Dr. David Jaffin
Die Heiligkeit Gottes in Jesus Christus
Das Opfer im AT • Gottesbild - Zweites
Gebot • Die Aktualität der prophetischen
Botschaft
Das
Opfer im Alten Testament und seine Vollendung in Jesus Christus
Opfer
und Kreuz: Die Vordeutungen im Alten Testament
Das
Gottesbild - das zweite Gebot nach Mose
Einleitung:
Was bedeutet das zweite Gebot nach Mose?
Die
Verharmlosung Jesu Christi
Die
biblische Bestätigung des zweiten Gebots
2.
Der Herr ist der Herr der Gerechtigkeit
3.
Jesus Christus ist der Gott der Geschichte
4.
Jesus Christus ist auch der Gott der Liebe
Du
sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis von deinem Nächsten machen
Die
Aktualität der prophetischen Botschaft
Die
Propheten, unsere Zeitgenossen
Die Villa Seckendorf in
Stuttgart-Bad Cannstatt war vor 1933 oft ein besonderer Ort, einmalig im
damaligen Deutschland: Judenchristen legten als Gäste die Bibel aus. Meine
Mutter, die ich in meinem zwölften Lebensjahr verloren habe, nahm mich als
kleinen Buben von Zuffenhausen aus mit; ich war wohl acht oder neun Jahre alt.
Sie lockte mich: „Weißt du, wenn Juden, die Jesus lieb haben, das Alte
Testament auslegen, können sie es besser als unsere Pfarrer in der
Kirche." - Sie hatte Recht. Bis heute, nach sechzig Jahren, leben in mir
tiefe Eindrücke: Einen alten Mann mit langem, grauem Bart sehen meine Augen, in
allem ein Jude. Er leuchtete, wenn er von Jesus redete, dem Juden, der Gottes
Sohn ist und Israels König, der uns am Kreuz von Golgatha erlöst hat von
unserer Schuld.
Und heute empfinde ich, siebzig Jahre alt, noch
einmal ähnliches, wenn ich die drei Aufsätze von Pfarrer Dr. Jaffin lese: Jesus
kommt darin zum Leuchten, wie damals angestrahlt von den Scheinwerfern des
Alten Bundes, in seiner Strenge und Güte, so streng, dass mein Gewissen
erschrickt, so gütig, dass ich zu meinem Retter ans Kreuz eile. Die seltsame
Spannung, dass wir zugleich weinen und lachen, jubeln und trauern, Halleluja
singen und Kyrieleis, uns zugleich schämen und freuen
- dieser dem natürlichen Menschen unbegreifliche Widerspruch wird wohl erst
dann aufhören, wenn wir IHM selbst begegnen werden in einem neuen Leib und mit
neuer Seele, in die die tiefen Narben unserer Sünden nicht mehr eingegraben
sein werden; dann endlich von Angesicht zu Angesicht. Nicht nur der Glanz der
Freiheit wird uns entgegenleuchten, sondern auch das Wesen ewiger Schönheit.
Bis dahin bleibt die göttliche Warnung an Mose in
Kraft: Kein Mensch bleibt am Leben, der mich (direkt) sieht (2. Mose 33, 20).
So tief ist Altes und Neues Testament eine Einheit. Für diese Botschaft vom
strengen Erbarmen unseres Heilands danken wir dem Verfasser. Wird sie in
Deutschland noch einmal gehört werden, aus dem Mund eines Jüngers des Herrn,
der Jude ist und bleibt? Die Zeit ist kurz.
25. Juli 1984 Walter
Tlach, Dekan i. R. Herrenberg-Gültstein
Was soll das bedeuten: Opfer? Man denkt zuerst an
Tieropfer. Das ist auch richtig. Es ist ein sehr merkwürdiger Vorgang, wenn ein
Tier geopfert wird. Die Juden wissen genauso wenig über Tieropfer wie die Christen.
Die Juden haben etwa 30 Jahre nach Jesu Tod aufgehört, Tiere zu opfern.
„Opfer" ist das wichtigste Thema in der ganzen Bibel, das zentralste. Es
gibt viele wichtige Themen in unserer Bibel, aber dies ist das allerwichtigste.
Warum eigentlich?
Hier soll nicht alles bis zum letzten Buchstaben über Opferdarbringung gesagt werden, nur die wichtigsten Dinge, die in der Bibel über das Opfer stehen. Ganz zentral ist dieses Thema in der Thora, in den fünf Büchern Mose, besonders im Leviticus, ja, im ganzen Neuen Testament dargestellt.
Als erstes wollen wir das Wer, Wann, Was, Wo,
Wie, Warum betrachten, dass wir wenigstens ein bisschen lernen, was Opfer
überhaupt ist.
Wer opfert? Im Alten Testament kann ein einzelner
Mensch opfern. Es kann eine Familie opfern, auch eine Sippe oder das ganze
Volk. Der Opferbegriff schließt dies alles mit ein. Immer hat es solche Opfer
gegeben: Das ganze Volk stand vor Gott und opferte, alle einschließend, oder
das Opfer betraf die privateste persönliche Sphäre
des einzelnen.
Wann wird geopfert? Man opferte - ebenfalls alles
einschließend -, wenn alles gut ging: wenn ein Kind geboren worden war; wenn
man heiratete; wenn man einen Krieg gewonnen hatte.
Für alles, wofür man überhaupt danken kann, wurde
geopfert – vielmehr konnte geopfert werden. Das Opfer betrifft also alles, was
mit Dank zu tun hat.
Aber das Opfer umfasst gleichzeitig auch alles,
was mit Not zu tun hat: Eine Hungersnot kommt über das Land. Es gibt zu wenig
Regen, eine Pest bricht aus, Kriegsgefahr besteht. Gefahren bedrohen auch
einzelne Familien: der Vater wird krank oder die Mutter; es fehlen Kinder; es
ist kein Sohn, kein Nachfolger da; Gefahr kann es auch geben für die Sippe und
für das ganze Volk.
Das bedeutet: Alles, was zu Lob, Preis und Dank
stimmt, kann und soll - jedenfalls bei frommen Menschen - zu einem Opfer
führen. Und alles, was Not, Angst und Unsicherheit erzeugt, hat auch mit einem
Opfer zu tun.
Dreimal täglich wurde im Tempel ein Opfer
dargebracht. Es umfasste die ganze Gefühlswelt, von Dank bis Not, während des
ganzen Tages. Das Thema des Opfers ist also allumfassend und betrifft alle
Lebensbereiche.
Was wird geopfert? Ein reicher Mensch kann ein
großes Tier, einen Stier opfern, es werden natürlich nur reine Tiere geopfert,
nur Tiere, die wiederkäuen und gespaltene Hufe haben; ein armer Mensch, der
sich das nicht leisten kann, opfert eine Mehlspeise oder eine Taube. Das war
natürlich viel billiger als ein Stier. Das Opfer ist eine sehr demokratische
Angelegenheit. Dieses Opfer ist genauso gut bei Gott angesehen wie ein großer,
teurer Stier oder ein Lamm. Gott sieht uns und weiß, was wir leisten können. Es
geht nicht darum, eine Schau zu machen, sondern es geht um die Hinwendung zu
Gott.
Bei einem Tieropfer gehört das
Erste Gott. Die Pulsader wird aufgeschnitten (eine sehr „schonende" Art,
ein Tier zu töten, denn es wird schnell bewusstlos). Das ganze Blut fließt auf
den Altar. Warum? Das Leben ist im Blut, und das Leben gehört Gott. Diese
Aussage ist auch neutestamentlich.
Als es auf der Konferenz der Apostel in Jerusalem einen Streit gab zwischen Paulus und den pharisäischen Judenchristen über die Frage, ob die Heiden beschnitten werden müssten und ob sie das ganze jüdische Gesetz halten müssten, da kam man durch Jakobus zu einem Kompromiss, der für die damalige Zeit sehr sinnvoll war: Das Blut darf auch von einem Heidenchristen nicht gegessen werden. Das Tier darf nicht erwürgt werden, sondern muss so geschlachtet werden, wie es die biblische Bestimmung sagt.
Aber wie soll das heute sein, denn diese Bestimmung wurde seit fast 2 000 Jahren von vielen lebendigen Christen ignoriert? Dazu ein Beispiel: Mein Vater hat mir vor einiger Zeit geschrieben - mein Vater ist Jude -, dass es eine lutherische Gemeinde in New York gibt - das sind nicht Juden-Christen, sondern Heiden-Christen -, in der gesagt wird, dass man nach dem Neuen Testament kein Blut essen soll, und sie tun es auch nicht mehr. Sie gehen zu einem koscheren Metzger, der im Stil der Juden die Tiere schlachtet. Dies spielt eine sehr wichtige Rolle.
Mein Vater schreibt mir also und fragt: „David, ist das richtig oder falsch, was in dieser christlichen Gemeinde geschieht?" Meine Antwort war: „Es ist falsch." Und zwar ist es gesamtbiblisch gesehen falsch.
Die Antwort ist folgende: Jesus Christus hat beim Heiligen Abendmahl gesagt: „Nehmet, trinket, das ist mein Blut..." Sein Opfer steht anstelle der Tieropfer - wie es uns der Hebräerbrief sagt.
Im Blick auf die früheren Opfer bleibt festzuhalten: Im Alten Testament durfte kein Blut gegessen werden. Beim Opfer wurde das Blut Gott gegeben. Die Juden halten das bis heute ein. Natürlich opfern die Juden heute nicht mehr, aber sie haben die koschere jüdische Schlachtung beibehalten.
Es gibt noch einen anderen Teil vom Tier, den der Mensch nicht essen darf: das Fett! Zwei Priester starben, weil sie Fett gegessen hatten. Das waren Hofni und Pinehas, die zwei Söhne von EIi. Warum? Wer gegen Ende des Krieges und gleich nach dem Krieg hier in Deutschland lebte, der weiß das. Was hat man mehr begehrt, fette oder magere Speise? Fette natürlich, weil sie sättigt. Und in Israel in der alten Zeit hat man nicht viel Fleisch gegessen; das begehrteste Stück vom Fleisch war nicht das Filet wie in unserer Wohlstandsgesellschaft, sondern das fette Teil. Das Beste gehört Gott und nicht dem Menschen. Darum wird das fette Teil Gott gegeben. So ist es bei uns auch am Erntedankfest. Wir bringen nicht die kleinsten Äpfel oder Kartoffeln. Nein, das Beste gehört Gott.
Noch etwas ist in diesem Zusammenhang festzustellen: Der Inbegriff des Opfers im Alten Testament ist der Räucheraltar. Hier bringt der Priester das Opfer dar - und niemand sonst. Er muss aus einer Priesterfamilie stammen. Für einen evangelischen Christen ist das etwas fremd, für einen katholischen Christen keineswegs. Für einen Ostchristen ist das sogar selbstverständlich.
Der Rauch dieses Räucheraltars ist sichtbar. Er steigt langsam auf, und je höher er steigt, umso weniger sichtbar ist er. Das ist zeichenhaft für unsere Hinwendung zu Gott, von dem sichtbar Irdischen zu dem unsichtbaren Herrn - in die Transzendenz. Am Räucheraltar ist der Priester das Verbindende zwischen dem sichtbaren Irdischen und dem Unsichtbaren, der Transzendenz, dem Gott Israels.
Wo opferte man? Zunächst hat man auf den Höhen geopfert. Auf diesen Anhöhen waren teilweise vorher viele Heiligtümer von Götzen aufgestellt, besonders von Baal. Wir erfahren das vom Propheten Amos und durch eine ganze Reihe von Propheten, die das Gericht über diese Höhen und Opferstätten ausriefen, gerade weil sie die Stelle waren, wo man nicht nur Gott, sondern auch dem Baal opferte. Die Gerichtsrede des Propheten Amos über Bethel - das eine solche Höhe war - war sehr hart. Schwere Strafen wurden angekündigt! Die Kinder der Priester würden sterben, die Frau des Priesters würde eine Dirne werden, die Opferstätte zu Bethel sollte besudelt werden - eine ganz fürchterliche Aussage, und zwar wegen dieses „Hurendienstes", wie Hosea es ausdrückt, dass man auf der einen Seite den Gott Israels anbetet und ihm opfert und daneben gleichzeitig anderen Götzen dient. Das läuft durch die ganze Prophetie. Die Reden der Propheten kämpften gegen die falschen Opfer. Darum wird im 5. Buch Mose in typisch biblischer Sprache gesagt: „Es soll in Zukunft nur noch eine einzige Opferstelle geben." Im Nordreich gab es alle möglichen Opferstellen. Aber im Südreich sollte die zentrale Opferstätte sein. Es steht nirgends, dass in Jerusalem diese Opferstelle sein solle.
Als das Gesetzbuch dann im 7. Jahrhundert vor der Zeitrechnung wieder entdeckt wurde und der große gläubige König Josia die Worte dieses Buches hörte, sagte er: „Das soll das Gesetz werden für das Volk Israel!" Und er bestimmte, dass Jerusalem dann als einzige Opferstätte für das ganze Land Israel dienen solle.
Diese Stadt zieht alle an. Seit der Zeit Josias wurde bei allen großen Festen nur in Jerusalem geopfert. Hierher kamen von weither aus der ganzen Welt alle möglichen Leute. Aus der Geschichte über das Pfingsten in der Apostelgeschichte wissen wir, dass schon damals von überall her eine Menge Juden im Tempel waren, das jüdische Pfingstfest zu feiern. Christen aus allen Völkern pilgern heute zu diesem Ort der Kreuzigung Jesu. Aber es gibt seit der Zerstörung des Tempels keine Opferstätte mehr.
Wie opferte man? Das ist sehr schwer zu erklären. Mein Vater war ein guter Jurist. Er hat mir gesagt: „David, die juristische Sprache ist viel zu kompliziert, so dass niemand das verstehen kann. Man muss das einfacher machen." Dasselbe hat auch Martin Luther über die Juristen gesagt. Ich denke, dass auch wir Theologen es lernen sollten, Dinge auf das Wesentliche zu bringen, so dass es verständlich ist.
Es gibt zwei Grundarten von Opfern: ein Brandopfer (ein „Holocaust") und ein Gemeinschaftsopfer.
Bei einem Brandopfer wird das Ganze Gott gegeben. Die Menschen müssen das Opfer zu dem Priester hinbringen, aber alles wird Gott gegeben; alles wird vollständig verbrannt.
Beim Gemeinschaftsopfer geht das Blut an Gott und auch das fette Teil, der Fettschwanz zum Beispiel. Dann bekommt der Priester seinen Teil. Die Verbindung Gott - Blut ist die Anerkennung: Er herrscht über das Leben. Die Verbindung Gott - Fett ist die Anerkennung, dass Gott das Beste gehört, stellvertretend für alles. Dann erhält der Priester seinen Teil als der Verbindende zwischen dem Opfernden und Gott; und dann, am Schluss, kommen die opfernden Leute selbst dran. Auch sie bekommen ihren Teil.
Der Priester spielt die Rolle des Vermittlers, nebenbei gesagt die Rolle, die von der katholischen Kirche übernommen wurde. Die katholischen Priestervorstellungen sind, so glauben sie, vom Alten Testament her abgeleitet. Man kann das auch mit einem Satz sagen, wie viele Theologen es schon ausgedrückt haben: Wir (die Evangelischen) sind die prophetische Tradition aus dem Alten Testament, und die Katholiken stellen die Priester-Tradition aus dem Alten Testament dar.
Warum opferte man? Das wird öfter falsch verstanden. Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum man opferte: Einmal soll gezeigt werden, dass Gott, der Gott Israels, der Herrscher ist über die ganze Schöpfung. Das zeigt sich vor allem in den Brandopfern. Alles gehört ihm. Die Sache mit dem Fett der Opfertiere, dass der Herr das Fette, das Beste, stellvertretend für das Gesamte bekommt, bekundet auch die Anerkennung, dass Gottes Herrschaft sich über alles erstreckt, was sich regt und was lebt, am meisten über die Menschen.
Menschenopfer sind in Israel verworfen. Abraham wurde befohlen, Isaak zu opfern. Er bleibt Gott gegenüber gehorsam, aber statt seines Sohnes schickt Gott ein Tier, einen Widder. Der Widder stirbt anstelle von Isaak. Aber unmissverständlich steht im Alten Testament, im Buch Exodus, geschrieben: Der älteste Sohn, der gehört mir! Auch meine Eltern mussten nach meiner Geburt eine Zeichenhandlung vornehmen, um mich, den einzigen Sohn in meiner Familie, los zubekommen von dieser Forderung. In solch einem Fall gehen die Eltern zu einem Rabbiner und bezahlen eine kleine Summe als Zeichen dafür, dass man den Sohn zurückkauft, weil er sonst eigentlich Gott gehört. Es wird ein so genanntes Lösegeld bezahlt.
Der älteste Sohn ist stellvertretend für alle Kinder in Israel der Religionsträger. Der Glaube geht über die Söhne; der älteste Sohn ist auch die zentrale Gestalt in einer jüdischen Familie. So muss der Autor dieses Buches zugeben, dass er sehr verwöhnt worden ist. Die Eltern wollten gern einen Sohn haben, da haben sie erst zwei Töchter bekommen! Und als sie dann einen Sohn hatten, gerieten sie so in Ekstase, dass die Leute bei der Beschneidung in Ohnmacht gefallen sind. Aber das war nicht gut für den Sohn. Das ist ja immer die Gefahr für den ältesten Sohn in einer jüdischen Familie.
Außer der Herrschaft Gottes über die gesamte Schöpfung im Brandopfer sehen wir eine zweite zentrale Aussage über das Opfer: Im Gemeinschaftsopfer will man Gemeinschaft mit dem Herrn haben nach dem Bekenntnis: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen." Man will die Gemeinschaft annehmen, die er uns anbietet. Eine tiefe Aussage! Nicht der Mensch will Gemeinschaft mit Gott, er will jedoch die Gemeinschaft annehmen, die der Gott Israels ihm als Israelit gegeben hat.
Es gibt heute viele moderne Christenkreise. Man tut alles mögliche, ohne in die Bibel hineinzuschauen, und dann nennt man das einen christlichen Kreis. Hat das mit Christentum überhaupt etwas zu tun? Die Gemeinschaft stiftet Jesus Christus. Und ein christlicher Kreis ist die Bejahung dieser Gemeinschaft, die Jesus uns gegeben hat.
So ist es auch im Judentum. Selbstverständlich opfert man, wie schon erwähnt wurde, aus Dank, als Hilfesuchender, als einer, der in Not ist. Es umfasst das ganze Leben: alle Tageszeiten, alle Jahreszeiten, alle Gefühle, alle Sozialbegriffe der einzelnen Menschen bis zum ganzen Volk. Aber dies sind die zwei zentralen Opfer: das Brandopfer und das Gemeinschaftsopfer. Das Brandopfer bedeutet, dass Gott alles gehört, wirklich alles, und das Gemeinschaftsopfer, dass ich die Gemeinschaft wirklich annehmen will, die Gott mir anbietet.
Was ist die moderne Form des Opfers, wenn wir Gottes Herrschaft über alles annehmen und bejahen, und gleichzeitig die Gemeinschaft, die er uns gestiftet hat, bejahen und annehmen? Wo geschieht das heute und in welcher Form? Wo anerkennen wir diese Gemeinschaft, die er uns gegeben hat, und bejahen sie?
Wir beten zu Gott, und wir danken ihm. Das Opfer ist die ursprüngliche Form des Gebetes. Alles, was das Gebet beinhaltet, ist in der Opferdarstellung völlig enthalten.
Was tun wir denn letzten Endes, wenn wir beten? Wir übergeben unsere ganze Person Jesus Christus. Das ist das Gebet. Damit bejahen wir seine Herrschaft über uns und die ganze Welt, in der wir leben, die gesamte Welt mit allem, was darin ist.
Gleichzeitig ist es nicht nur eine Selbstübergabe, sondern eine Anerkennung seiner Selbstübergabe am Kreuz, eine Bejahung
seiner Gemeinschaft mit uns, die er durch das Blut an seinem Kreuz bewirkt hat. Das ist das, was ein Gebet ausmacht. Es sei nochmals wiederholt: Ich anerkenne seine Herrschaft über mich, über alles, was ich habe und was ich bin. Und ich suche Gemeinschaft mit Gott, indem ich seine Gemeinschaft, die er mir gegeben hat, anerkenne, bejahe und annehme. Gebet umfasst auch den Lobpreis, alle Gefühle, umfasst alle Tageszeiten, umfasst auch alle Beziehungen, die persönlichsten Anliegen. Ein Gebet ist nicht nur meine Beziehung zu Gott, es umfasst auch die meiner ganzen Familie zu Gott, auch die meines Volkes. Auch im Tempel wird gebetet für die Menschen, die die Macht im Volk haben, dass sie ihr Amt richtig führen. Paulus ruft immer wieder dazu auf, auch Martin Luther hat das aufgegriffen. Das ist also alt- und neutestamentlich, wenn wir für die Führer des Volkes, der Völker, beten.
Das Gebet, so allumfassend, wie es ist, von der Tageszeit aus, von den Gefühlen aus, von den sozialen Dimensionen aus, alles was da drin liegt, ist ein Opfer. Es gibt überhaupt nichts, was wir im Gebet heute erleben und tun, was nicht in den Opfervorstellungen des Alten Testaments vorhanden ist. Leider hat das Gebet zuerst im Judentum keine so zentrale Rolle gespielt, jedenfalls nicht bis zur späteren Entwicklung. Aber das Opfer war die zentrale Gottesbeziehung. Das ist die Urform des Gebetes.
Wenn man dem Autor fragen würde, was bei der Kreuzigung Jesu passiert ist, was das alles bedeutete, dann würde er antworten: Es ist ein Opfergang. Das Kreuz Jesu ist das zentrale Geschehen im Neuen Testament, nicht nur dort, sondern überhaupt das zentrale Geschehen in der ganzen Weltgeschichte. Für alle Zeiten ist und war es nichts anderes als ein Opfergang. Es hat zutiefst mit Opfer zu tun. Und nicht nur das, sondern im ersten, zweiten und dritten Buch Mose stehen sehr zentrale Aussagen, die auf das Kreuz Jesu hindeuten.
Die wichtigste Aussage hiervon ist die, die wir am wenigsten kennen. Das ist typisch für heute, für unsere Bibelkenntnis. Was passiert im ersten Buch Mose? Dort ist diese persönliche Opfervorstellung vorhanden. Sie ist nämlich nicht nur persönlich, sondern es geht um den ganzen Segen Gottes über das Volk Israel, die ganze Zukunft dieses Volkes und damit über die Zukunft dieser Welt. Gott spricht zu Abraham: „Durch dich werden gesegnet werden alle Völker auf Erden" (1. Mose 12, 1). Die Opferung Isaaks und diese ganze Problematik ist zugleich auf der einen Seite total persönlich, aber gleichzeitig allumfassend für das Volk Israel und seine Zukunft und für die Welt, für alle Heiden, die dann später in Jesus Christus zum Glauben an den Gott Israels kommen werden. Auch das ist typisch biblisch.
In dem Persönlichen entfaltet sich das Kosmische, das alle Dimensionen des persönlichen Lebens, die Geschichte und alle Völker auf Erden einschließt. Das ist mit Weihnachten genau das gleiche, und mit Karfreitag. Was da persönlich vorgeht, umfasst alle Völker, und zwar für alle Zeiten.
Bei dem Opfergang Isaaks wird dem Abraham befohlen, seinen Sohn, auf den er immer gewartet und den er lange nicht bekommen hat, diesen Sohn, der ganz und gar von Gott kommt, zu opfern. Das ist zuerst biblisch. Alles gehört Gott, das Beste gehört Gott und der einzige Sohn soll ihm gehören. Abraham bringt ihn hin. Es gibt alle möglichen rabbinischen Aussagen im Talmud, was wohl in Abrahams Kopf vorging. Natürlich können wir das psychologisieren, alles mögliche da hinein interpretieren. Wir wissen nur sehr wenig über diese Geschichte.
Aber schlicht und einfach: Er bleibt treu, er geht direkt aufs Ziel, das Opfer, zu, ohne sich nach links oder nach rechts zu wenden. So war es auch beim Opfergang Jesu nach Golgatha. Bei Abraham sehen wir die Vorstufe dazu. Das ganze Alte Testament beinhaltet den Weg zu Jesus Christus. Alles, was mit Mose, Elia, David, natürlich auch Abraham, geschieht, ist der Weg zu Jesus Christus. Zuletzt geht alles in Erfüllung.
Abraham geht gehorsam. Er will seinen Sohn opfern. Es ist nicht sein Wille, er muss ihn opfern. Und nun will er ihn auch opfern, weil er Gott mehr liebt als seinen Sohn und sich und alles andere. Er liebt ihn mehr als seine eigene Zukunft, weil er ihm vertraut und ihm alles Gute zutraut.
So hatte auch Jesus Christus völliges Vertrauen zu seinem Vater, natürlich noch viel mehr als Abraham.
Aber im letzten Moment kommt ein Widder. Es sind drei zentrale Opfertiere in den biblischen Geschichten zu finden. Das eine ist der Widder, dann das Lamm und als drittes der Stier.
Die Abrahamsgeschichte zeigt auch, dass das Opfer, das Jesus Christus darbrachte, alles umfasst. Der Prophet Jeremia sagt, dass es ein Gräuel in Gottes Augen ist, die eigenen Kinder zu opfern. Gott will das nicht. Gott will aber, dass wir anerkennen, dass ihm alles gehört.
Es gibt Könige, die aus dem Judentum kamen, die ihre eigenen Söhne geopfert haben. Das ist ein Gräuel vor Gott. Sie haben die Geschichten vom Moloch gehört. Das ist ein fürchterlicher Gräuel in Gottes Augen.
Das 1. Buch Mose fängt an mit einer einzelnen Person, die dann stellvertretend für die Geschichte eines ganzen Volkes und für das ganze Heil der Welt dasteht. Nur durch die Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob kommt Gott zum Ziel: „Durch dich sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden."
Welches ist die Geschichte im 2. Buch Mose, die direkt mit Opfer zu tun hat? Das ist das Geschehen um das Passah. Das Passahfest ist ein bedeutender zentraler Feiertag im Judentum bis auf den heutigen Tag. Der Autor hat etwas Neues entdeckt in dieser Passah-Geschichte. Im Land Gosen mussten die Türpfosten mit dem Blut eines fehlerlosen Lammes bestrichen werden. Sicherlich wissen wir, wer dieses Lamm eigentlich ist. Es ist das Lamm Gottes. Aber was man bisher nie gehört hat, ist dies, dass dort eine Kreuzesform entstand, gebildet von der oberen Türschwelle und den beiden Seitenpfosten.
Wir können es noch besser ausdrücken. Sagen wir nicht Kreuzesform, sondern so, wie es wirklich bei der Kreuzigung Jesu zuging: Jesus hing in der Mitte mit segnenden ausgestreckten Armen und auf beiden Seiten von ihm die beiden anderen Männer, die mit ihm gekreuzigt wurden. Sogar die Form von Golgatha ist enthalten in der Passah-Geschichte. Auf jeden Fall ist dies sehr bemerkenswert.
Wenn man einen Juden fragt, was Passah sei, so wird er sagen: Das ist das Fest der Freiheit, das Fest der Befreiung. Hier wird durch die zehnte Plage (die Plagen wiederum zeigen Gottes allumfassende Herrschaft über die gesamte Schöpfung, nämlich die Pflanzen, Tiere, auch die Menschen bis in den Kosmos und die Lebenselemente hinein: völlige Dunkelheit über dem Land, das Wasser wird in Blut verwandelt usw. Diese 10 Plagen selbst sind eine Anerkennung der totalen Herrschaft des Gottes Israels über alles, was geschaffen ist, über die Lebenselemente und über den Kosmos selbst) der älteste Sohn von den Ägyptern genommen und getötet, auch die Erstgeborenen des Viehs, denn die Tiere leiden mit den Menschen.
Das Volk Israel wird vor dieser Plage nur gerettet, indem es ein tadelloses Lamm nimmt und es schlachtet und das Blut an die Türpfosten streicht. (Das Lamm durfte keinen Knochenbruch haben oder gehabt haben. Seine Knochen sollten ganz sein, wie dies auch im Johannes-Evangelium von dem gekreuzigten Jesus Christus berichtet wird.)
Wissen Sie, dass es zwei Überlieferungen gibt, wie das mit dem Passah damals war? Der Autor nimmt an, dass es richtig ist, dass das Passah einen Tag früher gefeiert wurde. Nehmen wir an, dass Johannes recht hat, dass Jesus auf Golgatha stirbt in der Stunde, als die Passah-Lämmer geschlachtet wurden. Das ist haargenau das, was vorgeht. Das bedeutet, dass er ein völlig neues Passah stiftet. Eine neue Befreiung wird gefeiert. Er wird gekreuzigt und stirbt genau dann, als die Passah-Lämmer geschlachtet werden. Er wird als unser Passah-Lamm geschlachtet und schenkt uns eine neue Befreiung.
Passah ist die Befreiung des Volkes Israel von der sozialen und politischen Herrschaft der Ägypter. Jesu Befreiung ist die Befreiung aller Menschen und Völker, die an ihn glauben, jedoch nicht sozial und politisch. Die modernen Theologen müssen ein wenig lernen, was in der Bibel steht. Es ist fast etwas Blasphemisches, wenn die modernen Theologen die soziale und politische Seite der Befreiung hervorheben. Es ist einfach nicht wahr, es ist nicht biblisch. Jesus hat das völlig abgelehnt; er hat sein Volk nicht befreit vom Joch der römischen Herrschaft. Er hat uns befreit von der Kraft und der Macht des Bösen, vom Satan, der in uns selbst ist. Das ist eine wirksame Befreiung, die in die letzte Tiefe geht.
Wer in der Theologie von der Befreiung als einer sozialen und politischen Befreiung redet, der redet von dem alten Passah; wir aber reden vom neuen. Sonst geschieht eine totale Verfälschung der Bibel. Wenn Jesus sein eigenes Volk nicht von seiner sozialen und politischen Knechtschaft befreit, haben wir kein Recht, ihn in der Weise anzunehmen, dass er uns befreien würde für unsere politischen Zwecke. Das ist Judaismus im übelsten Sinne, nicht im besten Sinne des Wortes. Das geht zurück zum Alten Testament und hat überhaupt nichts mit der Befreiung durch Jesus Christus zu tun. Er hat eine Befreiung vom Feind in uns, um uns und über uns bewirkt, nämlich von Satan selbst.
Die Bibel bedeutet Steigerung. Das ist ihr Grundprinzip. Wenn etwas im ersten Buch Mose gesagt wird, wird es im zweiten gesteigert, und im dritten Buch Mose wird noch eine weitere, letzte Steigerung hinzugefügt. Und diese dritte Geschichte ist am allerwenigsten bekannt. Kennen wir unsere Bibel? Was steht im 3. Buch Mose? Sicher gibt es einige, die das wissen.
Was ist die letzte Vollendung dieser Vorstellung von Opfer im Alten Testament in Bezug auf Jesu Kreuzigung als Opfergang? Erst kommt Isaak, dann das Passah-Opfer, dann Jom Kippur, der Tag der Versöhnung, 3. Buch Mose, Kapitel 16, die zentrale Stelle im Blick auf das Kreuz Jesu. Bei Isaak wurde ein Widder geopfert, beim Passah ein Lamm, aber an Jom Kippur kommen auch Stiere zur Opferung. Das bedeutet, von diesen verschiedenen Feiertagen werden alle Opfertiere umfasst. Wenn auch Jom Kippur eines der jüngsten Feste in Israel ist, so ist es doch das wichtigste. Was passierte im Tempel an Jom Kippur?
Der Priester zieht ein weißes Kleid an. Kleid bedeutet Erwählung. Josefs Kleid, das Kleid der Propheten, der Mantel des Propheten, das Würfeln um das Kleid Jesu. Vier Knechte würfelten, das sind vier Himmelsrichtungen. Das bedeutet, dass Jesus nicht nur König der Juden ist, sondern sein Heil, seine Erlösung erstreckt sich auch auf die Heiden - auf alle vier Himmelsrichtungen, über die ganze Welt. Darum steht das so deutlich dabei im Johannes-Evangelium.
Der Priester zieht also ein weißes Kleid an. Weiß ist das Zeichen der Reinheit. Mehrere Tiere werden geschlachtet, mehrere Arten, aber die zentrale Rolle spielt hier der Stier, und zwar deshalb, weil dieses Tier das Zeichen von Kraft ist. Auch in den romanischen Kirchen gibt es viele Bilder von Stieren als dem Zeichen der heidnischen Kräfte. Der Stier wird geopfert und das Blut wird auf den Vorhang des Allerheiligsten gestrichen, übertragen. Das ist das einzige Mal, wo so etwas passiert. Dann wird auch der Name JHWH (Jachweh) gerufen. Das ist der Name des Gottes Israels. Dieser Name darf von einem Juden nicht ausgesprochen werden. Er ist heilig.
Was passiert hier? Der Hohepriester unternimmt eine Sühneaktion, indem er sich und den Vorhang besudelt. Damit werden die Sünden für ein Jahr gesühnt. Damit kann er die Schuld und die Sünde der Gemeinde ein Jahr lang übernehmen, weil er freigesprochen ist von dem Gott Israels 'für ein Jahr.
Wer den Hebräerbrief kennt, weiß sehr genau, was hier geschieht. Bei der Kreuzigung Jesu ist dieser große Vorhang, welcher Gott und Mensch trennte, zerrissen, ein für allemal. Das wiederum hat auch mit der Beschneidung zu tun, von den Christen wird dies sehr wenig beachtet. Von den Juden dagegen wird das sehr stark beachtet. Bis ins Blut, bis ins letzte Blut hinein wird diese Wirklichkeit gehen. Diese Grenze zwischen Gottheit und Menschheit, die zuerst bei der Geburt Jesu überwunden wurde, als Gott in menschlicher Gestalt auf diese Erde kam, wird hier ein für allemal durch Jesus Christus überschritten, der für alle Zeit der Hohepriester in Ewigkeit ist und zugleich das geschlachtete Opfertier. Ja, er ist das Opferlamm. Wir könnten aber auch Widder oder Stier sagen. Wir sagen Lamm, vor allem von Jesaja 52 und 53 her, wo es heißt, dass er wie ein Lamm zur Schlachtbank gehe, ohne sich zu wehren. Hier wird die letzte Tiefe des Kreuzes Jesu gezeigt: Er tut alles, und wir tun nichts.
Was ist’s nun mit unserer modernen Theologie, der Theologie mit den guten Werken? Die ist lediglich ein neuer Katholizismus. Es kommt darauf an, was wir tun, wie wir unseren Nächsten lieben, was wir in und an dieser Welt schaffen, wie wir unseren Unterdrückten helfen usw. Nichts als ein neuer Katholizismus! Das hat mit der reformatorischen Theologie nichts mehr zu tun, nicht im Geringsten; das ist völlig unbiblisch. In allen zentralen Stellen der Bibel wird gezeigt, dass wir nichts tun: bei den zentralen Wundern zum Beispiel, beim Wunder am Roten Meer, wo die Juden den Tod vor sich und auch hinter sich sahen und wo Mose zu dem Volk sagte: „Seid stille, der Herr wird für euch kämpfen." Und er tat es. Auch bei dem Opfergang Jesu Christi können wir überhaupt nichts tun. Er opfert, und er wird geopfert.
Noch ein feiner Punkt: Im Leviticus Kapitel 10 steht: Der Priester soll keinen Wein trinken, wenn er in die Stiftshütte geht. Auch Jesus trank keinen Wein, kein Betäubungsmittel, bei seinem Opfergang. Er nahm nur eine gallenbittere Flüssigkeit. Er tat das, weil er wollte, dass er auch die letzten Schmerzen spürte. Jeder Gekreuzigte sonst nahm gerne ein Betäubungsmittel, damit die Schmerzen gelindert wurden. Es ist ja bekannt, Wein, Alkohol, lindert die Schmerzen Aber Jesus will nicht, dass die Schmerzen gelindert werden. Das ist die eine Bedeutung.
Ein zweiter Grund, warum er keinen Wein nahm, ist der: Er hatte vorher gesagt, dass er von dem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken werde, bis er das mit seinen Jüngern in seines Vaters Hause tue.
Noch ein dritter Grund: Ein Priester durfte keinen Wein trinken, bevor er opferte. Jesus hat genau gewusst, was bei seiner Kreuzigung vorging. Er wusste, er selbst ist das Opferlamm, das Opfertier, und er ist auch der Priester in alle Ewigkeit. Das ist der dritte Grund, warum Jesus den Wein ablehnte.
Das sind nur kleine Punkte, aber doch sehr interessant und gut, wenn wir sie uns merken.
Alle diese drei, die Sache mit Isaak, dem Passah-Fest und Jom Kippur, weisen auf das Kreuz Jesu hin. Jesu Opfergang gilt für alle Zeiten. Es wird kein Opfer mehr gebracht, kein Opfertier geschlachtet. Er ist der Hohepriester in alle Ewigkeit, und er selber ist das geopferte Tier, das Osterlamm, das Opfertier in alle Ewigkeit.
Isaak, das gilt für den einzelnen, das Passah-Fest gilt für das ganze Volk, Jom Kippur bedeutet Versöhnung mit Gott. Das ist wie Karfreitag, der Tag der Versöhnung. Hier sind wir ein für allemal mit Gott versöhnt. Das ist das Lösegeld, das im Judentum für den ältesten Sohn bezahlt wird. Hier aber ist es das Lösegeld für alle sündigen Menschen.
Wer glaubt, dass Gesetzlichkeit der Mittelpunkt des Judentums ist, der muss einmal Jom Kippur erleben. Dann wird er das nie mehr meinen. An Jom Kippur sagt jeder Jude: „Alles, was ich getan habe, alle meine Gesetzeswerke, sind Dreck, weil ich ein Sünder bin. Ich habe kein Recht, vor dir (Gott) zu stehen." - Wenn man weiß, dass dies das zentrale Fest der Juden ist, kann niemand, der es erlebt hat, weiterhin behaupten, dass das Judentum ein Gesetzesglaube ist. Der Islam ist ein Gesetzesglaube, das Judentum nicht. Wenn man sagt: Alle meine „guten" Werke sind sinnlos, weil ich selbst ein sündiger Mensch bin, dann ist man auf der rechten Spur, auf dem rechten Weg. Dort wird auch die unerkannte Sünde angesprochen, die einem selbst nicht bewusst ist. Alle Gesetzeswerke sind von dieser Sünde befleckt: „Vor allem habe ich gegen dich, Herr, gesündigt", wie David es im Psalm 51 zum Ausdruck bringt.
Wir sahen, dass das Opfer das zentrale Thema in der Bibel ist, dass das Opfer genau den ganzen Bereich des Gebetes vordeutet, dass es sogar die ursprüngliche Form des Gebets ist, dass die ganze Angelegenheit mit den Opfern der Inbegriff dessen ist, was am Kreuz Jesu geschah. Es nimmt auch die zentrale Stelle im Alten Testament ein: mit Isaak, mit dem Passah und mit Jom Kippur. Ergänzend seien noch einige Dinge gesagt:
Die Juden können nicht mehr opfern. Das ist für den Autor ein deutliches Zeichen, dass sie immer noch Gottes auserwähltes Volk geblieben sind. (Das steht in Römer 11.)
Jesus will von den Juden kein besonderes Opfer mehr. Sein Opfer gilt nicht nur für uns so genannte Christen, sondern auch für die Juden. Jesus weint über den Tempel, der zerstört werden soll. Es wurde deutlich gezeigt, dass es nur eine Opferstelle gibt, und das ist Jerusalem. Und Jerusalem mit seinem Tempel soll zerstört werden. Jesus prophezeite die Zerstörung des Tempels mehrmals. Das war einer der Hauptgründe dafür, dass er gekreuzigt wurde, und weil er sagte, dass er den Tempel in drei Tagen wieder aufbauen würde. Er meinte aber den endgültigen Tempel, seinen gekreuzigten und auferstandenen Leib.
Auf jeden Fall ist das für den Autor ein Beweis, dass die Juden das auserwählte Volk Gottes sind und bleiben. Es gibt noch alle möglichen anderen Beweise, aber dies ist ein zentraler Beweis:
Jesus will kein Opfer mehr, weder von den Juden noch von uns Christen. An der Stelle ihres alten Tempels gibt es jetzt ein „Götzenhaus", eine Moschee.
Opfer umfasst nicht nur Gebet, nicht nur das Kreuz Jesu, sondern auch ein zentrales Freudenfest, das Erntedankfest. Das ist ein Opferfest. Ein wunderbarer Gedanke: Im Mittelpunkt steht der Altar mit den guten Früchten, den schönsten und besten. Auch für die Kinder und für alles Erfreuliche und Gute wird unter dem Kreuz Jesu zum Erntedankfest Gott gelobt und gedankt. Es ist ein zentrales, wunderbares Bild: dieser Altar mit all seinen Gaben unter dem Kreuz. Und dann das Gebet unter diesem Bild. Das alles ist Opfer. Das Gebet, alles andere, was hingebracht wird zum Erntedankfest, das Beste, das alles sind Zeichen: Du bist der Herrscher über alles, alles gehört dir, wir gehören dir, darum sind wir hierher zum Gottesdienst gekommen. Und der gekreuzigte Jesus steht im Mittelpunkt. Das ist nichts anderes als Opfer. Das ist allumfassend, bis zur letzten Tiefe, wo Jesus alle Schuld dieser Welt ans Kreuz trägt. Damit wird Erntedankfest zu einem Freudenfest, zu einem Opferfest.
Verstehen wir jetzt, warum das Opfer der zentralste Begriff in unserer Bibel ist? Die Thora, die fünf Bücher Mose, sind das Zentrale im Alten Testament, und in diesem Zentralen sind die Opfer das Allerwichtigste. Das ist kein Zufall. Und wer das Neue Testament liest, wer Verständnis hat dafür, was Opfer überhaupt bedeutet, der wird merken, dass das ganze Testament ein Weg zum Opfergang ist, zum Kreuz Jesu, zu seiner endgültigen Erlösungstat für unsere Schuld.
Wir beten: „Herr Jesus, du hast uns alles gegeben, deine ganze Schöpfung, alle die Tiere und alle Pflanzen, Wasser und Luft, Himmel und Erde. Du hast uns alles, was wir haben und sind, gegeben, es kommt alles von dir. Als ob das nicht genug wäre, hast du dich selbst hingegeben. Alles hast du geopfert aus deiner Liebe zu uns. Du bist der Priester, und du bist das geschlachtete Lamm. Alles kommt von dir, nichts von uns. Und viele von uns leben heute, als ob du gar nicht da wärest. Wir nehmen die Schöpfung und behandeln sie so, dass sie heute im Sterben liegt, ohne zu merken, dass das unsere Schuld ist und unsere Sünde widerspiegelt. Die Schöpfung ist verseucht, weil wir verseucht sind. Luft und Wasser, Tiere und Pflanzen sind am Sterben, weil wir in tiefster Sünde leben. Herr Jesus, gib du uns die Kraft, dass wir uns bewusst werden, dass nicht nur alles von dir kommt, sondern dass alles zu dir kommen wird am Tage des Gerichtes, wo sich alle Knie vor dir beugen werden. Gib uns die Kraft, uns zu deiner Liebe zu bekennen, zu deinem Opfergang auf Golgatha. Das ist der Weg zu einer neuen Schöpfung, zu deinem ewig gültigen und unbefleckten Reich. Herr Jesus, wir haben es nicht verdient, trotzdem hast du es uns gegeben, und wir können nur sagen: Danke, vielen Dank, dass du das Opfer für uns gebracht hast. Amen."
Das zweitwichtigste Gebot, das fast nicht mehr bekannt ist unter Christen, ist das zweite Gebot, das Gott nicht Luther gegeben hat, sondern Mose. Dieses Gebot kann man in sehr einfachem, modernem Deutsch so ausdrücken: Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis machen, weder von Gott, noch vom Bösen, noch von deinen Mitmenschen.
Der Autor sah vor einigen Jahren den Film „Die Zuflucht" in Stuttgart. Etwas hat ihn sehr bewegt. Das war, wie die Hauptperson im Konzentrationslager landete, weil ihre ganze Familie Juden im Dritten Reich versteckt hatte. Diese gläubige Frau hat um alles für das tägliche Leben gebetet, und Jesus hat auf ihre kleinsten Bitten geantwortet. Wir Männer verstehen das vielleicht weniger als Frauen, die öfter ein feines Gefühl für Ordnung haben, wo es um eine Kleinigkeit gehen kann, damit ein Tag richtig läuft oder nicht, ein Tag, in einem Konzentrationslager recht zu leben und zu überleben! Jede Kleinigkeit kann etwas sehr Wichtiges, Bedeutungsvolles sein. Diese Christin betete um kleine Dinge, und Jesus hörte sie und erfüllte ihre Wünsche. Schließlich hat er dann noch etwas viel Wichtigeres getan - sie freigelassen. Das war ein „Zufall", denn sie war von den Menschen für den Tod bestimmt. Wir wissen als Christen: Es war kein Zufall.
Als der Autor diesen Film sah, hat der Jude in ihm auch geredet. Er ist Jude und Christ. Der Christ hat gesagt: „Ja, so ist Jesus, unser naher und liebevoller Gott." Der Jude in ihm aber kam zu Wort und sagte: „Jaffin, wenn du nicht getauft und im Dritten Reich hier in Deutschland gewesen wärst und dann natürlich im Konzentrationslager, und wenn du unter den sehr wenigen Überlebenden gewesen wärst, würde wohl eine Beziehung zu Gott für dich sinnvoll sein, zu einem Gott in der Nähe, einem Gott der Liebe?" Und die Antwort war: „Selbstverständlich nicht."
Was nützt ein naher Gott, ein liebevoller Gott, wenn ein ganzes Volk zugrundegerichtet wird, wenn jeden Tag Tausende vergast werden? Was nützt es, wenn ein einzelner überlebt? Viele Juden sind ausgewandert, viele haben Selbstmord begangen, weil sie nicht weiterleben konnten mit dem, was passiert ist. Stefan Zweig ist nur einer der berühmtesten von ihnen. Eines anderen, nämlich Amery's Glaubensbekenntnis war: „Ich weiß nur eines, ich bin kein Nichtjude." Das ist auch eine Art von Glaubensbekenntnis zu dem Volk Israel.
Was würde ein Gott der Nähe und der Liebe nützen, wenn er nicht in seines Volkes Nähe war und keinen Finger rührte zu seiner Rettung? Gar nichts! Aber der Autor fragte sich weiter: „Jaffin, wenn du Jude im Konzentrationslager gewesen wärst, könnte eine Beziehung zum Gott Israels dir wirklich geholfen haben?"
Ich habe sofort ja gesagt. Was für eine Beziehung konnte das sein? Nicht die zu dem nahen und liebevollen Gott, der genauso alttestamentlich wie neutestamentlich ist, wie das ganze Buch Hosea bezeugt. Natürlich eine sehr merkwürdige Liebe, nicht die Art Liebe, die wir uns so gerne vorstellen, sondern eine züchtigende und eifernde Liebe. Einen „Nahegott" gibt es in Israel auch. Juden reden immer mit Gott, wie Hiob mit Gott geredet hat. Aber damit wäre uns nicht geholfen.
Was für eine Beziehung zu Gott könnte hier helfen? Ein Gott des Gerichts, gerade ein solcher Gott, wie wir ihn im Christentum kaum mehr treffen. Ganz Auschwitz war aufgemacht wie das letzte Gericht, wie wir es uns vorstellen. Schlangen von Zügen kommen von überall her mit Juden. Sie warten und warten. Und da stehen die Nazis, die Ärzte - Mengele, der noch am Leben ist. Dieser Mann ist ein brutaler Mörder. Er war der Arzt, der die verschiedenen Versuche an lebendigen Menschen gemacht hat. Er stand vorne mit SS-Offizieren. Und jeder Jude kam nach vorne. Dann war die Entscheidung fällig - Leben oder Tod. So stellen wir uns das Letzte Gericht vor - ewiges Leben oder ewiger Tod. Die Juden sagten: „Die sprechen nicht das letzte Wort, sondern unser Gott, der Gott Israels. Der richtende Gott wird das letzte Wort sprechen, und das ist ein Trost."
Zum andern: der Gott Israels ist nicht nur der richtende Gott, er ist ein Gott der Geschichte. Seine Beziehung zu Israel durch das ganze Alte Testament ist eine geschichtliche Beziehung. Die Antwort eines gläubigen Juden wäre: „Dieser Gott Israels weiß, dass wir durch die tiefsten Leiden gehen müssen, dass gemäß Hesekiel 37 wir zu einem Knochenfeld gemacht werden müssen, dass wir dann nach Israel zurückkehren und dass dann unser Messias kommt." Tausende von Juden im Dritten Reich sind ermordet worden mit der Erkenntnis: „Über unseren Tod kommt das wahre und ewige Leben für unser Volk."
Bei jeder Verfolgung der Juden haben sie immer gewartet, ob das die endgültige Verfolgung sei, von der Hesekiel und die Rabbiner immer erzählt haben. Und viele, die im Dritten Reich waren, haben gewusst, dass dies die letzte Verfolgung vor einem besonderen Ereignis ist. Und die, die überlebt hätten, würden genau wissen, dass genau drei Jahre später - Mai 1945 /Mai 1948 - der vormessianische Staat Israel gegründet werde. Genau drei Jahre nach der letzten Vergasungskammer.. .
Dann kommt die Frage, ob das der gleiche Gott ist: der nahe, persönliche Gott der Nächstenliebe im wahrsten Sinne, der Gott der verfolgten Juden, der Gott des Gottesgerichts, der Gott der Geschichte, der durch die Geschichte von Israel ans Ziel kommen wird. Ist das alles der gleiche Gott? Jawohl, er ist der gleiche Gott!
Wer steht eigentlich näher zum Gott Israels - die Juden oder die Christen? Die Antwort des Autors ist: Beide Gruppen haben oft sehr einseitige Vorstellungen von dem gleichen Gott! Wo kommt das alles her, der Modernismus unserer Zeit, das versüßte Jesusbild? Ein Grund liegt in dem Wegwerfen des zweiten Gebotes im 16. Jahrhundert. Damit hat Luther seinen zweitgrößten Fehler gemacht. Luther war nicht der erste, sondern die katholische Kirche. Luther hat deren Entscheidung übernommen. Sein größter Fehler natürlich war seine Judenhetze am Ende seines Lebens, weil die Juden sich nicht taufen ließen.
Dann kommt die zentrale Frage zum zweiten Gebot: „Du sollst dir kein Bildnis machen" - das bedeutet eine physische, körperliche Darstellung - „noch ein Gleichnis" - das bedeutet eine geistige Vorstellung -, „weder von Gott noch vom Bösen noch von euren Mitmenschen." Warum wurde dieses Gebot gestrichen? Das Sonderbare ist, dass es so lange gedauert hat, dieses Gebot zu streichen. Rund 1400 Jahre hat die katholische Kirche dazu gebraucht. Aber in diesen 1400 Jahren haben die Katholiken gute Gründe gefunden, - dieses Gebot zu streichen. Trotz dieser Gründe und trotz des Gewichts Augustins, des weitaus wichtigsten Kirchenvaters (der dieses Gebot schon streichen wollte), hat die katholische Kirche lange nein gesagt. Schließlich kam sie zu der Überzeugung: „Was Augustin sagt, ist richtig, dieses Gebot dürfen wir streichen."
Das Argument der katholischen Kirche war sehr einfach: Wir können ein Bild von Jesus Christus machen, er ist Mensch geworden. Er ist Mensch, er ist Jude. Wahrscheinlich war er etwas klein und schwarzhaarig. Er ist Mensch geworden. Warum sollen wir nicht ein Bild von ihm malen können? Das können wir tun. Man hat sowieso von Jesus Darstellungen in der Kunst, auch als dieses Gebot noch nicht gestrichen war. Das ist natürlich ein Widerspruch. Trotzdem war das erlaubt.
Interessant ist hier eine Nebenbemerkung: Gibt es überhaupt eine Beschreibung von Jesus in der Bibel, wie er ausgesehen hat? Es gibt keine. Es ist völlig unwichtig, wie Jesus ausgesehen hat. Wichtig ist, was er gesagt, was er getan hat. Sein Aussehen ist total unwesentlich.
Wir können vielleicht ahnen, wie Jesus ausgesehen hat. Der Autor vermutet, daß das Turiner Leintuch echt ist. Was man von der Forschung gesehen hat, ist überzeugend. Zwar ist das ganz und gar unwichtig in Beziehung zu unserem Thema. Was wichtig ist, ist, dass Gott Mensch geworden ist. Und weil er Mensch geworden ist, kann man versuchen, ein Bild von ihm zu malen. Ein französischer Maler zum Beispiel malt ihn als französischen Bauern. Es gab deutsche Maler, die Jesus als einen Deutschen malten, Dürer malte sich sogar als Jesus. Eine sehr sonderbare Art einer Selbstdarstellung! Auf jeden Fall ist Jesus Mensch geworden.
Dann gibt es die geistige Vorstellung, das Gleichnis. Können wir etwas über die Gefühle wissen, die Jesus hatte, seine Gedanken, was er war und wie er war? Wodurch? Wie können wir das alles herausbekommen? Durch die Evangelien! Im Markus-Evangelium können wir ganz besonders viel erfahren über seine Gefühlswelt. Im Matthäus-Evangelium haben wir die zentrale Rede Jesu, die Bergpredigt, die heute oft so falsch ausgelegt wird. Sie ist weder eine persönliche noch eine persönlich-politische Ethik, sondern Gottes Forderung an die Menschheit, die vom Menschen aus in eigener Kraft unerfüllbar ist, die Jesus aber selbst erfüllt hat. Diese Rede ist letzten Endes Gottes Programm, das durch ihn als Ganzes erfüllt wird und nicht durch irgend jemand anderen. Auf jeden Fall wissen wir sehr genau, was Jesus dachte, und wir haben auch erfahren, was er tat.
Warum können wir nicht ein Gleichnis machen? Ein Gleichnis bedeutet eine geistige Vorstellung. Dazu gibt es das Evangelium, wie Luther mit Recht ausdrückt, das Johannes-Evangelium. Da wird in der Tiefe gezeigt, wer Jesus Christus ist, alle seine besonderen Eigenschaften. Gut, wir können uns also ein Bild machen, eine körperliche Darstellung, weil er Mensch geworden ist. Ob das Turiner Leintuch echt oder unecht ist, spielt hier keine Rolle. Er ist Mensch geworden, das ist die Hauptsache, obwohl die Juden das natürlich ablehnen. Die müssen sich an das zweite Gebot halten.
Diese Aussagen von der Menschwerdung Jesu klingen für uns Christen sehr überzeugend, so überzeugend, dass nach 1400 Jahren, besonders durch die wiederholte Bestätigung durch Augustin, der 1000 Jahre vorher gelebt hat, diese Entscheidung gefällt wird. Das zweite Gebot wird an den Rand des Katechismus gestellt.
Was ist die Auswirkung? Wir sehen die Tatsachen, die Werke an ihrer Auswirkung. Das Interessante ist, die erste Auswirkung von dem Wegfall des zweiten Gebotes hat überhaupt nicht mit dem Gottesbild, sondern mit dem Bild von Satan zu tun. Plötzlich, im 15. Jahrhundert, fängt eine Teufelsmalerei sondergleichen an. Aus dem unsichtbaren Satan wird der sehr sichtbare Teufel, schön ausgestaltet mit zwei Hörnern, mit einem Schwanz, mit Pferdefuß. Vor wem haben wir mehr Angst: Vor einem unsichtbaren Bösen, den man nicht sinnlich und geistig begreifen und ergreifen kann, oder vor einem Teufel, der jetzt in das Zimmer hereinkommen konnte mit Hörnern usw.? Vor wem haben wir mehr Angst?
Wir haben mehr Angst vor dem Unsichtbaren! Was sollen wir dagegen tun? Wir können es nicht begreifen, wir können es ebenso wenig ergreifen. Diese Teufelsbilder sind eine Verharmlosung des Bösen. Wenn wir ein sichtbares Bild des Bösen haben, denken wir, bewusst oder unbewusst, wir könnten ihn im Griff haben. Oder hat er etwa uns im Griff?
Schauen Sie die Bilder des späten 15. Jahrhunderts einmal an, schauen Sie vor allem Hieronymus Bosch an, den größten Teufelsmaler aller Zeiten; auch diese ganze zentrale Darstellung des Bösen bei Grünewald. Das ist die Art, das unsichtbare Böse im Griff zu haben, es zu verharmlosen.
Die allerälteste Malerei, die wir haben, sind die Höhlenmalereien an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien, deren Alter man auf etwa 30 000 Jahre datiert. Da sieht man eine ganze Kunstgalerie von Tierbildern, wunderbare wilde Tiere. Ein 30000 Jahre altes Kunstmuseum in einer Höhle? Das war in der Jägerzeit. Diese Menschen haben gedacht: „Wenn wir Bilder von diesen Tieren machen, haben wir Kraft über diese Tiere, und durch diese Kraft können wir sie kaputtmachen." Das war ihre magische und unterbewusste Vorstellung. Aber es hat sehr viel mit diesem ganzen Problem des sichtbaren und unsichtbaren Bösen zu tun.
In dem Moment, wo man versucht, das Böse sichtbar zu machen, ist es nicht mehr so unheimlich, so unbegreiflich für uns.
Das also war die erste Auswirkung nach dem „Wegfall" des zweiten Gebots, die Verharmlosung des Bösen. Es ist zwar nicht das Thema von heute. Man könnte es aber weiter Schritt für Schritt aufzeigen bis in die moderne Theologie. Man sagt in der extremen modernen Theologie, dass es keinen Satan gibt. Das ist der erste Schritt vom Wegwerfen des zweiten Gebotes.
Das nächste, was passierte, hat mit dem Gottesbild zu tun. Der Verfasser ist trotz aller Kritik an Luther ein Lutheraner. Er ist von der Prophetie stark geprägt vom Judentum her, von Luther, vom Pietismus - auf jeden Fall von Luther. Niemand kann behaupten, dass er Gott verharmlost hat. Luthers Gottesbild, das auch das Gottesbild des Autors ist, ist ein Bild, das wir total verloren haben in den letzten Jahrhunderten, dieses Bild ist nicht zu verharmlosen, sondern umgekehrt, es hat Luther erschreckt. Luther war sehr beschäftigt mit dem Problem von Gottes Gerechtigkeit, ein zentrales Thema der Bibel. Die Liebe Gottes gehört natürlich dazu. Luther war so erschreckt über den richtenden Gott, dass sein ganzer Kampf um einen gnädigen Gott ging. Auch wenn Luther das zweite Gebot nicht behandelt hat, so hat er Jesus Christus nie verharmlost. Ich kenne keine Schrift von Luther, in der er versucht hat, Jesus süßlich und lieb und nett und allzu menschlich darzustellen. So etwas gibt es nicht. Man sagt, dass diese Versüßlichung mit dem Pietismus angefangen habe. Der Verfasser glaubt das nicht. Zwar gibt es in der pietistischen Darstellung eine sehr starke Betonung des nahen Gottes der Liebe, aber der Pietismus hat niemals den richtenden Gott weggeschafft. Der steht immer im Hintergrund. Der persönliche Gott im alltäglichen Leben war der Mittelpunkt im Alltag. Aber dieser richtende Gott stand dahinter, der Gott der Gerechtigkeit, der alles überschaut.
Der Verfasser hat vor allen Pietistengruppen gesprochen; da war kein einziger, der einen Stein gegen seine Vorstellung von Gott warf. Das zeigt sehr deutlich, dass diese Gefahr nicht im Pietismus steckt, trotz der Betonung der Liebe und Nähe Jesu. Es stand immer der richtende Gott deutlich im Hintergrund als der Gerechte und Erhabene.
Wann fing die Gefahr dann wirklich an? Mit der Aufklärung.
In der Zeit der Aufklärung kam die Vorstellung auf, dass der Begriff „Gott" aufgeklärt werden müsse. Alles, was nach menschlichem Verstand in der Bibel war, hat man akzeptiert. Was aber unverständlich war, was nicht mit dem menschlichen Verstand in Einklang zu bringen war, hat man an den Rand gestellt. Gott, als der Schöpfer, musste ein verständlicher Gott sein im Gegensatz zu Jesaja 55: „Je höher der Himmel ist als die Erde, soviel höher sind meine Gedanken und Wege als eure Gedanken und Wege." Die moderne Theologie fing nicht im 20. Jahrhundert an, sie fing im 18. Jahrhundert an. Theologen dieser Zeit versuchten mit menschlicher Vernunft, historisch-kritisch die Gotteswahrheit unter die Lupe zu stellen und sie durch unsere Vernunft zu durchleuchten. Das war die Quelle des ganzen Problems. Aber vorausgesetzt war: Gott ist, wie ich ihn haben will, ohne dass er etwas dazu zu sagen hat. Im 18. Jahrhundert haben die Hauptdenker dieser Richtung immer gemeint: Gott ist rational, er ist ein rational Denkender, logisch Denkender wie ich. Und das bedeutet, er ist wie ich. Das Ergebnis lautete: Wunderhafte Sachen gibt es nicht, rationale Menschen wissen das. Das war der erste Schritt. Dabei ist uns gerade das zweite Gebot gegeben, dass wir nicht in die Gefahr kommen, ihn nach unserem eigenen Wunschbild darzustellen, wie wir ihn haben wollen.
Im 19. Jahrhundert ging man einen Schritt weiter. Es ist sehr vereinfacht, aber ich rede über die zentrale Entwicklung des geistigen Lebens in der Theologie.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gilt ein Leitmotiv: Menschliche Kultur und Zivilisation geht aufwärts durch Wissenschaft, durch Medizin, durch Technologie. Schritt um Schritt werden wir eine bessere Welt schaffen. Das nennen wir Kultur-Optimismus. Schritt um Schritt geht es besser. Was für einen Gott hat man? „Jesus geht voran auf der Lebensbahn." Nicht in unserem Sinn. Nein, Jesus geht voran als Mensch, sicher auch als Gott, daran ist nicht zu zweifeln, und wenige haben die Göttlichkeit Jesu in dieser Gruppe in Frage gestellt, aber vor allem als Mensch, als unser Vorbild.
Der Hauptaspekt des Gottesbildes im 19. Jahrhundert ist Jesus Christus als menschliches Vorbild. Wir müssen von ihm lernen, wie wir ethisch und moralisch zu leben haben. Und wenn wir von ihm lernen, werden wir immer besser werden. Und wenn wir immer besser werden, dann werden wir allmählich eine Art Himmelreich auf Erden selbst schaffen. Das ist das Leitmotiv des
19. Jahrhunderts in der Theologie: die Betonung liegt auf westlicher Kultur und Zivilisation, die sich immer höher entwickeln wird und bei der Jesus dann der wird, der vorangeht als der für uns beispielhafte Mensch.
Diese Theologie wurde zerstört mit dem Ersten Weltkrieg, mit der Römerbriefauslegung von Barth, die gut war, weil sie zurück zur Bibel führte. Nicht alles, was von Barth kam, ist so. Es dämmerte die Erkenntnis auf, dass unsere Zivilisation nicht aufwärts tendiert, sondern dass der Erste Weltkrieg der Beginn der Endzeit war, besser gesagt, die Einführung des Endes der Endzeit, wo alles, was der Mensch geschaffen hat durch Technologie und Wissenschaft, gegen ihn benutzt wird. Das ganze Kriegsmaterial, das wir hatten, die vielen Flugzeuge und Panzer und alles, was da ist, wird nun gegen den Menschen benutzt und nicht für den Menschen.
Und was passierte vor Verdun? Eine Riesenschlacht, jedoch ohne Bewegung. Das war zeichenhaft für unsere Zivilisation. Wir haben gedacht, wir gehen aufwärts, Schritt für Schritt hinter Jesus her, und plötzlich haben wir gemerkt, wir bleiben stehen, es geht nicht weiter. Das war eine Zeichenhandlung Gottes durch den Ersten Weltkrieg an uns. Dieser Positivismus, aufzustreben zu Gottes Reich, war zu Ende.
Und plötzlich merkten wir, wie es wirklich war, wie klein wir sind, wie verloren. Eine Rückkehr zu Luther war fällig, eine Rückkehr zur Heiligen Schrift wie nach jedem Krieg; aber nach diesem Krieg in ganz besonderem Maße.
Trotz dieser Tatsache erwuchs im 20. Jahrhundert eine weitere Fortsetzung der liberalen Theologie, die noch einen Schritt weiter ging in Bultmanns Entmythologisierung. Seine Theologie ist nicht neu, sie geht zurück auf David Friedrich Strauß, Anfang des 19. Jahrhunderts, 100 Jahre vor Bultmann. Bultmann-Thesen sind zwar übel, aber nicht original. Doch dann ging man weiter, so weit, dass manche modernen Theologen Jesus nur als Menschen gelten ließen: Jesus ist für sie nur vorbildlicher Mensch, er ist kein Gott mehr. Das bedeutet: alles, was mit Wundern zu tun hat, ist nur Mythos. Die Göttlichkeit ist unwichtig, weil das Diesseits das Wesentliche ist, nicht das Jenseits.
Es gibt Theologen, die lachen über die Wiederkunft Jesu, weil sie die Göttlichkeit Jesu nicht akzeptieren. Wer aber über die Wiederkunft Jesu lacht, muss über die ganze Bibel lachen, weil diese die Wiederkunft Jesu voraussetzt.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Malerei und in den Plastiken wider. Wenn wir im Mittelalter, auch in der Luther-Zeit, Bilder, Darstellungen von Jesus sehen, erscheint er ständig als Weltenrichter. Er hält die Welt in seiner Hand. Auch geht manchmal ein Schwert durch seinen Mund. Es ist nicht nur das Schwert des Wortes. Es ist zweischneidig und bedeutet - Wort und Macht!
Das will die Friedensbewegung heute natürlich nicht hören. Jesus ist für sie ein so guter und süßer und lieber Jesus! Das Machtbild von Jesus, geprägt in der Offenbarung, auch schon in der alttestamentlichen Prophetie, dieses Bild verschwindet. Sicher kann man es finden, wenn man lange genug sucht, auch in der modernen Zeit, aber das Bild von Jesus wird immer menschlicher; er wird mehr der barmherzige, liebevolle Jesus. Das ist nicht falsch. Aber daneben gehört auch das Bild Gottes als Richter. Hier soll die Wurzel der Verflachung und Verharmlosung von Jesus Christus aufgezeigt werden.
Wie kann das am deutlichsten dokumentiert werden? Wann ist der Gottesdienst jedes Jahr am meisten besucht? Am Christfest - da haben wir den lieben und guten und süßen Säugling Jesus. Das ist aber überhaupt nicht der wichtigste Tag im Jahr. Welcher dann? Karfreitag!
An Weihnachten haben wir die Stimmung, wie wir das nennen, die weltliche Stimmung, nicht die göttliche. Da haben wir den lieben, süßen Jesus, und die Frauen meinen, sie haben auch so ein kleines Kind gehabt; die Männer denken, wie süß das ist. Und man hat eine Predigt, die öfters keine Predigt ist, sondern nur Stimmung von Friede, Liebe usw.
Am wirklich zentralen Feiertag, an Karfreitag, gehen nicht so viele Leute in den Gottesdienst, weil ihnen das zu ernst ist. Nicht, dass die Christvesper an sich nicht ernst ist. Es ist zutiefst ernst, dass Gott Mensch geworden ist, dass er auf die Welt gekommen ist. Aber schauen Sie mal Bilder an vom Mittelalter, wie Jesus dargestellt wird als Kind. Er hat ein Erwachsenengesicht, manchmal ein Leidensgesicht, trägt manchmal sogar ein Schwert in der Hand. Es gibt sehr merkwürdige Jesusdarstellungen, alles andere als harmlos.
Heute ist das genau umgekehrt. Er ist der gute, liebe Jesus, den wir haben wollen. Das bedeutet: wir haben ihn nach unserem eigenen Wunschbild dargestellt. So ist das weit und breit der Fall. Der Autor will ohne weiteres zugeben, dass es Ausnahmen gibt.
Er hat in der letzten Zeit bei vier großen Veranstaltungen gerade über dieses Thema gesprochen, und die Pietisten haben ihm die Hand geschüttelt. Hingegen kam ein Pfarrer zu ihm und sagte: „Das ist nicht mein Jesus, der mit Gewalt kommt, als Richter. Diesen Jesus akzeptiere ich nicht. Jesus ist nur Liebe im menschlichen Sinn." Es ist zu vermuten, dass viele Pfarrer so denken.
Jetzt kommt die Frage: Wer ist dieser Jaffin, der zu uns kommt und Luther in Frage stellt und sogar die gelehrten Herren der katholischen Kirche? Was für ein Recht hat er, über das zweite Gebot zu entscheiden? Dies soll im folgenden begründet werden. Luther kann nur widerlegt werden mit der Bibel, mit der Heiligen Schrift.
Nehmen wir den bekanntesten Text im Neuen Testament. Es ist verwunderlich, dass Luther diesen Text nie so gelesen hat wie wir ihn jetzt lesen: 1. Korinther 13, Vers 9ff. Hat diese Stelle überhaupt mit dem zweiten Gebot zu tun?
„Unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindliche Anschläge, da ich aber ein Mann war, tat ich ab das Kindliche."
Jetzt hört man diesen Satz, das ist das Zentrale. Wir sehen wie durch einen Spiegel in ein dunkles Wort. Was bedeutet „Wort" in der Bibel? Gotteswort! Das ist das Wort, das in Johannes 1 Fleisch geworden ist. Ja, wir sehen jetzt durch einen Spiegel in ein dunkles Wort. Wie kann er schreiben „ein dunkles Wort"? Jesus ist nicht mehr dunkel. Auch zur Zeit des Paulus, als der 1. Korintherbrief geschrieben wurde, waren alle die Erkenntnisse der Evangelien vorhanden, auch wenn sie nicht niedergeschrieben waren, und zwar als Gottes heiliges Wort, wenn es auch nur unter den Juden von Mund zu Mund weitergegeben worden war. Diese Erkenntnis, dass Jesus das Wort ist, das Fleisch geworden ist, war Paulus sehr wohl bekannt. Wie kann er dann behaupten, dass dieses Wort dunkel für uns ist?
Wir lesen weiter: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in ein dunkles Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht"
Wann stehen wir von Angesicht zu Angesicht vor Gott? Im Gericht. Dann wird offenbar, dass das Wort vollständig klar ist. „Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin."
Trotz allem ist das Wort Jesus Christus, das Fleisch geworden ist, dunkel für uns. Warum? Sehr einfach. Weil wir Sünder sind und weil wir es mit unserem menschlichen Blick sehen. Kein Mensch hat eine vollständige Vorstellung von Jesus Christus, kann sich ein Gleichnis machen mit sündhaften Augen. Nur wenn wir durch das Gericht gegangen sind und die Sünde weg ist, können wir uns ein vollständiges Gleichnis von Jesus Christus machen. Bis dahin, sagt Paulus, ist unsere Erkenntnis nur Stückwerk.
Sehr merkwürdig, dass Luther das nie sah. Es ist so einfach und selbstverständlich.
Dazu gibt es noch einen anderen klaren Beweis, dass wir das zweite Gebot brauchen. Das ist die Geschichte, dass wir Gott immer in unser Wunschbild umgeformt, den richtenden Gott aber immer weiter in den Hintergrund gestellt haben mit wenigen Ausnahmen. Sehr viele Traditionschristen hören das nicht gerne, dass Jesus mit dem Schwert kommt, dass Jesus auch ein richtender Herr ist. Sie wollen nur den Guten und den Lieben, der immer alles vergibt. Mit so einem Gott kann man leichter umgehen. Das hören wir sehr gerne: Gott vergibt einfach und leicht alles. So nehmen wir seine Herrlichkeit weg und seinen Eifer.
Es gibt noch eine andere Art als die Betrachtung von 1. Korinther 13, die uns das zeigt. Es gibt keine einzige Stelle in unserer Bibel, wo es nur Gnade gibt. Genauso gibt es keine einzige Stelle in unserer Bibel, in der es nur Gericht gibt. Gericht und Gnade sind eine unzertrennliche Einheit.
Nur um die Hauptsache zu nennen, erwähnen wir die zwei zentralen Ereignisse im Alten und im Neuen Bund und dann das kommende Ereignis - den richtenden und rettenden Jesus. Der Exodus aus Ägypten, verbunden mit dem Passah, ist für die Juden das zentrale Ereignis im Alten Testament. Das spiegelt sich in den Psalmen, in der ganzen Geschichte, das war das Wunder, wo Gott sich als der wahre König Israels ein für allemal bestätigt hat. Das Fest der Befreiung.
Und was passierte bei diesem Fest der Befreiung? Was passierte mit diesem „zweischneidigen Schwert", hier in einer anderen Art zweischneidig? Eines wird weg geschnitten von der Gefangenschaft und wird befreit. Das ist das Sklavenvolk, sein Volk. Das andere Volk ist die Welt. Die Welt wird zeichenhaft zerstört, ins Meer geworfen: Gericht. Genau das gleiche passierte bei Jesu Kreuz, der zentralen Darstellung im Neuen Testament.
Wer glaubt, dass Kreuz nur Gnade ist oder nur Gericht, hat keine Ahnung, was Kreuz bedeutet. Kreuz ist das totale Gericht über die ganze Welt. Wir haben Gott umgebracht, vertreten durch das größte Reich, das die Welt je gesehen hat, das römische Reich. Pilatus hat es vertreten. Er hätte Jesus retten können, wenn er es gewollt hätte, er kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Er entschied über Leben und Tod. Er hätte ihn aus dem Gefängnis holen, ihn bis ans Ende des römischen Reiches bewachen lassen können, bis er gestorben wäre.
Das tat er nicht, weil Jesus seine Macht in Frage stellte. „Bist du auch ein König?" Er hatte Angst vor Jesus. Und sein eigenes Volk, die Schriftgelehrten, die Pharisäer, der Hohepriester -?
Es ist ein totales Gericht über die ganze Welt. Wir alle haben ihn umgebracht. Darum leidet die Schöpfung mit ihm. Totale Dunkelheit kommt über das Land. Die Kräfte des Todes und der Sünde herrschen, deswegen geht Jesus nicht zurück zu der alten Schöpfung. Wenn das nicht Gericht wäre, könnte er tun, was er mit Lazarus getan hat: den alten Leib zurückgewinnen. Nein, er gibt das auf, die alte Schöpfung ist dahin. Es fängt die Endzeit an. Wir reden viel und gerne über die Endzeit, aber wann fängt diese eigentlich an? Mit der Kreuzigung Jesu! Er geht nicht zurück zu der alten Welt. Die ist im Sterben mit ihm. Er geht durch, „er geht voran auf des Lebens Bahn" im wahrsten Sinn. Er geht durch den Tod zur Auferstehung zu einer neuen Welt. Das ist Gnade. Das ist totales Gericht über die Welt und totale Gnade in einer Einheit in Jesu Kreuz.
So wird es sein, wenn Jesus kommt als Richter und Retter. Die, die ihm gehören, die wirklich ihm gehören, die werden Gnade erleben durch ihn allein, nicht durch Werke, sondern durch ihn. Und die ihm nicht gehören, werden das Gericht erleben und zwar ewiges Gericht. Das ist es. Alle zentralen Handlungen in unserer Bibel haben mit einem ernst zu nehmenden Gott zu tun, mit einem Gott des Gerichts und einem Gott gleichzeitig der Gnade.
Deshalb bleibt festzustellen: Wer nur Gnade predigt, predigt seine Gemeinde ins Gericht, siehe Hesekiel 3, 17-19. Und wer nur Gericht predigt, weiß nichts von der Liebe und der Gnade Christi. Gericht und Gnade sind eine unzertrennliche Einheit.
Im Folgenden wollen wir das zweite Gebot in der Tiefe kennen lernen. Dies soll dadurch geschehen, dass dargestellt wird, wer Jesus Christus ist, auf eine solche Art und Weise, dass das zweite Gebot in seinem zweiten Teil - du sollst dir kein Gleichnis von Gott machen" - nicht gebrochen wird.
Was ist das zweite Gebot? Es ist der Zaun, der Schutz des ersten Gebotes. Wie der Talmud für die Juden ein Zaun ist, der die Thora schützt, so schützt das zweite Gebot das erste Gebot: Du sollst keinen Gott neben mir haben. Wenn wir das zweite Gebot brechen, stellen wir Götzen an den Platz, der Jesus Christus gehört. Wir machen uns geistige Vorstellungen über ihn, die dann zu Götzen werden, weil sie unsere eigenen Wunschbilder sind von Jesus. Nie wird es gelingen, ihn so darzustellen, wie er wirklich ist.
Wer Jesus Christus ist - das ist das wichtigste Thema, das es überhaupt gibt. Er soll so vor uns stehen, dass wir ihn nie im Griff haben, sondern dass er uns im Griff hat. Es soll Jesu Herrlichkeit und Macht und Liebe und Barmherzigkeit so dargestellt werden, dass dieser Gott unantastbar ist. Dann schafft man wirklich, was das zweite Gebot haben will: einen Zaun als Schutz für das erste Gebot.
Wenn wir uns ein Bild, eine Vorstellung von Jesus machen in einer Art und Weise, dass er der Herr ist und nicht wir, welche Quelle benutzen wir? Wir haben vier Quellen. Christen benutzen meistens zweieinhalb und Juden zwei, wir wollen vier benutzen. Nur um zu zeigen, wie problematisch das ist, warum sich das Christentum ein so verflachtes Gottesbild macht. Hier steht bewusst Christentum, es sind nicht alle Christen gemeint. Wirklich schriftgelehrte Christen haben kein flaches Gottesbild.
Erstens ist das Alte und das Neue Testament Quelle, der Autor mag sie nicht trennen. Die gesamte Bibel gehört zusammen. Ich kann das Neue Testament ohne das Alte nicht verstehen. Das ist auch ein Grund, warum wir Jesus öfter nicht mehr richtig verstehen, weil wir das Alte Testament nicht mehr richtig kennen. Im Allgemeinen haben Christen etwas Verständnis vom Neuen Testament, die Juden vom Alten Testament. Wir Christen haben ein halbes Verständnis, könnte man sagen, vom Alten Testament. Die Juden haben im Allgemeinen keine Kenntnis vom Neuen Testament. Die Juden haben das Alte Testament und kein Neues, wir haben ein halbes Altes Testament und ein volles Neues.
Was für zwei weitere Quellen haben wir, die den lebendigen Gott Israels, Jesus Christus, bezeugen? Wie bezeugt Jesus sich nach Golgatha, nach seiner Himmelfahrt? Einmal in der Kirchengeschichte. Wenn sie richtig verstanden wird, lebt Jesus durch den Heiligen Geist darin.
Zum anderen gibt es eine vierte Quelle, die wenige kennen. Wenn über dem Kreuz INRI steht, „Jesus von Nazareth, König der Juden", bedeutet das: Er ist in einer verborgenen Beziehung zu ihnen, in einer Leidensbeziehung, in einer Beziehung, die dieses Volk durch tiefstes Leiden trägt. Das ist leider sehr wenig bekannt unter uns. Ich meine nicht nur am Ende der Tage, ich meine durch die ganze jüdische Geschichte.
Hier haben wir vier Quellen, entsprechend den vier Himmelsrichtungen. Was jetzt gesagt wird über Jesus, schafft ein Gottesbild, das seine Macht zeigt über uns und wogegen wir nie unsere eigenen Wunschvorstellungen stellen können.
Es sollen nur die Hauptpunkte genannt werden. Denken wir an die Sache mit den Sternen: Vielleicht sind manche von ihnen tausend oder Millionen Jahre verglüht, existieren nicht mehr, aber das Licht ist jetzt erst auf die Erde gekommen. Die Größe des Kosmos können wir überhaupt nicht erfassen. Vor zwei oder drei Jahren wurde eine neue Milchstraße entdeckt mit Tausenden neuer Sterne, die wir nie vorher gesehen haben! Wir haben Augen, und wir sehen lang nicht alles, auch nicht mit unseren „verlängerten Augen", mit dem Teleskop.
In der Wüste verlor jemand ein Vergrößerungsglas. Es fiel aus der Tasche, und als er es wieder fand, sah er durch das Glas Blumen. Er schaute, und die ganze Wüste war voller Blumen. Aber die Blumen waren so klein, dass niemand bis dahin diese Blumen gesehen hatte. Wir haben Augen und sehen nicht. Das menschliche Auge ist so fein, dass die besten Augenärzte jahrelang daran studieren können und trotzdem viele Fehler machen.
Daraus ist ersichtlich, wie groß und wie tief und wie fein unser Schöpfergott ist. Vergleichen Sie einmal eine künstliche Blume mit einer Blume, die von Gott geschaffen ist. Berühren Sie beide, riechen Sie daran, betrachten Sie beide unter einem Mikroskop. Jeder Löwenzahn der Welt ist anders. Es gibt einen Wissenschaftler, der alle Blätter eines Baumes untersucht hat und zu dem erstaunlichen Ergebnis kam, dass jedes anders war.
Gottes Schöpferkraft hat eine Vielfalt, eine Feinheit, eine Tiefe und eine Größe, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können. Diesen Gott können wir nicht nach unserem Wunsch gestalten, er ist ein Gott, der, wie Einstein es ausdrückte, mit der Erschaffung einer einzigen Fliege die Grenze unserer ganzen Wissenschaft kundtut. Solch ein Gott ist das. Solch ein unfassbarer, großer und tiefer Gott ist das.
Und was sollen wir über die neue Schöpfung sagen? Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Dann, als Jesus auferstand, spielten dieser „Anfang", der Zeitbegriff, und „Himmel und Erde" als Raumbegriff für ihn keine Rolle mehr. Jesus lebte nicht mehr in Zeit und Raum. Er ging durch Wände, er ging plötzlich von einem Ort zum andern, nach Emmaus, nach Jerusalem, an den See Genezareth, es gab und gibt für ihn überhaupt keine Zeit- und Raumgrenze mehr. Wir leben in der Zeit.
Einstein hat bewiesen, dass die Bibel ganz und gar recht hat, dass Zeit ein relativer Begriff ist. Mit unwahrscheinlich hoher Geschwindigkeit geht die Zeit langsamer, mit absoluter Geschwindigkeit, die wir uns nicht vorstellen können, steht die Zeit still. Nicht Lichtgeschwindigkeit ist hier gemeint, sondern absolute Geschwindigkeit. Wir können das überhaupt nicht erfassen, weil wir in Zeit und Raum leben. Er ist ein Gott, über den wir nur staunen können. Die größten Naturwissenschaftler haben nicht an Wissenschaft geglaubt, sie haben an den Schöpfergott geglaubt, ob das Planck, Heisenberg, Einstein war, sie waren alle zutiefst von einer Existenz Gottes überzeugt. Hier ist ein Schöpfergott der alten und der neuen Schöpfung, den wir überhaupt nicht begreifen können, weil er in anderen Dimensionen lebt als wir. Er lebt über unserer Zeit, über unserem Raum. Er steht über diesen Dimensionen.
Es sei ein einfaches Beispiel erlaubt: Der Verfasser hat einen sehr netten Dackel zu Hause, den Dackel Wastel. Wastel versucht, sein Herrchen zu verstehen. Beide lieben sich sehr. Manchmal, nicht immer. Er merkt, dass sein Besitzer gern in der Bibel liest, er schnuppert auch an der Bibel rum. Meinen Sie, dass er das verstehen kann? Nein. Er versucht, Gedanken zu hinterfragen mit seiner Nase. Ist seine Nase das richtige Instrument, mit Gedanken umzugehen? Bestimmt nicht. Vielleicht ist es das richtige Instrument in der Küche, da hat er ein feines Gespür. Dabei steht ein Dackel viel näher zu uns Menschen in seiner Vorstellungskraft als wir Menschen zu Gott. Viel näher. Wir gehören schöpfungsgemäß zum gleichen himmlischen Tag. Die ganze Schöpfung gehört Gott. Er, Gott, hat einen besonderen Tag, das ist die Vollendung der Schöpfung, sein Schalom, sein Friede. Das ist der siebte Tag. Wir gehören aber beide zum sechsten Tag. Wenn man sagen würde, mein Dackel versteht mich so gut, wie ich Gott verstehe, wäre das nicht fair. Wir verstehen Gott so gut, wie eine Ameise uns versteht. Seine Größe, seine Herrlichkeit - unsere Antennen sind nicht so gebaut, ihn zu verstehen. Hingegen sollen wir ihn annehmen, ihm gehorchen, ihm nachfolgen, ihn lieben. Aber begreifen, begreifen in unserer Vorstellung? - Nein, nie.
Die Gerechtigkeit fängt mit dem 5. Buch Mose an, geht durch die ganze prophetische Auslegung, die unter orthodoxen Juden als eine Auslegung der Thora gilt. Sie erreicht ihren Gipfel in Jesu Bergpredigt, in seiner zentralen Rede. Sie findet ihre Erfüllung in Jesu Kreuz und dann ihre Vollendung in Jesu Gericht. Alles, der gesamte Heilsplan Gottes von der Schöpfung bis zum Gericht, wird umfasst von diesem Begriff Gerechtigkeit. Letzten Endes ist diese aber nicht von seiner Liebe zu trennen. Gott hat die Welt geschaffen, nicht nur als gerechter Gott, sondern als liebender Gott. Er hat das Gesetz gegeben, nicht nur als gerechter Gott, sondern als liebender Gott. Er will uns damit einen Weg weisen in sein Reich.
Genau wie Gnade und Gericht nicht zu trennen sind, so hängen Gottes Gerechtigkeit und Gottes Liebe zutiefst miteinander zusammen.
Nun ein paar Sätze über Gottes Gerechtigkeit. Nehmen wir nur ein paar Stichwörter:
Es gibt 613 Gebote und Verbote für die Juden. Jesus zeigt uns etwas davon in seiner Bergpredigt. Nur ein Wahnsinniger wird glauben, dass er sie alle erfüllen kann. Jesus sagt uns, dass diese Gesetze - nach Hesekiel und Jeremia - in unsere Herzen hinein geschnitten und hineingeschrieben werden können.
Er sagt in der Bergpredigt unter anderem, wir sollen unsere Feinde lieben. Niemand kann das immer tun, und wer glaubt, dass er das könne, ist ein Pharisäer und ein Heuchler. Er sieht nicht, dass wir Jesus brauchen, gerade weil er seine Feinde geliebt hat und also auch uns, denn wir sind öfters seine Feinde.
Er verlangt, dass wir ohne Begier und ohne Hass leben. Kein Mensch kann das immer tun. Der Gipfelsatz der Bergpredigt - den sollen die Friedensstifter lesen: „Seid vollkommen wie Gott" - das ist meine Antwort auf die Friedensbewegung. Wenn sie vollkommen wie Gott werden, dann können sie Frieden stiften im Sinne der Bibel.
In der Bibel gibt es nur einen Friedensstifter. Das ist Gott. Schalom kommt von Gott. In der Geschichte gibt es keinen Friedensvertrag, der nicht die Ursache für den nächsten Krieg war. Aber das ist nur eine Nebensache.
Tatsache ist, dass uns Jesus in der Bergpredigt zeigt, dass Gottes Gerechtigkeit für uns total unerfüllbar ist. Man ist erstaunt, dass man Jesus nicht an Ort und Stelle der Bergpredigt gesteinigt hat.
Wenn der Verfasser ein gläubiger Rabbi gewesen wäre und hätte einen Mann gehört, der sagt: „Wollt ihr zu Gottes Reich gehören, müsst ihr vollkommen sein wie Gott" - er hätte ihn auch steinigen lassen. Das ist die härteste Predigt, die je gehalten wurde in der Geschichte der Menschheit.
Was bedeutete das für einen gesetzestreuen Juden, zu hören, er müsse vollkommen sein wie Gott! Das bedeutet: Wir sind alle verdammt. Keiner kann das sein. So unerfüllbar ist Gottes Gerechtigkeit.
Wer glaubt, dass er die Bergpredigt ganz erfüllen könne, ist entweder sehr einseitig oder sehr kindlich. Tolstoi war sehr kindlich. Er ist der Vater der Friedensbewegung. Er hat geglaubt, dass er die Bergpredigt erfüllen könne. Er hat, als er ein Pazifist geworden war, als alter Mann gesagt, dass Jesus uns das alles gegeben habe, um es zu erfüllen. Er versuchte, die Bergpredigt zu erfüllen. Er war so erfolgreich in der Erfüllung der Bergpredigt, dass er mit seiner eigenen Frau nicht hat auskommen können und von ihr weggelaufen ist. Dabei ist anzunehmen, dass seine Frau nicht sein Feind war. Dazu muss man Stellen aus „Der Teufel" und aus der „Kreutzer-Sonate" lesen. Es wird vermutet, er habe Ehebruch getrieben. Auch der Roman „Die Auferstehung" von Tolstoi handelt davon. Das war seine „Erfüllung" der Bergpredigt.
Im Fleisch konnte er sie nicht erfüllen, geschweige denn im Geist. Dasselbe Gedankengut hatte auch Gandhi. Ähnliches findet man in unserer heutigen Friedensbewegung. Aber nach jedem Glied ging es auf ein niedrigeres Niveau herunter. Der Größte aus dieser Reihe war Tolstoi. Er war kindlich, er war so kindlich, dass er als Kind glaubte, dass er fliegen könne. Das ist ungefähr das gleiche, als ob man die Bergpredigt erfüllen wolle. Er ging auf sein Landgut, hat sich auf eine Erhöhung gestellt, hat mit seinen Händen hin- und hergewedelt und ist dann heruntergefallen.
Wer will Frieden stiften? Die Bergpredigt ist nicht eine Rede vor allem an Politiker, auch nicht nur an Jesu Jünger. Die Bergpredigt ist vor allem das eigene Programm für Jesus.
Was tut Jesus? Er erfüllt es dem Buchstaben und dem Geist nach. Luther verstand die Bergpredigt. Heute versteht man das nicht mehr. Bergpredigt ist Bußpredigt. Dort merke ich: Das will Gott von mir, aber ich kann es nicht. Ich versuche, es zu tun, aber ich falle jedes Mal durch, wenn ich wirklich ehrlich bin. Dann stelle ich fest: Ich bin total abhängig von dem, der es für mich erfüllt hat. Wo hat er das erfüllt? Er hat es durch sein ganzes Leben erfüllt. Er hat nicht begehrt, er hat nicht gehasst, er hat seine Feinde geliebt. Das sieht man vollkommen offenbart am Kreuz: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Er ist vollkommen wie Gott, ja, wie Gott.
Wer als Christ glaubt, er könne das Gesetz Gottes, offenbart in der Bergpredigt, erfüllen, ist ein Narr. Das ist das richtige Wort dafür. Ein Narr im schlimmsten Sinn. Die Gerechtigkeit Gottes, am Kreuz offenbart, ist unserer Vernunft total entgegengesetzt. Gott macht menschliche Weisheit zur Torheit, Jesaja und Paulus sagen das.
Was für eine Gesellschaft hätten wir, wenn alle Menschen, die unschuldig sind, stellvertretend in Gefängnisse gingen und die Terroristen frei würden? Mit so einer Gesellschaft wären wir sicher nicht glücklich. Es wäre eine Gesellschaft, die sich umbringen würde.
Und was geschah am Kreuz? Der, der nicht nur unschuldig im Tun, sondern auch unschuldig im Geist, ohne Sünde, der vollkommen war, starb für alle, für uns „dreckige Menschen" - um den lutherischen Begriff zu benutzen. Das hat mit unserer Gerechtigkeit nicht im Geringsten etwas zu tun. Es ist total entgegengesetzt unserer Vorstellung von Gerechtigkeit.
Das bedeutet: Wir haben es mit einem gerechten Gott zu tun, dessen Gerechtigkeit wir nur annehmen können, selber schaffen aber können wir sie nie. Das zeigt sich am Kreuz, an seiner Liebe. Wir können nur staunen und dankbar sein. Aber wir können das nicht erfassen und begreifen, weil es unseren Vorstellungen von Gott entgegengesetzt ist. Hier ist ein Gott, der unantastbar ist genau wie der Gott der Schöpfung, wo wir nur wie Ameisen dastehen. Mit diesem gerechten Gott können wir überhaupt nicht unser Wunschbild schaffen, weil unsere Art seiner Gerechtigkeit entgegengesetzt ist. Wir können nur staunen - und es mit Dankbarkeit annehmen.
Sind Sie damit einverstanden, dass mit dem obigen das zweite Gebot nicht gebrochen, sondern gezeigt wurde, dass dieser Gott unantastbar ist, dass er über uns steht und dass wir nur in jämmerlicher Schwachheit vor ihm stehen können?
Die ganze Geschichte mit dem Alten Bund erreicht ihren Gipfel, als Jesus auf die Erde kommt, um abgelehnt zu werden von seinem Volk. Nicht von allen, aber fast allen. Jesus hat dieses Volk verstockt angetroffen. Was für eine sonderbare Geschichte ist das! Das ganze Alte Testament ist eine Vorbereitung auf diesen Messias. Und als er kommt, kommt er vor allem, um abgelehnt zu werden. Warum? Römer 11: dass er zu den Heiden gehen kann, dass von nun an sein Licht auch den Heiden gilt. Das Volk Israel wird verstockt sein bis an das Ende der Tage, bis Jesus selbst die Binde von ihren Augen nimmt (Sacharja 12, 10). Nur einzelne Juden haben Jesus angenommen, und zwar schon von Anfang an, sehr wenige gesetzestreue Juden.
Tatsache ist, dass Jesus zu den Juden gekommen ist, aber vor allem, um von ihnen abgelehnt zu werden. Die Erfüllung ist in ihm, er kam, um abgelehnt zu werden, dass das Heil zu den Heiden gehen kann, was er als Auferstandener sagt. Sein erster Missionsbefehl gilt den verlorenen Schafen des Hauses Israel, nicht den Heiden, nicht den Samaritern (Matthäus 10).
Dann kommt sein Kreuz über sein Volk des Alten Bundes in schrecklichen Leiden, bis dann das Wort fast in der ganzen Welt bekannt wurde. Und das war zeichenhaft beim Ende des Ersten Weltkrieges, als der Imperialismus die missionarische Welt unter sich geteilt hatte. Es war zeichenhaft der Anfang vom Ende der Endzeit. Dann kamen die Juden zurück in ihre Heimat.
Wenn Jesus wiederkommt - zu wem kommt er? Zu den Juden! Wir, die Christen, werden entrückt werden. Sicher kommt er uns entgegen, aber er kommt auf die Erde, er kommt zu den Juden, um sie zu taufen (Sacharja 12, 10). Was für eine sonderbare Geschichte ist das! Und was für eine Geschichte überhaupt - eine Leidensgeschichte.
Wer könnte vom Menschenverstand aus etwas Schrecklicheres denken - ständig zu leiden? Fragen Sie die Juden, was ihre Geschichte bedeutet. Sie bedeutet Leiden. Jahrtausende Leiden, Leiden, unter jeder Weltherrschaft. Das ist das Zeichen der Erwählung, auch der geschichtlichen Erfüllung. Das ist sonderbar, weil das total entgegengesetzt ist zu dem, was wir haben wollen. Ist es nicht beim Christen genau so? In dem Moment, wo wir in Christi Leiden hineingeführt sind, fängt die Gemeinde an zu merken, mit wem wir es zu tun haben. So war es in der Urgemeinde. Ein sonderbarer geschichtlicher Weg!
Und dann, denken Sie einmal an Ihre persönliche Geschichte. Es sei gestattet, hier einige persönliche Zeilen einzufügen. Ich war mit 16 Jahren ein aufgeklärter, das bedeutet nichtgläubiger Jude, der im Wohlstand lebte außerhalb New Yorks. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, ich würde evangelischer Pfarrer werden in Deutschland - es war kurz nach Auschwitz - und hier zu frommen Christen predigen über Christus, wer er wirklich ist, ich würde ihm ins Gesicht gelacht haben. Nicht nur hat Jesus meinen Weg bestimmt - obwohl ich ein sehr willensstarker Mensch bin -, er hat auch alle meine Entscheidungen für mich gemacht, auch meine Ehe. Meiner Mutter letzte Worte waren, als ich nach Europa ging: „David, geh nicht nach Deutschland, aber wenn du nach dort gehst, bringe mir keine deutsche Frau mit."
Überlegen Sie einmal, warum Sie heute hier sind. Jesus hat einen Weg und ein Ziel für Sie, wo er Sie hinführt. Nicht Sie ihn, sondern er hat Sie geführt, trotz eigener Irrungen und Wirrungen. Er will ans Glaubensziel kommen mit Ihnen.
Ich denke an zwei Ereignisse in meinem Leben, die ich überhaupt nicht verstanden habe, als sie passierten, weil sie damals unwichtig waren: Als ich an der Universität Michigan studierte, habe ich immer - ich war kein gläubiger Mann - als Jude das Gefühl gehabt, ich muss in eine Kirche gehen. Jeden Abend ging ich spazieren, und ich ging zu dieser Kirche. Ich habe es nicht verstanden. Ein Jahr später habe ich in New York studiert. Eines Tages hatte ich das Bedürfnis zu beten. Ich ging in die nächste Synagoge und betete zu dem Gott Israels. Der Vorsteher kam zu mir und fragte, ob ich dieser Synagoge angehöre. Ich sagte: „Nein, aber ich will zu unserem Gott beten." Er sagte, dass ich leider nicht hier bleiben könne, es sei nur für Mitglieder. Sie werden sagen: Diese bösen Juden! Ich habe das aber auch erlebt bei einer Kirche. Da stand: „Klopf an, und es wird aufgetan." Ich habe angeklopft, und es wurde nicht geöffnet. Das ist nicht eine Frage zwischen Juden und Christen, das war eine Zeichenhandlung an mir.
„Du gehörst nicht zu dieser Synagoge", hat der Mann gesagt, und die Kirche hat mich angezogen. Hier haben wir es mit einem geschichtlichen Gott zu tun im Alten und Neuen Bund, den wir überhaupt nicht begreifen können, weil er Geschichte macht durch Leiden, weil er Wege macht, die wir nicht bestimmen. Er bricht unseren Eigenwillen. Paulus ist das allergrößte Beispiel. Paulus zu Damaskus ist betont Gesetzeseiferer, der plötzlich merkt: er hat das Gesetz zutiefst gebrochen, er ist ein Mörder, hat Stephanus auf dem Gewissen und viel mehr als das. Das ist Jesu Weg in der Geschichte. Das ist nicht eine Geschichte, die wir mit Gott machen, sondern allein die Geschichte, die er mit uns macht. „Komm und folge mir nach", so redet er zu Abrahams Söhnen wie zu den Jüngern.
Niemand bezweifelt das: Jesus ist der Gott der Liebe, Liebe ist sein Wesen. Aber was für eine Liebe? Ist das eine Liebe wie menschliche Liebe? Sicher hat sie manches gemeinsam mit menschlicher Liebe, zum Beispiel, dass diese Liebe mit Vergebung zu tun hat. Je mehr wir lieben, um so mehr können wir vergeben. Es ist auch eine brennende, eifernde Liebe. Niemand, der seine Frau wirklich liebt, sagt: Geh nur mit anderen Männern.
Der Gott Israels sagt: Nur ich und kein anderer. Das geht durch die ganze Prophetie. Die eifernde, brennende Liebe ist Gott. Aber Gott hat ganz andere Dimensionen in seiner Liebe. Schauen wir sein Kreuz an, wo seine Liebe ein für allemal offenbart ist. Er liebt die Menschen, die sich hassen, und betet für sie und stirbt für sie. Das ist nicht eine Liebe, die wir verstehen und begreifen, wir können das nur mit Dankbarkeit annehmen. Jesu Liebe ist zutiefst offenbart am Kreuz. Niemand bezweifelt das, und das ist im Moment der Welthass. Es ist ein totaler Gegensatz zu dem, was wir unter Liebe verstehen, dass wenn wir gehasst werden, wir mit Liebe zu antworten haben.
Noch ein anderer Aspekt, um nur ein paar Beispiele zu nennen: Jesu Liebe macht nicht blind wie die unsrige. Wenn wir einen anderen wirklich lieben, sehen wir vor allem das, was uns an dieser Person besonders anspricht. Jesus aber hält gleichzeitig total Abstand in seiner Liebe. Der richtende Jesus und der liebende Jesus sind eins. Er liebt uns ganz und gar so, wie wir sind. Aber gleichzeitig ist er total fern, richtend und objektiv in seiner Liebe. Der gleiche Gott. Das können wir überhaupt nicht erfassen. Liebe bedeutet für uns Nähe, nicht Ferne. Gottes Liebe hat beide Dimensionen: Hingabe und gleichzeitig Abstand. Liebe und Gerechtigkeit als Einheit.
Diese Liebe können wir nicht erfassen. Wenn wir über Gott reden, über Jesu Liebe, reden wir in rein menschlichen Begriffen, ohne zu verstehen, dass Jesu Liebe total neue Dimensionen in sich hat. Wenn wir über eine solche Liebe reden, bei der Nähe und Ferne, Hingabe und objektive Distanz eine Einheit sind, können wir das nicht begreifen. Wir können nur sagen: Gott sei Dank.
Auf das wirkliche Problem, wie Gott das alles zulassen konnte, Auschwitz zum Beispiel, ist für einen Christen die einzig richtige Frage: Warum hat er uns erhalten über diese ganze Zeit? Juden und Christen haben es nicht verdient. Wir sind „Dreck", und wir haben diesen Gott ständig missachtet, ständig unser eigenes Bild geschaffen. Dass er uns immer noch liebt, ist das große Wunder. Das große Wunder ist nicht, dass er das Böse erlaubt - das ist biblisch klar zu verstehen. Für den Autor unbegreiflich ist, dass er uns nicht aufgibt. Weder im Alten noch im Neuen Bund. Wir hätten längst, Juden und Christen, aufgegeben, wenn wir an seiner Stelle ständen. Wenn wir denken, was wir diesem Gott angetan haben!
Vorhin wurde über das Leiden Gottes gesprochen. Wer von uns bittet: „Ich brauche Leiden, ich muss gezüchtigt werden!"? Keiner betet so. Von zweien ist mir bekannt, dass sie so beteten. Der eine war ein Jude namens Mosche. Er war 16 Jahre alt. Sein Tagebuch geht viel tiefer als das der Anne Frank. Gerade weil es viel tiefer geht, ist es viel weniger bekannt. Er stammte aus Polen, floh nach Holland, dann nach Belgien. Er hat „Jud Süß", er hat die schrecklichste Propaganda gegen die Juden gekannt. Er hat geahnt, was Hitler gemacht hat, sehr deutlich geahnt. Mosche betete: „Herr, ich will mit meinem Volk leiden."
Diese Bitte wurde erfüllt. Mosche ist in Auschwitz vergast worden. Seine ganze Familie wurde nicht berührt. Er wollte mit seinem Volk leiden. Sehr ungewöhnlich.
Dann hat Michael Hahn sehr positiv geredet darüber, dass er sehr gerne leiden würde, er brauche das. Eine wunderbare und tiefe Aussage.
Es geht gegen unsere Natur zu sagen, ich möchte leiden, zum Beispiel einen Autounfall haben oder drei Monate ins Krankenhaus, damit ich gezüchtigt werde. Gottes Weg mit uns ist vor allem ein Weg des Leidens. Jesu Verherrlichung geschah am Kreuz, nicht bei der Auferstehung. Am Kreuz war er bei uns, in unserer allerletzten Tiefe. Je mehr wir mit ihm leiden, umso tiefer ist unser Glaube. So war das immer der Fall. Aber keiner will das.
Was wir wollen, ist ein Gott, der mir gibt, was ich will. Er offenbart sich im Leiden, und das ist im Gegensatz zu dem, was wir haben wollen. Er sagte nicht zu Petrus oder Abraham: Komm, wir reden miteinander. Du sagst, was du denkst, ich sage, was ich denke, machen wir einen demokratischen Kompromiss. Das hat er nie getan, weder im Alten noch im Neuen Bund. Er sagt, er bestimmt, er tut. Und er geht Wege, die wir nur annehmen können, und er sagt: Komm und folge mir nach. Das ist, was er will, und er ist uns nah geworden. Er hat diese ganze Kluft überwunden zwischen Gottheit und Menschheit, in ihm, an Weihnachten und am Kreuz; der Vorhang ist zerrissen.
Alles, was gesagt wurde über den Gott der Schöpfung und der neuen Schöpfung, den Gott der Gerechtigkeit, den Gott der Geschichte, den Gott der Liebe, den Gott der Leiden, zeigt: wir haben es mit einem Gott zu tun, der total entgegengesetzt ist zu dem, was wir haben wollen und was wir erfassen können. Nie werden wir ihn in den Griff bekommen.
Hier ist ein Gott, der meilenweit über uns steht, der aber trotzdem zu uns kommt, daran müssen wir stets denken. Er ist Mensch geworden und damit sehr nah zu uns gekommen. Er ist nicht nur ein Gott, der über uns steht, sondern ein Gott, der Mensch geworden ist, der ständig sehr nahe ist, der aber trotzdem heilig und voll brennenden Eifers ist und der von uns nicht verstanden wird, solange wir in der Finsternis leben. Das steht im Johannes-Evangelium klipp und klar: Die Finsternis hat ihn nicht begriffen. Es gibt hierüber mehrere Stellen im Neuen Testament. Die Theologie will das heute nicht mehr wahrhaben. Es ist wie zur Zeit der Pharisäer und Schriftgelehrten. Dabei waren die Pharisäer damals nicht so schlimm wie die Pharisäer unserer Zeit.
Die wahren Pharisäer unserer Zeit sind Menschen, die gar nicht mehr von Gott reden. Auf der Straße trifft man manche Leute, oft an jedem Tag der Woche, und sie rufen: „Herr Pfarrer, Herr Pfarrer." – „Ja, wer sind Sie denn?" Der andere antwortet: „Sie kennen mich nicht gut, Sie sehen mich zwar nicht in der Kirche, auch nicht in den anderen christlichen Kreisen. Wissen Sie, ich habe zu wenig Zeit, aber ich bin ein guter Christ." Auf die Frage: „Lesen Sie denn in der Bibel - jeden Tag?" kommt dann die Antwort: „Nein, ich habe keine Zeit." - „Beten Sie denn zu Gott?" - „Ja, manchmal abends, wenn ich einschlafe." Weitere Frage: „Und das ist der ganze Gottesdienst?" Antwort: „Aber ich versuche so gut und gerecht zu leben, wie ich kann."
Das ist Pharisäertum und wir Pfarrer sind mitschuldig daran, denn das ist das, was viele von uns haben wollen: Menschen, die gut leben, so gut und gerecht, wie es geht.
Die Antwort, die der Verfasser solchen Leuten gibt, ist: „Aber ich bin schmutzig und dreckig, ich bin ein böser Mensch. Und darum bin ich ein Christ . . . weil ich einen Erlöser brauche." Darauf bekommt man die Antwort: „Aber, Herr Pfarrer, so sind Sie nicht, Sie übertreiben." - „Nein, nein, Herr Pfarrer, wir kennen Sie doch, wir wissen, wie Sie sind. Sie machen manchmal Witze, aber nein, nein, so sind Sie nicht." Ich antworte dann: „Nein, nein, ich bin ein sehr übler und böser Mensch. Wenn Sie wissen würden, was in meinem Herzen und in meinen Gedanken alles ist. . . Das weiß Gott alles über mich. Ich bin ein sehr übler Mensch, darum brauche ich Gott."
Die Pharisäer lebten - wie sie dachten - aus Gottes Gnade. Aber diese Menschen sind selbstgerecht ohne Gott.
Wenn Sie das zweite Gebot im Konfirmandenunterricht gelernt haben, bedeutet das, dass Sie zu der reformierten Kirche gehören, etwa in der Schweiz oder in Holland, zu Calvin oder Zwingli. Calvin hat das zweite Gebot behalten. Aus einem ganz anderen Grund, als es hier begründet wurde: Aus Angst, dass, wenn wir Bilder aufhängen, wir in die Gefahr geraten, diese Bilder anzubeten. Aus Angst vor dem Tanz um das goldene Kalb. Diese Gefahr konnte in der katholischen Kirche bestehen; noch mehr aber in der Ostkirche. Der Verfasser hat zu Hause eine Ikone, deren Farben teilweise weggeküsst sind. Verehrt, weggeküsst, dass man den unteren Teil überhaupt nicht mehr sehen kann. Das war immer in der Ostkirche ein großes Problem. Für die katholische Kirche ein kleines Problem, aber trotzdem ein Problem.
Diese Auffassung ist jedoch nicht die letzte Tiefe der Problematik, die letzte Frage geht in die Tiefe, geht zum Gleichnis. Calvin hat auch etwas dazu zu sagen. Wir haben heute versucht, mit diesem Problem in die Tiefe zu gehen von der geschichtlichen Seite her - eine Sicht, die Calvin nicht haben konnte, denn das Entscheidende ist erst nach Calvins Zeit passiert: nämlich, dass Jesus Christus verharmlost worden ist… Jesus Christus, das Gottesbild nach unseren eigenen Wünschen.
Der dritte Teil dieses Gottesgebotes ist: „Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis von deinem Nächsten machen." Max Frisch, der kein Christ ist, sagt dazu etwas Interessantes. Er kommt auch von den Calvinisten her. In den vierziger Jahren schreibt er in sein Tagebuch: „Die Psychoanalyse bricht das zweite Gebot nach Mose in seinem dritten Teil, wenn sie versucht, eine vollständige Macht über Menschen zu gewinnen, und wenn sie versucht, ein vollständiges Bild von den Menschen zu zeichnen."
Er hat ganz und gar recht. Wir leben heute in einer großen Gefahr. Das ist der Versuch, Systeme im Blick auf den Menschen zu machen. Darin ist der Mensch dann nicht mehr selbständige Person.
Gott sagt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein." Jeden von uns sieht er als einzelnen an, er ist von Gott geschaffen, gehört ihm. Aber wir stecken Menschen in Kategorien. In der Psychoanalyse ist man der Macht einer anderen Person ausgeliefert. Die Träume, die innersten Gedanken, sogar die Sprachfehler und so weiter, alles wird ausgeliefert an jemand, der über diese Person herrscht. Die Psychologie ist in großer Gefahr, Männer und Frauen zu manipulieren, dass wir sie dann so haben, wie wir sie haben wollen. Hitler war ein Meister der Massenpsychologie. Er hat das von La Bonne gelernt, das Manipulieren von Massen nach seinem Gutdünken. Die Jugendsekten brechen das zweite Gebot ebenfalls in seinem dritten Teil.
Die großen Dichter aber beschreiben immer einzelne Personen, völlig originale Menschen und Einzelschicksale. Sie verstehen dies viel tiefer als die Psychologen, um was es geht. Sie beschreiben die Einzigartigkeit eines jeden Menschen.
Als Mittelpunkt gibt es eine „biblische Psychologie“: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!"
Jeder einzelne Mensch ist ein Geschöpf Gottes und kann nur so verstanden werden. Wir jedoch werden von allen Seiten her manipuliert. Von der Presse, vom Fernsehen, von allen möglichen Dingen. Wenn Hitler jetzt kommen würde, dann helfe uns Gott. Wenn er heute alle diese modernsten Mittel zur Verfügung hätte, die Menschen zu manipulieren - nicht auszudenken! Und die Zeit des Anti-Christen kommt. Der wird mehr sein als Hitler. Im negativen Sinn.
Zusammenfassend sei gesagt: Jesus Christus ist Gott. Er ist auch Mensch. Aber in ihm sehen wir Gottes Herrlichkeit, Gottes Liebe, Gottes Gerechtigkeit, Gottes Schöpferkraft, Gottes Heiligkeit. Das können wir alles nicht begreifen. Er ist viel höher und viel tiefer als wir. Trotzdem kommt er zu uns schwachen und armseligen Menschen, liebt uns und nimmt uns an und sagt uns: „Komm und folge mir."
Ein wahres Christentum ist ein Christentum der Nachfolge, und nicht ein Christentum, das sagt: „Wie lege ich die Bibel aus?", sondern: „Wie legt die Bibel mich aus?" Das ist der Inhalt der Predigt. So bekommt man die tiefste Ehrfurcht vor diesem Wort. Luther sagt, dass man eine Predigt anfängt, indem man alle Gedanken von sich wegbringt und zu Jesus betet, an das Kreuz Jesu denkt. Dann soll man die Bibel aufschlagen, und nun richtet Gott uns durch sein Wort und rettet uns durch sein Wort. Dann richtet er mich auf. Er richtet den natürlichen Menschen, der will über ihn herrschen. Ein Sünder, ein Schwacher, ein unwesentlicher Mensch. Damit richtet er mich in seiner Liebe auf, durch sein Wort und seine Tröstung. Wir haben es mit einem richtenden, aber auch rettenden Gott zu tun. Jesus Christus ist der allmächtige Gott. So ist er, und so wird er immer bleiben. Gelobt sei er hier in der Zeit und dort in der Ewigkeit.
„Und der Herr, der Gott Israels, sprach zu seinem Propheten Hesekiel: Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Du wirst aus meinem Munde das Wort hören und sollst sie in meinem Namen warnen. Wenn ich dem Gottlosen sage, du musst des Todes sterben, und du warnst ihn nicht, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Wege zu warnen, damit er am Leben bleibe, so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben. Aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Wenn du aber den Gottlosen warnst, und er sich nicht bekehrt von seinem gottlosen Wesen und Wege, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber du hast dein Leben errettet" (Hesekiel 3, 17-19).
Es ist zu vermuten, dass unter uns manches Missverständnis herrscht. Erstens darüber, was ein Prophet ist. Darum soll damit begonnen werden.
Man hat über Martin Luther gesagt, und wir hatten ja jetzt das Martin-Luther-Jahr, dass auch er ein Prophet gewesen sei. Das ist richtig. Luther hat aber nie, aber auch gar nie, Visionen über die Zukunft gehabt. Trotzdem ist das ein richtiges Urteil. Die meisten Menschen denken bei einem Propheten an einen Mann, der Visionen über die Zukunft hat. Das ist aber nicht das wesentliche Merkmal eines Propheten. Sicherlich gehört das auch zu einem Propheten.
Das Besondere an einem Propheten ist nicht seine Beziehung zur Zukunft, sondern zur Gegenwart. Der Prophet wird jetzt Gottes Wort bekommen für sein Volk, er wird in diesem Moment sein Volk mit einer Schärfe und mit einer Klarheit sehen, wie kein anderer. Dazu gehört, dass er diese Gegenwart wie kein anderer versteht, besonders auch, wie diese in Beziehung zu Gottes Heilsgeschichte steht. Das bedeutet, dass er die Gegenwart versteht in Bezug auf die Vergangenheit.
Wenn man zum Beispiel Hesekiel liest, so sieht man, dass Hesekiel ein sehr tiefer jüdischer Historiker ist. Und zwar im Blick auf die Glaubensgeschichte Israels. Beispiele dafür sind die Kapitel 16, 20 und 23 von Hesekiel, die Überblicke über Israels Geschichte geben. Man kann die Gegenwart nur verstehen, wenn man die Vergangenheit versteht mit Gottes Verheißungen auf der einen Seite und dem Weg des Volkes auf der anderen Seite. Wenn ein Prophet der Gegenwart beurteilen kann, wie es jetzt mit uns steht, setzt das Kenntnis der Vergangenheit voraus. In biblischen Zeiten hatte er dann die Möglichkeit, die Zukunft vorauszusehen. Gott ist ein lebendiger Gott, der war, der ist und der bleibt.
Wenn man die Vergangenheit, die Verheißungen und Gottes Weg mit seinem Volk kennt und diese Gegenwart klar und deutlich sieht, so wird man in Beziehung zu der Verheißung und der Führung etwas über des Volkes Zukunft wissen. Denn letzten Endes ist das Alte Testament ein Geschichtsbuch, ein Buch über Gottes Heilsgeschichte mit seinem Volk. Das hat einen Anfang, eine Gegenwart und eine Zukunft. Darum können die Propheten in die Zukunft schauen; denn die Zukunftsschau des Propheten kommt nur aus einem Verständnis der Vergangenheit und der Gegenwart.
Der einzige Weg, zum Beispiel die Offenbarung des Johannes zu verstehen, setzt die Kenntnis der Prophetie des Alten Testaments voraus. Johannes kann die Zukunft nur schauen, wenn er im Tiefsten versteht, wie es jetzt seinen Lauf nimmt und was der Weg der Vergangenheit war in seiner Beziehung zu Gottes Wort. Dazu vermittelt der Prophet Gottes Wort. Und Gottes Wort ist wie ein Schwert. Gottes Wort zerbricht manche Propheten. Jeremia wollte sogar sein Amt aufgeben. Er sagte: „Ich kann es nicht mehr hören, was mit meinem Volk passiert."
Gottes Wort ist immer ein richtendes Wort, glücklicherweise aber zugleich ein rettendes Wort. Das gehört untrennbar zusammen, wenn wir der Bibel glauben. Es gibt keine einzige Stelle, weder im Alten noch im Neuen Testament, wo Gesetz oder Gericht und Gnade voneinander zu trennen sind. Die Pfarrer, die heute nur Gnade predigen, predigen ihre Gemeinde ins Gericht. Und wer nur Gericht predigt, hat keine Ahnung von Gottes Liebe. Diese beiden Dinge sind unzertrennlich. Das ist bei jedem Propheten auch der Fall. Gericht und Gnade sind eine Einheit. Gottes Wort richtet uns, um uns zu retten. Das ist das Wesentliche des Wortes Gottes an die Propheten.
Martin Luther hat das auch richtig verstanden: Unsere tägliche Speise ist die Buße. Und die Buße führt zur Freude. Buße richtet uns. Durch Gottes Wort tun wir Buße, und wenn wir gerichtet werden, werden wir aufgerichtet durch Gnade zur Freude, wenn wir unsere ganze Sündenschuld Jesus übergeben.
Es ist auch möglich, und wird heute jedoch viel zu wenig verstanden, dass Jesus der endgültige Prophet, praktisch der Vollender aller Propheten des Alten Testaments war. Er war als der Gott Israels der endgültige Priester, der endgültige König, auch der endgültige Prophet. Fast alles, was Jesus getan hat, war eine Zeichenhandlung. Darüber sind wir uns heute nicht genug im klaren. Sogar alles, was an ihm geschieht, ist eine Zeichenhandlung. So kann das Wort durch Zeichenhandlung weitergeführt werden.
Der Prophet Hesekiel steht in dieser Beziehung ständig zwischen Wort und Zeichenhandlung. Gottes Wort wird gegeben, Hesekiel muss dann immer wieder etwas tun, um Gottes Auftrag für sein eigenes Volk zu verdeutlichen. Er darf zum Beispiel nicht über den Tod seiner Frau trauern. Das war eine Zeichenhandlung dafür, dass Israel nicht trauern sollte über den zerstörten Tempel und über den Verlust des Landes, weil Israel es lernen musste, in Babel zu leben, allein aus Gottes Wort.
Gottes Wort ist der Weg zum Leben. Das prophetische Wort ist total aktuell.
Bekannt sind die Argumente, die manche modernistischen Pastoren bringen: Es sei ein richtendes Wort. Ein solches aber gelte nur für das Volk Israel, weil in Jesus für uns Christen alles erfüllt sei. Deshalb könnten wir die Prophetie als überholte Geschichte betrachten. Als eine erfüllte Geschichte, eine Geschichte, die zu Ende gebracht sei. Und dazu sagen sie, Jesus sei nur ein Gott der Gnade, nicht des Gerichtes.
Das ist total unrichtig. Es ist aus verschiedenen Gründen unrichtig:
1. Jesus hat viele prophetische Aussagen bewusst nicht erfüllt. Darum ist er von Israel abgelehnt worden. Israel wollte vor allem einen Messias, der mit Gewalt, mit Macht dieses Volk von der Knechtschaft unter den Römern befreien sollte. So, wie Mose auch das Volk Israel aus Ägypten befreit hatte durch Gottes Kraft. Das Volk wollte, dass Gottes Reich anfangen sollte auf Erden. Alle Völker, siehe Jesaja 2, würden zu Israel hinkommen, um den Gott Israels anzubeten.
Jesus erfüllt ganz deutlich einige Aspekte schon in seiner Ankunft. Das ist vor allem Jesaja 52 und 53, dann Psalm 22 und einige andere zentrale Schriften. Aber manche endzeitliche Stellen, zum Beispiel Hesekiel 38 und 39, Sacharja 12 und 14, wo es ebenfalls um sehr zentrale Texte geht, hat er bewusst nicht erfüllt. Warum? Weil er wiederkommen wird. Und er wird genau in der Form wiederkommen, wie Israel ihn erwartet am Ende der Tage. In seiner ersten Ankunft schafft er den neuen Frieden, den Frieden mit Gott, indem er die Schuldfrage am Kreuz löst (darum sangen die Engel „Friede auf Erden"). Gott ist ein Gott des Friedens. Es gab nie einen Menschen, der endgültig Frieden schaffen konnte. Friede in der Bibel hat überhaupt nichts mit Waffenstillstand zu tun. Es gibt keine einzige Stelle in der Bibel, wo Waffenstillstand als ein Schalom bezeichnet wird. Er hat den Frieden in unsere Herzen gegeben. Aber der Friede unter den Völkern, nach dem wir alle große Sehnsucht haben, der wird nur erfüllt werden mit dem Schwert. Das ist ein Wort, das die so genannte Friedensbewegung nicht gerne hört. Siehe hierzu Offenbarung 19 und Hesekiel 38 und 39. Wenn Jesus das nicht tun könnte, dürfte er nicht der Messias sein.
Seien wir uns ganz klar darüber: Wenn wir sagen, Jesus kommt als der gute Mann und nur als der gute Mann, dann kann er nicht der Messias sein. Er muss diese Schriften erfüllen. Er hat nämlich ganz bewusst gesagt, dass er am Ende der Tage kommt, um zu richten. Das ganze Neue Testament zeugt davon. Ob das der 2. Thessalonicherbrief ist oder der 2. Petrusbrief, Matthäus 24 und 25, es gibt hierfür sehr viele Zeugen. Diese Schriften hat Jesus bei seiner Ankunft nicht erfüllt. Er muss sie erfüllen, wenn er wiederkommt. Dann wird er auch von Israel angenommen werden.
Wir können auch im zweiten Psalm genau lesen, wie er wiederkommt: Mit Gewalt und großer Herrlichkeit. Er kommt, um die Völker unter einen eisernen Stab zu stellen. Er wird einen wahren Frieden schaffen gegen das Heidentum. Das ist das richtige Bild für den wiederkommenden Jesus.
Darum ist die prophetische Aktualität durch die Tatsache bezeugt, dass eine ganze Menge von zentralen prophetischen Schriften von Jesus das erste Mal überhaupt nicht erfüllt wurde. Er wollte sie auch gar nicht erfüllen, es war noch nicht Zeit. Die wird sein, wenn er wiederkommt. Das macht diese Schriften besonders aktuell. Das ist der erste Punkt.
2. Sind diese Schriften nur für die Juden in alttestamentlicher Zeit? Wenn der Autor prophetische Schriften bearbeitet, im Moment wird in seiner Gemeinde der Prophet Hosea durchgenommen, dann ist das sehr aktuell. Was passiert mit Hosea? Eine fürchterliche Sache, wenn man dies menschlich betrachtet, dass ein Prophet eine Dirne heiraten muss als Zeichenhandlung dafür, dass das Volk Hurendienste tut, dass das Volk Israel sich nicht an den lebendigen Gott hält, sondern an Götzen, vor allem an den Baal. Was soll man zu unserer Zeit sagen?
Die Abnahme des Glaubens, die Anbetung anderer Götzen, fürchterlicher Götzen, das ist der Baal in neuen Formen. Dies soll noch Punkt für Punktaufgezeigt werden, dass das die Lage in unserer Zeit ist.
In der Zeit Hoseas hat jeder eine Beziehung zu dem Gott Israels gehabt, aber sie haben gleichzeitig eine Beziehung zu Baal gehabt. Heute haben wenige Menschen eine wahre Beziehung zu Jesus Christus. Das bedeutet, dass die Diagnose der Propheten eine zeitgemäße Diagnose war, auch für unsere Zeit. Das so genannte abendländische Christentum am Ende der Tage in der Beziehung zu dem Gott Israels steht noch in einem ganz anderen Verhältnis als damals. Wir sind viel weniger Gläubige. Die „Pharisäer" treiben es heute noch viel schlimmer als damals. Jene zur Zeit Jesu haben auf jeden Fall an Gott den Vater (nach ihrem Verständnis) geglaubt.
Die Pharisäer heute kommen auf die Straße und sagen: „Herr Pfarrer, ich bin ein Christ, Sie sehen mich aber nie in der Kirche, ich habe wenig Zeit zum Gebet, ich habe viel Arbeit und keine Zeit, in der Bibel zu lesen, aber ich versuche, so gut und gerecht wie möglich zu leben." Das sind die Pharisäer unserer Zeit. Sie leben ohne Gott, sie sind selbstgerecht. Das bedeutet, die Lage ist noch viel schlimmer als in der Zeit der Propheten. Deshalb muss das prophetische Wort heute viel schärfer in uns eingeprägt werden.
3. Dazu weiß Israel, dass das prophetische Wort sich wiederholt. Da ist zum Beispiel Hesekiel 37: Israel wird über ein Knochenfeld zurückkehren zum Heiligen Land. Man hat erlebt, dass dies zuerst in Erfüllung gegangen ist nach dem großen Leiden durch die babylonische Knechtschaft. Der Verfasser kennt aber keinen einzigen Rabbiner, der daran glaubt, dass dieser Text damit ein für allemal erfüllt sei.
Jeder weiß, dass das auch mit Auschwitz zu tun hat. Und mit der endzeitlichen Wiederkehr Israels in das Heilige Land - über ein schreckliches Knochenfeld. Hier sehen wir die Wiederholbarkeit der zentralen prophetischen Schriften.
4. Viele sagen, weil Jesus Trost gepredigt hätte und die Propheten Gericht, sei das prophetische Wort nicht zeitgemäß für uns. Das ist Unsinn. Jesus hat nicht nur Trost gepredigt. Das erste, was Jesus gepredigt hat, war Buße. Dies lesen wir im Markus-Evangelium. Der Verfasser fragte einmal in seinem Jugend-Bibelkreis: „Wie wäre es, wenn Jesus jetzt in dieses Zimmer hereinkommen würde in Fleisch und Blut, würdet ihr euch dann freuen?" „Oh, das wäre schön, Herr Pfarrer, das wäre ein schöner Abend, das wäre ein Erlebnis!" Darauf musste geantwortet werden: „Ich hätte entsetzliche Angst. Das wäre für mich ein furchterregendes Erlebnis. Und wisst ihr warum? Die Anwesenheit Jesu ist der schwerste Bußruf, schwerer als je irgendwo ein Prophet zur Buße gerufen hat. Wir sehen etwas Vollkommenes, wie Gott uns haben will als Menschen. Und wenn wir Jesus vor unseren Augen sehen, dann kann ich nur sagen: Jaffin, du bist nur Dreck, wie Luther das immer gesagt hat. Du bist nur Dreck. Die Anwesenheit des Messias Jesus Christus ist in sich der totalste Bußruf, den es überhaupt nur gibt. Nämlich deshalb, weil wir an ihm sehen, wie der Mensch sein soll. Und wir sehen im Vergleich mit ihm, wie es wirklich mit uns ist. Lasst uns das nicht vergessen."
Aber noch etwas anderes: Haben wir wirklich erkannt, dass die Propheten das zentrale Bußthema hatten - auch wenn sie verschiedene Heilsaspekte gebracht haben (bei Amos gibt es nur ein winziges Stückchen über Heil, und zwar ganz am Schluss). Haben wir uns jemals Gedanken darüber gemacht, warum das so ist? Weil das Volk von Gott entfernt lebt in seinem eigenen Selbstglauben, im Glauben an seine eigene Macht.
Es gibt einen Teil eines Prophetenbuches, in dem fast nur Trost gepredigt wird, das Jesaja-Buch ab Kapitel 40. Diese Zukunftsvision von Jesaja hat mit der Zeit des babylonischen Exils zu tun: „Tröstet, tröstet mein Volk, denn es hat zweifach gelitten für seine Schuld." Und dieser ganze Text von Jesaja 40 bis 66, diese ganzen Kapitel bis zum Ende, sind ein großartiges Trostbuch. Wissen Sie, warum? Weil das Volk am Boden lag.
Wenn man ins Krankenhaus geht und weiß, dass jemand im Sterben liegt - er hat vielleicht Krebs -, dann fängt man nicht an, Gericht zu predigen. Man fängt an zu trösten. So war es bei diesem Jesaja, so war es bei Jesus. Das Volk lag am Boden, als Jesus kam. Die Juden waren geknechtet. Es war eine schreckliche Knechtschaft, jeden Tag wurden Juden gekreuzigt. Vor allem die Freiheitskämpfer. Das Gericht war da. Das war die Zeit, in der Jesaja von Kapitel 40 bis 66 den Trost in den Mittelpunkt stellte. Das hat man nicht beachtet. Dieser Gesichtspunkt war noch nie zu hören in einer Predigt.
Jesus predigt vor allem Trost wegen der Lage seines Volkes. Wenn Jesus nun in einer anderen Zeit gekommen wäre, hätte er mit Vollmacht eine ganz andere Botschaft gebracht. Vielleicht mehr in Beziehung zum Gericht, vielleicht in Bezug auf die Erfüllung. Das wird er auch tun, wenn er wiederkommt. Dann kommt er mit dem Schwert; es wird dann ganz anders ausschauen, wenn Jesus wiederkommt.
Diesmal wird er nicht kommen, wenn wir am Boden liegen, sondern wenn es uns äußerlich gut geht. Wenn wir im Wohlstand leben, wenn wir um das Goldene Kalb tanzen. Dann kommt Jesus. Er ist aber der gleiche Gott.
Es soll nochmals betont werden: Die Botschaft von Jesus Christus und die Botschaft der Propheten ist die gleiche. Es ist beides enthalten: Gericht und Gnade. Gericht - denken Sie dabei nur an die Gerichtsaussage Jesu über Jerusalem, über sein eigenes Volk, dass er weinte und sagte, dass alles zerstört werde, der Tempel, die Stadt und alles, und er in drei Tagen alles wieder aufbauen werde. Er weint darüber, es ist eine Gerichtsrede. Eine Gerichtsrede, so wie auch Jeremia über den Tempel geredet hat.
Der wahre Inhalt der Prophetie ist zugleich die richtende und die rettende Hand Gottes, beide Mal die gleiche. Niemand kann gerettet werden, der nicht gerichtet ist, das sagt Gottes Wort.
Anders gesagt: Wir können nur zu Jesus Christus kommen, wenn wir wissen, dass wir, ich selbst, ihn gekreuzigt haben. Das ist unsere Lage heute.
Wir als evangelische Christen heute sollen ein allgemeines Priestertum unter uns haben. Das bedeutet auch ein allgemeines Prophetentum, sei es auch nur im Kleinen. Was ist unsere Lage heute? Es soll versucht werden, das sehr scharf und klar zu definieren: Deutschland hat in einer anderen Reihenfolge die drei schlimmsten Götzen, die auch in der Bibel genannt werden, angebetet - und tut es heute noch. In folgender Reihenfolge: 1. Die Kaiseranbetung. 2. Der Tanz um das Goldene Kalb. 3. Die Baalverehrung. Diese drei Götzen kennzeichnen die Geschichte der Deutschen in den letzten 50 Jahren. Vor rund 50 Jahren war die Machtübernahme im Land durch Adolf Hitler. Für manche ist das heute noch ein Feiertag.
In diesen 50 Jahren hat das deutsche Volk die drei schlimmsten zentralen Götzen der Bibel der Reihe nach angebetet. Diese Tatsache wird hier aus Liebe und nicht in Hass festgestellt.
Heil Hitler! Eine solche Aussage bedeutet: Mein Heil kommt von Hitler. Zwei Schriften des Neuen Testaments sagen: Wer als Christ den Kaiser anbetet, kann nicht errettet werden. Das steht im Neuen Testament, im Hebräerbrief und in der Offenbarung. Kaiser-Anbetung bedeutet den Tod. Wir können nicht zwei Herren dienen. Die römischen Kaiser haben sich als Götter vorgestellt. Sie haben sich auf Büsten und Standbildern als Götter abbilden lassen. Nero war bekannt dafür, andere waren ebenso gefährlich. Der Anfang der Christenheit war so, dass der Kaiser nicht verlangt hat, dass die Juden ihn anbeten. Man hat gewusst, dass dieses Volk das sowieso nicht tun wird. Aber bei den Christen war es nicht klar, ob sie Juden seien oder nicht, oder was die überhaupt seien, von denen hat man das verlangt.
Es steht an mehreren Stellen im Neuen Testamen deutlich geschrieben: Wer als Christ den Kaiser anbetet, kann nicht gerettet werden. Das ist ein sehr hartes Wort für Deutschland. Das Interessante an Hitler - und es muss festgestellt werden, es ist nicht nur interessant, sondern faszinierend -, das Satanische an Hitler war dies, dass seine ganze Sprache biblisch war. Eine satanische Nachahmung von Gottes Wort und von Gottes Wahrheit. Wir sehen das auch in der Auseinandersetzung zwischen Jesus und dem Satan. Der Satan zitiert aus der Bibel, sehr deutlich sogar. Auch wissen wir, dass der Satan in der antichristlichen Zeit aus dem Tempel sprechen wird.
Im fünften Buch Mose steht deutlich geschrieben: „Ein Gott, ein Volk, ein Land." Und Hitler sagte: „Ein Führer, ein Volk, ein Vaterland." Das bedeutete, er setzte sich an Gottes Stelle. Total nachgeahmt, mit der Ausnahme, dass Hitler sich als Führer an Gottes Stelle setzte. Daher kam dieses „Heil Hitler". Es wäre lustig gewesen, wenn es geheißen hätte „Heil Schickelgruber". Das war ja sein wirklicher Name. Das wäre so lächerlich gewesen, dass ich denke, es hätte schnell wieder aufgehört. Der Name wurde geändert, dass es nicht so lächerlich wirkte.
Haben Sie bemerkt, dass dieses deutsche „Herrenvolk" und das auserwählte Volk Gottes, Israel, gleiche Begriffe sind? Blut und Boden, statt heiliges Land. Das Tausendjährige Reich dauerte zwölf Jahre. Es ist eine Zeichenhandlung Gottes. Weiter: Der sich an Gottes Stelle gesetzt hat, hat ein letztes Gericht veranstaltet. Je mehr man die Bilder von Auschwitz anschaut, desto mehr sieht man das. Der Verfasser war immer sehr bewegt, wenn er diese Bilder sah, nicht nur wegen des Leidens seines Volkes, nicht nur bewegt wegen des schrecklichen Hasses und der Bestialität, sondern auch deshalb, weil hier etwas Religiöses stattfindet: Da gibt es zwei Reihen: eine Reihe zum Leben - eine Reihe zum Tod. Die Menschen warten in langen Schlangen. Sie kommen in einem Zug nach dem anderen, ohne Pause, immer wieder Züge, ununterbrochen. Und sie warten zum Leben oder zum Tod. Das ist das Bild, das wir vom Letzten Gericht haben.
Und noch etwas. Dieser Gedanke wurde dem Autor erst vor ein paar Wochen bewusst. Warum sind die Leute in der Dusche umgebracht worden? Eine Dusche, ein Bad, bedeutet im Judentum einen Ort der Reinheit. Bewegtes Wasser wie im Teich Bethesda und die Handlung Jesu dort, wir kennen das alle. Wenn sich die Juden verunreinigten, mussten sie ein Reinigungsbad nehmen. Das Reinigungsbad war für einen Juden das Zeichen: Hier werden wir freigesprochen, rein gewaschen. Diese Reinigungsbäder hatten auch die Essener, von denen Johannes der Täufer kam. Das ist der Urweg zur Taufe. In dieses Reinigungsbad schickten Hitler und seine Leute die Juden. Aber statt Wasser hat man ihnen Gas gegeben. Eine satanische Nachahmung von göttlichem Gericht und göttlichem Heil.
Und dieser Hitler wurde hier angebetet. Es ist eine fürchterliche Tatsache und ein triftiger Grund, zu Luthers 500. Geburtstag und zum 50. Tag von Hitlers Machtübernahme hierüber zu schreiben. Luther war sicherlich der größte deutsche Theologe, den wir je gehabt haben. Aber Streicher ging in den Nürnberger Prozess mit der Aussage, dass er alles, was er über die Juden gelernt habe, von Martin Luther. habe. Er sprach von Luthers Schriften von 1543, wo es darum ging, dass sich die Juden nicht bekehrten. Er sagte damals: „Die Juden sollen alle Sterne tragen, die Synagogen sollen alle niedergebrannt werden, die Juden sind verflucht und verdammt."
Das war verhängnisvoll für Deutschland. Sehr verhängnisvoll. Hier gibt es einen direkten Bezug zwischen Luther und dem Dritten Reich. Das war der erste Götze: die Kaiseranbetung.
Die Jugend heute lacht über Hitlers Art und über seine Reden, aber sie hat kein Recht, darüber zu lachen. Hitlers Benehmen kommt uns zwar heute lächerlich vor. Die Jugend sagt: Wie konnten die Eltern oder Großeltern so etwas akzeptieren, so einen Mann anbeten? Aber die Jugend heute hätte genau das gleiche getan. Man sieht die Verführung in unserer Zeit, die Jugendsekten, die Drogen- und Friedensbewegungen und andere Dinge. Das Volk ist genau so verführbar, nur wieder für andere Dinge und andere Richtungen. Das ist nicht nur. mit dem deutschen Volk so, sondern überall. Der Verfasser lebt in Deutschland, und darum redet er in dieser Weise. Wenn er in Amerika leben würde, könnte dieser Text in einer anderen Richtung ausgelegt werden. Nun zum zweiten Kult.
Es sei gestattet, zwei eigene Beobachtungen zu diesem Thema anzuführen. Ich werde nie vergessen, es war zu der Zeit, als wir in Oberbayern wohnten, und zwar 1961. Da breitete sich ein neuer Kult aus, der Kult mit dem Auto, besonders mit dem Volkswagen. Sie können sich sicher an jene Zeit erinnern, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Jeden Samstag dasselbe. Man tanzte förmlich um das Auto herum. Es wurde geputzt, stundenlang. Bis das Auto sauber, auch das Geringste an Schmutz entfernt war, solange wurde geputzt und gewienert. Es war Kult, ein Tanz, ein richtiger Tanz. Das war für mich das Zeichen des Tanzes um das Goldene Kalb. Zwar waren die Autos nicht aus Gold, aber am Schluss sahen sie ähnlich aus, jedenfalls so glänzend, nachdem man sie dreimal gewaschen hatte. Der ganze Nachmittag wurde dabei verschwendet, ich habe das genau beobachtet: Autokult.
Dann der Kult mit den Kleidern. Ich habe einen Freund, der in England Professor für deutsche Sprache ist. Er ist ein sehr intelligenter Mann, auch nicht arm. Er kam zu mir auf Besuch und hatte ein Loch im Pullover. Wenn wir spazieren gingen - er ist riesengroß - sahen wir aus wie Goliath und David. Wenn er also neben mir ging mit einem Loch im Pullover, dann dachten die Leute wohl: Da geht wieder der gute Pfarrer, der die bedürftigen Durchreisenden versorgt und mit ihnen betet.
Das ist die Vorstellung der Leute, sie schauen den einzelnen an und denken, was soll das sein? Es ist heute wirklich so, dass Kleider Leute machen. Eine Novelle von Gottfried Keller, einem Schweizer, heißt „Kleider machen Leute". Das stimmt wirklich! Wir beurteilen die Menschen nach ihren Kleidern, nach ihrem Haarstil, dem Brillengestell, nach allem Äußerlichen, jedoch nicht nach dem, was innen ist, dem Geistigen.
Das ist ein Riesenproblem für viele. Man muss einen bestimmten Friseur kennen, um richtig zu wirken. Diese Tatsache ist einfach lächerlich. Es geht doch nicht darum, was man anzieht oder was man für eine Brille aufhat oder wie die Haare geschnitten sind. Es geht darum, was ich denke, was ich glaube, es geht um mein Wesen. Und dieses Wesen spielt anscheinend immer weniger eine Rolle.
Jetzt haben wir die wichtigen, wesentlichen Bücher als Comics „übersetzt". Sogar die Bibel ist als Comic zu haben. Was für eine fürchterliche Sache für das so genannte Volk der Dichter und Denker, dass die Leute jetzt hier Comics lesen. Auch die Erwachsenen lesen Comics. Das ist einfach fürchterlich. Natürlich sind wir Amerikaner nicht unschuldig daran. Wir sind nicht in allen Sachen schuldig, aber in dieser Sache sind wir nicht unschuldig. Denn die Comics kommen aus Amerika.
Nun kommt die Vorstellung, was arm ist. Sogar von Pfarrern kann man hören, dass sie sagen, das Wort „arm" bedeute nur, dass man wenig Geld habe. Das ist nicht biblisch. Die Bibel benutzt das Wort arm anders. Arm bedeutet dort, dass man geistig arm ist, nicht im Sinne der Bergpredigt, sondern dass man keinen geistigen und geistlichen Tiefgang habe. Dass man keine tiefe Beziehung zu Gott hat. Armut ist nicht daran zu messen, wie hoch der Kontostand auf der Bank ist. Armut ist zu messen an den geistigen Werten, vor allem in der Beziehung zu Jesus Christus.
Aber gerade unser Wortschatz verrät, wo unser Herz ist. Armut bedeutet für uns immer, ob wir arm oder reich an Geld sind. Und damit zeigen wir, wo unsere Werte sind und wo unser Herz liegt. Wenn es in einer Gemeinde die gleiche Freude geben würde an Gottes Wort wie an einem Freitag, an dem man sein Gehalt bekommt und die Bankauszüge in der Hand hat und man mit Freude liest, was man auf der Bank für ein Guthaben hat! Wenn man mit derselben Freude die Bibel lesen würde, das wäre eine Sache! Aber es ist so: Wir verarmen geistig.
Ein weiteres Beispiel: Wir helfen den armen Polen. Aber die Polen sind viel reicher als wir, denn sie haben einen tiefen Glauben. Es ist vielleicht nicht unsere Auffassung, was sie glauben. Wir sind arm dran und merken das überhaupt nicht. Wir haben eine Binde vor unseren Augen in unserem Wohlstand.
Die Sprache verrät die Werte. Die Sprache ist Gottes Mittel, Gottes Schöpfungsmittel. Und die Sprache, die wir benutzen, verrät, wo unser Herz ist.
Nun kommt der letzte Götze:
Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre kam die logische Schlussfolgerung aus unserem Tanz um das Goldene Kalb. Was nutzt mir ein neues Auto, ein schönes Haus, ein großes Bankkonto. Ich will Freude haben, ich will Lust haben. Hier ist der Übergang zu dem endzeitlichen Götzen Baal. Baal ist der zentrale Götze in der Bibel. Nicht der Kaiserkult und nicht der Tanz um das Goldene Kalb, sondern Baal.
Was ist dieser Baal? Als die Juden in das Heilige Land kamen, dachten sie nicht daran, dass ihr Gott, der Schöpfergott, auch über den Regen gebietet. Deshalb beteten sie auch Baal, den Regengott, an, den sie bei ihren heidnischen Nachbarn kennen lernten. Baal brachte Regen, hatte also mit Fruchtbarkeit zu tun. Zu den Baals-Tempeln gehörten Dirnen, und als mystische Handlung wurde mit diesen Dirnen Geschlechtsverkehr getrieben. Es ging um die Potenz, um Wachstumspotenz, um Sexualität, um Macht.
Das ist der Götze unserer Zeit. Die Pornohefte, die Filme, die Zeitungen sprechen darüber. Die ganze Art, wie sich die Menschen benehmen mit Rauschgift, Sex, Alkohol, schreit nach Lust! Wir wollen unser Geld nutzen, wir wollen nicht nur ein Bankkonto, ein Auto und ein Haus haben, wir wollen es erleben.
Das ist der Götze, der nach dem Tanz um das Goldene Kalb kommt. Diese beiden passen zueinander. Das Goldene Kalb ist tot, aber wir haben lebendiges Fleisch. Und wir wollen uns fleischlich austoben. Darum die Gegenüberstellung von Fleisch und Geist in der ganzen Bibel. Es geht um den fleischlichen Bereich. Gott hat natürlich Macht über beides. Nicht nur über den Geist. Aber Baal beansprucht nur die fleischliche Welt.
Ein Beispiel: der Libanon-Krieg. Der Libanon ist das Land, von dem aus Baal nach Israel kam in der Gestalt des gefährlichsten Weibsbildes, das in der ganzen Bibel genannt wird, in Isebel, der Sidonierin. Sidon, eine sehr alte Stadt, eine PLO-Stadt, wurde jetzt im Libanon-Krieg total zerstört. Dort war das Zentrum der Macht der PLO. Dort war aber auch das Zentrum des Baals-Kultes gewesen, von wo aus er nach Israel kam.
Es war eine Zeichenhandlung Gottes im Libanon-Krieg: „Ich komme wieder, und ich zerstöre eure Baale."
Der Libanon hieß bisher immer die Schweiz des Nahen Ostens. Dort lebte man sehr üppig. Sinnlich und üppig, nicht nur im Umgang mit der Gewalt, sondern auch sexuell. Es ist ein Land der Verführung. Das war es aber schon immer. Der Libanon ist auch ein Land der Händler. In der Bibel werden sie die Phönizier genannt.
Nebenan liegt Syrien. Der Verfasser hat sich lange überlegt, was das bedeutet am Ende der Tage. Er ist nicht einer, der laufend eine Deutung versucht aus der Offenbarung, wenn etwas in der Weltgeschichte geschieht. Das ist sehr gefährlich. Man ist dann oft nicht glaubwürdig bei zentralen Aussagen. Aber Syrien liegt im Zentrum des Interesses, weil klar ist, dass Syrien eine zentrale Rolle spielen wird am Ende der Tage.
Bei einem Frauenkreis-Ausflug nach München sahen wir plötzlich ein riesiges Schild: „Das Land Baal". Bei näherem Hinschauen sah man das Wort „Syrien". Das ist das Land Baal. Und da ist dem Autor aufgegangen, dass damals, als Baal nach Israel kam über den Libanon, er aus Syrien kam, aus der Zentrale des Kultes dieser Gottheit. Das ist dort, wo jetzt Magog, Russland, sich eingenistet hat, wo Persien sich eingenistet hat, siehe hierzu Hesekiel 38 und 39.
Als ob es nicht genug wäre, dass wir „Heil Hitler" gerufen haben, diesen Kaiserkult, den Tanz um das Goldene Kalb vollführt haben, jetzt wird auch dem Baals-Kult gehuldigt.
Am Dienst- und Wohnort des Verfassers gibt es einige Dinge, über die man nicht predigen kann. Er ist ein Bußprediger, er kennt keine andere Predigt. Luther kannte auch keine andere, auch Franz von Assisi nicht. Alles ist letzten Endes Bußpredigt, denn wir müssen wirklich wissen, wie es mit uns steht, damit wir zur Freude in Christus kommen können. Als Sündige, die von ihm angenommen werden.
Aber eines darf man dort nicht sagen: etwas gegen die Putzwut der Schwaben. Über Hitler, über den Tanz um das Goldene Kalb und über Baal konnte man sprechen, das war richtig, aber gegen die schwäbische Putzwut, das geht nicht. Eine Frau in der Gemeinde kam am Samstagabend mit dem Besen in der Hand auf den Verfasser zu und sagte: „Herr Pfarrer, an die Arbeit."
Damit war Mithilfe beim Saubermachen gemeint.
Ist das nicht auch ein Kult, die übertriebene Sauberkeit? Jesus hat dazu gesagt: „Ihr seid nicht schmutzig durch das, was in euch hineinkommt, sondern durch das, was in euren Herzen ist."
Dieser Kult der Sauberkeit ist natürlich in sich sehr harmlos. Aber sehr interessant ist: Auschwitz war äußerlich auch sehr sauber. Es wurde überaus sauber geführt. Dort, wo die schlimmsten Verbrechen der Menschheit geschahen, war alles geputzt und tipptopp. Der Versuch ist aber sehr gefährlich, sich äußerlich sauber zu machen, um zu überdecken, was innen in einer Person ist.
Was tun wir mit dieser Erkenntnis? Drei Götzen sind da, einer nach dem anderen (ohne den schwäbischen Putzteufel zu nennen). Nennen wir nur diese drei: Kaiserkult, Tanz um das Goldene Kalb, der Baals-Kult. Wir stehen am Ende der Baals-Zeit. In der Zeit, bevor Baal zerstört wird - für uns alle.
Calvin, der andere große Reformator, der sehr viel für die Juden übrig hatte, sagte: „Was tut ein müßiger Mann, ein Mann, der ein Faulenzer ist? Er schaut Bilder an." Das hat natürlich mit der Bilderzerstörung zu tun, das war seine persönliche Haltung, aber er konnte sie begründen.
Der Autor hat also seine Leute, den Jugend-Bibelkreis, nach Paris gebracht, um Bilder anzuschauen. Das hätte Calvin schockiert! Es waren religiöse Bilder - als die Möglichkeit einer tiefen christlichen Verkündigung. Wir wissen, dass das Bild genau so verkündigen kann wie die Musik. Luther hat die Musik sehr geliebt, hat aber die Malerei nicht verstanden. Rembrandt ist für den Autor ein Verkündiger. Er war geistig so tief gegründet, dass er als ein alter Mann zu den Juden umsiedelte, um ihnen zu zeigen, dass er wisse, dass die Juden das Volk Gottes seien. Er malte von da an nur noch Juden, außer seiner eigenen Frau und seinem Sohn, um zu zeigen, dass der Geist des jüdischen Leidens tief verbunden ist. Am tiefsten mit dem Leiden Jesu Christi. Ein altes Bild in der Pinakothek in München spricht Bände. Es hat viel mit unserem Text zu tun. Es ist eine Antwort auf das Wissen, die Erkenntnis, dass wir alle besudelt sind durch unsere Unsauberkeit, durch unser Lustleben, durch unsere äußeren falschen Werke.
Da hängt auch ein Bild von Rembrandt, von der Kreuzigung. Wer es genau betrachtet, merkt drei Dinge: Er, Rembrandt, kreuzigt Jesus, er hilft bei der Kreuzigung, und das Schlimmste von allem, dass er dahinter steht, ganz in der Ferne, so, als ob er sagen wollte: „Das geht mich nichts an, aber ich will immer noch schauen, was die Leute da mit ihm tun."
Was will er uns damit zeigen?
Rembrandt zeigt hier die tiefste Passionsaussage, wie sie in unseren Passions-Liedern enthalten ist: Wer hat dich gekreuzigt, Jesus? Ich! Ich habe dich umgebracht. Niemand sonst als ich. Ich male niemanden anders als den, der dich gekreuzigt hat, ich tue das, und ich tue das täglich. Durch mein Leben, durch meine Werke, durch meine fleischliche Sinnlichkeit und dadurch, dass ich nicht mit deinem Geist lebe. Dann ist er der Mithelfer. Das heißt: Ich bin auch der Mensch, der nicht die direkte Verantwortung übernimmt, aber ich bin doch froh, wenn ich dich loshabe. -
Das ist die Haltung auch von Pontius Pilatus, der mitschuldig ist an der Kreuzigung Jesu, denn er hätte Jesus befreien können, wenn er gewollt hätte. Er hat die Macht im Land gehabt. Aber Jesus hat die Macht von Pontius Pilatus in Frage gestellt: Bist du auch ein König? Das ist die Frage an Pilatus. Er kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Er merkt vielleicht, dass Jesus Christus die Macht und die Kraft hat, über die er selbst nicht verfügt. Und darum lässt er ihn töten. Er ist mitschuldig an diesem Tod.
Und wenn jemand sagt: Aber Gott wollte es auch, so ist zu antworten: Ja, das ist richtig. Aber das entlastet Pontius Pilatus nicht im Geringsten. Gott wollte auch ganz bestimmt, dass die Juden nach Israel zurückkehren. Das entlastet Hitler nicht für das, was er getan hat. So entlastet es Pilatus nicht im Geringsten, dass er Jesus nicht gerettet hat. Er kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Denn er hat die Verantwortung in diesem Land. Die Verantwortung für die Gerechtigkeit, nicht die Schriftgelehrten und Pharisäer.
Der dritte Punkt ist der, dass der Maler dahinter steht und schaut. Geht mich das wirklich an? Geht das nicht die anderen an? Das ist die Mehrzahl der so genannten Christen hier im Lande, die getauft sind, die nicht mit Jesus leben: Geht mich das wirklich an?
Ein Mädchen hatte gestört und während der Predigt gesagt: „Das geht mich nichts an!" Es war über Buße gesprochen worden und darüber, dass wir Gott umgebracht haben. Aber sie sagte: „Das interessiert mich nicht." Das ist dieses Selbstbildnis Rembrandts. Gehören Sie auch zu den Menschen, die zuschauen und sagen: „Ja, das haben andere getan, das geht mich nichts an?"
Was sollen wir auf diese Erkenntnis antworten? Die Bibel sagt klipp und klar: Nur, wenn ich erkenne, dass ich schuldig bin, kann ich errettet werden. Luther hat das richtig biblisch gesehen. Auch im prophetischen Sinn. Buße fängt mit Verzweiflung an: Ja, ich bekenne, dass ich schuldig bin. Ich, ich selbst. Als ob ich es nicht auch gewusst hätte, was an den Juden passiert. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ja, ich sollte das gewusst haben. Nach alledem, was passiert ist, hätte ich es wissen müssen. Es waren nicht nur die anderen, die den Tanz um das Goldene Kalb vollführt haben. Ja, sicherlich, immer ging ich in die Gemeinschaft, in die Kirche, aber auch ich habe mein Bankkonto aufgehäuft und angesammelt in dieser Zeit. Natürlich mache ich keinen Gruppensex mit und anderes dummes Zeug, aber ich esse sehr gerne wie Luther, und ich habe an diesem oder jenem große Lust und Freude. Nun ist die Erkenntnis nicht so, wie manche Leute sagen: „Herr Pfarrer, das passt so gut zu meiner Schwiegermutter."
Nein, man predigt nicht für seine Schwiegermutter, sondern zuerst für sich selbst, gegen sich selbst. Wer zu gut dafür ist, der gehört nach den Worten Jesu zu denen, die keinen Arzt brauchen. Das sind die, die sagen, sie seien besser und stehen über dieser Sache. Der Autor steht nicht über dieser Sache.
Hier sei nochmals ein persönliches Erlebnis berichtet: Nur einige Sätze darüber, wie ich zum Glauben kam. Jahrelang ging ich auf der Suche in den Gottesdienst und habe ständig darüber geschimpft, was das deutsche Volk mir und meinem Volk angetan hat. Eines Tages kommt der Pfarrer, ein sehr tiefgründiger und kluger Mann, sehr bibelfest, und schaut mich an und fragt: „David, bist du besser?" Ja, hätte ich sagen können, ich bin besser als Hitler und Himmler, und ihr seid auch alle besser als die beiden. Aber ich habe verstanden, was er meinte. Er meinte: Ist nicht etwas von dieser Anklage gegen andere in dir selbst? Dass du dich in den Mittelpunkt stellst, dass sich die Welt um dich dreht? Und der Satz dieses Pfarrers hat mein Leben geändert.
Das war meine Bußpredigt in einem Satz, er hat den Finger auf meine Wunde gelegt. Dem, der die Schuld immer bei dem anderen findet und sagt: „Aber ich bin besser. Ich habe das nicht getan."
Darum: Dieser Ruf ist ein Ruf zur Umkehr. Und zugleich ein Ruf zur Stärkung. Aber was will Jesus von uns? Warum hat das Hesekiel hier gesagt? Er will das nicht nur für Hesekiel, sondern er will das für alle Menschen. Bekehrung geht so um mich, dass ich ein Werkzeug sein kann für Gott. Wer sein eigenes Heil für sich allein sucht, der bleibt in der Erbsünde. Schon die Fragestellung: „Was habe ich davon?" ist Erbsünde.
Jesus will uns auf den richtigen Weg bringen und
er will, dass wir das Wort weitersagen, wie Hesekiel das getan hat. Die
Voraussetzung aber ist: Dieses Wort trifft mich. Wenn ich auf die anderen
hinunterpredige, ohne gegen mich selbst zu predigen, bin ich verloren und kann
niemand erreichen. Und wir alle können die wahre Mission im Sinne Jesu nur
treiben, wenn wir selbst betroffen sind über das, was wir sagen. Und wenn wir
wissen, dass das Wort Gottes auch gegen uns spricht und nicht nur gegen unsere
Schwiegermutter.
Hesekiel muss total in den Dienst des Herrn.
Sonst geht er zusammen mit den anderen ins Gericht. Jesus ist total im Dienst
des Herrn, und darum geht er ins Gericht für die anderen durch seinen Tod am
Kreuz. Das ist vielleicht der beste Schluss für dieses Buch, wenn wir die enge
Beziehung sehen, welche zwischen dem prophetischen Wort in Hesekiel besteht und
wie dies bis zu der allerletzten Tiefe in Jesus Christus erfüllt wird und dann
in der letzten Tiefe weitergegeben wird in den Worten der Propheten: „Kehret um
und tut Buße, denn das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Sehr nahe!"
Wir beten: Herr Jesus, du hast mich heute
gerichtet, weil ich in dieser Welt und mit dieser Welt lebe, mit ihren Lüsten
und Begierden. Weil ich nicht besser bin als meine Väter danke ich dir, dass du
mich gerichtet hast. Ich danke dir, dass du einen sündigen Menschen wie mich
aus deiner Liebe und Barmherzigkeit heraus annimmst. Ich bitte darum, dass das
so auch mit den anderen hier wird, dass dein Wort gerichtet und gereinigt hat
und dass dieses Wort dann auch aufgerichtet hat, um deine Liebe und deine
Vergebung weiterzugeben.
Das ist Nächstenliebe, deine Liebe und deine
Vergebung all denen weiterzugeben, die Durst danach haben, auch wenn sie noch
nicht wissen, dass sie Durst nach dieser Gerechtigkeit haben. Herr Jesus, die
Zeit ist kurz, sehr kurz, und nur wenige sind getroffen von deinem Wort. Gib
uns die Kraft, weiterzugeben. Präge du das hinein in uns, dass wir davon
sprechen können, von deinem Wort der Liebe, das richtet und aufrichtet. Wir
danken dir, dass du ein allmächtiger, kräftiger, gerechter Gott bist, und wir
danken dir, dass du ein Gott der Liebe, des Trostes und der Barmherzigkeit
bist. Amen.