Mord offenbarte allerdings, dass er in seinem Innern ein Kind des Teufels war (vgl. Joh 8,44). der aus dem Bösen war und seinen Bruder erschlug. In V. 12-17 stellt Johannes die erste von drei Verhaltensweisen der Kinder des Teufels vor, die ihren Mangel an Liebe aufdecken – Mord, der vollendete Ausdruck des Hasses. seine Werke waren böse. Kains Opfer war für Gott nicht annehmbar, weil er sündig war (vgl. 1Mo 4,5). Neid war das Motiv für seinen Hass und Mord, so wie bei den religiösen Führern, die Christus töteten.
3,13 die Welt hasst euch. Die Geschichte ist voller Berichte der Verfolgung der Heiligen durch die Welt (Hebr 11,36-40). Das überrascht die Gläubigen nicht, denn der Vater der Welt ist der vom Hass erfüllte Teufel (V. 10).
3,14 wir sind aus dem Tod zum Leben gelangt, denn wir lie- ben. Ein Christ zu werden, bedeutet vom Tod zum Leben überzugehen und vom Hass zur Liebe (vgl. Gal 5,6,22). Ein Mangel an Liebe deutet an, dass man geistlich tot ist. Liebe ist der sichere Test, ob jemand von neuem geboren wurde oder ob er sich noch in der Finsternis des geistlichen Todes befi ndet (2,9,11). bleibt im Tod. Jemand, der vom Hass geprägt ist, hat nie eine neue Geburt erfahren.
3,15 Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder. Johannes führt das zweite Kennzeichen der Kinder des Teufels an bezüglich ihrer mangelnden Liebe. Hass ist für Gott in geistlicher Hinsicht das gleiche wie Mord, d.h. die innere Haltung ist mit der Tat gleichzusetzen. Hass ist der Samen, der zum Mord führt, veranschaulicht durch das Beispiel von Kains Hass auf Abel, aus dem sich sein Mord ergab (s. Anm. zu Mt 5,20-22; vgl. Gal 5,19-21; Offb 22,15).
3,16 Daran haben wir die Liebe erkannt. Mit dieser Aussage stellt Johannes den Maßstab der Liebe vor, die sich im wahren Christentum zeigt. Es ist die Messlatte für jede Äußerung der Liebe (s. V. 18). Johannes führt das dritte Kennzeichen der Kinder des Teufels an in Bezug auf ihren Mangel an Liebe. Die Kinder des Teufels sind durch Gleichgültigkeit gegenüber den Nöten anderer gekennzeichnet (s.a. V. 12,15). er hat sein Leben für uns hingegeben. Dieser Ausdruck fi ndet sich einzig bei Johannes (Joh 10,11,15,17,18; 13,37,38; 15,13) und meint, sich selbst von etwas zu entledigen. Christliche Liebe ist aufopfernd und gebend. Das wahre Wesen der christlichen Liebe ist darin verkörpert, dass Christus sein Leben für die Gläubigen gab (Joh 15,12,13; Phil 2,58; 1Pt 2,19-23). auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hingegeben. Gott beruft Christen zum gleichen Maß an gegenseitiger Liebe, wie er sie für uns hat (s. V. 16a).
3,17 Wer aber die Güter dieser Welt hat … und sein Herz vor ihm verschließt. Wahre Liebe ist nicht auf große Opfer beschränkt (V. 16), sondern ist auch in kleineren zu erkennen. Wahre christliche Liebe drückt sich in Opfergaben aus, wenn andere Christen in Nöten sind (d.h. »seinen Bruder«). Sie ist eine praktische Liebe, die motiviert ist, anderen zu helfen (1Tim 6,17-19; Hebr 13,16; Jak 2,14-17). Wenn sie nicht zu fi nden ist, ist es zweifelhaft, ob Gottes Liebe überhaupt vorhanden ist. Sollte dies zutreffen, so ist es ebenso fragwürdig, ob die entsprechende Person überhaupt ein Kind Gottes ist (V. 14).
3,18 nicht mit Worten lieben noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. Die Behauptung zu lieben, reicht nicht aus. Liebe ist kein Gefühl, sondern besteht in Taten.
3,19 daran erkennen wir. Ein Leben in tätiger Liebe ist der offen- sichtliche Beweis der Errettung (s. V. 16). wir werden unsere Herzen vor Ihm stillen. Johannes nennt drei Vorteile der Liebe für den wahren Christen. Der erste ist die Gewissheit der Errettung, da tätige Liebe der Prüfstein des christlichen Bekenntnisses ist (vgl. 4,7; Joh 13,34,35).
3,20 wenn unser Herz uns verurteilt, Gott ist größer. Gott kennt die Menschen, die wirklich ihm gehören (2Tim 2,19), und möchte ihnen Heilsgewissheit schenken. Obwohl Christen Unsicherheiten und Zweifel bezüglich ihrer Errettung haben mögen, verurteilt Gott sie nicht (Röm 8,10). Liebe als Lebensmotiv ist der Beweis, dass Gläubige vor Gott nicht verurteilt sind.
3,21 Freimütigkeit zu Gott. Liebe vertreibt die Selbstverurteilung. Wenn ein Christ in seinem Leben tätige Liebe erkennt, führt dies zu Freimütigkeit in seiner Beziehung zu Gott. 3,22 Der zweite Vorteil der Liebe sind Gebetserhörungen (s. V. 19). Da Liebe der Kern des Gehorsams gegenüber dem Gesetz ist (vgl. Mt 22,37-40; Röm 13,8-10), beweist ihre Ausübung Hingabe an Gott, was er durch Gebetserhörungen segnet.
3,23 Vgl. 4,13. Diese Verse wiederholen die drei Kennzeichen dieses Briefes – Glauben, Liebe und Gehorsam –, welches die Hauptbeweise wahrer Errettung sind. Der dritte Vorteil der Liebe ist die bleibende und bevollmächtigende Gegenwart des Heiligen Geistes.
4,1 Johannes wendet sich von der Bedeutung der Liebe zu der Bedeutung des Glaubens an Gottes Wahrheit. Wieder lenkt er die Aufmerksamkeit auf die lehrmäßige Prüfung und hebt die Notwendigkeit hervor, der gesunden Lehre zu gehorchen (Mt 24,11; 2Pt 2,3; Jud 3). Die Schrift enthält ernste Warnungen vor falscher Lehre. Seit der Verführung Evas versuchte der Teufel, Gottes Wort zu verdrehen und zu bestreiten (1Mo 3,1-5). Er ist der eigentliche dämonische Ursprung jedes falschen Lehrers und jeder falschen Lehre (2Kor 11,13.14). In diesem Abschnitt stellt Johannes zwei lehrmäßige Prüfungen vor, um die Wahrheit vom Irrtum zu unterscheiden und falsche Lehrer von richtigen. 4,1 glaubt nicht jedem Geist. Die Erwähnung des Heiligen Geis- tes in 3,24 veranlasst Johannes, seine Leser darüber zu informieren, dass auch andere Geister existieren, d.h. dämonische Geister, die falsche Propheten und Lehrer hervorbringen, um ihre falsche Lehre zu verbreiten (s. Anm. zu 1Tim 4,1,2). Christen sollten eine gesunde Skepsis hinsichtlich jeder Lehre besitzen; anders als einige aus Johannes’ Gemeinden, die zu offen für jeden waren, der behauptete eine neue Glaubenslehre zu haben. Christen sollten wie die Beröer handeln, die die Schriften studierten, um Wahrheit von Irrtum zu unterscheiden (Apg 17,11,12). prüft. Das Wort »prüft« ist ein Begriff, der bei der Prüfung von Metallen verwendet wurde, um ihre Reinheit und ihren Wert zu bestimmen. Christen müssen jede Lehre überprüfen, um sie gründlich mit den Lehren der Schrift zu vergleichen und sie entweder anzunehmen oder abzulehnen (s. Anm. zu 1Th 5,20-22). die Geister … viele falsche Propheten. Durch die Nebeneinanderstellung von »Geistern« und »falschen Propheten« erinnert Johannes seine Leser, dass hinter menschlichen Lehrern, die falsche Lehren und Irrtümer verbreiten, von Satan inspirierte Dämonen stehen (s. Anm. zu 1Th 5,2022; vgl. Apg 20,28-30). Falsche Propheten und Lehrer sind sichtbare Äußerungen dämonisch-geistlicher Quellen (Mt 7,15; Mk 13,22).
4,2 Daran erkennt ihr den Geist Gottes. Johannes liefert ei- nen Maßstab zur Bestimmung, ob der Verbreiter der Botschaft ein dämonischer Geist ist oder der Heilige Geist. Jesus Christus ist im Fleisch gekommen. Dies ist die erste Prüfung eines echten Lehrers: Er erkennt an und verkündigt, dass Jesus Gott in Menschengestalt ist. Der gr. Satzbau meint nicht, dass sie Christus als auf die Erde gekommen bekennen, sondern dass er im Fleisch auf die Erde kam, d.h. sein menschlicher Körper war eine physische Realität. Der Lehrer, der wahrhaftig aus dem Geist Gottes ist, muss gleicherweise Jesus’ vollkommene Menschheit als auch seine vollkommene Gottheit vertreten. Der Heilige Geist bezeugt das wahre Wesen des Sohnes, wohingegen der Teufel und seine Mächte dieses wahre Wesen verdrehen und leugnen. Johannes betont die entscheidende Bedeutung gesunder Lehre im Wort Gottes als den einzig absoluten und vertrauenswürdigen Maßstab (vgl. Jes 8,20).
4,3 der Geist des Antichristen. Diese falschen Lehrer, die das wahre Wesen des Sohnes leugneten (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld), gehören zu den Antichristen in 2,28,29 (2Joh 7). Der gleiche dämonische Betrug, der den letzten Weltherrscher hervorbringen wird (s. Anm. zu Offb 13,1-8), welcher dann als der falsche Christus regiert, versucht beständig das wahre Wesen Jesu Christi zu verdrehen und das Evangelium zu verzerren. Der letzte Antichrist wird nichts Neues sein, sondern die letztendliche Verkörperung aller antichristlichen Geister, die die Wahrheit verdreht und von Anfang an satanische Lügen verbreitet haben. Dies ähnelt 2Th 2,3-8, wo gesagt wird, dass der Mensch der Sünde (Antichrist) noch offenbar werden muss, das Geheimnis der Gesetzlosigkeit aber bereits wirksam ist.
4,4 der in euch ist, größer ist. Gläubige müssen sich falscher Lehren bewusst und vor ihnen auf der Hut sein, aber sie brauchen sie nicht fürchten, weil sie durch die neue Geburt und den innewohnenden Heiligen Geist eine Kontrollvorrichtung gegen falsche Lehren besitzen (vgl. 2,20,27). Der Heilige Geist führt echte Christen in die gesunde Lehre ein und bezeugt, dass sie bereits errettet sind (vgl. Röm 8,17). Wahre Gläubige haben nichts zu fürchten, denn selbst des Teufels Heerscharen und ihre Täuschungen können sie nicht aus der Hand des Herrn reißen. Wie in 2,18-27 fi nden wir auch hier, dass der Schutz vor und der Sieg über den Irrtum garantiert ist – durch die gesunde Lehre und den innewohnenden Heiligen Geist, der den Verstand erhellt.
4,5 sie reden von der Welt … Wer Gott erkennt, hört auf uns. Johannes stellt die zweite Prüfung eines echten Lehrers vor: sie reden Gottes Wort und folgen der apostolischen Lehre.
4,6 Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums. Das AT und NT sind der einzige Maßstab zur Überprüfung jeglicher Lehre. Im Gegensatz dazu lehnen dämonisch beeinfl usste Lehrer entweder die Lehre des Wortes Gottes ab oder fügen ihr etwas hinzu (2Kor 4,2; Offb 22,18,19).
4,7 Getreu seinem Muster, die gleichen Themen weiter zu ent- falten und ihre Bedeutung jedes Mal zu erweitern, wendet sich Johannes ein weiteres Mal der moralischen Prüfung der Liebe zu. Diese Verse enthalten eine lange Ausführung dessen, was vollkommene Liebe ist, und beschreiben ihre Zugänglichkeit für den Menschen. In Johannes’ dritter und letzter Beschreibung der Liebe in diesem Brief (s.a. 2,7-11; 3,10-14), nennt er fünf Gründe, weshalb Christen lieben. 4,7 die Liebe ist aus Gott … Gott ist Liebe. Johannes stellt dem Leser den ersten der fünf Gründe vor, weshalb Christen lieben: weil Gott das Wesen der Liebe ist. Die Anhänger der Gnosis glaubten, dass Gott immaterieller Geist und Licht ist, aber sie nahmen nicht an, dass die Liebe aus seinem innersten Wesen entsprang. Ebenso wie er Geist (Joh 4,24), Licht (1,5) und ein verzehrendes Feuer ist (Hebr 12,29), so ist er auch Liebe. Liebe ist allem eigen, was er ist und tut. Selbst sein Gericht und sein Zorn stehen in vollkommener Harmonie mit seiner Liebe. 4,7 lasst uns einander lieben! Diese Aussage in V. 7 ist der Schlüssel zum ganzen Abschnitt (s. V. 21). Das gr. Original vermittelt den Gedanken, dass man sicher gehen soll, beständig zu lieben. Johannes hatte zuvor schon geschrieben, dass Liebe eine charakteristische Gewohnheit wahrhaft wiedergeborener Menschen ist (vgl. 2,10,11; 3,14). jeder, der liebt, ist aus Gott geboren. Jene, die wiedergeboren sind, empfangen das Wesen Gottes (vgl. 2Pt 1,4). Da die Liebe ein Hauptkennzeichen des Wesens Gottes ist (s.a. V. 8), werden auch die Kinder Gottes diese Liebe widerspiegeln.
4,8 Wer nicht liebt, der hat Gott nicht erkannt. Jemand mag bekennen, Christ zu sein, aber nur diejenigen, die die Liebe ihres himmlischen Vaters zeigen, besitzen seine göttliche Natur und sind wirklich wiedergeboren.
4,9 Johannes führt den Leser in den zweiten der fünf Gründe ein, weshalb Christen lieben: um dem höchsten Beispiel zu folgen, der opfernden Liebe Gottes in der Sendung seines Sohnes für uns. Das Gericht über die Sünde am Kreuz war das größte Beispiel der Liebe Gottes, da er seinen Zorn über seinen Sohn stellvertretend für Sünder ausgoss (Joh 3,14-16; Röm 5,8; 2Kor 5,21; Eph 5,1,2; s. Anm. zu Tit 3,4). eingeborenen Sohn. Mehr als die Hälfte der Stellen, in denen dieser Ausdruck im NT vorkommt, fi nden sich bei Johannes (z.B. Joh 1,14,18; 3,16,18). Johannes verwendet ihn immer für Christus, um seine einzigartige Beziehung zum Vater und seine vor der Zeit bestehende Existenz auszudrücken, sowie um ihn von der Schöpfung zu unterscheiden. Der Ausdruck hebt die Einmaligkeit Christi als dem einzigen seiner Art hervor. Ihn sandte der Vater in die Welt als das größte Geschenk, das jemals gemacht wurde (Joh 17,3; 2Kor 8,9), um uns ewiges Leben zu geben (vgl. Joh 3,14.15; 12,24).
4,10 als Sühnopfer für unsere Sünden. Hinsichtlich der Bedeu- tung des Wortes, s. Anm. zu 2,2. Hebr 9,5 übersetzt eine Form dieses Wortes mit »Sühnedeckel«. Christus wurde wortwörtlich unser Sühnedeckel wie der im Allerheiligsten, gegen und auf den der Hohepriester das Blut des Opfers am Versöhnungstag sprengte (3Mo 16,15). Christus tat dies, als sein Blut, das für andere vergossen wurde, die Forderungen der heiligen Gerechtigkeit Gottes und seinen Zorn gegen die Sünde zufrieden stellte.
4,11 Dass Gott seinen Sohn sandte, bringt Christen nicht nur Erret- tung, sondern auch die Verpfl ichtung, seinem Vorbild der aufopfernden Liebe zu folgen. Christliche Liebe muss sich wie Gottes Liebe in Selbstaufopferung ausdrücken.
4,12 Johannes macht den Leser mit dem dritten der fünf Gründe bekannt, weshalb Christen lieben: weil Liebe der Kern des christlichen Zeugnisses ist. Niemand kann sehen, wie Gott liebt, weil seine Liebe unsichtbar ist. Jesus ist nicht mehr auf Erden, um die Liebe Gottes zu zeigen. Nur die Gemeinde kann in dieser Zeit Gottes Liebe zeigen. Dieses Zeugnis ist entscheidend (Joh 13,35; 2Kor 5,18-20). Johannes’ Ausführungen in V. 7-12 können wie folgt zusammen gefasst werden: Liebe hat ihren Ursprung in Gott, sie wurde von seinem Sohn geoffenbart und beweist sich in seinen Gläubigen.
4,13 Johannes stellt dem Leser den vierten der fünf Gründe vor, weshalb Christen lieben: weil Liebe die Gewissheit des Christen ist (s. Anm. zu 3,16-23).
4,15 Wer nun bekennt. S. Anm. zu V. 2. Dies bezieht sich auf die lehrmäßige Prüfung (vgl. V. 1-6; 1,1-4; 2,23).
4,17 Johannes nennt dem Leser den fünften Grund, weshalb Christen lieben: weil Liebe im Gericht die Zuversicht des Christen darstellt (s. Anm. zu 3,16-23). 4,17 die Liebe ist bei uns vollkommen geworden. Johannes spricht nicht von sündloser Vollkommenheit, sondern vielmehr von reifer Liebe, die sich angesichts des Gerichts durch Zuversicht auszeichnet. Zuversicht ist ein Zeichen reifer Liebe. gleichwie Er ist, so sind auch wir. Jesus war Gottes Sohn, an welchem er sich auf Erden erfreute; wir sind Kinder Gottes (3,11) und das Ziel seiner gütigen Gnade. Da Jesus Gott seinen Vater nannte, dürfen auch wir das, da wir in dem Geliebten angenommen wurden (Eph 1,6). In V. 18 wird die gleiche Wahrheit in negativer Form ausgedrückt. Die Liebe, die Zuversicht erzeugt, vertreibt auch Furcht. Wir lieben Gott und verehren ihn, aber wir können uns nicht gleichzeitig aus Furcht vor ihm verbergen und in Liebe zu ihm kommen (vgl. Röm 8,14,15; 2Tim 1,7). Furcht erwartet Qual oder Bestrafung, etwas, das die Söhne Gottes nie erfahren werden, da ihnen vergeben wurde.
4,21 Dieser Vers stellt eine Zusammenfassung des 4. Kapitels dar. Man kann Gott nicht lieben, ohne seine Mitgläubigen zu lieben. Die Behauptung Gott zu lieben, ist eine Täuschung, wenn sie nicht von selbstloser Liebe für andere Christen begleitet wird.
5,1 Johannes stellt das Thema des siegreichen Lebens vor. Wäh- rend die Bibel viele Ausdrücke zur Beschreibung dessen benutzt, was Christen sind (z.B. Gläubige, Freunde, Brüder, Schafe, Heilige, Streiter Jesu Christi, Zeugen etc.), hebt Johannes in diesem Kapitel einen bestimmten Begriff hervor: Überwinder (zur Bedeutung des Begriffs s. vor allem d. Anm. zu 5,4). Von den vierundzwanzig Stellen, in denen das Wort im NT vorkommt, fi nden sich allein bei Johannes 21 (vgl. auch Offb 2,7.11.17; 2,26; 3,5.12.21). In diesen Versen tauchen mehrere verschiedene Formen des Begriffs auf, die die siegreiche Natur des Gläubigen betonen. 5,1, Jeder, der glaubt. Errettender Glaube ist das erste Kennzeichen eines Überwinders. Der Begriff »glauben« vermittelt den Gedanken dauerhaften Glaubens. Gemeint ist, dass wahre Gläubige ihr ganzes Leben lang am Glauben festhalten. Errettender Glaube ist nicht bloße intellektuelle Annahme, sondern dauerhafte Hingabe an Jesus Christus von ganzem Herzen. Jesus ist der Christus. Der Gegenstand des christlichen Glaubens ist Jesus, vor allem, dass er der verheißene Messias oder »Gesalbte« ist, den Gott als Erlöser von der Sünde gesandt hat. Jeder, der sein Vertrauen in Jesus Christus als den einzigen Erretter setzt, ist wiedergeboren und folglich ein Überwinder (V. 5). aus Gott geboren. Dies nimmt Bezug auf die neue Geburt; es ist das gleiche Wort, das Jesus in Joh
3,7 lasst euch von niemand verführen! Das Wort »verführen« bedeutet »in die Irre geführt werden«. Da die falschen Lehrer versuchten, die Grundlagen des Glaubens zu verdrehen, bestand die Möglichkeit, dass einige Christen ihre Ansichten übernehmen würden. Um dieser Verführung vorzubeugen, betonte Johannes wiederholt die Grundlagen des Christentums, wie z.B. die Notwendigkeit des Gehorsams, der Liebe und einer richtigen Sicht über Christus (s. Einleitung: Historische und lehrmäßige Themen). die Gerechtigkeit übt. Der beständig gerechte Lebensstil des wahren Gläubigen steht in scharfem Kontrast zu diesen falschen Lehrern, die die Sünde taten (vgl. V. 4,6). Da Christus am Kreuz starb, um Sünder zu verändern, haben die wirklich wiedergeborenen Menschen das gewohnheitsmäßige Sündigen durch die Gewohnheit eines gerechten Lebens ersetzt (Röm 6,13,14). gleichwie Er gerecht ist. Wahrhaft wiedergeborene Menschen spiegeln das göttliche Wesen des Sohnes wider. Sie handeln wie er und zeigen dadurch die Kraft seines Lebens in ihnen (Gal 2,20). 3,7 verwendete. Die Zeitform des gr. Verbs deutet an, dass dauerhafter Glaube die Folge der neuen Geburt ist und daher ihr Beweis. Die Söhne Gottes beweisen die Realität ihrer Wiedergeburt durch den beständigen Glauben an den Sohn Gottes, den Erlöser. Die neue Geburt bringt uns in eine dauerhafte Beziehung zu Gott und Christus. wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der aus Ihm geboren ist. Liebe ist das zweite Kennzeichen des Überwinders. Der Überwinder glaubt nicht nur an Gott, sondern liebt sowohl ihn als auch seine Mitgläubigen. Ein weiteres Mal fi nden wir hier die moralische Prüfung.
5,2 seine Gebote halten. Johannes erwähnt dies in den beiden Versen zweimal. Gehorsam ist das dritte Kennzeichen eines Überwinders. In diesen fünf Versen verwebt Johannes Glauben, Liebe und Gehorsam untrennbar miteinander. Sie befi nden sich in einer gegenseitigen, dynamischen Beziehung, das bedeutet, dass der echte Beweis der Liebe der Gehorsam ist, so wie der echte Beweis des Glaubens die Liebe. Das Wort »halten« vermittelt den Gedanken beständigen Gehorsams (vgl. Joh 8,31,32; 14,15,21; 15,10).
5,3 seine Gebote sind nicht schwer. Im Gegensatz zu den schwe- ren religiösen Überlieferungen der jüdischen Führer (Mt 23,4) ist Jesus’ Joch sanft und seine Last leicht (Mt 11,30).
5,4 überwindet. Johannes lässt deutlich erkennen, wer diese Über- winder sind: all jene, die glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist, und alles, was damit verbunden ist. Die Überwinder sind alle Gläubigen (vgl. 2,13). Das Wort für »Überwinder« stammt von einem gr. Wort mit der Bedeutung »besiegen«, »den Sieg davontragen«, »überlegen sein« und »siegreiche Kraft«. Das Wort spiegelt eine wirkliche Überlegenheit wider, die zu überwältigendem Erfolg führt. Der Sieg ist offensichtlich; er beinhaltet den Sturz des Feindes, so dass der Sieg für alle sichtbar wird. Jesus verwendete dieses Wort auch, um sich selbst zu beschreiben (Joh 16,33). Da die Gläubigen mit Christus verbunden sind, haben sie an seinem Sieg Teil (Röm 8,37; 2Kor 2,14). Das Wort »überwinden« enthält in der Originalsprache den Gedanken, dass der Gläubige einen dauerhaften Sieg über die Welt hat. 5,4 die Welt. Satans weltweites System der Täuschung und Bos- heit. S. Anm. zu 2,15. Durch Christus und sein Heil ist der Gläubige Sieger (V. 5) über das unsichtbare System des dämonischen und menschlichen Bösen, dessen sich der Teufel bedient, um die Seelen der Menschen für die Hölle fest zu halten. Johannes wiederholt das Überwinden der Welt drei Mal, um es ganz deutlich zu machen. unser Glaube … der, welcher glaubt. Der Glaube an Jesus Christus und die Hingabe an ihn machen einen Menschen zum Überwinder. Johannes wiederholt diese Wahrheit zu ihrer besonderen Betonung.
5,6 Der Begriff »Zeugnis« stellt das Thema dieses Abschnitts dar. Die Passage befasst sich mit dem Zeugnis Gottes und des Heiligen Geistes gegenüber der Welt, hinsichtlich der großen Wahrheit der Gottheit Jesu Christi. Die vorangegangene Bibelstelle (5,1-5) beschrieb Überwinder als solche, die an Jesus als Herrn und Heiland glauben; hier nun stellt Johannes Gottes eigenes Zeugnis vor, um zu bestätigen, dass Jesus der Christus ist (Joh 5,31-37; 8,13-18). Er führt zwei Arten des Zeugnisses auf: ein äußeres (V. 6-9) und ein inneres (V. 10-12). 5,6 Wasser und Blut. Wasser und Blut sind äußere, objektive Zeugen dafür, wer Jesus Christus ist. Sie beziehen sich auf Jesus’ Taufe (Wasser) und seinen Tod (Blut). Johannes bekämpft den Dualismus der falschen Lehrer, die behaupteten, dass der Geist Christi den Menschen Jesus verließ, bevor er den Kreuzestod starb (s. Einleitung: Hintergrund und Umfeld). Johannes will aufzeigen, dass Gott die Gottheit Jesu bezeugt hat durch seine Taufe und seinen Tod. der Zeugnis gibt. Sowohl das Wort »Zeugnis« als auch »zeugen« leitet sich vom gleichen gr. Wort her und wird in diesem Abschnitt insgesamt neun Mal benutzt. Die Hauptbedeutung ist: »jemand, der ein persönliches und unmittelbares Wissen von etwas hat.« der Geist ist die Wahrheit. Johannes hebt nicht länger das apostolische Zeugnis hervor (1,1-4; 4,14), sondern beschreibt das Zeugnis Gottes, dass durch den Heiligen Geist kommt. Da der Geist Gottes nicht lügen kann, ist sein Zeugnis wahr.
5,7 drei sind es, die Zeugnis ablegen. Das atl. Gesetz verlangte »die Aussage von zwei oder drei Zeugen«, um die Wahrheit einer Sache zu bestätigen (5Mo 17,6; 19,15; vgl. Joh 8,17,18; 1Tim 5,19). 5,7 im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist … drei sind es, die Zeugnis ablegen auf der Erde. Diese Worte beziehen sich direkt auf die Dreieinheit und liefern eine genaue Aussage. Die Gesamtheit aller erhaltenen Bibelhandschriften sprechen eher dafür, dass sie nicht im Originalbrief enthalten waren. Sie tauchen in keinem gr. Manuskript vor dem 10. Jhdt. n. Chr. auf. Nur acht sehr späte gr. Manuskripte enthalten diese Worte, wobei es sich bei ihnen um eine Übersetzung einer späten Rezension der lateinischen Vulgata zu handeln scheint. Außerdem beinhalten vier der acht Manuskripte die Passage als mögliche andere Lesart, die den Manuskripten als späterer Zusatz in einer Randbemerkung beigefügt wurde. Kein gr. oder lateinischer Kirchenvater zitiert sie, selbst jene nicht, die in Kontroversen über die Dreieinheit verwickelt waren; außer im Lateinischen (nicht das alte Latein in seiner frühen Form oder die Vulgata) sind sie in keiner alten Version zu fi nden. Auch innere biblische Beweise sprechen gegen ihre Einfügung, da sie die Gedankengänge des Verfassers unterbrechen. Sehr wahrscheinlich wurden die Worte dem Text viel später hinzugefügt. In der Schrift gibt es keinen Vers, der die offensichtliche Realität der Dreieinheit so ausdrücklich angibt, obschon viele Stellen sehr deutlich auf sie schließen lassen. S. 2Kor 13,13.
5,8 der Geist und das Wasser und das Blut. Bei Jesu Taufe gaben der Vater und der Geist dem Sohn Zeugnis (s. Mt 3,16,17). Ebenso zeugte sein Tod davon, wer Jesus Christus war (Mt 27,54; Hebr 9,14). Der Heilige Geist bezeugte die Identität Jesu Christi während seines ganzen Lebens (Mk 1,12; Lk 1,35; Apg 10,38).
5,10 hat das Zeugnis in sich selbst. Johannes schreibt vom inneren, subjektiven Zeugnis über den Sohn im Herzen des Gläubigen (Röm 8,15,16; Gal 4,6). hat ihn zum Lügner gemacht. Die Ablehnung des Zeugnisses Gottes über seinen Sohn ist die äußerste Form der Gotteslästerung, denn sie bedeutet, Gott einen Lügner zu nennen (Tit 1,2; Hebr 6,18).
5,11 Dies fasst den Segen des subjektiven Zeugnisses des Gläubi- gen zusammen – das Leben, das wir in Christus besitzen, welches seinen Ausdruck in der Gnade und Kraft fi ndet, die er alle Zeit für uns bereit hält. Es ist die wichtigste Erfahrung der Erkenntnis Christi im Leben eines Menschen. Leben ist nur in ihm, so dass es ohne ihn unmöglich ist, Leben zu fi nden.
5,13 Johannes schließt seinen Brief, indem er fünf christliche Gewissheiten erläutert, die einen eindrucksvollen Höhepunkt des ganzen Briefes darstellen. Er betont ihre Sicherheit durch den 7-fachen Gebrauch des Wortes »wissen« in diesem Abschnitt. 5,13 Dies. Das bezieht sich auf alles, was Johannes in seinem Brief festgehalten hat. damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt. Die Zusicherung des ewigen Lebens macht die erste Gewissheit des Christen aus. Während Johannes sein Evangelium mit der Absicht schrieb, Ungläubige zum Glauben zu führen (Joh 20,31), verfasste er seinen Brief, um Gläubigen die Sicherheit zu vermitteln, dass sie ewiges Leben haben. Der Weggang der falschen Brüder hinterließ Verunsicherung bei den Gemeinden von Johannes (2,19). Er versicherte den Zurückgeblieben, dass sie wirklich errettet waren, da sie die Fundamente des Glaubens festgehalten hatten (eine richtige Sichtweise über Christus, Gehorsam, Liebe). ewiges Leben. Dies bezieht sich in erster Linie nicht auf eine Zeitspanne, sondern auf eine Person (V. 20; Joh 17,3). Ewiges Leben ist die Beziehung zu der Person Jesu Christi sowie der Besitz seines Wesens (wie in V. 11,12).
5,14 Erhörtes Gebet ist die zweite Gewissheit des Christen. 5,14 Freimütigkeit. Hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs s. Anm. zu 3,21. Christen können mit absoluter Freimütigkeit wissen, dass Gott Gebet erhört, wenn sie sich dem Gnadenthron nahen (Hebr 4,14). er hört uns. Das Wort »hören« deutet an, dass Gott die Gebete seiner Kinder hört (Ps 34,16-18), sie aber nicht immer in der Weise erhört, wie sie es möchten. gemäß seinem Willen. Dieser Ausdruck bildet den Schlüssel für Gebetserhörungen. Entsprechend seines Willens zu beten, meint ein Gebet, das in Übereinstimmung mit dem ist, was Gott möchte, und nicht was wir uns wünschen, dass er für uns tun möge (Joh 14,13,14). Johannes hat zuvor schon angegeben, dass erhörtes Gebet auch vom Gehorsam gegenüber Gottes Geboten und dem Vermeiden von Sünden abhängig ist (3,21; Ps 66,18; Joh 15,7; 1Pt 3,7). Da echte Gläubige Gottes Wort kennen (d.h. seinen Willen) und das ihm Wohlgefällige tun, bestehen sie nicht auf ihrem eigenen Willen, sondern suchen zutiefst den Willen Gottes (Mt 27,39-44).
5,16 Johannes illustriert das Beten nach dem Willen Gottes mit dem Beispiel der »Sünde [die] zum Tode« führt. Eine solche Sünde kann jede vorsätzlich geplante und nicht bekannte Sünde sein, die den Herrn veranlasst, das Leben eines Gläubigen zu beenden. Gemeint ist nicht eine spezielle Sünde wie Homosexualität oder Lügen, sondern jede denkbare, die Gottes Nachsicht übersteigt. Unbußfertigkeit und Verharren in der Sünde könnte schließlich als ein Gericht Gottes zum physischen Tod führen (Apg 5,1-11; 1Kor 5,5; 11,30). Fürbittendes Gebet besitzt für jene keine Wirksamkeit mehr, die absichtlich mit erhobener Hand gesündigt haben, d.h. Gottes Zuchtmaßnahme des physischen Todes ist in solchen Fällen unvermeidbar, da er die Reinheit seiner Gemeinde erhalten will (s. Anm. zu 1Kor 5,5-7). Die Gegenüberstellung der beiden Aussagen »Sünde zum Tode« und »Sünde nicht zum Tode« lässt erkennen, dass der Verfasser zwischen Sünden unterscheidet, die zum physischen Tod führen können und jenen, die dies nicht nach sich ziehen. Es dient nicht dazu, um eine spezifi sche Art tödlicher und nicht-tödlicher Sünden zu bestimmen, sondern um deutlich zu machen, dass nicht alle Sünden auf diese Weise von Gott gerichtet werden.
5,18 Der Sieg über die Sünde und den Teufel ist die dritte Gewissheit des Christen (3,9; Röm 6,15-22). sich selbst. In den besten Handschriften ist dieses Wort nicht zu fi nden. Die bessere Lesart aus der Originalsprache ist »bewahrt ihn«, was auf die Tatsache Bezug nimmt, dass Gott den Gläubigen beschützt. der Böse. Gemeint ist Satan. tastet ihn nicht an. Johannes verwendet dieses Wort nur hier und in Joh 20,17. Das Wort legt die Bedeutung nahe, jemanden »anzufassen« oder zu »ergreifen«, um ihm zu schaden. Da der Gläubige Gott gehört, kann der Teufel nur in seinem Rahmen agieren und darf über das Maß nicht hinausgehen, welches ihm die Souveränität Gottes zuweist, so wie Hiobs Beispiel veranschaulicht (Hi 2,5; Röm 16,20). Obwohl der Teufel die Gläubigen zwar verfolgen, versuchen und anklagen mag, beschützt Gott seine Kinder und begrenzt den Einfl uss und die Macht Satans (2,13; Joh 10,28; 17,12-15).
5,19 wir aus Gott sind. Dass Gläubige Gott gehören ist die vierte Gewissheit des Christen. In der Welt gibt es nur zwei Menschentypen: Kinder Gottes und Kinder des Teufels (s. Anm. zu 3,10). Man gehört entweder Gott oder dem bösen Weltsystem unter der Herrschaft Satans. Da die ganze Welt dem Teufel gehört, sollten Christen ihre Verunreinigung vermeiden.
1 Der Älteste. Johannes verwendet diese Bezeichnung, um sein fortgeschrittenes Alter zu betonen, sowie seine geistliche Autorität über die Gemeinden in Kleinasien und seine Aussagekraft als Augenzeuge des Lebens und der Lehre Jesu (V. 4-6). die auserwählte Frau und ihre Kinder. Einige meinen, dass dieser Ausdruck als ein Bild für eine Ortsgemeinde zu verstehen ist, wobei »ihre Kinder« sich auf die Glieder der Gemeinde bezieht. Der Kontext legt allerdings eher das Verständnis nahe, dass eine bestimmte Frau und ihre Kinder (ihr Nachwuchs) gemeint sind, die Johannes gut kannte. die ich in Wahrheit liebe. Die Grundlage christlicher Gastfreundschaft ist die Wahrheit (V. 1-3). Johannes hebt die Notwendigkeit der Wahrheit hervor, indem er das Wort »Wahrheit« fünf Mal in den ersten vier Versen gebraucht. Wahrheit bezieht sich auf die Grundlagen oder Fundamente des Glaubens, die Johannes sowohl in 1Joh (ein fundierter Glaube an Christus, Gehorsam, Liebe) als auch in 2Joh aufführt (z.B. V. 4-6). Wahrheit ist die notwendige Voraussetzung der Einheit und daher die Grundlage der Gastfreundschaft. 2 Wahrheit … bleibt in uns … wird mit uns sein in Ewigkeit. Gemeint ist die Wahrheit des Wortes Gottes (vgl. Kol 3,16). 3 Gnade, Barmherzigkeit und Friede … in Wahrheit und Liebe. Johannes geht von der Gnade zur Barmherzigkeit über und schließlich zum Frieden. Dadurch kennzeichnet er die Reihenfolge von Gottes Anteilnahme bis in hin zum Frieden des Menschen. Die Grenzen dieses dreifachen Segens fi nden sich in der Wahrheit und Liebe. 4 Kinder … die in der Wahrheit wandeln, wie wir ein Gebot empfangen haben. Das Verhalten der Gastfreundschaft beinhaltet Gehorsam gegenüber der Wahrheit (s. V. 5.6). Das Wort »wandeln« meint ein dauerhaftes Leben in der Wahrheit, d.h. den Gehorsam gegenüber der Wahrheit zu einer Lebensgewohnheit zu machen. 5 ein neues Gebot … dass wir einander lieben. Johannes verbindet das Gebot der Wahrheit mit dem Gebot der Liebe (vgl. 1Joh 2,7-11; 4,7-12). Das Wort »Liebe« spricht von praktizierender Liebe als Lebensgewohnheit. Sowohl das Wandeln in Wahrheit als auch in Liebe gehört zum Verhalten der Gastfreundschaft. 6 darin besteht die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln. Johannes defi niert Liebe nicht als ein Gefühl, sondern als Gehorsam gegenüber Gottes Geboten (s. Anm. zu 1Joh 5,2,3). Jene, die der Wahrheit der Gebote Gottes, der Fundamente des Glaubens, gehorsam sind (1Joh 2,3-11), werden als in der Liebe wandelnd beschrieben. Vgl. Joh 14,15,21; 15,10. 7 viele Verführer. Vgl. Mk 13,22,23; 1Tim 4,1-4; 2Pt 2,1ff.; 1Joh 4,1. In V. 7-11 führt Johannes Grenzen der christlichen Gastfreundschaft auf. Dies ist Johannes’ Grundgedanke in diesem Brief, der die beiden ersten Punkte erweitert. Da der Teufel als ein Engel des Lichts erscheint (2Kor 11,13-15), müssen Gläubige vor Irrtümern auf der Hut sein, indem sie mit der Wahrheit wohl vertraut sind. die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Die Originalsprache vermittelt den Gedanken, dass jemand die unverminderte Gottheit und Menschheit Christi beständig leugnet. Die biblische Christologie behauptet, dass Christus zugleich vollkommen Gott und Mensch war, mit allem, was zur Erfüllung der Erlösungsabsichten erforderlich war. Der Kern der schlimmsten Irrtümer falscher Religionen, Irrlehren und Sekten konzentriert sich auf die Leugnung des wahren Wesens Jesu Christi. 8 dass wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben. Obwohl Gläubigen generell eine Belohnung für Gastfreundschaft verheißen ist (z.B. Mt 10,41; 25,40; Mk 9,41), ist der Gedanke hier die volle Belohnung des Christen für alles Gute, das er getan hat (s. 1Kor 3,10-17; 2Kor 5,9,10). Jeder Christ kann davon etwas verlieren, wenn er die Gemeinschaft nicht auf der Grundlage des Festhaltens an der Wahrheit misst (Kol 2,18,19; 3,24,25). Das ist eine ernste Warnung. Die ewige Belohnung eines Christen kann durch das Unterstützen und Begünstigen falscher Lehren geschmählert werden, obwohl er die richtige geistliche Sichtweise über Christus haben mag. 9 Jeder, der … nicht in der Lehre des Christus bleibt, der hat Gott nicht. Untreue gegenüber den fundamentalen, gesunden Lehren des Glaubens (eine richtige Sichtweise über die Person und das Werk Christi, Liebe und Gehorsam) kennzeichnet eine Person, die nicht wiedergeboren ist (1Joh 2,23; 3,6-10; 4,20,21; 5,1-3). Das Wort »bleiben« beinhaltet den Gedanken konstanten Festhaltens und warnt davor, dass diese Grundlagen nicht verändert werden dürfen oder den neuesten Trends oder philosophischen Gedanken unterliegen. 10 den nehmt nicht auf ins Haus und grüßt ihn nicht. Johannes’ Verbot bezieht sich nicht auf Leute, die in untergeordneten Dingen anderer Meinung sind. Diese falschen Lehrer führten einen richtigen Feldzug, um die fundamentalen Wahrheiten des Christentums zu zerstören. Eine vollständige Trennung von solchen Irrlehrern ist für echte Gläubige die einzig angebrachte Verhaltensweise. Keine Art von Unterstützung oder Hilfe (nicht einmal ein Gruß) ist erlaubt. Christen sollten nur denen helfen, die die Wahrheit verbreiten (V. 5-8). 11 macht sich seiner bösen Werke teilhaftig. Solchen Führern Gastlichkeit zu erweisen, fördert die Verbreitung ihrer Irrlehre und hinterlässt unweigerlich den Eindruck, den Lehren dieser Antichristen zu zustimmen (vgl. 1Joh 2,22). Allein die Treue zu Gott und seinem Wort muss das Handeln eines jeden wahren Gläubigen bestimmen.
1 Der Älteste. Johannes benutzt den gleichen Ausdruck für sich selbst wie in 2Joh 1. Er bezieht sich wahrscheinlich auf sein Alter, seinen Status als apostolischer Augenzeuge des Lebens Jesu und auf seine offi zielle Autoritätsstellung in der Gemeinde. den geliebten. Der Begriff »Geliebte« wird im NT nur für Christen gebraucht (Kol 3,12; Phim 1,2; 2Pt 3,14; 1Joh 4,1). Gajus. Außer der Anrede am Anfang des Briefes ist von Gajus nichts bekannt. Der Name war einer von 18 geläufi gen Namen, von denen römische Eltern für gewöhnlich einen für ihre Söhne aussuchten, was eine genaue Identifi zierung erschwert. Bei Johannes, seinen Mitgläubigen und sogar bei Fremden, denen Gajus Gastfreundschaft gewährte, genoss er aufgrund seines christlichen Lebens und Verhaltens ein hohes Ansehen (V. 1-6). Johannes gibt seine eigene Wertschätzung für Gajus zu erkennen, indem er ihn in seinem Brief vier Mal »Geliebten« nennt (V. 1.2.5.11). Wahrscheinlich gehörte er zu einer Gemeinde in Kleinasien, die Johannes unter seiner Obhut hatte. Der Apostel plante, ihn irgendwann in nächster Zukunft zu besuchen (V. 13). den ich in Wahrheit liebe. Da Christen die Erkenntnis der Wahrheit miteinander teilen, besitzen sie auch die gleiche Quelle der Liebe (2Joh 1). Während manche meinten, dass der Ausdruck lediglich »wahrhaftig« oder »wirklich« bedeutet (Mk 12,32; Joh 1,47), unterstellt Johannes’ Gebrauch dieses Ausdrucks an anderer Stelle in seinen Briefen, wo Wahrheit eine solch wichtige Bedeutung einnimmt, dass der Älteste die Art von Liebe meinte, die mit den fundamentalen Wahrheiten des Glaubens übereinstimmt (vgl. V. 4; 1Joh 2,21; 3,19). 2 ich wünsche. Das gr. Original lässt erkennen, dass hier ein »betendes Wünschen« gemeint ist, obgleich man sagen muss, dass in den meisten deutschen Bibelübersetzungen hier nur das Wort »wünschen« zu fi nden ist (A.d.Ü.). Johannes’ Gebet für Gajus ist bedeutsam. Gajus’ geistlicher Zustand war so ausgezeichnet, dass Johannes betete, dass seine physische Gesundheit seiner geistlichen Energie entsprechen würde. Nach der Gesundheit des anderen zu fragen, war ein üblicher Brauch in den Briefen des Altertums, aber Johannes adaptierte diese Konvention in einmaliger Weise, um Gajus’ kraftvollen geistlichen Zustand hervorzuheben. 3 als Brüder kamen und … Zeugnis ablegten. Diese Aussage lässt darauf schließen, dass Christen Gajus’ beispielhaften Gehorsam gegenüber den Glaubensgrundlagen lobten. Sein geistlicher Ruf war weithin bekannt. du wandelst in der Wahrheit. Gajus’ Leben entsprach seinen Worten. Er besaß einen vorbildlichen Ruf, das zu praktizieren, was er predigte (2Joh 4). Johannes spricht ihm eine der größten Belobigungen des NT aus, da das Lob nicht nur die Tatsache bescheinigt, dass er die Wahrheit kannte, sondern sie auch treu ausübte. Gajus’ Handeln war ein starker Kontrast zu Diotrephes’ schlechtem Ruf (V. 10). 4 Ich habe keine größere Freude. Johannes’ persönliche Zuneigung zu Gajus war besonders auf sein Verhalten zurückzuführen (Lk 6,46). meine Kinder. Das gr. Original legt auf das Wort »meine« Nachdruck. Johannes’ Herz freute sich am richtigen Verhalten seiner geistlichen Kinder im Glauben. Jene, die in der Wahrheit (Glauben) leben (Verhalten) besitzen Integrität – zwischen dem Bekenntnis und dem Leben besteht kein Zwiespalt. Er hatte starke väterliche Zuneigungen zu ihnen (vgl. 1Kor 4,14-16; 1Th 2,11; 3,1-10). 5 du handelst treu. Echter Glaube bringt immer wahre gute Werke hervor (Jak 2,14-17). an den Brüdern … an den unbekannten. Gajus erwies nicht nur seinen Bekannten sondern auch Unbekannten Gastfreundschaft. Gemeint sind vor allem umherwandernde Evangeliumsprediger, die Gajus auf ihren Reisen unterstützte. 6 die von deiner Liebe Zeugnis abgelegt haben vor der Gemeinde. Gajus’ Ruf der Gastfreundschaft und Güte (und auch des Gehorsams – V. 3) war auch in den Gemeinden der Umgegend wohl bekannt. Du wirst wohl tun. Johannes ermutigt Gajus, weiterhin gastfreundlich zu sein, besonders wegen Diotrephes’ Vorgehen, der sich gegen ihn stellte (V. 10). wie es Gottes würdig ist. Vgl. Kol 1,10; 1Th
1 Der Älteste. Johannes benutzt den gleichen Ausdruck für sich selbst wie in 2Joh 1. Er bezieht sich wahrscheinlich auf sein Alter, seinen Status als apostolischer Augenzeuge des Lebens Jesu und auf seine offi zielle Autoritätsstellung in der Gemeinde. den geliebten. Der Begriff »Geliebte« wird im NT nur für Christen gebraucht (Kol 3,12; Phim 1,2; 2Pt 3,14; 1Joh 4,1). Gajus. Außer der Anrede am Anfang des Briefes ist von Gajus nichts bekannt. Der Name war einer von 18 geläufi gen Namen, von denen römische Eltern für gewöhnlich einen für ihre Söhne aussuchten, was eine genaue Identifi zierung erschwert. Bei Johannes, seinen Mitgläubigen und sogar bei Fremden, denen Gajus Gastfreundschaft gewährte, genoss er aufgrund seines christlichen Lebens und Verhaltens ein hohes Ansehen (V. 1-6). Johannes gibt seine eigene Wertschätzung für Gajus zu erkennen, indem er ihn in seinem Brief vier Mal »Geliebten« nennt (V. 1.2.5.11). Wahrscheinlich gehörte er zu einer Gemeinde in Kleinasien, die Johannes unter seiner Obhut hatte. Der Apostel plante, ihn irgendwann in nächster Zukunft zu besuchen (V. 13). den ich in Wahrheit liebe. Da Christen die Erkenntnis der Wahrheit miteinander teilen, besitzen sie auch die gleiche Quelle der Liebe (2Joh 1). Während manche meinten, dass der Ausdruck lediglich »wahrhaftig« oder »wirklich« bedeutet (Mk 12,32; Joh 1,47), unterstellt Johannes’ Gebrauch dieses Ausdrucks an anderer Stelle in seinen Briefen, wo Wahrheit eine solch wichtige Bedeutung einnimmt, dass der Älteste die Art von Liebe meinte, die mit den fundamentalen Wahrheiten des Glaubens übereinstimmt (vgl. V. 4; 1Joh 2,21; 3,19). 2 ich wünsche. Das gr. Original lässt erkennen, dass hier ein »betendes Wünschen« gemeint ist, obgleich man sagen muss, dass in den meisten deutschen Bibelübersetzungen hier nur das Wort »wünschen« zu fi nden ist (A.d.Ü.). Johannes’ Gebet für Gajus ist bedeutsam. Gajus’ geistlicher Zustand war so ausgezeichnet, dass Johannes betete, dass seine physische Gesundheit seiner geistlichen Energie entsprechen würde. Nach der Gesundheit des anderen zu fragen, war ein üblicher Brauch in den Briefen des Altertums, aber Johannes adaptierte diese Konvention in einmaliger Weise, um Gajus’ kraftvollen geistlichen Zustand hervorzuheben. 3 als Brüder kamen und … Zeugnis ablegten. Diese Aussage lässt darauf schließen, dass Christen Gajus’ beispielhaften Gehorsam gegenüber den Glaubensgrundlagen lobten. Sein geistlicher Ruf war weithin bekannt. du wandelst in der Wahrheit. Gajus’ Leben entsprach seinen Worten. Er besaß einen vorbildlichen Ruf, das zu praktizieren, was er predigte (2Joh 4). Johannes spricht ihm eine der größten Belobigungen des NT aus, da das Lob nicht nur die Tatsache bescheinigt, dass er die Wahrheit kannte, sondern sie auch treu ausübte. Gajus’ Handeln war ein starker Kontrast zu Diotrephes’ schlechtem Ruf (V. 10). 4 Ich habe keine größere Freude. Johannes’ persönliche Zuneigung zu Gajus war besonders auf sein Verhalten zurückzuführen (Lk 6,46). meine Kinder. Das gr. Original legt auf das Wort »meine« Nachdruck. Johannes’ Herz freute sich am richtigen Verhalten seiner geistlichen Kinder im Glauben. Jene, die in der Wahrheit (Glauben) leben (Verhalten) besitzen Integrität – zwischen dem Bekenntnis und dem Leben besteht kein Zwiespalt. Er hatte starke väterliche Zuneigungen zu ihnen (vgl. 1Kor 4,14-16; 1Th 2,11; 3,1-10). 5 du handelst treu. Echter Glaube bringt immer wahre gute Werke hervor (Jak 2,14-17). an den Brüdern … an den unbekannten. Gajus erwies nicht nur seinen Bekannten sondern auch Unbekannten Gastfreundschaft. Gemeint sind vor allem umherwandernde Evangeliumsprediger, die Gajus auf ihren Reisen unterstützte. 6 die von deiner Liebe Zeugnis abgelegt haben vor der Gemeinde. Gajus’ Ruf der Gastfreundschaft und Güte (und auch des Gehorsams – V. 3) war auch in den Gemeinden der Umgegend wohl bekannt. Du wirst wohl tun. Johannes ermutigt Gajus, weiterhin gastfreundlich zu sein, besonders wegen Diotrephes’ Vorgehen, der sich gegen ihn stellte (V. 10). wie es Gottes würdig ist. Vgl. Kol 1,10; 1Th 2,12 Dies besagt, Menschen so zu behandeln, wie Gott sie behandeln würde (s. Mt 10,40). Es ist die maßgebliche Art und Weise, in der Gastfreundschaft ausgeübt werden sollte (Mt 25,40-45). 7.8 Johannes nennt mehrere Gründe dafür, dass Gastfreundschaft in der Weise ausgeübt werden sollte, »wie es Gottes würdig ist«. Erstens, man muss denen Gastfreundschaft erweisen, die reine Motive haben. Diese umherreisenden Missionare zogen »um seines Namens willen« aus (V. 7; vgl. Röm 1,5). Sie tun ihren Dienst zur Ehre Gottes, nicht zu ihrer eigenen. Zweitens, man muss denen Gastfreundschaft zeigen, die ihren Dienst nicht wegen des Geldes tun. Da die Missionare nichts »von den Heiden« nahmen (V. 7), bildete die Gemeinde ihre einzige Unterstützung. Sie waren frei von Habgier (2Kor 2,17; 1Tim 5,17,18). Drittens, jene, die Gastfreundschaft ausüben, haben Anteil an den Diensten ihrer Gäste (V. 8). 2Joh 10 und 3Joh 8 schildern die gleiche Situation nur mit anderen Vorzeichen; in 3Joh 8 wird gastfreundliches Verhalten gegenüber richtigen Lehrern befürwortet, wie umgekehrt in 2Joh 10 vor der Gastfreundschaft gegenüber falschen Lehrern gewarnt wird. Wer Gastlichkeit erweist, nimmt an den Taten des Gastes teil (zum Guten oder Schlechten). 9 Ich habe der Gemeinde. Johannes hatte offenbar schon einen Brief an die Gemeinde geschrieben, vielleicht mit dem Thema Gastfreundschaft, der den Adressaten allerdings nie erreichte. Vielleicht hatte Diotrephes ihn der Gemeinde nie vorgelesen, da er Johannes’ Autorität nicht akzeptierte (vgl. V. 9.10). Diotrephes, der bei ihnen der Erste sein möchte. Im zweiten Teil seines Briefes verurteilte Johannes das Verletzen der Gastfreundschaft gegenüber treuen Dienern des Wortes. Der Ausdruck »der erste sein zu wollen« vermittelt den Gedanken eines egoistischen, selbstsüchtigen Menschen. Es erinnert an einen selbstdarstellerischen Demagogen, der keinem dient, aber von allen verlangt, ihm zu dienen. Diotrephes’ Handeln steht im direkten Widerspruch zu den Lehren Jesu und des NT über das Dienen in der Gemeinde (vgl. Mt 20,2028; Phil 2,5-11; 1Tim 3,3; 1Pt 5,3). nimmt uns nicht an. Diotrephes veranschaulichte das Gegenteil von Güte und Gastfreundschaft gegenüber Dienern Gottes. Er bestritt sogar Johannes’ apostolische Autorität über die örtliche Gemeinde und lehnte somit die Offenbarung Gottes ab, die Johannes in Vollmacht überbrachte. Sein Stolz war bestrebt, die Herrschaft Christi durch Johannes in der Gemeinde zu verdrängen. Diotrephes’ Charakter war das genaue Gegenteil des sanften und liebevollen Gajus, der Gastfreundschaft bereitwillig gezeigt hatte. 10 Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten. Johannes’ apostolische Autorität bedeutete, dass Diotrephes
1 Judas. S. Einleitung: Autor und Abfassungszeit. Knecht. Vor der Kreuzigung und Auferstehung hatte Judas Jesus als Messias abgelehnt (Mt 13,55; Mk 6,3; Joh 7,5), hinterher jedoch sah er sich demütig als Jesu Sklave, denn er hatte sich Christus als seinem Herrn unterworfen. Bruder des Jakobus. Jakobus war bekannt als Führer der Gemeinde von Jerusalem (Apg 12,17; 15,13; 21,18; Gal 2,9) und als Autor des nach ihm benannten Briefes. Berufenen. Wie stets in den ntl. Briefen bedeutet »Berufung« hier nicht eine allgemeine Einladung zum Heil, sondern Gottes unwiderstehbare, erwählende Berufung zum Heil (vgl. Röm 1,7; 1Kor 1,23.24; 1Th 5,24; 2Th 2,13.14). Diese Berufung führt zu: 1.) Gemeinschaft mit Christus (1Kor 1,9), 2.) Frieden (1Kor 7,15), 3.) Freiheit (Gal 5,13), 4.) einem würdigen Wandel (Eph 4,1), 5.) Hoffnung (Eph 4,4), 6.) Heiligkeit (1Pt 1,15), 7.) Segnungen (1Pt 3,9) und 8.) ewiger Herrlichkeit (1Pt 5,10). Vgl. »Gnade unseres Gottes« (V. 4). Gott, den Vater. Der Heilsplan und seine Erfüllung kommen von Gott, der nicht nur unser Vater ist im Sinne des Erschaffens aller Dinge, sondern auch »Gott, unser Retter« (V. 25; vgl. 1Tim 2,4; Tit 1,3; 2,10; 3,4). S. Anm. zu 1Tim 4,10. geheiligt. Die besseren gr. Texte lesen »geliebt«. Vgl. Joh 13,1; 14,23; 16,27; 17,20.23; Röm 5,8; 1Joh 3,1. Diese Verse verdeutlichen die bedingungslose und daher unendliche Liebe Gottes zum Gläubigen in Christus. Dass Gläubige »geheiligt« sind, d.h. abgesondert von der Sünde zu Gott durch die umgestaltende Bekehrung, ist sicherlich in dieser Liebe begründet. bewahrt. S. Anm. zu V. 24. Gott führt nicht nur zur Errettung, sondern bringt sie in Christus auch zum Ziel und bewahrt somit den Gläubigen sicher zum ewigen Leben (vgl. Joh 6,37-44; 10,28-30; 17,11.15; Röm 8,31-39; 2Tim 4,18; Hebr 7,25; 9,24; 1Pt 1,3-5). 2 Barmherzigkeit, Friede und Liebe. »Barmherzigkeit und Friede« war ein üblicher jüdischer Gruß; »Liebe« wurde hinzugefügt, um diesen Gruß ausgesprochen christlich zu machen. Diese drei Begriffe erscheinen im NT nur hier so dicht zusammen. Wo Gesetz und Werke vorherrschen, fi nden sich nur Versagen und Tod. Wo die Gnade herrscht, ist Barmherzigkeit (Eph 2,4; Hebr 4,16), Friede (Röm 5,1) und Liebe (Röm 5,5) in Fülle. 3 Geliebte. Vgl. V. 17.20. hielt ich es für notwendig. Vgl. 1Kor 9,16. Dieser Vers zeigt uns, dass Judas in diesem Brief das Heil als eine gemeinsame Segnung aller Gläubigen zu beschreiben vorhatte. Betonen wollte er dabei vielleicht die Einheit und Gemeinschaft unter den Gläubigen, und er wollte sie erinnern, dass Gott nicht die Person ansieht. Doch stattdessen sah er sich gezwungen, mit diesem Brief zum Kampf für die Wahrheit aufzurufen, was angesichts des Eindringens abtrünniger Lehrer nötig war. den Glauben. Das bezieht sich auf die Gesamtheit der offenbarten Heilswahrheit in der Bibel (vgl. Gal 1,23; Eph 4,5.13; Phil 1,27; 1Tim 4,1). Vgl. V. 20. Judas ruft dazu auf, die gesunde Lehre zu kennen (Eph 4,14; Kol 3,16: 1Pt 2,2; 1Joh 2,1214), sorgfältig Wahrheit von Irrtum zu unterscheiden (1Th 5,20-22) und bereit zu sein, Irrtümer aufzuzeigen und zu bekämpfen (s. Anm. zu 2Kor 10,3-5; Phil 1,17.27; 1Tim 1,18; 6,12; 2Tim 1,13; 4,7.8; Tit 1,13). kämpft. Die Errettung der Empfänger dieses Briefes stand zwar nicht in Gefahr, doch die Irrlehrer, die ein falsches Evangelium verkündeten und auslebten, verführten die Unerretteten, die dringend das wahre Evangelium hören mussten. Judas schrieb diesen dringenden Aufruf an Christen, um jeglicher Form von Irrlehre den Krieg zu erklären. Sie sollten entschieden für die Wahrheit kämpfen, wie ein Soldat, der mit der erhabenen Aufgabe betraut wurde, einen heiligen Schatz zu bewachen (vgl. 1Tim 6,12; 2Tim 4,7). den Heiligen ein für allemal überliefert. Gottes Wahrheit ist seit Vollendung der Bibel ein für allemal überliefert und darf weder durch Zufügungen noch durch Auslassungen verändert werden (vgl. 5Mo 4,2; 12,32; Spr 30,6; Offb 22,18.19). Die Bibel ist vollständig, allgenugsam und vollendet und steht daher für alle Zeiten fest. Dem inspirierten Kanon darf nichts zugefügt werden (s. Anm. zu 2Tim 3,16.17; 2Pt 1,19-21), weil nichts anderes notwendig ist. Jetzt sind alle Gläubigen verantwortlich, das Wort zu studieren (2Tim 2,15), zu predigen (2Tim 4,2) und für seine Reinerhaltung zu kämpfen. Heiligen. Die Gläubigen werden als heilig bezeichnet, da sie von der Sünde weg für Gott abgesondert sind. S. Anm. zu 1Kor 1,2. 4 etliche Menschen unbemerkt eingeschlichen. Das waren Lügen infi ltrierende, falsche Lehrer, die Wahrheitstreue vortäuschten und oberfl ächlich echt wirkten, die aber beabsichtigten, Gottes Volk in die Irre zu führen (vgl. Mt 7,15; Apg 20,29; Gal 2,4.5; 1Tim 4,1-3; 2Pt 2,1.20; 1Joh 2,18-23). Diese Abtrünnigen waren Fälschungen Satans und gaben sich wahrscheinlich als Wanderprediger aus (vgl. 2Kor 11,13-15; 2Pt 2,1-3; 2Joh 7-11). Sie waren deshalb so gefährlich, weil sie sich »heimlich einschlichen«. Drei Merkmale kennzeichneten sie: 1.) Sie waren gottlos, 2.) sie verdrehten die Gnade und 3.) sie leugneten Christus. schon längst … aufgeschrieben. Über Apostasie und Abtrünnige im Allgemeinen war bereits viele Jahrhunderte zuvor geschrieben worden, wie z.B. in V. 5-7 illustriert ist, und Männer wie Henoch hatten über sie geweissagt (V. 14-16). Vgl. Jes 8,19-21; 47,9-15; Hos 9,9; Zeph 3,1-8. Ihr Verdammungsurteil war in der Bibel »längst aufgeschrieben« und warnte alle späteren Generationen. Jesus hatte in Mt 7,15-20 (vgl. Apg 20,29) vor Abtrünnigen gewarnt. Die jüngste Warnung stammte von Petrus in 2Pt 2,3.17; 3,7. zu diesem Gericht. Das bezieht sich auf das Gericht, über das andere »längst« gesprochen hatten. Über die jetzigen Abtrünnigen wurde durch diese Warnung dasselbe Gericht Gottes ausgesprochen, das wegen anderer Abtrünniger »schon längst« beschrieben worden war. Gottlose. Wörtl. »Unfromme« oder »ohne Ehrfurcht oder Anbetung«. Dass sie Gott keine Verehrung entgegenbrachten, wird daran deutlich, dass sie die Gemeinde Gottes mit Unwahrheiten infi ltrierten und korrumpierten und sich an den Gläubigen bereicherten. Vgl. V. 15.16.18.19. Zügellosigkeit. Wörtl. »unbeherrschte Untat« oder »Ausschweifung«, was den schamlosen Lebensstil von jemanden beschreibt, der respektlos Gottes Gnade missbraucht, indem er ungeniert und offen der Unmoral frönt (vgl. Röm 6,15). den einzigen Herrscher … Herrn Jesus Christus verleugnen. S. Anm. zu 2Pt 2,1. Hier werden zwei verschiedene gr. Worte für »Herrscher« und »Herr« verwendet. Die Abtrünnigen leugneten Christus als souveränen Herrn (despotes) und verachteten durch ihr boshaftes Verhalten jede Anerkennung von Christus als verehrungswürdigen Herrn (kyrios). In den besseren Handschriften fehlt »Gott« im Text, sodass die Betonung eindeutig auf der einen Person des Herrn Jesus Christus liegt und herausgestellt wird, dass er es ist, den die Abtrünnigen leugnen. S. Anm. zu 2Pt 2,1. Vgl. Mt 10,33; 2Tim 2,12; Tit 1,16; 1Joh 2,22.23. Alle Apostaten, Irrlehrer und falschen Religionen verdrehen das, was die Bibel über den Herrn Jesus Christus lehrt. 5-7 Als kurze Erinnerungen führt Judas drei bekannte Beispiele für Abtrünnigkeit aus dem AT an (V. 5) und veranschaulicht damit, dass sie verdammungswürdig sind, wie in V. 4 erklärt wird. 5 errettet … vertilgte. Vgl. Hebr 3,16-19. Gott rettete das Volk Israel auf wunderbare Weise aus der ägyptischen Sklaverei (2Mo 12,51; 5Mo 4,34), doch sie reagierten darauf nur mit Unglauben und Abfall vom Glauben, und bezweifelten, dass Gott sie in das gelobte Land bringen konnte (4Mo 13,25 – 14,4). Sie gingen sogar so weit, dass sie ein selbst hergestelltes Götzenbild anbeteten und anstatt Gott zu bewundern, gegen ihn murrten (2Mo 16,7-12; 1Kor 10,10.11). Diese abtrünnige Generation starb während der 38 Jahre Wüstenwanderung (4Mo 14,22-30.35) 6 Engel, die … nicht bewahrten. Diese Abtrünnigkeit gefallener Engel wird in 1Mo 6,1-3 erklärt: Sie fuhren in Männer, die von ihnen besessen wurden und dann mit Frauen geschlechtlich verkehrten. S. Anm. zu 2Pt 2,4. Dass Judas in V. 7 zu Sodom und Gomorra übergeht, weist darauf hin, dass die Sünde der Homosexualität und das Vergehen jener Engel aus 1Mo 6 ähnlich gewertet werden. das Gericht des großen Tages. Das bezieht sich auf das Endgericht, bei dem alle Dämonen und Satan für immer in den »Feuersee« verbannt werden, der für sie (Mt 25,41; Offb 20,10) und alle Gottlosen (Offb 20,15) bereitet ist. 7 Sodom und Gomorra. S. Anm. zu 2Pt 2,6-10. Die Zerstörung dieser Städte, die am Südostufer des Toten Meeres lagen, dient in der Bibel über 20-mal als Illustration für Gottes Gericht in der Zeit von Abraham und Lot (vgl. 1Mo 18,22 – 19,29). Diese Zerstörung geschah aufgrund des dortigen Abfalls, denn sie geschah etwa 450 Jahre nach der Sintfl ut, als zumindest noch einer der Söhne Noahs lebte, nämlich Sem (1Mo 11,10.11). Da seit Noahs Tod erst 100 Jahre vergangen waren (1Mo 9,28), kannten die Menschen sicherlich die Botschaft der Gerechtigkeit und des Gerichts Gottes, die Noah gepredigt hatte, die sie jedoch verwarfen. in gleicher Weise wie diese. Das verweist zurück auf V. 6. Unzucht … anderem Fleisch nachgingen. Das bezieht sich sowohl auf die heterosexuellen (1Mo 19,8) als auch homosexuellen Begierden (1Mo 19,4.5) der Bewohner dieser Städte. Vgl. 3Mo 18,22; 20,13; Röm 1,27; 1Kor 6,9; 1Tim 1,10 für die absolute Verdammungswürdigkeit von praktizierter Homosexualität. ewigen Feuers. Sodom und Gomorra zeigen durch das Feuer des irdischen Gerichts wie groß der Zorn Gottes darüber ist (vgl. Offb 16,8.9; 20,9); aber es ist nur ein Vorgeschmack auf das unauslöschliche Feuer in der ewigen Hölle (vgl. Mt 3,12; 18,8; 25,41; Mk 9,43.44.46.48; Lk 3,17; Offb 19,20; 20,14.15; 21,8). 8 diese … Träumereien. S. Anm. zu 2Pt 2,10-12. Das bezeichnet einen Verwirrungszustand der Seele oder eine abnormale Fantasie, die zu Illusionen, Wahnvorstellungen und verwirrten Sinnen führt. Der Verstand dieser Menschen war unempfänglich für die Wahrheit des Wortes Gottes, sodass sie sich in ihrem betörten Wahnzustand böse Perversionen vorstellten und blind und taub waren für Realität und Wahrheit. Vielleicht behaupteten sie fälschlicherweise, es handle sich dabei um Träume bzw. Visionen von Gott. »Diese« wird noch fünf weitere Male (V. 10.12.14.16.19; hier z.T. mit »die« übersetzt) für die Abtrünnigen verwendet, die hier dreifach charakterisiert werden (V. 8). befl ecken … das Fleisch. Genau wie die Bewohner von Sodom und Gomorra (V. 7) kennen auch die Abgefallenen kaum moralische Grenzen, wenn überhaupt, und sind daher durchgängig von einer unmoralischen Lebensweise gekennzeichnet (V. 4). Vgl. Tit 1,15; Hebr 12,15; 2Pt 2,1019; 3,3. verachten die Herrschaft. Wie die sündigenden Engel (V. 6) missachten diese Heuchler jegliche Autorität, irdische wie geistliche, und verwerfen damit die Bibel und verleugnen Christus (V. 4). lästern Mächte. Vgl. V. 10. Diese Mächte (wörtl. »Herrlichkeiten«) sind wahrscheinlich Engel, was durch die Illustration von V. 9 unterstützt wird. 9 Erzengel Michael. Der Hauptengel Gottes, der insbesondere über Israel wacht (Dan 10,13.21; 12,1) und der die heiligen Engel anführt (Offb 12,7). Dieser Streit um den Leib Moses wird sonst nirgends in der Bibel erwähnt. Michael musste gegen Satan kämpfen, weil Gott ihn dazu aufgefordert hatte. Ähnliches tat Michael in Dan 10,13 (s. Anm. dort). Teufel. Ein anderer Name für Satan, der so viel bedeutet wie »Durchein anderwerfer« (vgl. Offb 12,9.10). Leib Moses. Mose starb auf dem Berg Nebo in Moab, ohne ins gelobte Land gekommen zu sein, und wurde an einem geheimen Ort begraben, den kein Mensch kennt (5Mo 34,5.6). Wahrscheinlich fand diese Auseinandersetzung statt, als Michael Mose begrub. Damit sollte Satan davon abgehalten werden, den Leichnam Moses zu irgendwelchen diabolischen Zwecken zu missbrauchen, die hier nicht näher erklärt sind. Vielleicht wollte Satan den Leichnam als Gegenstand der Verehrung Israels einführen und somit zum Götzen machen. Gott sandte jedoch Michael, um sicherzustellen, dass der Leichnam begraben wird. Dieser Bericht wurde überliefert in der pseudepigrafi schen Himmelfahrt Moses (s. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger). lästerndes Urteil. S. Anm. zu 2Pt 2,11. Anstatt eine solch mächtige Person wie Satan zu verfl uchen, verwies Michael auf die ultimative, souveräne Macht Gottes, und folgte damit dem Beispiel des Engels des Herrn in Sach 3,2. Das ist das beste Beispiel dafür, wie Christen sich gegenüber Satan und Dämonen verhalten sollten. Die Gläubigen sollen diese Wesen nicht ansprechen, sondern vielmehr erstreben, dass der Herr in seiner eingreifenden Macht gegen sie vorgeht. 10 lästern. Vgl. V. 8. In ihrer dreisten, arroganten und egoistischen Vernarrtheit in ihre eingebildete Macht und Autorität lassen sich die Abtrünnigen über Dinge aus, die sie überhaupt nicht verstehen. was sie … was sie. S. Anm. zu 2Pt 2,12. Abtrünnige sind intellektuell arrogant und geistlich töricht und unwissend, da sie von Satan verblendet sind (2Kor 4,4) und in ihrem unerlösten Zustand geistliche Dinge nicht verstehen können (1Kor 2,14). In geistlichen Dingen haben sie nicht mehr Erkenntnis als die stumpfsinnigsten Tiere. verderben sie sich. In geistlicher und moralischer Selbstzerstörung. 11 Wehe. Mit seiner Ankündigung des ultimativen geistlichen Gerichts über diese Abtrünnigen folgt Judas dem Beispiel der Propheten (vgl. Jes 5,8-23) und dem Beispiel Jesu (vgl. Mt 23,13.15.16.23.25.27.29). Diese Abtrünnigen werden das allerschwerste Gericht überhaupt erleiden (Hebr 10,26), weil auch sie denselben Weg gingen wie Kain, Bileam und Korah. Weg Kains. Kain rebellierte unverhohlen gegen Gottes offenbarten Willen, ein gottgemäßes Opfer darzubringen (s. Anm. zu 1Mo 4,1-15; vgl. Hebr 11,4; 1Joh 3,12). Betrug Bileams. Vgl. 4Mo 22-25; s. Anm. zu 2Pt 2,15. Für einen beträchtlichen fi nanziellen Lohn erdachte Bileam einen Plan für Balak, den Moabiterkönig, um Israel zum Götzendienst und zur Unmoral zu verlocken und somit in eine Situation zu bringen, in der Gott Gericht über sein Volk üben musste (vgl. 4Mo 31,16; Offb 2,14). Widersetzlichkeit Korahs. S. Anm. zu 4Mo 16,1-35. Korah und 250 Führungspersonen Israels verwarfen die von Gott eingesetzte Führerschaft Moses und Aarons und versuchten, Gott und dem Volk den Willen Korahs aufzuzwingen. Die Apostaten im Judasbrief werden zweifellos genauso enden wie Korah – im Gericht Gottes. 12.13 S. Anm. zu 2Pt 2,13-17. 12 Schandfl ecken bei euren Liebesmahlen. S. Anm. zu 2Pt 2,13. »Schandfl ecken« können auch verstanden werden als »verborgene Klippen« oder »Riffe«. Diese Abtrünnigen waren Schmutzfl ecken, Dreck auf den Kleidern der Gemeinde, oder, was wahrscheinlicher ist: Was Gott für die Gemeinde als ungehinderte Schiffsreise vorgesehen hatte, verwandelten sie durch ihre Anwesenheit in einen potenziellen Schiffbruch. Die »Liebesmahle« waren die regelmäßigen Zusammenkünfte der Gemeinde, bei denen sie das Mahl des Herrn feierten und eine gewöhnliche gemeinsame Mahlzeit einnahmen (vgl. 1Kor 11,20-30). Wolken ohne Wasser. S. Anm. zu 2Pt 2,17. Abtrünnige verheißen geistliches Leben, doch sind sie in Wirklichkeit leere Wolken, die Hoffnung auf Regen wecken, doch letztlich nichts als Trockenheit und Tod hinterlassen (vgl. Spr 25,14). Sie verkündigen ein falsches Evangelium, das nur zur Hölle führt. unfruchtbare Bäume. Abtrünnige geben vor, ein geistliches Festmahl zu bieten, doch stattdessen bringen sie eine Hungersnot (vgl. Lk 16,6-9). Zweifach erstorbene Bäume werden niemals Frucht tragen und ganz gleich, was sie sagen, werden sie immer unfruchtbar bleiben, weil sie entwurzelt sind. Vgl. Mt 7,17-20. 13 wilde Wellen. Abtrünnige versprechen einen vollmächtigen Dienst, doch stellt sich alsbald heraus, dass sie nichts als Katastrophen und wertlose Schande verursachen (vgl. Jes 57,20). Irrsterne. Das bezieht sich höchstwahrscheinlich auf einen Meteoriten oder eine Sternschnuppe mit kurzfristiger, enormer Leuchtkraft, die sich dann aber für immer in Nichts aufl öst. Abtrünnige verheißen dauerhafte geistliche Richtungsweisung, doch geben sie nur einen kurzen ziel- und wertlosen Blitz von sich. 14 Henoch. Nach dem Stammbäumen aus 1Mo 5,1-24; 1Chr 1,1-3 lebte Henoch in der siebten Generation nach Adam. Da Henoch »mit Gott wandelte«, wurde er direkt in den Himmel aufgenommen, ohne dass er sterben musste (vgl. 1Mo 5,24; Hebr 11,5). Von diesen … geweissagt. S. Anm. zu V. 4. Diese Information stammt vom Heiligen Geist, der Judas inspiriert hat. Dass sie auch im nicht kanonischen und pseudepigrafi schen Buch Henoch steht, beeinträchtigt nicht ihre Richtigkeit. S. Einleitung: Herausforderungen für den Ausleger. Siehe, der Herr … mit seinen heiligen Zehntausenden. Bereits vor der Sintfl ut prophezeite Henoch, dass Christus bei seinem zweiten Kommen Gericht üben werde (vgl. 1Th 3,13). »Heilige« kann sich sowohl auf Engel als auch auf Gläubige beziehen. Da der Herr in Begleitung sowohl von Engeln (Mt 24,31; 25,31; Mk 8,38; 2Th 1,7) als auch Gläubigen (Kol 3,4; 1Th 3,13; Offb 19,14) wiederkommen wird, kann es sich auf beide zugleich beziehen (vgl. Sach 14,5). Da in V. 15 allerdings das Hauptaugenmerk dem Gericht gilt, geht es wahrscheinlich um Engel, denen oft das Ausführen des Gerichts übertragen ist. Die Gläubigen werden während der irdischen Herrschaft des Herrn eine richtende Rolle haben (s. Anm. zu 1Kor 6,2) und zur Erde zurückkommen, wenn Christus zum Gericht erscheint (Offb 19,14); Engel hingegen sind die Vollstrecker des Gerichts Gottes bei der Wiederkunft Christi (s. Mt 13,39-41.49.50; 24,29-31; 25,31; 2Th 1,7-10). 15 um Gericht zu halten. Das Urteil wird die ewige Hölle sein (s. Offb 20,11-15). Vgl. Mt 5,22; 7,19; 8,12; 10,28; 13,40-42; 25,41.46). Gottlosen. S. Anm. zu V. 4. Das viermalige Vorkommen dieses Wortes als Beschreibung der Abtrünnigen (vgl. V. 4.18) erklärt, worin ihre eigentliche, innerliche Bosheit besteht: Sie ehren Gott nicht. S. wie Petrus den Begriff verwendet in 2Pt 2,5.6; 3,7. Christus starb für Gottlose (Röm 5,6). 16 Unzufriedene. S. Anm. zu V. 5. Dieses Wort kommt nur hier im NT vor, bezeichnet aber in der LXX das Murren Israels gegen Gott (2Mo 16,7-9; 4Mo 14,27.29; 1Kor 10,10). mit ihrem Geschick hadern. Wörtl. »Schuld fi nden«. Sie lassen ihrer Unzufriedenheit mit Gottes Willen und Wegen freien Lauf, wie einst Israel, Sodom, die gefallenen Engel, Kain, Korah und Bileam (vgl. V. 5-7.11). nach ihren Lüsten wandeln. S. Anm. zu 2Pt 2,10.18; 3,3. Dieser Ausdruck beschreibt üblicherweise die Unbekehrten (V. 18; 2Tim 4,3). Abtrünnige sind insbesondere getrieben von Begierden nach sündiger Lustbefriedigung. Mund redet übertriebene Worte. S. Anm. zu 2Pt 2,18. Sie reden überheblich, hochtrabend und sogar pathetisch, aber mit leeren, leblosen Worten ohne jeden geistlichen Wert. Ihre Botschaft hat eine äußerliche Attraktivität, aber keinerlei vollmächtigen Gehalt an geistlicher Wahrheit. ins Angesicht schmeicheln. Zu ihrem eigenen Gewinn sagen sie den Leuten das, was sie hören wollen (vgl. 2Tim 4,3.4), anstatt die Wahrheit des Wortes Gottes zum Segen der Zuhörer zu verkünden. Vgl. Ps 5,10; 12,3.4; Spr 26,28; 29,5; Röm 3,13; 16,18. 17.18 S. Anm. zu 2Pt 3,1-3. 17 Worte … von den Aposteln. Die Apostel hatten die künftige Generation vor den Abtrünnigen gewarnt, damit die Gläubigen vorbereitet seien und nicht überrascht werden (vgl. Apg 20,28-31; 1Tim 4,1.2; 2Tim 3,1-5; 4,1-3; 2Pt 2,1-3.4; 1Joh 2,18; 2Joh 7-11). Gottes Wort warnt und schützt (Apg 20,31; 1Kor 4,14). Aus V. 18 wird deutlich, dass diese Warnungen oftmals wiederholt wurden. 18 letzten Zeit. (vgl. 2Tim 3,1). Dieser Ausdruck bezeichnet die Zeit des Messias von seinem ersten Kommen bis zu seiner Wiederkunft (s. Anm. zu 2Tim 3,1; 2Pt 3,3; 1Joh 2,18). Diese charakteristischen Merkmale werden bleiben, bis Christus wiederkommt. Spötter. S. Anm. zu 2Pt 3,3. Sie spotten über Gottes Zukunftspläne und geben vor, die Wahrheit zu kennen, leugnen jedoch jegliches künftige Gericht. gottlosen Lüsten wandeln. S. Anm. zu V. 16. 19 Trennungen verursachen. Sie spalteten die Gemeinde, anstatt ihre Einheit zu stärken (vgl. Eph 4,4-6; Phil 2,2). natürliche [Menschen]. Wörtl. »seelische«. Abtrünnige Lehrer präsentieren sich, als hätten sie die höchste geistliche Erkenntnis, doch in Wirklichkeit sind sie von niedrigsten Instinkten getrieben. Sie sind nicht »geistlich«, sondern »seelisch«. Vgl. Jak 3,15. den Geist nicht haben. Den Geist nicht zu haben, bedeutet, überhaupt kein geistliches Leben zu besitzen (s. Anm. zu Röm 8,9; 1Kor 6,19.20) oder anders ausgedrückt, ein Ungläubiger zu sein. 20 erbaut. Wahre Gläubige haben in Jesus Christus eine sichere Grundlage (1Kor 3,11) und einen Eckstein (Eph 2,20). Gott hat die Wahrheiten des christlichen Glaubens (vgl. V. 3) in den Lehren der Apostel und Propheten gegeben (Eph 2,20), sodass Christen sich durch das Wort Gottes auferbauen können (Apg 20,32). betet im Heiligen Geist. S. Anm. zu Eph 6,18. Das ist kein Aufruf zu irgendeiner ekstatischen Gebetspraktik, sondern einfach eine Aufforderung, beständig im Willen und in der Kraft des Heiligen Geistes zu beten, so wie man im Namen Jesu Christi betet (vgl. Röm 8,26.27). 21 bewahrt. Vgl. Apg 13,43. Dieser Imperativ begründet die Verantwortung des Gläubigen, gehorsam und treu zu sein, indem er seine Errettung auslebt (vgl. Phil 2,12), und sich dabei dem Willen Gottes ausliefert (vgl. Phil 2,13). Das bedeutet, die Stellung des Gehorsams beizubehalten, wo Gottes Liebe auf seine Kinder ausgeschüttet wird. Wenn man hingegen ungehorsam ist, zieht man sich seine Züchtigung zu (vgl. 1Kor 11,27-31; Hebr 12,5-11). Hier geht es um die Beharrlichkeit der Randbemerkung), die möglicherweise zur Wahrheit gezogen werden können. 23 andere aber rettet. Mit den anderen, entschlossenen Anhängern der Irrtümer der Abtrünnigen, muss man sich so schnell wie möglich und direkt beschäftigen, bevor sie sich weiter auf dem Weg ins Feuer der Hölle festfahren (vgl. V. 7), da sie verführerische Lügen angenommen haben. mit Furcht. S. Randbemerkung für weitere Erklärungen zu diesem Ausdruck. Diese dritte Gruppe braucht ebenfalls Erbarmen, wenngleich sie durch und durch von abtrünniger Lehre verunreinigt sind. Diese Menschen brauchen dringend das wahre Evangelium, doch muss es ihnen mit großer Furcht vorgestellt werden, damit der Helfer nicht ebenfalls infi ziert wird. Das befl eckte Gewand repräsentiert das verdorbene Leben des Abtrünnigen, das diese Seuche auf den wohlmeinenden Evangelisten übertragen kann. 24.25 Judas’ herrlicher Schlusssegen ist eine der wunderbarsten Doxologien im ganzen NT (vgl. Röm 11,33-36; 16,25-27; 2Kor 13,14; Hebr 13,20.21). Damit kehrt er zurück zum Thema des Heils, das Judas zu Beginn zu entfalten gewünscht hatte (vgl. V. 3). Damit stärkt er den Mut der Gläubigen und versichert sie, dass Christus sie vor dem grassierenden Abfall bewahren wird. 24 Dem aber, der mächtig genug ist. D.h. der allmächtige Gott. Vgl. 1Mo 18,14; 5Mo 7,21; 1Sam 14,6; Mt 19,26. euch ohne Straucheln zu bewahren. S. Anm. zu V. 1; 1Pt 1,3-5. Die Macht Christi bewahrt den aufrichtigen Gläubigen davor, durch die Versuchung der Abtrünnigen zu Fall zu kommen (vgl. Hi 42,2; Ps 37,23.24; 121,3; Jer 32,17; Mt 19,26; Lk 1,37; Joh 6,39.40.44; 10,27-30; Eph 3,20). unsträfl ich. Vgl. 2Kor 11,2; Eph 5,27. Christen besitzen die zugerechnete Gerechtigkeit Christi durch die Rechtfertigung durch Glauben und sind würdig gemacht worden, ewiges Leben im Himmel zu genießen (s. Anm. zu Röm 8,31-39). mit Freuden. Das bezieht sich in erster Linie auf die Freude des Heilands (vgl. Hebr 12,2), aber auch auf die Freude des Gläubigen (vgl. 1Pt 1,8). Freude ist die in der Schrift die vorherrschende Beschreibung des Himmels (s. Mt 25,23). 25 allein weisen. Göttliche Weisheit ist allein in Christus verkörpert (vgl. 1Kor 1,24.30; Kol 2,3) und nicht in einem Menschen oder einer menschlichen Organisation oder Gruppe wie den Abtrünnigen. Gott, unserem Retter. Gott ist in seinem Wesen ein rettender Gott, im Gegensatz zu den unwilligen und gleichgültigen falschen Gottheiten menschlicher und dämonischer Erfi ndungen (s. Anm. zu 1Tim 2,2; 4,10; 2Tim 1,10; Tit 1,3; 2,10; 3,4; 2Pt 1,1; 1Joh 4,14). Herrlichkeit … Herrschaft. Sowohl Judas auf der Erde als auch die Engel und Heiligen im Himmel (Offb 4,10.11; 5,12-14) schreiben diese Herrlichkeiten Gott und dem Herrn Jesus Christus zu.
1,1 Offenbarung. Das gr. Wort, von dem der Begriff »Apokalypse« stammt, bedeutet wörtl. »enthüllen«, »aufdecken«. Wenn es sich auf eine Person bezieht, bedeutet es, dass die Person deutlich sichtbar wird (s. Einleitung: Titel; vgl. Lk 2,30-32; Röm 8,19; 1Kor 1,7; 1Pt 1,7). Jesu Christi. Die Evangelien offenbaren Christus in seiner Fleischwerdung bei seinem ersten Kommen in Niedrigkeit; die Offenbarung präsentiert ihn in seiner erhobenen Stellung: 1.) in strahlender Herrlichkeit (V. 7-20); 2.) als Herrn und Haupt seiner Gemeinde (Kap. 2.3); 3.) in seiner Wiederkunft, bei der er die Erde in Besitz nehmen und sie Satan, ihrem Aufrührer, entreißen und sein irdisches Reich aufrichten wird (Kap. 4-20); und 4.) als Initiator des ewigen Zustands (Kap. 21.22). Die Schreiber des NTs erwarteten inbrünstig diese Enthüllung (1Kor 1,7; 2Th 1,7; 1Pt 1,7). die Gott ihm gegeben hat. Als Lohn für Christi vollkommene Unterwerfung und sein Erlösungswerk übergab der Vater ihm nun die großartige Beschreibung seiner künftigen Herrlichkeit (vgl. Phil 2,5-11). Die Leser der Offenbarung können quasi mit zuhören, welche Gabe der Vater dem Sohn gegeben hat. rasch. Die Hauptbedeutung dieses Wortes (wörtl. »schnell«; vgl. 2,5.16; 3,11; 11,14; 22,12; 2Tim 4,9) unterstreicht, dass Christi Wiederkunft nahe bevorsteht.
1,3 Glückselig. Die Offenbarung ist das einzige Bibelbuch, das zu Be- ginn diejenigen selig preist, die zuhören, wenn es vorgelesen und erklärt wird, und die darauf mit Gehorsam reagieren. Das ist die erste von sieben Seligpreisungen in diesem Buch (V. 3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14). die Zeit ist nahe. Das Wort »Zeit« bezieht sich auf Epochen, Zeitalter oder Perioden. Das nächste größere Zeitalter in Gottes Heilsgeschichte steht bevor. Doch wenngleich Christi Wiederkunft das nächstgrößere Ereignis ist, kann sie sich so lange hinauszögern, dass die Menschen sich fragen, ob er überhaupt wiederkommen wird (vgl. Mt 24,36-39; 2Pt 3,3.4).
1,4 sieben Gemeinden, die in Asia sind. Die Provinz Asia lag in Kleinasien, der heutigen Türkei, und war in sieben Bezirke aufgeteilt. Im Zentrum dieser Bezirke befanden sich sieben wichtige Städte, die als Zentralstellen für die Verbreitung von Information dienten. Johannes schrieb die Offenbarung an die Gemeinden in diesen sieben Städten. der ist und der war und der kommt. Gottes ewige Gegenwart ist zeitlich nicht eingeschränkt. Er war immer gegenwärtig und wird in der Zukunft kommen. sieben Geistern. Zwei Bedeutungen sind möglich: 1.) der Ausdruck bezieht sich auf Jesajas Prophezeiung über den siebenfachen Dienst des Heiligen Geistes (Jes 11,2); oder, was wahrscheinlicher ist, 2.) er bezieht sich auf den siebenarmigen Leuchter (eine Menora) in Sacharja, der ebenfalls eine Beschreibung für den Heiligen Geist ist (s. Anm. zu 4,5; 5,6; Sach 4,1-10). Jedenfalls ist 7 die Zahl der Vollständigkeit, und somit beschreibt Johannes hier die Fülle des Heiligen Geistes.
1,5 Erstgeborenen. Von allen, die von den Toten auferstanden sind oder auferstehen werden, ist Christus der Vorrangige und der einzige rechtmäßige Erbe (vgl. 3,14; Ps 89,28; Kol 1,15).
1,6 Königen und Priestern. Genauer übersetzt: »zu einem König- tum und Priestern«. Alle Gläubigen leben im Bereich der Herrschaft Gottes und diese Sphäre ist ein Reich, in das man durch Glauben an Jesus Christus hineinkommt. Und als Priester haben Gläubige das Recht, in die Gegenwart Gottes zu treten.
1,7 kommt mit den Wolken. Ein Echo auf die Verheißungen Da- niels: Der Sohn des Menschen wird kommen auf den Wolken des Himmels (Dan 7,13). Das sind keine gewöhnlichen Wolken, sondern Wolken der Herrlichkeit. Im AT erschien Gott oft in einem starken, strahlenden Licht, das als Schechina oder Herrlichkeitswolke bezeichnet wird. Niemand konnte diese Wolke vollständig sehen und am Leben bleiben (2Mo 33,20), und deshalb musste sie verhüllt werden. Doch wenn Christus wiederkommt, wird die Herrlichkeit vollständig sichtbar werden. Vgl. Mt 24,29.30; 25,31; s. Anm. zu 6,12-17. welche ihn durchstochen haben. Das bezieht sich nicht auf die vier römischen Soldaten, die üblicherweise die Kreuzigung durchführten, sondern auf die Juden, die für Jesu Tod verantwortlich waren (Apg 2,22.23; 3,14.15). Sacharja bezeichnet die, die ihn durchbohrt haben, als »das Haus Davids« und »die Bewohner Jerusalems« und prophezeite, dass sie Tränen echter Buße darüber weinen werden, was sie ihrem Messias angetan haben (Sach 12,10). an die Brust schlagen alle Geschlechter. Das Wehklagen der übrigen Erdenbewohner ist keine Begleiterscheinung echter Buße (vgl. 9,21), sondern kommt aus Schuldgefühlen wegen ihrer Sünden und aus Angst vor Bestrafung (6,16; vgl. 1Mo 3,8-10).
1,8 das A und das O. Alpha und Omega sind die ersten und letz- ten Buchstaben des gr. Alphabets. Ein Alphabet ist ein geniales Mittel zur Speicherung und Übermittlung von Wissen. Die 30 Buchstaben des deutschen Alphabets können zu geradezu endlosen Abfolgen kombiniert werden und somit jegliches Wissen aufzeichnen und vermitteln. Christus ist das höchste, souveräne Alphabet, es gibt nichts außerhalb seines Wissens, und somit gibt es auch keine ihm unbekannten Faktoren, die seine Wiederkunft verhindern könnten (vgl. Kol 2,3). der Allmächtige. Der Ausdruck »Gott, der Allmächtige,« kommt achtmal in der Offenbarung vor und unterstreicht, dass Gottes Macht größer ist als alle katastrophalen Krisen, die dieses Buch beschreibt (s.a. 4,8; 11,17; 15,3; 16,7.14; 19,15; 21,22). Er hat die souveräne Herrschaft über jede Person, Sache und Begebenheit, und kein einziges Molekül im Universum befi ndet sich außerhalb seiner Herrschaft.
1,9 Diese Vision Christi wird in ihrer Erhabenheit nur noch über- troffen von der Vision seiner Wiederkunft als König der Könige und Herr der Herren (19,11-16). 1,9 an der Bedrängnis und am Reich und am standhaften Ausharren. Vier gemeinsame Merkmale von Johannes und seinen gläubigen Lesern sind: 1.) Verfolgung um des Glaubens willen; 2.) Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Erlösten, über die Christus Herr und König ist; 3.) inbrünstige Erwartung der Herrlichkeit seiner künftigen tausendjährigen Herrschaft auf der Erde; und 4.) Geduld und Ausharren trotz aller Schwierigkeiten. Insel, die Patmos genannt wird. Sie liegt in der Ägäis vor der Küste Kleinasiens (der heutigen Türkei) und gehört zu einer Gruppe von etwa 50 Inseln. Patmos ist eine karge, felsige, halbmondförmige Insel, die etwa 16 km lang und an der breitesten Stelle weniger als 10 km breit ist. Sie diente als römische Strafkolonie. Dem antiken Kirchenhistoriker Eu sebius zufolge ließ der Kaiser Nerva (96-98 n.Chr.) Johannes von Patmos frei.
1,10 im Geist. Was Johannes erlebte, war kein Traum. Er wurde auf übernatürliche Weise im Wachzustand aus der materiellen Welt herausgenommen und in eine Erfahrung geführt, die über die natürliche Sinneswahrnehmung hinausging. Der Heilige Geist befähigte seine Sinne, Offenbarungen von Gott wahrzunehmen (vgl. Apg 10,11). Tag des Herrn. Dieser Ausdruck kommt in vielen Schriften aus der Anfangszeit des Christentums vor und bezeichnet den Sonntag, den Tag der Auferstehung des Herrn. Manche Gelehrten meinen, dieser Begriff bezeichne den endzeitlichen »Tag des Herrn«, aber der Kontext unterstützt diese Auslegung nicht, außerdem ist die grammatische Form des Wortes »Herrn« adjektivisch und unterscheidet sich somit vom eschatologischen »Tag des Herrn«, bei dem »Herrn« im Genitiv steht. gewaltige Stimme. Im ganzen Buch der Offenbarung weist eine laute Stimme auf die Erhabenheit dessen hin, was Gott nun offenbaren wird.
1,11 Buch. Dieses gr. Wort bezeichnet eine Pergamentrolle aus Papy- rus. Papyrus ist eine Schilfart, die vor allem am Nilufer reichlich wächst.
1,12 Leuchter. Das waren tragbare goldene Ständer mit kleinen Öl- lampen. Jede Lampe repräsentierte eine Gemeinde (V. 20), die das Licht des Lebens ausstrahlte. In der ganzen Bibel ist 7 die Zahl der Vollständigkeit, und daher stehen diese sieben Lampen stellvertretend für alle Gemeinden.
1,13 Sohn des Menschen. Den Evangelien zufolge bezeichnete Christus sich während seines irdischen Wirkens mit diesem Titel am häufi gsten (81-mal in den Evangelien). Der Ausdruck stammt aus der Vision aus Dan 7,13 und enthält den Anspruch, Gott zu sein. Gewand. In der LXX, dem gr. AT, bezeichnet dieses Wort am häufi gsten das Gewand des Hohenpriesters. Die goldene Schärpe um seinen Brustkorb vervollständigt das Bild Christi in seinem Dienst als Priester (vgl. 3Mo 16,1-4; Hebr 2,17).
1,14 weiße Wolle. »Weiß« bezeichnet hier keine schlichte weiße Farbe, sondern ein glänzendes, leuchtendes weißes Licht (vgl. Dan 7,9). Das ist, genau wie die Herrlichkeitswolke (oder Schechina), ein Bild für seine Heiligkeit. Augen waren wie eine Feuerfl amme. Die Augen des erhöhten Herrn sehen wie zwei Laserstrahler mit einem durchdringenden Blick in die Tiefe seiner Gemeinde (2,18; 19,12; Hebr 4,13).
1,15 Füße wie schimmerndes Erz. Der Brandopferaltar war mit Erz (Kupfer) überzogen und seine Geräte bestanden aus demselben Material (vgl. 2Mo 38,1-7). Da Kupfer glühend heiß werden kann, sprechen kupferne Füße eindeutig von göttlichem Gericht. Jesus Christus geht mit Füßen des Gerichts durch seine Gemeinde und züchtigt sie in seiner Autorität wegen ihrer Sünde. Stimme wie das Rauschen vieler Wasser. Seine Stimme klang nicht mehr wie der kristallklare Ton einer Posaune (V. 10), sondern Johannes verglich den Klang mit dem Krachen der Brandung gegen die Felsen der Insel (vgl. Hes 43,2). Diese Stimme drückt Autorität aus.
1,16 sieben Sterne. Das sind die Boten, die die sieben Gemein- den repräsentieren (s. Anm. zu V. 20). Christus hält sie in seiner Hand, was bedeutet, dass er über die Gemeinde und ihre Führer herrscht. ein scharfes, zweischneidiges Schwert. Ein großes, zweischneidiges, breites Schwert. Es symbolisiert Gericht (vgl. 2,16; 19,15) über diejenigen, die sein Volk angreifen und seiner Gemeinde schaden wollen.
1,17 fi el ich zu seinen Füßen nieder. Das ist in der Bibel eine übliche Reaktion für jemanden, der die Furcht erregende Herrlichkeit des Herrn erblickt (1Mo 17,3; 4Mo 16,22; Hes 1,28; Jes 6,1-8; Apg 9,4). der Erste und der Letzte. Jesus Christus wendet diesen atl. Namen Jahwes (22,13; Jes 41,4; 44,6; 48,12) auf sich selbst an und beansprucht damit eindeutig, Gott zu sein. Götzen und Idole kommen und gehen. Er war vor ihnen da und er wird nach ihnen bestehen bleiben.
1,18 die Schlüssel des Totenreiches und des Todes. S. Anm. zu Lk 16,23. Tod und Hades sind im Grunde genommen Synonyme. Der Tod ist jedoch der Zustand und der Hades, der dem atl. Scheol entspricht, der Aufenthaltsort der Toten (s. Anm. zu 20,13). Christus entscheidet, wer lebt, wer stirbt und wann der Tod eintritt.
1,19 Dieser Vers bietet eine einfache Gliederung des gesamten Bu- ches: »Was du gesehen hast« bezieht sich auf die Vision, die Johannes
2,8 Engel. S. Anm. zu V. 1. Smyrna. Smyrna bedeutet »Myrrhe«. Aus dieser Pfl anze wurde ein Parfüm gewonnen und sie wurde häufi g zum wohlriechenden Einbalsamieren eines Leichnams verwendet. Diese antike Stadt (die heutige türkische Stadt Izmir) wurde »Krone Asiens« genannt. Sie war die schönste Stadt in Kleinasien und ein Zentrum von Wissenschaft und Medizin. Da Smyrna in römischen Kriegen stets zur Siegerseite gehörte, kam hier ein starker Kaiserkult auf. 50 Jahre nach dem Tod des Johannes wurde Polykarp, der Hirte der Gemeinde von Smyrna, im Alter von 86 Jahren bei lebendigem Leibe verbrannt, weil er sich weigerte, den Kaiser anzubeten. Auch die große jüdische Gemeinschaft in dieser Stadt zeigte der jungen Gemeinde ihre Feindschaft. der Erste und der Letzte. S. Anm. zu 1,17.
2,9 die sagen, sie seien Juden. Wenngleich sie von ihrer Ab- stammung her Juden waren, so waren sie keine wahren Juden, sondern geistliche Heiden (vgl. Röm 2,28). Sie verbündeten sich mit anderen Heiden, um Christen umzubringen und zu versuchen, den christlichen Glauben auszurotten. Synagoge des Satans. Mit der Verwerfung seines Messias wurde das Judentum genauso zum Werkzeug Satans wie der Kaiserkult.
2,10 Teufel. Der gr. Name für den Erzfeind Gottes bedeutet »An- kläger«. Teufel: eig diabolos, Durcheinanderwerfer, nicht Satan Erklärungen zu Satan s. Anm. zu Eph 6,10-17. Drangsal … zehn Tage lang. Sie werden nur kurze Zeit in Haft sein. Krone des Lebens. Das ist keine tatsächliche Krone im Sinne eines Kopfschmucks, sondern die Krone als Bild des Lebens, bzw. das Leben selbst als Belohnung. »Krone« bedeutet hier nicht eine Königskrone, sondern bezeichnet den Kranz, den siegreiche Sportler bekamen. 2,11 Wer überwindet. Das trifft auf jeden Christen zu (s. Anm. zu V. 7). zweiten Tod. Der erste Tod ist nur körperlich, der zweite Tod ist geistlich und ewig (vgl. 20,14).
2,12 Engel. S. Anm. zu 1,20. Pergamus. Pergamus bedeutet wörtl. »Zitadelle« und ist die Wurzel des Wortes »Pergament«. Es bezeichnet ein Schreibmaterial, das aus Tierhäuten gewonnen und offenbar zuerst in dieser Gegend hergestellt wurde. Pergamus (das heutige Bergama) wurde auf einem 300 m hohen Hügel erbaut, der in einer breiten, fruchtbaren Ebene gut 30 km landeinwärts von der Ägäisküste lag. Die Stadt fungierte über 250 Jahre lang als Hauptstadt der römischen Provinz Kleinasien und war ein wichtiges Religionszentrum für die heidnischen Kulte um Athene, Asklepios, Dionysus (oder Bacchus, dem Gott der Trunkenheit) und Zeus. Pergamus baute als erste Stadt Asiens einen Kaisertempel (29 v.Chr.) und wurde zur Hauptstadt des Kaiserkultes. zweischneidige Schwert. S. Anm. zu 1,16.
2,13 wo der Thron des Satans ist. Das Hauptquartier der sata- nischen Opposition und ein heidnisches Basislager falscher Religionen. Auf der Akropolis von Pergamus befand sich ein großer thronförmiger Zeus-Altar. Darüber hinaus war Asklepios, der Gott der Medizin, der Gott, der am meisten mit Pergamus in Verbindung gebracht wurde. Seine Schlangengestalt ist auch heute noch das Symbol für Medizin. Die berühmte Medizinschule, die mit seinem Tempel verbunden war, vermischte Medizin mit Aberglauben. Eine Vorschrift forderte den Anbeter auf, auf dem Fußboden des Tempels zu schlafen und Schlangen über seinen Körper kriechen zu lassen, wobei sie ihm angeblich ihre Heilkräfte einfl ößten. Antipas. Wahrscheinlich ein Hirte der Gemeinde. mein treuer Zeuge. Wörtl. »Märtyrer«. Da so viele treue Zeugen Christi umgebracht wurden, bekam das gr. Wort für Zeuge die heutige Bedeutung von »Märtyrer«. Der Überlieferung zufolge wurde Antipas in einer Messingröhre verbrannt.
2,14 Lehre Bileams. Bileam versuchte erfolglos, seine propheti- sche Gabe zu vermarkten und Israel für Geld zu verfl uchen, das der Moabiterkönig Balak ihm bot. Deshalb ersann er eine Hinterlist und ließ moabitische Frauen die israelitischen Männer verführen, Mischehen einzugehen. So ging Israel eine gotteslästerliche Verbindung zu Unzucht und Götzenfesten ein (zur Geschichte Bileams s. 4Mo 22-25). Götzenopfer. S. Apg 15,19-29.
2,15 So hast auch du solche. Die Lehre der Nikolaiten führte zu denselben Verhaltensmustern wie die Listen Bileams. Lehre der Nikolaiten. S. Anm. zu V. 6.
2,16 Schwert meines Mundes. S. Anm. zu 1,16.
2,17 überwindet. S. Anm. zu V. 7. verborgenen Manna. So wie das Volk Israel Manna empfi ng, so verheißt Gott dem wahren Gläubigen das geistliche Brot, das die ungläubige Welt nicht sehen kann: Jesus Christus (vgl. Joh 6,51). weißen Stein. Der Sieger von Sportwettkämpfen erhielt oft als Teil seines Preises einen weißen Stein, der ihm Einlass zu den Siegesfeierlichkeiten nach dem Wettkampf verschaffte. Das kann ein Bild sein für den Augenblick, wenn der Überwinder seine Eintrittserlaubnis zur ewigen Siegesfeier im Himmel empfangen wird. neuen Namen. Eine persönliche Botschaft von Christus an die, die er liebt. Diese Botschaft dient als ihr Zugangsausweis für die ewige Herrlichkeit. Sie ist so persönlich, dass nur derjenige sie kennt, der sie empfängt.
2,18 Engel. S. Anm. zu 1,20. Thyatira. Diese Stadt lag auf hal- bem Weg zwischen Pergamus und Sardes und befand sich seit fast drei Jahrhunderten unter römischer Regierung (seit ca. 190 v.Chr.). Da sie in einem langen Tal angesiedelt war, das sich über 65 km bis nach Pergamus erstreckte, hatte sie keine natürlichen Verteidigungsmöglichkeiten und erlebte eine lange Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau. Ursprünglich lebten dort Soldaten Alexanders des Großen, und die Stadt war zu jener Zeit eigentlich nur ein militärischer Außenposten zum Schutz von Pergamus. Lydia unternahm von dieser Stadt aus ihre Handelsreisen und wurde unter dem Wirken des Paulus bekehrt (Apg 16,14.15). Augen wie eine Feuerfl amme. S. Anm. zu 1,14. dessen Füße schimmerndem Erz gleichen. Vgl. 19,15; s. Anm. zu 1,15.
2,20 Isebel. Wahrscheinlich ein Pseudonym für eine Frau, die einen starken Einfl uss in der Gemeinde ausübte, und zwar in gleicher Weise wie einst Isebel im AT die Juden zum Götzendienst und zur Unmoral verführt hatte (vgl. 1Kö 21,25.26). Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen. Vgl. Apg 15,19-29; s. Anm. zu V. 14.
2,22 [Kranken-]Bett. Wörtl. »Bett«. Nachdem Gott dieser Frau Zeit zur Buße gegeben hatte, stand er nun im Begriff, sie auf einem Bett zu richten. Da sie ihre Unzucht in einem luxuriösen Bett ausübte und sich bei den Götzenfesten genüsslich auf einer Couch zurücklehnte und Götzenopfer aß, gab Gott ihr ein Bett in der Hölle, wo sie für immer liegen sollte.
2,23 ihre Kinder. Als Johannes die Offenbarung schrieb, war die Gemeinde etwa 40 Jahre alt und ihre Lehre hatte eine zweite Generation hervorgebracht, die dieselbe Ausschweifung befürwortete. der Nieren und Herzen erforscht. Gott kennt jedes menschliche Herz vollkommen und persönlich; kein Übel kann vor ihm verborgen bleiben (Ps 7,10; Spr 24,12; Jer 11,20; 17,10; 20,12). nach seinen Werken. Das ist stets die Grundlage für das künftige Gericht (20,12.13; Mt 16,27; Röm 2,6). Werke retten nicht (Eph 2,8.9), aber sie sind ein Kennzeichen der Errettung (Jak 2,14-26).
2,24 die Tiefen des Satans. Diese unglaubliche Liberalität und Frei- zügigkeit war die Frucht einer prägnostischen Lehre, die besagte, man habe die Freiheit, das Reich Satans zu betreten und zu erkunden und mit dem Körper an Bösem teilzuhaben, ohne den Geist zu schädigen (s. Einleitung zu 1Joh: Hintergrund und Umfeld).
2,26 überwindet. S. Anm. zu V. 7.
2,27 mit einem eisernen Stab weiden. Im Tausendjährigen Reich wird Christus seinen Willen durchsetzen und seine Schafe mit seinem eisernen Zepter vor allen Feinden beschützen (vgl. Ps 2,8).
2,28 Morgenstern. Johannes offenbart an späterer Stelle Christus als den »Morgenstern«. Wenngleich der Morgenstern in unseren Herzen bereits aufgegangen ist (2Pt 1,19), werden wir ihn eines Tages völlig erblicken. 3,1 Engel. Der Bote oder Hirte (s. Anm. zu 1,20). Sardes. Diese Stadt (das heutige Sart) lag auf einem natürlichen Burghügel, der sich 450 m über das Tal erhob, und war somit nahezu uneinnehmbar. Etwa 1200 v.Chr. erlangte sie Ruhm als Hauptstadt des lydischen Reiches. Das Hauptgewerbe war dort Wollverarbeitung. Der bekannte Autor Äsop stammte aus Sardes und die Überlieferung besagt, dass Melito, ein Gläubiger aus der Gemeinde von Sardes, den allerersten Kommentar zu bestimmten Abschnitten aus dem Buch der Offenbarung schrieb. Die Gemeinde in Sardes war tot, d.h. sie bestand vornehmlich aus unerlösten, nicht wiedergeborenen Menschen. sieben Geister. S. Anm. zu 1,4. sieben Sterne. Die Hirten dieser sieben Gemeinden (s. Anm. zu 1,16.20).
3,3 über dich kommen wie ein Dieb. Das bezieht sich nicht auf die Wiederkunft Christi (vgl. 16,15; 1Th 5,2; 2Pt 3,10), sondern besagt, dass er plötzlich und unerwartet zu seiner unbußfertigen, toten Gemeinde kommt, um sie zu bedrängen und zu zerstören.
3,4 ihre Kleider nicht befl eckt. Befl ecken bedeutet »beschmut- zen, verunreinigen« oder »zu färben«, und die Kleider beziehen sich auf den Wandel. In Sardes hatten nur wenige noch einen gottesfürchtigen Wandel (vgl. Jud 23). in weißen. Die weißen Kleider aller Erlösten (vgl. 6,11; 7,9.13; 19,8.14) sprechen von Heiligkeit und Reinheit. Solche weißen Gewänder sind vorbehalten für Christus (Mt 17,2; Mk 9,3), für die heiligen Engel (Mt 28,3; Mk 16,5) und für die verherrlichte Gemeinde (19,8.14). In der Antike trug man weiße Kleider gewöhnlich bei Festen und Feiern. 3,5 überwindet. Alle wahren Christen (s. Anm. zu 2,7). Buch des Lebens. Ein göttliches Verzeichnis führt die Namen all derer auf, die Gott zum Heil erwählt hat und die deshalb ewiges Leben besitzen sollen (13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27; 22,19; vgl. Dan 12,1; Lk 10,20). Diese Namen wird er unter keinen Umständen auslöschen (s. Anm. zu 2Mo 32,33; Ps 69,29; 139,16; Hebr 12,23; Phil 4,3), im Gegensatz dazu, wie damals Stadtbeamte häufi g mit unerwünschten Personen in ihren Rollen verfuhren. 3,7 Engel. S. Anm. zu 1,20. Philadelphia. Diese Stadt (das heute Alasehir) lag auf einer Anhöhe etwa 50 km südöstlich von Sardes und wurde um 190 v.Chr. von Attalus II., dem König von Pergamus, gegründet. Seine ungewöhnliche Zuneigung zu seinem Bruder trug dieser Stadt ihren Namen ein: »Bruderliebe«. Die Stadt war ein wichtiger kommerzieller Haltepunkt auf einer bedeutenden Handelsroute, die »Kaiserliche Poststraße« genannt wurde und im 1. Jhdt. eine Hauptpostverbindung war. Die Bibel erwähnt Philadelphia zwar an keiner anderen Stelle, doch wahrscheinlich entstand die dortige Gemeinde unter dem ausgedehnten Wirken von Paulus in Ephesus (vgl. Apg 19,10). der Heilige, der Wahrhaftige. Eine übliche Bezeichnung in diesem Buch (4,8; 6,10; 15,3; 16,7; 19,2.11). Christus hat dieselbe heilige, sündlose Natur wie sein Vater (Ps 16,10; Jes 6,3; 40,25; 43,15; Hab 3,3; Mk 1,11.24; Joh 6,69; Apg 3,14); d.h. er ist absolut rein und von Sünde abgesondert. »Wahrhaftig« kann sich sowohl auf jemanden beziehen, der die Wahrheit sagt, als auch auf jemanden, der echt und authentisch ist im Gegensatz zu einem Heuchler oder Betrüger. den Schlüssel Davids. Christus hat die souveräne Autorität, um über den Eingang ins Reich zu bestimmen (Jes 22,22; vgl. Mt 16,19; Joh 14,6). In 1,18 wird er beschrieben als der, der die Schlüssel des Todes und des Hades hat; hier hat er die Schlüssel zum Heil und zum Segen. 3,8 eine geöffnete Tür. Das ist entweder der Einlass ins Reich (s. V. 7) oder eine Gelegenheit zum Dienst (vgl. 1Kor 16,9; 2Kor 2,12; Kol 4,3).
3,9 Synagoge des Satans. S. Anm. zu 2,9. die sich Juden nen- nen. S. Anm. zu 2,9.
3,10 bewahren vor der Stunde der Versuchung. Jesu Beschrei- bung eines künftigen Ereignisses, das kurzzeitig die ganze Welt einer Prüfung unterziehen wird, muss sich auf die Trübsalszeit beziehen, d.h. auf die sieben Jahre vor Aufrichtung des irdischen Reiches Christi. In dieser Trübsalszeit wird Gottes Zorn über die Erde ergehen, und zwar in Form von Gerichten, die als Siegel, Posaunen und Schalen beschrieben werden. Diese Zeit wird detailliert beschrieben in den Kapiteln 6-19. Die zweite Hälfte wird »die große Trübsal« genannt (7,14; Mt 24,21) und wird zeitlich identifi ziert in 11,2.3; 12,6.14; 13,5. Auf das Verb »bewahren« folgt eine Präposition, die normalerweise »von« oder »heraus« bedeutet. Dieser Ausdruck »bewahren vor« unterstützt die Lehre von der Entrückung zeitlich vor der Trübsalszeit (die prätribulationale Sicht der Entrückung der Gemeinde; s. Anm. zu Joh 14,1-3; 1Kor 15,51.52 1Th 4,13-17). Diese Trübsalszeit ist identisch mit der 70. Jahrwoche Daniels (s. Anm. zu Dan 9,24-27) und der »Zeit der Drangsal für Jakob« (s. Anm. zu Jer 30,7).
3,11 ich komme bald. Das ist weder das drohende zeitliche Ge- richt, das beschrieben wird in V. 3; 2,5.16, noch das Endgericht von Kap. 19, sondern ein erhofftes Ereignis. Christus wird wiederkommen, um seine Gemeinde aus der Stunde der Versuchung herauszunehmen (s. Anm. zu 2Th 2,1). 3,12 Wer überwindet. Alle Christen (s. Anm. zu 2,7). Säule. Die Gläubigen werden sich eines unerschütterlichen, ewig sicheren Platzes in der Gegenwart Gottes erfreuen. Tempel. S. Anm. zu 7,15. den Namen meines Gottes schreiben. In biblischer Zeit stand der Name für den Charakter einer Person. Wenn Gott seinen Namen auf uns schreibt, bedeutet das, dass er uns seinen Charakter aufprägt und uns als ihm zugehörig identifi ziert. neuen Jerusalem. Die Hauptstadt des Himmels (s. Anm. zu 21,1-27). Der Überwinder wird dort ewiges Bürgerrecht haben. meinen neuen Namen. In dem Augenblick, wenn wir Christus erblicken, wird in der Wirklichkeit, die wir sehen, alles verblassen, womit wir ihn bisher bezeichnet und wie wir ihn verstanden haben, und er wird uns einen neuen, ewigen Namen geben, unter dem wir ihn erkennen.
3,14 Engel. Der Hirte und Bote, der diesen Brief überbringen sollte (s. Anm. zu 1,20). Laodizea. Diese Stadt lag im Tal des Flusses Lykos im Südwesten Phrygiens. Laodizea wurde zum wohlhabendsten, wichtigsten Handelszentrum dieser Region und war vor allem für seine drei Hauptgewerbe bekannt: das Bankwesen, Wolle und Medizin (insbesondere für seine Augensalbe). Da die Wasserversorgung dieser Stadt unzureichend war, musste ein unterirdisches Aquädukt gebaut werden. Alle drei Gewerbezweige sowie der Wassermangel waren in diesem Brief von Bedeutung. Die Gemeinde war unter dem Dienst von Epaphras entstanden, als Paulus in Ephesus wirkte (vgl. Kol 1,7; Paulus hat Laodizea niemals persönlich besucht). der »Amen«. Dieser übliche biblische Ausdruck bedeutet Gewissheit und Wahrheitstreue (vgl. Jes 65,16. »der wahrhaftige Gott«). Nach 2Kor 1,20 sind alle Verheißungen Gottes in Christus erfüllt, d.h. alle Verheißungen und bedingungslosen Bündnisse sind durch die Person und das Werk Jesu Christi garantiert und bestätigt. treue und wahrhaftige Zeuge. Er ist ein völlig vertrauenswürdiger und vollkommen zuverlässiger Zeuge der Wahrheit Gottes (Joh 14,6). Ursprung der Schöpfung. Das korrigiert eine Irrlehre, die sich offenbar in Laodizea und in Kolossä ausbreitete und besagte, Christus sei ein geschaffenes Wesen (vgl. Kol 1,15-20). In Wirklichkeit ist er der »Ursprung« (wörtl. »Anfänger, Urheber, Initiator«) der Schöpfung (vgl. Joh 1,3; 3,14) und der »Erstgeborene der Schöpfung«; d.h. die vorrangigste, erhabenste Person, die es geben kann (Kol 1,15). Als Mensch hatte er einen Anfang, doch als Gott war er der Anfang. Leider hatte diese Irrlehre über die Person Christi in Laodizea eine nicht wiedergeborene Gemeinde hervorgebracht
3,16 lau. D.h. lauwarm. Das nahe gelegene Hierapolis war für sei- ne heißen Quellen berühmt und Kolossä für seine kalten, erfrischenden Wildwasserbäche. Doch Laodizea hatte dreckiges, lauwarmes Wasser, das kilometerlang durch einen unterirdischen Aquädukt fl oss. Fremde, die nicht daran gewöhnt waren, spuckten es sofort wieder aus. Die Gemeinde in Laodizea war weder kalt und ablehnend gegenüber Christus, noch heiß und voller geistlichem Eifer. Stattdessen waren die Christen dort lauwarme Heuchler, die bekannten, Christus zu kennen, doch nicht wirklich zu ihm gehörten (vgl. Mt 7,21ff.). werde ich dich ausspeien aus meinem Mund. Genau wie man sich vor dem dreckigen, lauwarmen Wasser von Laodizea ekelte, so waren diese sich selbst betrügenden Gemeindeglieder Christus zuwider.
3,18 Gold … weiße Kleider… Augensalbe. S. Anm. zu V. 14. Christus bot ihnen die geistlichen Gegenstücke zu ihren drei Haupteinnahmequellen an. Alle drei repräsentierten Mittel zur wahren Errettung.
3,19 Alle, die ich lieb habe … züchtige ich. Aus den beiden Versen 18.20 wird deutlich, dass Christus hier zu Ungläubigen sprach. Gott liebt sicherlich die Unbekehrten (vgl. Joh 3,16) und »züchtigen« (wörtl. »strafen«) bezeichnet oft Gottes Überführen und Bestrafen der Unerretteten (Mt 18,17; 1Kor 14,24; 2Tim 2,25).
3,20 ich stehe vor der Tür und klopfe an. Im Gegensatz zur üblichen Interpretation, dass Christus hier an der Herzenstür einer Person klopfe, macht der Kontext vielmehr deutlich, dass der Herr versucht, in diese Gemeinde hineinzukommen, die seinen Namen trägt, in der es aber keinen einzigen wahren Gläubigen gibt. Er klopfte mit diesem scharfen Brief an. Wenn ein Gemeindeangehöriger seinen geistlichen Bankrott einsieht und mit rettendem Glauben reagiert, wird Christus in die Gemeinde hineinkommen. 3,21 überwindet. Alle wahren Christen (s. Anm. zu 2,7). mit mir auf meinem Thron zu sitzen. Ein bildhafter Ausdruck, der bedeutet, dass die Gläubigen als Mitherrscher mit Christus Anteil haben an seinen Privilegien und seiner Autorität (1,6; Mt 19,28; Lk 22,29.30).
4,1 Komm hier herauf. Das ist kein verborgener Hinweis auf die Entrückung der Gemeinde, sondern ein Befehl an Johannes, sich zeitweilig »im Geist« in den Himmel zu begeben (s. Anm. zu 1,10), um Offenbarungen über künftige Ereignisse zu empfangen. was nach diesem geschehen muss. Entsprechend der Gliederung aus 1,19 beginnt hiermit der dritte und letzte Teil des Buches, der die Ereignisse schildert, die nach dem Zeitalter der Gemeinde stattfi nden werden.
4,2 war ich im Geist. S. Anm. zu 1,10. Thron. Das ist nicht so sehr ein Möbelstück, als vielmehr ein Symbol der souveränen Herrschaft und Autorität (7,15; 11,19; 16,17.18; vgl. Jes 6,1). Der Thron ist der Blickpunkt von Kap. 4 und kommt dort dreizehnmal vor, wobei damit elfmal Gottes Thron gemeint ist.
4,3 Jaspis. Johannes beschreibt diesen Stein später als »kristallhell« (21,11), was wahrscheinlich auf einen Diamanten hinweist, der alle Spektralfarben in wunderschöner Brillanz auffächert und ausstrahlt. Sardisstein. Ein feuerroter Rubin, benannt nach seinem Fundort, der Stadt Sardes. Smaragd. Ein kalt-grüner Farbton dominiert den prächtigen regenbogenfarbenen Lichterglanz um den Thron Gottes (vgl. Hes 1,28). Seit der Zeit Noahs ist der Regenbogen das Zeichen für Gottes Treue gegenüber seinem Wort, seinen Verheißungen und seinem Noahbund (1Mo 9,12-17).
4,4 24 Älteste. Alle Anzeichen weisen offenbar darauf hin, dass sie die Erlösten repräsentieren (V. 9-11; 5,5-14; 7,11-17; 11,16-18; 14,3; 19,4): ihre Mitherrschaft mit Christus, ihre weißen Kleider (19,7.8) und ihre goldenen Kronen (2,10). Die Frage ist nur: Welche Erlösten? Es kann nicht Israel sein, da dieses Volk noch nicht errettet, verherrlicht und gekrönt ist. Das liegt zu diesem Zeitpunkt in der Abfolge der Endzeit-Ereignisse noch in der Zukunft. Israel wird erst am Ende der siebenjährigen Trübsalszeit auferstehen und verherrlicht werden (vgl. Dan 12,1-3). Die Heiligen aus der Trübsal sind noch nicht errettet (7,9.10). Zu diesem Zeitpunkt wird erst eine einzige Gruppe vollzählig und verherrlicht sein: die Gemeinde. Die Ältesten repräsentieren die Gemeinde, die das Lied der Erlösung singt (5,8-10). Sie sind die Überwinder, die ihre Kronen empfangen haben und an dem Ort leben, der für sie bereitet wurde und wohin der Herr Jesus sie gebracht hat (vgl. Joh 14,1-4).
4,5 Blitze und Donner. Das ist nicht der Zorn der Natur, sondern das Gewitter des gerechten Zorns, den der Furcht erregende, mächtige Gott über die sündige Welt ergehen lassen wird (8,5; 11,19; 16,18). sieben Geister Gottes. Der Heilige Geist (s. Anm. zu 1,4). 4,6 gläsernes Meer. Im Himmel gibt es kein Meer (21,1), doch der kristallene Boden, auf dem der Thron Gottes steht, erstreckt sich wie ein großes, glitzerndes Meer (vgl. 2Mo 24,10; Hes 1,22). vier lebendige Wesen. Wörtl. »vier Lebewesen oder Lebende«. Das sind Cherubim (Singular: Cherub), d.h. die Engel, die im AT häufi g in Verbindung stehen mit Gottes Gegenwart, Macht und Heiligkeit. Zwar ist Johannes’ Beschreibung nicht identisch mit der Beschreibung Hesekiels, doch sprechen offenbar beide von denselben übernatürlichen und unbeschreiblichen Wesen (Ps 80,2; 99,1; s. Anm. zu Hes 1,4-25; 10,15). voller Augen. Diese Engel sind zwar nicht allwissend – diese Eigenschaft ist allein Gott vorbehalten –, doch haben sie eine umfassende Erkenntnis und Wahrnehmung. Ihren Blicken entgeht nichts (vgl. V. 8).
4,7 das erste … einem Löwen. Die Ausdrucksweise ist hier ein- deutig symbolisch. Johannes vergleicht diese vier Wesen mit vier irdischen Geschöpfen Gottes. Hesekiel weist darauf hin, dass jeder Cherub diese vier Eigenschaften hat. Das Aussehen eines Löwen symbolisiert Stärke und Kraft. das zweite … einem jungen Stier. Das Abbild eines Stieres (wörtl. »Kalb«) zeigt, dass diese Wesen Gott demütig dienen. das dritte … ein Angesicht wie ein Mensch. Ihre Ähnlichkeit mit dem Menschen zeigt, dass sie vernunftbegabte Wesen sind. das vierte … einem fl iegenden Adler. Die Cherubim erfüllen ihren Dienst für Gott mit der Leichtigkeit von fl iegenden Adlern.
4,8 voller Augen. S. Anm. zu V. 6. Heilig, heilig, heilig. Gott wird häufi g in dieser dreifachen Form für seine Heiligkeit gepriesen, denn diese Eigenschaft ist die Summe alles dessen, was er ist – sein herausragendstes Attribut (s. Anm. zu Jes 6,3). der war und der ist und der kommt. S. Anm. zu 1,4.
4,10 werfen ihre Kronen … nieder. Im Bewusstsein, dass ihr empfangener Lohn allein Gott zu verdanken ist, entsagen sie aller Ehre für sich selbst und werfen das Zeichen ihrer Ehre ihrem König zu Füßen (s. Anm. zu 2,10).
4,11 du hast alle Dinge geschaffen. Der Schöpfergott ist es, der sich zu seinen Geschöpfen herabgelassen hat, um sie zu erlösen.
5,1 ein Buch. Eine Buchrolle. S. Anm. zu 1,11. innen und au- ßen beschrieben. Das ist typisch für verschiedene Vertragsformen der Antike, auch bei Übertragungsurkunden, Eheverträgen, Miet- und Pachtverträgen und Testamenten. Die Innenseite der Rolle enthielt alle Einzelheiten des Vertrages, und die Außenseite bzw. der Rücken enthielt eine Zusammenfassung des Dokuments. Hier handelt es sich so gut wie sicher um eine Übertragungsurkunde, nämlich um die Besitzurkunde der Erde (vgl. Jer 32,7ff.) mit sieben Siegeln versiegelt. Die Römer versiegelten ihre Testamente siebenfach am Ende jeder Rolle, um unberechtigten Zugriff zu unterbinden. Hebräische Besitzurkunden erforderten mindestens drei Zeugen und drei separate Siegel, wobei wichtigere Transaktionen mehr Zeugen und mehr Siegel erforderten.
5,2 starken Engel. Die Identität dieses Engels ist unklar, aber es könnte der Engel Gabriel sein, dessen Name »Stärke Gottes« bedeutet (Dan 8,16).
5,3 im Himmel noch auf der Erde noch unter der Erde. Ein in der Bibel üblicher Ausdruck für das ganze Universum, womit nicht drei tatsächliche Unterteilungen gemeint sind.
5,5 der Löwe, der aus dem Stamm Juda ist. Einer der ältesten Titel des Messias (s. Anm. zu 1Mo 49,8-10). Er spricht von seinem Temperament und seiner Kraft, die bei seinem ersten Kommen zwar andeutungsweise sichtbar waren, aber erst in dem hier vorausgesehenen Augenblick in ihrer Fülle zum Vorschein kommen werden. die Wurzel Davids. Ein weiterer eindeutig messianischer Titel (s. Anm. zu Jes 11,1ff.). Er beschreibt den Messias als Nachkommen Davids, der die Bösen der Erde mit vernichtender Macht zwingen wird, sich seiner Autorität zu ergeben.
5,6 ein Lamm. Nachdem er von einem Löwen gehört hat, wendet Johannes sich um und erblickt ein Lamm (wörtl. »ein kleines, zahmes Lamm«). Gott hatte den Juden angeordnet, das Passahlamm 4 Tage lang bei sich in ihren Häusern zu haben und es somit zu einem zahmen Haustier zu machen, bevor es gewaltsam geschlachtet wurde (2Mo 12,3.6). Gottes Sohn ist das wahre Passahlamm (vgl. Jes 53,7; Jer 11,19; Joh 1,29). wie geschlachtet. Die Wunden der Schlachtung sind noch deutlich erkennbar – aber es lebt. sieben Hörner. In der Bibel symbolisieren Hörner stets Macht, da sie im Tierreich dazu verwendet werden, Macht auszuüben und beim Kampf Wunden zuzufügen. Sieben Hörner symbolisieren völlige oder vollkommene Macht. Im Gegensatz zu anderen wehrlosen Lämmern hat dieses Lamm die absolute, souveräne Macht. sieben Augen … die sieben Geister Gottes. Vgl. 4,5; s. Anm. zu 1,4.
5,8 Harfe. Diese antiken Saiteninstrumente begleiteten nicht nur den Gesang des Volkes Gottes (1Chr 25,6; Ps 33,2), sondern auch die Weissagung (vgl. 1Sam 10,5). Die 24 Ältesten, die die erlöste Gemeinde repräsentieren, spielten auf ihren Harfen zum Lobpreis und als symbolischer Hinweis, dass nun alle Aussagen der Propheten erfüllt sind. Schale voll Räucherwerk. Diese goldenen, weit geöffneten Gefäße wurden in der Stiftshütte und im Tempel verwendet. Räucherwerk (Weihrauch) gehörte gewöhnlich zu den Ritualen des AT. Die Priester standen zweimal täglich vor dem inneren Vorhang im Tempel und verbrannten Weihrauch, sodass der Rauch ins Allerheiligste zog und als Wohlgeruch in Gottes Gegenwart kam. Das symbolisierte die zu Gott aufsteigenden Gebete des Volkes. Gebete der Heiligen. Diese Gebete repräsentieren insbesondere alle Gebete der Erlösten bezüglich der letztendlichen Erlösung.
5,9 neues Lied. Vgl. 15,3. Im AT ist sehr oft von einem neuen Lied die Rede, das aus einem Herzen kommt, das erlebt hat, durch Gott erlöst und befreit zu werden (vgl. 14,3; Ps 33,3; 96,1; 144,9). Dieses neue Lied blickt voraus auf die endgültige, glorreiche Erlösung, die Gott beginnen wird. hast uns für Gott erkauft mit deinem Blut. Christus ist aufgrund seines Opfertodes für Sünder würdig, die Buchrolle zu nehmen (vgl. 1Kor 6,20; 7,23; 2Kor 5,21; Gal 3,3; 1Pt 1,18.19; 2Pt 2,1).
5,10 Königen und Priestern. S. Anm. zu 1,6. herrschen auf Er- den. S. Anm. zu 1,6.
5,11 zehntausendmal zehntausend. Wörtl. »Myriaden von My- riaden«. Diese Zahl soll eine unermessliche Menge beschreiben. Der gr. Ausdruck kann auch mit »unzählbar« übersetzt werden (Lk 12,1; Hebr 12,22).
5,12 Macht …Lob. Diese Doxologie führt 7 Eigenschaften an, die zum Wesen Gottes und des Lammes gehören und die unseren Lobpreis erfordern.
5,13 im Himmel und auf der Erde und unter der Erde. S. Anm. zu V. 3.
5,14 vier lebendigen Wesen. S. Anm. zu 4,6. 24 Ältesten. S. Anm. zu 4,4.
6,1 – 19,21 Dieser lange Abschnitt beschreibt die Gerichte und die Ereignisse der Trübsalszeit (s. Anm. zu 3,10) von ihrem Beginn mit dem Öffnen des ersten Siegels (V. 1.2) über die je 7 Siegel-, Posaunen- und Schalengerichte bis hin zur Wiederkunft Christi zur Vernichtung der Gottlosen (19,11-21). 6,1 Siegeln. In Kap. 5 war Christus der einzige, der würdig befun- den wurde, die kleine Buchrolle zu öffnen – die Besitzurkunde des Universums. Beim Öffnen der 7 Siegel der Buchrolle lässt Gott bei jedem Siegel erneut sein Gericht über die Erde ergehen. Das wird sich in der bevorstehenden Trübsalszeit erfüllen (s. Anm. zu 5,1; Mt 24,3-9). Diese Siegelgerichte umfassen alle Gerichte bis zur Wiederkunft Christi: Das siebte Siegel enthält die 7 Posaunen und die siebte Posaune enthält die 7 Schalen.
6,2 weißes Pferd. Dieses Tier repräsentiert eine beispiellose Zeit des Weltfriedens – eines falschen Friedens, der nur kurze Zeit währen wird (s. Anm. zu V. 4). Dieser Friede wird von einer Reihe falscher Messiasse eingeleitet, die im Antichristen gipfelt (Mt 24,3-5). der darauf saß. Die 4 Pferde und ihre Reiter repräsentieren keine spezifi schen Personen, sondern Mächte. Manche Gelehrte identifi zieren diesen Reiter jedoch mit dem Antichristen. Wenngleich er die führende Person sein wird, geht es Johannes hier jedoch darum, dass die ganze Welt ihm folgen und förmlich besessen sein wird vom Erstreben dieses falschen Friedens. Bogen. Der Bogen symbolisiert Krieg; da jedoch die Pfeile fehlen, handelt es sich hier um einen Sieg ohne Blutvergießen und um einen Frieden, der nicht durch Krieg, sondern durch Bündnisse und Verträge errungen wurde (vgl. Dan 9,24-27). Krone. Dieses Wort beschreibt einen Lorbeerkranz, der siegreichen Sportlern verliehen wurde. Er »wurde ihm gegeben«. Der Antichrist wird König, gewählt von Bewohnern der Welt ungeachtet der Kosten. Er wird die ganze Erde in einem kampfl osen Coup erobern.
6,4 ein anderes Pferd … feuerrot. Sein blutrotes Erscheinungs- bild spricht vom Inferno des Krieges (vgl. Mt 24,7). Gott wird diesem Pferd und seinem Reiter die Macht gewähren, einen weltweiten Krieg anzustiften. Doch so grausam dieses Gericht auch ist, sind das nur die »Geburtswehen«, die Anfangsschmerzen des Zornes Gottes (Mt 24,8; Mk 13,7.8; Lk 21,9). einander hinschlachten. Gewaltsames Morden wird an der Tagesordnung sein. Schwert. Das ist kein langes, breites Schwert, sondern ein kurzer, einfach handhabbarer Dolch, wie Attentäter ihn häufi g verwenden und den Soldaten im Krieg mitführen. Er symbolisiert Mordanschläge, Revolten, Massaker und Völkermord (vgl. Dan 8,24). 6,5 schwarzes Pferd. Schwarz symbolisiert Hungersnot (vgl. Kla 5,8-10). Der weltweite Krieg wird die Nahrungsreserven vernichten, was zu einer globalen Hungerkatastrophe führt. Waage. Dieses übliche Messinstrument – zwei kleine Schalen, die an einer Wiegeskala hängen – weist darauf hin, dass die Nahrungsknappheit zu Rationierung und langen Warteschlangen führen wird.
6,6 Maß Weizen. Ungefähr die erforderliche Menge, um einen Menschen einen Tag lang zu ernähren. Denar. Ein normaler Tageslohn. Der Lohn für einen Arbeitstag reicht nur zur Ernährung einer einzigen Person aus. drei Maß Gerste. Dieses Getreide wird normalerweise an Tiere verfüttert. Es hat einen geringeren Nährstoffgehalt und ist preisgünstiger als Weizen. Ein Tageslohn reicht nur für den Tagesbedarf einer kleinen Familie aus. das Öl und den Wein. Das kann zwar bedeuten, dass diese Lebensmittel nicht von der Hungersnot betroffen sind, doch eine naheliegendere Bedeutung ist, dass bloße Grundnahrungsmittel (Öl wurde zum Brotbacken verwendet und Wein war zum Kochen und Reinigen von Wasser notwendig) plötzlich zu Luxusartikeln werden, die sorgfältig geschützt werden müssen.
6,8 fahles Pferd. Ist im Gr. das Wort, von dem der Begriff »Chlo- rophyll« abstammt und bezeichnet den blassen, aschgrünen Farbton, der charakteristisch ist für eine verwesende Leiche. Gott gewährt diesem Reiter die Macht, 25% der Weltbevölkerung auszulöschen. »der Tod«. S. Anm. zu Lk 16,23. Der Aufenthaltsort der Toten, der als üblicher und passender Begleiter des Todes identifi ziert wird (20,13; s. Anm. zu 1,18).
6,9 fünfte Siegel. Dieses Siegel beschreibt die Macht der Gebete der Heiligen, die nach Gottes Zorn rufen. Diese Ereignisse werden in der ersten Hälfte der 7-jährigen großen Trübsal beginnen und markieren deren Mitte und die darauf folgenden Ereignisse (2,22; 7,14; s. Anm. zu Mt 24,9.15; Dan 9,24-27; 2Th 2,4). Die zweiten 3½ Jahre (11,2; 12,6; 13,5) sind der »Tag des Herrn«, bei dem Gott sein Gericht und seinen Zorn über die Erde ergehen lassen wird, und zwar in zunehmend heftigeren Formen (s. Anm. zu 1Th 5,2). unter dem Altar. Das bezieht sich wahrscheinlich auf den Räucheraltar, der die zu Gott aufsteigenden Gebete der Heiligen repräsentierte (5,8; vgl. 2Mo 40,5). die Seelen derer, die hingeschlachtet worden waren. Christen, die als Märtyrer für ihren Glauben starben (vgl. 7,9.13-15; 17,6; Mt 24,9-14; s.a. Mk 13,9-13; Lk 21,12-19).
6,11 weiße Kleider. S. Anm. zu 3,5. noch eine kleine Zeit ruhen. Gott wird ihre Gebete um Rache erhören, jedoch zu seiner Zeit. bis … vollendet wären. Gott hat vorherbestimmt, wie viele Gerechte umgebracht werden, bevor er die Feinde vernichten wird.
6,12 sechste Siegel. Die mit diesem Siegel beschriebene Macht ist eine überwältigende Angst (vgl. Lk 21,26). Während die ersten 5 Siegel aus menschlicher Aktivität resultieren, die Gott zu seinen Zwecken gebraucht, beginnt er hier nun direkt einzugreifen (vgl. Mt 24,29; Lk 21,25). Die ersten 5 Siegel werden nur Vorläufer des vollen Zorns am Tag des Herrn sein, der mit dem sechsten Siegel beginnt (V. 17). Die mit diesem Siegel beschriebenen Ereignisse führen zum siebten Siegel, das die Posaunengerichte (Kap. 8.9; 11,15ff.) sowie die Schalengerichte umfasst (Kap. 16). großes Erdbeben. Schon vorher hat es viele Erdbeben gegeben (Mt 24,7), doch dieses Beben wird mehr als ein Erdbeben sein. Alle Erdkrusten werden gleichzeitig aufbrechen, was in einem kataklysmischen, weltweiten Erdbeben resultiert. der Mond wurde wie Blut. Das Erdbeben wird begleitet sein von zahlreichen Vulkanausbrüchen, sodass große Mengen Asche und Staub in die Erdatmosphäre geschleudert werden. So wird sich die Sonne verfi nstern und der Mond eine blutrote Färbung annehmen (vgl. Sach 14,6.7).
6,13 die Sterne des Himmels fi elen. Das Wort »Sterne« kann sich auf alle möglichen Himmelskörper beziehen, ob groß oder klein, und ist nicht wie im üblichen Sprachgebrauch auf galaktische Sonnen beschränkt. Die beste Erklärung ist ein massiver Asteroiden- oder Meteoritenregen. unreifen Früchte. Das sind Winterfeigen, die ohne den Schutz der Blätter wachsen und deshalb leicht vom Baum heruntergeweht werden.
6,14 der Himmel entwich wie eine Buchrolle. Die Vorgänge werden sich irgendwie in dramatischer Weise auf die Erdatmosphäre auswirken, sodass der Himmel in der Form, wie wir ihn kennen, verschwinden wird (vgl. Jes 34,4). alle Berge und Inseln wurden … weggerückt. Unter dem massiven Druck, den das weltweite Erdbeben hervorruft, werden große Teile der Erdplatten in Bewegung geraten, was in der Neuformierung ganzer Kontinente resultiert.
6,16 Zorn des Lammes. Die Erdenbewohner werden zum ersten Mal erkennen, aus welcher Quelle ihre Notlage herrührt (s. Anm. zu 4,6). So unfassbar es ist, werden sie bis dahin so weiterleben wie bisher (Mt 24,37-39).
6,17 große Tag. Das sechste Siegel wird den von den Propheten bekannten »Tag des Herrn« einleiten. S. Einleitung zu Joel: Historische und lehrmäßige Themen. 7,1-17 Kapitel 7 ist ein Einschub zwischen dem sechsten (6,12-17) und siebten (8,1) Siegel und beantwortet die Fragen, die sich am Ende von Kap. 6 stellten. Zwei verschiedene Gruppen werden den Zorn Gottes überleben: 1.) 144.000 jüdische Evangelisten auf der Erde (V. 1-8) und 2.) ihre Bekehrten im Himmel (V. 9-17).
7,1 vier Enden. Die 4 Quadranten des Kompasses, d.h. die Engel werden auf der Erde strategische Positionen einnehmen. vier Winde. Ein bildhafter Ausdruck für alle Winde der Erde – Winde von Süden, Osten, Norden und Westen. Die 4 Engel werden den Antrieb unserer Erdatmosphäre kurzzeitig stilllegen.
7,2 das Siegel des lebendigen Gottes. »Siegel« bezeichnet oft einen Siegelring, der in geschmolzenes Wachs auf einem Dokument eingedrückt wurde. Der resultierende Eindruck bezeichnete die Echtheit und das Besitzrecht und schützte den Inhalt vor unberechtigtem Zugriff (vgl. 9,4; Hes 9,3.4). In diesem Fall ist das Zeichen der Name Gottes (14,1).
7,4 144.000. Eine Legion von Missionaren aus erlösten Juden, deren Dienst während der Trübsalszeit zur Errettung von vielen Juden und Heiden führt (V. 9-17). Sie werden die Erstlingsfrüchte eines neuen, erlösten Israels sein (V. 4; Sach 12,10). Letzten Endes wird die Nation Israel das Zeugnis für Gott sein, was sie im AT abgelehnt hat (s. Anm. zu Röm 11,25-27). aus allen Stämmen der Kinder Israels. Durch seine souveräne Erwählung wird Gott 12.000 aus allen 12 Stämmen versiegeln und ihnen somit verheißen, sie während ihrer Mission zu bewahren.
7,9 eine große Schar. Die Trübsalszeit wird zwar eine Zeit des Ge- richts sein, doch wird sie auch eine Zeit beispiellos massenhafter Errettung sein (vgl. V. 14; 6,9-11; 20,4; Jes 11,10; Mt 24,14). aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen Alle Völkergruppen der Erde. weißen Kleidern. S. Anm. zu 3,4. Palmzweige. In der Antike gehörten diese Zweige zu Feierlichkeiten, wie z.B. zum Laubhüttenfest (3Mo 23,40; Neh 8,17; Joh 12,13).
7,10 Das Heil ist bei unserem Gott. Die Errettung, das Heil, ist das Thema ihrer Anbetung und sie erkennen an, dass es einzig und allein von Gott kommt.
7,11 Ältesten. S. Anm. zu 4,4. vier lebendigen Wesen. S. Anm. zu 4,6.
7,12 Lob … Stärke. S. Anm. zu 5,12.
7,13 weißen Kleidern. S. Anm. zu 6,11.
7,14 großen Drangsal. S. Anm. zu 3,10; 6,1.9.12. Diese Menschen wurden nicht mit der Gemeinde entrückt, da sie zur Zeit der Entrückung noch nicht errettet waren. Während der 7-jährigen Trübsalszeit werden sie errettet werden, als Märtyrer sterben und in den Himmel kommen. Obgleich es eine Zeit des beispiellosen Gerichts ist, ist es auch eine Zeit solcher Gnade zur Errettung wie noch nie zuvor (vgl. Mt 24,12-14). ihre Kleider gewaschen. Vgl. 19,8. Hier geht es um die Reinigung im Sinne der Errettung (s. Tit 2,11-14). Blut des Lammes. Das bezieht sich auf das Sühnopfer Christi (vgl. 1,5; 5,9; Röm 3,24.25; 5,9).
7,15 in seinem Tempel. Hier geht es um den Thron Gottes im Him- mel (s. Anm. zu 11,19). Auch während des Tausendjährigen Reiches wird es einen Tempel auf der Erde geben – einen besonders heiligen Wohnort Gottes in einem zum Teil wiederhergestellten, doch immer noch gefallenen Universum (s. Hes 40-48). Im endgültigen, ewigen Zustand mit seinen neuen Himmeln und der neuen Erde wird es keinen Tempel geben, denn Gott selbst, der alles ausfüllen wird, wird der Tempel dieser neuen Schöpfung sein (21,22). sein Zelt aufschlagen über ihnen. Gottes Gegenwart wird ihr Zufl uchtszelt sein, das sie schützt vor allen Schrecknissen einer gefallenen Welt und vor dem unbeschreiblichen Grauen, das sie während der Trübsalszeit auf der Erde erlebt haben.
7,17 weiden. Ein wunderschön kombiniertes Bild: Das Lamm war stets der weidende und hütende Hirte (Ps 23; Joh 10,14ff.; Hebr 13,20).
8,1 das siebte Siegel. Dieses Siegel umfasst nicht nur ein Erdbeben, sondern auch die 7 Posaunengerichte (8,1-9.21; 11,15ff.) sowie die 7 Schalengerichte (16,1-21), wobei die Schalengerichte im siebten Posaunengericht enthalten sind und in schneller Abfolge kurz vor der Wiederkunft Christi aufeinander folgen (s. Anm. zu 6,1). Stille im Himmel. Ein ehrfürchtiges Schweigen in Vorahnung der entsetzlichen Realität des Gerichts, welches Gott im Begriff steht, über die Erde ergehen zu lassen.
8,2 sieben Posaunen. In der Offenbarung kündigen Posaunen in erster Linie ein bevorstehendes Gericht an. Die Posaunengerichte sind noch intensiver als die Siegelgerichte, jedoch nicht so zerstörerisch wie schlussendlich die Schalengerichte (vgl. 16,1-21). Sie ereignen sich während der letzten 3½ Jahre, sind jedoch jeweils von unbestimmter Dauer, mit Ausnahme der fünften Posaune, deren Gericht sich 5 Monate auswirken wird (9,10). Die ersten vier kündigen die übernatürliche Zerstörung des Ökosystems der Erde an (V. 6-12), während die letzten drei ein dämonisches Verderben der Erdenbewohner darstellen (9,1-21; 11,15ff.).
8,3 Räucherfass. Eine goldene Pfanne, die an einer Schnur oder Kette hängt und zum Transportieren glühender Kohlen vom Brandopferaltar zum Räucheralter diente. Damit wurde der Weihrauch angezündet, was die Gebete des Volkes symbolisierte (5,8; 2Mo 27,3; vgl. Lk 1,8.9). Das geschah zweimal am Tag zur Zeit des Morgen- und Abendopfers.
8,5 Donner und Blitze. S. Anm. zu 4,5. ein Erdbeben. Sicher- lich mindestens ebenso schwer oder noch heftiger als das Erdbeben des sechsten Siegels (s. Anm. zu 6,12).
8,7 Hagel und Feuer, mit Blut vermischt. Das können Vul - k anausbrüche sein, die aus dem Erdbeben von V. 5 resultieren. Der Dampf und das Wasser, das bei einem solchen Ausbruch in die Atmosphäre geschleudert wird, kann leicht zu Hagel kondensieren und zusammen mit der brennenden Lava auf die Erde stürzen (vgl. 2Mo 9,13-25). Staub und Gase können das herabfallende Wasser derart verunreinigen, dass es blutrot erscheint. der dritte Teil der Bäume verbrannte. Der Lavasturm wird ein verheerendes Feuer entfachen, das ein Drittel der weltweiten Wälder vernichtet.
8,8 wie ein großer … Berg. Wahrscheinlich ein großer, von Ga- sen umgebener Meteorit oder Asteroid, der bei Eintritt in die Erdatmosphäre zu brennen beginnt. Die Wucht seines Aufpralls wird eine Flutwelle auslösen, der ein Drittel aller Schiffe der Erde zum Opfer fällt. der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut. Das kann ein Phänomen beschreiben, das als »rote Flut« bekannt ist und von Milliarden toter Mikroorganismen verursacht wird, die das Wasser vergiften. In diesem Fall ist das eine Folge des Meteoriteneinschlags. Oder es handelt sich um buchstäbliches Blut, was eindeutig ein endzeitlicher Gerichtsakt wäre.
8,10 fi el ein großer Stern. Ein weiterer Himmelskörper, hier viel- leicht ein Komet mit einem brennenden Schweif (s. Anm. zu V. 8; 6,13). Er wird sich bei Annäherung an die Erdoberfl äche aufl ösen und sich über den Globus zerstreuen.
8,11 Wermut. Eine bittere, giftige Substanz, die aus einer Wurzel gewonnen wird und zu Trunkenheit und schließlich zum Tod führt (5Mo 29,17; Spr 5,4; Jer 9,14; Kla 3,15).
8,12 der dritte Teil der Sonne … geschlagen. Gott wird auf übernatürliche Weise die Leuchtkraft der Himmelskörper um ein Drittel reduzieren. Die Einbuße an Sonnenwärme wird zu einem enormen Temperatursturz führen und schwerwiegende Veränderungen in den meteorologischen, botanischen und biologischen Kreisläufen nach sich ziehen (Lk 21,25; vgl. 2Mo 10,21-23). Dieser Zustand ist jedoch nur vorübergehend (vgl. 16,8.9).
8,13 Wehe, wehe, wehe. Je ein Wehe für jedes verbleibende Po- saunengericht. Obwohl die ersten 4 Posaunen unvorstellbare Gerichte bedeuten, werden sie nichts sein im Vergleich zu den drei Gerichten, die nun kommen werden (9,1-21; 11,15ff.).
9,1 einen Stern … vom Himmel. Im Gegensatz zu den anderen herabgestürzten Sternen (6,13; 8,8) handelt es sich bei diesem um ein Engelwesen (vgl. V. 2) – wahrscheinlich um Satan selbst (V. 4; 12,7; s. Anm. zu Jes 14,12-15; Lk 10,18). Schlund des Abgrunds. Dieser Ausdruck (wörtl. »Schacht des Abgrunds«) wird siebenmal in der Offenbarung erwähnt und bezieht sich immer auf den Ort, an dem ein Teil der Dämonen festgehalten und gefangen ist, den Ort schlimmster Qual und Isolation (V. 1.2.11; 11,7; 17,8; 20,1.3; s. Anm. zu Lk 8,31; 2Pt 2,4; Jud 6,7).
9,3 Heuschrecken. Dieses Insekt tritt in so dichten Schwärmen auf, dass sie die Sonne verdunkeln und sämtliche Vegetation kahl fressen können. In den 1950er Jahren verschlang im Nahen Osten ein Heuschreckenschwarm jedes Gewächs auf einem Gebiet von mehreren hunderttausend Quadratkilometern. Hier handelt es sich jedoch nicht um gewöhnliche Heuschrecken, sondern um eine besondere Form, die lediglich die äußere Erscheinung von Dämonen sind. Sie richten eine Verwüstung an wie ein Heuschreckenschwarm (s. Anm. zu Joe 2,1-5). Das Wort »wie« kommt in der Beschreibung von Johannes neunmal vor; offenbar fi ndet er es schwierig, das Gesehene in einer Weise zu beschreiben, die der Leser verstehen kann. Skorpione. Ein spinnenartiges Tier, das in warmen, trockenen Regionen lebt und einen aufragenden Schwanz mit einem Giftstachel hat. Wer von einem Skorpion gestochen wurde, wälzt sich oft in Qualen auf dem Boden, schäumt aus dem Mund und knirscht vor Schmerz mit den Zähnen. Die Dämonen in Form von Heuschrecken können einen ebenso großen körperlichen – und vielleicht auch geistlichen – Schmerz zufügen (V. 5).
9,4 Menschen, die das Siegel Gottes nicht … haben. Das sind alle Menschen auf der Erde mit Ausnahme der beiden Gruppen, die in Kap. 7 genannt wurden – die 144.000 jüdischen Evangelisten und ihre Bekehrten (s. Anm. zu 7,2).
9,5 fünf Monate. Der normale Lebenszyklus von Heuschrecken be- trägt fünf Monate, gewöhnlich von Mai bis September.
9,6 Tod suchen und ihn nicht fi nden. Die Gequälten können kei- ne Erleichterung fi nden. Sogar ihre unvorstellbaren Versuche, ihr Elend durch Selbstmord zu beenden, bleiben erfolglos.
9,7 menschliche Angesichter. Das weist wahrscheinlich diese dä- monischen Kreaturen als intelligente Wesen aus.
9,8 Frauenhaare. Jer 51,27 beschreibt Heuschrecken mit Borsten, die wie Haare aussehen. Zähne … Löwen. Ein wildes, kraftvolles und tödliches Gebiss (vgl. Jer 51,27).
9,9 eiserne Panzer. Die Brustpanzer schützten die lebenswichtigen Organe und bewahrten das Leben des Soldaten. Diese Kreaturen sind unverwundbar.
9,10 fünf Monate. S. Anm. zu V. 5.
9,11 Abaddon … Apollyon. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Heu- schrecken (Spr 30,27) haben diese Dämonenwesen einen König. Sein Name bedeutet sowohl im Hebr. als auch im Gr. »Zerstörer«. Unter den Dämonen besteht eine Machthierarchie, genau wie unter den heiligen Engeln. Der »Engel des Abgrunds« ist offenbar einer der vertrautesten Führer Satans oder möglicherweise Satan selbst. 9,12 erste Wehe. Die erste der letzten 3 Posaunen (s. Anm. zu 8,13).
9,13 Hörnern des goldenen Altars. Gottes Bauplan des goldenen Räucheraltars sah an jeder Ecke einen kleinen Fortsatz (ein Horn) vor (2Mo 30,2; s. Anm. zu 6,9). Normalerweise war der Altar ein Ort des Erbarmens, da Gott hier die Gebete seines Volkes erhörte, doch hier tönt von diesem Altar ein Ruf nach Rache.
9,14 vier Engel. Die Bibel bezeichnet heilige Engel niemals als ge- bunden. Daher handelt es sich um gefallene Engel. Sie sind ein weiterer Teil der Truppen Satans, die von Gott gebunden waren, nun aber freigelassen werden, um durch ihre Reiter sein Gericht auszuführen (V. 15-19). Gott herrscht auch über das Dämonenheer; sie werden auf seinen Befehl hin gebunden oder befreit. Euphrat. Einer der 4 Flüsse, die durch den Garten Eden fl ossen (s. Anm. zu 16,12; vgl. 1Mo 2,14). Angefangen bei Babel haben in dieser Region viele heidnische Religionen ihren Ursprung.
9,15 Stunde und Tag und Monat und Jahr. Gott führt seinen vorbestimmten Plan pünktlich aus (vgl. Mt 24,36; Apg 1,7).
9,16 Reiterheeres. Manche sehen darin einen Hinweis auf Truppen, die die Könige des Ostens begleiten (16,12) und identifi zieren diese Heere mit einer menschlichen Armee, die von Asien kommt. Doch dieses Ereignis geschieht nicht in Verbindung mit der sechsten Posaune, sondern mit der siebten. Die Ausdrucksweise wird besser verstanden als Hinweis auf ein Dämonenheer, das Krieg führt gegen die Bewohner der Erde und ein Drittel der Menschheit umbringt (V. 15).
9,17 Panzer. S. Anm. zu V. 9. Schwefel. Mit Schwefel ist hier ein gelbliches Schwefelgestein gemeint, das in der Offenbarung oft in Begleitung von Feuer und Rauch erwähnt wird (14,10; 19,20; 20,10). Es kommt verbreitet in der Region des Toten Meeres vor, und wenn solche Ablagerungen angezündet werden, schmelzen sie und produzieren brennende Ströme und erstickende Gase.
9,19 Schwänze gleichen Schlangen und haben Köpfe. Johannes beschreibt die Dämonen mit der Fähigkeit, ihre Zerstörungskraft in beide Richtungen auszustoßen.
9,20 Gott listet 5 Sünden auf, die ihre Rebellion repräsentieren. 9,20 Dämonen. Das erinnert an das, was Paulus über Götzendienst lehrte (s. Anm. zu 1Kor 10,20); hinter den von Menschen gemachten Stein- und Holzgötzen verbergen sich Dämonen.
9,21 sie taten nicht Buße. Vgl. 16,9.11.21. Zaubereien. Von diesem gr. Wort stammt der Begriff »Pharmazie«. In der Antike wurden Drogen zur Betäubung der Sinne verwendet. Sie lösen einen Zustand aus, der sich für religiöse Erfahrungen eignet, wie z.B. Seancen, Hexerei, Beschwörungen und mediale Phänomene (21,8; 22,15). S. Anm. zu Eph 5,18.
10,1 – 11,14 Dieser Abschnitt ist ein Einschub zwischen der sechsten und siebten Posaune (11,15). Auch bei den Siegeln und bei den Schalen befi nden sich zwischen dem sechsten und siebten Gericht kurze Zwischenspiele (7,1-17; 16,15). Gott will inmitten der Schrecknisse sein Volk ermutigen und trösten und die Gläubigen daran erinnern, dass er immer noch souverän ist, dass er an sein Volk denkt und dass sie letztendlich siegreich sein werden. 10,1 einen anderen starken Engel. Viele Kommentatoren sehen in diesem Engel Jesus Christus. Doch das gr. Wort für »anderen« bedeutet »von derselben Art«, d.h. es ist ein geschaffenes Wesen. Dieser Engel gehört nicht zu den 7 Engeln, die die Posaunen blasen (8,2), sondern ist einer der höchstrangigen Engel des Himmels, voller Glanz, Erhabenheit und Kraft (vgl. 5,2; 8,3; 18,1). Regenbogen. S. Anm. zu 4,3. Vielleicht nahm Gott dieses Detail auf, um Johannes zu erinnern, dass er sogar beim Gericht an seinen Noahbund gedenkt und die Seinen bewahrt. Füße wie Feuersäulen. Die Füße und Beine dieses Engels repräsentieren die unabänderliche Entscheidung, mit der er den Tag des Herrn ausführen wird.
10,2 Büchlein. Die Buchrolle mit den 7 Siegeln, die Besitzurkunde der Erde (s. Anm. zu 5,1), wird nun völlig geöffnet werden und alle letztendlichen Gerichte werden sichtbar. rechten Fuß auf das Meer, den linken aber auf die Erde. Wenngleich Satan sich zeitweilig des Meeres und der Erde bemächtigt hat, demonstriert dieser symbolische Akt, dass die ganze Schöpfung dem Herrn gehört und dass er mit souveräner Autorität darüber herrscht.
10,3 sieben Donner. S. Anm. zu 4,5; vgl. 6,1; 8,5.
10,4 Versiegle. Johannes erhielt Befehl, dass er die Botschaft der 7 Donner versiegeln soll, bis Gottes Zeit gekommen ist (vgl. 22,10; Dan 8,26.27; 12,9).
10,5 erhob seine Hand. Dieses gr. Verb kommt häufi g im techni- schen Sinne vor, die Hand zu einem Eid oder einem feierlichen Gelöbnis zu heben (vgl. Dan 12,7; s. Anm. zu Mt 5,33-37). Der Engel hebt die Hand zum Himmel, weil dort Gott wohnt. Der Engel legte einen Eid ab.
10,6 Es wird keine Zeit mehr sein. Das leitet die letzten Plagen des Tages des Herrn ein (11,15) und weist darauf hin, dass die Zeit gekommen ist, die die Jünger erwartet hatten (Mt 24,3; Apg 1,6). Die Gebete der Heiligen werden erhört werden (6,9-11; Mt 6,10).
10,7 das Geheimnis. Ein gr. Begriff, der so viel bedeutet wie »schließen« oder »verschließen«. Im NT ist ein »Geheimnis« eine Wahrheit, die Gott einst versiegelt hat, jetzt aber durch Christus und seine Apostel offenbart (s. Anm. zu Eph 3,3-5; vgl. Röm 16,25). Das Geheimnis hier ist die letztendliche Vollendung aller Dinge: Gott vernichtet die Sünder und richtet sein gerechtes Königreich auf der Erde auf. wie er es … verkündet hat. Wenngleich dieses Geheimnis nicht vollständig geoffenbart war, hatte Gott es seinen Propheten verkündet (vgl. Am 3,7).
10,9 Nimm es und iss es. Das veranschaulicht lebhaft das Verin- nerlichen von Gottes Wort. Die buchstäbliche Reaktion von Johannes ist ein Vorbild dafür, wie jeder Gläubige auf Gottes Gericht reagieren sollte (vgl. Hes 3,1) – die süße Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit und auf unseren Sieg, und gleichzeitig die Bitterkeit, mitzuerleben, wie Gottes Zorn auf diejenigen ausgegossen wird, die seinen Sohn ablehnen. Bitterkeit im Bauch. Beim wahrhaften Verdauen dessen, was die Siegel-, Posaunen- und Schalengerichte für den Sünder bereithalten, wird es Johannes übel. Mund … süß wie Honig. Doch jetzt sind Gottes letztendlicher Sieg und Triumph süße Wahrheiten für den Gläubigen.
10,11 nochmals weissagen. Ein Aufruf an Johannes, die Men- schen vor dem bitteren Gericht der siebten Posaune und der sieben Schalen zu warnen. Völker und Nationen und Sprachen und Könige. S. Anm. zu 7,9.
11,1 eine Messrute. Eine hohles, bambusartiges Stangengewächs, das im Jordantal wächst. Wegen seines geringen Gewichts und seiner Festigkeit wurde es gewöhnlich als Messlatte verwendet (vgl. Hes 40,3.5). Das Ausmessen des Tempels weist hin auf Gottes Besitzrecht darauf (vgl. 21,15; Sach 2,5-9). den Tempel Gottes. Das bezieht sich nicht auf den gesamten Tempelkomplex, sondern nur auf das Allerheiligste und das Heiligtum (vgl. V. 2). Während der Trübsalszeit wird es einen wiedererbauten Tempel geben (Dan 9,27; 12,11; Mt 24,15; 2Th 2,4). Altar. Die Erwähnung von Anbetern legt nahe, dass es sich hier um den kupfernen Altar im Vorhof handelt, und nicht um den goldenen Räucheraltar im Heiligtum, da nur die Priester das Heiligtum betreten durften (vgl. Lk 1,8-10).
11,2 Vorhof, der außerhalb des Tempels ist. Der Vorhof der Heiden, der beim Herodianischen Tempel durch eine niedrige Mauer vom inneren Vorhof getrennt war. Den Heiden war es unter Todesstrafe untersagt, den inneren Vorhof zu betreten. Dass Johannes nicht den äußeren Vorhof messen soll, symbolisiert, dass Gott die ungläubigen Heiden verwirft, die sein Bundesvolk unterdrückt haben. die heilige Stadt zertreten. Assyrien, Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom haben einst alle Jerusalem unterdrückt (vgl. 2Kö 25,8-10; Ps 79,1; Jes 63,18; Kla 1,10). Dieser Vers spricht von der künftigen verheerenden Zerstörung und Unterdrückung Jerusalems durch die Streitkräfte des Antichristen. 42 Monate. Diese Periode von 3½ Jahren bildet die zweite Hälfte der Trübsalszeit und entspricht der Phase, in der sich der Antichrist offenkundig als bösartig entpuppt (V. 3; 12,6; 13,5). Während dieser Zeit wird Gott die Juden in der Wüste beschützen (12,6.14).
11,3 zwei Zeugen. Einzelpersonen, denen Gott besondere Macht und Autorität verleiht, um während der zweiten Hälfte der Trübsalszeit eine Botschaft des Gerichts und der Errettung zu verkünden. Das AT erforderte mindestens zwei Zeugen zur Bestätigung eines Zeugnisses (vgl. 5Mo 17,6; 19,15; Mt 18,16; Joh 8,17; Hebr 10,28), und in diesen zwei Propheten wird Gottes Zeugnis für Israel gipfeln: Sie bringen eine Botschaft des Gerichts von Gott und von seinem gnadenreichen Angebot des Evangeliums, das allen gilt, die Buße tun und glauben. 1260 Tage. Das sind 42 Monate oder 3½ Jahre (vgl. 12,6; 13,5; s. Anm. zu V. 2). Sacktuch. Derbe und raue Kleidung aus Ziegen- oder Kamelhaar. Wenn man derartige Kleidung trug, drückte man damit Buße, Demut und Trauer aus (vgl. 1Mo 37,34; 2Sam 3,31; 2Kö 6,30; 19,1; Est 4,1; Jes 22,12; Jer 6,26; Mt 11,21). Die Zeugen trauern wegen der elendigen Bosheit der Welt, wegen Gottes Gericht über die Welt und wegen der Entweihung des Tempels und der heiligen Stadt durch den Antichristen. 11,4 Diese Bildersprache stammt aus Sach 3,4 (s. Anm. dort). Sacharjas Vision hatte sowohl eine Naherfüllung (der Wiederaufbau des Tempels unter Josua und Serubbabel) als auch eine künftige Erfüllung (die zwei Zeugen, deren Dienst hindeutet auf Israels endgültige Wiederherstellung im Tausendjährigen Reich). die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter. Olivenöl wurde üblicherweise für Lampen gebraucht; zusammengenommen symbolisieren die Ölbäume und die Leuchter das Licht geistlicher Erweckung. Mit ihrer Verkündigung entfachen die beiden Zeugen eine Erweckung, so wie in Israel einst nach der babylonischen Gefangenschaft der Dienst von Josua und Serubbabel.
11,5 Es ist zwar unmöglich, dogmatische Aussagen über die Iden- tität dieser beiden Zeugen zu treffen, doch mehrere Beobachtungen legen nahe, dass es sich um Mose und Elia handeln könnte: 1.) Wie Mose schlagen sie die Erde mit Plagen, und wie Elia haben sie die Macht, den Regen zurückzuhalten; 2.) die jüdische Überlieferung erwartete, dass in der Zukunft sowohl Mose (vgl. 5Mo 18,15-18) als auch Elia (vgl. Mal 3,23.24) wiederkommen (vgl. Joh 1,21); 3.) Mose und Elia erschienen bei der Verklärung Jesu, die eine Vorausschau war auf Christi Wiederkunft; 4.) sowohl Mose als auch Elia forderten mithilfe übernatürlicher Mittel zur Buße auf; 5.) Elia wurde lebendig in den Himmel entrückt, und Mose wurde von Gott an einem unbekannten Ort begraben; und 6.) die Dürre, die die zwei Zeugen erwirken, ist genauso lang (3½ Jahre; vgl. V. 3) wie die Dürre, die Elia herabrief (Jak 5,17). 11,5 Feuer aus ihrem Mund hervor und verzehrt. Das beschreibt wahrscheinlich buchstäbliches Feuer. Die zwei Zeugen werden während ihres Dienstes unbesiegbar und von übernatürlicher Macht beschützt sein. Der falsche Prophet wird dieses Zeichen kopieren (13,3).
11,6 Vollmacht, den Himmel zu verschließen. Gottes Boten wurden oft durch Wunder bestätigt. Dass sie hier eine 3½-jährige Dürre bewirken (wie einst Elia), wird weitere unermessliche Qualen für die Menschen aufhäufen, die die weltweiten Katastrophen der Trübsalszeit erleben – und die sich nur noch mehr in ihren Hass gegen die zwei Zeugen hineinsteigern. Gewässer … in Blut zu verwandeln. Das Wasser der Erde, das bereits durch die Auswirkungen des zweiten und dritten Posaunengerichts schwer in Mitleidenschaft gezogen ist, wird ungenießbar werden, was die Not der Dürre noch enorm verschlimmert.
11,7 das Tier. Hier wird diese Person zum ersten Mal von insgesamt 36 Malen in der Offenbarung erwähnt. Sie ist kein anderer als der Antichrist selbst (s. Kap. 13). Dass er aus dem Abgrund heraufsteigt, zeigt, dass seine Macht satanisch ist. sie töten. Wenn ihr Dienst vollendet ist, wird Gott den übernatürlichen Schutz der zwei Zeugen wegnehmen. Dann wird das Tier imstande sein, das zu vollbringen, was bereits viele zu tun versucht haben.
11,8 ihre Leichname werden auf der Straße … liegen. Die Weigerung, die Leichen der Feinde zu begraben, war ein Ausdruck der Verunehrung und Verachtung (vgl. Apg 14,19). Das AT verbietet diese Praxis ausdrücklich (5Mo 21,22.23). großen Stadt. Die Identifi kation von Jerusalem mit Sodom und Ägypten betont die Bösartigkeit dieser Stadt. Die beiden Zeugen werden sich in ihrem Dienst offenbar auf die jüdische Bevölkerung Jerusalems konzentrieren, was zu den Bekehrungen von V. 13 führt.
11,9 dreieinhalb Tage lang. Wenn die Leichen der ermordeten Propheten zu verwesen beginnen, wird die ganze Welt auf den Antichristen blicken (zweifellos mithilfe der neuesten visuellen Medien) und ihn verherrlichen.
11,10 freuen und frohlocken … Geschenke schicken. Aufge- bracht vor Freude über den Tod ihrer Peiniger werden die, die auf der Erde wohnen (dieser Ausdruck bezeichnet in der Offenbarung 11-mal die Ungläubigen), den Tod der zwei Zeugen als Festtag feiern.
11,11 kam der Geist des Lebens aus Gott in sie. Die Festlich- keiten fi nden jedoch ein jähes Ende, wenn Gott seine treuen Zeugen rechtfertigt, indem er sie auferweckt.
11,12 in der Wolke in den Himmel. Manche fragen sich vielleicht, warum Gott sie nicht predigen lässt, da man meinen könnte, ihre Botschaft würde nach ihrer Auferstehung erfolgreicher sein. Doch diese Vermutung ignoriert, dass der Herr Jesus genau das Gegenteil gesagt hat (Lk 16,31). ihre Feinde sahen sie. Diejenigen, die die Zeugen gehasst und verunehrt haben, werden ihre siegreiche Himmelfahrt mitverfolgen.
11,13 Erdbeben. Gott unterbricht die Himmelfahrt seiner Prophe- ten durch ein heftiges Erdbeben. Die Zerstörung und die Todesopfer werden wahrscheinlich hauptsächlich unter den Führern der Streitkräfte des Antichristen zu fi nden sein. die übrigen. Das bezieht sich auf noch lebende Juden, die noch nicht zum Glauben an Christus gekommen sind. gaben dem Gott des Himmels die Ehre. Eine echtes Bekehrungserlebnis von Juden (vgl. Lk 17,18.19), im Gegensatz zu denen, die lästern und sich weigern, Gott zu ehren (16,9). Damit erfüllt sich eine Schlüsselprophezeiung von Sacharja (12,10; 13,1) und von Paulus (Röm 11,25-27). 11,14 zweite Wehe. Die sechste Posaune (s. Anm. zu 9,12). Hier endet das Zwischenspiel zwischen der sechsten und siebten Posaune (s. Anm. zu 10,1). Israels Buße wird kurz darauf das Tausendjährige Reich einleiten (Apg 3,19-21; Röm 11,25.26). Doch zuerst kommen die letzten, gipfelnden Gerichte.
11,15 der siebte Engel stieß in die Posaune. Die siebte Posaune enthält die 7 Schalen (die letzten Gerichte, die in Kap. 16 beschrieben sind) sowie alle Ereignisse, die zur Errichtung des Tausendjährigen Reiches führen (Kap. 20) und zur Krönung von Jesus zum König (Kap. 19). Die Königreiche … sind unserem Herrn und seinem Gesalbten. Der Singular (Königreich) ist die bevorzugte Lesart. Trotz der vielen politischen und kulturellen Unterteilungen der Welt sieht die Bibel sie geistlich als ein einziges Reich mit Satan als dem einzigen Herrscher (Joh 12,31; 14,30; 16,11; 2Kor 4,4). Da die Regenten dieser Welt der Führung Satans folgen, stehen sie Christus im Allgemeinen feindlich gegenüber (Ps 2,2; Apg 4,26). Die lange Rebellion des Reiches der Welt wird mit der siegreichen Wiederkunft des Herrn Jesus Christus enden, der seine Feinde schlagen und sein messianisches Reich aufrichten wird (Jes 2,2.3; Dan 2,44; 7,13.14.18.22.27; Lk 1,31-33). Dieses Reich gehört auch Gott, dem Vater (s. Anm. zu Dan 3,33; 6,26; 1Kor 15,24).
11,16 24 Ältesten. S. Anm. zu 4,4.
11,17 der du bist und der du warst. Der letzte Ausdruck »der du kommst« (der in 1,4.8; 4,8 verwendet wird) fehlt in den meisten zuverlässigen gr. Handschriften. Das Kommen des Reiches liegt nun nicht mehr in der Zukunft, sondern wird sogleich geschehen.
11,18 die Heidenvölker sind zornig. Sie stehen nicht mehr un- ter dem Eindruck der Schrecknisse (vgl. 6,15-17) und sind erfüllt mit rasendem Zorn. Ihre Feindschaft wird sich kurzzeitig in einem törichten Versuch niederschlagen, gegen Christus zu kämpfen. Das ist eine zum Scheitern verurteilte, vergebliche Anstrengung und der Gipfel der menschlichen Rebellion gegen Gott (16,14; 19,17-21). dein Zorn. Der allmächtige Gott antwortet auf den kläglichen, erfolglosen Zorn der Nationen (vgl. Ps 2,1-9). Die 24 Ältesten sprechen von Gottes künftigem Zorn (20,11-15), als sei er bereits da, und drücken somit die Gewissheit dieses Zorns aus. In der Bibel ist es eines der Hauptthemen, dass Gott eines Tages seinen Zorn über die rebellierende Menschheit ausgießen wird (vgl. Jes 24,17-23; 26,20.21; 30,27-33; Hes 38,16ff.; 2Th 1,5-10). die Toten gerichtet. Das letztendliche Ergießen des Zornes Gottes umfasst auch das Richten der Toten (vgl. Mt 25,31-46; Joh 5,25-29). Das Gericht besteht aus zwei Teilen: 1.) Gott belohnt die Gläubigen des AT (Dan 12,1-3; vgl. 22,12; 1Kor 3,8; 4,5), die entrückte Gemeinde (1Kor 15,51.52; 1Th 4,13-18) und die Heiligen aus der Trübsal (20,4); und 2.) Gott verdammt die Ungläubigen zum ewigen Feuersee (20,15).
11,19 Tempel Gottes im Himmel. S. 3,12; 7,15; 14,15.17; 15,5-8; 16,1.17. Das himmlische Allerheiligste (s. Anm. zu 2Mo 26,31-37), wo Gott in überragender Herrlichkeit wohnt, wurde bereits als sein Thron identifi ziert (Kap. 4.5). Vgl. Hebr 9,24. Johannes hatte den Thron gesehen (4,5), den Altar (6,9; 8,3-5) und hier sieht er das Allerheiligste. die Lade seines Bundes. Dieser Einrichtungsgegenstand der Stiftshütte und des Tempels (s. Anm. zu 2Mo 25,10-22) symbolisierte Gottes Gegenwart, Erlösung und seinen Bund mit seinem Volk. Die irdische Bundeslade war nur ein Abbild dieser himmlischen Lade (s. Hebr 9,23; 10,20). Dort bietet Gott seine Gnade und seine Sühne für Sünde an. So wie das irdische Allerheiligste geöffnet wurde, als der Preis der Sünde gezahlt worden war (Mt 27,51; Hebr 10,19.20), so wird das Allerheiligste im Himmel geöffnet, um Gottes rettenden Neuen Bund zu verkünden sowie seinen Rettungsplan inmitten des Gerichts. Blitze und Stimmen und Donner und ein Erdbeben und ein großer Hagel. Was in 4,5 und 8,5 vorausgeahnt wurde, wird nun schreckliche Realität. Diese Ereignisse geschehen als Teil der siebten Schale (16,17-21) und sind der Höhepunkt der siebten Posaune. Da der Himmel der Ausgangspunkt der Vergeltung ist, ergeht auch das Gericht aus dem Allerheiligsten Gottes (14,15; 17; 15,5-8; 16,1.7.17). S. Anm. zu 6,1.
12,1 ein großes Zeichen. Ein Symbol, das auf etwas anderes hindeu- tet. Das ist das erste von 7 Zeichen in der letzten Hälfte der Offenbarung. Vgl. V. 3; 13,13.14; 15,1; 16,14; 19,20. eine Frau. Keine wirkliche Frau, sondern eine symbolische Repräsentation Israels. Im AT wird das Volk Israel als Gottes Vermählte dargestellt (Jes 54,5.6; Jer 3,6-8; 31,32; Hes 16,32; Hos 2,18). In der Offenbarung kommen noch drei weitere symbolische Frauenfi guren vor: 1.) Isebel, die das Heidentum repräsentiert (2,20); 2.) die in Purpur gekleidete Frau auf dem Tier (17,3-6), die die abgefallene Kirche symbolisiert; und 3.) die Braut des Lammes (19,7), die die wahre Gemeinde verbildlicht. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass diese Frau hier nicht die Gemeinde repräsentiert. mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen … zwölf Sternen. Vgl. 1Mo 37,911. Mit der Sonne bekleidet zu sein spricht von der Herrlichkeit, Würde und der erhabenen Stellung Israels, dem Volk der Verheißung, das gerettet werden und ein Reich erhalten wird. Das Bild vom Mond unter ihren Füßen beschreibt Gottes Bundesbeziehung zu Israel, da der Neumond mit Anbetung in Verbindung steht (1Chr 23,31; 2Chr 2,4; 8,13; Esr 3,5; Ps 81,4). Die 12 Sterne symbolisieren die 12 Stämme Israels.
12,2 schrie in Wehen und Schmerzen. Israel wird oft als gebären- de Mutter dargestellt (vgl. Jes 26,17.18; 54,1; 66,7-12; Hos 13,13; Mi 4,10; 5,2.3; Mt 24,8). Diese Nation hat Jahrhunderte lang Qual und Pein erlitten im sehnlichen Warten auf den Messias, der bei seinem Kommen Satan, Sünde und Tod vernichten und sein Reich aufrichten wird.
12,3 großer, feuerroter Drache. Der tödliche Erzfeind der Frau ist Satan, der in diesem Buch 13-mal als Drache beschrieben wird (vgl. V. 9; 20,2). Rot spricht von Blutvergießen (vgl. Joh 8,44). sieben Köpfe und zehn Hörner … sieben Kronen. Diese Bildersprache beschreibt Satans Herrschaft über 7 frühere Weltreiche und 10 künftige Reiche (vgl. Dan 7,7.20.24). S. Anm. zu 13,1; 17,9.10. Satan hat die Welt beherrscht und wird über sie herrschen, bis die siebte Posaune erschallt (11,15). Er hat Israel unerbittliches Leid zugefügt (Dan 8,24), denn er will die Frau umbringen, bevor sie das Kind gebiert, das ihn vernichten wird (s. Anm. zu Est 3,6-15).
12,4 den dritten Teil der Sterne des Himmels. Bei seinem ur- sprünglichen Fall (vgl. Jes 14,12ff.; Hes 28,11ff.) zog Satan ein Drittel der Engel mit sich in seine Rebellion, welche zu Dämonen wurden. um ihr Kind zu verschlingen. Da Satan die jungfräuliche Geburt Christi nicht zu verhindern vermochte, versuchte er, das Kind durch ein umfassendes Massaker unter allen männlichen Kindern auf Befehl von Herodes umzubringen (Mt 2,13-18; vgl. Lk 4,28.29).
12,5 einen Sohn. Jesus Christus war in seiner Fleischwerdung jü- discher Abstammung (Mt 1,1; 2Tim 2,8). Trotz Satans Versuchen, Israel und damit die messianische Abstammungslinie zu vernichten, fand Jesu Geburt so statt, wie die Propheten sie vorausgesagt haben (vgl. Jes 7,14; 9,6; Mi 5,1). eisernem Stab. Das beschreibt Jesus Krönung zum König der Nationen und der Welt (vgl. 11,15; 19,15; Ps 2,6-9). ihr Kind wurde entrückt zu Gott. Hier geht es um Christi Himmelfahrt (Apg 1,9; 2,33; Hebr 1,1-3; 12,2).
12,6 Wüste. Gott wird Israel vor Satan beschützen und das Volk in der Wüste verbergen, vielleicht in der Region von Moab, Ammon und Edom, östlich von Palästina. Interessanterweise werden diese Länder besonders verschont bleiben von den Angriffen des Antichristen auf das heilige Land (vgl. Dan 11,41). 1260 Tage. Zur Hälfte der Trübsalszeit bricht der Antichrist seinen Bund mit Israel, verbietet den Tempeldienst, stellt dort den Gräuel der Verwüstung auf (Dan 9,27; Mt 24,15) und zerstört Jerusalem (11,2). Zu diesem Zeitpunkt werden viele Juden um ihr Leben fl iehen (Mt 24,16ff.). Gott wird sie während der letzten 1.260 Tage (42 Monate bzw. 3½ Jahre) bewahren, die die »große Trübsal« bilden. S. Anm. zu 3,10; 6,1.9.
12,7 es entstand ein Kampf im Himmel. Im Himmel gibt es ein Gegenstück zu den sich überstürzenden Ereignisse auf der Erde während der Trübsalszeit. Ein Kriegszustand besteht seit dem Fall Satans (vgl. V. 4; vgl. Dan 10,13; Jud 9). Dieser Kampf wird durch irgendetwas intensiviert werden – möglicherweise durchqueren die entrückten Heiligen den Bereich des »Fürsten der Macht der Luft« (vgl. Eph 2,2).
12,9 große Drache niedergeworfen … auf die Erde. Satan und seine Dämonen wurden zur Zeit ihrer ursprünglichen Rebellion aus dem Himmel geworfen, haben aber immer noch Zugang zum Himmel (vgl. Hi 1,6; 2,1). Dieser Zugang wird ihnen dann verwehrt werden und so werden sie für immer aus dem Himmel verbannt sein. der Teufel und der Satan. Vgl. 20,2. »Teufel« stammt von einem gr. Verb, das so viel bedeutet wie »verleumden« oder »fälschlicherweise anklagen«. Er ist ein bösartiger Lügner (Joh 8,44; 1Joh 3,8). Seine Anklagen gegen die Gläubigen (V. 10) bleiben erfolglos, weil Christus unser Fürsprecher ist (1Joh 2,1). Satan bedeutet »Widersacher« oder »Feind« und kommt insbesondere in Hiob und den Evangelien vor. den ganzen Erdkreis verführt. So wie er es während der ganzen Menschheitsgeschichte getan hat, so wird Satan auch während der Trübsalszeit die Menschen verführen (vgl. 13,14; 20,3; Joh 8,44). Wenn er am Ende des Tausendjährigen Reiches vorübergehend aus dem Abgrund freigelassen wird, wird er seine Verführungen noch einmal kurz ausüben können (20,8.10).
12,10 Verkläger. S. Anm. zu V. 9. Satan wird nicht mehr die Gläubi- gen vor dem Thron Gottes beschuldigen können, weil er keinen Zugang zum Himmel mehr hat.
12,11 Blutes des Lammes. Keine Anklage kann gegen die Erlösten bestehen bleiben, da ihre Sünden durch Christi Opfertod vergeben wurden (s. Röm 8,33-39).
12,12 nur wenig Zeit. Da Satan weiß, dass seine Zeit begrenzt ist, wird er sich umso stärker bemühen, gegen Gott und die Menschheit vorzugehen und dabei insbesondere auf Israel abzielen (V. 13.17).
12,14 Flügel des großen Adlers. Das sind keine tatsächlichen Vo- gelschwingen, sondern es ist eine anschauliche Beschreibung von Gottes fürsorglichem Schutz für Israel (vgl. 2Mo 19,4). Flügel bedeuten häufi g Beschützung (vgl. 5Mo 32,9-12; Ps 91,4; Jes 40,31). Adler – wahrscheinlich dem Geier ähnliche Greifvögel – sind die größten in Palästina bekannten Vögel. eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit. Dreieinhalb Jahre; das ist die zweite Hälfte der Trübsalszeit (vgl. V. 6; 11,2.3; 13,5).
12,16 die Erde tat ihren Mund auf. Eine große Armee wird wie eine Flut gegen Israel anstürmen (V. 15; vgl. Jer 46,8; 47,2), wird jedoch von der Erde verschlungen werden. Vielleicht geschieht das in Verbindung mit einem der zahlreichen Erdbeben während dieser Zeit (6,12; 8,5; 11,13.19; 16,18; Mt 24,7).
12,17 den übrigen von ihrem Samen. Satan wird in seinem Frust seine Zerstörungswut gegen jeden Nachfolger des Lammes richten, den er fi nden kann, ob Jude oder Heide. Gebote Gottes … Zeugnis Jesu Christi. Die offenbarte Wahrheit von Gott und Christus, wie sie in der Bibel enthalten ist. Ein echter Gläubiger ist stets von Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes gekennzeichnet. Vgl. Joh 8,32.
12,8 ich stellte mich. Die meisten Handschriften lesen »er stand«, was sich wieder auf den Drachen bzw. Satan bezieht (vgl. 12,9.17). Er nimmt eine Position inmitten der Nationen seiner Welt ein, die repräsentiert sind durch den Sand des Meeres. 13,1 ein Tier. Wörtl. »ein Monster« (vgl. 11,7). Der Ausdruck beschreibt eine wilde, tötende Bestie. In diesem Zusammenhang repräsentiert der Begriff sowohl eine Person (den Antichristen) als auch sein System (die Welt). Das letztendliche satanische Weltreich wird untrennbar mit diesem von Dämonen besessenen Mann verbunden sein, der es anführt. Für Erläuterungen zum Antichristen s. Anm. zu 2Th 2,3-11. Er wird auch beschrieben in Dan 7,8.21-26; 8,23-25; 9,24-27; 11,36-45. aus dem Meer … aufsteigen. Das Meer repräsentiert den Abgrund, den Hort der Dämonen (vgl. 11,7; 17,8; 20,1; Lk 8,31). Das Bild beschreibt Satan, der aus dem Abgrund einen mächtigen Dämonen abberuft, der daraufhin das Tier (den Antichristen) und sein Reich antreibt und beherrscht. sieben Köpfe und zehn Hörner. Diese Beschreibung gleicht der Darstellung Satans in 12,3. Die Köpfe können aufeinander folgende Weltreiche repräsentieren: Ägypten, Assyrien, Babylon, MedoPersien, Griechenland, Rom, und das letztendliche Reich des Antichristen (s. Anm. zu 17,9.10). Das letzte Reich umfasst alle Reiche, die durch die Hörner repräsentiert sind (s. Anm. zu 17,12). Die Zahl 10 symbolisiert die Summe aller militärischen und politischen Macht des Menschen, die dem Antichristen in seiner Weltherrschaft beisteht. Hörner repräsentieren stets Macht, wie im Tierreich, sowohl offensive (angreifende) als auch defensive (verteidigende) Macht. Daniel zeigt, dass die Person des Antichristen aus diesen 10 Königen hervorgehen wird (Dan 7,1624). Johannes greift die Zahlen-Bildersprache aus Dan 2,41.42 auf. Der Prophet hatte von 10 Zehen an den tönernen und eisernen Füßen des Standbilds gesprochen. Der Apostel sieht das Tier als die letztendliche Weltregierung, die antichristliche und antigöttliche Koalition, angeführt von einem wiederbelebten Römischen Reich. Es hat die Stärken verschiedener Weltmächte, ist jedoch auch von Schwächen durchzogen und wird letzten Endes zermalmt (vgl. Dan 2,32-45; 7,7.8.19-25; s. Anm. zu 12,3). Die Kronen stellen die Königsherrschaft dieses Bundesreiches dar. Namen der Lästerung. Immer wenn in der Weltgeschichte ein Monarch sich als Gott bezeichnete, lästerte er damit den wahren Gott. Jeder Regent, der zur letztendlichen Koalition des Tieres beiträgt, hat eine Identität, trägt eine Krone, übt Herrschaft und Macht aus und lästert daher Gott.
13,2 Panther. Eine Metapher für das antike griechische Reich, die anspielt auf die Behändigkeit und Flinkheit der Griechen bei ihrem militärischen Vormarsch und Eroberungszug, insbesondere unter Alexander dem Großen (vgl. Dan 7,6). Der Panther und die folgenden symbolhaften Tiere waren alle in Palästina einheimisch und den Lesern der Offenbarung vertraut. Bären. Ein Bild für das antike medo-persische Reich, das die grausame Stärke und die hohe Stabilität dieser Reiche beschreibt (vgl. Dan 7,5). Löwenrachen. Der Löwe repräsentiert das antike babylonische Reich, und beschreibt die grimmige, alles verzehrende Macht der Babylonier bei der Ausdehnung ihres Herrschaftsbereiches (vgl. Dan 7,4). der Drache gab ihm seine Kraft. S. Anm. zu V. 1. Drache. S. Anm. zu V. 1; 12,9.
13,3 seine Todeswunde wurde geheilt. Diese Aussage kann sich auf eines der antiken Reiche beziehen, das einst unterging, jetzt aber wiederbelebt wurde (d.h. das Römische Reich). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um einen nur scheinbaren Tod und um eine vermeintliche Auferstehung handelt, die der Antichrist als Teil seiner trügerischen Verführung veranlasst. Vgl. V. 12.14; 17,8.11; 2Th 2,9. die ganze Erde sah verwundert. Die Menschen der Welt werden staunen und fasziniert sein, wenn der Antichrist scheinbar von den Toten aufersteht. Sein Charisma, seine Brillanz und seine attraktive, aber trügerische Macht wird die Welt dazu bewegen, ihm vertrauensselig zu folgen (V. 14; 2Th 2,8-12).
13,5 wurde … gegeben. Der souveräne Gott wird die Grenzen fest- legen, innerhalb derer der Antichrist reden und wirken kann. Gott lässt zu, dass er seine Lästerungen ausspricht, um auf der Erde die Wut Satans 3½ Jahre lang zum Höhepunkt zu bringen (V. 5; 11,2.3; 12,6.13.14). 42 Monate. Die letzten 3½ Jahre bzw. 1.260 Tage der »Zeit der Drangsal für Jakob« (Jer 30,7) sowie Daniels 70. Jahrwoche (Dan 9,24-27). Diese Zeit ist bekannt als die »große Trübsalszeit« (s. Anm. zu 11,2; 12,6; vgl. Dan 7,25). Diese letzte Hälfte wird vom Gräuel der Verwüstung eingeleitet (s. Anm. zu Mt 24,15).
13,6 seinen Namen. Dieser Name repräsentiert Gott und ist die Summe aller seiner Attribute (vgl. 2Mo 3,13.14). sein Zelt. Ein Symbol für den Himmel (vgl. Hebr 9,23.24). die, welche im Himmel wohnen. Das sind die Engel und die verherrlichten Gläubigen, die vor dem Thron Gottes sind und ihm Tag und Nacht dienen.
13,7 Krieg zu führen mit den Heiligen. Dem Antichristen wird gewährt werden, die Kinder Gottes zu massakrieren (vgl. 6,9-11; 11,7; 12,17; 17,6; Dan 7,23-25; 8,25; 9,27; 11,38; 12,10; Mt 24,16-22). S. Anm. zu 17,6.
13,8 Buch des Lebens. S. Anm. zu 3,5. Lammes, das geschlach- tet worden ist. Der Herr Jesus, der gestorben ist, um die Erlösung der von Gott Erwählten zu erwerben, erfüllte damit einen ewigen Ratschluss Gottes. von Grundlegung der Welt an. Der Tod Christi besiegelte die Erlösung der Erwählten auf ewig, so wie Gott es in seinem ewigen, erwählenden Ratschluss vor der Schöpfung beschlossen hat (vgl. Apg 2,23; 4,27.28). Der Antichrist kann die Erwählten niemals ihres Heils berauben. Die Erwählten sind ewig registriert, und dieser Eintrag kann niemals abgeändert werden. Die Erretteten werden den Antichristen in seiner Zeit nicht anbeten.
13,9 Vgl. 2,7.11 17,29; 3,6.13.22. Dieser Ausdruck enthält nicht die Aussage »was der Geist den Gemeinden sagt« aus den 7 Briefen an die Gemeinden. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass die Gemeinde bereits entrückt wurde.
13,10 Ein Aufruf an die Gläubigen, die Verfolgung durch den Anti- christen geduldig und ausharrend zu ertragen. Gott hat manche Gläubigen dazu bestimmt, verhaftet und hingerichtet zu werden, und sie dürfen sich dieser Bestimmung nicht widersetzen (vgl. Mt 26,51-54; 2Kor 10,4), sondern sollen diese Leiden mit Geduld annehmen, so wie Gott es für sie verordnet hat (vgl. 1Pt 2,19-24). 13,11 ein anderes Tier. Das ist der falsche Prophet der Endzeit (als solcher bezeichnet in 16,13; 19,20; 20,10), der die Macht des Antichristen steigert und die Welt überzeugt, ihn als Gott anzubeten. Dieses zweite »Partner-« Tier wird der bedeutendste, überzeugendste Verfechter der satanischen Religion sein (vgl. 16,13; 19,20; 20,10). Der Antichrist wird in erster Linie ein politischer und militärischer Führer sein, der falsche Prophet hingegen eine religiöse Führungsperson. Politik und Religion werden sich in einer weltweiten Religion der Anbetung des Antichristen vereinen (s. 17,1-9.15-17). aus der Erde. Wahrscheinlich bezieht sich das wieder auf den Abgrund in der Tiefe der Erde. Der falsche Prophet wird von einem mächtigen Dämonen aus der Unterwelt ausgesandt und gelenkt sein. Die Bildersprache der Erde kann – im Gegensatz zum bedrohlichen, geheimnisvollen Meer in V. 1 – implizieren, dass der falsche Prophet feinsinniger und anziehender ist als der Antichrist mit seinen 10 Hörnern. Ein Lamm hat nur zwei kleine Höcker auf dem Kopf, die im Vergleich zu den 10 Hörnern des Tieres unterlegen erscheinen. gleich einem Lamm. Das Bild des Lammes kann auch bedeuten, dass der falsche Prophet ebenfalls ein falscher Christus ist, der sich als das wahre Lamm ausgibt und verstellt. Im Gegensatz zum Antichristen wird der falsche Prophet nicht als tötende, zerstörende Bestie auftreten, sondern als ein sanftmütiges und trügerisch sympathisches Tier. redete wie ein Drache. Der falsche Prophet wird als Sprachrohr Satans dienen und daher gleicht seine Botschaft dem Drachen, Satan, der Quelle aller falschen Religionen (vgl. 2Kor 11,14).
13,12 übt alle Vollmacht des ersten Tieres aus. Der falsche Pro- phet übt dieselbe Art satanischer Macht aus wie der Antichrist, denn es ist dieselbe Machtquelle, die ihn bevollmächtigt. Auch er wird einen weltweiten Einfl uss haben und einen Ruf als Wundertäter genießen. bringt die Erde … dazu … anbeten. »Er bringt dazu« (veranlasst) wird 8-mal für den falschen Propheten verwendet. Er nutzt seinen Einfl uss, um eine vom Antichristen angeführte falsche Weltreligion zu gründen, und um die Menschen zu verführen, dieses System anzunehmen. dessen Todeswunde geheilt wurde. S. Anm. zu V. 3; 17,8. Das bezieht sich wahrscheinlich auf die sorgfältig arrangierte Täuschung der falschen Auferstehung, die ein gefälschter Mord war. So wird die ganze Welt dazu inspiriert, sich mit dem Antichristen zu verbünden.
13,13 große Zeichen. Derselbe Ausdruck wie bei den Wundern Jesu (Joh 2,11.23; 6,2). Das bedeutet, dass der falsche Prophet Zeichen wirkt, die den Zeichen Christi täuschend ähnlich sind. Satan hat schon in der Vergangenheit Übernatürliches gewirkt (z.B. 2Mo 7,11; 2Tim 3,8) und muss die Welt mithilfe seiner Strategie der falschen Wunder überzeugen, dass der Antichrist mächtiger ist als Gottes wahre Zeugen (Kap. 11), einschließlich Jesus Christus. Feuer vom Himmel. Aus dem Kontext wird deutlich, dass der falsche Prophet trügerische pyrotechnische Zeichen vollbringt, um die Menschen von seiner Macht zu überzeugen und um die beiden Zeugen aus Kap. 11 zu imitieren (11,5).
13,14 ein Bild machen. Eine Nachbildung des Antichristen, die in Verbindung steht mit dem Thron, den er in der Mitte der Trübsalszeit während des Gräuels der Verwüstung aufrichten wird. Das wird im Tempel in Jerusalem geschehen, wenn der Antichrist die bisherigen falschen Weltreligionen abschafft und versucht, dass die Menschen allein ihn als Gott anbeten (vgl. Dan 9,27; 11,31; 12,11; Mt 24,15; 2Th 2,4). Der falsche Prophet und der Antichrist werden die Welt abermals mit einer geschickten Imitation Christi verführen. Doch später wird Christus wiederkommen und auf dem wahren Thron in Jerusalem regieren.
13,15 redete. Der falsche Prophet wird dem Bildnis des Antichris- ten ein lebendiges Aussehen verleihen, und das Bild wird den Eindruck erwecken, dass es rede – im Gegensatz zu üblichen Götzenbildern (vgl. Ps 135,15.16; Hab 2,19). bewirkte, dass alle getötet wurden. Seine Sanftmut ist eine Lüge, denn er ist ein Mörder (7,9-17). Einige Heiden werden verschont werden, um ins Tausendjährige Reich einzugehen (Mt 25,31-40), und die Juden wird Gott beschützen (12,17).
13,16 ein Malzeichen. Im Römischen Reich war das ein übliches Identitätszeichen oder Brandmal, das Sklaven und Soldaten auf dem Körper trugen. Einige antike Mysterienkulte liebten solche Tätowierungen, die ihre Mitglieder mit einer Form der Anbetung identifi zierten. Der Antichrist wird eine ähnliche Bedingung anordnen, die sichtbar auf der Hand oder Stirn getragen werden muss.
13,17 kaufen oder verkaufen. Das Zeichen des Antichristen wird den Menschen ermöglichen, am täglichen Handel teilzunehmen. Dazu gehören auch das Einkaufen von Lebensmitteln oder anderen Bedarfsgütern. Ohne dieses Identitätszeichen wird man keine lebensnotwendigen Waren erhalten können. Zahl seines Namens. Das Tier (der Antichrist) wird einen Namen haben, der zu einem Zahlensystem gehört. Aus dem Text wird nicht genau klar, wie dieser Name lautet, was das für ein System sein wird oder was es zu bedeuten hat.
13,18 seine Zahl ist 666. Das ist in ihrem Wesen die Zahl eines Menschen. Der Zahl 6 fehlt nur ein einziger Zähler zur 7, zur vollkommenen Zahl Gottes, und somit repräsentiert die 6 menschliche Unvollkommenheit. Der Antichrist, der mächtigste Mann der Weltgeschichte, wird immer noch ein Mensch sein, d.h. eine 6. Das Höchste, was Menschen und Dämonen mit ihrer Macht erreichen können, ist eine 6, und nicht die Vollkommenheit Gottes. Die 3-fache Nennung der Zahl wiederholt und unterstreicht die Identität des Menschen. Wenn schließlich der Antichrist offenbart wird, wird es irgendwie möglich sein, ihn anhand dieser »Zahl eines Menschen« zu erkennen, oder sein Name entspricht womöglich der Summe 666. (In vielen Sprachen, wie z.B. Hebr. Gr. und Lat. haben die Buchstaben auch Zahlenwerte.) Da dieser Text nur wenig über die Bedeutung der Zahl 666 offenbart, ist es unweise, über die Aussagen des Textes hinaus zu spekulieren.
14,1 das Lamm. S. Anm. zu 5,6. Berg Zion. Die Stadt Jerusalem, wohin der Messias wiederkommen und wo er wohnen wird (vgl. Ps 2; 48,2.3; Jes 24,23). hundertvierundvierzigtausend. S. Anm. zu 7,4. Namen. Das Gegenstück zum Zeichen des Tieres. Es ist das Siegel, das die 144.000 als zu Gott zugehörig identifi ziert (s. Anm. zu 13,6).
14,2 Harfen. S. Anm. zu 5,8.
14,3 neues Lied. Das Lied der Erlösung, das alle erlösten Heili- gen gemeinsam in einem gigantischen Chor singen. Sie jubeln vor der Wiederkunft Christi über die Errungenschaften von Gottes ganzem Erlösungswerk (vgl. Ps 33,1-3; 40,3; 96,1; 144,9.10; 149; Lk 15,10; s. Anm. zu 5,9). vier lebendigen Wesen und den Ältesten. S. Anm. zu 4,4.6.
14,4 mit Frauen nicht befl eckt. Eine Veranschaulichung für Got- tes Fähigkeit, die Gläubigen inmitten großer Schwierigkeiten bemerkenswert rein zu bewahren. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass die 144.000 jüdischen Evangelisten nicht nur dem verdorbenen System des Antichristen widerstehen, sondern auch allen unrechtmäßigen sexuellen Versuchungen standhalten. Vgl. 2Kor 11,2. die dem Lamm nachfolgen. Das bedeutet, zur Anhängerschaft Jesu Christi zu gehören. Die siegreichen 144.000 sind Christus unerschütterlich und um jeden Preis treu (vgl. Mt 16,24; Mk 10,21; Lk 9,23; Joh 10,27; 12,26; 14,15). Erstlinge. Wie die Erstlingsopfer im AT werden diese Menschen zu einem besonderen Dienst für Gott abgesondert sein (vgl. 5Mo 26,111). Manche Ausleger sehen in den Erstlingen die erste größere Gruppe des erlösten Israel (s. Anm. zu 11,13), die wesentlich früher errettet wurden und stellvertretend stehen für eine noch viel größere Menge von Bekehrten, die folgen werden (vgl. Röm 16,5; 1Kor 16,15). Somit wären sie die ersten Früchte eines erlösten Volkes Israel (Röm 11,15.11-15.25-27).
14,5 kein Betrug. Die 144.000 reden exakt und zuverlässig die Wahrheit Gottes ohne jede Über- oder Untertreibung (vgl. Zeph 3,13). unsträfl ich. Nicht sündlos, aber geheiligt (s. Eph 1,4; 5,27; Kol 1,22). 14,6 inmitten des Himmels. Von einem gr. Begriff (»Mittel-Himmel«) für den Punkt am Mittagshimmel, wo die Sonne ihren Zenit erreicht. Das ist der höchste und strahlendste Punkt, den alle sehen und hören können. ewiges Evangelium. Der Engel verkündet die frohe Botschaft des ewigen Lebens und des Zugangs zum Reich Gottes (vgl. Mt 24,14; 1Kor 15,1-10). Er nötigt die Menschen der Welt, dem Tier die Treue aufzukündigen und sich dem Lamm zuzuwenden. Im NT wird es auch Evangelium Gottes genannt, das Evangelium der Gnade und das Evangelium des Reiches. Es ist die frohe Botschaft, dass Gott durch Sündenvergebung rettet und sein Reich all denen öffnet, die Buße tun und glauben. Die ganze Welt wird hören, wie dieser Engel Gottes Gnadenruf zum Heil verkündet.
14,7 Fürchtet Gott. Weder Satan noch der Antichrist sind zu fürch- ten. Gottesfurcht ist das Thema der Bibel; die Menschen sind aufgerufen, Gott zu ehren, zu verherrlichen und anzubeten (vgl. Spr 23,17; 1Pt 2,17). S. Anm. zu Röm 1,18-21. die Stunde seines Gerichts ist gekommen. Der Augenblick kommt, an dem es zum letzten Mal möglich ist, Buße zu tun und zu glauben, bevor Gottes Zorn ausgegossen wird. Hier kommt zum ersten Mal in diesem Buch das Wort Gericht vor, das dasselbe bedeutet wie Zorn (s. 6,17; 12,12). der den Himmel und die Erde … gemacht hat. Die Schöpfung ist der große Beweis für die Existenz und Macht Gottes, und Prediger verweisen darauf als Grundlage für alle, um an ihn zu glauben und ihn anzubeten (vgl. 4,11; 10,6; Joh 1,9; Apg 14,15-17; 17,23-28).
14,8 gefallen ist Babylon. Weil auf die Botschaft des ersten Engels so wenig Reaktion folgt, verkündet ein zweiter Engel dieses Gericht. Mit Babylon ist das gesamte weltweite Reich des Antichristen gemeint in all seinen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Aspekten (für Details zu diesem Fall Babylons s. 16,17-19). Die ursprüngliche Stadt Babylon war der Geburtsort des Götzendienstes. Die Bewohner dieser Stadt bauten dort den Turmbau zu Babel, der ein Monument war ihrer Rebellion und falschen Religion. Dieser Götzendienst breitete sich daraufhin aus, denn Gott verwirrte die Sprache der Menschen und zerstreute sie in der ganzen Welt (vgl. 1Mo 11,1-9). Glutwein ihrer Unzucht. Dieser Ausdruck beschreibt Babylon als Ursache dafür, dass die Welt in den Rausch babylonischer Vergnügungen und in eine Orgie der Rebellion, des Hasses und des antigöttlichen Götzendienstes verfi el. Unzucht ist die geistliche Prostitution zugunsten des falschen Systems des Antichristen, das für diesen Frevel umgestürzt werden wird.
14,9 das Tier und sein Bild anbetet. S. Anm. zu 13,14.15; vgl. 13,8.
14,10 Kelch seines Zornes. Jeder, der dem Antichristen und seinem Reich treu ist, wird das Ausgießen des angesammelten Zornes Gottes erleiden, der mit der vollen Gewalt seiner göttlichen Rache und ungemilderten Vergeltung ergehen wird (vgl. Ps 75,9; Jes 51,17; Jer 25,15.16). Gottes Zorn ist kein impulsiver Wutausbruch, der sich willkürlich gegen Gott unliebsame Menschen richtet. Vielmehr ist er die kontrollierte, stetige, erbarmungs-, gnaden- und mitleidslose Reaktion eines gerechten Gottes auf Sünde. Feuer und Schwefel. Das sind zwei Elemente, die in der Bibel oft in Verbindung stehen mit den Qualen göttlicher Bestrafung (1Mo 19,24.25; Jes 34,8-10). Hier beziehen sie sich auf die Hölle, den Feuersee (vgl. 19,20; 20,10; 21,8). Schwefel ist ein brennbares Element (s. Anm. zu 9,17).
14,11 der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewig- keit. Ein Hinweis auf die ewige Dauer der Hölle (vgl. Mt 3,12; 13,41.42; 25,41; Mk 9,48). Qual bedeutet hier das unaufhörliche Leid unerträglicher Schmerzen (vgl. Lk 16,23.24), die hier allen verordnet werden, die dem Anführer Satans ergeben sind.
14,12 Dieser Vers liefert einen exzellenten biblischen Beweis für die Lehre der Beharrlichkeit, die allen wahren Gläubigen die Gewissheit gibt, dass sie ihren Glauben niemals verlieren werden. Die Wiedergeborenen werden beständig bis zum Ende ausharren, in Gehorsam gegen die Wahrheit, ganz gleich, welche Hindernisse sich gegen sie erheben (s. Anm. zu Röm 8,31-39; Phil 1,6; vgl. Jer 32,40; Mt 24,13; Joh 6,35-40; 10,27-30; 1Joh 5,4.11-13.20).
14,13 Glückselig. S. Anm. zu 1,3.
14,14 Sohn des Menschen. S. Anm. zu 1,13. Die bildhafte Be- schreibung des Herrn auf einer Wolke stammt aus Dan 7,13.14 und betont seine überragende Majestät (vgl. 1,7; Mt 24,30; 26,64; Apg 1,911). goldene Krone. Die Siegeskrone, ein Lorbeerkranz, der getragen wurde von denen, die ihren Sieg nach einem Krieg oder Sportwettkampf feierten. Christus trägt nun diese besondere Krone, die in diesem Fall aus Gold besteht, als siegreicher Eroberer, der aus dem Himmel kommt, um über seine Feinde zu triumphieren. Sichel. Ein Erntewerkzeug mit einer rasiermesserscharfen, gekrümmten, eisernen oder stählernen Klinge und einem hölzernen Griff. Sie wurde früher üblicherweise von Bauern verwendet, um Getreide zu mähen. Sie repräsentiert ein schnelles und vernichtendes Gericht.
14,15 Ernte der Erde. Das Getreide – in diesem Fall die Gottlosen der Welt – ist bereit, um gesammelt und gerichtet zu werden.
14,17 Tempel. S. Anm. zu 11,19. Das ist nicht der Tempel der Trübsalszeit in Jerusalem, sondern der himmlische Wohnort Gottes (vgl. 11,1).
14,18 ein weiterer Engel … hatte Vollmacht über das Feuer. Dieser Engel steht in Verbindung mit dem Feuer auf dem Altar, das die Gebete der Heiligen repräsentiert (6,9-11; 8,3-5). Feuer bezieht sich hier auf das ständig brennende Feuer auf dem kupfernen Altar im Jerusalemer Tempel. Zweimal täglich ließ der Priester mit diesem Feuer Weihrauch aufgehen und brachte den brennenden Weihrauch ins Heiligtum als Symbol für die Gebete des Volkes (s. Anm. zu 5,8; 6,9; 8,3). Dieser Engel kommt vom himmlischen Altar, um sicherzustellen, dass alle Gebete aller Heiligen, die für Gericht und für das Kommen des Reiches Gottes gebetet haben, erhört werden. Er ruft zum Beginn des Gerichts auf. Sichel. S. Anm. zu V. 14.
14,19 Kelter. Dieses eindrückliche Bild symbolisiert ein entsetzliches Blutbad und Massensterben (vgl. Jes 63,2.3; Kla 1,15; Joe 3,13). Hier bezeichnet es das Niederstrecken aller noch lebender Feinde Gottes. Die Zerstörung bei der Schlacht von Harmageddon steht bevor, die letzte Schlacht der Feinde Gottes, die in der Ebene von Esdraelon stattfi nden wird. Das blutige Bild ist entlehnt vom Zerstampfen (Keltern) roter Weintrauben, bei dem der frische Traubensaft aus den Beeren spritzt und aus dem oberen Bottich durch einen Trichter herunterrinnt in den unteren Bottich einer steinernen Weinkelter.
14,20 außerhalb der Stadt. Gott wird verordnen, dass dieses Blutbad außerhalb von Jerusalem stattfi ndet, als wolle er die Stadt insgesamt vor diesem Gemetzel bewahren. Sach 14,1-5 verdeutlicht, dass Jerusalem angegriffen, aber letztendlich nicht zerstört wird, sondern für die Herrlichkeit des Reiches bewahrt bleibt. Der gläubige Überrest wird gerettet werden, da der Herr sie und die Stadt vor den Nationen verteidigt. Wenn der Herr das Gericht vollendet und sein Reich aufrichtet, wird der Überrest durch ein neu geschaffenes Tal entkommen. bis an die Zäume der Pferde. Die Intensität des Blutbads wird hier durch ein Bild veranschaulicht: Das Blut derer, die bei der Schlacht von Harmageddon getötet werden, ergießt sich bis auf Höhe der Pferdezäume (etwa 1,2 m). Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, denn wenn die Schlacht in der Nähe des zentralen Tals von Israel stattfi ndet, kann die enorme Menge vergossenen Blutes an manchen Stellen leicht Pfützen und Mulden von mehr als 1 m Tiefe füllen. Dieses Ereignis ist eindeutig in 19,11-21 beschrieben. Hes 39,8-16 beschreibt möglicherweise die anschließende Reinigung. tausendsechshundert Stadien. Knapp 300 km; das entspricht ungefähr der Entfernung von Harmageddon im Norden Palästinas bis Edom im Süden. Die große Schlacht wird in diesem ganzen Gebiet wüten und sogar noch darüber hinaus.
15,1 Kapitel 15 leitet die 7 Zornesschalen ein, Gottes letzte Ge- richte am Ende der 7-jährigen Trübsalszeit. Die Schalengerichte folgen in schneller Abfolge aufeinander wie das Staccato einer Maschinengewehrsalve, wobei jedes folgende Gericht heftiger ist als das vorausgehende. Die Schalen sind die letzten Plagen, die auf das Ertönen der siebten Posaune folgen, und sie beenden das Öffnen des siebten Siegels (s. Anm. zu 6,1). 15,1 Zorn Gottes. S. Anm. zu 11,18; 14,10; 16,19; 19,15; vgl. Röm 1,18-21.
15,2 gläsernes Meer. Gottes himmlischer Thron steht auf einem durchsichtigen Kristallpodest (s. Anm. zu 4,6). als Überwinder hervorgegangen waren über das Tier. Alle Heiligen aus allen Nationen, einschließlich Israels, werden aufgrund ihres Glaubens an Jesus Christus schließlich über Satans Antichristen und sein System triumphieren. Zahl seines Namens. S. Anm. zu 13,17. Harfen. S. Anm. zu 5,8.
15,3 Lied Moses. Das Volk Israel hatte dieses Lied gesungen, unmit- telbar nachdem sie durch das Rote Meer gezogen und vor den ägyptischen Truppen gerettet worden waren (2Mo 15,1-21; vgl. 5Mo 32,1-43). Es war ein Lied des Sieges und der Errettung, und die Erlösten, die den Antichristen und sein System überwunden haben, werden sich gern damit identifi zieren. Lied des Lammes. S. 5,8-14. Diese beiden Lieder feiern zwei großartige Ereignisse der Erlösung: 1.) Gottes Rettung Israels aus Ägypten durch Mose; und 2.) Gottes Rettung von Sündern vor der Sünde durch Christus. Groß und wunderbar sind deine Werke. Diese Aussage aus dem Lied des Lammes preist Gottes machtvolle Werke in der Schöpfung, mit denen er das Universum fürsorglich aufrecht erhält (vgl. Ps 139,14). Allmächtiger. Gott ist allmächtig (vgl. Am 4,13). König der Heiligen. Gott ist souverän über die Erlösten aus jeder Nation (vgl. Jer 10,7).
15,4 Gottes heiliger und vollkommener Charakter erfordert unaus- weichlich, dass er richtet (vgl. Ps 19,10; Nah 1,3.6). Nachdem Gottes gerechtes Gericht vollendet ist, wird er Christi Tausendjähriges Reich auf der Erde aufrichten, und die Erwählten aus jeder Nation werden kommen und ihn anbeten (vgl. Ps 66,4; Jes 66,23; Phil 2,9-11).
15,5 Tempel des Zeltes des Zeugnisses. Das bezieht sich auf den Ort im himmlischen Allerheiligsten, wo die Bundeslade steht und wo Gott wohnt (s. Anm. zu 11,19; vgl. 4Mo 10,11).
15,6 sieben Plagen. Die letzten, schwersten Gerichte von Gott, die in Kap. 16 beschrieben sind (s. Anm. zu V. 1). Leinwand … goldenen Gürteln. Leinen repräsentiert Heiligkeit und Reinheit (19,14). Das sind Gürtel bzw. Schärpen, die von der Schulter bis zur Taille verlaufen. Alle 7 Engel tragen sie über ihren Gewändern. Die Gürtel repräsentieren Reichtümer, Königswürde und ungetrübte Herrlichkeit.
15,7 vier lebendigen Wesen. S. Anm. zu 4,6-9. sieben golde- ne Schalen. Das sind fl ache Schüsseln, übliche Gefäße, die oft für verschiedene Funktionen des Tempeldienstes gebraucht wurden (1Kö 7,50; 2Kö 12,14; 25,15), wie z.B. für Wein- (Am 6,6) und Blutopfer (2Mo 27,3). Ihre fl ache Form beschreibt, wie schnell sich das göttliche Gericht entleeren wird. Es wird nicht langsam ausgegossen, sondern ertränkt diejenigen, die sich geweigert haben, den Becher des Heils zu trinken. Zornglut Gottes. S. Anm. zu 11,18; 14,10.
15,8 erfüllt mit Rauch. Vgl. 2Mo 19,16-18; 40,34-35; 1Kö 8,10.11; Jes 6,4.
16,2 erste … Schale … ein böses und schmerzhaftes Ge- schwür. Die Septuaginta (LXX) beschreibt mit demselben gr. Wort die Beulen, mit denen die Ägypter geplagt wurden (2Mo 9,9-11) und die Hiob peinigten (Hi 2,7). Im NT bezeichnet das Wort die offenen Geschwüre auf dem Körper des armen Bettlers Lazarus (Lk 16,21). Auf der ganzen Welt werden die Menschen von unheilbaren, offenen, eiternden Geschwüren gequält werden. Malzeichen des Tieres. Nur diejenigen werden gequält werden, die den Antichristen anbeten (s. Anm. zu 13,16; vgl. 14,9-11).
16,3 zweite … Schale … alle lebendigen Wesen starben im Meer. Das erinnert an die zweite Posaune (8,8.9) und an die erste Plage über Ägypten (2Mo 7,20-25). Diese Plage wird jedoch viel weiter verbreitet sein. Das Wasser in den Weltmeeren wird dick und dunkel werden und gerinnen wie das Blut einer Leiche. Das Sterben und Verwesen von Milliarden von Seelebewesen wird das Elend dieses Gerichtes noch zusätzlich verschlimmern.
16,4 dritte … Schale … die Flüsse und in die Wasserquellen. Auch das Süßwasser wird vom selben Schicksal ereilt werden wie die Ozeane (vgl. 2Mo 7,19ff.), obgleich bereits wegen der ausgedehnten Dürre Trinkwassermangel herrscht (11,6). Die Anbeter des Antichristen leiden nicht nur schrecklichen Durst, sondern sie verfügen außerdem über kein sauberes Wasser, mit welchem sie ihre Geschwüre waschen könnten.
16,5 der du bist und warst. Dieser Ausdruck beschreibt Gottes ewiges Wesen (vgl. 1,4.8; 4,8; 11,17). Vers 6 sagt, dass der ewige Gott gerecht richten wird, weil sie die Gläubigen und Evangelisten umgebracht haben (6,9-11; 7,9-17; 11,18; 17,6; 18,20). Ein vergleichbares Massensterben hat es in der Weltgeschichte noch nie gegeben (Mt 24,21) und ebenso beispiellos ist die Vergeltung Gottes, die er hier übt (vgl. Röm 12,19-21).
16,6 Blut hast du ihnen zu trinken gegeben. Nichts anderes ist zum Trinken verfügbar als diese zähfl üssige, blutartige Substanz, zu der sich das Süßwasser verwandelt hat (vgl. V. 4). denn sie verdienen es. Der Engel entlastet Gott von jedem etwaigen Vorwurf, dass sein Gericht zu schwer sei. Die unsagbar bösartige Generation jener Zeit wird mehr Blut vergießen als irgendeine Generation zuvor. Unter anderem haben diese Menschen das Blut von Heiligen (6,9; 17,6) und Propheten vergossen (11,7-10). Gottes Gericht ist fair und angemessen (vgl. 2Mo 21,2527; 3Mo 24,19.20; Hebr 10,26-31).
16,7 Altar. Der personifi zierte Altar wiederholt die Worte des Engels und bekräftigt somit die Wahrheit, dass Gott in all seinen Gerichten gerecht ist (19,1.2; vgl. 1Mo 18,25; Ps 51,6; Röm 3,4).
16,8 vierte … Schale … mit Feuer zu versengen. Die Sonne, die normalerweise Licht, Wärme und Energie spendet, wird zu einem todbringenden Feind. Die Erdenbewohner werden einer extremen Hitze ausgesetzt sein und haben bei alldem kein Trinkwasser. Durch die sengende Hitze werden die Polkappen abschmelzen, wodurch der Meeresspiegel um schätzungsweise 60 m steigen wird. Folglich werden viele Großstädte in aller Welt überschwemmt werden, was zu weiteren tödlichen Katastrophen mit vielen Opfern führen wird (vgl. Am 9,5.6). Der resultierende Zusammenbruch der Seeschifffahrt wird die Verteilung der schwindenden Vorräte an Nahrung und Wasser zusätzlich erschweren.
16,9 sie taten nicht Buße. Unglaublicherweise werden die Sünder immer noch die Buße verweigern (vgl. V. 11.21) und stattdessen Gott lästern, von dem sie wissen, dass er ihr Leid verursacht hat.
16,10 Thron des Tieres. Das bezieht sich entweder auf den buch- stäblichen Thron des Antichristen oder auf seine Hauptstadt, betrifft jedoch sein ganzes Herrschaftsgebiet. Wo die Finsternis auch beginnen mag, wird sie jedenfalls schließlich das gesamte Reich des Antichristen in Dunkelheit hüllen. verfi nstert. Weltweite Finsternis steht an anderer Stelle in Verbindung mit dem Gericht Gottes (vgl. Jes 60,2; Joel 2,2; Mk 13,24.25). zerbissen ihre Zungen. Ein vergeblicher Versuch, den Schmerz ihrer Geschwüre, den Durst und die sengende Hitze zu lindern.
16,11 lästerten den Gott des Himmels. Ein Zeichen ihrer fortge- setzten Loyalität zum Antichristen und ihrer Wut auf Gott wegen ihrer vielfältigen Schmerzen, die ihnen durch die ersten 5 Schalen zugefügt wurden. »Gott des Himmels« ist ein häufi ger Titel Gottes im AT, kommt im NT aber nur hier und in 11,13 vor. ihrer Geschwüre. Die lang anhaltenden Auswirkungen der ersten Schale sind der Hauptgrund für ihre Lästerung.
16,12 Euphrat. Dieser Fluss wird in der Bibel 5-mal »der große Strom« genannt (vgl. 9,14; 1Mo 15,18; 5Mo 1,7; Jos 1,4). Er fl ießt etwa 2.900 km von seiner Quelle am Fuß des Ararat bis zum Golf von Persien (s. Anm. zu 9,14) und bildet die östliche Grenze des Landes, das Gott Israel verheißen hat (1Mo 15,18; 5Mo 1,7; 11,24; Jos 1,4). Aufgrund der ausgedehnten Dürre und der außergewöhnlichen Hitze führt der Euphrat bereits nur wenig Wasser, und nun trocknet Gott ihn auf übernatürliche Weise völlig aus, um den Weg freizugeben für die Alliierten aus dem Osten, die nach Palästina eindringen (Jes 11,15). den Königen vom Aufgang der Sonne. In seiner Vorsehung führt Gott diese Könige und ihre Truppen nach Palästina, um sie in der Schlacht von Harmageddon zu vernichten (V. 14). Vielleicht rücken sie deshalb an, um gegen den Antichristen zu rebellieren, dessen Unvermögen, die Notlage der Welt zu lindern, zweifellos seine Beliebtheit mindern wird. Oder aber es handelt sich hier um einen letzten Akt fundamentalistischen Antisemitismus in der Absicht, Israel zu vernichten. Das könnte sogar ein Vergeltungsschlag dafür sein, dass Gott diese Plagen wegen Israel über die Erde gebracht hat. Da die Sonne womöglich das Eis auf dem Ararat geschmolzen hat und folglich das Euphrattal mit seinen Furten und Brücken überfl utet war, ist das Land versumpft. Gott wird es auf wunderbare Weise austrocknen lassen, damit die Truppen aus dem Osten nach Harmageddon gelangen können.
16,13 drei unreine Geister. Eine im NT übliche Bezeichnung für Dämonen (vgl. Mt 12,43; Mk 1,23; Lk 8,29). Hier handelt es sich um besonders niederträchtige, mächtige und trügerische Geister (V. 14). des Drachen … des Tieres … des falschen Propheten. Die »unheilige Dreifaltigkeit«, bestehend aus Satan (dem Drachen; s. Anm. zu 12,3), dem Antichristen (dem Tier; s. Anm. zu 11,7) und dem Partner des Antichristen (dem falschen Propheten; s. Anm. zu 13,11), spie diese Plage aus. gleich Fröschen. Dieses Bild betont ihre Scheußlichkeit noch mehr (vgl. 3Mo 10,11.41). Frösche waren nach den Speisevorschriften des AT unreine Tiere (3Mo 11,10.11.41). Die persische Mythologie sah in ihnen Kreaturen, die Plagen auslösten. Diese Dämonen werden mit diesem Vergleich als schleimige, kaltblütige und abscheuliche Wesen beschrieben. 16,14 Zeichen. Das sind übernatürliche Wunder (vgl. 13,12-15), die speziell darauf ausgelegt sind (vgl. 19,20; 1Kö 22,20-23; Mk 13,22), die Könige zum Einmarsch in Palästina zu verführen. Diese Zeichen werden eine so große Wirkung ausüben, dass die unreinen Geister die Könige veranlassen können, trotz ihrer Geschwüre, der Dürre, Hitze und Finsternis nach Palästina zu reisen. Königen der Erde. Das ist nicht mehr nur die Allianz des Ostens, sondern nun beginnt sich die ganze Welt in Palästina zur letzten, gipfelnden Schlacht zu versammeln (Ps 2,2.3; Joel 4,2-4; Sach 14,1-3). zum Kampf … an jenem großen Tag Gottes, des Allmächtigen. Die Schlacht von Harmageddon (V. 16). Das ist der große Krieg gegen Gott und Christus (s. Anm. zu 2Th 1,7-10; vgl. Joel 2,11; 4,2.4). Der Krieg wird mit der Wiederkunft Christi enden (19,17-20).
16,15 Glückselig. S. Anm. zu 1,3. wacht und seine Kleider be- wahrt. Unser Herr betont, dass es nötig ist, ständig für seine Wiederkunft bereit zu sein (vgl. 1Joh 2,28). Die Bildersprache beschreibt einen Soldaten, der bereit zum Kampf ist, bzw. einen Hauseigentümer, der wachsam aufpasst, ob ein Dieb naht (s.a. 3,3; 1Th 5,2.4; 2Pt 3,10).
16,16 Harmageddon. Der hebr. Name für den Berg Megiddo, etwa 100 km nördlich von Jerusalem. Die Schlacht wird in der nahe gelegenen Ebene wüten. Sie war Schauplatz von Baraks Sieg über die Kanaaniter (Ri 4) und von Gideons Sieg über die Midianiter (Ri 7). Napoleon bezeichnete dieses Tal als das größte Schlachtfeld, das er jemals gesehen hat. Doch die Schlacht von Harmageddon wird sich nicht auf die Ebene von Megiddo beschränken, sondern Palästina in seiner ganzen Länge umfassen (s. Anm. zu 14,20).
16,17 siebte … Schale … Es ist geschehen! Diese Schale wird Gottes Zorn zum Abschluss bringen (abgesehen vom Endgericht bei der Rebellion am Ende des Tausendjährigen Reiches; 20,7-10) und geht der Wiederkunft Christi unmittelbar voraus. Sie leitet die größte Katastrophe der Weltgeschichte ein. Die Stimme aus dem Tempel im Himmel ist zweifellos die Stimme Gottes selbst. »Es ist geschehen« wird am besten übersetzt mit: »Es wurde vollbracht und wird vollbracht bleiben« (vgl. Joh 19,30). Gott wird die Vollendung seines Zorns mit einem verheerenden Erdbeben unterbrechen, dem heftigsten Erdbeben der Weltgeschichte (vgl. V. 19-21).
16,19 die große Stadt. Vgl. 11,13; 21,10; s. Anm. zu Zech 14,1-8. Jerusalem wird in 3 Teile gespalten werden (Sach 14,4). Das geschieht nicht als Gericht (vgl. 11,13), sondern zur Optimierung. Die zusätzlichen Wasservorräte (Sach 14,8) und topografi schen Veränderungen (Sach 14,4.5) werden die Stadt für ihre zentrale Stellung im Tausendjährigen Reich zubereiten. Jerusalem ist die einzige Stadt, die vom Gericht verschont bleibt (vgl. 1Chr 23,25; Ps 125,1.2; Mi 4,7). Wegen ihrer Buße (s. 11.13) wird diese Stadt noch mehr von Schönheit und Glanz geprägt sein (Ps 48,3). die Städte der Heidenvölker. Mit den übrigen Städten der Welt hat Gott etwas ganz anderes vor: Sie werden zustört. Babylon. Über die Hauptstadt des Reiches des Antichristen wird der Zorn Gottes in besonderer Weise ausgegossen werden, wie es prophezeit ist in Jes 13,613. Die Kapitel 17.18 beschreiben die Details des Untergangs Babylons.
16,20 jede Insel entfl oh … keine Berge mehr zu fi nden. Die- ses mächtige Erdbeben wird die geologische Struktur der Erdoberfl äche verändern und die Erde auf das Tausendjährige Reich vorbereiten. Vgl. 6,12-14; Jes 40,4.5; Jer 4,23-27.
16,21 zentnerschweren. Wörtl. »talentschwer«. Ein Talent war das schwerste Gewicht, das ein normaler Mensch tragen konnte (etwa 35 kg). Die enorme Größe der Hagelbrocken lässt auf bisher unbekannte atmosphärische Umwälzungen schließen. Derart massive Eisstücke werden unvorstellbare Verheerungen anrichten und viele Todesopfer fordern.
17,1 sieben Engeln. Dieser Hinweis auf die Engel verbindet die Kap. 17.18 mit den Schalengerichten (Kap. 16), die zur Wiederkunft Christi überleiten (s. Anm. zu 16,17). Die Kapitel 17.18 konzentrieren sich auf einen besonderen Aspekt der Schalengerichte, nämlich auf das Gericht über Babylon. Die Beschreibung der Gerichte in den vorigen Kapiteln zielte auf das endzeitliche Weltsystem ab. große Hure. S. Anm. zu 14,8. Prostitution symbolisiert häufi g Götzendienst oder geistliche Abtrünnigkeit (vgl. Jer 3,6-9; Hes 16,30ff.; 20,30; Hos 4,15; 5,3; 6,10; 9,1). Die Städte Nineve (Nah 3,1.4), Tyrus (Jes 23,17) und sogar Jerusalem (Jes 1,21) werden als Huren dargestellt. an den vielen Wassern sitzt. Dieses Bild betont die überragende Macht der Hure. Es beschreibt einen Herrscher auf einem Thron, der über die Wasser regiert, wobei die Wasser die Nationen der Welt symbolisieren (s. V. 15).
17,2 die Könige … Unzucht getrieben. Die Hure wird sich mit den Führungspersonen der Weltpolitik verbünden. Unzucht bezieht sich hier nicht auf sexuelle Sünde, sondern auf Götzendienst (s. Anm. zu 14,8). Alle Regenten der Welt werden in das Reich von Satans falschem Christus assimiliert werden. Wein der Unzucht. Der Einfl uss der Hure wird größer sein als der Einfl uss der Weltregenten und sich auf die ganze Menschheit erstrecken (vgl. V. 15; 13,8.14). Die Bildersprache beschreibt keinen buchstäblichen Wein und sexuelle Sünde, sondern verdeutlicht, wie die Völker dem Rausch und der Sünde eines falschen Religionssystems verfallen.
17,3 im Geist. Vgl. 1,10; 4,2; 21,10. Der Heilige Geist versetzt Johannes in die Wüste (eine menschenleere, einsame und verwüstete Steppe), vielleicht damit er die Vision besser versteht. eine Frau. Die Hure von V. 1, Babylon. scharlachroten Tier. Der Antichrist (vgl. 13,1.4; 14,9; 16,10), der das falsche Religionssystem eine Zeit lang unterstützen und dazu gebrauchen wird, eine weltweite Einheit herbeizuführen. Dann wird er die politische Weltherrschaft antreten (vgl. V. 16). Scharlach ist die Farbe des Luxus, der Pracht und der Königswürde. voll Namen der Lästerung. Wegen seiner Selbstvergötterung (vgl. 13,1; Dan 7,25; 11,36; 2Th 2,4). sieben Köpfe und zehn Hörner. Eine bildhafte Beschreibung für das Ausmaß der politischen Allianzen des Antichristen (s. Anm. zu V. 9-12; 13,1).
17,4 Purpur und Scharlach. Die Farben der Königswürde, des Adels und des Wohlstands. Die Frau wird als Prostituierte dargestellt, die ihr Gewerbe erfolgreich betreibt und äußerst reich wird. übergoldet. Prostituierte tragen oft edle Kleidung und kostbare Juwelen, um ihre Opfer zu betören (vgl. Spr 7,10). Die religiöse Hure Babylon ist darin nicht anders; sie schmückt sich, um die Nationen zu verlocken und in ihren Griff zu bekommen. goldenen Becher. Ein weiteres Anzeichen für den enormen Reichtum der Hure (vgl. Jer 51,7); doch das pure Gold ist verunreinigt vom Dreck ihrer Unmoral. So wie eine Prostituierte ihr Opfer zuerst betrunken macht, so verführt das hurerische System die Nationen zur geistlichen Unzucht.
17,5 Stirn. Römische Prostituierte trugen üblicherweise ein Stirn- band mit ihrem Namen (vgl. Jer 3,3) und stellten somit ihr Elend für alle sichtbar zur Schau. Die Stirn der Hure ist mit drei Titeln beschriftet, die das falsche endzeitliche Weltreligionssystem beschreiben. Geheimnis. Im NT ist ein Geheimnis eine Wahrheit, die einst verborgen war, aber im NT geoffenbart worden ist. S. Anm. zu Mt 13,11; Eph 3,4.5. Die Identität des geistlichen Babylon ist noch verborgen und wird erst in Zukunft offenbar werden. Daher sind die genauen Einzelheiten noch unbekannt, wie sich Babylon in der Welt darstellen wird. Babylon, die Große. Dieses Babylon unterscheidet sich von der historischen, geografi schen Stadt Babylon (die zur Zeit von Johannes noch existierte). Die Details der Vision von Johannes lassen sich auf keine historische Stadt anwenden (s. Anm. zu 14,8). Mutter der Huren. Alle falschen Religionen stammen letztlich aus Babel bzw. Babylon (vgl. 1Mo 11; s. Anm. zu 14,8).
17,6 Blut der Heiligen … der Zeugen Jesu. Manche sehen in der ersten Gruppe die Gläubigen des AT und in der zweiten die des NT. Die Unterscheidung ist irrelevant, da hier die Märtyrer der Trübsalszeit gemeint sind. Johannes will hier herausstellen, dass die Hure ein Mörder ist. Die falschen Religionen haben im Lauf der Jahrhunderte Millionen von Gläubigen umgebracht, und das letzte falsche Religionssystem wird weit mehr Gläubige umbringen als jede Religion zuvor.
17,7 Geheimnis. Das Geheimnis besteht nicht darin, dass Babylon ein falsches Religionssystem ist – denn das ist bereits bekannt –, sondern darin, dass das Tier die Hure voll und ganz unterstützen wird und dass die beiden einen enormen Einfl uss auf die ganze Welt ausüben werden.
17,8 Das Tier. Dieser Begriff bezeichnet sowohl einen König als auch ein Reich. war und ist nicht mehr, und es wird … heraufkommen. Ein Hinweis auf die gefälschte Auferstehung des Antichristen (13,3.4.1214; s. Anm. zu 13,3). aus dem Abgrund. Nach seiner »Auferstehung« wird der Antichrist von einem mächtigen Dämon aus dem Abgrund besessen werden (s. Anm. zu 13,1.3). Verderben. Das ewige Verderben (vgl. V. 11; Mt 7,13; Joh 17,12; Phil 1,28; 3,19; 2Th 2,3; Hebr 10,39; 2Pt 2,3; 3,7.16) im Feuersee, dem Ort des Untergangs des Antichristen (19,20). Buch des Lebens. Die Buchrolle der Erwählten, die Gott in der ewigen Vergangenheit geschrieben hat (s. Anm. zu 3,5). Nur die Erwählten werden der Verführung des Antichristen entkommen (Mt 24,24). von Grundlegung der Welt an. S. Anm. zu 13,8; vgl. 1Tim 1,9; Tit 1,2 (»vor ewigen Zeiten«). Dieser Ausdruck kommt häufi g vor (Mt 13,35; 25,34; Lk 11,50; Joh 17,24; Eph 1,4; Hebr 4,3; 9,26; 1Pt 1,20) und bezieht sich auf Gottes Ratschluss, den er vor der Schöpfung fasste. 17,9 sieben Berge. Das gr. Wort wird oft für Hügel verwendet (Mt 5,1; 15,29; Joh 6,15; 8,1). Viele Ausleger interpretieren diesen Ausdruck als Hinweis auf Rom, das auf 7 Hügeln erbaut ist. Es stimmt, dass die endzeitliche falsche Weltreligion Rom umfassen wird, sie wird sich aber nicht darauf beschränken. Doch in diesem Zusammenhang symbolisieren die 7 Berge insbesondere die 7 Reiche und ihre Könige aus V. 10.
17,10 sieben Könige. Repräsentanten der 7 großen Weltreiche (Ägypten, Assyrien, Babylon, Medo-Persien, Griechenland, Rom und das Reich des Antichristen). Vgl. das Standbild Daniels in Dan 2,37-45. Fünf sind gefallen, und der eine ist da – der andere. Zur Abfassungszeit der Offenbarung waren die Reiche Ägypten, Assyrien, Babylonien, Medo-Persien und Griechenland bereits untergegangen; das Römische Reich existierte noch und das Reich des Antichristen lag noch in der Zukunft. Wenn es kommt, wird es nur kurzzeitig bestehen (12,12; 13,5) und der Antichrist wird im Verderben enden (V. 11; s. Anm. zu V. 8).
17,11 nicht ist … der achte. Weil das Reich des Antichristen scheinbar untergeht und wieder aufersteht, wird es sowohl als siebtes als auch als achtes Reich bezeichnet. Der Antichrist ist vor seiner »Auferstehung« der siebte König und danach der achte. Dann wird er das religiöse Reich der Hure zerstören und verlangen, dass nur er allein angebetet wird (V. 16). 17,12 zehn Könige. S. Anm. zu 12,3; 13,1 (vgl. Dan 2,41.42). Das sind untergeordnete Regenten unter dem Antichristen, dessen Reich offenbar in 10 Verwaltungsbezirke eingeteilt sein wird. noch kein Reich. Daher können diese Könige mit keinen historischen Persönlichkeiten identifi ziert werden. eine Stunde. Das steht symbolisch für die kurze Zeit von 3½ Jahren (vgl. 11,2.3; 12,6.12.14; 13,5; 18,10.17.19).
17,14 Krieg führen. Ein Hinweis auf die Schlacht von Harmaged- don (16,14-16), wo das Lamm diese Könige gänzlich vernichtend schlagen wird (19,17-21). Herr der Herren und der König der Könige. Ein Titel Gottes (19,16; 1Tim 6,15; vgl. 5Mo 10,17; Ps 136,3), der seine Souveränität über alle Herrscher betont, denen er Autorität zugebilligt hat.
17,15 S. Anm. zu V. 1.
17,16 werden die Hure hassen. Nachdem der Antichrist das fal- sche Religionssystem benutzt hat, um die Reiche der Welt zu vereinen und die Herrschaft über sie alle zu erlangen, wird er sich – mithilfe seiner 10 Unterregenten – gegen das System wenden, es plündern und zerstören und die ganze Macht und Verehrung an sich reißen. Damit werden er und seine Bundesgenossen Gottes Willen ausführen (V. 17). Vgl. 1Mo 50,20.
17,18 die große Stadt. Das ist eine weitere Bezeichnung für die Hauptstadt Babylon, das Zentrum des antichristlichen Reiches. Vgl. 18,10.18.21.
18,1 die Erde wurde erleuchtet von seiner Herrlichkeit. Bei der fünften Schale (16,10) wurde die Welt in Finsternis gehüllt. Vor diesem Hintergrund wird die plötzlich aufl euchtende Erscheinung eines weiteren Engels (eines anderen als in 17,1.7.15) die Aufmerksamkeit der Welt sicherlich auf sich und auf seine Verkündigung des Gerichts über Babylon ziehen (vgl. 14,8).
18,2 gefallen ist Babylon, die Große. Vgl. 14,8; s. Anm. zu Jes 21,9; aus diesen Versen stammt dieses Zitat. Der gr. Text sieht die Resultate dieses Gerichts, als hätte es bereits stattgefunden (s. Anm. zu 14,8). Doch hier geht es um das siebte Schalengericht, und das steht an diesem Punkt noch bevor (16,17-21). Wenn es sich vollzieht, werden Verwüstung und Vernichtung herrschen und die Ruinen Babylons werden zurückbleiben als Stätten für Dämonen und Aasvögel. 18,3 Glutwein ihrer Unzucht. Das religiöse Babylon (Kap. 17) verlockt die Nationen in geistliche Trunkenheit und Unzucht mit falschen Göttern (17,2.4); das wirtschaftliche Babylon hingegen (Kap. 18) verführt die ungläubige Welt zu einem materialistischen Wahn, sodass die Menschen der Welt aufgrund ihrer Beziehung zu Babylon von Leidenschaft berauscht sind. Könige … Kaufl eute. Sowohl politische als auch wirtschaftliche Führungspersonen werden in dieses weltweite Kommerzsystem hineingezogen (14,8; 17,2).
18,4 Geht hinaus aus ihr, mein Volk. Gott wird die Seinen auf- rufen, sich von diesem bösartigen System loszulösen. Es kann sich auch um Gottes Berufung der Erwählten handeln, das Weltsystem zu verwerfen und zum Glauben an den Retter zu kommen. Jedenfalls fordert die Botschaft auf, sich vom Weltsystem zu trennen, bevor es zerstört wird (vgl. 2Kor 6,17; 1Joh 2,15). Es gibt einen Weg, diesem Gericht Gottes über diese Gesellschaft mit ihrer sündigen, überheblichen Maßlosigkeit zu entgehen. Vgl. die Botschaft von Jesaja und Jeremia an das Volk, Babylon zu verlassen (Jes 48,20; Jer 50,8; 51,6-9.45).
18,5 gedacht. S. 16,19. Gott denkt nicht mehr an die Sünden seines Volkes (Jer 31,34), sondern denkt an sie, um sie zu beschützen (Mal 3,16-20). Doch für das unbußfertige Babylon wird es keine solche Vergebung geben, sondern nur Gericht.
18,6 zahlt ihr … heim. Der Engel bittet Gott, an Babylon Ver- geltung zu üben und ihr seinen Zorn entsprechend ihrer Taten in ihren eigenen Becher zu gießen (s. Anm. zu 17,4). Das ist eine Anwendung des atl. Gesetzes der Vergeltung (2Mo 21,24), das Gott verwirklichen wird (Rom 12,17-21). 18,6 das Doppelte. Das bedeutet »vollständig« oder »überströ- mend«. Die Strafe wird dem Verbrechen entsprechen (vgl. Jer 16,18). Becher. Der Becher der Bosheit, aus dem so viele getrunken haben (14,8; 17,2.4.6), verlangt als Entgegnung den Becher des Zorns (14,10; 16,19).
18,7b bin keine Witwe. Babylon prahlt stolz, aber vergeblich mit ihrer Unabhängigkeit. Auch das historische Babylon rühmte sich in dieser Weise (Jes 47,8). Vgl. 1Kor 10,12.
18,8 ihre Plagen. Zu diesen Plagen können auch diejenigen aus
16,1ff gehören, doch müssen sie insbesondere die Zerstörung der Stadt umfassen, die beschrieben wird als »Tod und Leid und Hunger«. an einem Tag. S. V. 10.17.19. Die besonderen Gerichte über Babylon vollziehen sich innerhalb eines kurzen Zeitraums. Dan 5,30 berichtet, dass das antike Babylon an einem einzigen Tag fi el.
18,9 Dieser Abschnitt beschreibt die Klage nicht über die Sünde Babylons, sondern über ihre Zerstörung durch diejenigen, die ihrem System angehörten. 18,9 Könige. Die Führer der Weltpolitik werden weinen, weil der Sturz der Hauptstadt des Antichristen das Signal ist für den Untergang seines Reiches und weil mit seinem Reich auch die Quelle ihrer Macht untergehen wird. Vgl. V. 3; 17,2. beweinen … an die Brust schlagen. »Beweinen« bedeutet »offenkundig schluchzen«. »An die Brust schlagen« ist die Übersetzung eines gr. Wortes, das beschreibt, wie die ungläubige Welt bei der Wiederkunft Christi verzweifeln wird (1,7).
18,10 einer Stunde. Vgl. V. 8.17.19.
18,12 Über die Hälfte ihrer Waren und Güter kommt auch in der Liste in Hes 27,12-22 vor. 18,12 Purpur. Das bezieht sich auf Kleider, die aufwendig mit Purpurstoff durchzogen wurden. Purpur wurde aus Schalentieren aus dem Meer gewonnen. Lydia (Apg 16,14) handelte mit diesen teuren Stoffen. Purpurgewänder waren typisch für die römischen Kaiser. Tujaholz. Holz aus nordafrikanischen Zitrusbäumen, das wegen seiner Färbung sehr geschätzt war und aus dem äußerst teure Möbel angefertigt wurden. Marmor. Marmor wurde aus Afrika, Ägypten und Griechenland importiert und wurde vor allem zum Bau römischer Häuser verwendet. 18,13 Salbe. Oder »Salböl«; ein sehr kostbares Parfüm (vgl. Mt 26,7.12; Joh 12,3). Weihrauch. Dieser duftende Kautschuk oder Harz wurde aus Arabien importiert und als Weihrauch oder Parfüm verwendet (Hl 3,6; Mt 2,11). Leiber und Seelen der Menschen. Der Sklavenhandel, der aus den zivilisierten Nationen der Welt seit langem verbannt ist, wird unter dem verderbten Kommerzsystem des Antichristen wieder aufl eben.
18,17 Kapitän. Schiffsführer werden jammern, weil Babylon samt ihrem lukrativen Transportwesen gefallen ist.
18,19 warfen Staub auf ihre Häupter. In der Antike war das ein Ausdruck der Trauer (vgl. Jos 7,6; 1Sam 4,12; 2Sam 1,2; 15,32; Hi 2,12; Kla 2,10; Hes 27,30). in einer Stunde. Das ist nicht einfach ein Zeitraum von 60 Minuten, sondern eine kurze Zeit schnellen Gerichts (s. Anm. zu V. 8).
18,20 Gott hat euch an ihr gerächt. Der Engel wird die Märtyrer der Trübsalszeit (6,9-11) zum Jubel auffordern, und zwar nicht über den Tod derer, die zur ewigen Hölle verdammt sind, sondern darüber, dass Gottes Gerechtigkeit obsiegt hat.
18,21 großer Mühlstein. Mühlsteine waren große, schwere Stei- ne, mit denen Getreide gemahlen wurde. Diese Metapher beschreibt, mit welcher Gewalt Babylon gestürzt werden wird. Vgl. Jer 51,61-64; s. Anm. zu Mt 18,6.
18,22 Der Fall Babylons beendet die letzten Reste der Norma- lität, die nach all den Siegel-, Posaunen- und Schalengerichten in der Welt noch übrig sein werden. Das Leben auf der Erde wird völlig aus den Fugen geraten sein, und das Ende steht bevor. Es gibt keine Musik mehr, kein Gewerbe, keine Nahrungszubereitung (»Mühlstein«), keine Energie für Licht und keine Hochzeiten, denn Gott wird die Verführer und die Verführten vernichten.
18,24 Blut der Propheten und Heiligen. Die religiösen und po- litisch-wirtschaftlichen Systeme, die in Babylon verkörpert sind, werden unsagbare Gräueltaten an Gottes Volk verüben (vgl. 6,10; 11,7; 13,7.15; 17,6; 19,2). Gott wird diesen Mord an seinem Volk rächen (19,2).
19,1 Hallelujah. Dieses hebr. Wort kommt im NT 4-mal vor, und zwar nur in diesem Kapitel (V. 1.3.4.6). Dieser Ausruf bedeutet »Preist den Herrn« und kommt im AT häufi g vor (vgl. Ps 104,35; 105,45; 106,1; 111,1; 112,1; 113,1; 117,1; 135,1; 146,1). Fünf Gründe für diesen Lobpreis lassen sich aufzeigen: 1.) Gottes Errettung seines Volkes vor ihren Feinden (V. 1); 2.) Gottes Aufrichten von Gerechtigkeit (V. 2); 3.) Gottes endgültiges Niederwerfen der menschlichen Rebellion (V. 3); 4.) Gottes Souveränität (V. 6); und 5.) Gottes Gemeinschaft mit seinem Volk (V. 7). 19,1 nach diesem. Das ist eine schlüsselhafte Zeitangabe: nach der Zerstörung Babylons am Ende der großen Trübsalszeit, unmittelbar vor Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches (Kap. 20). Dieser Abschnitt ist die Überleitung zwischen der Trübsalszeit und dem Tausendjährigen Reich. großen Volksmenge. Wahrscheinlich Engel, da die Heiligen später einstimmen (V. 5ff.; vgl. 5,11.12; 7,11.12). Das unmittelbare Bevorstehen der Wiederkunft des Herrn Jesus Christus löst diesen Lobpreis aus. 19,2 Gerichte. Die Heiligen ersehnen den Tag des Gerichts (vgl. 6,10; 16,7; Jes 9,6; Jer 23,5). Gottesfürchtige Menschen lieben Gerechtigkeit und hassen Sünde, denn Gerechtigkeit ehrt Gott und Sünde verspottet ihn. Gläubige ersehnen eine Welt, in der Gerechtigkeit wohnt, und diese Welt wird kommen (V. 15; 2,27; 12,5). 19,3 ihr Rauch steigt auf. Aufgrund des Feuers (vgl. 17,16.18; 18,8.9.18; 14,8-11).
19,4 24 Ältesten. Sie werden am besten verstanden als Reprä- sentanten der Gemeinde (s. Anm. zu 4,4). vier lebendigen Wesen. Eine besondere Ordnung von Engelwesen (s. Anm. zu 4,6). Sie bilden dieselbe Gruppe wie in 7,11 und stehen häufi g im Zusammenhang mit Anbetung (4,8.11; 5,9-12.14; 11,16-18).
19,5 die Kleinen als auch die Großen. Alle Unterscheidungen und Ränge müssen übersehen werden.
19,6 der Allmächtige. Dieser Ausdruck wird in der Offenbarung 9-mal als Titel für Gott verwendet (vgl. V. 15; 1,8; 4,8; 11,17; 15,3; 16,7.14; 21,22). Der große Lobpreis der Volksmenge klingt wie das tosende Krachen der Brandung.
19,7 Hochzeit des Lammes. Hebräische Hochzeiten bestanden aus 3 Teilen: 1.) die Verlobung (sie wurde häufi g bereits vollzogen, als das Paar noch im Kindesalter war); 2.) die Zuführung (die Festlichkeiten, die oft mehrere Tage dauerten und der Zeremonie vorausgingen); und 3.) die Zeremonie (das Gelöbnis). Die Gemeinde wurde Christus verlobt durch seine souveräne Erwählung in der ewigen Vergangenheit (Eph 1,4; Hebr 13,20) und wird ihm in der Entrückung zugeführt (dargestellt) werden (Joh 14,1-3; 1Th 4,13-18). Das letztendliche Hochzeitsmahl wird das Ende der Zeremonie markieren. Dieses symbolische Mahl wird bei der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches stattfi nden und diese 1000 Jahre über andauern (vgl. 21,2). Der Begriff »Braut« bezieht sich zwar oft auf die Gemeinde – so auch hier (2Kor 11,2; Eph 5,22-24) –, doch umfasst die »Braut« letztlich alle Erlösten aller Zeiten, was im weiteren Verlauf dieses Buches deutlich werden wird.
19,8 Gerechtigkeit der Heiligen. Das ist nicht die Gerechtigkeit Christi, die dem Gläubigen bei der Errettung zugerechnet wurde, sondern die praktische Auswirkung dieser Gerechtigkeit im Leben des Gläubigen, d.h. der äußerlich sichtbare Erweis dieser inneren Tugend.
19,9 Glückselig. S. Anm. zu 1,3. berufen. Berufen ist nicht die Braut (die Gemeinde), sondern die Gäste sind berufen. Die Braut wird nicht eingeladen, sondern sie lädt ein. Die berufenen, geladenen Gäste sind diejenigen, die vor Pfi ngsten errettet wurden, d.h. alle treuen Gläubigen, die vor der Geburt der Gemeinde (Apg 2,1ff.) aus Gnade durch Glauben errettet wurden. Wenngleich sie nicht die Braut sind, sind sie doch verherrlicht und herrschen während des Tausendjährigen Reiches zusammen mit Christus. Der Unterschied besteht mehr in der bildlichen Beschreibung als in der Realität. Zu den Gästen gehören auch die Heiligen aus der Trübsalszeit und die Gläubigen, die im Tausendjährigen Reich auf der Erde leben. Die Gemeinde ist die Braut, rein und treu, und niemals eine Hure, wie Israel es war (s. Hos 2). Daher ist die Gemeinde die Braut während des Zuführungsfestes im Himmel, und kommt dann zur Erde, um das letztendliche Gastmahl (das Tausendjährige Reich) zu feiern. Nach diesem Ereignis tritt die neue Ordnung in Kraft und ist die Hochzeitsfeier vollendet (s. Anm. zu 21,1.2). wahrhaftigen Worte Gottes. Das bezieht sich auf den ganzen Abschnitt von 17,1 bis hier. Alles ist wahr – die Hochzeit wird nach dem Gericht stattfi nden.
19,10 fi el vor seinen Füßen nieder. Überwältigt von dieser groß- artigen Vision brach Johannes in Anbetung vor dem Engel nieder (vgl. 1,17; 22,8). tue es nicht. Vgl. 22,8.9. Die Bibel verbietet, Engel anzubeten (Kol 2,18.19). das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung. Das zentrale Thema sowohl der atl. Prophetie als auch der ntl. Verkündigung ist das Evangelium des Herrn Jesus Christus.
19,11 das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung. Der Chris- tus, der in den Himmel aufgefahren ist (Apg 1,9-11) und sich zur Rechten des Vaters gesetzt hat (Hebr 8,1; 10,12; 1Pt 3,22), wird wiederkommen, um die Erde aus den Händen des Aufrührers zu nehmen und sein Reich aufzurichten (5,1-10). Das Wesen dieses Ereignisses zeigt, dass es sich von der Erntrückung unterscheidet. Bei der Entrückung begegnet Christus den Seinen in der Luft – bei diesem Ereignis hingegen kommt er mit ihnen zur Erde. Bei der Entrückung gibt es kein Gericht – dieses Ereignis hingegen besteht nur aus Gericht. Diesem Ereignis geht eine Finsternis voraus – die Sonne ist verfi nstert, der Mond scheint nicht mehr, die Sterne stürzen zur Erde –, und dann kommt Jesus unter Blitzen und blendender Herrlichkeit wieder. Derartige Details fi nden sich in den Abschnitten über die Entrückung nicht (Joh 14,1-3; 1Th 4,13-18). weißes Pferd. Bei den römischen Triumphmärschen ritt der siegreiche Feldherr auf seinem weißen Kriegspferd die Via Sacra hinauf zum Jupitertempel auf dem Hügel Kapitol. Bei seinem ersten Kommen ritt Jesus demütig auf einem Eselfüllen (Sach 9,9). Die Vision des Johannes schildert Christus als den auf seinem Kriegspferd sitzenden Eroberer, der kommt, um die Bösen zu vernichten, den Antichristen zu stürzen, Satan zu besiegen und die Herrschaft über die Erde anzutreten (vgl. 2Kor 2,14). der Treue und der Wahrhaftige. Getreu seinem Wort, wird Jesus zur Erde wiederkommen (Mt 24,27-31; s. Anm. zu 3,14). in Gerechtigkeit richtet. S. 20,11-15; vgl. Mt 25,31ff.; Joh 5,25-30; Apg 17,31. kämpft. Wörtl. »führt Krieg«. Diese erstaunliche Aussage kommt nur hier und in 2,16 vor und beschreibt lebhaft den heiligen Zorn Gottes gegen Sünder (vgl. Ps 7,12). Gottes Geduld mit der sündigen, rebellierenden Menschheit wird am Ende sein.
19,12 Seine Augen sind wie eine Feuerfl amme. Nichts ent- kommt seinem durchdringenden Blick, und daher sind seine Gerichte immer gerecht und zutreffend (s. Anm. zu 1,14; 2,18). einen Namen … den niemand kennt. Johannes konnte den Namen sehen, aber nicht verstehen (vgl. 2Kor 12,4). In Gott sind unergründliche Geheimnisse verborgen, die sogar verherrlichte Heilige nicht begreifen werden können.
19,13 Gewand, das in Blut getaucht ist. Das Blut stammt nicht von der Schlacht von Harmageddon, die erst in V. 15 beginnt. Jesu blutbespritztes Gewand symbolisiert die großen Schlachten, die er bereits gegen Sünde, Satan und Tod geführt hat; und es wurde gefärbt vom Blut seiner Feinde. Das Wort Gottes. Nur Johannes verwendet diesen Titel für den Herrn (s. Einleitung: Autor und Abfassungszeit). Als Wort Gottes ist Jesus das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15), der Ausdruck und Abdruck seiner Person (Hebr 1,3) und die endgültige, vollständige Offenbarung von Gott (Hebr 1,1.2).
19,14 Heere im Himmel. Sie setzen sich zusammen aus der Ge- meinde (V. 8), den Heiligen aus der Trübsalszeit (7,13), den Gläubigen des AT (Jud 14; vgl. Dan 12,1.2) und auch den Engeln (Mt 25,31). Sie kommen vom Himmel, nicht um Jesus beim Kampf zu helfen (sie sind unbewaffnet), sondern um mit ihm zu herrschen, nachdem er seine Feinde geschlagen hat (20,4; 1Kor 6,2; 2Tim 2,12). Vgl. Ps 149,5-9.
19,15 scharfes Schwert. Das symbolisiert die Macht Christi, seine Feinde zu töten (1,16; vgl. Jes 11,4; Hebr 4,12.13). Das Schwert aus seinem Mund weist darauf hin, dass er die Schlacht durch die Macht seines Wortes gewinnt. Obgleich die Heiligen wiederkehren, um mit Christus zu herrschen, sind sie nicht die Vollstrecker. Diese Aufgabe steht ihm und den Engeln zu (Mt 13,37-50). eisernem Stab. Christi Herrschaft im Tausendjährigen Reich wird geprägt sein von unverzüglichem, gerechtem Gericht. Die Gläubigen werden an seiner Autorität Anteil haben (2,26; 1Kor 6,2; s. Anm. zu 2,27; 12,5; Ps 2,8.9). Weinkelter. Ein anschauliches Symbol des Gerichts (s. Anm. zu 14,19). Vgl. Jes 63,3; Joel 4,13.
19,16 an seiner Hüfte. Jesus wird an seinem Gewand entlang der Hüfte ein Schild tragen, auf dem ein Titel steht, der seine absolute Souveränität über alle menschlichen Regenten betont (s. Anm. zu 17,14).
19,17 Diese Verse beschreiben beängstigende Schrecknisse, wie die Weltgeschichte sie bisher noch nicht gekannt hat: die Schlacht von Harmageddon, den Höhepunkt des Tages des Herrn (s. Anm. zu 1Th 5,2). Es ist nicht so sehr eine Schlacht, als vielmehr eine Hinrichtung, bei der die noch übrigen Rebellen vom Herrn Jesus getötet werden (V. 21; s. Anm. zu 14,19.20; vgl. Ps 2,1-9; Jes 66,15.16; Hes 39,1ff.; Joel 4,12ff.; Mt 24,25; 2Th 1,7-9). Dieser Tag des Herrn wurde vorausgesagt von Jesaja (66,15.16), Joel (3,12-21), Hesekiel (39,1-4.17-20), Paulus (2Th 1,6ff.; 2,8) und unserem Herrn (Mt 25,31-46). 19,17 Mahl des großen Gottes. Vgl. Hes 39,17. Auch bezeich- net als »der Kampf … an jenem großen Tag Gottes, des Allmächtigen« (16,14). Dieses Ereignis beginnt damit, dass ein Engel Vögel herbeiruft, um die Leichen der Geschlagenen zu fressen (vgl. Mt 24,27.28). Gott wird seinen Sieg verkünden, bevor die Schlacht überhaupt angefangen hat. Das AT beschreibt häufi g, welche Schmach es ist, wenn Aasvögel Festmahl mit Menschenleichen halten (5Mo 28,26; Ps 79,2; Jes 18,6; Jer 7,33; 16,4; 19,7; 34,20; Hes 29,5).
19,19 Könige der Erde. S. 17,12-17. ihre Heere. S. 16,13.14. seinem Heer. Sacharja bezeichnet diese Armee des Herrn als »alle Heiligen« (14,5).
19,20 das Tier wurde ergriffen und … der falsche Prophet. In einem Augenblick stehen die Armeen der Welt ohne Führer da. Das Tier ist der Antichrist (s. Anm. zu 13,1-4); der falsche Prophet ist sein religiöser Partner (s. Anm. zu 13,11-17). lebendig … geworfen. Die Leiber des Tieres und des falschen Propheten werden umgewandelt und unmittelbar in den Feuersee verbannt werden (Dan 7,11). Damit sind sie die ersten von unzähligen Millionen von nicht wiedergeborenen Menschen (20,15) und gefallenen Engeln (vgl. Mt 25,41), die an diesen schrecklichen Ort gelangen. Diese beiden Personen befi nden sich auch 1000 Jahre später noch dort (20,10), was die irrige Vernichtungslehre widerlegt (vgl. 14,11; Jes 66,24; Mt 25,41; Mk 9,48; Lk 3,17; 2Th 1,9). Feuersee. Die endgültige Hölle, der Ort der ewigen Strafe für alle unbußfertigen Rebellen, seien es Engel oder Menschen (vgl. 20,10.15). Das NT sagt viel über die ewige Bestrafung (vgl. 14,10.11; Mt 13,40-42; 25,41; Mk 9,43-48; Lk 3,17; 12,47.48). Schwefel. S. Anm. zu 9,17. Feuer und Schwefel stehen häufi g in Verbindung mit göttlichem Gericht (14,10; 20,10; 21,8; 1Mo 19,24; Ps 11,6; Jes 30,33; Hes 38,22; Lk 17,29).
19,21 Schwert. S. V. 15; vgl. Sach 14,1-13. Vögel sättigten sich von ihrem Fleisch. An allen noch übrigen Sündern in der Welt wird die Strafe vollzogen, und die Vögel werden sich an ihren Leichen weiden.
20,1 – 22,21 Kapitel 19 endet mit der Schlacht von Harmageddon und Christi Wiederkunft. Diese Ereignisse markieren das Ende der Trübsalszeit. Die Ereignisse von Kap. 20 – das Binden Satans, Christi Tausendjähriges Reich auf der Erde, Satans letzte Rebellion und das Gericht am großen weißen Thron – fügen sich chronologisch zwischen das Ende der Trübsalszeit und der Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde, die in Kap. 21.22 beschrieben wird. 20,1 Abgrund. Der Ort, an dem Dämonen gebunden sind und auf ihre letztendliche Verurteilung zum Feuersee warten (s. Anm. zu 9,1; 2Pt 2,4).
20,2 ergriff. Das betrifft nicht allein Satan, sondern auch die Dä- monen. Ihre Verbannung wird die Welt während des Tausendjährigen Reiches dramatisch verändern, da ihr zerstörerischer Einfl uss auf alle Bereiche des menschlichen Denkens und Lebens unterbunden sein wird. Drachen. Der Vergleich Satans mit einem Drachen betont seine Bestialität und Grausamkeit (s. Anm. zu 12,3). die alte Schlange. Das bezieht sich auf Satans erstes Auftreten im Garten Eden (1Mo 3,1ff.), als er Eva verführte (vgl. 2Kor 11,3; 1Tim 2,14). Teufel … Satan. S. Anm. zu 12,9. 1000 Jahre. Das ist der erste von 6 Hinweisen auf die Dauer des Tausendjährigen Reiches (vgl. V. 3.4.5.6.7). Es gibt 3 verschiedene Hauptsichtweisen bezüglich der Dauer und des Wesens dieses Zeitalters: 1.) Der Prämillennialismus versteht diese Zeit als eine buchstäblich 1000 Jahre dauernde Periode, während welcher Jesus Christus auf der Erde regiert. Dadurch werden zahlreiche Prophezeiungen aus dem AT erfüllt (z.B. 2Sam 7,12-16; Ps 2; Jes 11,6-12; 24,23; Hos 3,4.5; Joel 4,9-21; Am 9,8-15; Mi 4,1-8; Zeph 3,14-20; Sach 14,1-11; Mt 24,29-31.3644). Wendet man dieselben allgemeinen Prinzipien der Schriftauslegung sowohl auf prophetische als auch auf nichtprophetische Abschnitte an, gelangt man damit ganz natürlich zum Prämillennialismus. Ein weiteres gewichtiges Argument zugunsten dieser Sichtweise besteht darin, dass bereits so viele biblische Prophezeiungen buchstäblich erfüllt worden sind, was nahe legt, dass noch ausstehende Prophezeiungen ebenfalls buchstäblich in Erfüllung gehen werden. 2.) Der Postmillennialismus versteht die erwähnten 1000 Jahre lediglich als Symbol für ein goldenes Zeitalter der Gerechtigkeit und des geistlichen Wohlergehens. Dieses Zeitalter wird eingeleitet durch die Ausbreitung des Evangeliums während des gegenwärtigen Gemeindezeitalters und wird vollendet, wenn Christus wiederkommt. Dieser Sichtweise zufolge beschreiben die Aussagen über Christi Herrschaft auf der Erde seine geistliche Herrschaft in den Herzen der Gläubigen der Gemeinde. 3.) Der Amillennialismus versteht die 1000 Jahre lediglich als Symbol für eine lange Zeitperiode. Diese Sichtweise interpretiert atl. Prophezeiungen eines messianischen Reiches dahingehend, dass sie jetzt in der Gemeinde geistlich erfüllt seien (entweder auf der Erde oder im Himmel) oder als Aussagen über den ewigen Zustand. Wenn man dieselben wörtlichen, historischgrammatischen Prinzipien der Schriftauslegung so anwendet wie beim Bestimmen der normalen Bedeutung von Sprache, kommt man unausweichlich zu der Schlussfolgerung, dass Christus wiederkommen und 1000 Jahre über ein reales irdisches Reich herrschen wird. Nichts in diesem Text veranlasst zu schließen, dass »tausend Jahre« symbolisch gemeint sei. Wenn der Begriff »Jahr« in der Bibel in Verbindung mit einer Zahl benutzt wird, ist er immer wörtlich gemeint (s. Anm. zu 2Pt 3,10).
20,3 für kurze Zeit losgelassen werden. Satan wird freige- lassen werden, damit Gott vor Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde die Sünde endgültig und für immer beenden kann. Jeder, der die Trübsalszeit überlebt und ins Tausendjährige Reich eingeht, wird gläubig sein. Doch trotz dieser Tatsache und trotz der persönlichen Gegenwart und Herrschaft des Herrn Jesus Christus werden sich viele Nachkommen dieser Gläubigen weigern, an ihn zu glauben. Schließlich wird Satan diese Ungläubigen zur letzten, vergeblichen Rebellion gegen Gott um sich versammeln. Diese Rebellion wird schnell und entschlossen niedergeworfen werden, und darauf folgt das Gericht am großen weißen Thron und die Aufrichtung des ewigen Zustands. Abgrund. Bei allen 7 Vorkommen dieses Begriffs in der Offenbarung bezeichnet er den Ort, wo die gefallenen Engel und bösen Geister festgehalten werden und darauf warten, in den Feuersee verbannt zu werden – in die endgültige Hölle, die für sie bereitet ist (Mt 25,41).
20,4 die Seelen derer, die enthauptet worden waren. Das sind die Märtyrer aus der Trübsalszeit (vgl. 6,9; 18,24; 19,2). Das gr. Wort für »enthaupten« wurde zu einer allgemeinen Bezeichnung für Hinrichtung und bedeutete nicht unbedingt eine bestimmte Hinrichtungsmethode. Malzeichen. S. Anm. zu 13,16. Die Märtyrer der Trübsalszeit werden hingerichtet, weil sie sich weigerten, das Zeichen des Tieres anzunehmen. regierten. Während des Tausendjährigen Reiches werden die Gläubigen aus der Trübsalszeit gemeinsam mit den Erlösten sowohl aus der Zeit des AT als auch des NT mit Christus zusammen regieren (1Kor 6,2; 2Tim 2,12).
20,5 Die übrigen der Toten. Die Leiber von Ungläubigen aller Zeitalter werden erst zum Gericht am großen weißen Thron auferstehen (V. 12.13). erste Auferstehung. Die Bibel lehrt zwei Arten von Auferstehung: die »Auferstehung des Lebens« und die »Auferstehung des Gerichts« (Joh 5,29; vgl. Dan 12,2; Apg 24,15). Die erste Auferstehung wird auch bezeichnet als »Auferstehung der Gerechten« (Lk 14,14), Auferstehung derer, »die Christus angehören bei seiner Wiederkunft« (1Kor 15,23), und die »bessere Auferstehung« (Hebr 11,35). Sie umfasst ausschließlich die Erlösten aus den Zeitaltern der Gemeinde (1Th 4,13-18), des AT (Dan 12,2) und der Trübsalszeit (V. 4). Sie werden in Auferstehungsleibern ins Tausendjährige Reich eingehen, und zwar zusammen mit den Gläubigen, die die Trübsal überlebt haben. Die zweite Auferstehung ist die Auferstehung der Unbekehrten, die dann ihre ewigen Leiber erhalten, die für die Qualen der Hölle bereitet sind. 20,6 Glückselig. Wer im Herrn stirbt (14,13), ist glückselig wegen des Vorrechts, in Christi Reich einzugehen (s. Anm. zu 1,3). zweite Tod. Der erste Tod ist nur körperlich, der zweite ist geistlich und bedeutet die Ewigkeit im Feuersee. Das ist die endgültige, ewige Hölle (V. 14). Die Hölle existiert womöglich außerhalb des geschaffenen Universums, wie wir es kennen, außerhalb von Raum und Zeit und ist derzeit leer (s. Anm. zu 19,20). 1000 Jahre. S. Anm. zu V. 2.
20,7 Satan … losgelassen. Er wird freigelassen, um integra- tiver Anführer der Welt von Rebellen zu werden, die als Kinder der gläubigen Anfangsbevölkerung des Tausendjährigen Reiches geboren wurden. Er wird freigelassen, um den Charakter der Christus verwerfenden Sünder zu offenbaren, die unter das letzte Zorngericht Gottes der Weltgeschichte kommen.
20,8 den Gog und den Magog. Das ist der Name der Armee von Rebellen und ihrer Anführer am Ende des Tausendjährigen Reiches. Es sind die Namen alter Feinde des Herrn. Magog war ein Enkel Noahs (1Mo 10,2) und Gründer eines Königreiches nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres. Gog ist offenbar der Anführer einer Rebellenarmee, die kollektiv als Magog bekannt ist. Die in V. 8.9 beschriebene Schlacht gleicht der Schlacht aus Hes 38.39; man versteht sie am besten so, dass sie am Ende des Tausendjährigen Reiches stattfi ndet. Zu einer Erläuterung des Unterschiedes s. Anm. zu Hes 38.39. 20,9 geliebte Stadt. Jerusalem (vgl. Ps 78,68; 87,2), die Hauptstadt der tausendjährigen Herrschaft Christi (Jer 3,17). Die Heiligen werden in Umgebung der Stadt leben, in der Christus regiert (vgl. Jes 24,23; Jer 3,17; Sach 14,9-11). Feuer. Feuer steht in der Bibel häufi g in Verbindung mit dem göttlichen Gericht über gottlose Menschen (1Mo 19,24; 2Kö 1,10.12.14; Lk 9,54; 17,29).
20,10 verführt. So wie seine Dämonen die Armeen der Welt zur Schlacht von Harmageddon locken werden, so wird Satan sie in einen selbstmörderischen Anschlag gegen Christus und sein Volk hineinziehen (16,13.14). Feuer- und Schwefelsee. S. Anm. zu 19,20. gepeinigt … Tag und Nacht. S. Anm. zu 14,11. Der endgültige Zustand von Satan, den gefallenen Engeln und den unerlösten Menschen besteht in unaufhörlichen, ungemilderten Qualen.
20,11 Diese Verse beschreiben das letztendliche Gericht über alle Ungläubigen aller Zeiten (Mt 10,15; 11,22.24; 12,36.41.42; Lk 10,14; Joh 12,48; Apg 17,31; 24,25; Röm 2,5.16; Hebr 9,27; 2Pt 2,9; 3,7; Jud 6). Unser Herr bezeichnete dieses Ereignis als »Auferstehung zum Gericht« (Joh 5,29). Dieses Gericht fi ndet statt in der unbeschreiblichen Leere zwischen dem Ende des jetzigen Universums (V. 11) und der Schöpfung des neuen Himmels und der neuen Erde (21,1). 20,11 großen weißen Thron. Fast 50-mal wird in der Offenbarung ein Thron erwähnt. Hier handelt es sich um einen Gerichtsthron, der erhöht, rein und heilig ist. Gott sitzt als Richter darauf (vgl. 4,2.3.9; 5,1.7.13; 6,16; 7,10.15), und zwar in der Person des Herrn Jesus Christus. S. 21,5.6; Joh 5,22-29; Apg 17,31. fl ohen die Erde und der Himmel. Johannes sah, wie das verunreinigte Universum aufhörte zu existieren. Petrus beschrieb diesen Augenblick in 2Pt 3,10-13 (s. Anm. dort). Das Universum wird dann »entschaffen« und wird nichtexistent (vgl. Mt 24,35).
20,12 vor Gott stehen. Sie stehen dort in einem richterlichen Sinne als schuldige, verurteilte Gefangene hinter den Gittern göttlicher Gerechtigkeit. Im zerstörten Universum sind keine noch lebenden Sünder übrig, da alle Sünder getötet und alle Gläubigen verherrlicht wurden. Bücher. Diese Bücher verzeichnen jeden Gedanken, jedes Wort, jede Tat von sündigen Menschen. Sie alle sind durch Gottes Allwissenheit aufgezeichnet (s. Anm. zu Dan 7,10; dieser Vers ist die Quelle dieses Textes). Diese Bücher bieten das Beweismaterial für die Verurteilung zur ewigen Verdammnis. Vgl. 18,6.7. Buch des Lebens. Es enthält die Namen aller Erlösten (Dan 12,1; s. Anm. zu 3,5). gerichtet gemäß ihren Werken. Ihre Gedanken (Lk 8,17; Röm 2,16), Worte (Mt 12,37) und Werke (Mt 16,27) werden an Gottes vollkommenem, heiligem Maßstab gemessen (Mt 5,48; 1Pt 1,15.16) und als mangelhaft befunden werden (Röm 3,23). Das bedeutet außerdem, dass es in der Hölle verschiedene Grade der Bestrafung gibt (vgl. Mt 10,14.15; 11,22; Mk 12,38-40; Lk 12,47.48; Hebr 10,29).
20,13 der Tod und das Totenreich. Wörtl. »und der Hades«. S. Anm. zu 1,18. Beide Begriffe beschreiben den Zustand des Todes. Alle ungerechten Toten werden vor dem Gericht am großen weißen Thron erscheinen; niemand wird entkommen. Alle Orte, an denen sich Leichname von ungerechten Toten befi nden, werden auferstandene Leiber hervorbringen, die für die Hölle bereitet sind.
20,14 zweite Tod. S. Anm. zu V. 6.
20,15 Feuersee. S. Anm. zu 19,20.
21,1 Bei Beginn dieses Kapitels befi nden sich alle Sünder aller Zei- ten – sowohl Menschen als auch Dämonen einschließlich Satan, dem Tier und dem falschen Propheten – für immer im Feuersee. Das ganze Universum ist zerstört und nun erschafft Gott ein neues Universum als ewige Wohnstätte der Erlösten. einen neuen Himmel und eine neue Erde. Das Universum, wie wir es kennen, wird insgesamt untergehen (2Pt 3,10-13) und von einer neuen Schöpfung ersetzt werden, die ewig Bestand haben wird. Das ist eine Prophezeiung sowohl aus dem AT (Ps 102,26.27; Jes 65,17; 66,22) als auch aus dem NT (Lk 21,33; Hebr 1,1012). S. Anm. zu 20,11-15. das Meer gibt es nicht mehr. Derzeit ist die Erdoberfl äche zu drei Vierteln von Wasser bedeckt, doch die neue Schöpfung wird nicht mehr auf Wasser basieren und ein völlig anderes Klima haben. S. Anm. zu 22,1.2.
21,2 – 22,5 Zu diesem Zeitpunkt in der Ereignisabfolge der Offen- barung werden die Gläubigen des AT, die Gläubigen der Trübsalszeit und alle Bekehrten aus dem Tausendjährigen Reich in die erlöste Braut eingefügt werden und im neuen Jerusalem wohnen. Johannes beschreibt hier die Vollendung aller Dinge in Christus und im neuen Jerusalem, das in den ewigen Zustand hinabsteigt (vgl. 19,7; 20,6; 1Kor 15,28; Hebr 12,22-24). 21,2 das neue Jerusalem. Vgl. 3,12; Hebr 11,10; 12,22-24; 13,14. Die Hauptstadt des Himmels und ein Ort vollkommener Heiligkeit. Johannes sieht, wie es »aus dem Himmel herabsteigt«, was bedeutet, dass es bereits vorher existierte, nun aber aus seinem Ort in der Höhe zu den neuen Himmeln und zur neuen Erde herabkommt. In dieser Stadt werden die Gläubigen wohnen (vgl. Joh 14,1-3). Braut. Im NT eine wichtige Metapher für die Gemeinde (vgl. Mt 25,1-13; Eph 5,25-27). Die Bildersprache von Johannes basiert hier auf dem dritten Teil der jüdischen Hochzeit, der Zeremonie. Die Gläubigen (die Braut) im neuen Jerusalem kommen und begegnen Christus (dem Bräutigam) in der letzten Zeremonie der Heilsgeschichte (s. Anm. zu 19,7). Die gesamte Stadt, die alle Gläubigen umfasst, wird Braut genannt, sodass das Bild der Braut letztlich alle Gläubigen mit einschließt, die alle den Segen der Braut empfangen. Gott hat seinem geliebten Sohn eine Braut gegeben und zugeführt. Alle Gläubigen wohnen mit Christus im Haus des Vaters (diese Verheißung gab Christus, bevor die Gemeinde entstand; Joh 14,2).
21,3 das Zelt Gottes. Das gr. Wort für »Zelt« bedeutet Wohnort. Es ist Gottes Haus, der Ort, wo er wohnt (vgl. 3Mo 26,11.12; 5Mo 12,5).
21,4 wird abwischen alle Tränen. Weil im Himmel nie wieder Trä- nen vergossen werden, wird es nichts Trauriges, Enttäuschendes, Mangelhaftes oder Falsches mehr geben (vgl. Jes 53,4.5; 1Kor 15,54-57).
21,5 wahrhaftig und gewiss. Vgl. 3,14; 19,11. Gott spricht immer die Wahrheit (Joh 17,17).
21,6 das A und das O. S. Anm. zu 1,8. Dürstenden. Der Himmel gehört denen, die wissen, dass ihre Seelen durch die Sünde ausgezehrt sind, und die ernstlich danach streben, im Heil und im ewigen Leben geistliche Befriedigung zu fi nden (vgl. Ps 42,2.3; Jes 55,1.2; Joh 7,37.38). Wassers des Lebens. Vgl. 7,17; 22,1.17. Das beständige geistliche Wasser, von dem Jesus sprach (Joh 4,13.14; 7,37.38; vgl. Jes 55,1.2).
21,7 Wer überwindet. Vgl. 1Joh 5,4.5. Jeder, der rettenden Glau- ben an Jesus Christus ausübt (s. Anm. zu 2,7). erben. Das geistliche Erbe, das alle Gläubigen empfangen werden (1Pt 1,4; vgl. Mt 25,23), ist die Fülle der neuen Schöpfung. Vgl. Röm 8,16.17.
21,8 Dieser Vers ist eine feierliche, ernstliche Warnung vor den Charaktermerkmalen derer, die aus dem neuen Himmel und der neuen Erde ausgeschlossen sind und in den Feuersee verbannt werden. Das NT erwähnt nicht nur oft die Gefahr des Unglaubens, sondern beschreibt ihn mit Aufl istungen der typischen Charakterzüge der Ungläubigen, sodass die Gläubigen solche Menschen erkennen können (1Kor 6,9.10; Gal 5,19; vgl. Joh 8,31). Zauberer. S. Anm. zu 9,21. Feuer. S. Anm. zu
19,20 das Tier wurde ergriffen und … der falsche Prophet. In einem Augenblick stehen die Armeen der Welt ohne Führer da. Das Tier ist der Antichrist (s. Anm. zu 13,1-4); der falsche Prophet ist sein religiöser Partner (s. Anm. zu 13,11-17). lebendig … geworfen. Die Leiber des Tieres und des falschen Propheten werden umgewandelt und unmittelbar in den Feuersee verbannt werden (Dan 7,11). Damit sind sie die ersten von unzähligen Millionen von nicht wiedergeborenen Menschen (20,15) und gefallenen Engeln (vgl. Mt 25,41), die an diesen schrecklichen Ort gelangen. Diese beiden Personen befi nden sich auch 1000 Jahre später noch dort (20,10), was die irrige Vernichtungslehre widerlegt (vgl. 14,11; Jes 66,24; Mt 25,41; Mk 9,48; Lk 3,17; 2Th 1,9). Feuersee. Die endgültige Hölle, der Ort der ewigen Strafe für alle unbußfertigen Rebellen, seien es Engel oder Menschen (vgl. 20,10.15). Das NT sagt viel über die ewige Bestrafung (vgl. 14,10.11; Mt 13,40-42; 25,41; Mk 9,43-48; Lk 3,17; 12,47.48). Schwefel. S. Anm. zu 9,17. Feuer und Schwefel stehen häufi g in Verbindung mit göttlichem Gericht (14,10; 20,10; 21,8; 1Mo 19,24; Ps 11,6; Jes 30,33; Hes 38,22; Lk 17,29). 19,20 Schwefel. S. Anm. zu 9,17. zweite Tod. S. Anm. zu 20,6.
21,9 sieben Schalen. S. Anm. zu 15,7. sieben letzten Plagen. S. Anm. zu 15,1-8. 21,9 Braut des Lammes. Das neue Jerusalem nimmt den Cha- rakter seiner Bewohner, der Erlösten, an (s. Anm. zu V. 2; 19,7-9).
21,10 im Geist. S. Anm. zu 1,10.
21,11 Jaspis. Keine Übersetzung, sondern eine Transliteration des gr. Wortes. Im Gegensatz zum heutigen undurchsichtigen Jaspis-Stein bezeichnete dieser Begriff einen völlig klaren Diamanten, ein vollkommenes Juwel, aus dem das brillante Licht der Herrlichkeit Gottes leuchtete und über den neuen Himmel und die neue Erde strahlte (vgl. 4,3).
21,12 Mauer. Die Länge der Mauer wird nicht angegeben.
21,15 goldenes Rohr. S. Anm. zu Hes 40,3. Das Rohr war etwa 3 m lang und war eine übliche Maßeinheit. die Stadt … messen. Das zeigt, dass die Hauptstadt des Himmels Gott gehört und dass er sein Eigentum abmisst (vgl. 11,1; Hes 40,3).
21,16 die Länge und die Breite und die Höhe. Die Stadt hat die symmetrischen Dimensionen eines vollkommenen Würfels und steht in Parallele zu ihrem irdischen Gegenstück, dem Allerheiligsten der Stiftshütte bzw. des Tempels (vgl. 1Kö 6,20). 12 000 Stadien. Die Seiten der würfelförmigen Stadt sind über 2.200 km lang und ihre Grundfl äche beträgt fast 5 Mio. qkm. Somit bietet die Stadt den verherrlichten Gläubigen reichlich Lebensraum.
21,17 144 Ellen. Etwa 65 m. Das ist wahrscheinlich die Breite der Mauer.
21,18 Jaspis. S. Anm. zu V. 11. Das Baumaterial der dicken Mauer ist Diamant! aus reinem Gold, wie reines Glas. Im Gegensatz zum irdischen Gold wird dieses Gold durchsichtig sein, sodass der überwältigende Glanz der Herrlichkeit Gottes sich in der ganzen Stadt widerspiegelt und im ganzen Farbspektrum glitzert.
21,19 Da sich die Bezeichnungen einiger dieser Edelsteine im Lauf der Jahrhunderte geändert haben, ist es schwierig, jeden einzelnen mit Gewissheit zu identifi zieren. 8 der 12 Steine befi nden sich auch auf der Brustplatte des Hohenpriesters (2Mo 28,39), und auch die übrigen 4 können mit dieser Brustplatte in Verbindung gebracht werden. Die Edelsteine entfalten ein brillantes, unbeschreibliches Spektrum wunderschöner Farben, die den Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes ausstrahlen. Im Folgenden einige mögliche Spezifi kationen dieser Edelsteine. 21,19 Chalcedon. Chalcedon war eine antike Stadt in der heutigen Türkei. Der Edelstein ist ein himmelblauer Achat mit durchsichtigen, farbigen Streifen.
21,20 Sardonyx. Eine Variante des Chalcedon mit parallelen Schich- ten in rot und weiß (s. Anm. zu V. 19). Sardis. Ein verbreiteter Stein der Quarzfamilie, dessen Farben von orange über rotbraun bis blutrot rangieren (4,3). Chrysolith. Ein Edelstein mit einem durchsichtigen goldenen oder gelblichen Farbton. Beryll. Ein Mineral mit mehreren Edelstein-Varianten, die vom grünen Smaragd über den goldgelben Beryll bis zum hellblauen Aquamarin rangieren. Topas. Der antike Topas war ein weicher Stein mit einer gelben oder gelbgrünen Farbe. Chrysopras. Die heutige Form dieses Edelsteins ist eine apfelgrüne Variante des Quarz. Der gr. Name deutet hin auf einen grünlichen Edelstein mit einem Hauch von Goldton. Hyazinth. Heute ist dieser Stein ein durchsichtiger Zirkon, üblicherweise rot oder rotbraun. Der Hyazinth, den Johannes sah, war blau oder hellviolett. Amethyst. Ein klarer Quarzkristall, dessen Farbe von zartem bis kräftigem Violett rangiert.
21,21 Perle. Jedes Tor dieser Stadt besteht aus einer einzelnen, 2.400 km hohen Perle. So wie natürliche Perlen durch Verletzungen am Fleisch von Austern entstehen, so erinnern diese gigantischen, übernatürlichen Perlen die Gläubigen in alle Ewigkeit an die Intensität der Leiden Christi und deren ewigen Segnungen.
21,22 einen Tempel sah ich nicht. Mehrere Bibelstellen besagen, dass es in der Ewigkeit einen Tempel gibt (3,12; 7,15; 11,19; 15,5). Hier wird jedoch deutlich gesagt, dass es in der Ewigkeit keinen Tempel gibt. Wie kann das sein? Der Tempel ist kein Gebäude; sondern er ist Gott, der Herr, selbst. Das geht aus Offb 7,15 hervor, wo es heißt: »der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt aufschlagen über ihnen«. Vers 23 setzt den Gedanken fort, dass es keinen Tempel gibt außer Gott und dem Lamm selbst. Die Herrlichkeit Gottes, die den ganzen Himmel erfüllt und erleuchtet, macht den Himmel zu seinem Tempel. Im ewigen Zustand ist kein Tempel nötig, weil Gott selbst der Tempel sein wird, in dem alles existiert. Die Gegenwart Gottes erfüllt buchstäblich den gesamten neuen Himmel und die neue Erde (vgl. V. 3). In den Himmel einzugehen bedeutet, in die grenzenlose Gegenwart des Herrn zu treten (vgl. Joh 14,3; 1Th 4,17).
21,24 die Heidenvölker. Wörtl. »die Völker«. Erlöste aus allen Nati- onen und ethnischen Gruppen werden im Licht des Himmels wohnen. In der ewigen Stadt wird es keine Trennungen, Barrieren oder Ausschlüsse aufgrund von Volkszugehörigkeit oder politischen Umständen geben. Alle verschiedenen Völker werden dann zu dem einen Volk Gottes verschmelzen und sie werden sich uneingeschränkt in der Stadt bewegen können.
21,27 Buch des Lebens des Lammes. S. Anm. zu 3,5.
22,1 Strom vom Wasser des Lebens. Dieser Fluss unterscheidet sich von allen irdischen Flüssen, da es in der Ewigkeit keinen Wasserkreislauf gibt. Wasser des Lebens symbolisiert das beständige Fließen ewigen Lebens vom Thron Gottes zu den Bewohnern des Himmels (s. Anm. zu 21,6).
22,2 Baum des Lebens. Ein Symbol sowohl für das ewige Leben als auch für andauernden Segen (s. Anm. zu 1Mo 2,9). Der Baum trägt 12 Früchte, eine Frucht pro Monat, und steht symbolisch für die üppige Vielfalt im Himmel. Der Begriff »Therapie« stammt von dem gr. Wort, das hier mit »Heilung« übersetzt ist. Die Blätter bereichern das Leben im Himmel und verleihen ihm Fülle und Genuss.
22,3 keinen Fluch mehr. Der Fluch, der infolge des Ungehorsams von Adam und Eva über Menschheit und Erde kam (1Mo 3,16-19), wird endgültig beseitigt sein. Gott wird nie wieder Sünde richten müssen, da es im neuen Himmel und auf der neuen Erde nie wieder Sünde geben wird. seine Knechte werden ihm dienen. S. Anm. zu 7,15.
22,4 sein Angesicht sehen. Kein Mensch, der nicht verherrlicht ist, kann Gottes Angesicht sehen und leben (2Mo 33,20-23). Doch die Bewohner des Himmels können Gott unbeschadet ins Gesicht blicken, weil sie nun heilig sind (vgl. Joh 1,18; 1Tim 6,16; 1Joh 3,20). sein Name. Sie sind der persönliche Besitz Gottes (s. Anm. zu 3,12).
22,5 sie werden herrschen. Die Himmelsbürger sind mehr als Knechte (s. Anm. zu 3,21).
22,6 seinen Knechten. Das sind die Gläubigen in den 7 Gemeinden Kleinasiens, die diesen Brief empfi ngen (1,11), sowie alle Gläubigen, die ihn gelesen haben und lesen werden. was rasch geschehen soll. Das umfasst die gesamte Offenbarung, die Johannes gerade mitgeteilt hat (s. Anm. zu 1,1). 22,7 ich komme bald. Jesu Wiederkunft steht unmittelbar bevor (s. Anm. zu 3,11). Glückselig. S. Anm. zu 1,3.
22,8 gesehen und gehört. Zum ersten Mal seit Kap. 1 beginnt Johannes wieder selber zu sprechen und bestätigt die Wahrhaftigkeit der Offenbarung mit seiner eigenen Aussage als Augenzeuge, was Grundlage ist für jede zuverlässige Zeugenaussage. fi el ich nieder, um anzubeten. S. Anm. zu 19,10.
22,10 Versiegle … nicht. Vgl. 10,11. Frühere Prophezeiungen wa- ren versiegelt worden (Dan 8,26; 12,4-10). Doch diese Prophezeiungen sollen verkündet werden, damit sie zu Gehorsam und Anbetung führen. die Zeit ist nahe. Das bedeutet unmittelbares Bevorstehen, d.h. das Ende ist das nächste zu erwartende Ereignis.
22,11 Wer Gottes Warnungen verwirft, wird sein ewiges Schicksal in der Hölle besiegeln, wo er seine bösartige und verdorbene Natur für alle Ewigkeit behalten wird. Wer die Warnungen beherzigt, wird sein ewiges Schicksal in der Herrlichkeit besiegeln und im Himmel vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit erlangen.
22,12 ich komme bald. S. Anm. zu 3,11. Auch hier geht es um unmittelbares Bevorstehen (vgl. Mk 13,33-37). wie sein Werk. Nur die Werke, die Gottes Feuerprüfung standhalten, haben Wert für die Ewigkeit und verdienen Lohn (1Kor 3,10-15; 4,1-5; 2Kor 5,10).
22,13 das A und das O. S. Anm. zu 1,8.
22,14 Glückselig sind, die seine Gebote tun. S. Anm. zu 1,3. Die bevorzugte Lesart ist: »Glückselig sind, die ihre Kleider waschen«, was diejenigen symbolisiert, deren Sünden vergeben sind, d.h. die durch das Blut das Lammes Gottes gereinigt worden sind (Hebr 9,14; 1Pt 1,18.19; s. Anm. zu 7,14). Baum des Lebens. S. Anm. zu V. 2; 1Mo 2,9.
22,15 Hunde. Hunde waren zu ntl. Zeit als schändliche Tiere ver- achtet. Auf Menschen angewendet, bezeichnete der Begriff jemanden mit niedrigem moralischem Charakter. Untreue Führungspersonen (Jes 56,10) und homosexuelle Prostituierte (5Mo 23,19) gehören zu denen, die als Hunde bezeichnet werden. Zauberer. S. Anm. zu 9,21.
22,16 meinen Engel. S. 1,1. die Gemeinden. Die 7 Gemeinden Kleinasiens waren die ursprünglichen Empfänger dieses Briefes (1,11). die Wurzel und der Spross Davids. Christus ist die Quelle (die Wurzel) von Davids Leben und von seiner Nachkommenschaft. Das ist ein Beleg für die Gottheit Christi. Er ist außerdem ein Nachkomme Davids (Spross), was seine Menschheit belegt. Dieser Ausdruck ist ein vollmächtiges Zeugnis für Christus als dem Gott-Menschen (vgl. 2Tim 2,8). leuchtende Morgenstern. Das ist der hellste Stern, der den Tagesanbruch ankündigt. Wenn Jesus wiederkommt, wird er der helle Stern sein, der die Dunkelheit der Nacht des Menschen vertreibt und den Anbruch des glorreichen Tages Gottes ankündigt (s. Anm. zu 2,28).
22,17 Komm! Das ist die Reaktion des Heiligen Geistes und der Gemeinde auf die Verheißung seines Kommens. wer es hört, der spreche. Das ist ein unumschränktes Angebot der Gnade und des Heils für alle, die den Durst ihrer Seelen löschen möchten. Vgl. Jes 55,1.2. Wasser des Lebens. S. Anm. zu V. 1.
22,18 Jesus bezeugt ausführlich die Autorität und Endgültigkeit der Prophezeiung. Er beauftragte Johannes mit der Niederschrift, doch er selbst war der Autor. 22,18.19 Das sind nicht die ersten Warnungen dieser Art (vgl. 5Mo 4,2; 12,32; Spr 30,6; Jer 26,2). Diese Warnungen vor einem Verändern des Bibeltextes repräsentieren das Ende des ntl. Kanons. Jeder, der sich an der Wahrheit zu schaffen macht und versucht, sie zu verfälschen, zu kürzen, abzuändern oder umzudeuten, wird die Gerichte erleiden, die in diesen Versen beschrieben sind.
22,20 Ja, ich komme bald. S. Anm. zu 3,11. Petrus hat aufgezeigt, was im Licht dieser Zukunftserwartung nun vom Gläubigen erwartet wird (s. 2Pt 3,11-18).