Ein lebendiges Opfer
Autor: Charles William Slemming
Eine Übersetzung aus dem
Englischen von Ursula Eichholz
Bearbeitet von Nicole Enzler, Thomas Jettel
und Herbert Jantzen. Veröffentlicht in "Unterwegs notiert".
Text: 3. Mose
1 - 6
Im
Alten Testament schrieb Gott fünf Opfer vor, die dargebracht werden sollten.
Alle fünf sollten das eine Opfer des
Lammes Gottes von fünf verschiedenen Standpunkten aus beleuchten. Sie alle sind
Vorschattungen auf das Opfer Jesu Christi. Ein einziges Tieropfer könnte niemals
die Bedeutung und die Segnungen ausdrücken, die den Menschen geschenkt wurden
durch das eine große und vollkommene Opfer unseres Herrn.
Diese
müssen in der Reihenfolge betrachtet
werden, in der sie im Gesetz Moses angeführt und dargebracht wurden. Das Friedensopfer
kommt zuletzt, denn Friede ist das Ergebnis. Friede kommt aus der Kraft der
andern. Die Reihenfolge, in der sie in den ersten 6 Kapiteln des dritten Buch
Moses vorkommen, ist eine Anordnung der Klassifizierung, nicht der Beobachtung.
Nichts wurde der Phantasie oder der menschlichen Einbildungskraft überlassen.
Jede kleinste Einzelheit wurde Mose von Gott diktiert.
Das
Brandopfer konnte ein Stier, ein männliches Schaf, ein Ziegenbock, Turteltauben
oder andere junge Tauben sein. Welches Tier man darbrachte, hing von der
finanziellen Lage des Opfernden ab. Wenn er reich war und eine Herde besaß,
musste sein Opfer ein Ochse sein. War er weniger vermögend oder nannte er nur
eine kleine Herde sein eigen, musste er ein Lamm oder eine Ziege opfern. War er
arm und ohne Besitztümer, brachte er kleine oder große Tauben dar.
Nur
reine Tiere durften gebracht werden; keine, die vom Tode anderer oder von Aas
lebten, konnten den Heiligen, der für die Menschheit
sterben musste, darstellen. Es musste immer ein zahmes Haustier sein.
Heutzutage würden es viele Menschen anprangern und ablehnen, ein unschuldiges
Tier zu opfern; diese Sitte herrschte aber schon lange, bevor das dritte Buch
Mose geschrieben wurde. Adam, Abel, Henoch, sie alle brachten ihre Tieropfer
dar. In der Tat, es scheint, dass Kain gerade deshalb in Schwierigkeiten
geriet, weil er es nicht tat. Die Sünde hatte den Menschen schon des Lebens
beraubt; daher konnte nichts Geringeres als ein stellvertretendes Leben (d.h.:
also ein Tier) Hilfe bringen. Und so blieb es auch – bis das letzte und
vollständige Opfer dargebracht wurde in Gestalt des unschuldigen Sohnes Gottes.
Was
der Opfernde zu tun hatte:
·
Er musste sein Opfer zum
Eingang der Stiftshütte bringen. Das geschah, um zu verhindern, dass Opfer
anderswo dargebracht und auf diese Weise andere heilige Stätten (neben der einen) geschaffen würden und anderen
“Göttern” (neben dem einen) geopfert
würde.
·
Er brachte es als
freiwilliges Opfer dar. Das einzige Opfer oder der einzige Dienst, der
angenommen wird, ist Liebe, auf Freiwilligkeit beruhende Liebe. Jeder
Gottesdienst muss so beschaffen sein. Das große, vollkommene Opfer des großen
Hohenpriesters war freiwillig. Er sagte: Ich lasse mein Leben von mir selbst
(Joh. 10,18).
·
Dann musste der Opfernde
seine Hände fest und schwer auf den Kopf des Opfers legen. Die Juden sagten:
“Er muss seine beiden Hände mit aller Macht zwischen die Hörner legen.” Auf
diese Weise identifizierte sich der Opfernde voll und ganz mit dem Tier, wie
ein Mann seine Unterschrift mit dem Daumenabdruck siegelt und so für den Inhalt
eines Dokumentes geradesteht. Er erkannte sich selbst als des ihm auferlegten
Todes würdig. Er zeigte seine Abhängigkeit von dem Opfer und seine Identifizierung
mit dem Opfer. Es scheint, dass das Handauflegen im Neuen Testament auf diese
Sitte des Alten Testamentes zurückzuführen ist.
·
Dann erschlug der
Opfernde das Tier, zerlegte es in Stücke und wusch die einzelnen Teile.
Bedenken wir, es waren nicht nur die Juden, die für Christi Tod verantwortlich
waren, sondern wir alle. Es war unser aller Sünde, die ihn ans Kreuz schlug.
“Das ist die Sünde: dass sie nicht glauben an mich!” (Vgl. Joh. 16,9).
·
Das In-Stücke-Schneiden
war nicht ein rohes Zerhacken, sondern ein Zergliedern der verschiedenen Teile
des Körpers, um festzustellen, dass (bzw. ob) das Opfer ohne Makel war. Die
einzelnen Teile stellten Verschiedenes dar:
Der Kopf – der Sitz des Denksinnes, das Schaltzentrum
Die inneren Teile – der innere Mensch mit Denken,
Wollen, Gemüt
Die Beine – die äußere Bewegung, der Wandel, das nach
außen hin sichtbare Wesen
Unser Opfer, Jesus Christus, wurde auf solche Weise
geprüft. Das Ergebnis war:
In ihm war nicht Sünde (1. Joh. 3, 5)
Er kannte nicht Sünde (2. Kor. 5, 21)
Er tat nicht Sünde (1. Petr. 2, 22; Hebr. 4, 15)
Nachdem
der Opfernde seine Arbeit getan hatte, übergab er sein Opfer dem Priester.
Seine
Arbeit bestand darin, das Blut aufzufangen und den Altar damit zu besprengen,
die Teile geordnet niederzulegen, und sie als “ganzes” Brandopfer darzubieten.
Christus war das Opfer, das sich ohne jeden Vorbehalt Gott hingab (Eph. 5,2).
Christus war auch der große Priester mit dem versprengten Blut, das “Besseres
redet” als das Blut Abels (Hebr. 12,24).
Es
ist noch ein zweites Bild vorhanden. Die Gemeinde Jesu identifiziert sich mit
Christus in seinem Tode. Und er stellt seine Gemeinde vor dem Vater dar (Eph.
5,27; Kol. 1,22; Jud. 24).
All
das wurde verbrannt. Es war ein “ganzes Brandopfer”, ein Ganzopfer (3. Mos.
1,9.13). Christus opferte sich in erster Linie Gott (Eph. 5,2). Und Gott nahm
alles an. Christus gab sich selbst ohne Vorbehalt.
Der
Priester hatte auch einen Anteil, denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. In
diesem Fall war es lediglich die Haut (das Fell), die er bekam. Es war ein äußerlicher Beweis dafür, dass das Tier
existiert hatte und geopfert worden war. Das Fell sollte unsere Gedanken zurückschweifen
lassen zum Garten Eden, zur ersten Sünde, als danach das Fell zur Bekleidung
benutzt wurde (1. Mos. 3,21). So ist der Tod Christi für uns zum “Mantel” für
unsere Sünde geworden. Niemand kann solch einen Mantel haben ohne das eine Opfer.
Er
bekam nichts! Wir stehen vor Gott da als Sünder. Wir suchen die Stellvertretung
eines anderen und haben daher auf nichts Anspruch. Es gelten nun nicht unsere Taten - sondern es gilt seine Tat. “Nichts hab ich zu bringen.
Alles, Herr, bist du.”
Es
stellt dar, dass der Opfernde alles voll und ganz Gott geweiht hat. Der
Opfernde wurde eins mit seinem Opfer; es bedeutet seinen Tod. Wir gehören nicht
uns selbst.
“Ich
rufe euch also auf, Brüder, angesichts der Erbarmungen Gottes, eure Leiber zur
Verfügung zu stellen und darzubringen als ein lebendes, heiliges, Gott
wohlgefälliges Opfer, – das ist euer geistiger obliegender Dienst.” (Röm. 12,1)
Alle
Opfer weisen auf Christus hin. Christus stellte das vorbildlich dar, da er sich
selbst freiwillig und als ganzes Brandopfer vor dem Altar am Kreuz darbrachte.
“Und
wandelt in der Liebe, wie ja auch Christus uns liebte und sich selbst für uns
dahingab als eine Weihegabe und ein Opfer an Gott zu einem wohlriechenden
Duft.” (Eph. 5, 2)
“Wieviel
mehr wird das Blut Christi, der durch einen ewigen Geist sich selbst als
Tadelloser Gott darbrachte, euer Gewissen reinigen von toten Werken, dem
lebenden Gott obliegenden Dienst zu tun!” (Hebr. 9.14)
Drei
verschiedene Ausdrücke werden gebraucht bei der Beschreibung der Opfer. Sie
lauten “Opfer”, “Opfergabe”, “Darbringung”. Diese Begriffe sind nicht synonyme
(dh: auswechselbare) Begriffe. Jedes dieser drei Wörter hat eine eigene,
besondere Bedeutung.
·
Ein “Opfer” schloss
immer das Vergießen von Blut mit ein. Lebende Tiere, kraftvoll und ohne Makel,
wurden erschlagen. Leben wurde dargebracht.
·
Eine “Opfergabe” hatte
nichts mit Blut zu tun und bezog sich auf das Opfern von Mehl, Getreide, Gebäck
oder Früchte (zum Beispiel Erstlingsfrüchte des Herbstes).
·
Der Begriff
“Darbringung” ist eine Allgemeinbenennung für beide eben genannten, insofern
als beide nacheinander dargebracht wurden.
Das
Brandopfer war ein Opfer, ein blutiges Tieropfer; das Speiseopfer war
eine Opfergabe. Das hebräische Wort für Speiseopfer lautet “Minchah” und
bedeutet eine Gabe, die ein niederes Wesen einem höheren darbringt.
Dasselbe Wort wurde gebraucht für das Opfer von Kain und Abel, für das
Geschenk, das dem Esau von Jakob geschickt wurde und auch für das Geschenk an
Joseph von seinen Brüdern.
Die
Darbringung des Speisopfers geschah in Form von unverarbeitetem Mehl,
ungesäuertem Brot oder geröstetem Korn. Allem war Öl, Salz und Weihrauch
beigefügt. Ebenso wie sich das Brandopfer nach der materiellen Lage des
einzelnen richtete, so geschah es auch hier. Es konnte im Herd gekocht, in der
Pfanne gebraten oder auf dem Bratrost gegrillt sein, je nachdem, wie man
begütert war.
Während
das Brandopfer von einem einträglichen Leben
zeugte, zeugte das Speiseopfer von einträglichen Besitzungen.
Die
Beigaben:
Das
Weihopfer bestand aus Gaben der Erde, aus der Hände Arbeit. Es bedeutet die
Anerkennung der Tatsache, dass alles, was wir besitzen, alle Notwendigkeiten
unseres Lebens, alle gute und vollkommene Gabe, von Gott kommt (vgl. Jak. 1).
Dieses erkennen wir alle an als seine Barmherzigkeit. Achten wir auf den
Befehl, dass wir zuerst uns selbst hingeben, dann erst unsere Opfergaben. Wir
erkennen zuerst den Geber an, dann die Gaben. Dieses Opfer war verbunden mit
gewissen Gewürzen und Verboten.
a.
Öl
Obwohl
das Opfer aus feinem Mehl bestand und rein war, konnte es weder gebacken noch
gegessen werden, ohne dass man Öl hinzufügte. Wie die Witwe ihren Krug Öl bei
ihrer Speise hatte und keinen Mangel hatte, so wurde Christus am Jordan mit dem
Heiligen Geist gesalbt, als er sein geistliches Amt antrat. Die Begriffe
“Messias” und “Christus” bedeuten “Gesalbter”. Wenn unser Leben und Dienst
Gott, dem Herrn, angenehm und eine Gabe für den Höchsten sind, muss es die
Salbung durch den Heiligen Geist erfahren; das heißt, es muss von Gottes Geist
geleitet und mit seiner Kraft begleitet sein.
b.
Weihrauch
Weihrauch
ist eine Spezerei, die wirksam wird durch Verbrennung. Dieses deutet
wahrscheinlich auf das Gebet und die Fürbitte hin. Ein Leben wirksamen Dienstes
im Herrn muss ganz mit Gebet durchsetzt sein. Das an Gebeten reichste Leben auf
Erden war das Leben unseres Herrn. Manchmal brachte er eine ganze Nacht im
Gebet zu. Das Feuer lässt den Duft aufsteigen. Ebenso bewirken Versuchungen in
unseren Leben, dass unsere Gebete zu Gott emporsteigen. Versuchungen und Leiden
zwingen uns in die Knie.
c.
Salz
Allen
Opfern wurde Salz beigefügt. Salz enthält viele Symbole. Hier angewandt
bedeutet es Bündnis. (3. Mos. 2,13; vgl. “Salzbund” in 4. Mos. 18,19; 2. Chr.
13,5; ) Dadurch will der Opfernde zum Ausdruck bringen: “Ich bringe diese Salze
dar wegen des gelobten Bündnisses, in welchem ich vor Jahwe stehe.”
Gott
schloss in Christus ein Bündnis mit den Menschen. Wer den Herrn annimmt, tritt
in dieses Bündnis ein. Unsere Rede soll darum “immer mit Salz gewürzt” sein.
(Kol. 4,5) Salz ist es auch, das den Verfall und die Verderbnis aufhält. (Vgl.
Mt. 5,13: “Ihr seid das Salz der Erde”)
d.
Kein Sauerteig
Sauerteig
ist ein Sinnbild der Sünde. Keine Bosheit darf im Leben oder Dienst eines
Gläubigen sein. In Christus war keine Bosheit. Wenn Sauerteig mit Feuer in
Verbindung gerät, schleudert es den Klumpen mit Getöse in die Luft. Dieses
stellt die üblen Leidenschaften des Herzens dar. Die gärige Beschaffenheit des
Sauerteigs verwandelt die Speise, so dass sie verdirbt. In Christus war keine
zornige Leidenschaft und keine Verderbtheit. “Du wirst nicht zulassen, dass
dein Heiliger verwese” (Apg. 2).
e.
Kein Honig
Obgleich
er süß schmeckt, kann alter Honig schlussendlich bitter werden. Honig steht
sinnbildlich für menschliche Gemütserregung und Lust, die fleischliche und
weltliche Wollust, die im Streit mit der menschlichen Seele liegt. (Vgl. 1.
Petr. 2,11)
Alles,
was der Opfernde zu tun hatte, war, seine Opfergabe an die Tür der Stiftshütte
zu bringen und sie ohne Vorbehalt dem Priester zu übergeben.
Der
Priester nahm die Opfergabe von dem Opfernden in Empfang, nahm einen Teil davon
und den ganzen Weihrauch und verbrannte es zum Gedächtnis auf dem Altar. Der
Rest wurde von Aaron und seinen Söhnen gegessen.
“Die
Handvoll Speise und der ganze Weihrauch” steht sinnbildlich für das Ganze und
wurde “Gedenken” genannt. Wenn wir unsere Gaben hingeben, ob Geld oder Ware,
Zeit oder Talente, geben wir sie Gott. Leider werden heute in vielen Gemeinden
oft die meisten Gaben für die Erhaltung und Ausstattung von
Gemeinderäumlichkeiten und für die Bezahlung der Träger sogenannter
“geistlicher Ämter” verwendet.
Welches
ist Gottes ausschließlicher Anteil unseres
Dienstes? – Der Teil, an dem der Mensch niemand anderen teilnehmen lassen kann:
unsere Anbetung. Möchten wir nicht versäumen, ihm seinen Anteil zu geben!
Alles,
was von der Handvoll übrig blieb – der größere Anteil –, gehörte dem Priester.
Seine Zeit war mit dem Dienst für Gott ganz ausgefüllt, und Gott erklärt einen
Arbeiter “seines Lohnes wert”. Wir haben vor Gott eine Verantwortung dafür,
dass wir geben, was für den Unterhalt von Gottes Dienern nötig ist. Gott hat
das nicht nur kundgetan. Er traf klare Vorkehrungen dafür.
Er
bekam nichts! Gott nimmt nur das an, was mit ganzem Herzen und willig
dargebracht wird. Ananias ging fehl und kam um wegen Parteilichkeit, die Betrug
zur Folge hatte. Alles muss dem Herrn geweiht sein, aller Ruhm muss ihm gehören. Dann kommt der Segen auf uns
herab.
Das
Speisopfer stellt ein Gott gewidmetes Leben dar. Mit ihm steht die Darbringung
der Erstlingsfrüchte in Verbindung, die am Ende des Kapitels erwähnt werden.
Wir anerkennen die Hand Gottes in den Segnungen des Lebens. Gott ist gut. Dies
wird darin ersichtlich, dass er a) uns mit allem versorgt, was wir benötigen:
Nahrung, Bedeckung, Gesundheit, Freunde; alles gibt er im Überfluss; b) uns
zusätzlich so viel dazu gibt, sowohl Früchte als auch Korn, sowohl Blumen als
auch Gras; keine gute Gabe enthält er dem vor, der ihn liebt. Da wir so viel
empfangen, wird auch von uns erwartet, dass wir zurückgeben.
Was
uns das Speisopfer lehrt: Es weist auf Christus hin, der das Weizenkorn war,
das in die Erde sank und starb, damit es mehr Frucht hervorbringen möchte. Und
wir sind ein Teil dieser Frucht. Christus war das Weizenkorn, das durch die
zermalmende Mühle von Gethsemane und durch den Feuerofen von Golgatha ging, um
für uns das Brot des Lebens zu werden. Er gab sich ganz dahin. Er kannte keinen
Vorbehalt. Nun finden wir in ihm die Quelle unsrer Kraft.
Das
Brandopfer, das Speiseopfer und das Friedensopfer sah man an als “Opfer von
süßem Duft und Geschmack” (o: “Opfer des lieblichen Geruchs”). Sie alle waren
freiwillig, auch das Sündopfer. (Allein das Übertretungsopfer – welches wir zum
ersten Mal hier im dritten Buch Mose finden –
opferte man nicht freiwillig.)
Die
Darbringung war verschieden, je nachdem, was dargebracht wurde. Man brachte
einen Stier oder eine Ziege (männlich oder weiblich) oder einen Schafbock. Wenn
ein Priester sündigte, opferte er einen jungen Stier. Ebenso, wenn die Gemeinde
sündigte. War es ein Fürst, opferte er einen Ziegenbock. Wenn ein Bürger
schuldig wurde, opferte er eine Ziege oder ein Lamm.
Das
Opfer des Priesters war stellvertretend für das eines ganzen Volkes. Ein Mann,
der an öffentlicher, führender Stelle steht, kann ein ganzes Volk irreführen;
daher musste er für das ganze Volk opfern. Trapp sagt: “Wenn ein Lehrer
sündigt, lehrt er die Sünde.” Hohe Ämter bringen hohe Verantwortung mit sich.
Wer
auch immer das Opfer brachte, es musste ein vollständiges sein, weil jedes
Opfer ein Schatten auf das vollkommene Opfer unseres Herrn war. Der Unterschied
der Darbringung bestand in der Behandlung des Blutes und der Ablagerung des
Tierleichnams.
Wenn
der Opfernde ein Priester war,
·
opferte er einen jungen
Stier im Hof der Stiftshütte;
·
legte er die Hand darauf
– zum Zeichen, dass er sich mit dem Opfer identifizierte;
·
tötete er es;
·
brachte er das Blut ins
Allerheiligste und sprengte es siebenmal vor dem Herrn aus;
·
strich er das Blut auf
die Ecken des Altars;
·
goss er den Rest am Fuße
des ehernen Altars aus;
·
verbrannte er alles
innere Fett;
·
trug er die Überreste
des Tieres aus dem Lager hinaus.
Wenn
die Gemeinde das Opfer brachte, musste das gleiche getan werden; nur mussten
dazu noch die Ältesten der Gemeinde ihre Hände auf das Opfer legen. Brachte das
Opfer ein Fürst dar, musste das Blut seines Ziegenbocks auf den Altar getan
werden. War es ein Bürger, wurde dasselbe mit dem Blut seiner Ziege gemacht.
Für den einfachen Bürger wurde eine weibliche Ziege gewählt, weil sie
andeutete, dass er keine Führergewalt über das Volk besaß. Für alle Schichten
der Bevölkerung galt: Der Tod des Opfertieres bedeutet den eigenen Tod. Der
Opfernde hätte anstelle des Tieres sterben müssen.
Er
musste das Blut siebenmal vor dem Herrn – vor dem Vorhang des Allerheiligsten –
aussprengen. Dieses bedeutete, dass der Herr das Opfer annahm. Danach verteilte
der Priester das Blut. Die Reihenfolge ist sehr schön: zuerst vor dem Herrn,
dann vor dem Vorhang, dem Weihrauchaltar, zuletzt vor dem ehernen Altar, wo das
Übrige weggetan wurde. Blut wurde gesprengt, als der Priester heraustrat,
nicht als er hineinging.
Dieses
besagt: Die Rettung kommt von Gott. Der Weg war von Gott für den Menschen geöffnet
worden, geöffnet durch unseren großen Hohenpriester, den Herrn Jesus Christus.
Auf Golgatha schüttete Jesus sein Blut
– seine Seele – aus, ein Opfer für die Sünde. So können wir aus der Leere in
die Fülle gelangen. Dann schreiten wir an den goldenen Räucheraltar, an die
Stätte seiner Fürbitte, dann zum Vorhang, der nun zerrissen ist und uns dadurch
Zutritt gewährt – geradewegs in die Gegenwart des Ewigen. Dort dürfen wir nun
ganz nahe sein, vor ihm stehen - ob wir “Fürst” oder “einfacher Mann” sind.
Nachdem
man so mit dem Blut verfahren war, ging man zu den Bestimmungen für den
Tierleichnam über. Diese Bestimmungen müssen dem Priester außergewöhnlich
erschienen sein, denn er musste das Ganze an einen Platz außerhalb des Lagers
tragen, wo man die Asche ausschüttete. Mit diesem Gesetz wollte Gott ihnen die
Strenge seines Gerichtes über die Sünde vor Augen führen. Die Sünde war nun in
diesem Tier. Ihm wurde sie zur Last gelegt. Daher musste der Tierleichnam
sorgfältig fortgetragen und völlig vernichtet werden.
Dieses
sah man an als Gottes Anteil. Kein Teil dieses Tieres war für den Menschen
bestimmt. Keines seiner Teile konnte als Nahrung verwendet werden – mit einer
einzigen Ausname (die für jedes Opfer galt):
Der
Anteil des Priesters war ein Schaf oder eine Ziege (beim Opfer des Fürsten wie
bei dem des einfachen Mannes). Der eine Teil des Opfers wurde verbrannt als
Gottes Anteil. Der andere Teil wurde gekocht und von den Priestern gegessen.
Aber alle Gefäße, die man zum Kochen verwendet hatte, musste man vernichten:
“Das irdene Gefäß, worin es gesotten ist, soll zerbrochen werden; und wenn es
in einem ehernen Topf gesotten ist, soll beides gereinigt und in Wasser gespült
werden.”
Der
Opfernde hatte keinen Anteil am Sündopfer. Ebenso können auch wir in keiner
Weise etwas beitragen zu dem Werk, das Jesus für die Sünde vollbracht hat.
Alles ist Gnade.
Unsere
Schuld ist beigelegt. Der Preis ist bezahlt. Ein anderer hat an unserer Stelle
den Tod erlitten. Wir sind frei.
Christus
ist unser Sündenopfer. Der Priester mag sündigen; Völker mögen in Abgötterei
verfallen; Fürsten mögen ihre Untertanen in die Irre führen; der Einzelne mag
sündigen und fehlen. Wer immer, wo immer, wie immer: Sünde ist Sünde! Ob wir
sie als klein oder groß ansehen, sie muss bezahlt (bestraft) werden. Und Jesus ist der Eine, der den vollen Preis
auszahlte: “Denn, was das Gesetz nicht vermochte, weil seine Kraft gelähmt war
durch das Fleisch: Gott sandte seinen eigenen Sohn in einer Gestalt, die dem
sündlichen Fleisch ähnlich war, und um der Sünde willen, und er verurteilte die
Sünde im Fleisch”: Röm. 8, 3. “Den, der von keiner Sünde wusste, machte er für
uns zur Sünde (zum Sündopfer), damit
wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden”: 2. Kor. 5, 21.
In
dem Sündopfer wurde einem sündlosen Tier Sünde zur Last gelegt, indem man ihm
die Hände auflegte. Der Opfernde identifizierte sich mit dem Opfer. Dann wurde
es getötet. Ebenso ging meine Sünde von mir, dem Sündenbeladenen, auf Christus,
den Sündlosen, über. Er wurde für mich zur Sünde, zum Sündopfer. Als er starb,
starb meine Sünde in ihm, – und ich lebe, weil ich dadurch gerecht gemacht
wurde.
“Wir
haben einen Altar, von dem zu essen die, die dem Zelt obliegenden Dienst tun,
keine Berechtigung haben, denn die Leiber der Tiere, deren Blut um der Sünde
willen durch den Hohenpriester in das Heiligtum hineingetragen wird, werden
außerhalb des Lagers verbrannt. Daher hat auch Jesus, um das Volk durch sein
eigenes Blut zu heiligen, außerhalb der Tore gelitten. So laßt uns nun zu ihm
hinausgehen, außerhalb des Lagers, und seine Schmach tragen”: Hebr. 13, 10-13.
Zwei
Dinge nehmen in diesen Bibelversen einen herausragenden Platz ein:
·
Das Blut des Tieres ging
in das Innere.
·
Der Leib des Tieres ging
hinaus.
Das
Blut ging hinein, hinein in die Versöhnung. Draußen herrschte des Menschen Not.
In seinem Innern herrschten die Forderungen Gottes. Wenn wir eins mit ihm sein
werden in seinem Leiden, werden wir in ihm, in seiner Herrlichkeit, willkommen
geheißen werden.
Das
Übertretungsopfer muss anders als die vorhergehenden betrachtet werden, weil es
sich auf ganz bestimmte Sünden bezieht. Daher müssen wir uns mit diesen Sünden
auseinandersetzen, bevor wir das Opfer erklären.
Im
Falle der Übertretung wurde immer eine Wiedergutmachung gefordert. Natürlich
war das Übertretungsopfer ein Teil des Sündopfers. Es besteht ein Unterschied
zwischen “Sünde” (Zielverfehlung; Unterlassung eines Gebotes; Verfehlen
einer göttlichen Weisung) und “Übertretung” (Grenzüberschreitung; Vergehen
gegen ein Verbot).
“Wenn
sich jemand versündigt, indem er eine Verfehlung aussprechen hört, und er
könnte Zeuge sein, sei es, dass er den Tatbestand gesehen oder dass er ihn
erfahren hat, aber er sagt nicht aus, so lädt er Schuld auf sich” (3. Mose
5,1). Dieses Schwören bezieht sich nicht auf Gotteslästerung, sondern hängt mit
einem Eid zusammen. Da Gott fordert, dass über den Gesetzesbrecher das Urteil
gefällt wird, wird jedermann mitschuldig, der mit seinem Zeugnis zurückhält,
wenn es erforderlich ist. In der Gesetzgebung unseres Landes nennt man das
“Vorschub leisten”. Wer solches tut, macht sich strafbar. Wenn wir vor Gott
in Ehren leben wollen, müssen wir vor den Menschen ehrlich leben. Darum
fordert das Britische Gesetz einen Zeugen vor Gericht dazu auf, einen Eid auf
die Bibel abzulegen. Der Vereidigte, schwört, die Wahrheit zu sagen, die ganze
Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Im
Folgenden zwei Beispiele aus der Heiligen Schrift:
Ein
negatives Beispiel aus dem Alten Testament: Achan verheimlichte seine
gestohlenen Schätze, und seine Familie verhehlte augenscheinlich ihre
Mitwissenschaft, als sie danach gefragt wurde. Darum starben sie zusammen. (Jos
7)
Ein
positives Beispiel aus dem Neuen Testament: Jesus stand schweigend vor seinen
Anklägern. Er antwortete nicht eine
Silbe. Als es Kajaphas nicht gelang, Jesus zum Reden zu bewegen, griff er zum
Schwur und sagte:
“Ich
beschwöre dich bei dem lebenden Gott, dass du uns sagst, ob du Christus, der
Sohn Gottes, bist”.
Jesus
hörte die Stimme des Eidschwurs. Wenn er versäumt hätte, ihnen zu antworten,
hätte er (im Sinne von 3.Mos. 1,5) eine Übertretung begangen, und dadurch wäre
er ein Sünder geworden. Aber Jesus brach sein Schweigen: “Du sagst es”!
Und
er blieb sündlos.
Als
Christ muss ich jeden Tag genauso standhaft und gerade leben.
“Oder
wenn jemand etwas Unreines berührt, oder wenn jemand etwas Unreines an einem
Menschen berührt, wenn er sich dessen bewusst wird, wird er für schuldig
befunden werden.” (3. Mos. 5, 2 und 3) Dieses scheint ein strenges Gesetz zu
sein, aber wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass die Kinder Israel von
einem götzendienerischen Volk umgeben waren. Gott wollte sie vor Verunreinigung
bewahren, nicht nur vor Verunreinigungen, die den Körper verdarben, sondern
auch vor Verunreinigungen der Seele.
Gott
dringt durch die Materie zum Geistigen vor. Ein toter Körper oder ein aussätziger
Mensch würde den anstecken, der ihn berührte. Damit will uns der Herr lehren:
Wir müssen jede Art von Unreinheit, die die Seele verdirbt, meiden wie die
Sünde - sei es ein Buch, einen Freund oder eine Unterhaltung. Selbst wenn wir
es in Unwissenheit tun und es erst später erkennen, werden wir schuldig.
“Oder
wenn jemand unbedacht schwört, irgend etwas Böses oder Gutes tun zu wollen, wie
etwa einem Menschen unbedacht ein Schwur entfahren kann, ohne dass er sich
dessen bewusst wird, er wird es aber nachher inne und gerät so in Schuld” (3.
Mose 5, 4).
Dieses
hieß, einen Eid zu schwören – einen Eid anderer Art als vorher erwähnt. Dieses
vorschnelle Schwören bezog sich auf Versprechungen.
Es
wird auch von uns gefordert, dass wir in unserer Redeweise vorsichtig sein
sollen; denn gar zu schnell versündigen wir uns. Unsere Versprechungen, Gutes
oder Böses zu tun, dürfen nicht voreilig gegeben werden. Da sind Demut und
Sanftmut gefordert. Lasst unser Ja “Ja” und unser Nein “Nein” sein – ohne
Hinzufügung von Eiden. Eide binden uns. Gott bindet jeden Menschen, der einen
Eid schwört.
Der
Mensch, der einen Eid nicht hielt, war schuldig und musste ein
Übertretungsopfer darbringen. Wenn ein Mensch schwor, Böses zu tun, und er tat
es nicht, sündigte er. Ein solcher Mensch kam in große Verlegenheit. Tat er,
was er schwor, sündigte er. Führte er das, was er schwor nicht aus, sündigte er
ebenfalls und musste sein Übertretungopfer darbringen. Das bedeutet, dass vor
Gottes Angesicht das Brechen eines Gelübdes schmerzlicher empfunden wird als
die Ausführung einer bösen Absicht.
Daher
lasst uns beten: “Herr, hüte du die Worte auf meinen Lippen.” (Vgl. Ps. 19,15;
141,3)
Dieses
betrifft sowohl Unredlichkeit gegenüber Gott wie auch Unredlichkeit gegenüber
Menschen. Ebenso wie das Volk zur Zeit Maleachis könnte man fragen:
“Wie
kann ein Mensch Gott berauben?”
Die
Antwort lautet: “ . . wenn jemand eine Übertretung begeht und sich durch
Unwissenheit an etwas vergreift, das dem Herrn geweiht ist” (3. Mose 5, 15).
Wir
müssen immer daran denken, dass alles Gottes Eigentum ist. Auch der Mensch
gehört ihm, denn Gott ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Gott forderte
ein halbes Lot Silber für jeden Mann, der in das Heer Israels eintrat (2. Mos.
30,11-16). Er forderte für sich alle Erstgeburt Israels unter den Menschen und
unter dem Vieh (2. Mos. 13,1), weiter alle Erstlingsgabe von ihrer Ernte (3.
Mos. 23,10-14), den Zehnten von allem (3. Mos. 27,30-32), was sie besassen.
Gott
gehört auch unsere Zeit, unsere Kraft, alle unsere Tätigkeit, aller Dienst, wie
auch all unser Besitztum. Als Gott dem Volk Israel (unter seiner eigenen
Führung) das Land austeilte, das er ihm versprochen hatte, forderte er, dass
die erste Hauptstadt – Jericho – dem Feuer übergeben würde. So wurde sie sein.
Aber der Mensch ist immer träge gewesen, wenn es gegolten hat, Gott das zu
geben, was er verlangte. Gott dieses vorzuenthalten, bedeutet Diebstahl.
“Betrügt
je ein Mensch Gott? Doch ihr habt
mich betrogen. Aber ihr fragt: Worin haben wir dich betrogen? – Im Zehnten und
in der Abgabe!” (Mal. 3,8)
Auch
wenn es nicht in voller Absicht geschieht, ändert es nichts an unserer
Verantwortung. Gott wird beraubt, wenn wir versäumen, ihm den Tag des Herrn zu
weihen – als Ruhetag und als einen Tag stiller Betrachtung. Er gab uns sechs
Tage, und er verlangt, dass wir ihm diesen einen
geben. Unser Volk hat Gott in dieser Hinsicht beraubt. Darum kann es nicht
seinen Segen erwarten.
Wir
berauben Gott durch mangelnde Freigebigkeit: “Schaffe deinen Zehnten in das
Lagerhaus.” Wir berauben Gott durch mangelnde Verantwortung gegenüber dem
geistlichen Dienst, denn er hat uns mitgeteilt, dass ein Arbeiter seines Lohnes
wert sei. Gott wird beraubt, wenn wir es daran fehlen lassen, sein Werk zu
erhalten. Viel Arbeit im Reiche Gottes kann nicht getan werden, weil es an
Menschen fehlt, die sich mit ihren Gnadengaben, Fähigkeiten und Mitteln dem
Herrn vollständig zur Verfügung gestellt haben.
Wir
berauben uns und andere des Segens Gottes, wenn wir den Versammlungen fern
bleiben, wenn wir Gebet und Fürbitte vernachlässigen und das persönliche
Zeugnis in Tat und Wort unterlassen. Gott wird betrogen, wenn die Seinen ihm
die Anbetung und Verehrung, die ihm gebührt, nicht darbringen. Oft beschränkt
sich unsere Gemeinschaft mit Gott darauf, ihn um Hilfe und Schutz zu bitten.
Wir berauben Gott um die Zeit, von der wir behaupten, sie nicht zu haben. Die
Wahrheit ist, dass wir viel zu viel Zeit, Energie und Geld an uns selbst
verwenden. Daher bleibt nichts für ihn übrig.
Die
Sünde der Unwissenheit begegnet uns in den oft wiederhallenden Worten: “Wisst
ihr denn nicht?”
Auf
den ersten Blick erscheint das ungerecht. Wie kann ich zur Verantwortung
gezogen werden, wenn ich unwissend bin? Dieses ist eine menschliche
Schlussfolgerung. Doch Sünde, ob bewusst oder unbewusst, ist ein Sich-Abwenden
von dem, was recht ist. Ein Mensch könnte nicht verurteilt werden, wenn er
nicht wüsste wofür: “Wo kein Gesetz ist, ist auch keine Übertretung” (Röm.
4,15).
Aber
wir sind nicht ohne Gesetz. Vielmehr sollte unsere Frage lauten: “Warum bin ich
unwissend?” “Bin ich wirklich unwissend?” und “Ist meine Unwissenheit eine
sebstverschuldete Unwissenheit?” Wir haben die Verantwortung vor Gott, uns
Kenntnis von dem anzueignen, was Gottes geoffenbarter Wille ist. Tun wir es
nicht, sündigen wir.
Verkehrsteilnehmer,
die die öffentlichen Verkehrsregeln nicht lesen, können sich nicht auf ihre
Unwissenheit berufen, um der Strafe zu entgehen. Sie machen sich strafbar. Gott
hat den Menschen sein Wort zukommen lassen - die Bibel. Wenn der Mensch sich
weigert, die Bibel zu lesen, um daraus den Willen Gottes zu ersehen, wird er
schuldig. Wer es vernachlässigt, sich Kenntnis über Gott und seinen Willen
anzueignen, sündigt. Wer Gottes Anweisung vergisst, macht sich schuldig.
Hätten
die Juden das Gesetz mit aufgeschlossenem Herzen gelesen, würden sie ihren
Messias erkannt haben. Dann hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht
gekreuzigt. Wer etwas nicht weiß, hat die Pflicht, sich zu informieren.
Zu
den Übertretungen zählen nicht nur Sünden gegen Gott, sondern auch Sünden gegen
den Nächsten. Hierzu gehören auch die Folgenden:
Wer
ist hier nicht schuldig? Denken wir an Bücher und andere Dinge, die wir
borgten, aber noch nicht zurückgaben.
Unredlichkeit
kommt nicht nur im Geschäftsleben vor. Christen sind lauter und rein in allen
Angelegenheiten. Wir teilen redlich. Wir teilen auch die Lasten. Wir bürden dem
anderen nicht schwere Dinge auf. Wir tragen die Lasten selbst.
Gemeint
ist nicht nur der offene Angriff, bei dem wir den andern auf der Landstraße
niederschlagen und berauben. Das tut kein Christ. Gewaltsames Berauben
geschieht dort, wo der starkwillige, resolute Mensch darauf besteht sich
durchzusetzen, ohne Rücksicht darauf, ob der andere einverstanden ist, oder ob
es gegen sein Gewissen geht. Er beraubt ihn gewaltsam seiner Persönlichkeit.
Christen müssen lernen, sich zu vertragen, sich zu tragen und auch
verschiedener Meinung zu sein. Anderenfalls brechen wir Streit vom Zaun.
Täuschung
und Betrug begegnen wir im Geschäftsleben, oder wenn wir etwas unter falschem
Vorwand oder mit unerlaubten Mitteln erwerben.
Als
Christen ist es unsre Pflicht, alles zu tun, was in unsrer Macht steht, um den
Eigentümer eines jeglichen gefundenen Gegenstandes ausfindig zu machen und zu
veranlassen, dass das Gefundene ordnungsgemäß zurückgegeben wird.
Bei
den ersten drei oben angeführten Verfehlungen (3. Mose 5,1-4) war ein
weibliches Lamm oder ein Zicklein, zwei Turteltauben oder zwei andere junge
Tauben oder der zehnte Teil eines Scheffels Mehl zu opfern. Bei den Sünden
direkt gegen Gott bestand das Übertretungsopfer aus einem Widder und einer
Geldstrafe im Werte eines Doppelzehnten (d.h.: zwei Zehntel). Bei den Sünden
gegen einen Menschen bestand es grundsätzlich aus dem gleichen. Dazu kam ein
Fünftel an den Eigentümer und ein Widder mit einem Geldopfer an den Priester.
Man sieht daraus, dass der Grundsatz beim Übertretungsopfer die
Wiedergutmachung war und die Forderung für absolute Rechtschaffenheit in allen
Bereichen des Lebens.
Dieses
war dasselbe wie bei dem Sündopfer des einfachen Mannes, ausgenommen das, was
die Vögel betraf. Man drehte ihnen den Hals um und sprengte das Blut an die
Seite und an das Fußende des Altars. Der zweite Vogel und die Handvoll Mehl
wurden auf dem Altar verbrannt.
Alles
Verbrannte gehörte Gott.
Alles
nicht Verbrannte gehörte dem Priester.
Ihm
gehörte nichts.
Das
Übertretungsopfer betont die völlige Wiedergutmachung. Wir müssen bei Gott und
bei unserm Nachbarn alles wiedergutmachen. Damit man sich die Wiedergutmachung
nicht als Verdienst anrechnete, gehörte zur Wiedergutmachung Sündenbekenntnis
und Opfer – als Zeichen der absoluten Unwürdigkeit dessen, der gesündigt hatte.
Was
es uns lehrt:
Christus
ist das Opfer für unser großes Vergehen. “Für die Übertretungen meines Volkes
wurde er heimgesucht.” Christus hat sich selbst als das eine Opfer für die Sünde hingegeben. Der Gerechte starb für die
Ungerechten, "damit er uns hin zu Gott führte". (1.Petr. 3,18)
Wir
waren alle Gottes Schuldner, da wir gegen ihn gesündigt hatten. Doch da wir die
Schuld nicht bezahlen konnten, die den Tod bedeutete, wurde er das Opferlamm,
die Ziege, die Turteltaube, sogar das zarte Mehl. Und so wurde der volle
Einsatz gestellt. So wurden Gottes Ansprüche nicht umgangen, sondern in unserem
Sühneopfer erfüllt.
“Gott
war in Christus, als er die Welt mit sich selbst versöhnte, als er ihnen ihre
Übertretungen bei sich nicht in Rechnung stellte und das Wort von der Versöhnung
in uns niederlegte” (2. Kor. 5,19).
“Auch
euch, die ihr tot wart in Übertretungen und Unbeschnittenheit eures Fleisches,
machte er lebend zusammen mit ihm – er schenkte uns ja gnädiglich alle
Übertretungen; das gegen uns lautende Schreiben mit seinen Bestimmungen, das
uns entgegenstand, hatte er ausgelöscht, und er hat es aus der Mitte
weggenommen, da er es ans Kreuz nagelte” (Kol. 2, 13).
Das Friedensopfer – obschon der Beschreibung nach das dritte – ist
doch das letzte in der Befolgung. In dieser Rangfolge wollen wir es nun
betrachten, weil es das Ergebnis ist von allem, das wir vorher betrachtet
haben.
Es lehrt uns die Notwendigkeit der Sühne. Es stand symbolisch für
die Versöhnung, die später in Christus vollendet werden sollte.
Das Opfer bestand aus einem Stier oder Rind, einem jungen Lamm
oder einer Ziege, gleich welchen Geschlechts. Alle diese Tiere
versinnbildlichten Christus in seinem vollkommenen Leben:
·
der Stier
(o: das Rind) – Christus, der Starke und Geduldige
·
das
Lamm – Christus, der Sanftmütige und
Zahme
·
die Ziege –
Christus, der Verachtete und Verschmähte
Vieles in der Bibel scheint sich zu wiederholen. In Wirklichkeit
ist es jedoch nicht so. Die Einzelheiten sind ein fesselndes Studium. Hier soll
es genügen, auf einige dieser kleinen Einzelheiten hinzuweisen.
Die Opfer:
Es waren drei Opfer im Brandopfer, doch nur zwei im Friedensopfer.
Im letzteren waren keine Vögel vorgesehen. Den Vögeln mangelte es an Fett, das
ein wesentlicher Teil dieses Opfers war. Auch wären sie zu klein, um den drei
Zwecken zu dienen.
Die Geschlechter:
Nur männliche Tiere waren für das Brandopfer vorgesehen, aber
männliche oder weibliche für
das Friedensopfer. Im Brandopfer gab uns Christus eine Möglichkeit der
Freundschaft, die bis dahin nicht bestand. Im Friedensopfer wurde die
Freundschaft dargestellt. Das eindrucksvollste Zeichen von Freundschaft ist
männlich und weiblich.
Die Handhabung:
Das Brandopfer war ein vollständiges, doch hier beim Friedensopfer
wurde nur das Fett geopfert.
Im Brandopfer gehörte alles Gott, im Friedensopfer wurde es
zwischen Gott, dem Priester und dem Volk geteilt. Es bestand eine Ähnlichkeit
zwischen ihnen insofern, als beide ohne Makel waren.
In beiden legte der Opfernde seine Hände auf den Kopf des Opfers,
um mit ihm eins zu sein, und beide wurden an der Tür der Stiftshütte getötet,
was soviel bedeutete wie Sühnung. Wir müssen mit Christus eins werden –
außerhalb des Lagers – wenn wir innerhalb der Gemeinde zu seiner Herrlichkeit
beitragen wollen.
In beiden Fällen wurde das Blut um den Altar herum verspritzt. Das
Blut ist es, das uns einen neuen und lebendigen Weg zu Gott geöffnet hat. Das
Blut ist es, durch das wir Heil und Frieden haben.
Er musste das Opfer an die Tür der Stiftshütte führen, seine Hände
darauf legen, es töten, es öffnen, das Fett, die Eihaut und die Nieren
ausnehmen und alles dem Priester geben, damit es verbrannt würde. Das war
alles. Der Mensch muss nur gehorsam sein und Gott geben, was ihm gebührt. Das
bedeutet: Ohne die Leckerbissen können wir immer auskommen; doch muss es immer
der beste, der auserlesenste Teil sein, wie es hier war.
Er musste das Blut auffangen und es auf dem Altar versprengen, die
Brust nehmen und sie vor dem Herrn schwingen – und die Schulter, die er vor dem
Herrn emporhob. Die Brust bedeutete Zuneigung;
die Schulter stellte die Kraft
dar. Diese beiden sollten dem Herrn dargebracht werden. Nachdem man sie Gott
überreicht hatte, kamen sie wieder zurück, wie man in des Priesters Anteil
sieht. Der Priester musste auch das Fett verbrennen. Das geschah gesondert.
Gott erhielt das Fett der Eingeweide (nicht das Fett, das sich
durch die mageren Teile zog). Es war der beste Teil, sehr geschätzt von den
Orientalen, doch von Gott gefordert. Was ist Fett? Fett ist “eine tierische
Substanz von mehr oder weniger öligem Charakter, abgelagert in Gefäßen und
Geweben. Es bildet eine beträchtliche Schicht unter der Haut, ist in großer
Menge um gewisse Organe gelagert, so z.B. um die Nieren, füllt auf der
Oberfläche des Herzens Furchen aus, umgibt die Gelenke, und ist in großer Menge
im Knochenmark vorhanden. Es ist ein ausgezeichnetes Dichtungsmaterial im
Körper, da es leicht, weich und elastisch ist. Da es ein schlechter Wärmeleiter
ist, ermöglicht es dem Menschen, die Wärme aufzuspeichern, die er erzeugt hat.
Doch sein Hauptnutzen ist zum Zweck der Ernährung.” (“Britische Enzyklopädie”)
Das Leben und die Lebenskraft des Innern ist es, die den äußeren
Körper ernähren - die warme Glut eines geistlichen Feuers.
Bezüglich des Lammes muss etwas hinzugefügt werden: “… dem soll er
von dem Heilsopfer des Herrn als Feueropfer das Fett darbringen: den ganzen
Fettschwanz, den er dicht am Schwanzwirbel abtrennen soll” (3. Mose 3, 9), was
wörtlich heißt: “den ganzen Schwanz, abgeschnitten direkt am Rückgrat”. Alles
das war Fett. Von den Orientalen wurde das als “lieblicher Anteil” (“süßer
Geruch”) angesehen. Fett brennt sehr schnell und hitzig und zeigt uns so Gottes
geneigte Annahme unseres Besten, wenn wir es ihm darbringen. Im Hinblick auf
diesen Anteil, der Gott zukommt, erklärt sich der letzte Vers: “… dass ihr
weder Fett noch Blut esst.” Was Gott annimmt, wird heilig und darf nicht wie
alltägliche Dinge behandelt werden.
Der Priester bekam den Brustkorb und die Schulterwölbung; die
Brust (Zuneigung) und die
Schulter (Kraft) war speziell
für den Mann, der das Opfer darbrachte. Christi Liebe und Kraft sind
grundsätzlich für alle da, seine spezielle Zuneigung und besondere Kraft aber
für die, die ihm dienen.
Das Friedensopfer war das
einzige Opfer, bei dem der Opfernde einen Anteil erhielt. Alles, das übrig war,
wurde von ihm und seiner Familie oder seinen Freunden im Hof der Stiftshütte
gegessen. Dieses Opfer war ein freudiges Fest für alle zusammen: Gott, Priester
und Opfernde. Es war ein Fest der (Tisch-)Gemeinschaft.
Wir haben teil an dem vollbrachten Werk des Kreuzes. Das
Friedensopfer stellt die völlige Versöhnung dar. Wir erkennen und nehmen es an,
dass Gott in Christus die Welt mit sich selbst versöhnte. Christus, der
gestorben ist, lebt und wir in ihm. Wir feiern mit ihm und genießen den Frieden
Gottes, der höher ist denn alle Vernunft.
Was es uns lehrt: Christus ist unser Friedensopfer.
“Nachdem wir also aus Glauben gerechtfertigt worden sind, haben
wir Frieden zu Gott hin durch unseren Herrn, Jesus Christus.” (Röm. 5,1)
“… er stiftete ja Frieden durch das Blut seines Kreuzes.” (Kol. 1,
20)
”… denn er ist unser Friede (unser Friedensopfer), er, der die
Beiden eins machte und in seinem Fleisch die Scheidewand, abbrach, die
Feindschaft.” (Eph. 2,14)
Das Brandopfer richtete sich nach dem Besitz,
das Speiseopfer nach der Wohlhabenheit,
das Sündopfer nach dem Stande,
das Übertretungsopfer nach der Schwere der Übertretung.
Das Friedensopfer fasste alle zusammen.
Im Brandopfer weiht Christus sich selbst.
Im Speiseopfer weiht man Gaben.
Im Sündopfer tut man Buße.
Im Übertretungsopfer bringt man Wiedergutmachung.
Im Friedensopfer ist die Versöhnung.
Das Brandopfer ist Christus, unser Opferlamm: Eph. 5,2
Das Speiseopfer ist Christus, das Weizenkorn: Joh. 12,24
Das Sündopfer ist Christus, unser Sündopfer: 2. Kor. 5,21
Das Übertretungsopfer ist Christus, unser Übertretungsopfer: Kol.
2,13-14
Das Friedensopfer ist Christus, unser Friedensopfer: Eph. 2,14