Carol Jantzen

Eine Frau, die ihr Versprechen hielt

 

 

Hanna

 

1. Samuel 1; 1. Samuel 2, 1-12, 1. Samuel 2, 18-21

 

Die Geschichte von Hanna und ihrem Sohn Samuel ist immerwährend frisch und schön. Das hervorragende Vorbild der Hanna wurde von Gott in der Schrift absichtlich festgehalten, um allen Müttern Mut zu machen.

 

Inwiefern war Hanna für alle Mütter ein Vorbild? Dieses wäre von so vielen Seiten zu betrachten, dass man nicht weiß, wo man beginnen soll. Alles, das über diese Frau, eine der edelsten Hebräerinnen in der Geschichte, geschrieben ist, wirkt belebend und segensreich.

 

Elkanas Familie war levitisch. Es wird nicht gesagt, ob er einen priesterlichen Dienst auszuüben hatte. Dennoch ging er regelmäßig mit seiner Familie nach Silo, um zu beten und zu opfern, wie Gott es bestimmt hatte.

 

Obwohl er ein gottesfürchtiger Mann war, war Elkana, wie Abraham und Jakob, ein Opfer der Polygamie geworden.

„In jenen Tagen tat jeder was recht war in seinen eigenen Augen“, aber „am Anfang war es nicht so“.

Ebenso wie seine Vorfahren erntete er Familienstreit. Die Tatsache, dass er seine Hanna mehr liebte und ihr größere Geschenke machte, schürte in Peninna, seiner zweiten Frau, das Feuer der Verachtung für Hanna. Und so kommt es vor, dass Männer des Öfteren mit eigen gemachten Ruten geschlagen werden.

 

Die Frau, die Kinder hatte, wurde hochmütig und frech. Die Frau ohne Kinder wurde schwermütig und unzufrieden. Beide hätten Grund gehabt, zufrieden und dankbar zu sein. Elkana wird es sicherlich nicht immer leicht gehabt haben zu wissen, wie er sich in rechter Weise seinen zwei Frauen gegenüber zu verhalten habe. Er war weise und Pflichtbewusst indem er die Schwache und niedergeschlagene Frau unterstützte.

 

Trotz der Uneinigkeit in der Familie nahm Elkana seine Frauen und Kinder zum Altar Gottes. Wenn sie sich sonst nicht einig waren, hoffte er, dass sie wenigstens zusammen Gott anbeten würden. Wenn die Andachten in der Familie nicht den Streit beheben, sollte man nicht zulassen, dass der Streit die Andachten behebt.

 

Beim Opfermahl aß man einen Teil des Opfers als Zeichen der Gemeinschaft mit Gott. Obwohl Elkana angemessene Portionen an Peninna und ihre Kinder austeilte, gab er das beste Stück Fleisch der Hanna. Er wollte ihr vergewissern, dass er sie liebte, auch wenn sie eine Kinderlose war. Jesus Christus liebt seine Gemeinde ebenfalls, auch wenn sie unfruchtbar und schwach ist. Gleichwie Christus die Gemeinde liebt, sollen die Männer ihre Frauen lieben. Elkana ist ein Vorbild solcher Liebe. Er war ein bemerkenswerter Ehemann.

 

Wie Sara und Rahel war Hanna das Opfer einer eifersüchtigen Nebenbuhlerin ihres Mannes. Der Verfasser des Buches hält sich nicht lange bei der Peninna auf. Er schreibt nur, dass sie etliche Kinder hatte und mit ihrer bösen Zunge das Leben der Hanna unerträglich machte. Bei den Festen, wenn man heilige Hände ohne Grimm und Streit vor dem Altar Gottes erheben sollte, war Peninna am schlimmsten zu Hanna. Gerade diese „Säge“, diese Wunden, haben Hanna zu einer Frau gemacht, die uns überzeugt, dass als Folge schlimmster Zustände ein Charakter geformt werden kann, der für die ganze Welt zum Segen wird. Das bringt uns zum nächsten Thema:

 

 

Hannas Heiligkeit

 

Hanna „schlug nicht zurück“. Sie ist ein Vorbild triumphierender Geduld. Gekränkt war sie schon, und ihre Traurigkeit löste viele Tränen aus, aber sie blieb gefasst. Hanna heißt „gnädig“. Wir wollen glauben, dass ihr Umgang mit Peninna auch gnädig war.

 

Hanna scheint eine Frau mit einem makellosen Charakter gewesen zu sein. Sie war dem Herrn zugeordnet und war treu im Anbeten und Opfern. Jahr für Jahr ging sie für diesen Zweck mit ihrem Mann nach Silo. Jahr für Jahr betete sie dort zu dem, den ihre Seele liebte. Es war nicht einfach, mit einer garstigen Frau wie Peninna auszukommen, aber sie hatte die Gnade der Selbstbeherrschung, wenn ihre Nebenbuhlerin sie reizte mit kränkenden Reden — eine Lilie unter Dornen. Ihr Vertrauen, ihre Geduld und Selbstlosigkeit, Frömmigkeit und Ergebenheit führten dazu, dass auch Samuel diese Eigenschaften mit der Muttermilch „eingesogen“ hat.

 

Von Peninnas ekelhaftem Benehmen lernen wir, wie ein unbedachtes, liebeloses Wort einen anderen traurig machen kann: „Die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel voll tödlichen Giftes!“ (Jakobus 3, 8)

 

Hannas Traurigkeit

 

Hanna sehnte sich nach einem Heim mit Kindern. Ein Haus hatte sie, auch einen Mann, den sie liebte. Elkana versuchte, sie immer wieder zu trösten.

„Bin ich dir nicht besser als zehn Söhne?“ (‚Du weißt, dass Du meine ganze Liebe hast. Lass sie Dir doch ein Trost sein.’)

Jedoch war sie tief traurig, dass sie nicht ihr eigenes Kind in Armen halten konnte. Ist es ein Wunder, dass sie sich „eine Frau mit beschwertem Geist“ nannte? Obwohl der Herr ihr Mutterleib verschlossen hatte, war ihr Herz offen für ihn.

 

Elkana litt natürlich auch mit. Er versuchte sie zu trösten: „Bin ich nicht besser als zehn Söhne?“

Er vergewissert ihr seine Liebe: „Warum weinst Du? Und warum ißest du nicht? Warum ist dein Herz so traurig?“

Da sie seine Liebe schätzte, ließ sie sich scheinbar für kurze Zeit trösten — denn „eines Tages, nachdem sie zu Silo gegessen und getrunken hatte, stand sie auf“ und ging zur Stiftshütte, wo Eli saß.

 

Hannas demütiges Bitten

 

Hanna wird wohl über Elkanas Aussage nachgedacht haben. Vielleicht war er besser als zehn Söhne, vielleicht auch nicht, aber Gott war besser. Sie würde mit ihren Nöten zu ihm gehen.

 

Mit welchen Nöten? Erstens war es eine Schande in Israel, wenn man nicht einen Namensträger zur Welt brachte, und zweitens wurde sie von Peninna täglich mit abwürdigenden Sprüchen diesbezüglich gequält. Besonders gemein war sie, wenn die beiden zusammen in der Anbetungsstätte Gottes zu Silo waren.

(Wir merken, dass Satan schon damals ganz besonders fleißig war, wenn es um das Beten ging!)

Sie betete nicht, dass die Freude der Peninna abnehmen sollte, sondern dass Gott die Ursache ihrer Pein wegnehmen möchte.

Der Psalmist äußerte sich folgendermaßen: „Aber vor den Übermütigen bewahre deinen Knecht, dass sie nicht über mich herrschen; ... lass dir wohlgefallen die Rede meines Mundes und das Gespräch meines Herzens vor dir.“ (Psalm 19, 14) 

Anstatt bitter gegen Gott, gegen Elkana oder gegen Peninna zu werden, wandte sie sich an die Quelle, aus der man Hilfe schöpfen kann.

Wir singen: „Alles im Gebet zum Herrn“.

Weil Hanna dieses täglich übte, war ihr Leben gekennzeichnet von einem Wohlgeruch Gottes.

 

Kinderlos, aber nicht gebetslos, unfruchtbar, doch glaubte sie, und ihre Schmerzen fanden Zuflucht im Gebet. Wie bewegend ist es zu hören, wie Hanna ihre Not vor den Herrn brachte und mit ihm rang. Sie wollte nicht nur ein Kind, sondern einen Sohn.

 

Hannas Gelübde

 

Dieses starke Verlangen führte zu ihrem Gelübde: „Und wirst du deiner Magd einen Sohn geben, so will ich ihn dem Herrn geben sein Leben lang, und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen.“

Sie war bereit, ihren Sohn zurück an den Herrn zu geben, damit er ausschließlich ihm diene. Er sollte ein Nasiräer sein. (Siehe Richter 13, 3-5: kein Schermesser am Kopf, kein Wein oder starkes Getränk und nichts Unreines essen.)

Hanna war bereit, ihre mütterlichen Rechte abzugeben. Er sollte ganz dem Herrn gehören.

Ich muss an meine Mutter denken. Als Geschenk zu meinem 18. Geburtstag teilte sie mir mit, dass sie mich an den Herrn abgegeben hatte.

Sie sagte: „Dieses Jahr schenke ich dir etwas, was ich mit Gott erlebt habe. Ich saß im Chor, und während der Predigt wurde plötzlich alles dunkel vor meinen Augen, und ich sah nur noch dein Gesicht. Es war mir klar, dass Gott etwas von mir wollte. Ich habe ihm versprochen, dich loszulassen und dich ganz für ihn freizugeben. Ich bin bereit, dich gehen zu lassen, wo immer er dich hinführt.“

Weil ich zu der Zeit nicht Gemeinschaft mit dem Herrn pflegte, bereitete mir dieses Geschenk nicht Freude, sondern Unbehagen. Heute bin ich meiner Mutter unendlich dankbar. Gott wurde wieder Sieger in meinem Leben. Er rief mich klar und deutlich in den vollzeitigen Dienst. Herbert und ich heirateten, als ich 22 war. In den darauf folgenden Jahren hat meine Mutter mich nur selten gesehen, da wir während 45 Jahre dem Herrn in Europa dienten. Nur ab und zu waren wir auf Heimaturlaub in Kanada, wo meine Eltern wohnten. Sie trug tapfer die Folgen ihres Versprechens. Jetzt ist sie beim Herrn, und ich denke, sie würde uns heute sagen können, dass es sich gelohnt hat, dass dieses Opfer, im Vergleich zu dem Opfer, das Gott brachte, sehr gering war.

 

Auch mein Mann hatte eine glaubende Mutter. Als Ledige betete sie:

„Herr, wenn Du mir einen Sohn schenkst, dann soll er Dein Zeuge sein.“

Dieses Versprechen teilte sie meinem Mann in seinen Jugendjahren mit. Das prägt!

 

Es gibt christliche Eltern, deren größter Wunsch für ihre Kinder ist, dass sie glücklich verheiratet sind, eine gut bezahlte Arbeitstelle haben, einen Wohnplatz in ihrer Nähe und sie regen Kontakt mit ihnen und den Enkeln haben. Wenn dieses im Willen Gottes geschieht, ist es wunderbar. Aber Eltern sollten bereit sein, ihre Kinder gehen zu lassen, wenn Gott sie in seinen Dienst ruft. Und wenn wir beten, dass Gott unsere Kinder rufen soll, müssen wir auch bereit sein für die Trennung von ihnen und die sich ergebende Einsamkeit.

 

Zuerst fand Hanna sogar in Silo nicht das Verständnis und die Sympathie, die sie suchte. Erstens war ihre Gebetsweise etwas außergewöhnlich. Ihre Lippen bewegten sich, aber kein Laut war zu hören. Gedanken sind für Gott Worte. Er ist nicht ein Gott, dem man hörbar anrufen muss. Weil sie leise vor sich hin betete, gab sie, obzwar unbewusst, den Anschein, betrunken zu sein. Sie hatte aber gelernt, dass das Gebet der Kindschaftshauch des Gläubigen ist. Ihre Wünsche wurden unvermittelt vor Gottes Thron gebracht. Diese ungewöhnliche Art des Betens war zur Zeit der Richter eine Seltenheit, wenn nicht einmalig. In dieser Hinsicht war Hanna eine reife Blume auf einem fast fruchtlosen Feld. Ihr ganzes Wesen war beschlagnahmt von ihrem inbrünstigen Anliegen.

 

Wie muss es doch geschmerzt haben, als Eli seine unbegründeten Schlüsse äußerte. Allzu oft ziehen auch wir voreilige Schlüsse, wobei wir die Beweggründe des anderen verkehrt auffassen. Andererseits ist es nichts Neues für solche, die Gutes tun, beschuldigt zu werden. Es sollte uns nicht überraschen, wenn es einmal unser Los ist, dass andere uns übel gesonnen sind.

 

Es gibt das Gelübde, das zu ernst ist, zu heilig für menschliche Ohren. Wahrscheinlich gibt es manch eine Mutter, dessen Gelübde nur bei Gott bekannt ist. Möge Gott verherrlicht werden, wenn sie dieses einhält.

 

Hanna klärte Eli auf, dass sie wohl nüchtern sei und sie dabei war, ihren Kummer und ihr Herzeleid vor dem Herrn zu klagen. Sie wurde zu Unrecht getadelt, aber der Herr gab Gnade, sich selbst ins rechte Licht zu rücken und ihr Gegenüber mit einem wahren Bericht über die Angelegenheit zufrieden zu stellen. Da sie Eli in Ehrerbietung mit „Mein Herr“ ansprach, vernahm er, dass sie sittlich und demütig war, und er gab ihr den Zuspruch, der Gott Israels werde ihr Herzensverlangen erfüllen.

Ihre Antwort: „Lass deine Magd Gnade (Gunst) finden vor deinen Augen.“

 

Eli machte seinen unfreundlichen Fehler gut. Obwohl er nicht wusste, was Hannas Anliegen war, sprach er, als Hoher Priester, einen Segen:

„Gehe hin in Frieden! Der Gott Israels gewähre dir deine Bitte, die du vor ihm ausgesprochen hast!“

 

Nun aß Hanna wieder und sah nicht mehr so traurig aus? Wieso? Warum? SIE GLAUBTE! Sie war jetzt freudig und guter Laune, denn sie wusste, dass Gott ihr einen Sohn schenken werde. Gebet radiert die Runzeln im Gesicht. So sollte es sein. Sie glaubte, was sie noch nicht sah! Nach einem Jahr schenkte Gott ihr das viel ersehnte Kind, den sie Samuel nannte. D.h.: „erbeten vom Herrn“.

 

Hannas Opfer

 

Da die jährlichen Feste in Israel für Frauen nicht Pflicht waren, entschied sich Hanna, zu Hause zu bleiben und sich ihres Kindes anzunehmen. Sie wollte es für Gott erziehen und wusste, ihre Zeit mit ihm war bemessen. Sie hatte schon vor, ihr Gelübde einzuhalten, aber diese Zeit wollte sie nutzen, um das Kind in jeder Hinsicht für seinen Dienst vorzubereiten.

 

Es ist bewundernswert, dass Elkana diese Entscheidung seiner Frau überließ.

„Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder (oder Familienmitglieder) einträchtig beisammen wohnen!“ (Psalm 133, 1)

Aber es war Elkana wichtig, dass sie so handelte, dass Gott, der ihr Gelübde angenommen hatte, es auch bestätigen konnte.

„Der Herr aber bestätige, was er geredet hat.“

 

Hanna hielt ihr Versprechen, und darin ist sie ein großes Vorbild für uns alle. Ihr Gelübde war nicht ein leeres Plappern gewesen. Sie war aber realistisch und rücksichtsvoll, denn was sollte Eli wohl mit einem neugeborenen Baby anfangen? Sie blieb also zu Hause, bis Samuel entwöhnt war. Dann nahm sie ihn zur Stiftshütte und gab ihn bei Eli ab, obwohl es ihr viel kostete. Für alle Tage seines Lebens war er dem Herrn geliehen. Unter der Obhut des Priesters wuchs er auf und diente dem Herrn. Zuerst werden die Aufgaben wohl sehr gering gewesen sein: z.B. eine Schüssel tragen, eine Kerze anzünden usw. Wir wissen ja nicht, wie alt er war, denn in Israel konnten die Kinder etwa 3 bis 5 Jahre gestillt werden.

 

Bei der Abgabe des Kindes bewies Hanna ihre Dankbarkeit, indem sie dem Herrn 3 Ochsen, Mehl und einen Schlauch Wein schenkte. Der Wein war ein Symbol der Freude. Es kann sein, dass er über das Opfer gegossen wurde. Hanna ging zu Eli und offenbarte ihm, worüber sie vor einigen Jahren gebetet hatte:

„‚Ich habe um diesen Knaben gebetet. Nun hat mir der Herr die Bitte gewährt. Darum leihe ich ihn auch dem Herrn. Alle Tage seines Lebens sei er dem Herrn geliehen‘! Und sie beteten den Herrn an.“

Unsere Hingabe an Gott sollte ebenfalls fürs Leben sein. Wir sollten ihn nie verlassen.

 

Erhörte Gebete dürfen wir in demütiger Weise zur Verherrlichung Gottes mit Freude feiern. Auf freudige Weise sollten auch wir unsere Kinder dem Herrn abgeben, nicht zögernd und halbherzig. Sollten wir sie vom Altar zurückhalten, kann es sein, dass Gott uns richtet. Merken wir es uns: Alles, das wir Gott geben, haben wir zuerst von ihm empfangen. Unsere Geschenke an ihn waren zuerst seine Geschenke an uns. Wir sind nie Verlierer, wenn wir Gott beschenken; er belohnt uns hundertfältig.

 

Beim Abgeben des Kindes blieb es nicht. Jedes Jahr, wenn Hanna und Elkana nach Silo zum opfern gingen, brachte sie ihrem Sohn ein kleines Oberkleid. Man kann sich denken, dass jeder Nadelstich von einem Gebet für Samuel begleitet war. Da sie nur 16 Kilometer von Silo entfernt wohnten, mag es sein, dass sie auch zwischendurch bei ihm einen Besuch gemacht haben. Als Mütter können wir uns gut vorstellen, wie die Eltern ihrem Sohn Mut gemacht haben in seinem Dienst:

„Samuel, sei nur treu im Dienst für Gott. Wir freuen uns für Dich und danken dem Herrn, dass Du hier bist.“ usw.

 

Die Hingabe und Opferbereitschaft der Hanna wurden vom Herrn belohnt mit 3 Söhnen und 2 Töchtern. Betend hatte Eli zu Elkana gesagt:

„Der Herr gebe dir Samen von dieser Frau an Stelle des Geliehenen, den sie dem Herrn geliehen hat!“

Dieser Segen ging in Erfüllung. Diese Kinder wurden sicherlich auch dem Herrn dargebracht, aber Samuel wurde für den Dienst des Herrn abgesondert.

 

Die Söhne Elis sündigten sehr. Diese „Playboy“-Priester vergingen sich an den Frauen, die vor der Tür der Stiftshütte dienten. In dieser sündhaften Umgebung wuchs der kleine Samuel heran. Hanna hatte aber das Vertrauen, dass Gott ihn bewahren würde. In den Jahren, in denen Elkana und Hanna den Kleinen bei sich hatten, wurde er in den Wegen des Herrn unterwiesen. Ohne Zweifel hat Samuel immer wieder von dem Gelübde seiner Mutter gehört, wie er eine Erhörung auf ihr Gebet war und wie er dem Herrn geliehen war. Ihm wurden die Schrift und die Wunder der Geschichte Israels beigebracht. Hanna sprach mit Begeisterung über das Vorrecht, ihn als Erstgeborenen an den Herrn zu geben. Und als er in Silo ankam, war er bereit, dem zu dienen, der seinen Eltern so viel bedeutete.

 

Hätte Hanna nicht ihr Gelübde eingehalten, hätte Israel nicht diesen gottesfürchtigen Führer des Volkes bekommen. Es ist kein Wunder, dass Salomo in Prediger folgendes schrieb:

„Es ist besser, du gelobest nichts, als dass du gelobst und es nicht hältst. Lass dich durch deinen Mund nicht in Schuld stürzen ... Warum soll Gott zürnen ob deiner Worte und das Werk deiner Hände bannen?“

 

Hannas Lied

 

Hannas Psalm zeichnet sie aus als eine Dichterin und Prophetin von überdurchschnittlichem Rang. Nachdem ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen war, brach ein Loblied über die Güte Gottes in ihr aus. Dieses Magnifikat war der Grundstoff für Marias Loblied über die Treue Gottes, eines Gottes, der seinen Bund gehalten hatte. Das erhabene Lied ist, dem Inhalt nach, auf die gleiche Stufe mit den Psalmen einzureihen und hat die Herzen von Gottes Kindern Jahrhunderte hindurch tief bewegt.

 

Danksagung ist unsere Miete, unser schuldiger Zins. Wir sind nicht gerecht, wenn wir nicht bezahlen. Hanna war so bewegt, dass sie herrliche Dinge über Gott äußerte. Sie dankt ihm nicht, dass Samuel so hübsch aussieht, dass er für sein Alter wohl der Klügste ist, den sie je angetroffen hat, usw. wie Eltern es oft zu tun pflegen. Nein, sie dankt nicht für das Geschenk, sondern dankt dem Geber, wohingegen die meisten wohl auf das Geschenk den Schwerpunkt setzten würden. Jeder Strom sollte uns zur Quelle führen. Die Begünstigungen, die wir von Gott erhalten, sollten unsere Bewunderung für Gottes unermessliche Vollkommenheiten erhöhen. Mit anderen Worten, es mag andere Samuels geben, aber es gibt nur einen Gott. Es ist keiner außer Ihm.

 

Es lohnt sich, die Lieder von Hanna und Maria zu vergleichen. Das wäre eine gute Hausaufgabe! Man könnte sich natürlich Stunden lang über dieses Lied unterhalten, aber ich greife nur einige Gedanken auf.

 

V. 1: „Eine Lerche, die in der Morgenfrühe aufsteigt, um ihrem Gott ihr Loblied zu singen, hören wir in dem vorliegenden Abschnitt. Und wir möchten fragen: ‚Ist das die Hanna, von der wir hörten: Also ging es alle Jahre, wenn sie hinaufzog zu des Herrn Hause, dass sie also betrübt war und weinte und nichts aß? Wo ist’s denn geblieben, das Herz mit dem schweren Sorgenstein? Wo hat sie ihn hingelegt, ihren Sorgenbrast (Kummer, Not, Zorn, Gerümpel), dass sie jetzt auffahren kann mit Flügeln wie die Adler?’

Es muss erbeten sein! – Seit sie so in Silo vor dem Herrn ihr Herz ausgeschüttet und der Herr sie gnädig angeblickt und ihr in ihrem Samuel das Unterpfand seiner Freundlichkeit gegeben hat, seitdem ist Hanna, die Betrübte, geworden zu einer in ihrem Gott seligen und vergnügten Seele, mit dem Bekenntnis auf den Lippen: ‚Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn. Mein Horn ist erhöht in dem Herrn.’ Der kindliche Gehorsam, die völlige Hingabe an den Herrn macht Hanna zu einem außerordentlichen Gefäß des Heiligen Geistes . . .“ (Hermann, in Dächsels Bibelwerk)

 

„Mein Horn ist erhöht durch den Herrn.“

Loch u. Reischl bemerken: „Das ‚Horn’ ist allgemein Symbol der Kraft (vgl. 2. Mose 27, 2), und das ‚Horn erheben’ gilt für Erheben des Hauptes im Gefühl der Macht“.

Erdmann (in Langes Bibelwerk) meint: „Das‚ Horn ist . . . Bild des starken Mutes, des Kraftgefühls, dessen Quelle der Herr ist (vgl. 5. Mose 33, 17; Psalm 75, 5; Psalm 89, 18+25). Das zweimal wiederholte ‚in dem Herrn’ bezeugt mit Nachdruck, dass die frohlockende Herzensstimmung und das gehobene Kraftgefühl in dem Herrn wurzelt, und setzt die innigste Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott voraus.“

 

„Mein Mund hat sich weit aufgetan über meine Feinde.“

Jetzt hatte Hanna eine Antwort für solche, die ihr Vorwürfe machten, solche, die Gott Konkurrenz boten.

 

V. 3: „Lasst euer großes Rühmen und Trotzen! Freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der Herr ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.“

Mit anderen Worten: Lass nicht Peninna und ihre Kinder mich noch länger mit ihren anmaßenden, arroganten und frechen Reden mir vorwerfen, dass ich betete und Gott vertraute. Es war nicht umsonst. Denkt daran, Gott hat darüber Buch geführt.

Der 10. Vers in Micha 7 beschreibt Peninna bestens: „Wenn meine Feindin das sieht, wird Schamröte sie bedecken, sie, die zu mir sagt: ‚Wo ist dein Gott?‘

 

Und wie steht es mit dieser Frau?

V. 5b: „Ja, die Unfruchtbare hat 7 geboren, und die, die viele Kinder hatte, ist verwelkt (sie kann keine mehr bekommen).“

Hanna spricht prophetisch, und doch hat Gott den Mund ihrer Feindin verschlossen. Sie ist gedemütigt und niedergeschlagen. Die jüdische (wenn auch in diesem Fall nicht sehr glaubwürdige) Tradition sagt sogar: Jedes Mal, wenn Hanna ein Kind gebar, starben zwei von Peninnas Kinder.

 

Ein Satz, der mich ziemlich beschäftigt hat, ist V. 6: „Der Herr tötet und macht lebendig; er stürzt ins Totenreich und führt herauf!“

So oft versteht man Gott nicht. Ein junger Mann stirbt an Krebs. Eine alte Frau wird nach einer schweren Krankheit wieder gesund. Eine Mutter bringt ein gesundes Kind zur Welt, eine andere ein behindertes. Wir fragen oft, warum? Bei einem gedeiht das Geschäft prächtig. Beim anderen geht es ein.

Wir vergessen, dass Gott Alleinherr ist, dass er unumschränkt seinen Willen durchführt. Unser Los ist es, uns vor ihm zu beugen und seinen heiligen Willen anzunehmen. Es geht nicht um das Verstehen, sondern das Erkennen, dass Gott Gott ist. Dieses hatte Hanna erkannt. Sie wusste, dass ihre einzige Zuflucht bei Gott war. Er könne ihr einen Sohn schenken, oder auch nicht. Gefleht hat sie zu ihm, wissend, dass Er allein ihr Elend zu Ende bringen konnte.

 

V. 7a: „Der Herr macht arm und macht reich.“

Sind wir arm? Gott hat uns arm gemacht, und wir sollten dankbar und zufrieden sein. Sind wir reich? Dann sollten wir Ihm fröhlich mit unserem Hab und Gut dienen. Gott kann auch den Reichen arm machen (siehe Hiob) und den Armen wieder reich machen. Er gibt. Er nimmt weg. Und er kann auch wieder geben.

 

V. 21b: „Samuel wuchs heran bei dem Herrn“, und der Einfluss seiner frommen Mutter und ihre anhaltenden Gebete führten dazu, dass er lebzeit ein Mann des Gebetes und der Fürbitte war — und die Macht Gottes mit und von Ihm erfuhr.

 

Da keiner auf dieser Welt besser geeignet ist, kleine Füße in Richtung Gott zu führen, wünschen wir uns Mütter, die, wie Hanna, Gott in den Mittelpunkt ihres Leben stellen.

 

Ein weiteres Beispiel von einer Mutter, die bereit war, ihren Sohn dem Herrn zu überlassen, haben wir an Jochebed.  Aber während Hanna genau wusste, wo und was ihr Sohn sein werde, ließ ihre Vorläuferin in Israel ihren in die ungewisse Zukunft gehen und zeigte somit einen noch größeren Glauben.  Sie vertraute, wo nichts zu sehen war.

 

Gewaltige Beispiele hat Gott uns Frauen zum Nachahmen hinterlassen!

 

 


 

 

 

Jochebed

 

2. Mose 1, 1-22; 2. Mose 2, 1-11; 2. Mose 6, 20; 4. Mose 26, 59; Hebräer 11, 23; Apostelgeschichte 7, 17-23

 

Jochebed lebte in einer schweren Zeit, einer Zeit der Bedrückung für das Volk Israel. Josef hatte ja einst auf Geheiß des Pharao seinen Vater und seine Brüder nach Ägypten geholt und dort im Lande Gosen angesiedelt. Der Segen Gottes ruhte auch auf den Nachkommen. Diese zählten 70 Seelen, als Jakob nach Ägypten kam. 215 Jahre später hatte Israel 600.000 kampffähige Männer. 430 Jahre nachdem Gott das erste Mal die Verheißung an Abraham gegeben hatte, dass er aus ihm ein großes Volk machen wollte, ging diese ihrer Erfüllung entgegen.

 

Gottes Verheißungen mögen lange unterwegs sein, aber sie kommen mit Sicherheit zum Ziel.

 

In Habakuk 2, 3 lesen wir: „Denn das Gesicht [Gott gab seine Verheißungen ab und zu durch Erscheinungen] gilt noch für die bestimmte Zeit und eilt dem Ende zu und wird nicht trügen; wenn es verzieht, so harre seiner, denn es wird gewiss kommen und sich nicht verspäten.“

 

Abraham erlebte nicht das große verheißene Volk, aber Gott hatte nicht davon vergessen.

 

Damit man in die Geschichte Jochebeds einsteigen kann, sollte man an dieser Stelle 2. Mose 1 lesen.

 

Zuerst waren die Ägypter den Israeliten freundlich gesinnt gewesen. Schließlich hatte Josef sie durch die Hungersnot geführt. Aber inzwischen waren 400 Jahre vergangen. Das Volk Israel wurde immer zahlreicher, sodass die Achtung der Ägypter sich in Angst und Hass verwandelte. Sie versuchten, die Hebräer durch Zwangsarbeit zu unterdrücken, aber ihre Zahl nahm nur noch mehr zu.

 

Wir lesen, dass es dem neuen Pharao, der „nichts von Josef wusste“, nicht passte, dass das Volk Israel so groß wurde. Er nahm sich vor, es auszutilgen. Er ließ die hebräischen Hebammen kommen und befahl ihnen, jedes Knäblein bei der Geburt zu töten. Aber die Hebammen gehorchten Gott mehr als Pharao. Sie redeten sich heraus. Dann gab Pharao, des Spieles mit den Hebammen müde, einen neuen Befehl, dieses Mal an das ägyptische Volk:

„Werft jeden Jungen, der den Hebräern geboren wird, in den Nil!“

 

Dieses ist die Lage, in der wir von Jochebed hören. Vielleicht wird mancher sich überlegen: „Jochebed? Wer ist das? Wo kommt denn die in der Bibel vor?“ Diese Frage ist verständlich, denn, wo im zweiten Kapitel des 2. Buches Mose von ihr berichtet wird, finden wir ihren Namen nicht genannt, sondern nur die Bezeichnung „ein Mädchen aus dem Hause Levi“, das von einem Mann aus demselben Stamm zur Frau genommen wird. (2. Mose 2, 1) Wir alle kennen wohl die Namen ihrer drei Kinder: Mirjam, Aaron und Mose. Erst im Geschlechtsregister 2. Mose 6, 20 erfahren wir die Namen der Eltern dieser drei: Der Vater hieß Amram und die Mutter Jochebed.

 

Aus der Erzählung in der Apostelgeschichte 7, 17-23 lernen wir, dass Jochebed eine Nahverwandte Amrams war, was zu der Zeit noch nicht vom Gesetz her ein Heiratshindernis war. Ihr Name bedeutet: „Der Herr ist deine Herrlichkeit.“ In 4. Mose 26, 59 werden ihre drei Kinder genannt: Mose, der größte Führer seines Volkes, Aaron, der erste Hohe Priester, der Gottes Heiligkeit und Gnade symbolisierte und als Mittler zwischen Gott und dem Volk auf Christus vorausdeutete, und Mirjam, eine Dichterin und Musikerin, die als eine der ganz wenigen Frauen eine Prophetin Israels war. Sie war eng mit ihren Brüdern in der Geschichte ihres Volkes verbunden.

 

Schon lange bevor Gottes Gesetz aufgeschrieben wurde, hatte Jochebed es in ihrem Herzen und gab es an ihre Kinder weiter. Sie war eindeutig eine gottesfürchtige Mutter. Ihr Leben redet weiter, auch nach ihrem Tode.

 

Aber jetzt zu unserem eigentlichen Text: 2. Mose 2, 1-10.

„Und es ging hin ein Mann vom Hause Levi und nahm ein Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau.

Und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate lang.

Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils. Aber seine Schwester stellte sich in einiger Entfernung hin, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde.

 

Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte im Nil baden, und ihre Gespielinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein mitten im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen.

Und als sie es öffnete, sah sie das Kind, und – siehe – das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sagte:

‚Es ist eins von den hebräischen Kindlein.’

 

Da sagte seine Schwester zu der Tochter des Pharao: ‚Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille?’

Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: ‚Geh hin.’

Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes (nämlich Jochebed!).

Da sagte die Tochter des Pharao zu ihr (zu Jochebed): ‚Nimm das Kindlein mit und stille es mir. Ich will es dir lohnen.’

Die Frau nahm das Kind und stillte es.

 

Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es wurde ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose; denn sie sagte: ‚Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.’ (Die Bedeutung seines Namens ist: „aus dem Wasser gerettet“.)“ [Schlachter u. H. Jantzen]

 

„Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn.“

Der Schrei eines Neugeborenen tönte durchs Haus. Die Mutter war müde und glücklich. Wieder hatte sie ein Kind zur Welt gebracht. Preis sei dem Herrn, dem Gott Israels! Auf diesen Augenblick hatte sie gewartet –  in Vorfreude, aber auch in Angst.

„Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ fragte sie sich.

Welch eine Not! – und doch, zunächst: Welch eine Freude! Es heißt nämlich gleich weiter:

„Sie sah, dass es ein feines Kind war.“

In Apostelgeschichte 7, 20, in der Rede des Stephanus, wird Mose als „Gott angenehm“ beschrieben.

 

Viele von uns werden diese Freude ebenfalls erlebt haben, dass wir nach neun Monaten bangen Wartens sehen durften: Uns ist ein gesundes Kind geboren. Dabei erlebt man etwas von der Schöpferfreude Gottes, von der es in 1. Mose 1, 31 heißt:

„Gott sah an alles, das er gemacht hatte, und – siehe da – es war sehr gut.“

So wird fast jede Mutter in ihrem Neugeborenen „ein feines Kind“ sehen.

 

Dieser Satz: „Sie sah, dass es ein feines Kind war“, will hier aber noch mehr ausdrücken: Jochebed sah von Gott eingegeben über ihrem Kind göttliche Verheißungen leuchten. Sie spürte, dass dieses Kind ein besonderes Geschenk Gottes war, dass Gott etwas Grosses mit ihm vorhatte. Gottes Art ist es, Menschen in seine Pläne einzubeziehen. Viel würde jetzt von Jochebed abhängen – davon, wie weit sie sich von Gott führen ließ. Ob sie schon etwas davon ahnte, dass es einst der Retter ihres Volkes werden sollte? Sie beschloss, um das Leben dieses Kindes zu kämpfen. Sie würde nicht resignieren. Sie würde Gott vertrauen!

 

Wir Mütter sind leicht geneigt, in unsern Kindern nur die natürlichen Gaben zu entdecken, dass sie gesund, nett, hübsch und kräftig sind. Wir freuen uns am Stammhalter. Wir hoffen, dass sich im Leben unserer Kinder einmal unsere eigenen Wünsche erfüllen.

 

Aber das ist zu wenig. Wir sollten uns den rechten Glaubensblick schenken lassen und auch unser Kind als ein „feines Kind“ ansehen, über dem die Verheißungen Gottes leuchten, dass es einmal etwas werden soll „zum Lobe seiner Herrlichkeit“.

 

Zweifelsohne hatte Jochebed um die Geburt ihres Kindes gebangt. Vielleicht reute sie sogar diese Schwangerschaft. Vielleicht wäre es besser gewesen, kinderlos zu sein. Vielleicht musste dieses Kind zu den Mördern gebracht werden. Aber oft wird unsere Furcht in Freude verwandelt. Merken wir, wie Gott führt: Gerade zu der Zeit, in der Pharaos Grausamkeit den Höhepunkt erreicht, wird der Erlöser geboren, obwohl er erst viele Jahre später öffentlich auftritt.

 

„Obwohl Amram und Jochebed beide in Sklaverei hineingeboren und aufgewachsen waren, waren sie doch im Glauben ihrem Gott treu geblieben.“ Sie richteten ständig die Antenne ihrer Seelen auf Gott aus. Sie waren sich auch einig, dass sie im Glauben des Pharaos Gebot trotzen sollten. Gott stand zu ihrem Glauben.

„Sie verbarg ihn drei Monate“ – im Glauben.

Was glaubten sie? Sie glaubten der allgemeinen Verheißung, dass Gott Israel erhalten werde. In diesem Glauben ruhten sie und fürchteten nicht die drohende Strafe. Die Pflicht ist unsere. Die Konsequenzen gehören Gott.

 

Was ist Glauben? „Sich zu verlassen auf das, das man hofft, und fest mit dem zu rechnen, das man nicht sehen kann“ (Hebräer 11, 1) – mögen die augenblicklichen Umstände auch noch so sehr dagegen sprechen. Christen sind Menschen, die durch ihren Glauben an Jesus Christus vor Gott gerecht gesprochen worden sind (Galater 2, 16). Was sie von Gott im Glauben nach seinem Willen erbitten, das wird er tun (Matthäus 21, 21). Wo sie jedoch nicht glaubend bitten, kann die Erhörung ausbleiben.

 

Dennoch stecken viel Angst und Schrecken hinter diesen fünf Wörtern: „Sie verbarg ihn drei Monate.“ Es gehört keine große Fantasie dazu, sich auszumalen, wie schwierig es ist, ein schreiendes Baby zu verheimlichen. Drei Monate lang hat Jochebed es gewagt. Drei Monate lang hat sie damit gewiss auch sich selbst und die ganze Familie gefährdet.

 

Von Amram und Jochebed heißt es in Hebräer 11, dem Kapitel von den Glaubensvorbildern: „Sie fürchteten sich nicht vor des Königs Gebot.“

Das ist etwas ganz Großes, wenn Gott es seinem Volk in schweren Verfolgungszeiten schenkt, sich nicht zu fürchten und sich so getrost in Gottes Führung zu wissen, dass man ruhig sagen kann, wie Königin Esther:

„Komme ich um, so komme ich um.“

„Seiner Hand entreißt mich nichts!“

 

Doch nach diesem tapferen Widerstand von drei langen bangen Monaten ging es nicht mehr.

Es heißt: „Als sie ihn nicht länger verbergen konnte.“

Die Stimme des Kindes wurde immer kräftiger, und die feindlichen Häscher schlichen immer argwöhnischer ums Haus. Der Punkt war erreicht, wo es nicht mehr ging, den Kleinen zu verbergen.

 

Vielleicht haben wir das auch schon erlebt, dass man eine schwere Last lange getragen hat, dass man dabei die tägliche Durchhilfe Gottes stark erleben durfte, dass man von einem Tag zum andern hoffte, es könnte sich vielleicht ein Wunder ereignen – und dann ist doch die Spannkraft erschöpft. Man kann einfach nicht mehr. Man ist mit allen eigenen Möglichkeiten am Ende!

Das ist die Stunde, über der es leuchtend stehen darf: „Aber Gott kann!“

Sein Arm ist nicht zu kurz, um zu helfen. Wenn es bei uns heißt: „Ich kann nicht mehr“, wollen wir es machen wie hier die Jochebed und alles aus unserer Hand in Gottes Hand legen.

 

Doch zunächst hilft Jochebed noch, diesen weiteren Weg vorzubereiten. Im Glauben tut sie ein Letztes, das in ihrer Kraft steht. Sie kennt ja die alten Geschichten von der Arche Noah, durch die Gott seinen Mann aus den Fluten rettete. Und wie Noah auf Gottes Geheiß einst die Arche baute, so fertigt sie jetzt eine kleine „Arche“ an. Wohl dem, der etwas weiß von den alten Durchhilfen Gottes und im Glauben gewiss ist:

„Der so viel an uns getan, hat noch mehr im Sinn.“

 

„Wem Weisheit mangelt, der bitte darum“, empfiehlt Gottes Wort. Gewiss hat Gott der bedrängten Mutter auf ihre Bitte hin den Gedanken eingegeben, dass sie, wie es weiter heißt, ein Kästlein von Rohr nahm und es mit Erdharz (Lehm) und Pech verklebte. Diese Gedanken dienten Gottes Absichten mit Mose.

 

Sie „legte das Kind hinein“, so heißt es weiter, „und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils“.

Der Rettungsplan war ein Zeugnis von unerschütterlichem Gottvertrauen. Sie schickte ihre Tochter Mirjam aus in die Nähe dieser Stelle, um zu sehen, wie es ihm ergehen werde. So hat sie nun ihr Möglichstes getan und muss alles Weitere Gott überlassen. Nun ist seine Stunde gekommen. Jetzt sollte das Wasser, das eigentlich nach dem Willen des Königs das Kind töten sollte, sein Leben retten.

 

Das ist die große Kunst, die auch wir im Glauben lernen müssen: uns selbst und unsere Kümmernisse loszulassen, damit Gott große Dinge tun kann! Gerade solche Geschichten in der Schrift machen uns Mut und zeigen, dass wir dem Herrn unser Vertrauen schenken dürfen.

 

Man fragt sich, wie Jochebed sich wohl die Rettung ihres Kindleins vorgestellt haben mag, denn wir Menschen sind ja so leicht geneigt, Gott bestimmte Rettungswege vorzuschlagen. Doch er handelt souverän, über Bitten und Verstehen.

„Sein Rat ist wunderbar, und er führt es herrlich hinaus.“

 

Jochebed wartet daheim mit Bitten und Flehen.

„Ich harrte des Herrn.“

„Meine Seele harrt.“

So heißt es immer wieder in den Psalmen. Wir haben dieses Wort in unserer Umgangssprache – leider – nicht mehr, aber der Glaubende kennt das Harren auf den Herrn, das geduldige, flehende, gewisse Warten auf die endliche Hilfe Gottes. Mirjam wacht betend über ihr Brüderchen.

 

Die Spannung ist groß. Wird jemand das Kind finden? Hoffentlich geht die Tochter des Feindes daran vorüber! Aber nein! Es kommt alles ganz anders: Gott rührt das Herz der Königstochter an. Noch nie weinte ein Baby so gelegen! Die Prinzessin war von Mitleid ergriffen. Zudem war das Kindlein sehr schön. Wie manche andere erwachsenen Töchter auch, hielt sie sich nicht an das Gebot ihres Vaters. Sie als einzige Ägypterin durfte Erbarmen über ein israelitisches Büblein haben. Wie genau sind Gottes Pläne! Lassen wir uns vom Heiligen Geist daran erinnern, wenn wir das nächste Mal vor einer verschlossenen Tür stehen.

 

Es kommt oft vor, dass Gott für seine Kinder inmitten deren Feinde Freunde erweckt. Und Pharaos Tochter hatte keine Ahnung, dass gerade sie sich über Israels Retter erbarmte. Die Tochter des Mannes, der das Kind hatte töten wollen, finanzierte seine Erziehung. Der Sohn einer hebräischen Sklavenfamilie wurde als Prinz erzogen! Gott hat Humor! Wie herrlich sind seine Wege!

 

Welche Pläne hatte Gott für Mose? Er hatte vor, einen Gelehrten aus ihm machen zu lassen, damit er ein geeigneter Historiker werde. Seine fünf Bücher sind grundlegend für die ganze schriftliche Offenbarung Gottes, so grundlegend, dass selbst die Sadduzäer sie für unfehlbares Wort Gottes hielten, obwohl aus dem ganzen Alten Testament nur diese Bücher. Dieses Kind wurde eine Stufe auf dem Weg zu Jesus Christus. Und wer schrieb Jochebeds Geschichte? Ihr Sohn Mose – durch göttliche Eingebung.

 

Obwohl wir eventuell nicht wissen, in welchen Gefahren wir in unserer Kindheit waren, ist es gebührend, dass wir oft den Herrn für seine Bewahrung preisen.

Der Psalmist spricht zu Gott: „Ja, du warst meine Stütze von Mutterleib an, meine Zuversicht schon an meiner Mutter Brust. Auf dich war ich geworfen von Mutterschoss an. Vom Leibe meiner Mutter her bist du mein Gott gewesen.“ (Psalm 22, 10-11)

 

Mirjam rannte nach Hause und bat die Mutter, zur Königstochter zu kommen. Aus deren Hand nimmt Jochebed ihr gerettetes Kind entgegen, um es zu stillen und zu pflegen, bis es an den Königshof kommt. Über diese Zeit berichtet die Bibel nichts mehr. Aber wir können uns nur zu gut vorstellen, welche anbetenden Gedanken Jochebed beim Stillen ihres Sohnes bewegten und wie hier in allerfrühester Jugend – „mit der Muttermilch eingesogen“ sozusagen – entscheidende Grundlagen gelegt worden sind für das Leben dieses späteren „Freundes Gottes“. Sie erlebte in gewissem Sinne die Auferstehung ihres Sohnes und durfte ihn jetzt ohne Furcht genießen. Die    wenigen Jahre, in denen sie Mose selbst erziehen konnte, machten ihn mit dem Glauben an den lebenden Gott bekannt. Auch nachdem sie ihn abgeben musste, werden die inbrünstigen Gebete der Eltern ihn begleitet haben.

 

Ein Ausleger fasst das wunderbare Geschehen zusammen in den Sätzen: „Die Nilflut wird zum Element der Rettung, der Arm des Todfeindes zum Retter, die Stätte, von der Vernichtung ausging, zur Bergungsstätte.“

 

Wunderbar ist unser Gott. Auch wir dürfen es erfahren: „Er ist ein Fels und sicherer Hort, und Wunder sollen schauen, die sich auf sein wahrhaftig Wort verlassen und ihm trauen.“

 

„Als Mose erwachsen war, entschied er sich für sein Volk und dessen Leiden und gegen den Luxus Ägyptens. Er wurde ein Mann des Glaubens, der Tag für Tag mit dem unsichtbaren Gott ging, als ob er ihn sehen konnte. Er wurde ein Freund Gottes – eine gewaltige Auszeichnung für einen Menschen.“ (Karssen)

Wir wollen aber nicht vergessen: Bevor es Mose gab, gab es seine Eltern!

 

Die Bibel erwähnt Jochebeds Namen nur zweimal, aber er ist für alle Zeiten in die Geschichte eingegangen als der Name einer der wichtigsten Mütter, die es je gegeben hat.

„Durch den Glauben“ – damit wird sie eingereiht in die lange Aufzählung aller derer, die „durch den Glauben“ handelten und deshalb für alle Kinder Gottes ein leuchtendes Beispiel sind. Wie wohl sie gestorben ist, redet sie noch.

 

Eine Mutter, die ihren Herrn liebt und vielleicht nicht um das Leben, sondern um das Seelenheil ihres Kindes bangt, kann in der Gewissheit ruhen, dass Jochebeds Gott heute noch lebt und ihre Kinder vor dem ewigen Verderben retten kann.

 

„Jochebed war einer jener eigentlich ganz normalen Menschen, die durch ihren Glauben an Gott Großes tun konnten. Gegen alle Schwierigkeiten und Verfolgungen dachten und denken solche Menschen vertikal statt horizontal, geistlich statt menschlich. In dem Wissen, dass ihr Gott größer als die größten Nöte ist, können sie mutig allen Widrigkeiten entgegentreten; ihr Gott enttäuscht sie nicht.“ (Karssen)

 

Magister Frey weist darauf hin, dass hier alle Stufen des Glaubens vorkommen, „von der dankbaren Schöpferfreude bis zur harten Übergabe aus der eigenen Hand in die Hand Gottes, durch das Warten, Bangen und Hoffen auf die Verheißung, über das ständige Bereitsein bis zum Zuspringen und Schauen der Erfüllung“.

 

Wir bekommen in unserer Geschichte eine großartige Anschauung von dem, was biblischer Glaube ist. Der ist kein Schicksalsglaube. Der biblische Glaube hat immer zwei Aspekte: die rettende Hand Gottes und die sie ergreifende Hand des Menschen. Die Barmherzigkeit Gottes macht den Menschen nicht passiv, sondern aktiv und beteiligt ihn an Gottes Werk.

 

Welch großes Ding ist es um einen solchen Glauben, wie wir ihn hier bei der Jochebed erleben! Möchte doch die Reihe der Glaubenshelden in Hebräer 11 fortgesetzt werden bis in die Gegenwart! Dass es auch von uns heißen kann: Durch den Glauben durften wir Gottes mächtige Hand in Bewegung setzen!