Charles Haddon Spurgeon

Guter Rat für allerlei Leute

Reden hinterm Pflug

 

Ich will’s versuchen

 

Von all den Liedern, die ich meine Kleinen je habe singen hören, gefällt mir eines immer am besten – es schließt mit den Worten:

 

„Und will mir's nicht gleich gelingen,

so versuch’ ich’s noch einmal.“

 

Ich empfehle es auch erwachsenen Leuten, die den Mund hängen lassen und verzweifeln zu müssen meinen. Niemand weiß, was er tun kann, bis er es versucht hat. „Jetzt kommen wir durch“, sagte Emil zu Franz, als sie das letzte Stück Pudding verzehrten. Aller Anfang ist schwer, aber ein wenig Versuchs-Öl in die Hand und ins Herz gerieben, macht alles leichter.

„Kann ich nicht“ bleibt im Dreck stecken, aber „Ich will’s versuchen“ zieht den Wagen bald aus dem Loch heraus. Der Fuchs sprach: „Ich will’s versuchen.“ und entkam den Hunden, als sie schon beinahe nach ihm schnappten. Die Bienen sagten: „Wir wollen es versuchen“, und verwandelten Blumen in Honig. Das Eichhörnchen sagte: „Ich will's versuchen“, und kletterte auf die Spitze der Eiche hinauf. Das Schneeglöckchen sagte: „Ich will's versuchen“, und blühte mitten im kalten Winterschnee. Die Sonne sagte: „Ich will’s versuchen“, und bald warf der Frühling den Junker Frost aus dem Sattel. Die junge Lerche sprach: „Ich will's versuchen“, und entdeckte bald, dass ihre neuen Flügel sie über Hecken und Gräben hoben – hoch hinauf, wo ihr Vater sang. Der Ochse sprach: „Ich will's versuchen“, und pflügte das ganze Feld von einem Ende bis zum anderen durch. Für „Ich will's versuchen“ ist es kein Hügel zu steil, kein Boden zu hart, kein Feld zu nass, kein Loch zu groß.

 

„Die größten Eichen

fällt man mit kleinen Streichen.“

 

Spaten für Spaten schafften die Arbeiter den Durchstich, bohrten sie einen großen Tunnel mitten durch den Berg, warfen sie den Deich auf. „Steter Tropfen höhlt den Stein.“

Was Menschen getan haben, können Menschen wieder tun, und was noch nicht geschehen ist, mag noch geschehen. Aus Ackerknechten sind schon Edelmänner geworden, Schuster haben aus ihren Klopfsteinen Gold gemacht, und aus Schneidern sind Parlamentsmitglieder geworden. Kremple nur die Ärmel auf, kleiner Hoffnungsvoll, und mach dich ans Werk. Wo ein Wille ist, da findet sich auch ein Weg. Die Sonne scheint für alle Welt. Vertraue auf Gott und arbeite tüchtig und sieh zu, ob sich nicht die Berge bewegen werden. Warte nicht darauf, dass du Glück haben wirst; das hatte der Narr, als er soviel Pudding bekam, wie er essen wollte, und sich davon den Tod holte. Das beste Glück in der ganzen Welt macht man aus Gelenk-Öl und Festigkeit-Pflaster.

Warte nicht auf fremde Hilfe; versuch es mit diesen beiden alten Freunden: deinen starken Armen. Selbst ist der Mann. Wenn der Fuchs Federvieh für seine Jungen haben will, muss er die Hühner selbst nach Hause tragen. Keiner seiner Freunde kann dem Hasen helfen; er muss selber um sein Leben laufen, oder es packen ihn die Hunde. Jeder Mensch muss seinen eigenen Sack zur Mühle tragen. Du musst deine eigenen Schultern gegen den Wagen stemmen und sie immerzu daran halten, denn es sind genug Löcher in der Straße. Willst du aber warten, bis alle Straßen gepflastert sind, so wirst du zum Skelett abmagern. Willst du solange sitzen bleiben, bis dich die großen Leute auf den Rücken nehmen, so kannst du solange sitzen, bis du angewachsen bist. Deine eigenen Füße sind besser als Stelzen. Erwarte nicht Hilfe von anderen, sondern traue auf Gott und halte dein Pulver trocken.

Weine nicht darüber, dass du keine guten Chancen oder nicht genug Mittel zum Anfang hast. Wirft jemand einen verständigen Menschen hinaus, so wird der auf seine Füße fallen und sich nach dem kürzesten Weg erkundigen, auf dem er zu seiner Arbeit kommen kann. Je mehr du hast zum Anfangen, desto weniger wirst du am Ende haben. Geld, das man selbst verdient, glänzt mehr und ist angenehmer, als was man aus den Beuteln Verstorbener nimmt. Ein kärgliches Frühstück am Morgen des Lebens reizt den Appetit zu einem reichen Mahl späterhin. Wer einen sauren Apfel gekostet hat, wird um so mehr Geschmack an einem süßen finden. Manch ein Hausierer hat sein Geschäft mit fünfzehn Groschen eröffnet und hat sie so oft umgesetzt, bis er eigene Pferde und Wagen hatte.

Klage nicht über den Ort, an dem du zu wohnen hast. Du brauchst kein Pferd zu sein, weil du in einem Stall geboren bist. Ein strebsamer junger Mann mit gesundem Verstand wird da viel Geld verdienen, wo andere nichts zustande bringen, als es zu verlieren.

 

Wer fleißig ist und spart sein Geld,

kommt fort an jedem Ort der Welt.

 

Ein wenig Mühe ist freilich damit verbunden; aber wer hat je Kirschen ohne Kerne und Rosen ohne Dornen gefunden? Wer gewinnen will, muss tragen lernen. Faulheit liegt im Bett und hat Bauchgrimmen, während Fleiß Gesundheit und Reichtum gewinnt. Der Hund in der Hütte bellt die Fliegen an, der Jagdhund weiß gar nicht, dass es welche gibt. Trägheit wartet, bis der Fluss trocken geworden ist, und kommt gar nicht zum Markt hin. „Ich versuch’s“ schwimmt hinüber und macht die besten Geschäfte. Kannichnicht konnte nicht das Butterbrot essen, das für ihn abgeschnitten worden war, aber Ich-versuch's machte sich Brot aus Pilzen.

Jeder, der nicht von der Stelle kommt, schiebt die Schuld auf seine Konkurrenten. Als der Weizen gestohlen worden war, so hatten es die Ratten getan. Es ist immer bequem, einen Sündenbock zu haben, dem man die Schuld aufbürgen kann. Indessen, gute Arbeiter sind immer gefragt. Eine Maus findet ein Loch, wenn auch noch so viele Katzen im Zimmer sind. In der schlechtesten Bude auf dem Markt lässt sich ein Pfennig verdienen. Kein Barbier rasiert einen so sauber, dass nicht ein zweiter Barbier noch etwas zu tun fände. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser sein könnte, und wer das Beste liefert, bekommt die Bestellung. Die neuen Maschinen würden uns alle an den Bettelstab bringen, so haben's die Propheten in der Schankstube immer verkündet. Jedoch haben statt dessen alle diese Dresch-, Ernte- und Heumache-Maschinen nur denen zu desto besserem Verdienst verholfen, die darauf zu arbeiten verstanden. Wer eine Seele hat, die immer am Boden liegt, mag wohl erwarten, dass er arm bleiben werde. Wer aber seinen Verstandkasten aufmacht und sich bald hier, bald da etwas Kenntnisse sammelt, wird vorwärts kommen, wenn er vorher auch noch so unwissend war. „Es sind schlechte Zeiten“, heißt es immer; allerdings, und wenn man gaffend und träumend umhergeht, so werden die Zeiten für immer schlecht sein.

Viele kommen deshalb nicht vorwärts, weil sie sich nicht dazu aufraffen können, einen Anfang zum Besseren zu machen. Wie sie die ersten paar Taler sparen können, da liegt ihre Schwierigkeit. Darum heißt es: „Frisch gewagt, ist halb gewonnen.“ Wirf den Bierkrug weg, zieh die Flagge: „Ich versuch's“ auf, mach dich ans Werk, und dann fort mit dem Ersparten zur Sparkasse – und es wird noch etwas aus dir werden! Arme Schlucker werden immer dann arm bleiben, wenn sie denken, daß sie es sein müssen. Man kann emporkommen, wenn man früh genug hinterher ist und nicht erst wartet, bis man eine Frau und ein halbes Dutzend Kinder hat; ist das bereits der Fall, so trägt man zuviel Gewicht im Wettlauf bei sich und muss meistens zufrieden sein, wenn es für Nahrung und Kleidung der Kleinen reicht. Einige Hennen scharren freilich nur um so besser, wenn sie einen großen Schwarm Küken um sich haben. Jungen Leuten mag es schwer sein, den Hügel zu erklimmen, doch steht ihnen der Weg dazu offen, und wenn ein tapferes Herz und ein steiler Berg zusammen kommen, steht man bald oben. Nach getaner Arbeit ist gut ruhen. Wenn die jungen Leute in frühen Jahren tüchtig arbeiten, einfach leben und ihr Geld sparen wollten, so brauchten sie nicht ihr Leben lang Steine zu klopfen, wie so viele es tun. Schon der Ökonomie wegen sollten sie enthaltsam sein: Wasser ist das stärkste Getränk, treibt es doch Mühlenräder. Es ist das Getränk, dessen sich Löwen und Pferde bedienen und Simson hat nie etwas anderes getrunken. Aus dem Bier- und Brandweingeld ließe sich bald ein Haus erbauen.

Wenn man etwas Gutes in der Welt will, so wende man ebenfalls die Losung an: „Ich will's versuchen.“ Es gibt viele Weisen, Gott zu dienen, und einige, die genau für dich passen werden wie ein Schlüssel ins Schloss. Halte mit deinem Zeugnis nicht zurück, weil du kein Hofprediger bist; sei zufrieden, mit Zweien oder Dreien in einer Hütte zu reden – auch auf kleinen Feldern kann sehr guter Weizen wachsen. Man kann ebenso gut in kleinen Töpfen kochen wie in großen. Kleine Brieftauben können große Botschaften überbringen. Auch ein kleiner Hund kann einen Dieb anbellen, seinen Herrn aufwecken und das Haus retten. Auch ein Funke ist Feuer. Ein Satz göttlicher Wahrheit trägt den ganzen Himmel in sich. Tue, was du tust, mit Freundlichkeit, bete dafür von ganzem Herzen und stelle den Erfolg Gott anheim.

Leider ist guter Rat bei vielen weggeworfen wie guter Same auf nackten Felsen. Man lehre eine Kuh sieben Jahre lang, und doch wird sie nie singen lernen. Von einigen scheint das Wort zu gelten, dass, als sie geboren wurden, Salomo an ihrer Tür vorüberging und nicht hineinsehen wollte. Ihr Wappen ist eine Narrenkappe auf einem Eselskopf. Sie schlafen, wenn es Zeit ist zu pflügen, und weinen, wenn die Ernte kommt. Sie essen alle Rüben zum Abendbrot auf und wundern sich, dass keine zum Frühstück übrig sind. Wenn das, was im Maischefaß gelangt, in den Backtrog käme, so würden viele Familien besser genährt und besser gelehrt werden.

 

„Ich versuch's!“ Spräch' jeder so,

Läg' so mancher nicht auf Stroh;

Stürb' sobald noch nicht vor Mangel,

Kriegt' bald Fische an die Angel;

Macht' sich fett im Stall ein Schwein,

Hört' nicht Weib und Kinder schrein'n;

Not und Mangel flögen fort,

Bettler säh' man nicht am Ort:

'S ging nicht mehr so sehr verkehrt,

Freud' wär' dir und mir beschert!