Inhaltsverzeichnis
Über
Gutmütigkeit und Festigkeit
Dass
man seine Augen aufmachen soll
Dinge,
die es nicht wert sind, versucht zu werden
Über
die Kunst, sein Geld auszugeben
In
seinem Reden hinterm Pflug hat sich C. H. Spurgeon bemüht, guten Rat
für allerlei Leute festzuhalten. Dabei ist er in die Rolle eines Bauern
geschlüpft. Er vermeidet deshalb „feine Bildung und gekünstelte Worte“ und
bedient sich statt dessen alter, kräftiger sprichwörtlicher Redensarten. Er
sagt:
„Ich
habe einige tüchtige Schläge gegen die Laster der großen Menge zu führen
gesucht und diejenigen Alltagstugenden hervorgehoben, ohne die die Menschen in
einem elenden, entwürdigenden Dasein verkommen müssen. Vieles, was arbeitenden
Menschen gesagt werden muss, würde sich nicht gut für die Kanzel und für den
Sonntag schicken. Dagegen dürften diese anspruchslosen Blätter wohl dazu
dienen, Fleiß und Sparsamkeit an allen Wochentagen – zu Hause und am
Arbeitsplatz – zu empfehlen. Wenn sich einige diesen Unterricht zu Herzen
nehmen werden, so wird es mir nicht leid tun, mich dabei der Bilder aus dem
Landleben bedient zu haben.
Den
Namen Pflüger darf ich wohl zu Recht für mich in Anspruch nehmen. Hat doch
jeder Prediger des Evangeliums seine Hand an den Pflug gelegt und ist es doch
seine Aufgabe, das brache Feld umzupflügen und guten Samen auszustreuen. Dass
ich in halb scherzhaftem Ton geschrieben habe, bedarf hoffentlich keiner
Entschuldigung, wenn ich mir dadurch Gehör bei der großen Menge für gesunde
sittliche Belehrung verschaffe. Ernst und langweilig sein ist gerade keine
besondere Tugend.
Von
all den Liedern, die ich meine Kleinen je habe singen hören, gefällt mir eines
immer am besten – es schließt mit den Worten:
„Und will mir's nicht gleich gelingen,
so versuch’ ich’s noch einmal.“
Ich empfehle es auch
erwachsenen Leuten, die den Mund hängen lassen und verzweifeln zu müssen
meinen. Niemand weiß, was er tun kann, bis er es versucht hat. „Jetzt kommen
wir durch“, sagte Emil zu Franz, als sie das letzte Stück Pudding verzehrten.
Aller Anfang ist schwer, aber ein wenig Versuchs-Öl in die Hand und ins Herz
gerieben, macht alles leichter.
„Kann ich nicht“
bleibt im Dreck stecken, aber „Ich will’s versuchen“ zieht den Wagen bald aus
dem Loch heraus. Der Fuchs sprach: „Ich will’s versuchen.“ und entkam den
Hunden, als sie schon beinahe nach ihm schnappten. Die Bienen sagten: „Wir
wollen es versuchen“, und verwandelten Blumen in Honig. Das Eichhörnchen sagte:
„Ich will's versuchen“, und kletterte auf die Spitze der Eiche hinauf. Das
Schneeglöckchen sagte: „Ich will's versuchen“, und blühte mitten im kalten
Winterschnee. Die Sonne sagte: „Ich will’s versuchen“, und bald warf der
Frühling den Junker Frost aus dem Sattel. Die junge Lerche sprach: „Ich will's
versuchen“, und entdeckte bald, dass ihre neuen Flügel sie über Hecken und
Gräben hoben – hoch hinauf, wo ihr Vater sang. Der Ochse sprach: „Ich will's
versuchen“, und pflügte das ganze Feld von einem Ende bis zum anderen durch.
Für „Ich will's versuchen“ ist es kein Hügel zu steil, kein Boden zu hart, kein
Feld zu nass, kein Loch zu groß.
„Die größten Eichen
fällt man mit kleinen Streichen.“
Spaten
für Spaten schafften die Arbeiter den Durchstich, bohrten sie einen großen
Tunnel mitten durch den Berg, warfen sie den Deich auf. „Steter Tropfen höhlt
den Stein.“
Was
Menschen getan haben, können Menschen wieder tun, und was noch nicht geschehen
ist, mag noch geschehen. Aus Ackerknechten sind schon Edelmänner geworden,
Schuster haben aus ihren Klopfsteinen Gold gemacht, und aus Schneidern sind
Parlamentsmitglieder geworden. Kremple nur die Ärmel auf, kleiner
Hoffnungsvoll, und mach dich ans Werk. Wo ein Wille ist, da findet sich auch
ein Weg. Die Sonne scheint für alle Welt. Vertraue auf Gott und arbeite tüchtig
und sieh zu, ob sich nicht die Berge bewegen werden. Warte nicht darauf, dass
du Glück haben wirst; das hatte der Narr, als er soviel Pudding bekam, wie er
essen wollte, und sich davon den Tod holte. Das beste Glück in der ganzen Welt
macht man aus Gelenk-Öl und Festigkeit-Pflaster.
Warte nicht auf
fremde Hilfe; versuch es mit diesen beiden alten Freunden: deinen starken
Armen. Selbst ist der Mann. Wenn der Fuchs Federvieh für seine Jungen haben
will, muss er die Hühner selbst nach Hause tragen. Keiner seiner Freunde kann
dem Hasen helfen; er muss selber um sein Leben laufen, oder es packen ihn die
Hunde. Jeder Mensch muss seinen eigenen Sack zur Mühle tragen. Du musst deine
eigenen Schultern gegen den Wagen stemmen und sie immerzu daran halten, denn es
sind genug Löcher in der Straße. Willst du aber warten, bis alle Straßen
gepflastert sind, so wirst du zum Skelett abmagern. Willst du solange sitzen
bleiben, bis dich die großen Leute auf den Rücken nehmen, so kannst du solange
sitzen, bis du angewachsen bist. Deine eigenen Füße sind besser als Stelzen.
Erwarte nicht Hilfe von anderen, sondern traue auf Gott und halte dein Pulver
trocken.
Weine nicht darüber,
dass du keine guten Chancen oder nicht genug Mittel zum Anfang hast. Wirft
jemand einen verständigen Menschen hinaus, so wird der auf seine Füße fallen
und sich nach dem kürzesten Weg erkundigen, auf dem er zu seiner Arbeit kommen
kann. Je mehr du hast zum Anfangen, desto weniger wirst du am Ende haben. Geld,
das man selbst verdient, glänzt mehr und ist angenehmer, als was man aus den
Beuteln Verstorbener nimmt. Ein kärgliches Frühstück am Morgen des Lebens reizt
den Appetit zu einem reichen Mahl späterhin. Wer einen sauren Apfel gekostet
hat, wird um so mehr Geschmack an einem süßen finden. Manch ein Hausierer hat
sein Geschäft mit fünfzehn Groschen eröffnet und hat sie so oft umgesetzt, bis
er eigene Pferde und Wagen hatte.
Klage nicht über den
Ort, an dem du zu wohnen hast. Du brauchst kein Pferd zu sein, weil du in einem
Stall geboren bist. Ein strebsamer junger Mann mit gesundem Verstand wird da
viel Geld verdienen, wo andere nichts zustande bringen, als es zu verlieren.
Wer fleißig ist und spart sein Geld,
kommt fort an jedem Ort der Welt.
Ein wenig Mühe ist
freilich damit verbunden; aber wer hat je Kirschen ohne Kerne und Rosen ohne
Dornen gefunden? Wer gewinnen will, muss tragen lernen. Faulheit liegt im Bett
und hat Bauchgrimmen, während Fleiß Gesundheit und Reichtum gewinnt. Der Hund
in der Hütte bellt die Fliegen an, der Jagdhund weiß gar nicht, dass es welche
gibt. Trägheit wartet, bis der Fluss trocken geworden ist, und kommt gar nicht
zum Markt hin. „Ich versuch’s“ schwimmt hinüber und macht die besten Geschäfte.
Kannichnicht konnte nicht das Butterbrot essen, das für ihn abgeschnitten worden
war, aber Ich-versuch's machte sich Brot aus Pilzen.
Jeder, der nicht von
der Stelle kommt, schiebt die Schuld auf seine Konkurrenten. Als der Weizen
gestohlen worden war, so hatten es die Ratten getan. Es ist immer bequem, einen
Sündenbock zu haben, dem man die Schuld aufbürgen kann. Indessen, gute Arbeiter
sind immer gefragt. Eine Maus findet ein Loch, wenn auch noch so viele Katzen
im Zimmer sind. In der schlechtesten Bude auf dem Markt lässt sich ein Pfennig
verdienen. Kein Barbier rasiert einen so sauber, dass nicht ein zweiter Barbier
noch etwas zu tun fände. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser sein
könnte, und wer das Beste liefert, bekommt die Bestellung. Die neuen Maschinen
würden uns alle an den Bettelstab bringen, so haben's die Propheten in der
Schankstube immer verkündet. Jedoch haben statt dessen alle diese Dresch-,
Ernte- und Heumache-Maschinen nur denen zu desto besserem Verdienst verholfen,
die darauf zu arbeiten verstanden. Wer eine Seele hat, die immer am Boden
liegt, mag wohl erwarten, dass er arm bleiben werde. Wer aber seinen
Verstandkasten aufmacht und sich bald hier, bald da etwas Kenntnisse sammelt,
wird vorwärts kommen, wenn er vorher auch noch so unwissend war. „Es sind
schlechte Zeiten“, heißt es immer; allerdings, und wenn man gaffend und
träumend umhergeht, so werden die Zeiten für immer schlecht sein.
Viele kommen deshalb
nicht vorwärts, weil sie sich nicht dazu aufraffen können, einen Anfang zum
Besseren zu machen. Wie sie die ersten paar Taler sparen können, da liegt ihre
Schwierigkeit. Darum heißt es: „Frisch gewagt, ist halb gewonnen.“ Wirf den
Bierkrug weg, zieh die Flagge: „Ich versuch's“ auf, mach dich ans Werk, und
dann fort mit dem Ersparten zur Sparkasse – und es wird noch etwas aus dir
werden! Arme Schlucker werden immer dann arm bleiben, wenn sie denken, daß sie
es sein müssen. Man kann emporkommen, wenn man früh genug hinterher ist und
nicht erst wartet, bis man eine Frau und ein halbes Dutzend Kinder hat; ist das
bereits der Fall, so trägt man zuviel Gewicht im Wettlauf bei sich und muss
meistens zufrieden sein, wenn es für Nahrung und Kleidung der Kleinen reicht.
Einige Hennen scharren freilich nur um so besser, wenn sie einen großen Schwarm
Küken um sich haben. Jungen Leuten mag es schwer sein, den Hügel zu erklimmen,
doch steht ihnen der Weg dazu offen, und wenn ein tapferes Herz und ein steiler
Berg zusammen kommen, steht man bald oben. Nach getaner Arbeit ist gut ruhen.
Wenn die jungen Leute in frühen Jahren tüchtig arbeiten, einfach leben und ihr
Geld sparen wollten, so brauchten sie nicht ihr Leben lang Steine zu klopfen,
wie so viele es tun. Schon der Ökonomie wegen sollten sie enthaltsam sein:
Wasser ist das stärkste Getränk, treibt es doch Mühlenräder. Es ist das
Getränk, dessen sich Löwen und Pferde bedienen und Simson hat nie etwas anderes
getrunken. Aus dem Bier- und Brandweingeld ließe sich bald ein Haus erbauen.
Wenn man etwas Gutes
in der Welt will, so wende man ebenfalls die Losung an: „Ich will's versuchen.“
Es gibt viele Weisen, Gott zu dienen, und einige, die genau für dich passen
werden wie ein Schlüssel ins Schloss. Halte mit deinem Zeugnis nicht zurück,
weil du kein Hofprediger bist; sei zufrieden, mit Zweien oder Dreien in einer
Hütte zu reden – auch auf kleinen Feldern kann sehr guter Weizen wachsen. Man
kann ebenso gut in kleinen Töpfen kochen wie in großen. Kleine Brieftauben
können große Botschaften überbringen. Auch ein kleiner Hund kann einen Dieb
anbellen, seinen Herrn aufwecken und das Haus retten. Auch ein Funke ist Feuer.
Ein Satz göttlicher Wahrheit trägt den ganzen Himmel in sich. Tue, was du tust,
mit Freundlichkeit, bete dafür von ganzem Herzen und stelle den Erfolg Gott
anheim.
Leider
ist guter Rat bei vielen weggeworfen wie guter Same auf nackten Felsen. Man
lehre eine Kuh sieben Jahre lang, und doch wird sie nie singen lernen. Von
einigen scheint das Wort zu gelten, dass, als sie geboren wurden, Salomo an
ihrer Tür vorüberging und nicht hineinsehen wollte. Ihr Wappen ist eine
Narrenkappe auf einem Eselskopf. Sie schlafen, wenn es Zeit ist zu pflügen, und
weinen, wenn die Ernte kommt. Sie essen alle Rüben zum Abendbrot auf und
wundern sich, dass keine zum Frühstück übrig sind. Wenn das, was im Maischefaß
gelangt, in den Backtrog käme, so würden viele Familien besser genährt und
besser gelehrt werden.
„Ich versuch's!“ Spräch' jeder so,
Läg' so mancher nicht auf Stroh;
Stürb' sobald noch nicht vor Mangel,
Kriegt' bald Fische an die Angel;
Macht' sich fett im Stall ein Schwein,
Hört' nicht Weib und Kinder schrein'n;
Not und Mangel flögen fort,
Bettler säh' man nicht am Ort:
'S ging nicht mehr so sehr verkehrt,
Freud' wär' dir und mir beschert!
Sei
nicht lauter Zucker, sonst lutscht die Welt dich aus. Sei aber auch nicht
lauter Essig, sonst spuckt die Welt dich aus. Es gibt einen Mittelweg in allem,
nur Dummköpfe verfallen in Extreme. Wir brauchen nicht ganz aus Felsen oder
ganz aus Sand, ganz aus Eisen oder ganz aus Wachs zu sein. Wir sollten weder
vor jedermann mit dem Schwanze wedeln wie einfältige Schoßhunde, noch auf
jedermann losfahren wie wütende Kettenhunde. Aus Schwarzem und aus Weißem ist
die Welt zusammengesetzt, und daher haben wir mit Leuten verschiedener Art zu
tun. Einige sind so biegsam wie ein alter Schuh, aber auch kaum mehr wert als
der andere in demselben Paar. Andere fangen bei der kleinsten Beleidigung Feuer
wie Zunder und sind so gefährlich wie Schießpulver. Es ist wirklich kein
Vergnügen, wenn man einen Arbeiter auf dem Gehöft beschäftigen muss, der so
verdrießlich ist wie ein alter Bär, der ein Temperament hat wie saure Trauben,
der so scharf ist wie ein Rasiermesser, der so grimmig dreinschaut wie ein
Fleischerhund, und doch mag der Mensch einige gute Seiten an sich haben, so
dass er bei alledem dennoch ein Mann ist; aber der arme sanfte Heinrich,
der so „grün“ ist wie das Gras, und so bereit, sich zu beugen wie eine Weide,
bringt niemand Gewinn und ist jedermanns Spott. Ein Mensch muss Mark im
Rückgrat haben, wie soll er sonst seinen Kopf gerade halten? Aber dieses
Rückgrat muss sich auch biegen lassen, oder er wird mit der Stirn gegen eine
Balken anrennen.
Zu tun, was andere
wünschen, hat seine Zeit – und es abzuschlagen, hat auch seine Zeit. Machen wir
uns zu Packeseln, so wird jedermann auf uns reiten; wollen wir aber geachtet
sein, so müssen wir unsere eigenen Herren sein und nicht anderen erlauben, uns
nach ihrem Belieben einen Sattel aufzulegen. Wollen wir jedermann gefallen, so
werden wir wie eine Kröte unter einer Egge sein und nie Frieden haben. Wollen
wir allen unseren Nachbarn gegenüber, seien sie gut oder böse, Bediente
spielen, so werden wir von niemand Dank dafür ernten, denn dann werden wir
ebensoviel schaden wie nützen. Wer sich zum Schaf macht, wird merken, dass noch
nicht alle Wölfe tot sind. Wer sich auf die Erde legt, muss damit rechnen,
getreten zu werden. Wer sich zur Maus macht, den wird die Katze fressen. Wer
sich von seinen Nachbarn das Kalb auf die Schulter legen lässt, dem werden sie
auch bald die Kuh aufladen. Wir sollen unserem Nächsten gefallen zum Guten, zur
Besserung, aber das ist etwas ganz anderes.
Es laufen alte Füchse
umher, denen der Mund nach jungen Gänsen wässert, und wenn sie sie mit List
dazu bringen können, dass sie alles für sie tun, was sie wünschen, so lassen
sie sie bald die Rechnung bezahlen. Ein prima Kamerad wirst du genannt werden,
wenn du dich zur Mietskutsche für deine Freunde machst, aber ein doppeltes Maß
wirst du bald zu tragen haben. Aus deiner Lage wirst du dich ganz allein
herausarbeiten müssen, denn deine alten Freunde werden dir gewiss zurufen:
„Adieu, lieber Korb, der du meine Äpfel so schön getragen hast“, oder sie
werden dir ihre allerbesten Wünsche mitgeben, aber nicht das Geringste für dich
tun. Du wirst bemerken, dass schöne Worte keine Katze satt machen, dir keine Butter
aufs Brot legen und deine Taschen nicht füllen. Die so viel aus dir machen,
wollen dich entweder betrügen oder gebrauchen. Wenn sie die Apfelsine
ausgequetscht haben, werden sie die Schale wegwerfen. Darum sei weise und sieh
erst hin, ehe du springst, oder der Rat eines Freundes wird dir mehr Schaden
bringen als die Lästerung eines Feindes. „Ein Unverständiger glaubt alles; aber
ein Kluger gibt acht auf seinen Gang“ (Sprüche 14,15).
Gehe mit deinem
Nachbarn so weit, wie ein gutes Gewissen mit dir gehen wird, aber trenne dich
von ihm da, wo der Schuh des Gewissens deinen Fuß zu drücken beginnt. Fange mit
deinem Freunde so an, wie du mit ihm fortzufahren gedenkst, und lass ihn sehr
bald wissen, dass du nicht ein Mensch bist, der aus Fensterkitt gemacht ist, sondern einer, der seinen
eigenen Verstand hat und ihn auch zu gebrauchen gedenkt. Halte die Pferde in
dem Augenblick an, in dem du merkst, dass du nicht mehr auf der rechten Straße
fährst, und schlage sofort den nächsten Weg zurück ein. Wer große Fehler
vermeiden will, muss sich vor kleinen in acht nehmen; darum halte beizeiten an,
wenn dich dein Freund nicht in die Grube hinunterziehen soll. Besser, einen
guten Bekannten beleidigen, als seinen guten Leumund verlieren und seine Seele
aufs Spiel setzen. Scheue dich nicht, die Wiederumkehr-Gasse einzuschlagen.
Lass dich ruhig einen Feigling schelten, wenn du vor der Sünde fliehst; besser
zu fliehen in der Zeit, als zu fliehen in der Ewigkeit. Lass dich nicht
überreden, dich selbst zu verderben. Wenn wir unseren Gefährten nur zu unserem
eigenen Untergang gefallen können, so haben wir’s zu teuer erkauft. Tritt
kräftig auf, wo du zu stehen gedenkst, und lass dich von niemand von dem, was
recht ist, ab bringen. Lerne „Nein“ zu sagen; das wird dir von größerem Nutzen
sein, als Lateinisch lesen zu können.
Jedermanns Freund ist
oft niemands Freund. In seiner Einfalt beraubt er seine Familie, um Fremden zu
helfen. In der Wohltätigkeit, wie in allem andern, bedarf es der Weisheit.
Einige hätten es nötig, in die Schule zu gehen, um sie zu lernen. Ein
wohlwollender Mensch kann sehr hart gegenüber seinen eigenen Kindern sein, wenn
er nämlich ihnen das Brot aus dem Munde nimmt, um es denen zu geben, die ihn
einen guten Kameraden nennen – und ihn nachher dafür auslachen. Sehr oft
verliert der, der sein Geld verleiht, dieses und seine Freunde dazu, und der,
der für andere Sicherheit bietet, ist selber niemals sicher. Lass dir vom
Pflüger Hans raten: Verbürge dich nie für mehr, als du Lust hast zu verlieren.
„Wer für einen anderen bürgt, der wird Schaden haben; wer sich aber hütet,
Bürge zu sein, geht sicher“ (Sprüche 11,15).
Wenn wir beleidigt
werden, so sind wir als Christen verpflichtet, es ohne Groll zu erdulden. Aber
wir sollen nicht so tun, als fühlten wir es nicht, denn das wird unsere Feinde
nur ermuntern, uns einen neuen Stoß zu geben. Wer sich zweimal von demselben
Menschen betrügen lässt, der ist halb so schlecht wie der Spitzbube. Nehmen wir
unser Recht nicht selber in Anspruch, so haben wir es uns selbst zuzuschreiben,
wenn wir es nicht bekommen. Paulus war bereit, um seines Meisters willen
Schläge zu erdulden, aber er vergaß nicht, den Beamten zu sagen, dass er ein
Römer wäre; und als jene Herren ihn heimlich aus seinem Gefängnis entlassen
wollten, sprach er: „Nicht also; sondern lasset sie selbst kommen und uns
hinausführen!“ (Apg. 16,37). Ein Christ ist der sanftmütigste Mensch unter der
Sonne, aber er ist bei alledem doch ein Mensch. Sehr vielen Menschen braucht
man dies freilich nicht erst zu sagen, denn sie brausen schon auf, wenn sie
meinen, dass jemand ihnen zu nahe treten will. Lange bevor sie wissen, ob ein
Dieb auf dem Gehöft ist oder ob sich der alte Gaul losgerissen hat, reißen sie
die Fenster auf und feuern hinaus. Gefährliche Nachbarn sind das – man könnte
ebenso gut erwarten, einen ruhigen Platz auf der Stirn eines Bullen zu finden,
als in ihrer Nähe viele Annehmlichkeiten zu genießen. Schließe keine
Freundschaft mit einem zornigen Mann, und mache nicht gemeinsame Sache mit
einem Wütenden. „Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist,
offenbart seine Torheit“ (Sprüche 14,29). „Siehst du einen, der schnell ist zu
reden, da ist für einen Toren mehr Hoffnung als für ihn“ (Sprüche 29,20). Ich
habe in meinem Leben einige sehr halsstarrige Menschen kennen gelernt, die
weder Vernunft noch Verstand annahmen. Ein Mann in unserem Dorfe hat eine
Bulldogge, über die er mir sagt: „Wenn das Tier einmal etwas mit den Zähnen
gepackt hat, lässt es das nicht wieder fahren; wenn man's ihm aus dem Maul
reißen wollte, müsste man ihm erst den Kopf abschlagen.“ Auch Menschen dieser
Art gibt es; sie haben mich oft geärgert und fast verrückt gemacht. Eher könnte
man einen Mauerstein dazu überreden, zu Marmor zu werden, als einen solchen
Menschen dahin bringen, auf vernünftige Vorstellungen einzugehen. Flecken aus
Leoparden herausbringen ist nichts im Vergleich mit dem Versuch, einen
ausgemacht halsstarrigen Menschen von seiner Ansicht abzubringen. Wenn man im
Recht ist, so ist ein solches unerschütterliches Festhalten an seiner
Überzeugung etwas Großartiges; unser Prediger sagt: „Das ist das Holz, aus dem
Märtyrer geschnitzt werden“. Wenn aber ein ganz unwissender und verdrehter
Mensch sich etwas derart hartnäckig in den Kopf setzt, so macht er Märtyrer aus
denen, die mit ihm umzugehen haben. Der alte Pächter Dickkopf schwur, er wolle
mit der Faust einen Nagel in ein Eichenbrett hineinschlagen, und hatte sein
Leben lang eine lahme Hand davon. Da er sein Korn nicht, wie er wollte,
verkaufen konnte, so ließ er die Vorräte von den Ratten auffressen. Man kann an
seinen Feldern nicht vorüberfahren, ohne seinen Eigensinn wahrzunehmen, denn er
hat feierlich gelobt, dass er nichts von all den neuen Methoden wissen will,
und so hat er die schlechtesten Ernten im Kirchspiel. – Es ist besser,
voreilige Gelübde zu brechen, als zu halten. Wer sich nie ändert, bessert sich
nie. Wer nie nachgibt, siegt auch nie.
Bei unseren Kindern
müssen wir Freundlichkeit und Festigkeit miteinander verbinden. Sie müssen
nicht immer ihren Willen haben, aber man muss ihnen auch nicht alles verbieten.
Gib einem Schwein, so oft es grunzt, und einem Kind, so oft es schreit, und du
hast ein fettes Schwein und ein verzogenes Kind. Ein Mann, der Trompete blasen
lernt, und ein verhätscheltes Kind sind zwei sehr unangenehme Stubennachbarn.
Aber wenn wir nicht Acht geben, so werden unsere Kinder zum Ärgernis für andere
werden und zur Qual für uns selber. Wenn wir nie Kopfweh von der Erziehung
unserer kleinen Kinder bekommen wollen, so werden wir hinreichend Herzweh
bekommen, wenn sie aufwachsen. Strenge Wahrhaftigkeit muss unser ganzes
Verhalten den Kindern gegenüber prägen. Unser Ja muss Ja und unser Nein muss
Nein sein, und zwar buchstäblich und augenblicklich. Versprich nie einem Kind
etwas und unterlasse es zu tun, sei es, dass du ihm einen Brezel versprochen
hast oder eine Tracht Prügel. Erwarte auf alle Fälle Gehorsam, ungehorsame
Kinder sind unglückliche Kinder. Wir dürfen unsere Kinder nicht zum Zorn
reizen, damit sie nicht scheu werden; aber wir sollen unser Haus in der Furcht
des Herrn regieren, und wenn wir das tun, so dürfen wir seinen Segen erwarten.
Geduld ist besser als
Weisheit. Ein Gramm Geduld gilt so viel wie ein Pfund Verstand. Alle Menschen
loben die Geduld, aber nur sehr wenige üben sie aus. Sie ist eine Medizin, die
für alle Krankheiten gut ist, deshalb lobt sie auch jede alte Frau, aber nicht
in jedem Garten wachsen die Kräuter, aus denen sie bereitet wird. Wenn wir
körperliche Beschwerden haben, so ist es ebenso natürlich für uns, zu murren
und zu klagen, wie für ein Pferd den Kopf zu schütteln, wenn es von den Fliegen
gequält wird, oder für ein Rad zu rasseln, wenn eine Speiche los ist. Ebenso
natürlich – aber die Natur sollte nicht dasjenige sein, was das Verhalten der
Christen regelt. Wenn ein Soldat nicht besser kämpft als ein Ackerjunge, dann
sollte er schleunigst seine Uniform ausziehen! Wir erwarten ja auch mehr Frucht
von einem Apfelbaum als von einem Dombusch, und wir haben auch Recht damit. Die
Jünger eines geduldigen Heilands sollten auch selber geduldig sein. Beiß die
Zähne zusammen und ertrage es, lautet der altmodische Rat; aber öffne die
Lippen zum Dank und ertrage es, ist noch viel besser! Und warum sollen wir es
nicht? Wir bekommen doch eigentlich nur sehr wenig Schläge, wenn wir bedenken,
was für schlechtes Zugvieh wir sind, und wenn es auch ein wenig schmerzt, so
ist es doch bald vorüber. Vergangener Schmerz ist Freude und bringt Erfahrung.
Wir sollten uns nicht fürchten, nach Ägypten hinunterzuziehen, wenn wir wissen,
dass wir mit silbernen und goldenen Schätzen wieder herauskommen werden wie das
Volk Israel. Ungeduldige Menschen begießen ihr Elend fleißig und hacken ihren
Trost ab. Leiden sind ungeladene Gäste, aber klagende Gemüter lassen sie sich
mit einem Frachtwagen vors Haus fahren. Viele Leute werden weinend geboren,
leben klagend und sterben enttäuscht. Sie kauen die bittere Pille und würden
doch gar nicht wissen, dass sie bitter ist, wenn sie nur den Verstand hätten,
sie auf einmal mit einem Glas Wasser und Geduld hinunterzuschlucken. Sie halten
jedes anderen Menschen Last für leicht und ihre eigenen Federn für so schwer
wie Blei. Sie werden nach ihrer Meinung immer schlecht behandelt. Keiner wird
von dem schwarzen Ochsen so oft auf die Zehe getreten wie sie. Der Schnee fällt
am dichtesten vor ihrer Tür, der Hagel schlägt am lautesten an ihre Fenster.
Und doch, wenn die Wahrheit an den Tag käme, so würde sich bald zeigen, dass es
ihnen mehr in ihrer Einbildung als in Wirklichkeit so schlecht geht. Viele würden
sehr glücklich werden, wenn sie das nur einsehen könnten.
Ein kleines Stück von
dem Kraut Zufriedenheit in die dünnste Suppe getan – und sie schmeckt so
herrlich wie Schildkrötensuppe auf des Königs Tafel. Der Pflüger Hans hat das
Kraut in seinem Garten, es hat aber im letzten strengen Winter so schrecklich
gelitten, dass er leider seinen Nachbarn nicht das Geringste davon abgeben
kann. Sie täten daher besser, nach Matthäus 25,9 zu verfahren und zu denen zu
gehen, die für sich selber kaufen und verkaufen. Die Gnade ist ein Boden, in
dem dieses Gewächs gut gedeiht, aber es muss immer aus dem Quell der
Barmherzigkeit begossen werden.
Arm sein ist nicht
immer angenehm, aber es gibt noch Schlimmeres in der Welt als das. Enge Schuhe
drücken leicht, wenn man einen großen Fuß hat. Wenn wir nur geringe Mittel
haben, so ist es sehr vorteilhaft, wenn wir auch nur geringe Ansprüche stellen.
Armut ist keine Schande, aber eine Schande ist es, unzufrieden zu sein. Bei
einigen Dingen sind die Armen sogar besser dran als die Reichen. Denn wenn ein
Armer sich Speise für seinen Hunger zu suchen hat, so ist es wahrscheinlicher,
dass er zu seinem Ziel gelangen wird, als der Reiche, der sich Hunger sucht für
seine Speise. Der Tisch des Armen ist schneller gedeckt. Die besten Doktoren
sind Dr. Genügsam, Dr. Gelassen und Dr. Frohmut, und mancher fromme Bauer hat
das Glück, von allen diesen Herren bei Tisch bedient zu werden. Schwere Arbeit
bringt Gesundheit, und ein Gramm Gesundheit ist so viel wert wie ein Sack voll
Diamanten. Nicht wie viel wir haben, sondern wie viel wir genießen macht unser
Glück aus. In einem Löffel voll Zucker ist mehr Süße als in einer Tonne voll
Essig. Es ist nicht die Fülle der Güter, sondern der Segen Gottes zu dem, was
wir haben, was uns wahrhaft reich macht. Die Schalen eines süßen Apfels sind
besser als ein ganzer Holzapfel. Eine Schüssel Kohl ist besser als ein
gemästeter Ochse mit Hass. „Besser wenig mit der Furcht des Herrn als ein
großer Schatz, bei dem Unruhe ist“ (Sprüche 15,16). Etwas Holz genügt, um
meinen kleinen Ofen zu heizen, warum soll ich darüber murren, dass ich nicht
alle Wälder besitze?
Wenn Leiden kommen,
so nützt es nichts, Gott zu trotzen durch harte Gedanken über seine Vorsehung.
Die Bäume biegen sich im Winde, und so müssen wir's auch machen. Jedes Mal,
wenn das Schaf blökt, verliert es einen Mundvoll Futter, und jedes Mal, wenn
wir uns beklagen, entgeht uns ein Segen. Murren ist ein schlechtes Geschäft und
bringt nichts ein. Aber die Geduld hat eine goldene Hand. Unsere Leiden werden
bald vorüber sein. Nach dem Regen kommt heller Sonnenschein. Auch schwarze
Krähen haben Flügel. Jeder Winter verwandelt sich in Frühling. Jede Nacht geht
in den Morgen über. Auch ein heftiger Wind legt sich wieder.
Wird eine Tür
zugeschlossen, so wird Gott eine andere dafür auftun. Geraten die Erbsen nicht,
so können dafür die Bohnen geraten. Wenn eine Henne ihre Eier verlässt,
so wird eine andere sie alle ausbrüten. Alle Dinge haben eine Licht- und eine
Schattenseite, der treue Gott ist auf allen Seiten. In der schlimmsten Woge des
Ungemachs ist irgendwo eine trockene Stelle, auf der die Zufriedenheit festen
Fuß fassen kann, es nicht der Fall, so würde
sie schwimmen lernen.
Freunde, lasst uns
unsere Zuflucht nehmen zu Geduld und Wassersuppe, wie die Alten sagten, und
nicht statt dessen ins Klagefieber verfallen und auch andere mit derselben
Krankheit anstecken, indem wir Gottes Wege in gottloser Weise kritisieren. Das
beste Heilmittel im Leiden besteht in der Ergebung in Gottes Willen. Was man
nicht ändern kann, muss man tragen. Können wir keinen Speck bekommen, so lasst
uns Gott dafür danken, dass wir noch einige Kohlköpfe im Garten haben. Das Muss
ist eine harte Nuss, aber sie
hat einen süßen Kern. „Denen,
die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen“ (Römer 8,28). Alles, was
vom Himmel herniederfällt, dient früher oder später zum Besten des Landes; aber
was von Gott zu uns kommt, ist ein Segen, sollte es auch eine Rute sein. Von
Natur können uns Leiden ebenso wenig gefallen, wie sich eine Maus in eine Katze
verlieben kann. Durch Gnade kam aber Paulus dahin, sich auch der Trübsale zu
rühmen. Verluste und Kreuze sind schwer zu tragen, wenn aber unsere Herzen
rechtschaffen sind vor Gott, so ist es wunderbar, wie leicht das Joch wird. Wir
müssen nun einmal auf der Kreuz- und Tränenstraße zur Herrlichkeit eingeben,
und da uns nicht verheißen worden ist, dass wir in einem Daunenbett zum Himmel
gefahren werden sollen, so müssen wir uns nicht wundern, wenn wir den Weg rau
finden, wie ihn unsere Väter vor uns gefunden haben. Ende gut, alles gut – und
darum lasst uns den schwersten Boden im Blick auf die Garben bei der Ernte
pflügen, und wenn andere bei solcher Arbeit murren, so lasst uns lernen, dabei
zu singen.
Den Trägen guten Rat
erteilen, heißt Wasser in ein Sieb gießen. Wer sie bessern wollte, könnte
ebenso gut versuchen, einen Windhund fett zu machen. Jedoch, wenn es diesen
faulen Leuten auch keinen besonderen Nutzen bringen sollte, wird es uns doch
auch nicht schaden, dass wir sie gewarnt haben. Denn wenn wir vernünftige
Lehren ausstreuen, so wird unser Korb darum nicht leerer. Wir haben freilich
ein hartes Stück Land zu pflügen, wenn wir Faulenzer schelten, und können uns
nur eine sehr kümmerliche Ernte davon versprechen. Doch wenn es nur gutes Land
zu bearbeiten gäbe, so würden die Ackerleute bald brotlos sein. Und so wollen
wir denn getrost den Pflug in die Furchen einsenken. Träge Leute sind weit
genug verbreitet und wachsen ungesäht; und doch ist in sieben mit ihnen
bewachsenen Morgen Land nicht so viel Weisheitsweizen, dass sich auch nur das
Harken lohnte. Zum Beweis genügen ihr Name und ihr Charakter; denn wenn sie
nicht Narren wären, so würden sie nicht Faulenzer sein. Wenn auch
Salomo (Sprüche 26,16) sagt: „Ein Fauler dünkt sich weiser als sieben, die da
wissen, verständig zu antworten“, so dünkt doch jeden anderen ihre Torheit so
klar zu sein wie die Sonne am Mittag. Wenn ich sie mit meinen Reden ein wenig
scharf anfasse, so tue ich es, weil ich weiß, dass sie einen guten Knuff
vertragen können. Denn, wenn ich sie in meiner alten Scheune auf der Tenne
hätte, könnte ich sie wohl tagelang dreschen, ehe ich sie aus dem Stroh
herauskriegte.
Zunächst und zuerst
ist denn meine Meinung die, dass vor faulen Leuten ein großer Spiegel aufgehängt
werden sollte, in dem sie gezwungen wären, sich zu besehen. Denn wenn sie
überhaupt solche Augen haben wie ich, so würden sie es sicherlich nicht
aushalten können, sich lange oder oft zu besehen. Den hässlichsten Anblick von
der Welt bietet jeder dieser hartgesottenen Bummler für sich. Kaum seine
Schüssel würde er hinhalten, auch wenn es Brei regnete – jedenfalls keinen
größeren Topf, als für ihn selber ausreichen würde. Vielleicht, dass er sich
wenig mehr regen würde, wenn sich der Regenschauer in Bier verwandelte, obwohl
er sich nachher wieder desto mehr ausruhen würde. Das ist der Faule, von dem es
in den Sprüchen (19,24) heißt: „Er steckt seine Hand in die Schüssel und bringt
sie nicht wieder zum Munde.“ Mit Armut sollte jedermann Nachsicht und Mitleid
haben, nicht aber mit Faulheit. Eine Stunde in der Tretmühle, das würde eine
heilsame Medizin für alle Faulenzer sein. Aber es ist bei einigen von ihnen
nicht wahrscheinlich, dass sie eine volle Dosis dieses Heilmittels bekommen
werden, denn sie sind geborene Glückskinder, die schon mit dem silbernen
Papplöffel im Munde zur Welt kommen. Sie sind, wie das alte Sprichwort sagt,
„so faul wie Ludhams Hund, der seinen Kopf an die Wand lehnte, wenn er bellen
wollte“. Wie trägen Schafen macht es ihnen zu viel Mühe, ihre eigne Wolle zu
tragen. Wenn sie sich selber sehen könnten, das wäre für sie vielleicht
außerordentlich wohltuend. aber vielleicht würde es ihnen zu mühsam sein, ihre
Augen aufzumachen, selbst wenn man ihnen den Spiegel vor die Nase hielte.
Alles in der Welt hat
sein Gutes; aber es würde einen Doktor der Theologie oder einen Philosophen
oder die weiseste Eule in unserem Kirchturm in Verlegenheit setzen, wenn sie
sagen sollten, was der Nutzen der Trägheit ist. Die scheint eine Art Widerwind
zu sein, der in niemandes Segel bläst, eine Art Sumpf, der keine Aale
hervorbringt, eine schmutzige Pfütze, in der nicht einmal ein Frosch leben
kann. Man durchsiebe einen Faulenzer Korn für Korn, und man wird nichts als
Spreu an ihm finden. Ich habe Leute sagen hören: „Besser nichts tun, als Böses
tun.“ Aber auch das leuchtet mir nicht recht ein; diese Rede glänzt schön, aber
ich glaube nicht, dass sie von Gold ist. Auch diese kleine Prise Lob gönne ich
der Trägheit nicht, ich sage, sie ist durch und durch schlecht. Denn seht, ein
Mensch, der Böses tut, ist ein Sperling, der das Korn plündert – aber ein
träger Mensch ist ein Sperling, der auf einem Nest voller Eier sitzt, aus denen
allen in kurzer Zeit wieder Sperlinge hervorgehen und unberechenbaren Schaden anrichten
werden. Sagt, was ihr wollt, ich bin gewiss: Das üppigste Unkraut wächst nicht
in den Gemütern derjenigen, die bemüht sind, Übles zu tun, sondern in den
Gedankenwinkeln fauler Menschen, wo sich der Teufel nach Art der alten
Schlange, die er ist, ungesehen verstecken kann. Ich kann es nicht leiden, dass
unsere jungen Leute Unfug treiben, aber ich möchte sie lieber bei ihren tollen
Streichen bis an den Hals im Dreck stecken sehen, als dass sie umherschlendern
und nichts zu tun haben. Wenn das Übel des Nichtstuns heute kleiner zu sein
scheint, so wird es morgen also desto größer offenbar werden – der Teufel legt
Kohlen auf das Feuer, und deshalb flammt es nicht auf. Aber verlasst euch
darauf, schließlich wird die Flamme nur desto größer sein.
Ihr Trägen, ihr müsst
schon selber euer eigenes Lob singen, denn niemand anders kann etwas Gutes an
euch entdecken, das zu loben wäre. Auch durch die größte Brille im Lande würde
sich an euch nichts erkennen lassen, was der Rede wert wäre.
„Wie Essig den Zähnen
und Rauch den Augen“ (Sprüche 10,26), so ist der Faule einem jeden der im
Schweiße seines Angesichts sein ehrlich Stück Brot verdient, während diese
Burschen sich das Gras bis an die Knöchel wachsen lassen und nur dastehen und
das Land hindern, wie die Bibel sagt (Lukas 13,7).
Ein Mensch, der seine
Zeit und seine Kraft mit Nichtstun vergeudet, stellt sich selbst dem Teufel als
Zielscheibe hin, der ein ganz vortrefflicher Schütze ist und den Müßiggänger
über und über mit seinen Schüssen durchlöchern wird. Mit anderen Worten: Träge
Menschen versuchen den Teufel sie zu versuchen. Wer spielt, wenn er arbeiten
sollte der hat einen bösen Geist zum Spielkameraden, und wer weder arbeitet
noch spielt, macht sich zu einer Werkstatt des Satans. Wenn der Teufel einen
Menschen beim Müßiggang trifft, so stellt er ihn an die Arbeit, gibt ihm
Werkzeug in die Hände und bezahlt ihm auch bald seinen Lohn. Ist das nicht die
Quelle, aus der die Trunkenheit kommt, die Stadt und Land mit Elend erfüllt?
„Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Man hat einen doppelten Magen zum Essen
und Trinken, wenn man keinen Magen zur Arbeit hat. Jenes kleine Loch gerad'
unter der Nase verschlingt in trägen Stunden das Geld, welches den Kindern
Kleider verschaffen und Brot auf den Tisch liefern sollte. Gottes Wort spricht
es als eine allgemeine Regel aus, dass „die Säufer und Schlemmer verarmen“, und
um die Verbindung zwischen diesen beiden Dingen anzuzeigen, heißt es in
demselben Vers: „und ein Schläfer muss zerrissene Kleider tragen“ (Sprüche
23,21). Wie auf alten Dächern Moos wächst, so gehen Ausschreitungen und
Trunkenheit aus müßigen Stunden hervor. Ich möchte auch Mußestunden haben, wenn
ich sie bekommen kann, aber das ist etwas ganz anderes. Faule Leute haben keine
Mußestunden; sie sind immer in Hast und Eile, und weil sie es unterlassen, zur
rechten Zeit zu arbeiten, so haben sie immer eine Menge zu tun. Eine Stunde
nach der anderen mit Nichtstun verträumen, heißt Löcher in der Hecke machen, wo
die Schweine hindurchlaufen können. Die Verwüstungen, die sie anrichten, kennen
nur die, deren Aufgabe es ist, nach dem Garten zu sehen. Der Herr Jesus sagt
uns selbst, dass, als die Leute schliefen, der Feind Unkraut säte, und das
trifft den Nagel auf den Kopf. Denn durch das Tor der Faulheit zieht, wie mir scheint,
das Böse viel öfter ins Herz hinein als durch irgendein anderes. Unser alter
Prediger pflegte zu sagen: „Ein Faulenzer ist ein schönes Rohmaterial für den
Teufel; er kann alles, was er will aus ihm machen.“ Ich bin nicht der einzige,
der den Trägen verdammt. Unser Prediger fragte mich einmal nach einem unserer
Leute. Ich war im Begriff, ein ziemlich langes Register von seinen Sünden
aufzuzählen und fing mit den Worten an: „Er ist schrecklich faul.“ „Das
reicht“, erwiderte da der alte Herr, „alle Arten von Sünden stecken in dieser
einen; das ist das Merkmal, an dem man einen ausgewachsenen Sünder erkennen
kann.“
Ich habe meinen
Söhnen immer den Rat gegeben: Geht dem Müßiggänger aus dem Wege, oder er wird
euch mit seiner Krankheit anstecken, und ihr werdet sie nicht los werden. Ich
fürchte immer, dass ich auf den Weg der Trägheit geraten könnte und ich passe
immer sehr auf, etwas Derartiges im Keim zu ersticken; denn ihr wisst, es ist
am besten, den Löwen zu töten, wenn er noch ganz jung ist. Unsere Kinder, das
ist sicher, tragen unsere ganze böse Natur in sich herum, denn man kann sie von
selber wachsen sehen, wie Unkraut in einem Garten. Unsere Kinder werden mit
„lustigen Gesellen“ zu nichtsnutzigen Dingen fortlaufen, wenn wir es nicht noch
„lustiger“ für sie machen, in ihrem Zuhause zu verweilen, und wenn wir sie
nicht so erziehen, dass sie die Gesellschaft der Müßiggänger hassen. Lasst sie
nie ins Wirtshaus gehen. Lasst sie lernen, sich selber einen Groschen zu
verdienen, während sie noch jung sind. Lasst sie Rosen in ihres Vaters Garten
ziehen. Erzieht sie zu Bienen und sie werden keine Drohnen werden!
Man hört heutzutage
viele Klagen über schlechte Herren, schlechte Herrschaften usw., und ich glaube
wohl, dass viel Wahres daran ist, denn es gibt jetzt allerlei Arten von
Schlechtigkeiten, wie es sie zu allen Zeiten
gegeben hat. Ein andermal – wenn es mir
vergönnt ist – will ich auch über diesen Gegenstand meine Rede halten.
Aber ich bin gewiss, dass es auch genug Ursache zur Klage über einige aus der
Arbeiterklasse gibt, insbesondere, was die Trägheit betrifft. Gewiss, wir
müssen mit solchem Zugvieh pflügen, wie wir es gerade haben. Aber was einige
Menschen betrifft, mit denen ich manchmal arbeiten muss, so möchte ich mir
ebenso gern ein Paar Schnecken vorspannen oder mit einem toten Frettchen auf
die Kaninchenjagd gehen. Und doch schwadronieren sie immerzu von ihrem Recht.
Ich wünschte sie würfen auch einmal einen Blick auf ihr Unrecht und ständen
nicht da und lehnten sich auf den Griff des Pfluges. Faule Schlendriane sind
gar keine „Arbeiter“, ebenso wenig wie ein Schwein ein Stier ist oder eine
Distel ein Apfelbaum. Nicht alle, die einen grünen Rock tragen, sind darum auch
Jäger, noch verdienen alle, die sich so nennen, den Namen Arbeiter. Ich wundere
mich manchmal, dass einige unsrer Arbeitgeber sich so viele Katzen halten die
ihnen keine Mäuse fangen. Ich wurde eher mein Geld in den Brunnen werfen, als
einige Leute für ihre so genannte Arbeit bezahlen, über die man sich nur
ärgert, dass einem die Haut juckt, wenn man sieht, wie sie einen ganzen Tag auf
einem Kohlblatt herumkriechen. Leben und leben lassen, so sage ich auch, aber
ich schließe keine Faulenzer in dieses Recht mit ein, denn wer nicht arbeiten
will, der soll auch nicht essen.
Vielleicht ist hier
der rechte Ort für die Bemerkung, dass einige Personen aus den so genannten
höheren Klassen in dieser Beziehung ein sehr trauriges Beispiel geben. Denn von
diesen unseren „großen Herren“ sind einige so faul, wie sie reich sind, und oft
noch mehr. Die großen Murmeltiere schlafen ebenso lange und so fest wie die
kleinen. Mancher Pastor kauft sich oder borgt sich seine Predigt, um sich
dadurch die Mühe des Selbstdenkens zu ersparen. Ist das nicht eine abscheuliche
Faulheit? Viele von unseren Edelherren haben nichts anderes zu tun, als ihr
Haar glatt zu kämmen. Und viele von den hohen Herrschaften in London, sowohl
Damen als Herren, so habe ich gehört, haben nichts Besseres zu tun, als die
Zeit totzuschlagen. Nun gibt es ein Sprichwort: „Je höher der Affe klettert,
desto besser kann man seinen Schwanz sehen.“ Und so ist es auch bei diesen
Leuten: Je größer sie sind, desto mehr kann man ihre Trägheit wahrnehmen – und
desto mehr sollten sie sich deren schämen. Ich sage nicht, dass sie pflügen
sollten, aber ich sage, sie sollten etwas für die Allgemeinheit tun und sich
nicht damit begnügen, wie die Raupen auf dem Kohl zu sitzen und sein Gutes zu
genießen, oder wie die Schmetterlinge zu sein, die mit ihren Farben prangen,
aber keinen Honig machen. Lieber will ich hier auf dem Felde müde und
abgemattet wie meines Herrn alter Gaul niedersinken, als Brot und Käse essen,
das ich nicht verdient habe. Besser ein ehrenvoller Tod als ein Leben, das
keinem Menschen Nutzen bringt – ein Mensch, dessen Leben ein leeres Stück Papier
ist.
Übrigens bekommen die
trägen Menschen doch nicht viel Ruhe mit all ihrer Schlauheit, denn schließlich
haben sie sich immer am meisten zu mühen. Sie wollen das Dach nicht ausbessern,
und so müssen sie sich ein neues Haus bauen. Sie wollen das Pferd nicht vor den
Wagen spannen, und so müssen sie ihn selber ziehen. Wenn sie weise wären so
würden sie ihre Arbeit gut machen, damit sie sie nicht zweimal zu machen
brauchten, tapfer ziehen, wenn sie im Geschirr sind, und sie sich damit, vom
Halse schaffen. Wer daher keine schwere Arbeit liebt, dem rat' ich: Greife dein
Werk mutig an und mache es schnell ab, so hast du nachher auch wieder desto
mehr Ruhezeit! Ich wünschte, dass alle frommen Leute diesen Gegenstand genau
betrachteten. Denn einige, die sich zu den Gläubigen zählen, sind erstaunlich
träge und geben dadurch den Zungen der Gottlosen viel Stoff zum Lästern. Ich
denke mir, ein gottesfürchtiger Pflüger müsste der beste Arbeiter auf dem Felde
sein, und kein Gespann müsste es mit dem seinigen aufnehmen können. Wenn wir
bei der Arbeit sind, so sollten wir auch unsre ganze Aufmerksamkeit darauf
verwenden und den Pflug nicht anhalten, um zu plaudern, auch wenn sich unser
Gespräch um geistliche Dinge bewegte. Denn dann bestehlen wir unsre Arbeitgeber
nicht nur um unsre eigene Zeit, sondern auch um die Zeit der Pferde. Ich habe
Leute sagen hören: „Halte nie den Pflug an, um eine Maus zu fangen.“ Ebenso
töricht ist es, anzuhalten, um eitles Geschwätz zu führen. Außerdem ist
derjenige, der saumselig ist, wenn der Heu fort ist, ein Augendiener, was, so
viel ich weiß, das gerade Gegenteil von einem Christen ist. Wenn einige von den
Mitgliedern in unserer Gemeinde ihre Arme und Beine etwas schneller bewegen
wollten bei ihrer Arbeit und ihre Zunge etwas langsamer, so würden sie für
unseren Glauben ein besseres Zeugnis ablegen, als sie es jetzt tun. Die Welt
sagt, die größten Schurken seien die frommen Schurken. Und ich bedauere, sagen
zu müssen, dass einer der größten Faulenzer, die ich kenne, ein gläubiger Mann
von der Art der „Schwätzer“ in Bunyans „Pilgerreise“ ist. Sein Garten ist so
mit Unkraut überwachsen, dass ich oft Lust habe, es statt seiner auszujäten, um
unserer Gemeinde die Schande zu ersparen, die er ihr macht. Wäre er ein junger
Bursche, so würde ich ihn darüber zur Rede stellen und ihn eines Besseren
belehren, aber wer kann bei einem sechzigjährigen Kinde Schulmeister spielen?
Er ist ein rechter Dorn im Auge für unseren guten Prediger, der ganz bekümmert
darüber ist und bisweilen sagt, dass er sich eine andere Stelle suchen wolle,
weil er ein solches Betragen nicht ertragen könne. Ich sage ihm aber, dass,
wohin man auch geht, man sicherlich einen Dornenbusch neben seiner Tür haben
wird, und dass man Gott danken kann, wenn es nicht ihrer zwei sind. Nichtsdestoweniger
ist es mein ernstlicher Wunsch, dass alle Christen fleißige Leute sein möchten,
denn das Christentum hat durchaus nicht den Zweck, uns träge zu machen. Jesus
übte eine außerordentliche Tätigkeit aus, und seine Jünger dürfen sich nicht
vor harter Arbeit scheuen.
Was Kälte des Herzens
und Schläfrigkeit im Dienst des Herrn betrifft, so hat es zu viel davon
gegeben und ist mit dafür verantwortlich, dass das geistliche Leben zugrunde
geht. Die Menschen reiten auf Hirschen, wenn sie nach Gewinn jagen, und auf
Schnecken, wenn sie auf dem Wege zum Himmel sind. Der Prediger langweilt die
Gemeinde, träumt und schaukelt sich auf dem Sorgenstuhl, und die Gemeinde fängt
an zu gähnen und die Hände zusammenzufalten, und dann heißt es, Gott habe den
Segen vorenthalten. Jeder Taugenichts bejammert das Unglück, das ihn getroffen
hat, und einige Gemeinden haben denselben bösen Kniff zu gebrauchen gelernt.
Ich glaube, dass, wenn Paulus pflanzt und Apollos begießt, Gott das Gedeihen
gibt, und ich habe keine Geduld mit denjenigen, welche die Schuld auf Gott
wälzen, während sie sie bei sich selber zu suchen haben. Jetzt habe ich meinen
Flachs angesponnen. Ich fürchte freilich, dass ich einen vertrockneten Stamm
begossen habe. Allein, ich habe mein Bestes getan, und kein König kann mehr
tun. Eine Ameise bringt es nicht zum Honigmachen, wenn sie auch ihr Leben
daransetzt, und ich werde meine Gedanken nie so zierlich ausdrücken können, wie
es die gelehrten Herren Bücherschreiber verstehen. Doch was wahr ist, das ist
wahr, sei es auch in einen Leinwandkittel gekleidet, und damit basta!
In der Kirche zu
Walton in der Grafschaft Surrey befindet sich ein Zaum für Lästermäuler, der in
früheren Jahren dazu gebraucht wurde, die Zungen der Frauen daran zu hindern,
ihre Ehemänner und ihre Nachbarn zu belästigen. Man hat in den guten alten
Zeiten seltsame Dinge getan. War dieser Zaum ein Beweis von dem, was unser
Pastor „die Weisheit unserer Altvorderen“ nennt, oder war er ein Stück
unnötiger Grausamkeit?
Manche gottlosen und
boshaften Redensarten über die Frauen sind aus der allgemeinen Beobachtung
hervorgegangen, dass die Frauen unendlich viel Schaden mit ihren Zungen
anrichten. Stimmt das oder nicht? Der Pflüger Hans will lieber einen anderen
statt seiner darauf antworten lassen, denn er muss bekennen, dass er auch kein
Geheimnis für sich behalten kann und dass er wie viele andere so ein
Plauderstündchen schätzt, – nur dass Hans keine Freude daran findet, andere
Leute dabei herunterzuputzen, und dass er die Lästerungen, die einigen so sehr
munden, nicht leiden kann. Hans legt die Frage weiseren Leuten vor, als er
selber es ist: Sind die Frauen viel schlimmer in dieser Beziehung als die
Männer? Man sagt, dass Schweigen ein schöner Schmuck für eine Frau sei, dass er
aber sehr wenig getragen werde. Ist es so? Ist es wahr, dass eine Frau nur das
verheimlicht, was sie nicht weiß? Sind Frauenzungen den Lämmerschwänzen gleich,
die sich immerzu bewegen? Stimmt das oder nicht? War jenes alte Gebet unnötig:
„Gott bewahre uns vor großen Kanonen und vor Weiberzungen!“ Hans hat selber
eine ganz vortreffliche und stille Frau, deren Stimme so süß ist, dass er sie
nicht zu oft hören kann, und darum ist er kein unparteiischer Richter in dieser
Sache. Aber er hat auch etwas Sorge, dass einige andere Frauen lieber predigen
als beten und keinen starken Kaffee zu trinken brauchen, um ihre Mühlenräder in
Bewegung zu setzen. Jedoch – was für die Gans gut ist, ist auch gut für den
Gänserich, und einige Männer verstehen das Klatschen und Tratschen ebenso gut
wie die Frauen.
Wie schade, dass
nicht eine Steuer auf Worte erhoben wird. Welche Einnahmen würde der Staat
dadurch haben! Aber leider ist das Reden steuerfrei. Und wenn für Lügen das
Doppelte zu bezahlen wäre, so könnte die Regierung sämtliche Staatsschulden
damit abtragen; nur – wer könnte das Geld einsammeln? Das allgemeine Gerücht
ist ein allgemeiner Lügner. Hörensagen ist halb gelogen. Eine Geschichte wird
nicht kürzer durchs Wiedererzählen. Wie ein Schneeball wächst ein Gerücht im
Rollen. Wer viel redet, lügt viel. Wenn die Menschen nur das erzählen würden,
was wahr ist, was für eine friedliche Welt würden wir dann haben! Schweigen
richtet selten Schaden an, aber Reden ist eine Landplage. Schweigen ist
Weisheit, und an diesem Satz gemessen, gibt es wenige weise Männer und weise
Frauen. Stille Wasser sind tief, die seichtesten Bäche murmeln am lautesten.
Ein offener Mund lässt auf einen leeren Kopf schließen. Wenn der Schrank Gold
und Silber enthielt, würde er nicht immer weit offen stehen. Das Reden kommt
einem von selber, aber es kostet ein gutes Stück Erziehung, um ruhig sein zu
lernen.
Wenn wir nur einmal
durchaus reden müssen, so lasst uns wenigstens Lästerworte vermeiden und nicht
hinter dem Rücken reden. Für den Geschichtenerzähler mag das Lästern ein
Vergnügen sein, aber es ist der Tod für den Verlästerten. Wir können mit der
Zunge ebenso gut einen Mord begehen wie mit der Hand. Rufmord ist eines der
schlimmsten Übel. Wie sagte der Quäker zu seinem Hund: „Ich will dich nicht
schlagen, ich will dich nicht beschimpfen, aber ich will dir einen schlechten
Namen anhängen“? Nicht alle, die von Hunden angebellt werden, sind Diebe, aber
sie werden doch meistens so behandelt, als ob sie es wären. Denn man glaubt
meistens, dass, wo Rauch ist, auch Feuer sein müsse, und dass, was jedermann
sage, wahr sein müsse. Lasst uns also sorgsam sein, dass wir unserem Nächsten
nicht an einer so empfindlichen Stelle, wie es sein guter Ruf ist, verletzen.
Es ist schwer, Schmutz los zu werden, wenn man einmal damit beworfen worden
ist. Wenn jemand erst einmal auf der schwarzen Liste der Leute steht, so kommt
er selten wieder ganz davon herunter. Wer nicht unrecht reden möchte, dem ist
zu empfehlen, so wenig wie möglich zu reden. Denn wenn aller Menschen Sünden
auf zwei Haufen verteilt würden, so würde sich zeigen, dass die eine Hälfte
Zungensünden sind. „Wir fehlen alle mannigfaltig. Wer aber auch im Wort nicht
fehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann auch den ganzen Leib im Zaum
halten“ (Jakobus 3,2).
Ihr Schwätzer und
Schwätzerinnen, gebt das schmähliche Geschäft der Zuträgerei auf! Dient dem
Teufel nicht länger als Blasebälge, mit denen er das Feuer des Streites schürt.
Hört auf, die Leute gegeneinander aufzuhetzen! Wenn ihr nicht ein Stück von eurer
Zunge abschneiden könnt, so würzt sie wenigstens mit dem Salz der Gnade! Preist
Gott mehr und tadelt eure Nachbarn weniger! Jede Gans kann schnattern, jede
Fliege kann eine wunde Stelle auffinden, jedes leere Fass kann tönen, jeder
Dornstrauch kann einen Menschen verwunden. Wenn ihr den Mund zuhaltet, so
werden euch keine Fliegen in den Hals kommen – und keine üblen Nachreden
heraus. Denkt viel, aber sprecht wenig! Seid schnell, zu arbeiten, und langsam,
zu reden! Vor allem aber bittet den Gott aller Gnade: „Bestelle, Herr, eine
Wache für meinen Mund! Wache über die Tür meiner Lippen!“ (Psalm 141,3;
Elberfelder Übersetzung).
Einige Leute sind nie
zur Stelle, wenn der Zug abfährt. Sie kommen genau zu der Zeit in den Bahnhof geschlendert,
zu der sie gewiss sein können, dass es zu spät ist, und sagen dann in
schläfrigem Ton: „Was? Ist der Zug schon fort? Da muss meine Uhr in der Nacht
stehen geblieben sein!“ Sie kommen regelmäßig einen Tag nach dem Markt zur
Stadt und packen ihre Waren eine Stunde nach Geschäftsschluss aus. Sie machen
ihr Heu, wenn die Sonne nicht mehr scheint, und schneiden das Korn, sobald das
schöne Wetter vorüber ist. Sie schreien „Halt!“, wenn der Schuss aus dem Gewehr
heraus ist, und verschließen die Stalltür, nachdem das Pferd gestohlen ist. Sie
gleichen dem Kuhschwanz, der immer hinten nachhängt. Unpünktliche Leute
entschuldigen sich meistens mit den Worten, dass sie sich nur ein wenig
verspätet haben; aber ein wenig zu spät ist viel zu spät, und beinahe gewonnen
bedeutet ganz verloren. Mein Nachbar Gemächlich deckte seinen Brunnen zu,
nachdem das Kind hineingefallen war. Demnächst wird er den Entschluss fassen,
sein Testament zu machen, wenn er die Feder nicht mehr in der Hand halten kann,
und wird versuchen, Buße zu tun, wenn ihm das Bewusstsein zu schwinden beginnt.
Diese langsamen
Menschen denken Morgen ist besser als heute. Ihre Lebensregel ist ein altes,
aber auf den Kopf gestelltes Sprichwort: „Was du heute kannst besorgen, das
verschieb getrost auf morgen.“ Sie warten immer auf gebratene Tauben, die ihnen
in den Mund fliegen sollen, und träumen immer von einem Glück, das ihnen in den
Schoß fallen werde. Dabei wuchert das Unkraut in ihren Furchen, und die Kühe
brechen durch die Lücken ihrer Hecken hindurch. Wenn sich die Fasane nur Salz
auf den Schwanz streuen lassen wollten, was für einen Schmaus würden sie dann
ihren Familien heimbringen! Solange sich aber alles :in der Welt noch immer so
schnell bewegt werden ihre Kleinen schon den Löffel leer in den Mund stecken
müssen. „Lass gut sein“, sagen sie, „es kommen bessere Zeiten, warte noch
einweniglänger.“ Ihre Tauben sind alle auf dem Dach und sind alle
außerordentlich fett, wie sie meinen; und es wäre ihnen dies auch sehr zu
wünschen, denn bis jetzt haben sie noch keine in der Hand gehabt, nicht einmal
einen Spatz. Es wird noch was zum Vorschein kommen, sagen sie; warum gehen die
dummen Menschen nicht selber hin und bringen es zum Vorschein? Zeit und Flut
warten auf niemand, und doch treiben sich diese Müßiggänger umher, als ob Zeit
und Gelegenheit ihnen als unverlierbarer Erbbesitz gehörte, als ob sie eine
bestimmte Lebenszeit gepachtet hätten, als ob man sich ein Kaninchengehege von
guten Gelegenheiten anlegen könnte. Doch wer den Frühling vergeudet, wird einen
mageren Herbst haben. Wer das Eisen nicht schmieden will, wenn es heiß ist,
wird das kalte Eisen bald sehr hart finden. Wer nicht will, wenn er kann, wird
nicht können, wenn er will. Die Zeit fährt vorüber wie der Wind, und wer sein
Korn mit ihr mahlen will, muss die Mühlenflügel nach ihr richten. Wer den Mund
aufsperrt, bis er Brot hat, wird ihn solange aufsperren, bis er den Tod hat.
Nichts in der Welt ist ohne Mühe zu erlangen, als Armut und Schmutz. Früher
pflegte man zu sagen: „Der Dumme hat Glück“ – aber heutzutage ist eher das
Gegenteil richtig. Nie aber, weder in alten noch zu irgendwelchen anderen
Zeiten, wird einer Glück haben, der sich die ihm gebotenen guten Gelegenheiten
törichterweise entgehen lässt. Denn die Hasen laufen nicht den schlafenden
Hunden ins Maul. Wer Zeit hat und auf bessere Zeit wartet, wird eine Zeit
bekommen, die ihm nicht gefällt. Wenn ich einen Menschen finde, der über die
schlechten Zeiten klagt und jammert, dass er immer Unglück habe, so sage ich
mir gewöhnlich: Die alte Gans ist nicht ordentlich auf den Eiern sitzen
geblieben, und nun, wo sie alle verdorben sind, klagt sie die Vorsehung an,
dass keine Jungen herauskommen. Ich habe niemals an das Glückhaben geglaubt,
außer in der Art, dass ich glaube: Einen Menschen wird sein Glück über den
Graben tragen, wenn er tüchtig springt; es wird ihm ein Stück Speck in den Topf
tun, wenn er fleißig nach seinem Garten sieht und sich ein Schwein fett macht.
Ich denke mir, dass das Glück wenigstens einmal im Leben an jedermanns Tür
klopft, macht aber dann der Fleiß die Tür nicht auf – fort ist es! Wer den
letzten Zug versäumt hat und sich jede Gelegenheit entwischen lässt, fängt
meistens an, sein Schicksal zu schelten, dass es ihn immer in ungünstige
Umstände versetze. „Ich habe doch immer Pech. Wäre ich Hutmacher, so würden
bestimmt die Leute ohne Köpfe geboren werden. Liefe ich ans Meer, um Wasser zu
schöpfen, so fände ich's ausgetrocknet.“ Jeder Wind ist widrig für ein
unvernünftiges Schiff. Weder die Weisen noch die Wohlhabenden können dem
helfen, der sich lange geweigert hat, sich selber zu helfen.
Wer gut durch die
Welt kommen will, muss wachsam um sich blicken und selbst im Schlafe ein Auge
offen haben, denn es gibt manchen Köder für Fische, manches Netz für Vögel und
manche Falle für Menschen. Solange so viele Füchse umherlaufen, dürfen wir
keine Gänse sein. Viele Leute sehen mit einem Auge mehr als andere mit
zweien, und viele haben gute Augen und können doch gar nichts erkennen. Nicht alle
Köpfe sind mit Weisheit gefüllt. Einige sind so schlau, dass sie jeden
verdächtigen und ihr ganzes Leben in elender Furcht vor ihren Nachbarn
zubringen. Andere sind so einfältig, dass sie sich von jedem Betrüger foppen
und das Fell über die Ohren ziehen lassen. Der eine versucht, durch eine dicke
Mauer hindurchzugucken, und wundert sich, dass er dabei seine Augen
überanstrengt. Der andere entdeckt ein Loch darin und sieht da hindurch – so
weit, wie es ihm gefällt. Einige arbeiten vor der Tür eines Schmelzofens und
werden doch nicht versengt, andere verbrennen sich die Finger an einem Feuer,
an dem sie sich nur wärmen wollten. Nun stimmt es zwar, dass niemand einen
anderen zu einem weisen Mann machen kann, sondern dass jeder aus Erfahrung
selbst klug werden muss. Ich will aber dennoch einige Mahnungen zur Vorsicht
zum besten geben, die mir für meine Person gute Dienste geleistet haben:
vielleicht sind sie auch anderen zum Nutzen.
Niemand sieht einem
ehrlichen Mann ähnlicher als ein recht durchtriebener Schurke. Wenn du einen
Menschen siehst, der ganz besonders viel Frömmigkeit in seinem Schaufenster
ausstellt, so kannst du gewiss sein, dass er nur einen kleinen Vorrat davon im
Lager hat. Wähle deinen Freund nicht nach dem Äußeren: Hübsche Schuhe drücken oft.
Vorsicht vor Komplimenten! Halte nicht den Menschen für den besten, der zu
allem und jedem was zu sagen hat: Katzen, die viel miauen, fangen selten viele
Mäuse. Gib dich ja nicht in die Gewalt eines anderen Menschen; wer seinen
Daumen zwischen zwei Mühlsteine hält, darf sich nicht wundem, dass er
gequetscht wird. Trinke nichts, ohne zu sehen, was es ist. Unterschreibe
nichts, ohne es vorher gelesen zu haben, und überzeuge dich, dass nicht mehr
damit gemeint ist, als die Worte besagen. Prozessiere nicht, wenn du noch etwas
zu verlieren hast. Wate bei keiner Sache tiefer ins Wasser hinein, als du noch
den Grund erkennen kannst. Setze kein Vertrauen auf die Quittung am Geldbeutel,
und zähle das Geld selbst nach. Lass dir den Sack aufmachen, ehe du kaufst, was
darin ist. Wer die Katze im Sack kauft, ist förmlich darauf aus, betrogen zu
werden. Halte dich fern von Menschen, die nichts von sich selber halten. Hüte
dich vor jedem Flucher; denn wer seinen Schöpfer lästern kann, macht sich auch
nichts aus Lügen und Stehlen. Hüte dich aber vor niemand mehr als vor dir
selber; denn wir tragen die schlimmsten Feinde in unserem eigenen Herzen.
Begegnet dir eine neue Lehre oder Meinung, so beiße nicht eher zu, bis du
weißt, ob sie Brot oder Stein ist, und denke nicht, dass der Pfefferkuchen gut
sein muss, weil er mit Schokolade verziert ist. Schreie nicht Hurra, bevor du
nicht ganz aus dem Wald heraus bist, und mache nicht eher ein Hallo, als bis du
den Fisch im Netz hast. Zum Rühmen ist es immer noch früh genug. Gieße kein
schmutziges Wasser fort, bis du sauberes hast. Fahre fort, die Straße zu fegen,
solange du keine bessere Arbeit bekommen kannst. Der geringste Verdienst ist
besser als gar keiner, und der niedrigste Dienst ist besser, als ohne Arbeit zu
sein. Einem Ochsen und einem Verrückten gehe stets aus dem Weg. Prügle dich
nicht mit einem Kohlenträger und streite nicht mit einem schlechten Menschen,
denn sie machen dich beide sicherlich schwarz. Reite nie auf einem Pferd mit
gebrochenen Beinen. Der Kaufmann, der sich einmal eines betrügerischen
Bankrotts schuldig gemacht hat, ist nicht der rechte Mann, um mit ihm Geschäfte
zu machen. Ein wackeliger Stuhl ist ein gefährlicher Sitz. Allzu höflichen
Leuten traue nicht. Lass dich nicht mit solchen ein, die naseweis oder grob
sind. Wenn du eine Nebenabsicht spürst, so sei auf der Hut. Stelle die Falle
auf, sobald du eine Ratte riechst, aber nimm dich in acht, dass du dir nicht
die Finger dabei klemmst. Habe nichts zu schaffen mit einem Prahlhans, denn
sein Bier ist lauter Schaum; und wenn er sich auch rühmt, dass alle seine Waren
und selbst sein Hausgeschirr aus Gold und Silber bestehen, so wirst du bald die
Entdeckung machen, dass Prahlhänse und Lügner Vettern sind.
Vertraue niemandem
alle deine Geheimnisse an; vertraue auf Gott mit ganzem Herzen, wäge aber dein
Vertrauen auf Freunde in den Schalen der Klugheit ab, denn Menschen sind nur
Menschen, und alle Menschen sind schwach. Hänge keine schweren Gewichte an
dünne Fäden. Sei aber auch nicht allzu argwöhnisch, denn der Argwohn ist im
besten Falle eine Tugend der Feiglinge.
Mein letzter Rat an
jedermann ist: Denke daran, dass das allein wahre Weisheit ist, die sich am
Ende als solche erweisen wird. Diese sucht, meine Freunde, und sucht sie zu den
Füßen des Weisesten aller Lehrer, des Herrn Jesu!
Es gibt nicht so
viele Stunden in einem Jahr, wie man Gedanken in einer Stunde haben kann. Die
Gedanken fliegen scharenweise wie Stare und in Schwärmen wie Bienen daher. Man
kann sie ebenso wenig zählen wie die dürren Blätter im Herbst. Und wie die
Glieder einer Kette zieht einer den anderen hinter sich her. Was für ein
unruhiges Geschöpf ist doch der Mensch! Seine Gedanken tanzen auf und nieder
wie die Mücken an einem Sommerabend! Wie eine Wanduhr voller Zahnräder, deren
Pendel sich in lebhafter Schwingung befindet, so bewegt sich sein Gemüt, so
schnell, wie die Zeit verfließt. Dadurch wird das Denken überaus bedeutsam. Aus
vielem Kleinen wird etwas Großes, und aus vielen leichten Gedanken wird leicht
ein schweres Gewicht von Sünden. Wo viele Kinder sind, hat die Mutter wohl
Ursache, sie gut zu beaufsichtigen. Wir sollen auf unsere Gedanken Acht geben,
denn wenn sie sich in unsere Feinde verwandeln, so werden sie überhand nehmen
und uns ins Verderben hinunterziehen. Gute Gedanken füllen unsere Seele mit
Himmelsliedern wie Vögel im Frühling, aber böse Gedanken werden uns stechen wie
Ottern.
Die Menschen meinen
oft, die Gedanken seien frei; aber ich erinnere mich gelesen zu haben, wenn
Gedanken auch zollfrei sind, so sind sie doch nicht höllenfrei. Das stimmt
genau mit dem überein, was das gute alte Buch, die Bibel, sagt. Wir können
wegen unserer Gedanken vor keinen irdischen Gerichtshof zitiert werden; aber
seid versichert, dass wir uns darüber vor dem letzten großen Tribunal werden
verantworten müssen. Böse Gedanken sind das innerste Mark der Sünde. Sie sind
das Malz aus dem die Sünde gebraut wird; der Zunder, welcher den Funken der
Versuchung des Teufels fängt; das Butterfass, in dem die Milch der Phantasie zu
Absichten und Plänen gerinnt; das Nest, in welches alle bösen Vögel ihre Eier
legen. Wie das Feuer sowohl Reisig als Holzblöcke verzehrt, wird Gott ebenso
wohl die sündlichen Gedanken wie die sündlichen Taten bestrafen (Matthäus 5,28;
9,4).
Denke niemand, dass
die Gedanken dem Herrn nicht bekannt seien. Denn er hat ein Fenster das sich
zum innersten Gemach der Seele hin öffnet – ein Fenster, das man durch keine
Läden verschließen kann. Wie wir in einem Aquarium die Fische beobachten, so
blickt das Auge des Herrn auf uns. Die Bibel sagt: „Ich kenne ihre Werke und
ihre Gedanken“ (Jesaja 66,18). Der Mensch ist für Gott lauter Außenseite; für
den Himmel gibt es keine Geheimnisse. Was im Privatgemach des Herzens
geschieht, ist für das Auge Gottes so öffentlich wie ein Marktplatz.
Einige werden sagen,
dass böse Gedanken unwillkürlich in ihnen aufsteigen. Das mag sein, aber die
Frage ist, ob sie sie hassen oder nicht? Wir können es den Dieben nicht
verbieten, in unsere Fenster hineinzusehen; wenn wir ihnen aber die Türen
aufmachen und sie mit Freuden aufnehmen, so sind wir nicht besser als sie. Wir
können die Vögel nicht hindern, über unseren Köpfen hinzufliegen; aber wir
brauchen es nicht zu dulden, dass sie ihre Nester in unseren Haaren bauen.
Unnütze Gedanken klopfen wohl an die Tür, aber wir sollen ihnen nicht auftun.
Wenn böse Gedanken auch in uns aufsteigen, so dürfen sie doch nicht über uns
herrschen. Wer einen Bissen im Munde hin und her bewegt, tut es, weil ihm der Geschmack gefällt; und wer in dieser
Weise über das Böse nachdenkt, liebt es und ist fähig, es zu begehen. Denke an
den Teufel, und er wird erscheinen. Wende deine Gedanken der Sünde zu, und
deine Hände werden bald nachfolgen. Schnecken lassen eine Schleimspur hinter
sich zurück, und ebenso machen es unnütze Gedanken. Ein Pfeil fliegt durch die
Luft, ohne eine Spur zurückzulassen; aber ein böser Gedanke lässt immer eine
Fährte hinter sich, wie eine Schlange. Wo viel böse Gedanken hausen, da wird
auch viel Schmutz und Unrat sein. Hätschle die Sünde nur auf dem Schoß des
Gedankens, und es wird ein Riese daraus erwachsen. Tauche Wolle in Petroleum
ein und wie wird es auflodern, wenn es dem Feuer zu nahe kommt! Darum gebietet
uns die Weisheit, das Denken und Planen unseres Herzens täglich in acht zu nehmen.
Gute Gedanken sind segenbringende Gäste und sollten herzlich willkommen
geheißen, reich bewirtet und oft eingeladen werden. Wie Rosenblätter geben sie
einen guten Geruch von sich, wenn sie im Krug des Gedächtnisses aufbewahrt
werden. Sie können gar nicht genug kultiviert werden; sie sind eine Frucht, die
den Boden bereichert. Wie eine Henne ihre Küken unter ihren Flügeln wärmt, so
sollten wir alle heiligen Gedanken in uns pflegen. Gottselige Betrachtungen
sollten uns über alles wertvoll sein. Geheiligte Gedanken bringen geheiligte
Worte und geheiligte Taten hervor und sind zuverlässige Kennzeichen eines
erneuerten Herzens. Wer möchte sie nicht haben? Ein sicherer Weg, den Scheffel
von Spreu freizuhalten, ist der, ihn bis oben an mit Weizen zu füllen. Und wenn
man eitle Gedanken fernhalten will, so ist es klug und weise, stets geeignete
Gegenstände im Herzen zu bewegen, die uns zu göttlichen Betrachtungen
veranlassen. Sie sind leicht zu finden. Wir sollten nie ohne sie sein. Möchten
wir stets mit David sagen können: „Als viele unruhige Gedanken in mir waren,
beglückten deine Tröstungen meine Seele“ (Psalm 94,19).
Wer sich rühmt, dass
er vollkommen sei, der ist ein vollkommener Narr. Ich habe mich schon ein gutes
Stück in der Welt umgesehen, aber ich habe noch nie ein vollkommenes Pferd
gesehen oder einen vollkommenen Menschen, und ich werde es auch nie, solange
nicht zwei Sonntage auf einen Tag fallen. Aus einem Kohlensack kann kein weißes
Mehl herauskommen, aus der menschlichen Natur keine Vollkommenheit; wer sie da
sucht, könnte ebenso gut Zucker im Meer suchen. Ein altes Sprichwort sagt:
„Leblos, fehlerlos.“ Von den Toten sollten wir nur Gutes reden, aber was die
Lebenden betrifft, so sind sie alle mehr oder weniger mit dem schwarzen Pinsel angestrichen,
und das kann man schon mit dem halben Auge sehen. Jeder Kopf hat eine weiche
Stelle, und jedes Herz hat seinen schwarzen Tropfen. Jede Rose hat ihre Dornen
und jeder Tag seine Nacht. Selbst die Sonne hat ihre Flecken, und der Himmel
wird von Wolken verdunkelt. Niemand ist so weise, dass er nicht töricht genug
wäre, sich auch eine Bude auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten zu errichten. Wo
ich die Narrenkappe nicht sehen konnte, habe ich doch wenigstens die Schellen
daran klingeln hören. Wie es keinen Sonnenschein ohne irgendwelchen Schatten
gibt, so ist alles menschliche Gute mit mehr oder weniger Übel vermischt.
Selbst die Armenkommission macht hier und da einen Fehler, und der Dorfküster
ist nicht ganz aus himmlischem Stoff. Der beste Wein hat seinen Bodensatz. Die
Fehler stehen den Menschen nicht immer an der Stirn geschrieben, und das ist
auch ganz gut so, denn sonst würden die Hüte sehr breite Krempen haben. Aber so
gewiss ein Ei dem anderen ähnlich ist, so stecken Fehler irgendwelcher Art in jedem
Menschenherzen. Niemand kann sagen, wann die Sünden eines Menschen heraustreten
werden, denn gerade, wenn man sie nicht erwartet, springen die Hasen aus dem
Graben hervor. Ein Pferd, das schwach in den Beinen ist kann vielleicht einen
halben Kilometer lang nicht straucheln, aber das Fehltreten sitzt doch in ihm
drin und der Reiter tut gut daran, es sorgsam zu lenken. Die alte Katze leckt
vielleicht jetzt keine Milch, lasse aber einmal die Tür zur Milchkammer offen,
und wir wollen sehen, ob sie nicht eine ebenso große Diebin ist wie das kleine
Kätzchen. Im Stein ist Feuer, so kalt er sich auch anfühlt: warte, bis er einen
Schlag vom Stahl erhält, und du wirst es sehen. Das wissen im Grunde alle,
dennoch denkt nicht jeder daran, sein Pulver sorgfältig davor zu hüten, dass es
nicht mit dem Feuer in Berührung kommt.
Wenn wir immer daran
denken würden, dass wir uns unter unvollkommenen Menschen in der Welt bewegen,
so würden wir nicht in solche Aufregung geraten, wenn wir die Fehler unserer
Freunde bemerken. Was verfault ist, das zerreißt. Töpfe, die einen Sprung
haben, lassen das Wasser durch. Die besten Menschen sind im besten Falle immer
nur Menschen, und auch das beste Wachs schmilzt. In dieser gefallenen Welt hat
das reinste Weizenfeld seine Portion Unkraut, das geradeste Stück Bauholz seine
Knoten. Auch der vorsichtigste Fuhrmann wirft einmal die Karre um, die
geschickteste Köchin vergießt ein wenig Brühe, und auch ein ganz tüchtiger
Pflüger – das weiß ich aus Erfahrung – bricht hin und wieder den Pflug entzwei
oder zieht die Furchen schief. Es ist töricht, sich von einem bewährten Freund
wegen einiger Fehler zu trennen, denn man mag einen einäugigen Gaul los werden
und einen blinden dafür kaufen. Da wir alle voller Fehler sind, sollten wir es
lernen, uns gegenseitig zu ertragen. „Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht
mit Steinen schmeißen.“ Jeder lacht, wenn der Topf zum Kessel sagt: „Wie
schwarz bist du!“ Die Unvollkommenheiten anderer Menschen zeigen uns unsere
eigenen Unvollkommenheiten, denn ein Schaf ist so ziemlich wie das
andere. Wir sollten unsere Mitmenschen wie Spiegel gebrauchen, in denen wir
unsere eigenen Fehler erkennen, und das in uns selbst bessern, was wir an ihnen
wahrnehmen.
Ich habe keine Geduld
mit denen, die ihre Nasen in jedermanns Haus stecken, um seine Fehler zu
erschnüffeln, und die Vergrößerungsgläser benutzen, um die Fehler ihrer
Nachbarn herauszufinden. Solche Leute sollten lieber zu Hause herumsuchen, sie
könnten den Teufel da finden, wo sie ihn wenig erwartet haben. Was wir zu sehen
wünschen, das werden wir sehen oder meinen, dass wir es sehen. Fehler
sind immer dick, wo die Liebe dünn ist. Eine weiße Kuh ist total schwarz, wenn
es deinem Auge beliebt, sie dafür anzusehen. Wenn wir lange genug an
Rosenwasser schnuppern, so werden wir herausfinden, dass es einen schlechten
Geruch hat. Es wäre weitaus angenehmer – wenigstens für die anderen – wenn die
Fehlerjäger ihre Hunde dazu abrichten würden, die guten Seiten anderer Leute
aufzuspüren. Was unsere eigenen Fehler betrifft, so würden wir eine ziemlich
große Schiefertafel haben müssen um sie darauf verzeichnen zu können. Doch wir
wissen ja, Gott sei Dank, wo wir sie hinbringen und wie wir mit ihnen fertig
werden können. Bei allen unseren Fehlern liebt uns Gott immer noch, wenn wir gläubig
auf seinen Sohn vertrauen. So lasst uns also nicht verzagt einhergehen, sondern
hoffen, dass wir leben und lernen und noch, ehe wir sterben, einiges Gute
werden tun können. Wenn auch die Karre zuweilen knarrt, so wird sie doch mit
ihrer Last nach Hause kommen, und das alte Pferd wird, obwohl es die Knie
gebrochen hat, doch noch ein wahres Wunderwerk verrichten. Es nützt nichts, uns
hinzulegen und nichts zu tun, weil wir nicht alles so tun können, wie wir es
möchten. Fehlerhaft oder nicht fehlerhaft, das Pflügen muss nun einmal
geschehen, und zwar muss es von unvollkommenen Menschen geschehen, oder es gibt
im nächsten Jahr keine Ernte. Mag der Pflüger Hans auch noch so unvollkommen im
Ackern sein, so tun doch die Engel die Arbeit nicht für ihn, und so macht er
sich denn selber daran. Zieh, Schimmel! Hüa, Brauner!
Ein altes, weises
Sprichwort lautet: „Gib nicht alles aus, was du hast; glaube nicht alles, was
du hörst; sage nicht alles, was du weißt, und tue nicht alles, was du kannst.“
Es gibt so viel
Arbeit, dass es schade ist, wenn wir unsere Kraft unnütz vergeuden. Es ist
reiner Zeitverlust, Milch von einem Türpfosten oder Blut von einer Rübe oder
Verstand von einem Narren zu erwarten. Bitte einen Geizigen nicht eher um Geld,
als bis du einen Kieselstein weich gekocht hast. Verklage keinen Schuldner, der
nicht einen Pfennig Vermögen hat; du wirst nur gutes Geld dem schlechten
nachwerfen, du wirst also dein Frettchen los werden, ohne das Kaninchen zu bekommen.
Biete keinem Blinden einen Spiegel an; wenn ein Mensch so stolz ist, dass er
seine Fehler nicht sehen will, so wird er dich nur dafür beschimpfen, dass du
ihn darauf aufmerksam gemacht hast. Es nützt nichts, einem Maulwurf eine
Laterne vorzuhalten, oder mit einem Menschen vom Himmel zu sprechen, der nach
nichts fragt als nach schmutzigem Gewinn. Alles hat seine Zeit. Es ist töricht
betrunkenen Menschen etwas vorzupredigen, das heißt, die Perlen vor die Säue
werfen; lass sie erst nüchtern werden, und dann rede nüchterne Worte mit ihnen.
Wenn du ihnen eine Vorlesung hältst, so lange sie betrunken sind, so handelst
du so, als ob du selber betrunken wärest.
Setze keine Katze auf
einen Kutscherbock oder Menschen an Stellen, zu denen sie nicht tauglich sind.
Man kann aus Pflaumen keine Äpfel machen; kleine Gemüter werden immer klein
bleiben, auch wenn sie Küster oder Kirchenvorsteher geworden sind. An vielen
Predigern ist ein guter Schneider verloren gegangen, oder es sind vortreffliche
Schuster, die ihren Beruf verfehlt haben. Wenn Gott eine Kreatur zum Fliegen
bestimmt, so gibt er ihr Flügel, und wenn er Menschen zu Predigern bestimmt, so
schenkt er ihnen Gaben dazu. Es ist schlimm, einen Menschen in den Krieg
hinauszustoßen, der nicht kämpfen kann. Es ist besser, einem Menschen vom
Klettern abzubringen, als ihm dazu behilflich zu sein, dass er sich den Hals
bricht. Seidentäschchen werden nicht aus Schweineohren gemacht; Schweine lernen
nie gut auf der Flöte spielen, man kann sie lehren, so lange man will.
Häuser aus Sägespänen
zu bauen, ist eine sehr vernünftige Idee im Vergleich zu dem, was sich einige
meiner Londoner Freunde in den Kopf gesetzt haben: Sie wollen durch Spekulieren
an der Börse reich werden – sie könnten ebenso gut den Wind in einem Netz fangen
oder Wasser in einem Sieb tragen. Seifenblasen sind ein hübscher Spaß für
Kinder, aber Gesellschaftsblasen sind gefährliche Werkzeuge, mit denen niemand
spielen sollte. Wenn ich ein Bein los werden wollte, so würde ich es mir nicht
gerade von einem Haifisch abbeißen lassen. Gib dein Geld lieber an Narren, als
es dir von Betrügern abschwatzen zu lassen.
Es ist niemals der
Mühe wert, unnütze Dinge zu tun. Beschmiere nie eine Sau mit Fett und lobe nie
einen stolzen Menschen. Mache keine Kleider für Fische und keine Decken für
Altäre. Male nicht die Lilien an und verziere nicht das Evangelium. Verbinde
niemandem den Kopf, ehe er verletzt ist, und tröste kein Gewissen, das kein
Sündenbekenntnis ablegt. Halte nie ein Licht hoch, damit man die Sonne sehen kann,
und versuche nicht, etwas zu beweisen, was niemand bezweifelt. Ich rate
niemandem etwas zu versuchen, was mehr kostet, als es wert ist. Man mag einen
Misthaufen mit Lavendelwasser parfümieren, und ein gottloser Mensch mag sich
durch einen äußeren Schein von Religiosität für fromm ausgeben, auf die Länge
wird sich das aber als ein schlechtes Geschäft erweisen.
Schon lange hat mich
die Erfahrung gelehrt, mit niemand über Geschmacksfragen oder bloße Grillen zu
disputieren. Man könnte ebenso gut über die Gestalten, die man im Feuer zu
sehen meint streiten. Es ist nutzlos, die Luft zu pflügen oder jemand gegen
seinen Willen von Dingen, die unwichtig sind, überzeugen zu wollen. Es ist
nutzlos, einen Streit damit zu beenden, dass man in Zorn gerät; das ist etwa
ebenso, als wenn man Feuer dadurch auslöschen wollte, dass man Öl darauf gießt,
oder wenn man die Kohlen mit dem Blasebalg bläst, um sie auszulöschen. Einige
Leute streiten sich gern – ich beneide sie nicht um ihren Geschmack. Ich würde
lieber zwei Meilen zu Fuß gehen, um einem Streit aus dem Wege zu gehen, als
eine Viertelmeile, um in einen hineinzugeraten. Man hat mir oft gesagt, dass
man den Stier bei den Hörnern packen müsse. Doch denke ich, dass dies kein
nützliches Vergnügen ist, daher überlasse ich es denen, die Stöße mit dem Horn
wie Trophäen sammeln. Salomo sagt: „Lass ab vom Streit, ehe er losbricht!“
(Sprüche 17,14). Wenn du einen wütenden Hund siehst, so lass dich nicht mit ihm
ein, wenn du deiner Sache nicht ganz gewiss bist; geh ihm lieber aus dem Weg,
und wenn dich irgend jemand deswegen einen Feigling nennt, so brauchst du ihn
nicht dafür einen Narren zu nennen – dass weiß ja doch jeder. Sich in
Streitigkeiten einmischen – dabei kommt niemals etwas heraus. Lass die Nester
der Hornisse zufrieden und reiße nicht alte Häuser über deinem eigenen Kopf ab.
Leute, die sich in alles einmischen, lassen sich sicherlich auch etwas
zuschulden kommen. Wer die Schweine anderer Leute wäscht, wird bald selber
gewaschen werden müssen. Der Gipfel der Torheit ist es, zwischen Mann und Frau
eingreifen zu wollen, denn sie werden sicherlich gleich aufhören mit ihrem
Streit und ihre vereinte Kraft gegen dich wenden – und es wird dir dann recht
geschehen. Denn wenn du die Suppe auslöffelst, die sich andere Leute eingebrockt
haben, und sie verbrennt dir den Mund, wer ist dann zu tadeln, als du selbst?
Als ich noch ein sehr
kleiner Schuljunge war, brauchte ich einmal einen Griffel für die Schiefertafel
und hatte kein Geld, um mir einen zu kaufen. Ich fürchtete, Schelte dafür zu
bekommen, dass ich meine Griffel so oft verlöre, denn ich war ein recht
nachlässiger kleiner Bursche, und ich wagte es daher nicht, zu Hause darum zu
bitten. Was sollte ich nun anfangen? Es gab im Ort einen kleinen Laden, in dem
eine alte Frau Nüsse, Kreisel, Kuchen und Bälle verkaufte, und ich hatte
gesehen, dass diese Frau bisweilen Knaben und Mädchen Kredit gegeben hatte. Ich
überlegte mir nun, dass doch Weihnachten vor der Tür sei und dass mir dann
gewiss irgend jemand einen Dreier oder gar eine Silbermünze schenken werde. Ich
könnte daher den Griffel leihweise mitnehmen und meine Schulden gewiss zu
Weihnachten bezahlen. Ganz wohl war mir nicht dabei, doch ich nahm meinen
ganzen Mut zusammen und trat in den Laden. Der Preis war ein Pfennig. Da ich
noch nie etwas geborgt hatte, so wurde mir der Griffel von der freundlichen
alten Dame ausgehändigt, und ich hatte Schulden. Das gefiel mir nicht besonders
und mir war so, als hätte ich etwas Unrechtes getan. Aber ich wusste nicht, wie
bald ich dafür büßen sollte.
Wie mein Vater von
diesem kleinen Geschäft zu hören bekommen hat, habe ich nie erfahren, aber der
eine oder andere kleine Vogel muss es ihm wohl zugepfiffen haben. Er war sehr
ungehalten. Gott lohne es ihm! Denn er war ein verständiger Mann und verzog
seine Kinder nicht. Er hielt mir eine sehr kräftige Vorlesung übers
Schuldenmachen, wie ähnlich es dem Stehlen sei und wie sich die Menschen
dadurch ins Verderben stürzten und Schande über eine ganze Familie bringen
könnten. Es war eine gewaltige Predigt. Mir ist, als hörte ich sie noch, die
Ohren klingen mir, so oft ich daran denke. Dann wurde ich wie ein Deserteur,
der in die Kaserne zurückgebracht wird, nach dem Laden eskortiert, wobei ich
den ganzen Weg lang bitterlich weinte und mich schrecklich schämte, weil ich
dachte, jedermann wisse, dass ich Schulden gemacht habe. Unter vielen ernsten
Ermahnungen wurde der Pfennig bezahlt, und dann wurde der arme Schuldner
freigelassen wie ein Vogel aus seinem Käfig. Wie herrlich war das Gefühl, nun
keine Schulden mehr zu haben! Wie ernstlich gelobte und versprach es mein
kleines Herz, dass mich nichts je wieder zum Schulden machen verleiten solle!
Es war eine gute Lektion, und ich habe sie nicht vergessen. Gott segne meinen
Vater dafür und lasse viele solcher Väter in unserem Land sein, damit es nicht
an Schurkerei zugrunde gehe, sonst wird unser Volk mit all den Geschäften und
Gründungen und all dem Papiergeld bald so wurmstichig sein wie Zunderholz!
Von jenem Tage an
habe ich Schuldenmachen gehasst. Wundert euch also nicht, wenn ich einige
grimmige Ausdrücke darüber gebrauche. Von dem Augenblick an, als ich einen
eigenen Haushalt begonnen habe, ist es stets meine größte Sorge gewesen, drei
Dinge von meinem Heim fernzuhalten, nämlich Schulden, Schmutz und den Teufel.
Und wenn auch der Letztgenannte zuweilen zur Tür oder zum Fenster
hineingeschlichen ist, denn die alte Schlange windet sich auch durchs kleinste
Loch herein, so haben doch die anderen zwei – mit Hilfe einer guten Frau,
harter Arbeit, Ehrlichkeit und einigen Schrubbern – meine Schwelle nicht
überschritten. Schulden sind etwas so Demütigendes, dass, wenn ich jemand einen
Groschen schuldig wäre, ich lieber vier Meilen mitten im Winter zu Fuß gehen
würde, um ihm den zu bezahlen, als das Gefühl zu haben, dass ich eine
Verpflichtung ihm gegenüber hätte. Wenn ich beim Kaufmann und beim Bäcker und
beim Schneider in der Kreide wäre, so würde ich mich gerade so behaglich
fühlen, als wenn ich Erbsen in den Schuhen oder einen Igel im Bett hätte. Armut
ist schwer, aber Schulden sind schrecklich. Wir können arm und doch achtbar
sein, was der Pflüger Hans und seine Frau, wie sie hoffen, auch sind und stets
sein werden. Aber ein Mensch, der Schulden hat, kann sich selbst nicht einmal
achten und wird gewiss bei seinen Nachbarn ins Gerede kommen, und dies Gerede
wird schwerlich seinen Ruf erhöhen. Einige Leute mögen, so scheint es fast,
gern etwas schuldig sein; ich aber würde ebenso gerne eine Katze im Schornstein
sein, wenn's Feuer brennt, oder ein Fuchs, dem die Hunde auf den Fersen sind,
oder eine Maus, die sich in den Klauen einer Eule befindet. Ein ehrlicher
Mensch hält eine Geldbörse voll vom Geld anderer Leute für schlimmer als eine
leere. Es ist ihm unerträglich, anderer Leute Käse zu essen, anderer Leute
Hemden zu tragen, in anderer Leute Schuhe einherzugehen. Und er wird auch nicht
ruhig sein können, solange seine Frau in dem Hut der Putzhändlerin prankt und
die Stoffe des Manufakturwarenhändlers trägt. Eine Krähe, die sich mit den
Federn des Pfaus geschmückt hatte, wurde bald ausgeplündert. Wer borgt, gerät
gewiss in Armut – und zwar in eine Armut von der bittersten Art, weil Schande
mit ihr verbunden ist.
Viele meiner Nachbarn
haben ihren Untergang der Sitte zu verdanken, dass man größeren Aufwand treibt,
als einem seine Mittel gestatten. Sie können sich kaum ein Kaninchen halten und
müssen doch Kutsche und Pferde haben. Ich fürchte, dieser Luxus ist die
allgemeine Krankheit unserer Zeit, mit der auch viele, die sich Christen
nennen, zu ihrer Schande und ihrem Schaden angesteckt worden sind. Gute wollene
und baumwollene Kleider sind heutzutage nicht mehr gut genug; die Mädchen
müssen in Samt und Seide einhergehen, und dann gibt's eine Rechnung bei der
Schneiderin, so lang und so trübe wie eine Winternacht. Bei solcher Modesucht
und solchem Prunken geht das Geld schnell drauf; die Familie bleibt arm, und
der Vater muss sich ewig abrackern. Wenn Frösche sich aufblasen wie Ochsen,
dann platzen sie. Fünf Taler pro Woche und dann 3000 pro Jahr nachäffen – wer
so lebt, kommt mit dem Staatsanwalt in Berührung. Diese Menschen brennen wie
eine Kerze an beiden Enden, und dann sagen sie, sie haben Unglück gehabt –
warum nennen sie das Kind nicht beim rechten Namen und sagen, dass sie
Verschwender sind ? Es ist nicht so schwer, Geld zu verdienen, wie es gut
auszugeben. Hunderte würden nie erfahren haben, was Not ist, wenn sie es nicht
so gut verstanden hätten, wie man Geld durchbringt. Wenn alle unsere armen
Frauen doch nur zu kochen verständen, wie weit würde dann das kleine Einkommen
ihrer Männer reichen! Man sagt, dass uns die französischen und die deutschen
Frauen in der Kunst, gut und billig zu kochen, total aus dem Felde schlagen.
Ich wünschte, sie schickten Missionarinnen herüber, um unsere Frauen zu guten Hausfrauen
zu bekehren; das ist eine französische Mode, die bedeutend mehr Nutzen bringen
würde, als jene schönen Bilder an Frau Trödels Fenster, in denen sich Damen
jeden Monat in einer neuen Auftakelung präsentieren. Sind doch einige Leute
heutzutage viel zu fein geworden, um das zu essen, wofür ihre Väter Gott
gedankt haben würden, wenn sie es auf ihrem Tisch gehabt hätten. Und so kitzeln
sie ihren Gaumen mit kostspieligen Genüssen, kommen ins Armenhaus, und dann
soll sie noch jedermann bedauern! Über Brot und Butter haben sie die Nasen
gerümpft und müssen nun mit rohen Rüben, die sie auf dem Feld gestohlen haben,
vorlieb nehmen. Ein jeder sollte sich nach seiner Decke strecken. Wer ein
Einkommen von acht Groschen hat und daraufhin acht Taler ausgibt, die ihm nicht
gehören, der ist beides: ein Narr und ein Schurke. Seinen Rock nach seinem Tuch
zuschneiden, das ist ein vernünftiger Rat. Aber anderer Leute Tuch schneiden
durch Schuldenmachen, ist Diebstahl. Wenn ich betrügen wollte, so würde ich
lieber ein Winkeladvokat werden oder mir eine Pfandleihe anlegen oder
Taschendieb werden; aber die schmutzige Kunst, Schulden zu machen, ohne eine
Aussicht, sie jemals bezahlen zu können, die würde ich für meiner unwürdig
halten.
Schuldner können
schwerlich umhin, auch Lügner zu werden, denn sie versprechen, zu einer Zeit zu
bezahlen, von der sie vorher wissen, dass sie dann nicht dazu imstande sein
werden; und wenn sie dann eine lange Reihe von Entschuldigungen vorgebracht
haben, so versprechen sie es aufs neue, und so lügen sie bald so geläufig, wie
ein Pferd traben kann.
Wenn nun aber Borgen
zum Lügen führt, wer kann dann noch bestreiten, dass es ein überaus böses Ding
ist? Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen, und ich bin nicht gewillt, harte
Worte gegen einen ehrlichen Menschen zu reden, der durch Krankheit oder
Unglücksfälle heruntergekommen ist. Wenn's aber nach der allgemeinen Regel
geht, so wird man feststellen, dass Schulden ein großer, schauderhafter Morast,
ein ungeheures Schmutzloch und ein tiefer Graben sind. Glücklich ist der
Mensch, der wieder herauskommt, nachdem er einmal hineingestürzt ist, dreimal
glücklich aber ist derjenige, der durch Gottes Güte gänzlich vor diesem Sumpf
bewahrt geblieben ist. Wenn man den Teufel einmal zum Mittagessen eingeladen hat,
so wird man ihn gewiss nur mit Mühe wieder aus dem Hause hinausschaffen; besser
ist's, man lässt sich gar nicht mit ihm ein. Wo eine Henne einmal ein Ei
hingelegt hat, da legt sie höchst wahrscheinlich bald wieder eines hin. Wenn
ein Mensch einmal Schulden gemacht hat, so tut er es höchstwahrscheinlich auch
zum zweiten Mal. Besser ist es, sich gleich von Anfang an davon fernzuhalten.
Wer erst einen Groschen schuldig ist, wird auch bald einen Taler schuldig sein,
und wer erst über die Knöchel im Dreck steckt, steckt auch leicht bis über die
Knie darin. Sei nie einen Pfennig schuldig, und du wirst nie zehn Taler
schuldig sein.
Wer sich eines recht
ungestörten Schlafes erfreuen will, der kaufe sich das Bett eines Menschen, der
Schulden hat; denn es muss sehr weich sein, sonst hätte der Mensch nicht so
sanft darauf ruhen können. Ich glaube, solche Menschen werden nach und nach so
unempfindlich wie jener Esel, auf dessen Rücken sein Herr so viele Stöcke
zerschlagen hatte. Ich glaube, ein wahrhaft ehrlicher Mensch wird lieber so
mager wie ein Windhund sein, eher er sich mit geborgtem Geld mästet. Unbezahlte
Rechnungen müssen wie Stecknadeln in die Seele stechen. Ein auf Kredit
genommenes Schwein grunzt unaufhörlich. Schuldenfrei, sorgenfrei! Aber Leihen
und Borgen sind Hecken voll spitzer Dornen. Wenn ich mir von meinem Nachbarn
bloß einmal einen Spaten geborgt habe, so fühle ich mich nie sicher damit und
denke immer, er werde zerbrechen; ich kann nicht so ruhig damit graben wie mit
meinem eigenen. Die Bibel sagt: „Seid niemand etwas schuldig“ (Römer 13,8), was
nicht heißt: Zahlt eure Schulden, sondern: Habt keine zu bezahlen. Unsere
Gesetze leisten dem Geldleihen einen höchst bedauerlichen Vorschub. Niemand
braucht heutzutage ein Dieb zu sein; er braucht jetzt nur einfach ein Geschäft
zu eröffnen und dann Konkurs zu machen, da hat er einen viel besseren Profit,
so dass schon das Sprichwort umgeht: Wer nie Bankrott macht, wird auch nie
reich. Kenne ich doch Kaufleute, die fünf oder sechs Mal Bankrott gemacht haben
und doch im Blick auf ihre Seligkeit vollkommen beruhigt sind. Diese Gauner!
Was wollen sie denn im Himmel anfangen, wenn sie da wären? Es ist viel
wahrscheinlicher, dass sie dahin kommen werden, von wo sie nicht herauskommen
werden, bis sie auch den letzten Heller bezahlt haben. Aber die Leute sagen:
„Sie sind doch aber so freigebig!“ Ja, jedoch mit anderer Leute Geld. Es ist
widerlich, einen Menschen zu sehen, der eine Gans stiehlt und das Gekröse dem
Herrn gibt. Frömmigkeit? – gewiss! Aber seine Zeche bezahlen ist auch ein
wesentliches Stück davon. Erst Ehrlichkeit, dann Freigebigkeit. Wie oft aber
muss die Frömmigkeit zum Deckmantel des Betruges dienen! Der vornehme Herr
Taugenichts fährt in eleganter Kutsche zur Börse , und sein Name prankt an der
Spitze wohltätiger Unternehmungen, während seine armen Gläubiger so wenig von
ihm bekommen, dass sie kaum von der Hand in den Mund leben können. Es ist
schändlich und unerträglich, zu sehen, wie viel in unserem Lande bei solcher
vornehmen Schwindelei durch die Finger gesehen wird. Wenn's nach mir ginge, so
würde ich ihnen die weiße Weste ausziehen und ihnen statt dessen für sechs
Monate die Gefängniskleidung geben; mögen sie meinetwegen noch so „feine
Herren“ sein, ich wollte ihnen schon zeigen, dass große Diebe denselben Walzer
auf der Tretmühle tanzen wie kleine. Wäre ich Landtagsabgeordneter oder
Ministerpräsident, so würde ich's bald dahinbringen, dass es dieser vornehme
Betrügerstand in unserem Land nicht aushalten könnte vor Hitze; da ich aber
keine solche Macht besitze, so kann ich wenigstens gegen diese Gauner schreiben
und den Dampf meines Zorns auf diesem Weg ablassen.
Mein Wahlspruch ist:
gleich bezahlen und sich vor kleinen Schulden hüten. Kleine Rechnungen lassen
sich leicht berichtigen. „Trag ab doch deiner Schulden Last, so weißt du stets,
wie viel du hast.“ Hole Wasser an der Pumpe, aber lebe nicht auf Pump. Besser
ohne Abendbrot zu Bett gehen, als mit Schulden aufstehen. Sünden und Schulden
haben wir immer mehr, als wir meinen. Hier ein wenig und da ein wenig, und bald
steckt man über die Ohren darin. Die kleinen Ausgaben sind es, die die
Geldbörse leer machen. Das Geld ist rund und rollt leicht davon. Hans
Unverstand kauft, was er nicht braucht, weil er ein gutes Geschäft dabei machen
kann, und muss infolgedessen bald das verkaufen, was er braucht, und erfährt,
dass er ein sehr schlechtes Geschäft dabei macht. Er kann nicht „Nein“ sagen zu
seinem Freund, der ihn Bürgschaft zu leisten bittet. Er gibt großartige Diners,
hält viele Feiertage, isst vornehm, lässt seine Frau Staat machen, sieht nie
nach den Dienstboten und wird mit der Zeit darüber erstaunt, dass die
Quartalstage so schnell herankommen und dass die Gläubiger so laut bellen. Er
hat sein Geld auf dem Felde der Gedankenlosigkeit ausgesät und wundert sich
nun, dass er die Ernte der Armut einbringen muss. Dennoch hofft er immer noch,
durch einen glücklichen Zufall aus seiner schwierigen Lage herauszukommen, und
arbeitet sich noch tiefer hinein, statt an das Sprichwort zu denken: Hoffen und
Harren macht manchen zum Narren. In dieser Not geht er mit leeren Taschen zum
Markt und kauft zu jedem Preis, der ihm abgefordert wird, bezahlt also mehr als
das Doppelte und gerät immer tiefer in den Sumpf hinein. Jetzt fängt er an zu
spekulieren und kleine Kniffe und Kunstgriffe zu gebrauchen, denn ein leerer
Sack kann nicht leicht aufrecht stehen. Dabei kommt aber gewiss nichts Gutes
heraus, denn solche listigen Tricks sind wie Spinngewebe, die nichts Besseres
als Fliegen fangen und bald weggefegt werden. Ebenso wenig wie man seine Schuhe
mit Papier aus-bessern oder ein zerbrochenes Fenster mit Eis zustopfen kann,
kann man ein im Zusammenbruch begriffenes Geschäft mit allerlei Manövern und
Spekulationen aufrecht erhalten.
Man sagt, Armut gebe
dem Menschen zu seinen fünf Sinnen einen sechsten Sinn hinzu, und das wäre auch
sehr nötig, denn viele Schuldner scheinen die anderen fünf Sinne auch verloren
zu haben, denn sie scheinen sich einzubilden, dass man mit Borgen nicht nur
Schulden macht, sondern auch abzahlt. Solche Leute bezahlen Peter mit dem, was
sie von Paul geborgt haben, und meinen so aus der Klemme herauszukommen,
während sie damit nur einen Fuß in den Dreck hineinsetzen, um den anderen
herauszuziehen. Eier rasieren ist schwer, aber leicht im Vergleich mit der Aufgabe, mit leeren Taschen
Schulden zu bezahlen. Wer sich Geld bei der Bank leiht, muss wissen: Auch sie
pflückt die Gans, solange sie Federn hat. Man muss seine Ausgaben kürzen und
seine Einnahmen sparen, wenn man schuldenfrei werden will. Man kann nicht zu
gleicher Zeit sein Geld ausgeben und auch seine Schulden damit bezahlen. Ich
glaube nicht, dass sich Schulden anders als mit barem Geld tilgen lassen.
Versprechungen machen Schulden und Schulden machen Versprechungen, aber
Versprechungen können keine Schulden bezahlen. Versprechen ist eines, tun ist
etwas ganz anderes. Das Wort eines gottesfürchtigen Mannes sollte so
zuverlässig sein wie ein Eid, und er sollte nie versprechen zu bezahlen wenn er
nicht die bestimmte Aussicht hat, dass, er zu der Zeit auch werde bezahlen
können. Wer die Bezahlung mit Versprechungen auf die lange Bank schiebt,
verdient keine Gnade.
Nun fürchte ich
freilich, dass ich alle diese gesunden Ratschläge ebenso gut dem Hahn und der
Henne auf dem Hof hätte vorpredigen können wie denen, die sich daran gewöhnt
haben, auszugeben, was nicht ihr eigen ist. Denn bei solchen Leuten gehen gute
Ratschläge zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Nun gut, wer
nicht hören will, muss fühlen, und wer billigen Rat verachtet wird sich teure
Reue kaufen müssen. Jungen Leuten jedoch, die eben ins Leben eintreten, kann
ein gutes Wort Gold wert sein, und so erlaubt sich denn der Pflüger Hans, ihnen
eine kurze Predigt über diesen Text zu halten, die folgende drei Teile hat:
Treibe stets etwas weniger Aufwand, als es dir deine Mittel erlauben. Mache nie
Schulden. Und präge dir den kurzen Reim ein: „Borgen macht Sorgen!“
Das Wort Zuhause
klingt mir immer wie Poesie, wie Glockengeläut am Hochzeitstag – nur dass es
noch sanfter und angenehmer tönt und mir noch tiefer zu Herzen geht. Ist das
Zuhause eine Hütte mit Strohdach oder ein Herrenhaus – das macht nichts aus.
Das Zuhause ist immer das Zuhause, mag es auch noch so einfach sein. Und kein
Ort auf Erden lässt sich damit vergleichen. Jeder Vogel hat sein Nest lieb. Die
Eule hält die alte Ruine für den schönsten Ort unter dem Mond, und der Fuchs
ist der Ansicht, dass sein Bau im Hügel ein sehr behaglicher Platz sei. Wenn
meines Herrn Schimmel weiß, dass es nach Hause geht, so bedarf es der Peitsche
nicht mehr, er fällt von alleine in Trab. Und ich bin ganz der gleichen
Meinung, denn der Weg nach Hause ist stets die beste Straße im ganzen Land. Mir
ist der Rauch aus meinem eigenen Schornstein immer lieber als das Feuer auf anderer
Leute Herd. Es ist immer besonders schön anzusehen, wenn er sich so unter den
Bäumen kräuselt und langsam nach oben steigt. Kalte Kartoffeln schmecken mir an
meinem eigenen Tisch besser als Braten an eines Nachbarn Tafel, und kein
Rosenstrauch duftet so schön wie der vor meiner eigenen Tür. Wird man
eingeladen, so wird man oft sehr freundlich bewirtet, aber das Zuhause ist es
nicht. „Fühlen Sie sich wie zu Hause“, so spricht man dann, weil jeder weiß, zu
Hause sein bedeutet sich wohlfühlen.
„Ost, West –
Hus best“
sagen die Holländer.
Und mit Recht, denn zu Hause ist man eben zu Hause, und was braucht man mehr?
Niemand nimmt es einem da übel, wenn man einen guten Appetit hat, und des
Nachts braucht man, sich nicht zu fürchten, in ein feuchtes Bett gesteckt zu
werden. Sicher wie in einem Schloss, wie ein König in seinem Palast fühlt der
Mensch sich da und braucht nicht zu fürchten, dass man ihn deswegen für stolz
hält. Jeder Hahn kräht auf seinem Dunghaufen, und ein Hund ist ein Löwe, wenn
er auf seinem eigenen Hof ist. Zu Hause braucht man nicht jedes Wort abzuwägen,
weil ein Gegner aufpasst; hier braucht man das Herz nicht unter Schloss und
Riegel zu halten; sondern, sobald die Tür geschlossen ist, atmet man
Freiheitsluft, und niemand guckt und spioniert umher. Ich weiß, es gibt manche
herrlichen Aussichtsplätze in unserem Land, die nicht zu verachten sind. Ich
kenne aber etwas, was alle berühmten Sehenswürdigkeiten an wahrer Schönheit
weit übertrifft, und das ist ein Blick in des Pflüger Hans' Hütte hinein, wenn
der Kessel auf dem Herd kocht und dabei wie ein sündlos gebliebener schwarzer
Engel singt, während die Katze vor dem Herd liegt und schläft, die Frau strickt
und die Kleinen wie junge Lämmer im Zimmer umhertollen. Merkwürdig, dass unsere
Kinder die hübschesten Kinder sind, die es gibt. Sie wiegen immer ein bis zwei
Pfund mehr als andere Kinder ihres Alters, und doch wird man nie müde, wenn man
sie umherträgt und mit ihnen spielt. Ich wette, meine Frau würde es nicht die
Hälfte der Zeit aushalten, wenn sie auf des Nachbars Kinder zu achten hätte;
aber ihre eigenen Kinder scheinen sie gar nicht müde zu machen – was, wie ich
glaube, schon daher kommt, dass sie im elterlichen Haus geboren sind. Aber so
ist es mit allem anderen auch: Unsere Straße ist im weiten Umkreis die
schönste, und unser Garten ist ein wahres Paradies, aus keinem anderen Grund
als dem sehr guten, dass er eben zu unserem Haus gehört.
Ich kann nicht
begreifen, warum so viele Leute ihre Abende im Wirtshaus zubringen, während
ihnen doch ihr eigener Herd einen viel besseren und dazu noch viel billigeren
Aufenthalt bietet. Aber da sitzen sie stundenlang vor dem Glas und reden Unsinn
und vergessen dabei total ihre Lieben zu Hause, die halbtot sind vor Müdigkeit
und Sehnsucht, nach ihnen! Ihr Geld füllt dem Gastwirt den Beutel, während es
doch der Frau und den Kindern zugute kommen sollte. Was aber das Bier betrifft,
das sie dafür kriegen, so ist das reine Narrenmilch, in der sie ihren gesunden
Verstand ertränken. Die vielen Wirtshäuser sind der Fluch unseres Landes. Sie
sind zu nichts gut, und das Böse, das sie anrichten, kann kein Mund
aussprechen. Ich wünschte: Wer ihnen eine gesetzliche Lizenz gegeben hat,
müsste verpflichtet sein, alle die Familien zu erhalten, die sie zugrunde
gerichtet haben. Die Wirtshäuser sind Feinde des häuslichen Lebens. Sie müssten
verboten werden, je schneller, desto besser. Arme Leute brauchen solche Orte
nicht, und die Reichen erst recht nicht. Alles, was das Haus zerstört, ist ein
Fluch.
Der Mann sollte
danach streben, sein Haus zu einer glücklichen und heiligen Stätte zu machen.
Das ist ein schlechter Vogel, der sein eigenes Netz beschmutzt, und ein
schlechter Mann, der sein eigenes Haus unglücklich macht. Unser Haus sollte
eine Kirche sein, über deren Tür geschrieben steht: „Heilig dem Herrn“; aber
kein Gefängnis, in dem es zwar viele Gesetze und Regeln, aber wenig Liebe und
kein Vergnügen gibt. Das Eheleben ist zwar nicht lauter Zucker, jedoch werden
die meisten Widrigkeiten verschwinden, wenn das Herz unter dem Einfluss der
Gnade steht. Gottseligkeit und Liebe können einen Menschen dahin bringen, dass
er wie ein Vogel in der Hecke auch unter Stacheln und Dornen singt und dabei
noch andere zum Singen ermuntert. Ein Mann sollte seine Freude darin finden,
seiner Frau Freude zu machen, und die Sorge der Frau sollte es sein, für ihren
Mann zu sorgen. Wenn Mann und Frau gegeneinander freundlich sind, sind sie
gegen sich selber freundlich.
Ich fürchte, einige
Leute machen das eigene Ich zum Maßstab ihres Verhaltens; ist das der Fall, so
wird das häusliche Glück zu einer leeren Einbildung. Wenn Mann und Frau an
einem Strang ziehen, wie leicht wird ihnen dann ihre Last! Zwei Menschen bilden
ein Paar, sind aber darum nicht immer gut gepaart, und das ist sehr schade. In
einem rechten Zuhause dreht sich der Streit nur darum, wer am meisten zum Glück
der Familie beitragen kann. Das Haus sollte ein Bethel, aber kein Babel sein.
Der Mann sollte der Grundstein des Hauses sein, der alles trägt, aber kein
Mühlstein, der alles zerdrückt. Harte und herrschsüchtige Ehemänner sollten
sich wenigstens nicht Christen nennen, denn sie handeln im direkten Gegensatz
zum Gesetz Christi.
Doch muss ein Haus
auch in guter Ordnung gehalten werden, sonst wird es ein Tollhaus und ein
Ärgernis fürs ganze Kirchspiel. Wenn der Vater die Zügel aus der Hand gibt,
wird der Familienwagen bald im Graben liegen. Eine weise Verbindung von Liebe
und Festigkeit wird am besten wirken, aber weder Härte noch Milde allein werden
das Haus in guter Ordnung erhalten. Ein Haus, in dem die Kinder nicht gehorsam
sind, ist kein Zuhause. Glücklich, wer bei seinen Kindern glücklich ist, und
glücklich sind die Kinder, die bei ihrem Vater glücklich sind. Nicht alle Väter
besitzen Weisheit. Einige gleichen dem Eli und verziehen ihre Kinder. Wer
seinen Kindern nie wehe tun will, wird sich selbst ein Weh aus ihnen bereiten.
Salomo sagt: „Züchtige deinen Sohn, so wird er dir Freude machen und deine
Seele erquicken“ (Sprüche 29,17). Gibt es in unserer Zeit wirklich weisere
Leute als es Salomo war, obwohl einige diese Ansicht von sich zu haben
scheinen. Junge Füllen müssen zugeritten werden, oder es werden wilde Pferde
aus ihnen werden. Einige Väter sind ganz Feuer und Flamme und geraten über den
geringsten Fehler in Zorn; das ist aber noch schlimmer als der Mangel an Ernst
und macht das Haus, das ein kleiner Himmel sein sollte, zu einer kleinen Hölle.
Zu wenig Wind gibt dem Müller Feiertage, aber zu viel Wind wirft die ganze
Mühle um. Menschen, die in Wut losschlagen, verfehlen meistens ihr Ziel. Wenn
Gott uns hilft, die Zügel fest in der Hand zu halten, ohne dabei die Mäuler der
Pferde zu verletzen, dann geht es gut. Wenn das Haus dem Wort Gottes gemäß
regiert wird, so könnten wir Engel einladen und sie würden sich darin zu Hause
fühlen.
Die Frauen sollten
erkennen, dass das Haus ihr Ort und ihr Königreich ist, dessen Glückseligkeit
hauptsächlich von ihnen abhängt. Es ist ein böses Weib, die ihren Mann mit
ihrer spitzen Zunge aus dem Haus treibt. Neulich sagte ein Mann zu seiner Frau:
„Wickle deine Peitsche auf“, womit er sagen wollte: „Sei stille!“ Es ist ein
elendes Leben, wenn man immer solcher Peitsche ausgesetzt ist. Man sagt, als
Gott dem Menschen zehn Maß Rede spendete, seien die Frauen mit neun Maß
davongelaufen. Ich fürchte, diese Darstellung ist in einigen Fällen nur zu
wahr. Eine schlampige und schwatzhafte Frau kann ihren Mann ins Tollhaus
bringen, und wenn er dann des Abends ins Wirtshaus geht, so ist sie schuld
daran. Es ist ein jammervolles Leben, wenn die Frau, anstatt ihren Gatten zu
achten und zu ehren, immer mit ihm zankt und tobt. Es ist ein wahres Glück,
wenn solche Frauen heiser werden. Schade, dass sie nicht ebenso viele Blasen
auf der Zunge wie Zähne im Munde haben. Gott erlöse uns von allen Frauen,
welche Engel auf der Straße, Heilige in der Kirche und Teufel im Hause sind!
Ich habe dieses bittere Kraut nie gekostet, aber ich bemitleide diejenigen aus
tiefstem Herzensgrund, die diese Kost alle Tage ihres Lebens zu genießen haben.
Zeigt mir einen liebevollen Gatten, eine treue Frau und artige Kinder, und ich
bin gewiss, dass ich nirgendwo einen angenehmeren Anblick finden würde, wo auch
immer ich ein Jahr lang suchen wollte. Das Zuhause ist die großartigste von
allen Institutionen. Sprecht mir noch so viel vom Parlament – mein kleines,
stilles Haus ist mir lieber. Was alles in der Verfassung des Landes
gewährleistet sein mag, kann ich nicht recht sagen; steht aber ein ruhiges Heim
für jedermann darin, dann lasse ich sie dreimal hochleben.
Wenn ich keine Heimat
hätte, so würde mir die Welt wie ein großes Gefängnis vorkommen. Viele meiner
Freunde sind ausgewandert und haben sich in Amerika oder gar in Australien ein
neues Zuhause gegründet. An einem rollenden Stein setzt sich bekanntlich kein
Moos an. Möge es ihnen besser ergehen! Solange sie daheim waren, ging es ihnen
freilich wie der Henne, die keine Gerste bekommt, wenn sie sitzt und brütet. In
diesen schlechten Zeiten wachsen einem Menschen freilich die Flügel. Ich bin
aber mit dem Bein an mein Haus gebunden und gedenke, will's Gott, unter meinen
Landsleuten zu sterben.
Geld verdienen ist
leicht im Vergleich mit der Kunst, es gut auszugeben. Man wird nicht reich
durch Geldeinnehmen, sondern durch Geldsparen. Viele Leute, die Geld haben,
haben so wenig Verstand, wie ein Schwein Wolle hat. Auch wenn sie schon über
vierzig sind, sind sie noch nicht vernünftig geworden und lassen die Hunderter
über das Wasser tanzen, als wären es flache Steine zum Spielen für die Kinder.
Was ihre Väter mit der Harke zusammengebracht haben, das werfen sie mit der
Schaufel weg. Auf den Geizigen folgt der Verschwender. Von ihm sagt man oft,
sein alter Vater sei gegen niemand freundlich gewesen als gegen sich selber,
und nun ist der Sohn gegen niemand feindlich als gegen sich selber. Der
Unterschied ist eigentlich nur der: der alte Herr ging zur Hölle auf dem
mageren Weg, und sein Sohn will nun auf dem fetten Weg dahingelangen. Sowie der
Verschwender sein Vermögen bekommt, schmilzt es dahin wie Butter an der Sonne.
Bei ihm ist immer der I. April; er kauft auch einen Elefanten, wenn er ihm
angeboten wird, und deckt sein Haus mit Pfannkuchen. Nichts ist ihm zu
närrisch, dass er nicht Gefallen daran fände. Sein Geld brennt ihm Löcher in
die Taschen, er muss und muss es vergeuden und rühmt sich dabei, dass sein
Wahlspruch sei: „Wer's Geld spendet, dem's Gott sendet.“ Er schert schon seine
Schafe, ehe er sie hat, nimmt sein Einkommen vorweg, greift sein Kapital an und
tötet also die Gans, die ihm die goldenen Eier legt, und dann schreit er: „Wer
hätte so etwas gedacht?“ Er sorgt für hohe Zinsen bei der Firma Raube, Trüge
& Schwindelmann, und wenn er dann vollständig ausgebaggert ist, so schreibt
er alle Schuld den Advokaten zu oder aber den schlechten Zeiten. Die Zeiten
sind aber noch nie gut gewesen für faule Verschwender, und wenn sie gut für
solche wären, so wären sie schlecht für die ganze übrige Welt. Warum die
Menschen solche Eile haben, sich an den Bettelstab zu bringen, ist ein Rätsel.
Und doch scheint heutzutage, wenn man all das Wetten bei Pferderennen, die
Arbeitsscheu und das Spekulieren bedenkt, eine regelrechte Schnellpost nach
Notheim eingerichtet worden zu sein. Bargeld muss für einige Leute eine wahre
Seltenheit geworden sein, und doch geben sie es aus wie Grafen und Herzöge. Sie
sind große Herren ohne Mittel, was ebensoviel ist wie Rosinenpudding ohne
Rosinen.
Wenn dann mit solch
flottem Leben auch etwas Spielen verbunden wird, so schmilzt das Geld wie ein
Schneeball im Ofen. Ein junger Spieler wird gewiss ein alter Bettler, wenn er
lange genug lebt. Es gibt mehr Esel als die, die vier Beine haben. Leider gibt
es sie ebenso gut unter den arbeitenden Klassen wie unter den feinen Herren.
Leute, die kein Vermögen haben als ihre Arbeit und kein anderes Familienwappen
als ihr Werkzeug, bringen dennoch ihren kleinen Verdienst im Wirtshaus oder mit
Verschwendung durch. Kaum ist ihnen der Lohn ausgezahlt, so geht's hinüber zum
„Grünen Baum“ oder in den „Weißen Adler“, um dort ihren Beitrag an
Narrengroschen zur Aufrechterhaltung des roten Gesichts und der Korpulenz des
Gastwirts zu leisten. Wasser trinken bringt einem Menschen weder Krankheit noch
Schulden, noch macht es seine Frau zur Witwe, und doch wissen einige Leute
kaum, was es für einen Geschmack hat. Das viele Bier aber, das mancher Arbeiter
die Kehle hinuntergießt, ist nicht besser als der braune Tod. Da sitzen dieses
Schafsköpfe auf der Bierbank und schwemmen das bisschen Verstand, das sie je
gehabt haben, vollends weg.
Ich glaube zwar, dass
die Landleute besser mit ihrem Geld zu wirtschaften verstehen als die Städter.
Denn obwohl ihre Einnahmen sehr gering sind, sehen ihre Kinder sonntags doch
rein und ordentlich aus. Allerdings ist die Miete auf dem Land nicht so hoch
wie in der Stadt, und man hat da auch ein Stück Garten. Jedoch verdienen die
Leute in den großen Städten auch ihr gutes Geld und haben viele Gelegenheiten,
billig einzukaufen, die der arme Landbewohner nicht hat. Doch ist es im
allgemeinen wohl nur auf das gute Wirtschaften zurückzuführen, dass die eine
Familie mit drei oder vier Talern die Woche auskommt, und auch schlechtes
Wirtschaften, dass eine Familie mit doppelt oder dreimal so viel in der Stadt
nicht bestehen kann. Leben doch einige Familien bei sehr geringem Verdienst so
lustig wie die Mäuse im Speck und andere mit doppelt so viel so elend wie
Ratten in der Falle. Freilich weiß jeder am besten, wo ihn der Schuh drückt,
doch ist Sparsamkeit ein sehr wertvolles Ding und macht, dass 20 Groschen
weiter reichen als ein Taler. Einige schaffen es, auch aus Kieselsteinen Suppe
zu bereiten, während andere selbst aus Filet keine Nahrung gewinnen können.
Einige gehen auf den Markt mit gerade soviel Verstand, wie Simson in seinen
beiden Schultern hatte, aber nicht mehr. sie verstehen es nicht einzukaufen.
Sie wissen nicht ihr Geld vorteilhaft anzulegen. Käufer sollten hundert Augen
haben, aber sie haben nicht einmal ein halbes Auge, und auch das machen sie
nicht einmal auf. Es ist ganz richtig gesagt worden, dass, wenn keine Narren
zum Markt kämen, schlechte Waren gar nicht verkauft werden würden. Sie
bekommen nie, was ihr Geld wert ist, und das häufig deswegen, weil sie ihr
Augenmerk auf billige Gegenstände gerichtet haben und dabei vergessen, dass das
Billigste meist das Teuerste ist und dass sie ihr gutes Geld für einen
schlechten Artikel hingeben. Wenn es fünf Eier für einen Groschen gibt, so sind
vier davon faul. Arme Leute kaufen oft in sehr kleinen Quantitäten ein und
bezahlen doppelt soviel dafür; denn wer groschenweise einkauft, unterhält sein
eigenes Haus und das eines anderen dazu. Warum kauft man nicht den Bedarf von
zwei oder drei Wochen auf einmal ein und bekommt es dann umso billiger? Vorrat
ist kein Unrat. Man spart oft an der falschen Stelle und lässt das Schiff
verrotten, weil man nicht für einen Sechser Teer daran verwenden will. Andere
sparen bei den kleinen Dingen und vergessen größere Dinge. Sie sind weise mit
ihren Groschen und töricht mit den Talern. Sie sparen am Hahn und lassen's
weglaufen am Spundloch. Einige kaufen Sachen, die sie gar nicht brauchen, nur
weil sie sie billig bekommen können: dabei ist, was man nicht braucht, für
einen Pfennig noch zu teuer. Schöne Kleider machen ein großes Loch in das
Einkommen armer Leute. Was in aller Welt hat der Pflüger Hans und ihr, die ihr
sonst euer tägliches Brot mit schwerer Arbeit verdienen müsst mit Samt und
Seide zu tun? Das wäre so, als wenn sich ein Schmied eine weiße Schürze
umbinden wollte. Warum takeln sich manche Mädchen so auf, als ob sie dächten,
man würde sie für eine große Dame halten. Eine Kaulquappe von einem Fisch zu
unterscheiden, dazu gehört nicht gerade viel Weisheit niemand hält einen
Mohnkopf für eine Rose. Wenn ein Mädchen ein paar Groschen übrig hat, so soll
sie sich lieber etwas aus Wolle für den Winter kaufen, als sich von hübsch
aussehendem, aber völlig nutzlosem Putz in Versuchung führen zu lassen. Kaufe,
was du tragen magst, und wenn es andere Leute nicht mehr passend finden, so
können sie ja ihre Augen zumachen. Alle Frauen sind gut – entweder zu etwas oder
zu nichts, zu welchem von beiden, kann man meistens schon an ihrer Kleidung
erkennen.
Ich denke, wir machen
alle die Erfahrung, dass das Geld rasend schnell alle wird. Doch es ist nun
einmal zum Zirkulieren gemacht, und es nützt nichts, es aufzuspeichern. Es ist
schlimm, wenn unser Geld wie ein Diener wird, der uns wegläuft und uns
verlässt. Aber es wäre noch schlimmer, wenn es sich bei uns niederließe und
unser Herr würde. Wir sollten den Mittelweg ausfindig machen, und weder
verschwenderisch sein noch geizig. Der gibt sein Geld am besten aus, der die
beste Frau hat. Der Mann kann Geld verdienen, aber sparen kann es nur die Frau.
„Die Weisheit der Frauen baut ihr Haus. aber ihre Torheit reißt's nieder mit
eigenen, Händen“ (Sprüche 14,1). Ein Mann hat kein Glück, wenn es ihm seine
Frau nicht erlaubt. Eine wirtschaftliche haushaltende Frau ist besser als ein
großes Einkommen. Eine gute Frau und Gesundheit sind der größte Reichtum, den
ein Mensch haben kann. Die guten Frauen – was sollten wir wohl ohne sie anfangen?
Es heißt, dass sie gern ihren eigenen Willen haben wollen, doch sagt das
Sprichwort man muss ihnen schon im Leben ihren Willen lassen, weil sie vor dem
Sterben einen Letzten Willen machen können.
Übrigens ist es heute
so heiß, dass ich meine Rede nicht weiter fortsetzen kann. Ich schließe mit dem
Lob der tüchtigen Hausfrau: „Wem eine tüchtige Frau beschert ist, die ist viel
edler als die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie
verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln… Lieblich und schön sein ist
nichts; ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben“ (Sprüche 31
10-11.30).
Eier sind Eier, aber
einige sind faul; und Hoffnungen sind Hoffnungen, aber einige sind eitle
Träume. Die Hoffnung des sanguinischen Menschen fährt in einem Nu in die Höhe
wie das Schachtelmännchen – wie von einer Feder in Bewegung gesetzt, aber nicht
von der Vernunft. So oft dieser Mensch aus dem Fenster sieht, sieht er bessere
Zeiten kommen. Obwohl sie fast nur von seinem Auge und sonst von niemand
wahrgenommen werden, so ist es doch eine viel schönere Gewohnheit, Plumpudding
im Mond zu entdecken, als über alles zu quaken wie ein zweibeiniger Frosch. Mit
solch einem Kameraden kann man in rabenschwarzer Nacht, wenn es in Strömen
regnet, gut unterwegs sein, denn er trägt Lichter in seinen Augen und eine
Wärmflasche in seinem Herzen. Nimmt man sich nur davor in acht, dass man sich
nicht von ihm irreleiten lässt, so kann man getrost mit ihm Gemeinschaft haben.
Sein Fehler ist, dass er seine Küken zählt, ehe sie ausgebrütet sind, und dass
er seine Heringe verkauft, ehe er sie im Netz hat. Aus all seinen Spatzeneiern
müssen notwendigerweise wenigstens Drosseln, wenn nicht gar Rebhühner und
Fasane herauskommen. Der Sommer ist schon da, denn er hat eine Schwalbe
gesehen! Er ist sicher, dass er in seinem neuen Laden sein Glück machen wird;
denn kaum hatte er die Tür fünf Minuten auf, als zwei seiner Nachbarn
hereinstürzten, von denen der eine ein Brot geliehen und der andere einen Taler
gewechselt haben wollte. Er ist überzeugt, dass der Gutsherr sein Kunde werden
wird, denn er hat gesehen, dass jener den Namen über der Ladentür gelesen hat,
als er vorüberritt. Dass „zwischen Lipp' und Kelchesrand schwebt der finstern
Mächte Hand“, glaubt er nicht, sondern macht aus jedem Vielleicht ein Gewiss.
Nun, du treue Seele, bist du auch bisweilen ein bisschen dumm, so ist doch viel
an dir zu loben, und ich denke gern an eines deiner seltsamen Sprichwörter:
„Sprich nie von Sterben, als wenn du tot bist, und da es dann nichts nützt, so
lass es ganz sein.“ Man sieht hieraus, dass es noch andere komische Menschen in
der Welt gibt als den Pflüger Hans.
Mein Nachbar, Herr
Mittellos, wartet darauf, dass seine Tante sterben soll. Die alte Frau hat aber
ein Leben wie neun Katzen, und ich denke mir, dass sie, wenn sie wirklich
stirbt, ihr kleines Vermögen eher einem Hospital für kranke Katzen oder für
aufgegriffene Hunde vermachen wird, als ihrem Neffen. Der arme Schlucker! Er
ist schon ganz abgerissen, und daran ist seiner Meinung nach nur der ärgerlich
gute Gesundheitszustand der alten Frau schuld. Dennoch hält er seine Hoffnung
fest und kommt dabei immer mehr herunter, denn während sein Gras wächst
verhungert sein Pferd. Wer auf den Tod eines anderen wartet, der zieht an einem
langen Seil, und wer Vermächtnissen nachjagt, muss eiserne Schuhe tragen. Wer
auf die von Toten hinterlassenen Schuhe wartet, wird lange barfuss gehen. Wer
auf seines Onkels Kuh hofft, darf es mit der Butter nicht so eilig haben. Wenn
Hans Mittellos nie eine Tante gehabt hätte, würde er vielleicht seine Ärmel
hochgekrempelt und tüchtig gearbeitet haben; man hat ihm aber gesagt, dass er
ein Glückskind sei, und so hat man einen Einfaltspinsel aus ihm gemacht, der
nicht mehr bei der Arbeit nützt als eine Kuh auf der Hasenjagd. Will irgend
jemand den Pflüger Hans mit einer Erbschah bedenken, so wird er ihm dafür sehr
dankbar sein. Er bittet aber darum, es ihn lieber nicht vorher wissen zu
lassen, sonst zieht er am Ende nicht mehr so gerade Furchen wie vorher. Besser,
man vermache ihm zweimal so viel und überrasche ihn dann damit. Im allgemeinen
wäre es aber besser, man hinterließe es dem Predigerseminar oder dem Waisenhaus
in Stockwell, da in diesen Fällen guter Gebrauch davon gemacht werden würde.
Ich wünschte, man ginge weniger auf die Glücksjagd und pflanzte dafür mehr
Apfelbäume. Hoffnungen, die aus Gräbern wachsen, sind tödliche Irrtümer, und
wenn sie einen Menschen an der eigenen Anstrengung hindern, so sind sie ein
Henkersstrick.
Einige Leute sind am
ersten April geboren und hoffen immer ohne Sinn und Verstand. Ein Schiff soll
in ihren Hafen einlaufen, sie werden einen Topf mit Gold aufgraben oder sonst
eine überraschende Nachricht empfangen. Die albernen Menschen! Sie haben sich
etwas in den Kopf gesetzt und träumen am hellen Tage. Sie können ihren Mund
lange offen halten, ehe eine gebratene Taube hineinfliegt. Und doch scheinen
sie wirklich zu glauben, dass eines Tages irgendein glücklicher Zufall, so ein
Regen von goldenen Äpfeln, sie aus aller Not erlösen und zu reichen Leuten
machen werde. Man kann lange pfeifen, ehe einem Goldfische in die Hand
springen. Einem unter einer Million mag vielleicht einmal ein plötzliches Glück
in den Schoß fallen, aber Tausende richten sich selbst zugrunde mit eitlen
Erwartungen. Wer erwartet, dass er die Hälfte von dem bekommen wird, was er
erwirbt, ein Viertel von dem, was ihm zukommt, und nichts von dem, was er
verliehen hat, der hat so ziemlich richtig gerechnet; wer aber denkt, dass ein
Schatz aus dem Mond auf ihn herabfallen wird, der ist der größte Narr auf
Erden. Man sollte seine Hoffnungen innerhalb der Schranken der Vernunft und der
Verheißungen des guten alten Bibelbuches halten. Die Hoffnung ist wie ein
Anker, aber ein Anker muss in einem Grund verankert sein. Eine Hoffnung ohne
Grund ist ein Fass ohne Boden, ein Pferd ohne Kopf, ein Schuh ohne Sohle, ein
Messer ohne Klinge. Wer anders als Hans Einfältig würde sein Haus beim Dach zu
bauen anfangen? Es muss ein Fundament da sein. Hoffnung ist keine Hoffnung,
sondern offensichtliche Torheit, wenn ein Mensch auf Unmöglichkeiten hofft,
oder Ernten erwartet, ohne gesät zu haben, und Glückseligkeit, ohne Gutes zu
tun. Solche Hoffnungen sind ein Irrlicht, das den Wanderer in den Sumpf lockt.
Sei versichert, Luftschlösser bauen ist sehr leicht, nützt aber sehr wenig. Wer
mehr in dieser Welt zu erlangen hofft, als er mit seiner Hände Arbeit verdienen
kann, hofft Aprikosen von einem Holzapfelbaum zu pflücken. Wer ein
putzsüchtiges Mädchen heiratet und eine gute Hausfrau an ihr zu bekommen hofft,
der könnte sich ebenso gut eine Gans kaufen und denken dass, er nun eine
milchgebende Kuh habe. Wer seine Söhne ins Wirtshaus mitnimmt und sie zu
nüchternen Menschen zu erziehen meint, setzt seinen Kaffeetopf aufs Feuer und
erwartet, dass er so blank aussehen werde wie neues Zinn. Wer mit schlechtem
Malz braut und dabei gutes Bier erwartet, ein böses Beispiel gibt und dabei auf
eine gut erzogene Familie rechnet, der hat seine fünf Sinne nicht mehr
beisammen. Man mag hoffen und hoffen, bis einem das Herz bricht; wenn man aber
seinen Jungen den Schornstein hinaufschickt, so kommt er doch schwarz herunter,
man mag hoffen, was man will. Lehre ein Kind zu lügen, und dann hoffe, dass ein
ehrlicher Mensch aus ihm werden wird; setze lieber eine Wespe in eine Teertonne
und warte darauf. dass sie Honig machen wird.
Was aber die
zukünftige Welt betrifft, so ist es jammerschade, dass man nicht ein wenig
vorsichtiger davon redet. Wenn ein Trunkenbold stirbt, so sagt sicher der eine
oder andere: „Ich hoffe, er ist im Himmel!“ Es ist ganz schön, einen solchen
Wunsch zu hegen, aber eine solche Hoffnung auszusprechen, ist doch etwas
anderes. Manche wenden ihr Gesicht der Hölle zu und hoffen, im Himmel
anzukommen. Warum laufen sie nicht in die Pferdeschwemme und hoffen, trocken zu
bleiben? Mit der Hoffnung auf den Himmel ist ein ernstes Ding, das am Wort
Gottes geprüft werden sollte. Ein Mensch könnte ebenso gut hoffen, Trauben von
den Dornen oder Feigen von den Disteln zu sammeln, wie unser Heiland sagt, als eine
selige Ewigkeit am Ende eines schlechten Lebens erwarten. Es gibt nur einen
Felsen, auf den man gute Hoffnungen bauen kann und das ist nicht Petrus, noch
sind es die Sakramente, sondern das Verdienst des Herrn Jesu. Darauf gründet
sich der Pflüger Hans und fürchtet sich nicht, denn das ist ein sicheres
Fundament und gibt einem eine feste und sichere Hoffnung, die weder Tod noch
Leben erschüttern kann. Doch ich darf den Predigern nicht ins Handwerk
pfuschen. Ich bitte deswegen bloß zum Schluss, noch daran zu denken, dass der
falsche Wahn eine Leiter ist, die dem, der hinaufklettert, den Hals bricht. Wer
also sein Leben lieb hat, der versuche es ja nicht!
Das große Geheimnis
des Vorwärtskommens heißt: Tüchtig arbeiten. Trägheit bringt nichts als Lumpen
und Armut zustande. Der Schweiß des Angesichts ist der einzige Stoff, aus dem
man Gold machen kann. Wer nicht will schwitzen, wird auch nicht besitzen. Wer
Vogeleier haben will, muss auf den Baum klettern. Durch aufgekrempelte Hemdsärmel
kommt man zu einem feinen Anzug, und wer sich nicht schämt, den Kittel zu
tragen, wird bald ohne ihn einhergehen können. „Fleiß ist die Mutter des
Glücks“, so sagt der arme Richard; und „Trägheit ist des Teufels Polster“, so
sage ich.
Glaubt mir, vorwärts
kommt man nur Schritt für Schritt. Hofft nicht, mit einem Sprung reich zu
werden. Langsam und sicher ist besser als schnell und schwankend. Der tägliche
Gewinn beharrlicher Arbeit macht einen Menschen viel reicher als dann und wann
eine glückliche Spekulation. Kleine Fische schmecken lecker. Jeden Tag einen
Faden macht im Jahr einen Strang. Ein Stein auf den anderen gelegt, macht ein
Haus. Erst sollte man kriechen, ehe man geht, und laufen, ehe man fährt. Je
mehr man eilt, reich zu werden, desto langsamer kommt man dazu. Eile fällt über
ihre eigenen Füße. Schnelle Kletterer fallen schnell.
Ein Geschäft anfangen
ohne Kapital, ist nicht gut. Mit leeren Taschen handeln ist schwer. Man muss
ein Nest-Ei haben, denn Hennen legen ihre Eier dahin, wo schon welche sind.
Freilich muss man backen mit dem Mehl, das man hat; wenn aber der Sack leer
ist, so tut man gut daran, sich nicht für einen Bäcker auszugeben. Ziegel
streichen ohne Stroh ist leicht im Vergleich mit Geld verdienen, wenn man kein
Geld zum Anfangen eines Geschäftes hat. Bleibe noch ein wenig länger Geselle,
mein junger Freund, bist du dir einige Taler gespart hast. Fliege, wenn du
Federn bekommen hast; versuchst du es aber zu früh, so wirst du dem jungen
Raben gleichen, der sich den Hals brach, weil er fliegen wollte, ehe er flügge
geworden war. Eine Sprotte möchte gewiss lieber ein Wal sein, aber es ist
besser, ein kleiner Fisch zu sein, solange man nur wenig Wasser hat. Wenn dein
Teich zum Meer wird, dann blase dich auf, soviel du willst. Handeln ohne Geld
heißt Häuser bauen ohne Steine, Feuer anmachen ohne Späne, Kerzen brennen ohne
Docht. Man versucht's dann bald mit diesem oder jenem Kniff und strandet
schließlich an einem Riff.
Gib ein kleines
Geschäft nicht eher auf, als bist du siehst, dass du mit einem großen mehr
verdienen wirst. Auch Krumen sind Brot. Ein schlechter Gaul ist besser als ein
leerer Stall. Ein halbes Brot ist besser als gar keines. Mit wenig Möbel in
einem kleinen Haus wohnt sich besser als in einem leeren großen. Wer in diesen
schlechten Zeiten einen Stein hat auf dem er sitzen und sein Brot essen kann,
tut gut daran, sich nicht nach anderem umzusehen. Vom Schlechten zum
Schlimmeren ist kein besonderer Fortschritt. Eine Brotkruste ist eine harte
Nahrung, aber gar keine ist noch härter. Gehe nicht aus dem Regen in die
Traufe. Denke daran, viele Leute haben in sehr kleinen Läden sehr großen
Verdienst gehabt. Ein kleines Geschäft mit Gewinn ist besser als ein großes mit
Verlust. Ein kleines Feuer, an dem man sich wärmt, ist besser als ein großes,
an dem man sich versengt. Auch aus einer kleinen Röhre kann man viel Wasser
bekommen, wenn der Eimer nur immer da steht, um es aufzufangen. In kleinen
Forsten kann man große Hasen fangen. Ein Schaf kann in einer kleinen Wiese dick
werden, in einer großen Wüste wird es verhungern. Wer zuviel unternimmt, wird
in Wenigem Fortschritt haben. Man kann einen Sack entzweireißen, wenn man ihn
zu voll stopft, und man kann sich ruinieren, wenn man zu habgierig ist.
In einem großen Fluss sind zwar viele große Fische; man kann aber auch darin
ertrinken.
Nimm so wenig
Veränderungen vor wie möglich. Bäume, die oft umgepflanzt werden, tragen wenig
Frucht. Wenn man an einem Ort Schwierigkeiten hat, so wird man sie ja an einem
anderen auch haben. Wenn man das Tal verlässt, weil es feucht ist, so wird man
auf dem Berg feststellen, dass es kalt ist. Wo gibt es einen Ort für den Esel,
an dem er nicht zu arbeiten haben wird? Wo kann eine Kuh leben ohne gemolken zu
werden? Wo gibt es ein Land ohne Steine oder Fleisch ohne Knochen? Überall auf
Erden muss man im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. Wer Mühe und
Arbeit entfliehen will, muss Adlerflügel haben. Veränderung ist nicht immer
Verbesserung – sagte die Taube, als sie aus dem Netz heraus und in die Pastete
hinein kam. Manchmal ist es recht, eine Veränderung vorzunehmen, und dann heißt
es, tüchtig Hand anzulegen, denn eine Henne, die sitzen bleibt, bekommt nichts
vom Futter ab. Aber laufe nicht ewig hin und her, denn an einem rollenden Stein
bleibt nicht viel Moos hängen. Wer ausharrt, siegt. Wer lange genug warten
kann, wird gewinnen. Erst dies und dann das und dann etwas anderes und alles
und jedes macht summa summarum nichts. Wer aber auf einem Pferd sitzen bleibt,
kommt mit der Zeit auch zum Ziel. An einem Ort gedeiht die Saat, in einem
Nest brütet der Vogel seine Eier aus, in einem Ofen backt das Brot,
in einem Fluss leben die Fische.
Sei dir nicht zu
vornehm für dein Geschäft. Wer über seine Arbeit die Nase rümpft, zankt mit
seiner eigenen Nahrung. Ein Schmied, der sich vor Funken fürchtet, ist zu
bedauern. Unannehmlichkeiten gibt es bei jedem Handwerk, nicht bloß bei dem des
Schornsteinfegers. Wenn die Matrosen nicht mehr zur See fahren wollten, weil
sie da nass werden könnten; wenn die Bäcker das Backen aufgeben wollten, weil
sie dabei Hitze auszuhalten haben; wenn die Bauern nicht mehr pflügen wollten
wegen der Kälte und die Schneider uns keine Kleider mehr machen, weil sie sich
dabei in den Finger stechen könnten – in was für einen Zustand würden wir da
geraten! Mein feines Herrchen, eines ehrlichen Berufes braucht sich niemand zu
schämen. Fürchte dich nicht, deine Hände zu beschmutzen, es gibt noch Seife
genug in der Welt. Jedes Handwerk ist gut, wenn man es nur gut betreibt. Ein
kluger Kopf macht Geld aus Schmutz. Auch an Streichhölzern ist viel zu
verdienen, wenn man nur viele verkauft. Man kann keinen Honig bekommen, wenn
man sich vor Bienen fürchtet, noch Korn säen, wenn man sich die Stiefel nicht
schmutzig machen will. Geckenhafte Menschen sollten lieber ins Schlaraffenland
auswandern, wo man sich mit Lackstiefel-Tragen und Glacéhandschuh-Anziehen
seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Wenn man erst Eisenstangen im Südwind
schmelzen, Felder mit Zahnstochern umgraben, Schiffe mit Fächern vorwärtstreiben,
Äcker mit Parfum düngen und Rosinenkuchen in Blumentöpfen ziehen wird, dann
werden die Bummler gute Zeiten haben. Aber jetzt werden wir uns alle noch viel
gefallen lassen müssen und besser daran tun, unsere gegenwärtigen Lasten zu
tragen, als Hals über Kopf dahin zu laufen, wo wir es noch viel schlimmer
finden werden.
In dieser Welt muss
man sich nun einmal plagen. Man muss die Ruder gebrauchen, die man eben hat,
und da man sich den Wind nicht wählen kann so, muss man mit dem segeln, den
Gott schickt. Mit Fleiß und Geduld wird man schließlich doch ans Ziel kommen.
Wenn die Katze lange genug am Loch sitzen bleibt, fängt sie die Maus. Der Bauer
Immerrüstig erntet guten Kohl und Salat, wo andere nur Disteln finden. Ich als
Landwirt weiß es: Man kann ein Feld nur dadurch durchpflügen, dass man immer
hin und her, hin und her pflügt; man kann nicht eine Viertelmeile auf einmal
pflügen. Wer sich nur redlich müht und Furche um Furche zieht, beackert das
ganze Gebiet, während die Faulheit flieht.
Schlafende Hühner
holt der Fuchs. Man muss gut aufpassen, wenn man einen Fang tun will. Narren
fragen, wie viel Uhr es ist, weise Männer wissen, was an der Zeit ist. Mahle,
wenn der Wind weht; tust du es aber nicht, so klage nicht die Vorsehung an.
Gott gibt jedem Vogel sein Futter, aber er wirft es ihm nicht ins Nest. Er gibt
uns unser täglich Brot, aber er schenkt es durch unsere eigene Arbeit. Man muss
die Zeit auskaufen und früh aufstehen. „Morgenstund hat Gold im Mund.“ Wer als
letzter in der Reihe fährt, kriegt den ganzen Staub ins Gesicht; darum steh
früh auf und du wirst den ganzen Tag im Vorteil sein.
Lass dich nie auf
Ränke und Schliche ein, um Geld zu verdienen. Es bringt keinen Gewinn, Honig
von Domen abzulecken. Ein ehrlicher Mensch wird sich nicht zum Hund machen, um
einen Knochen erwischen zu können. Auf des Teufels Glatteis zu gehen, ist
gefährlich; man kann darauf nicht Schlittschuh laufen, und es endet mit einem
schweren Fall oder mit Schlimmerem. Wer aus derselben Schüssel mit dem Satan
essen will, muss einen langen Löffel haben. Stürze dich nicht ins ewige
Verderben, um irdischen Gewinn zu erlangen; das ist ebenso, als wenn man sich
in einen Brunnen ertränkt, um einen Schluck Wasser zu bekommen. Lass dich auf
nichts ein, was Reue im Gefolge haben kann. Es ist besser, barfuss zu gehen,
als auf einem Wagen in die Hölle zu fahren. Wenn die Maus durch Käse gefangen
wird, so hat sie wenig gewonnen. Ehrlichen Verdienst oder gar keinen, das merke
dir. Denn betrügerisch erlangter Gewinn ist ewiger Verlust.
Gute Ware, volles
Gewicht und solide Preise locken Kunden in den Laden. Einen Laden, in dem man
übers Ohr gehauen wird, empfiehlt niemand. Betrüger gedeihen nirgends, es sei
denn in London, wo sie genug Gelegenheitskunden fangen, um von ihnen leben zu
können. Ein Schwindler mag wohl hin und wieder Glück haben, aber ehrlich währt
am längsten. Die Börse eines Schelms ist löcherig. Wer gestohlene Schuhe trägt,
wird Schwielen an den Füßen bekommen. An klebrigen Fingern bleiben noch andere
Dinge hängen als Silber. Stiehl Aale und sie werden sich in Schlangen
verwandeln. Je öfter der Fuchs stiehlt, desto eher wird er gejagt. Wenn ein
Gauner ein gutes Geschäft machen will, so sollte er ehrlich werden. Wenn du
auch nichts im Auge hast als deinen Gewinn, so handele dennoch aufrichtig, denn
dieses Geschäft lohnt sich am meisten.
Achte vor allem
darauf, was du ausgibst. Wie viel auch eingenommen wird, wenn mehr ausgegeben
wird, so wirst du immer arm bleiben. Die Kunst ist, nicht das Geld zu
verdienen, sondern es festzuhalten. Kleine Ausgaben richten doch wie viele
Mäuse in einer Scheune großen Schaden aus. Ein Haar nach dem anderen fällt aus
– sie bringen eine Glatze zustande. Strohhalmweise geht das Dach der Hütte ab,
und tropfenweise kommt der Regen in die Kammer. Ein Fass ist bald leer, wenn
der Zapfen auch nur jede Minute einen Tropfen herauslässt. Hühner sind bald
gerupft, eine Feder nach der andern. Kleine Maden fressen den Käse; kleine
Vögel verderben eine große Menge Weizen. Wer irgendwo sparen will, der fange
bei seinem Mund an: Viele Diebe lauern in der Halsstraße. Der Bierkrug ist ein
großer Verschwender. In allen Dingen halte die rechten Grenzen ein. Bei der
Kleidung wähle passende und haltbare Stoffe und keinen bloßen Flitterkram. Die
Hauptsache ist, dass sie warm hält; wie sie aussieht, ist Nebensache. Strecke
deine Beine nicht weiter aus, als es deine Decke erlaubt oder du wirst bald
kalte Füße bekommen. Ein Narr kann Geld verdienen, aber man muss ein weiser
Mann sein, um es ausgeben zu können. Es ist leichter, zwei Schornsteine zu
bauen, als in einem stets Feuer zu erhalten. Harte Arbeit und harte Kost in der
Jugend schaffen gute Aussichten auf Ruhe im Alter. Wer sich der Verschwendung
ergibt, schlägt den kürzesten Weg zum Armenhaus ein. Das Geld hat schon selber
Flügel, schafft man ihm nun noch ein zweites Paar an, so muss man sich nicht
wundern, wenn es schnell fliegt.
Entschuldigt, dass
ich dieses Garn so lang gesponnen habe, aber wie ich es zog, so kam es nach.
Ich wollte nur sagen: Seid nicht geldgierig, denn Habsucht ist immer arm.
Nichtsdestoweniger aber strebt danach vorwärtszukommen, denn Armut ist keine
Tugend und emporzukommen in der Welt gewährt einem Menschen nicht nur
Annehmlichkeiten, sondern gereicht ihm auch zur Ehre. Erwirb, was du kannst;
spare, was du kannst, und dann gib, was du kannst. Versuche nie, etwas an
deinen Spenden für Gottes Sache zu sparen; solches Spargeld frisst das andere
auf. Was man Gott gibt, ist nicht verloren, man bringt vielmehr sein Vermögen
auf die beste Bank. Solches Geben ist wahres Besitzen – wie es auf einem alten
Grabstein stand: „Was ich ausgab, hatte ich; was ich sparte, verlor ich; was
ich gab, das habe ich.“ Die Hände der Bedürftigen sind sichere Geldkassetten,
und Geld, das dem Herrn geliehen ist, ist gut angelegt. So wünscht der Pflüger
Hans allen jungen Anfängern viel Glück und langes Leben.
Selbst böse Menschen
lieben diejenigen, die entschieden und eindeutig handeln. Diebe haben am
liebsten mit ehrlichen Leuten zu tun, weil sie diese am besten betrügen können.
Wer sich mannhaft verhält, hat wenigstens eine gute Seite. Wer aber mit den
Wölfen heult und mit den Schafen blökt, wird von niemand gern gesehen, es sei
denn vom Teufel. Zwei Gesichter unter einem Hut haben, ist trotzdem keine
ungewöhnliche Erscheinung. Viele sehen so aus, als ob die Butter in ihrem Mund
gefrieren müsste, und können doch Feuer speien, wenn es ihrem Zweck entspricht.
Ich las neulich in der Zeitung von Röcken, die man auch umgewendet tragen
könne; der Schneider, der sie anbietet, wird gewiss sein Glück damit machen. Es
mit dem Hasen halten und mit den Hunden laufen ist auch jetzt noch Mode.
Entschiedenheit und Festigkeit ist so selten in der Welt anzutreffen wie
Wohlgeruch in der Hundehütte.
Man kann einigen Menschen
so weit trauen, wie man sie mit den Augen verfolgen kann, aber nicht weiter;
denn neue Gesellschaft macht auch neue Menschen aus ihnen. Wie Wasser kochen
oder gefrieren sie, je nachdem, wie die Temperatur ist. Einige verhalten sich
deshalb so, weil sie gar keine eigene Überzeugung haben. Sie vertreten
die Richtung der Wetterfahne und drehen sich mit dem Wind. Ihre Meinung zu
ermitteln ist ebenso leicht, wie am wechselnden Mond für einen Anzug Maß zu
nehmen. Sie glauben an das, was sich am besten bezahlt macht. Ihre Mühle mahlt
jedes Getreide, das man zu ihr bringt, wenn nur das bare Geld nicht ausbleibt.
Und es passt ihnen jeder Wind: Nord, Süd, Ost, West, Nordost, Nordwest, Südost,
Südwest, Nord-Nord-Ost, Süd-Süd-West und jeder andere, der in der Welt weht.
Wie Frösche können sie auf dem Lande oder im Wasser leben, und es macht ihnen
sehr wenig aus, ob hier oder da. Wie Katzen fallen sie immer auf ihre Füße, und
sie bleiben überall, wo man ihnen Butter aufs Brot streicht. Sie lieben ihre
Freunde, aber ihre Liebe wohnt im Brotschrank, und wenn der leer ist, so läuft
ihre Liebe wie eine Maus nach einer anderen Schublade fort. Sie sagen: „Dich
sollte ich verlassen, mein teures Mädchen? Nein, ich bleibe bei dir, solange du
noch einen Pfennig im Kasten hast.“ Aber wie schnell machen sie sich aus dem
Staube, wenn es schlimm damit aussieht! Wie die Ratten verlassen sie das
Schiff, ehe es sinkt. Ihr Herz ist beim Pudding. Solange der Topf kocht, sitzen
sie beim Feuer, wenn aber die Schüssel leer ist, so spielen sie Drehdichherum.
Sie halten's immer mit dem Pferd, das in der Rennbahn siegt. Sie ziehen jeden
Rock an, den man ihnen zu tragen gibt. Wer aber einen Pfennig für sie gibt, hat
sein Geld weggeworfen. Der Profit ist ihr Gott, und Geld ist ihnen immer süß, ob
sie es an dir verdienen oder an deinem Feind. Kopf sein oder Schwanz ist ihnen
gleich, wenn sie nur dabei gewinnen. Hauptstraße oder Nebenweg, das macht für
sie keinen Unterschied, wenn sie nur mit dem Brot im Korbe nach Hause kommen
können. Sie sind gute Freunde der Gans, essen aber auch ebenso gern das
Gänseklein. Wenn das Wasser nur ihre Mühlenräder treibt, so kann es ruhig
schmutzig sein. Andere sind so veränderlich, weil ihnen verzweifelt viel an
guter Kameradschaft liegt. Wer ihnen Gesellschaft leisten will, ist ihnen
recht, sei er ein Reisender oder ein Wegelagerer. Sie sind von Natur so
gutmütig, dass es ihnen eine Notwendigkeit ist, mit jedermann übereinzustimmen.
Sie sind Vettern von Herrn Irgendetwas. Ihr Gehirn ist in den Köpfen anderer
Leute. Wenn sie in Rom wären, würden sie dem Papst die Pantoffel küssen, wenn sie aber daheim sind, so
rufen sie, bis sie heiser werden: Nieder mit der Priesterherrschaft! Sie gehen
mit der Zeit in der Hoffnung, dass die Zeit mit ihnen gehen werde. Sie gehören
zu der Partei, mit der gelben Farbe, aber nicht im Knopfloch, sondern auf der
Innenfläche der Hand. Zieht man sie nur am Strick, so kann man sie auch läuten
wie Glocken, wozu man will, zum Begräbnis oder zur Hochzeit. „Komm zur Kirche“
hören sie ebenso gern wie „Geh zum Teufel“. Sie haben kein Rückgrat, man kann
sie biegen wie Weidenruten, rückwärts oder vorwärts, wie man will. Sie sind wie
Austern: Wer sie aufmacht, kann sie auch wegwerfen. Sie sind dir wohlgesonnen
und deinem Feind. Sie sind heiß und kalt. Sie wollen es beiden Seiten recht
machen und verdienen auch, von beiden Parteien mit den Füßen getreten zu werden
wie ein Fußball.
Einige sind Heuchler
von Natur aus – glatt wie ein Aal und scheckig wie des Barons Stute. Wie ein
Betrunkener können sie nicht gerade stehen, wenn sie es auch möchten. Sie
winden sich rechts und links wie eine Landstraße. Kartenmischen ist ihr
Lieblingsgeschäft und Ehrlichkeit ihr größter Abscheu. Honig ist auf ihrer
Zunge, aber Galle in ihrem Herzen. Wie Katzenfüße lassen sie eine weiche Pfote
sehen und tragen scharfe Krallen darunter. Wenn es gleichen Nutzen brächte, die
Wahrheit zu sagen oder zu lügen, so würden sie doch naturgemäß die Lüge
vorziehen, denn die ist mehr nach ihrem Geschmack, wie der Schmutz dem Schwein.
Sie schmeicheln und schwänzeln und kriechen und kratzfüßeln und sind den
Schnecken gleich, die sich mit Hilfe ihres Schleimes fortbewegen; dabei aber
hassen sie dich in ihrem Herzen und warten nur auf eine gute Gelegenheit, dir
den Dolch ins Herz zu stoßen. Nimm dich vor denen in acht, die aus der Stadt
Trugheim kommen. Herr Nachbeidenseiten, Herr Schönrede und Herr Zweizunge sind
Nachbarn, die am besten in einiger Entfernung wohnen. Sie sind wie Ruderer, die
in die eine Richtung blicken und in die andere fahren. Sie sind falsch wie die
Versprechungen des Teufels und grausam wie der Tod und das Grab.
Fromme Betrüger
gehören zum Schlimmsten und sind doch, fürchte ich, so zahlreich wie Ratten in
einem alten Weizenhaufen. Sie sind wie eine versilberte Nadel – von außen
blank, von innen trübe. Sie decken ihre schwarze Haut mit weißen Federn zu.
Sonntag und Montag sind bei ihnen sehr verschiedene Tage. Sie haben die Furcht
vor dem Prediger bedeutend mehr vor Augen als die Furcht vor Gott. Ihre
Frömmigkeit besteht im Nachäffen der Frommen, das Wesen der Sache haben sie
nicht in sich. Sie tragen das Gesangbuch in der Tasche und singen dabei
Schelmenlieder. Das beste, was sie an sich haben, ist ihr Sonntagsrock; je
näher man aber ihrem Herzen kommt, desto mehr Schmutz findet man. Schwatzen
können sie wie Papageien, aber ihr Wort und ihr Wandel stimmen nicht überein.
Einige meinen dadurch Kunden zu ergattern, und einige fromme Redensarten sind
eine billige Reklame fürs Geschäft. Ihr Geschäft aber ist ihnen nicht ein
Gottesdienst, sondern sie machen aus ihrem Gottesdienst ein Geschäft. Andere,
von der ärmeren Sorte, gehen zur Kirche wegen der Suppe, des Brotes und der
Holzmarken. Sie lieben die Kirchengemeinschaft wegen des Armengeldes. Die
liebe, alte Frau Wohlbeleibt, kann einen segensreichen Platz im Hospital
gebrauchen; daher ist sie auch, wie sie sagt, immer so gesegnet durch die
segensreichen Predigten, die sie jeden gesegneten Sonntag aus dem Segensmunde
des Pastors vernimmt. Mag es mit dem Glauben solcher Leute sonderbar bestellt
sein – Liebeswerke sind ihnen ganz recht. Sie wissen, wie man's anzufangen hat,
dass man Butter aufs Brot bekommt.
Andere tragen eine
fromme Außenseite zur Schau, um ihr Gewissen dadurch zu beschwichtigen; sie
legen sie als Pflaster auf ihre Wunden – und wenn sie damit den Himmel so
leicht zufrieden stellen könnten, wie sich selber, so stände es sehr gut um
sie. Habe ich doch Leute kennen gelernt, die einen erstaunlichen Eifer fürs
Christentum an den Tag legten, und die es doch, soweit ich sehen konnte, nur
deswegen taten, damit man recht groß von ihnen denken sollte. Sie sammelten
einen kleinen Kreis von Freunden um sich, die mit Bewunderung auf ihre Reden
hörten und denen alles reines Evangelium war, was sie auch zu sagen beliebten.
Ob der Prediger etwas taugte, darüber stand ihnen die Entscheidung zu. In den
schwierigsten Dingen wussten sie Bescheid, und sie hatten ein Fässchen ganz
vorzüglichen geistlichen Portweins für solche in ihrem Keller liegen, die etwas
Kräftiges liebten. Aber, o weh! wenn sie sich doch dazu hätten herablassen
wollten, auch im Leben ein wenig Christentum an den Tag zu legen, ein wie viel
volleres Gewicht würden dann ihre Reden gehabt haben! Diese Leute sind wie die
Eulen, die wie große Vögel aussehen und es doch nicht sind, weil sie zumeist
aus Federn bestehen. Und sie sehen auch erstaunlich weise aus im Zwielicht wenn
es, aber Tag wird, so werden sie als richtige Tölpel offenbar.
Wer sich mit
Heuchlern dieser oder jener Art einlässt, wird die Folgen zu tragen haben. Wer
versucht, den Herrn zu betrügen, wird auch gern bereit sein, seine Mitmenschen
zu betrügen. Wo viel Geschrei ist, da ist meistens wenig Wolle. Mancher
Schornstein ist so groß, dass man viel Speck und Schinken in ihm zu finden
hofft; schaut man aber hinauf, so sieht man oft nichts als leere Haken und
schwarzen Ruß. Die Windmühlen einiger Leute sind bloße Nussknacker. – Nicht
alle, die in die Kirche oder in die Versammlung gehen, beten auch im Geist und
in der Wahrheit an. Die am lautesten singen, sind es nicht immer, die Gott am
meisten loben. Und die die längsten Gesichter machen, sind nicht immer die, die
vom größten Ernst erfüllt sind.
Besser ein toter Hund
als ein lebendiger Heuchler. In der Tat, wenn der Teufel die Heuchler in ihrem
Wesen beobachtet, muss er eine wahre Herzensfreude an ihnen haben. Echte
Christen versucht er, aber diese Leute lässt er unbehelligt, denn er weiß, sie
sind ihm gewiss. Lahme Enten braucht er nicht erst zu schießen, sein Hund kann
sie zu jeder Zeit auflesen.
Verlasst euch drauf,
meine Freunde, wenn eine gerade Linie nicht zum Ziele führt, so wird es eine
krumme erst recht nicht tun. Was durch Schwindeln erstanden wird, ist ein sehr
gefährlicher Gewinn. Eine Maske tragen mag einen augenblicklichen Frieden
verschaffen, aber Betrügerei wird sich an sich selber rächen und Schmerzen zur
Folge haben. Ehrlichkeit ist die beste Politik. Wenn es mit dem Fell des Bären
nicht geht, so versucht es ja nicht mit dem des Fuchses. Seid zuverlässig wie
Stahl. Lasst euer Gesicht und eure Hände wie Zifferblatt und Zeiger einer Uhr
immer angeben, was innerlich vorgeht. Lasst euch lieber wegen Offenherzigkeit
auslachen als wegen Schlauheit rühmen. Offenheit mag uns in Verlegenheit
bringen, ist aber besser als List. Die Aufrichtigen werden am letzten Tage
ihren Lohn empfangen; ein Arglistiger aber kann ebenso wenig in den Himmel
kommen, wie einer, der unter jedem Arm einen Mühlstein trägt, über den
Atlantischen Ozean schwimmen kann.
Die Kunst des
Übertreibens ist heutzutage weit verbreitet. Man hört von Stachelbeeren, die
doppelt soviel wiegen wie möglich, und Entenschwärme lassen sich nieder, so oft
die Zeitungen Saure-Gurkenzeit haben. Wenn ein Wagen vorüberfährt und es
rasselt dadurch der Deckel einer Kaffeekanne einer alten Frau, so wird es als
ein Erdbeben verzeichnet. Solche hübschen Phantasiebilder sind durchaus nicht
selten. Manche Leute schauen immer nach Wundern aus, und wenn sie sie nicht
sehen, so erfinden sie welche. In der Nacht sehen sie Kometen und hören alle
Tage eine merkwürdige Geschichte. Alle ihre Maulwurfshügel sind Berge. Alle
ihre Enten sind Schwäne. Sie haben die Multiplikation der Zahlen gut studiert
und machen freien Gebrauch von ihrer Wissenschaft. Haben sie sechs Köter
beieinander gesehen, so schwören sie darauf, hundert Jagdhunde gesehen zu
haben. Jawohl, und sie werden rot im Gesicht wie ein Puter, wenn irgendjemand
ein wenig skeptisch blickt. Bald werden sie überzeugt sein, dass sie
zehntausend Löwen erblickt haben. Denn alles wächst bei ihnen so schnell wie
die Pilze nach dem Regen und schwillt ihnen zu Bergen an.
Alles um sie her ist
wunderbar. Was aber sie selber betrifft, so ist niemand gut genug, ihnen die
Stiefel zu putzen. Sie sind die Creme der Schöpfung. Sie sind so stark wie
Simson und können tüchtiger ziehen als des Pflügers Hans Gespann, wollen's aber
nicht probieren, weil sie sonst die Stricke zerreißen könnten. Ihr Reichtum ist
enorm, sie könnten, wenn sie nur wollten, sämtliche Staatsschulden bezahlen,
haben indessen gute Gründe, es vorläufig noch nicht zu tun. Wenn sie einen
Laden haben, so setzten sie mehrere Millionen im Jahr um und schränken ihr
Geschäft nur aus Mitleid mit ihren Nachbarn ein. Sie verkaufen die besten Waren
zu den niedrigsten Preisen, faktisch unter dem Kostenpreis. Und niemand im Lande
kann es mit ihnen aufnehmen. Wenn sie Landwirtschaft treiben, so tun sie es nur
zu ihrem Vergnügen und um den dummen Bauern zu zeigen, wie man die Sache
anzufangen hat. Alle ihre Taten sind wahre Wunder! Wie der Zirkus, der neulich
in unserem Dorfe war, sind sie eine ganz „einzigartige, originelle und
unübertreffliche“ Erscheinung. Und doch sind sie ein ebenso fauler Schwindel,
wie es jene Tierschau war: Das beste daran waren die Bilder, die außen an der
Bude angebracht waren, und gerade so steht's mit ihnen. Doch ist es
erstaunlich, wie sie den Mund aufreißen können. Man höre sie nur reden! Das
geht immer mit Großbuchstaben und mit Ausrufungszeichen. „Haben sie je ein so
prächtiges Pferd gesehen, mein Herr? Es läuft schneller als der Wind! Diese Kuh
da, ich muss Sie bitten, sie recht in Augenschein zu nehmen, denn es gibt keine
zweite derartige in dieser Gegend; sehen Sie nur, wie graziös sie mit dem
Schwanz wedelt! Und mein Junge da, der hat einen Kopf – weit über seine Jahre!
Ein wahres Wunderkind! Sieht seinem Vater ähnlich, sagten Sie? Sehr gütige
Bemerkung von Ihnen, aber viel Wahres daran! Denn glauben Sie mir, derjenige
muss früh aufstehen, der es mit mir aufnehmen will! Sehen Sie nur mein Feld an!
Haben Sie je solche Rüben gesehen? Die Blätter zerfressen? Durchaus nicht,
sieht nur so aus. Es ist eine ganz besondere Art von Rüben, mit Ventilationsblättern, die von Natur durchlöchert
sind, um die Luft aus- und einzulassen! Zu viele Maulwurfshügel, meinen Sie?
Hat eine besondere Bewandtnis damit. Unsere Maulwürfe sind nämlich eine große
Seltenheit. Sie werfen größere Hügel auf als irgendwelche anderen im ganzen
Land und sind von einer ganz vorzüglichen Sorte, die sonst ausgestorben ist.
Haben Sie diese ungeheure Distel bemerkt? Ist es nicht ein Prachtexemplar? Groß
genug, dass ein Schotte vor Freuden stürbe, wenn er sie sähe! Das beweist, was
es für ein vorzüglicher Boden ist. Darum war auch unser letzter Weizen, den wir
gewonnen haben, so erstaunlich schwer, dass wir gar nicht wussten, wie wir ihn
einbringen sollten. Die Wagen ächzten förmlich unter der Last. Die halbe
Grafschaft kam zusammen, um beim Dreschen zuzusehen, und die ältesten Leute im
Kirchspiel sagten, sie hätten so etwas noch nie erlebt. Gut, dass Maschinen
erfunden sind, Menschen hätten ihn niemals dreschen können!“
Wenn jemand in diesem
Stil zu reden sich angewöhnt hat, so ist es ihm gleich, worauf er loshämmert,
es ist immer das Größte, Schönste und Allerwunderbarste im ganzen Land oder
aber das Allerschrecklichste, Entsetzlichste und Fürchterlichste in der Welt.
Seine Stiefel würden Goliath nicht passen, aber seine Zunge ist viel zu groß
für des Riesen Mund. Er malt mit einem Besen. Er bezuckert einen Pfannkuchen
mit einem Spaten und legt seine Butter mit der Kelle auf. Sein Pferd, sein Hund,
seine Flinte, seine Frau, sein Kind, sein Gesang, seine Pläne sind lauter
Hat's-noch-nie-Gegeben. Er ist der Vordermann von allem; er ist Numero Eins,
und es dürfte schwer fallen, einen Menschen zu finden, der Numero Zwei nach ihm
sein könnte. Das Wasser aus seinem Brunnen ist kräftiger als Wein; es regnet
Erbsensuppe in sein Wasserfass; an seinen Johannisbeersträuchern wachsen
Trauben; in seinen Kürbissen kann ein Mann aufrecht stehen, und nun erst seine
Blumen! … Hat er doch gehört, dass nur noch die Königin eine solche Geranie
hatte wie er, obwohl seine besser ist!
Das Merkwürdige ist,
dass Menschen dieses Typs nicht sehen, dass sie jedermann auslacht. Sie müssen
blind geworden sein von ihrer Prahlerei. Jedermann sieht ihrer Schüssel auf den
Grund und doch, hören sie nicht auf, sie einen Ozean zu nennen, als ob es
lauter Dummköpfe wären, mit denen sie es zu tun hätten.
Ich habe Menschen
kennen gelernt, die ihren Mund aufrissen wie ein Scheunentor, um sich damit zu
brüsten, was sie alles tun wollten, wenn sie in den Schuhen eines anderen
steckten. Wenn sie im Abgeordnetenhaus säßen, so wollten sie alle Steuern
abschaffen, die Armenhäuser in Paläste verwandeln, aus den Brunnen Bier fließen
lassen und die Flüsse in Brand stecken. Aber alles dies hängt von einem Wenn ab
und dies Wenn ist ein spitzer Gartenzaun, über den sie noch nie hinweg
gesprungen sind. Wenn der Himmel herunterfällt, so werden wir Lerchen fangen
können. Wenn Hans Angabe nur die Zügel in die Hände bekommt, wird er die Pferde
zum Mond hinauffliegen lassen. Wenn ist ein schönes Wort – wenn ihm ein Mensch
auf den Rücken springt, wird es ihn in Welten tragen, die nie geschaffen worden
sind, und die Wunder schauen lassen, die nie geschehen sind. Mit einem Wenn
kann man ganz London in einen Blumentopf tun.
Wenn alle Meere flössen in ein Meer nur hinein,
wie groß würd' dieses Meer wohl sein!
Wenn alle Bäume wüchsen in einen Baum hinein,
wie groß würd' dieser Baum wohl sein!
Wenn alle Äxte sich schmiegten in eine Axt hinein,
wie groß würd' diese Axt wohl sein!
Wenn alle Männer gingen in einen Mann hinein,
wie groß würd' dieser Mann wohl sein!
Wenn nun die große Axt ergriff der große Mann
und hiebe damit um den großen Baum alsdann
und ließ ihn fallen in das große Meer,
wie spritzte da das Wasser ringsumher!
„Lauter Unsinn!“ ruft
hier einer aus. Und so denkt der Pflüger Hans auch, und eben darum teilt er es
hier mit als ein Beispiel für die Albernheiten, in die Angeber so gern
verfallen. Das hier Mitgeteilte ist noch nicht halb so dumm wie neun Zehntel
von den ungeheuren Torheiten, die sie zu Tage fördern. Was haben einige von
diesen Prahlhänsen nicht alles getan! Soll man's glauben? (Ich sage: „Nein, ich
glaube es nicht!“ Sie haben ihr und anderer Leute Glück im Handumdrehen
gemacht. Ihr Rat hat manchen Beutel mit Gold bespickt. Ihre Rede übte eine
solche Gewalt auf die Versammlung aus, dass die Leute wie angewurzelt auf ihren
Plätzen saßen. Sie waren in einen Disput verwickelt, und als ihre
Parteigenossen schon beinahe vollständig geschlagen waren, da warfen sie die
ganze Opposition mit einem Mal mit solch außerordentlichem Witz und Verstand
über den Haufen – König Salomo war dumm im Vergleich zu ihnen. Was das
christliche Leben betrifft, so haben sie es zuerst in ihrer Gegend
hervorgerufen und durch ihre erstaunlichen Bemühungen alles in Gang gehalten.
Sie haben das goldene Ei gelegt. Die Menschen sind leider undankbar, oder sie
würden sie beinahe anbeten. Es ist eine Schande, wie sie beiseite gesetzt
worden sind und neulich sogar hinausgeworfen wurden von eben denselben Leuten,
die durch sie etwas geworden sind. Solange sie noch die Hand im Spiel hatten,
ging alles gut mit der Gemeinde. Seitdem sie aber diese verlassen haben, so
sagen sie, ist irgendwo etwas nicht mehr in Ordnung und man sollte nur ein
wenig warten, so würde man's schon erleben. Wenn sie eine Anwandlung von
Bescheidenheit haben, so nehmen sie Davids Wort in den Mund und sprechen: „Das
Land zittert, aber ich halte seine Säulen fest.“ Ihr Tod, denkt man, müsste die
ganze Welt in ein Trauerhaus verwandeln. Wenn sie nicht mehr Kunde wären, so
müsste man eigentlich sofort sein Geschäft schließen, und es ist reine
Unverschämtheit, wenn man noch existieren zu können hofft, nachdem man solche
Kunden wie sie verloren hat. Fühlen sie aber ein wenig natürlichen Stolz über
ihre großen Taten, dann kann man etwas Ordentliches zu hören bekommen: Sie
blasen nicht bloß die Trompete ihres eigenen Ruhmes, nein, sie haben ein
vollständiges Orchester zur Verfügung, in dem auch die große Trommel und was sonst
dazugehört nicht fehlt, und sie lassen dann alle ihre Instrumente ganz prächtig
spielen zu ihrem eigenen Preis und Ruhm.
Ich möchte lieber den
ganzen Tag lang pflügen und die Nacht mit dem Wagen auf der Straße festliegen,
wenn es so kalt ist, dass einem die Nase abfriert als einem dieser Prahlhänse
zuhören. Ich möchte lieber fasten, bis ich so schlaff bin wie ein Wischtuch,
als den besten Braten essen, der je auf einen Tisch gekommen ist, und mich
dabei von einer schrecklichen Großsprecherei betäuben zu lassen. Sie reden in
einem so gewaltigen Ton und vergrößern alles so fürchterlich, dass man ihnen
auch dann nicht glauben kann, wenn sie das eine oder andere wahre Wort
einschalten. Sie sind große Lügner, aber sind sich dessen kaum bewusst, denn
sie haben solange geredet, dass sie an ihren eigenen Bombast glauben. Der
Frosch meinte, er wäre so groß wie die Kuh, und fing dann an, sich aufzublasen,
um es wahr zu machen. So blähen auch die sich auf und werden auch platzen wie
er, wenn sie sich nicht vorsehen.
Wir wollen danach
streben, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu reden.
Wenn wir ein Huhn ein Rebhuhn nennen, dann werden wir bald ein Murmeltier einen
Ochsen nennen. Fängt man erst an zu übertreiben, so lässt sich nicht vorhersagen,
wie weit man kommen wird. Man hat einmal die gerade Straße der Wahrheit
verlassen, und niemand kann sagen, wohin einen der krumme Weg führen mag. Wer
kleine Lügen ausspricht, wird sich bald nichts aus großen machen, denn das
Prinzip ist dasselbe. Wo ein Mauseloch ist, wird auch bald ein Rattenloch sein,
und wenn die junge Katze kommt, wird auch die alte bald folgen. Wenn es erst
regnet, so gießt es auch zumeist; eine kleine Unwahrheit leitet über zu einem
wahren Schauer von Lügen.
Selbstruhm ist keine
Empfehlung. Eigenlob stinkt, anderer Lob klingt. Steh auf deinen eigenen Füßen,
aber singe nicht dein eigenes Lob. Großsprecherei ist Schaumschlägerei. Lange
Zunge, kurze Hand. Viel sprechen, wenig tun. Hunde, die bellen, beißen nicht.
Das magerste Schwein grunzt am meisten. Die Henne, die am meisten gackert, legt
nicht die meisten Eier. Zwischen Sagen und Tun ist ein großer Unterschied. Je
mehr die Kuh blökt, desto weniger Milch gibt sie. Der größte Dreschlärm
entsteht, wo kein Weizen ist. Viel Geschrei, wenig Wolle. Viel Schaum, wenig
Bier. Trommeln klingen laut, weil sie hohl sind. Wahrhaft fromme Menschen
kennen sich selber zu gut, um ihr eigenes Lob zu verkündigen. Kähne ohne Ladung
ragen auf dem Kanal hoch empor, aber je voller sie sind, desto tiefer sinken
sie. Guter Käse verkauft sich ohne Marktschreierei. Guter Wein braucht keine
Reklame. Wenn Menschen wirklich tüchtig sind, so merkt man es, ohne dass es
einem gesagt zu werden braucht. Am Prahlen erkennt man den Narren. Den Esel
erkennt man an seinem Geschrei. Wenn ein Mensch unwissend ist und den Mund
hält, so wird ihn niemand verachten; wenn er aber schwätzt mit leerem Schädel
und mit einer langen Zunge, so schreibt er seinen N amen mit großen Buchstaben
nieder, und zwar mit folgenden vier: NARR. Die Esel erkennt man an den Ohren,
an seinem Geschwätz den Toren.
Nicht eher ist eines
Menschen Schicksal vollkommen bekannt, als bis er gestorben ist. Ein
immerwährender Wechsel des Glücks ist nun einmal unser Los auf Erden. Wer heute
im Wagen fährt, muss ihn vielleicht morgen waschen. Brettschneider wechseln
ihre Plätze, und wer hoch oben steht, kann an die Reihe kommen, unten in der
Grube zu stehen. In weniger als tausend Jahren werden wir alle eine Glatze
haben. Wer weiß, was uns noch vor der Zeit widerfahren mag? Auch wir könnten
einmal unter einem Fenster stehen, darum sollten wir beim Ausgießen unseres
schmutzigen Wassers Vorsicht walten lassen. Mit welchem Maß wir messen, werden
auch wir wieder gemessen werden, darum lasst uns darauf achten, dass wir die
Unglücklichen behandeln, wie es recht ist.
Nichts nimmt mich
mehr gegen die menschliche Natur ein, als wenn ich die Art und Weise beobachte,
wie die Menschen andere behandeln, wenn sie von der Leiter des Glücks
herunterfallen. „Geschieht ihm recht“, schreien sie dann, „er hat nie etwas
getaugt.“ Ein Hund frisst den anderen nicht auf, aber die Menschen verzehren
einander wie Kannibalen und rühmen sich dabei noch ihrer Taten. Es gibt
Tausende in dieser Welt, die, sobald ein Kaufmann oder ein Händler in
Schwierigkeiten kommt, wie die Geier herbeifliegen, um an ihm zu nagen.
„Wo ein Aas ist, da
sammeln sich die Geier.“ Anstatt ihm ein wenig Hilfe zu leisten, sind sie hart
gegen ihn und schreien: „Selber schuld!“ Alle Welt schlägt auf einen Menschen
los, der Unglück hat. Trifft ihn ein Schicksalsschlag, so fangen alle Menschen
an, mit der Peitsche zu knallen. Der Baum ist gefallen, und jedermann läuft und
holt sein Beil. Das Haus brennt, und die Nachbarn wärmen sich daran. Der Mann
macht schlechte Geschäfte, und schon behandeln ihn seine Freunde schlecht.
Einer ist nach unten geraten, schon schreit die Selbstsucht: „Lasst uns dafür
sorgen, dass er unten bleibt, so ist desto mehr Platz für die, die oben sind.“
Besonders traurig ist das Los aber, wenn die, die jemand hinuntergestoßen
haben, ihm noch zusätzlich solche Stöße versetzen, dass er nicht wieder
aufsteht! Es ist nicht sehr angenehm, hören zu müssen, was für ein großer Narr
man gewesen sei und dass es mindestens fünfzig Mittel gegeben habe, um aus der
Schwierigkeit herauszukommen – man habe aber nicht den Verstand besessen, es zu
bemerken. „Hätte er, dann hätte er nicht ...“ „Er hätte die Stalltür
verschließen sollen“; jedermann kann das einsehen, aber niemand bietet sich an,
dir einen neuen Gaul statt des verlorenen zu schenken. „Wie schade, dass er
sich so weit aufs Eis vorgewagt hat!“ Das ist vollkommen richtig, wird aber dem
Ertrinkenden nicht das Leben retten. Es ist leicht, in einen fadenscheinigen
Rock ein Loch zu machen. Gute Ratschläge sind für eine hungrige Familie
schlechte Nahrung.
Leihe mir jetzt ein
Stück Bindfaden, um die Stränge wieder zusammenzubinden, und tadele das alte
Geschirr, wenn ich wieder zu Hause bin. Gib meinem alten Gaul ein wenig Hafer,
und heiße ihn dann getrost schneller laufen. Fühle Mitleid mit mir, und ich
will dir sehr dankbar dafür sein, aber lass deine Tasche auch Mitleid fühlen,
oder du kannst mir mit all deinen Gefühlen gestohlen bleiben.
Menschen, die bergab
gehen müssen, treffen mit Judas zusammen, ehe sie den Fuß des Berges erreicht
haben. Diejenigen, denen sie in ihren besseren Tagen geholfen haben, vergessen
meistens ihre Schuld oder zahlen sie mit Undank zurück. Der junge Schössling
stiehlt dem alten Stamm den Saft. Das junge Füllen saugt seiner Mutter die
Milch ab und schlägt dann mit dem Huf nach ihr aus. Wie oft wird das Sprichwort
wahr: „Ich habe dich schwimmen gelehrt, und nun willst du mich ducken.“ Der
Hund wedelt mit dem Schwanz, bis er den Knochen bekommt, und dann schnappt und
beißt er nach dem Mann, der ihn ihm gegeben hat. Gegessen – vergessen, und die
Hand, die das Brot gab, wird verachtet. Die Kerze gibt anderen Licht und
verzehrt sich selbst dabei. Nichts ist meistens schneller im Gedächtnis
ausgelöscht als ein guter Dienst, den man einem anderen geleistet hat. Jeder
ist sich selbst der Nächste, das ist die goldene Regel der Welt, und wir wissen
alle, wer den letzten Platz bekommt. Der Fuchs sorgt für seine eigene Haut und
ist durchaus nicht bereit, aus Dankbarkeit seinem Freund gegenüber seinen
Schwanz zu verlieren.
Ein edler Charakter
ergreift für den Schwächeren Partei, aber edle Charaktere reiten nicht oft
unsere Straße entlang. Sie sind so selten wie Adler; Elstern und Krähen kann
man dutzendweise haben, edlere Vögel aber bekommt man nicht oft in seinem Leben
zu Gesicht. Hat man je gesehen, dass die Krähen einem toten Schaf, ehe sie es
aufgefressen haben, die Grabrede halten? „Wie traurig, wie ist es nur
zugegangen? Welch ein Unglück!“ schreien die Nachbarn; und dann fallen sie darüber
her und versuchen einen Anteil an der Beute zu bekommen. Die meisten Menschen
bieten denen ihre Hilfe an, die keine Hilfe brauchen. Alle Köche verstehen es,
ein fettes Schwein zu rösten, aber das magere lassen sie anbrennen.
Wenn der Wind günstig
ist, so helfen alle. Solange der Topf kocht, blüht auch die Freundschaft. Aber
die Schmeichler finden sich nicht in den Hütten des Elends, und die verblühte
Rose hat keinen Freier. Alle Nachbarn sind des reichen Mannes Vettern, aber den
Armen kennt sein eigener Bruder nicht. Der Gutsherr wird eine halbe Meile weit
verstanden, wenn er auch nur lispelt; aber die Witwe Bedürftig kann man nicht
einmal diesseits der Parkmauer verstehen, wenn sie auch noch so laut schreit.
Die Menschen gießen gern Wasser in ein volles Fass und geben Feste denen, die
nicht hungrig sind, weil sie ebenso gute oder noch bessere dafür mitfeiern zu
dürfen hoffen. Hast du erst eine Gans, so kriegst du noch eine Gans. Hast du
ein eigenes Pferd, so kannst du dir eines borgen. Gerste zu leihen, wo die
Scheune voll Weizen ist, ist sicher; aber wer leiht oder gibt, wo nichts ist?
Ja, wer? Außer etwa einer altmodischen guten Seele, die an die Bibel glaubt und
ihren Herrn liebt und dem Worte gemäß handelt: „Wohl dem, der barmherzig ist
und gerne leiht und das Seine tut, wie es recht ist!“ (Psalm 112,5).
Gewisse vornehme
Leute stellen sich äußerst freundschaftlich einem in Schwierigkeiten geratenen
Geschäftsmann gegenüber, weil es noch etwas von seinen Knochen abzunagen gibt.
Der Advokat und der Geldverleiher bedecken den armen Schlucker mit ihren
Flügeln und picken dann mit den Schnäbeln an ihm herum, bis nichts mehr übrig
ist. Wenn diese Leute sehr höflich und teilnehmend sind, so ist es Zeit für
arme Leute, auf der Hut zu sein. Es war kein gutes Zeichen, als der Fuchs in
den Hühnerstall mit den Worten hineinspazierte: „Schönen guten Morgen, meine
inniggeliebten Freundinnen!“
Leute, die ganz unten
sind, müssen aber auch nicht verzweifeln, denn der alte Gott lebt noch und ist
ein Freund der Freundlosen. Ist auch kein anderer zu finden, der den Gefallenen
seine Hand entgegenstreckt, so wird doch der Herr nimmermehr versäumen, denen
Hilfe zu bringen, die auf ihn trauen. Ein gottseliger Mensch kann wohl ins
Feuer kommen, kann aber nicht verbrennen. Seine Hoffnung kann überflutet
werden, kann aber nicht ertrinken. Er fasst stets neuen Mut. Ist der Hügel
steil, so ist doch sein Herz stark, und damit kommt er über Schwierigkeiten
hinweg, wo sich andere niederlegen und sterben. Solange man noch Leben hat, kann
man auch Hoffnung haben. Bist du aber vom Rücken des Glücks heruntergefallen,
so bleibe nicht im Graben liegen, sondern stehe wieder auf, lieber Freund –
lässt dir der Pflüger Hans sagen – und versuch es noch einmal! Jona geriet bis
auf den Meeresgrund, aber er kam wieder ans Ufer zurück und hatte keine
Nachteile von seiner Wasserfahrt.
Ist der Vogel auch gefangen,
kann er Freiheit noch erlangen;
lieg ich jetzt auch tief im Staube,
hält sich doch an Gott mein Glaube.
Hoffnung will ich zu ihm fassen,
alles still ihm überlassen;
denn er wird gewiss erscheinen –
und zu Ende ist mein Weinen!
Wenn es anderen
Leuten gleich wäre, und ich alles haben könnte, wie ich möchte, so wünschte ich
mir nicht, dass mein argloses Buch von Kritikern verrissen würde, die nicht
einmal die Ehrlichkeit gehabt haben, es zu lesen, sondern die sich ihr Urteil
schon vorher gebildet haben, wie Simon der Einfältige tat, als er zum
Geschworenen gewählt wurde. Jedoch habe ich ein ziemlich dickes Fell, wie das
Rhinozeros sagte. Wenn es anderen Vergnügen macht, mich zu kritisieren, so ist
es mir ganz recht und kann ich's ihnen nicht verwehren. Der Amboss fürchtet
sich nicht vor dem Hammer. Ich habe gehört, dass die Herren Rezensenten in
London, wenn sie ein Buch in die Hände bekommen, eine Seite aufschneiden und
dann am Messer riechen. Danach erheben sie das Buch entweder in den Himmel oder
tadeln es ohne Gnade und Barmherzigkeit, je nachdem, wie sie gerade gelaunt
sind oder wie ihnen das Mittagessen geschmeckt hat. Der Pflüger Hans hofft, der
Verlag kennzeichnet diese Seite besonders, wenn er dieses Buch den
Zeitschriften zusendet, und dass dann folgendes Wort an die Weisen genügen
wird: Ich hoffe, die Schweine werden nicht über meine Birnen herfallen.
Wenn ich wählen
könnte, so wünschte ich nicht, dass mir ein halbes Dutzend Seiten aus diesem
Buch als Einwickelpapier um die Butter ins Haus gebracht würden. Sehr
unwahrscheinlich ist es allerdings nicht, und so muss ich schon damit vorlieb
nehmen.
Ich möchte nicht mit
zwei alten Gäulen pflügen, die den Spat an den Beinen haben und kurzatmig sind
und überhaupt nicht mehr zur Arbeit taugen: Erbarmen für die armen Tiere und
Erbarmen für den armen Pflüger, aber durchaus kein Erbarmen für den Gutsherrn,
der sich solch elendes Vieh hält! Wenn ich einen Menschen sehe, der ein armes
Tier von einem Pferd peitscht und prügelt, so möchte ich ihm ein paar Ohrfeigen
geben, freue mich aber zugleich, dass mein Schimmel und mein Brauner schon gut
genug gehen, wenn sie nur die Peitsche knallen hören, ohne dass sie immer wie
Advokaten für alles, was sie tun, ihre Bezahlung zu bekommen brauchen. Ein
Mensch, der ein Pferd misshandelt, sollte selbst eingespannt werden. Mit
Freundlichkeit kann man sehr viel bei Tieren erreichen, aber mit Grausamkeit
nichts. Wer gegen ein Tier unbarmherzig ist, ist selbst schlimmer als ein Tier.
Ich wünschte mir
nicht, eine Kuh mit einem Stutzschwanz zu sein in der Sommerzeit, oder ein
Knecht mit einem halben Dutzend Herren, oder ein Prediger mit unwissenden
Tyrannen als Diakonen. Auch möchte ich nicht die Wahrheit des alten Sprichworts
erproben:
Zwei Katzen und eine Maus,
zwei Frauen in einem Haus,
zwei Hunde, die einen Knochen benagen,
werden sich schwerlich lange vertragen.
Ich möchte nicht ein
Hund sein mit einem Blecheimer am Schwanz, oder ein Wurm am Angelhaken, oder
ein Mann mit einem Zankteufel als Frau. Ich habe durchaus keine Lust, in den
Rachen eines Krokodils zu fallen oder in die Hände der Advokaten. Ich möchte
nicht taub werden vom Tratsch der Nachbarschaft, und nicht totgequält werden
vom Zeitschriftenwerber, der mir ein Abonnement aufdrängen will, das ohne Ende
fortbesteht, wie die Schulden eines alten Trunkenboldes.
Ich müsste aus dem
letzten Loch pfeifen, ehe ich mir ein Nachtquartier im Schweinestall suchen
würde oder eine Wohnung bei schmutzigen Leuten. Ich wünsche mir nicht, Besitzer
der Hälfte sämtlicher Hütten zu sein, in denen Arbeiter auf dem Lande leben
müssen; kein Gutsherr würde sich dazu herablassen, sie als Pferdestall zu benutzen;
für Hundehütten sind sie noch nicht gut genug. Man denke sich: Vater, Mutter, erwachsener Sohn und zwei Töchter
in ein und demselben Zimmer! Es ist eine wahre Schande und eine Sünde von
Seiten derer, die arme Leute zu solchen Einschränkungen nötigen. Ich mag nicht
daran denken, und doch ist es durchaus
nichts Ungewöhnliches. Ihr Grafen und Herren,
wie gefiele euch das? Wenn irgendjemand solche Zustände verteidigen kann, so
würde es ihm nicht schaden, wenn er eine halbe Stunde lang ausgeprügelt würde.
Auch möchte ich nicht
im Dienst sein bei einem Geizhals, oder Arbeiter bei einem Brummbär, oder bei
einem Affen, oder Schmarotzer bei einem reichen Tollkopf. Ich möchte nicht
Armengeld beantragen müssen, lieber würde ich es mit Wassersuppe versuchen –
neun Körner Hafergrütze und vier Tassen Wasser. Ich möchte nicht mit dem Hut in
der Hand umhergehen, um für mich selber zu kollektieren, oder Geld borgen, oder
ein Tagedieb sein, oder leben wie eine Kröte unter der Egge.
So übel es mir geht,
habe ich doch keine Lust, mich zu verändern, wenn ich nicht bestimmt weiß, dass
ich mich dadurch verbessern werde. Wer möchte vom Regen in die Traufe kommen?
Was nützt es, ans Ende der Welt zu reisen, um da noch schlimmer dran zu sein
als hier? Ich bleibe im Lande und überlasse das Kap der Guten Hoffnung
denjenigen, die gern transportiert sein wollen.
Ich möchte nicht ein
Schwein vor mir herzutreiben oder ein steifes Pferd zu lenken oder einem
starrköpfigen Menschen zuzureden haben. Auch möchte ich nicht Lehrer bei
verzogenen Kindern oder ein von Hunden geplagter Ochse oder eine Henne sein,
die Enten ausgebrütet hat. Noch schlimmer daran ist freilich ein Prediger, der
schläfrige Zuhörer hat; er jagt mit toten Hunden und fährt mit hölzernen
Pferden. Man könnte ebenso gut mit schlafenden Rindern wie mit schlafenden
Menschen Gottesdienst halten.
Ich möchte nicht ein
Pferd von einem Pferdehändler zu kaufen haben, wenn ich's verhindern könnte,
denn die zwei oder drei ehrlichen hat noch niemand kennen gelernt. Ein sehr
ehrlicher Pferdehändler wird einen nie betrügen, wenn man gut aufpasst; ein
gewöhnlicher zieht einem den Zahn, während man den Mund zuhält. Pferde sind
fast ebenso schwer zu beurteilen wie Menschenherzen; die erfahrendsten Kenner
lassen sich hintergehen. Wie viele Pferdekrankheiten gibt es doch: Hufspat,
Überbein und Ringbein, Steife, Igelshuf und Rattenschwanz, Flussgalle und
Krebs, Kolik und Gelbsucht, Waldhornklüfte und Rehe und Mauke und, Krenke, dass
kaum ein gesundes Pferd in der ganzen Welt zu finden ist. Es ist immer ein
schlimmes Ding, die Pferde zu wechseln: Hast du ein gutes, so behalte es denn
du wirst kein besseres bekommen; hast, du ein schlechtes, so behalte es, denn
ich wette zehn gegen eins, du wirst dir eins kaufen, das noch schlechter ist.
Ich möchte nicht zur
Fußmatte oder zum Putztuch werden oder mich zu schmutzigen Dingen hergeben, um
mich bei großen Leuten beliebt zu machen. Es lüge, wer will, ich habe lieber
die Wahrheit auf meiner Seite, auch wenn ich barfuss gehen muss. Unabhängigkeit
und ein gutes Gewissen bei Salz und Brot sind besser als Sklaverei und Sünde
bei Braten und Konfekt.
Ich möchte kein
allgemeiner Packesel sein. Ich möchte nicht wie eine Gans gerupft werden und
kein Aktienbesitzer sein. Ich möchte keine Orte besuchen, an denen ich nicht
gern würde sterben wollen; auch wäre es mir nicht möglich, zu leben, ohne eine
wohlgegründete Hoffnung fürs Jenseits zu haben. Ich möchte nicht auf einem
Pulverfass sitzen und dabei eine Pfeife rauchen, und doch tun das die, die um
ihr Seelenheil völlig unbekümmert sind, während das Leben doch so ungewiss ist.
Auch möchte ich mir nicht mein Schicksal auf Erden wählen, sondern es Gott
anheim stellen, es für mich zu bestimmen; ich würde mir sonst bei aller meiner
Klugheit das Schlimmste aussuchen, während Gottes Wahl immer die beste ist.
Jeder Mensch sollte
sich für die Erinnerung seiner Nachbarn an ihn ein Denkmal setzen. Ein guter
Name ist der beste Grabstein. Die uns geliebt haben und denen wir geholfen
haben, werden an uns denken, wenn jedes Vergissmeinnicht auf unserem Grabhügel
verwelkt ist. Hoffen wir, dass sich besseres von uns wird sagen lassen, als von
jenem Mann, dessen Grabinschrift folgendermaßen lautete:
Er, der hier liegt, hat nie Gutes getan.
Lebte er noch, fing' er's auch wohl kaum an.
Wo er jetzt ist und wie es ihm geht –
diese Frage niemand bewegt.
Mögen unsere
Angehörigen unserer nicht nur gedenken als großer Feinschmecker, wie es jener
war, über dessen Grab geschrieben steht:
Mitleidger Wanderer stehe still zu lesen!
Hier ruht in Frieden Karl Mellin.
Ein tücht'ger Esser ist er stets gewesen,
nun aber fressen Würmer ihn.
Dasselbe könnte von
einem Schwein, das den ersten Preis auf der Ausstellung davongetragen hat, oder
von einem fetten Ochsen, der geschlachtet worden ist, gesagt werden. Einige
Menschen sind nichts Besseres als wandelnde Bierfässer, solange sie leben. Wenn
der Tod ein solches Fass zerstört, so vermodert es, ohne dass man weiter Notiz
davon nimmt.
Jedoch ist so ein
ehrlicher Grabstein immer noch besser als eine unverschämte Lüge.
Schmeicheleien bei einem Grab anbringen, heißt geschmolzene Butter in den
Ausguss gießen. Was für einen eigentümlichen Geschmack müssen die haben, die
Reklame für die Abgeschiedenen machen, als wollten sie den Verstorbenen noch
möglichst lange die Ruhmesposaune blasen, ehe der Engel des Jüngsten Gerichts
erscheint! Hier eine Kostprobe aus ihrem Korb:
Hier ruht in Frieden Marta Treu.
So sehr war sie von Sünden frei,
dass sie die Hülle brach entzwei
und flog als Cherub aus dem Ei.
Wenn man Grabsteine
sieht, möchte man wirklich fragen, wo denn eigentlich die schlechten Menschen
begraben werden? Rechts und links auf unserem Friedhof scheinen alle die
allerbesten Menschen gewesen zu sein, ein wahres Nest von Heiligen. Und einige
von ihnen waren so ausnehmend fromm, dass es kein Wunder ist, dass sie starben
– sie waren zu gut, um noch länger in der bösen Welt zu bleiben. Man soll
lieber den Armen Brot als den Toten Steine geben. Lieber gute Worte den
Lebenden als schöne Reden den Gestorbenen. Manches Zeug auf den Grabmälern ist
so ekelhaft, dass ein Toter darüber erröten könnte.
Was für Steinmassen
werden nicht über den Gräbern großer Leute aufgetürmt! Von der Hälfte davon
könnte man ein Haus bauen! Wie schwer werden sie daran zu heben haben bei der
Auferstehung! Es ist mir immer, als würde ich nicht atmen können, wenn ich
solche Massen Marmor über meinen Gebeinen hätte; obwohl ich nicht gerade zu
fürchten brauche, dass man sie über meinem Grab aufhäufen wird. Möge die Erde,
die ich so oft umgepflügt habe, leicht auf meinem Leichnam liegen, wenn sie auf
ihn geworfen wird. Begrabt den Pflüger Hans irgendwo unter den Ästen einer
großen Buche und häuft einen grünen Hügel darüber, auf dem Primeln und
Gänseblümchen hervorsprießen zu ihrer Zeit; sucht ihm ein ruhiges, schattiges
Plätzchen aus, wo die Blätter fallen und die Rotkelchen spielen und die
Tautropfen im Sonnenschein glitzern. Lasst den Wind frisch und frei über mein
Grab wehen, und muss eine Inschrift darüber stehen, so sei es folgende:
Hier ruht der Leib
von
Pflüger Hans,
wartend auf die
Erscheinung seines
Herrn und Heilandes
Jesu Christi.
Oft habe ich gehört,
auf den Grabdenkmälern throne die Geduld, aber ich habe sie noch nie darauf
sitzen sehen, wenn ich über Kirchhöfe gegangen bin. Nur die Dummheit habe ich
oft genug auf Grabsteinen gesehen und habe mich gewundert, warum der Pfarrer
oder der Kirchenrat oder der Küster oder wer sonst darüber zu bestimmen hat,
den Leuten gestattet, solchen Unsinn in Grabsteine einzumeißeln. Allein auf unserem
eigenen Friedhof habe ich schon soviel albernes Zeug gesehen, dass man ein
ganzes Buch damit füllen könnte. Da lasse man doch lieber das Grab in Frieden,
ehe man ein Denkmal seiner Unwissenheit darauf errichtet. Unter allen Orten der
Welt ist der Leichenstein gewiss am wenigsten für Späße und Scherze geeignet,
und doch ist oft so närrisches Zeug auf Grabsteinen angebracht worden, dass man
das Wort für wahrhalten müsste: „Je näher an der Kirche, desto weiter vom
Anstand.“ Folgender Vers ist bitter, aber wohl nicht ganz unwahr:
Leser, stehe still und klage
mit mir über Lieschen Wahl,
die am 5. Maientage
hielt den Mund zum ersten Mal!
Der folgende Vers ist
aber noch viel bitterer:
Der Fuhrmann Munter ruht allhier,
der manche schöne Fuhre Bier
zu seinem Munde führte.
Gar munter fuhr er damit fort,
fuhr aber doch an diesen Ort,
als sich's für ihn gebührte.
Er fuhr zu viel in seinen Jahren,
drum ist er eilig abgefahren;
ihn selber fuhr man dann hierher,
denn Abfuhrmasse wurde er.
Kann man eigentlich
keine anderen Dinge finden, um darüber Witze zu machen? Der Leib des
zerlumptesten Bettlers ist zu heilig, um Witze darüber zu reißen. Was für ein
komischer Kauz muss der gewesen sein, der über ein Grab die Worte setzte:
Ich schlug der Bäume Wipfel ab;
da sandte Gott mir Missgeschick:
Von einem Baum fiel ich herab
und brach mein kräftiges Genick.
Mir schlug der Tod den Wipfel ab
und warf mich in ein frühes Grab.
Doch damit genug,
denke ich. Hier haben wir jedenfalls einen positiven Beweis dafür, dass einige
Narren am Leben bleiben, nämlich um auf den Denksteinen derer, die gestorben
sind, schreiben zu können. Ich meine, es sollte ein Gesetz erlassen werden,
dass niemand Unsinn über Verstorbene schreiben dürfte, es sei denn, er habe
sich zuvor einen Schein als Esel gelöst, gerade wie man sich Jagdscheine lösen
kann. Auch täte man gut daran, die Marktschreierei den Kleidermagazinen und
Quacksalbern zu überlassen und sie von den Kirchhöfen auszuschließen. Ich halte
es mit unserem Pastor, der immer sagt:
Kein Grabesmonument sollt' eines Sünders Leben
mit stolzem Tugendglanz
von Künstlerhand umgeben.
Soll aber doch ein Ruhm am Sündergrab ertönen,
so rühmt Ihn, der da starb,
die Sünder zu versöhnen!
Nur noch ein Reim und
der Pflüger Hans verlässt den Kirchhof und geht an seine Arbeit, um sich mit
anderen Erdschollen zu befassen.
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod.
Ach wie geschwinde und behände
kann kommen meine Todesnot.
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Es kann vor Nacht leicht anders werden,
als es am frühen Morgen war;
denn weil ich leb auf dieser Erden,
leb ich in steter Todsgefahr.
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Lass mich beizeit mein Haus bestellen,
dass ich bereit sei für und für
und sage frisch in allen Fällen:
Herr, wie du willst, so schicks mit mir!
Mein Gott, mein Gott,
ich bitt durch Christi Blut:
mach’s nur mit meinem Ende gut.
Ach Vater, deck all meine Sünde
mit dem Verdienste Jesu zu,
damit ich hier Vergebung finde
und dort die recht erwünschte Ruh.
Mein Gott, mein Gott,
aus Gnad durch Christi Blut
machst du's mit meinem Ende gut.