49. Bibelkurs                                                                                                                            BK 49

 

                   HÖREN und SEHEN - im Lichte der Bibel

 

            Das Hören hat in der Bibel viel größeres Gewicht als das Sehen. Über 1000 Mal ist im Alten Testament vom Hören die Rede. “Höre Israel! Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein ...“ (das sog. „Sch’ma Israel“ - 5. Mose 6, 4). Mit diesen Worten beginnt das tägliche Gebet eines frommen Juden. Es ist der erste Satz, den ein jüdisches Kind sprechen lernt und es ist der letzte Satz, den ein gläubiger Jude auf seinem Sterbebett mit seinen Lippen sagen möchte. - „Höre, Israel! So spricht der HERR...“. Mit dieser Einleitung beginnen in der Regel die Propheten ihre Botschaft. Oft heißt es sogar: „Höret, Himmel und Erde!...Höret, ihr Völker!...“ Was Gott mitzuteilen hat, das ist eminent wichtig, - für Menschen, für Völker und für das ganze Universum. - „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ 17 Mal steht diese Mahnung im Neuen Testament, bei jedem der sieben Sendschreiben am Ende (z.B. „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“ Offenbarung 2, 7), häufig am Schluss von Reden oder Gleichnissen Jesu (Matthäus 13, 9.43; Lukas 14, 35). Niemals lesen wir: „Wer Augen hat zu sehen, der sehe!“

            Heute ist es umgekehrt: Das Sehen steht viel höher im Kurs als das Hören. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, zitiert der vielgelesene amerikanische Autor Isaak Asimov und fast alle stimmen diesem Satz sofort zu. Ist das auch so? Der bedeutende französische Soziologe und Christ Jacques Ellul (gest. 1994) fasste es knapp in zwei Thesen zusammen:

                                               Das BILD beschreibt uns die Wirklichkeit.

                                               Das WORT sagt uns die WAHRHEIT.

Wenn wir etwas sehen, dann wissen wir: das soll die Wirklichkeit sein. Das Gesehene sagt uns aber nicht, ob das auch die Wahrheit ist, - das erfahren wir erst, wenn wir auf das Wort hören. Seit 150 Jahren (ins Jahr 1851 fällt die Geburtsstunde der Fotografie!) werden wir immer mehr von Bildern beeinflusst. Das WORT hat durch die Bilder scharfe Konkurrenz bekommen. Das wirkt sich dahin aus, dass wir mehr von den Bildern als vom Wort geprägt werden - und unsere Hörbereitschaft für die Gottesbotschaft immer mehr geschwächt wird. Was Gott uns sagen will, das wird immer weniger wichtig genommen, weil wir von Bildern mehr angezogen werden. Uns bleibt auch nicht viel Zeit übrig, um auf Gottes Stimme zu hören. Wenn ich an meine Vorfahren im Frankenwald denke, die vor 150 Jahren hier lebten. Was sahen sie? Das meiste, was sie sahen, war die Natur. Große Reisen waren nicht möglich. So konnten sie mit ihren Augen nur das Dorf-geschehen verfolgen. Und das war dann schon alles. Für heutige Begriffe müsste das Leben damals ziemlich langweilig gewesen sein!

I.    Unser Gott ist ein sprechender Gott.

Die Götter der Germanen äußerten sich mit Blitz und Donner. Die Götter Asiens verlangen Meditation, damit wir ihre Stimmen wahrnehmen können. Die Hauptaktivität unseres Gottes besteht darin, dass ER spricht. Die Bibel beginnt mit den Worten: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde... „ - durch Sprechen. Das Johannes-Evangelium fängt an mit den Sätzen:

                                               „Im Anfang war das WORT.

                                               Das WORT war bei Gott.

                                               Gott war das WORT.

                                               Dasselbe war im Anfang bei Gott.

                                               Alle Dinge sind durch das WORT gemacht.

                                               Ohne das WORT ist nichts gemacht, was gemacht ist. -

                                               Das WORT ward Fleisch und wohnte unter uns

                                               und wir sahen Seine Herrlichkeit.     Johannes 1, 1-3.14

                                               JESUS - das WORT Gottes       Offenbarung 19, 13

Im Hebräischen Text der Bibel heißt „dabar“ WORT und AKTION. Wenn Gott spricht, dann beginnt gleichzeitig eine Aktion Gottes -. Das Sprechen Gottes ist nicht „Schall und Rauch“ sondern Dynamik und Kraftentfaltung. Wenn Gott redet, geschieht etwas. „Das WORT des HERRN geschah zu...“ heißt es oft im Alten Testament. Die Propheten folgern: „Das WORT kommt nicht leer zurück“ (Jesaja 55) Deshalb sagt Paulus: „Das WORT vom Kreuz ist eine Gotteskraft“ (1. Korinther 1, 18) Das griechische Wort für Kraft heißt „dynamis“, wovon unser Wort Dynamit kommt. Gott offenbart sich durchs WORT. Mit anderen Mitteln können wir Gott nicht erkennen und nicht begreifen. Wer es auf andere Weise ohne Jesu Hilfe versucht, wird nie zu Gott finden. – Dass das WORT Gottes viel Kraft besitzt, wird auf der ersten Seite der Bibel sehr deutlich: Sein WORT schafft die Elemente, ruft den Kosmos ins Dasein. Wenn heute Sein WORT an unser Ohr dringt, dann besitzt es dieselbe schöpferische Kraft. Deshalb folgern die Apostel: Wenn jemand den Ruf Gottes durch das Evangelium hört und annimmt, dann wird er aus der Todeswelt herausgeholt und in den Bereich des göttlichen Lebens versetzt. Christwerden ist so viel wie eine Totenauferweckung (Epheser 2, 5). Die Kräfte, die unseren Wissenschaftlern bekannt sind, bringen das nicht zustande. - Wenn Gott zu uns spricht, dann bedeutet das auch: ER ist kein seltsames fernes, fremdes Wesen, ER ist in unserer Nähe. (Ein Sprecher kann nicht weit weg sein, sonst würden wir seine Stimme nicht hören!) Der erste Mensch, den Gott ansprach, war Adam. Dadurch ist die Verbindung Gottes mit dem Menschen hergestellt worden. Adam konnte Gott hören, konnte antworten und in einen Dia-log mit Gott eintreten. Die Beziehung zwischen Gott und Adam entstand durchs WORT und durch das Gespräch miteinander. - Wenn wir heute eine Beziehung zu Gott aufbauen wollen, dann brauchen wir Sein WORT (das wir hören oder lesen) und das Zwiegespräch mit IHM (das ist das Gebet). Gottes WORT ist nicht bloß ein Ton aus der Ewigkeit, der erklingt, wieder verschwindet und bald vergessen ist. Gottes WORT ist kraftgeladen und hinterlässt Spuren. Als Gott am Beginn der Schöpfung sagte: „Es werde Licht!“, da musste die Finsternis weichen (die in der Bibel immer ein Bild für die Macht des Bösen ist!). Wenn unsere Augen „das Licht der Welt erblicken“ (wie man von der Geburt eines Kindes sagt), dann ist das Licht ein ständiger Zeuge von der ersten Schöpfungstat Gottes. Wer nach einer finsteren Nacht einen strahlenden Sonnenaufgang erlebt, sollte nicht bloß staunen und sich freuen, sondern nicht vergessen: „Dieses Licht wurde von meinem Gott geschaffen und ist mir ein Beweis Seiner großen Kraft!“ Solch ein Gedanke kann uns sehr hilfreich sein im Blick auf die Probleme des neuen Tages. Der erste Lichtstrahl an einem Morgen grüßt uns mit der Botschaft: „Gottes Kraft ist unermesslich groß. Sie steht dir zur Verfügung!“ In diesem Sinn sagt David im Psalm 18: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. David wusste, dass Gott mit ihm ist und es ihm deshalb nicht an Kraft fehlen wird. Das bestätigt der ganze Psalm 18, der ein Rückblick Davids auf sein bewegtes Leben ist.

            Ohne das WORT entsteht kein christlicher Glaube. Darum müssen wir dem WORT Gottes auch große Wichtigkeit einräumen. Wenn wir das WORT geringschätzen, dann kann Gott wenig unter uns ausrichten. Wenn man so oft hört: „Wir müssen etwas tun!“, dann sollten wir die biblische Mahnung beachten: „Wir sollten mehr auf Gottes WORT hören!“ Erst dann werden die göttlichen Kräfte in Bewegung gesetzt.

·      Gott ist kreativ durch Sein WORT. Die Erschaffung der Welt war keine „schwere Geburt“, kein gewaltiger Kampf gegen das Chaos. Nein! Gott hat einfach gesprochen - und dann war das Universum da. „Wenn ER spricht, so geschieht’s, wenn ER gebietet, so steht’s da“ heißt es im Psalm 33. - Die Zahlen unserer Astronomen, die von Milliarden Galaxien und Aber Milliarden Sternen reden (jeder einzelne ein fliegendes Kernkraftwerk mit unvorstellbar gewaltigen Energien!), sind nur kleine Signale von der Kraft, die im WORT Gottes steckt. Mit einer Leichtigkeit ohnegleichen ist das WORT kreativ und bewirkt Größtes. - Gott spricht das erste Wort bei der Schöpfung - und ER spricht das letzte Wort im Jüngsten Gericht. - Wenn ein Seelsorger nach der Beichte zu dem Hilfesuchenden sagt: „In Jesu Namen sind dir alle deine Sünden vergeben!“, dann ist etwas Großes geschehen, wozu ein ganzes Team von Psycho-therapeuten nicht fähig ist: die ganze Vergangenheit ist gelöscht, nicht nur analysiert - sondern auch getilgt. Das wusste selbst der Jude Sigmund Freud, bei dem sich einmal eine vor-nehme Dame in Wien voller Entrüstung beschwerte, weil sie bei ihm trotz langer Behandlung keine Hilfe erfahren hatte. Er gab ihr empört zur Antwort: „Madame, denken Sie denn, ich wäre ein Gott, um Ihnen Ihre Sünden abzunehmen?“

·      Bei der Schöpfung hat Gott auch die Zeit geschaffen. - Das mag für manche seltsam klingen, aber es gibt doch einen Sinn. - Gott hat nicht alles auf einen Schlag geschaffen (wie sich das manche beim sog. „Urknall“ vorstellen) - wie man ja auch nicht alles auf einmal sagen kann, sondern die Worte folgen nacheinander - und das braucht Zeit. Gott sprach die sechs Schöpfungssätze nacheinander - und damit war die ZEIT geschaffen. Die Zeit ist also von Gott gemacht. Jetzt verstehen wir auch den bekannten Vers im Psalm 31 besser: „Meine Zeit, HERR, steht in Deinen Händen“. - Und damit ist Gott auch der Schöpfer der GESCHICHTE. Denn alles, was nacheinander geschieht, ergibt eine Geschichte. Gott hat das Geschehen der Schöpfung veranlasst, deshalb ist ER auch der HERR der Geschichte. Die Amerikaner drücken diese große Wahrheit mit dem schlichten Satz aus: „History is His Story“. Die Götter der alten Römer und Griechen lebten mitten im Auf und Ab der Zeit, sie standen nicht drüber. Gott, - die Welt, - die Zeit, - Geschichte - das ist alles miteinander verbunden durch das WORT. Geschichtliches Denken findet sich erstmals in der Bibel. Philosophen und Religionen haben es erst später aufgenommen. - Für uns Christen bedeutet das: was in der Welt geschieht ist nicht einfach Schicksal und Zufall sondern alles Geschehen wird von Gott gelenkt. Das hat auch Jesus ganz einfach klar gemacht, wenn ER sagte: „Ob ein Spatz vom Baum oder ein Haar von unserem Haupt fällt - es geschieht nur, wenn es unser himmlischer Vater will.“ Gott spricht - das heißt auch: ER will uns retten. Wenn Gott uns anspricht, dann will ER     damit zeigen, dass ER auf unsere Seite treten will. Als Christus (= das WORT Gottes) geboren      wurde, sollte Ihm der Name IMMANUEL gegeben werden, das bedeutet: „Gott mit uns“. (Matthäus 1, 24) Anders gesagt (weil Christus das WORT ist): Das WORT will mit uns sein. Und der Sinn von Jesu Sendung war: Rettung der Menschheit (JESUS heißt: Retter; Matthäus 1, 21) Das WORT wurde Fleisch, das bedeutet: Der unsichtbare Gott wurde auf einmal sichtbar - in   Jesus. Und Jesus ist das WORT. Das Göttliche an Jesus war Sein WORT. An Seiner  äußeren Erscheinung war nichts Göttliches zu erkennen. Deshalb haben die Maler IHM auch oft den sog. „Heiligenschein“ gegeben, damit ER als göttliche Person zu erkennen war.

     Durchs Sehen konnte man Jesus nicht als Gott identifizieren - erst durchs Hören auf Seine     Botschaft.

Die Haupttätigkeit Jesu während seines 3-jährigen Wirkens war das Reden. Organisieren, Pläne schmieden - das gab’s bei IHM nicht. Und die Wunder? Sie sind nur Zeichen für das WORT. Die Wunder geschehen durch Sein WORT, durch Seine Befehle. Viele Wunder sind verbunden mit großen Reden Jesu (Johannes 6; Johannes 9; Johannes 11). Die Wunder haben viel weniger Gewicht als das WORT Jesu. - In der heutigen Zeit ist es umgekehrt. Bei einem großen Ereignis gibt es Sensationelles zu sehen. Sollte danach noch eine große Rede folgen, gehen die meisten nach Hause - mit der Bemerkung: „Ich hab’s gesehen, - das reicht!“           Jesus wirkte, indem ER sprach. Geschrieben hat ER nichts - im Gegensatz zu den großen Philosophen der Antike. ER schrieb ein einziges Mal, einige unbekannte Worte, - in den Sand (das Vergänglichste, worauf man schreiben kann!). Aber die Worte, die ER dann sprach, bewirkten, dass eine Ehebrecherin von ihrer Schuld befreit wurde und ihre Ankläger den Platz wortlos verließen. (Johannes 8) Das biblische Prinzip lautet: Ein Christ (in dem Christus, das WORT, lebt) gibt das WORT an seine Mitmenschen weiter. Dieser Vorgang wird von göttlicher Kraft begleitet. Auf diese Weise ist in den ersten Jahrhunderten das Evangelium weitergegeben worden und hat einen großartigen Siegeszug im Römerreich erlebt. In dieser Zeit war der größte Teil der Bevölkerung und auch der Christen Analphabeten. Das geschriebene WORT hat erst seit der Erfindung des Buchdrucks (1452) eine große Rolle in der breiten Masse gespielt. Natürlich ist auch im geschriebenen WORT (in der Bibel, in christlichen Schriften) die Kraft Gottes. Aber wir sollten nie vergessen, wie es ursprünglich - und durch

viele Jahrhunderte - mit großem Erfolg praktiziert wurde. Das ermutigt uns für ein persönliches Zeugnis, dem mehr Kraft innewohnt als die meisten denken. Denn der Überbringer der Botschaft ist ein Mensch, in dem Christus mit Seiner Kraft wohnt.

Der Heilige Geist, der an Pfingsten ausgegossen wurde, beginnt Sein Wirken mit dem WORT, mit dem Reden der Apostel, die in einer Vielfalt von Sprachen die großen Taten Gottes rühmten, - aber so, dass die sehr unterschiedlichen Zuhörer alles verstanden.

Das WORT bedeutet auch Freiheit. Das ist nicht jedem gleich einsichtig, aber es ist sehr wichtig. Denn die Sehnsucht nach Freiheit ist groß in der Menschheit von Anbeginn bis in unsere Zeit. Die Freiheitsbewegungen hatten immer eine gewaltige Dynamik. Gott spricht zu den Menschen, - das ist Seine Haupttätigkeit. Wenn ER zu Menschen spricht, so bedeutet das, dass der Mensch, zu dem Gott redet, das WORT annehmen oder auch ablehnen kann. Der Mensch kann hören - oder auch nicht hören, wie er will. Damit gibt Gott dem Menschen von Anfang an eine große Freiheit. Man kann sagen: Gott ist der große Befreier (und Satan der große Tyrann). Als Gott zum ersten Mal – seit der Sintflut - in die Weltgeschichte einbrach, war das die Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten. Gott wollte haben, dass Sein Volk Israel ein freies Volk ist. Dasselbe Thema begegnet uns im Neuen Testament. Paulus ist der große Apostel der Freiheit (siehe Galaterbrief!). Auch für Martin Luther war die „Freiheit eines Christenmenschen“ ein Hauptthema. Dieser große Gedanke der Freiheit zieht sich durch die Jahrhunderte. Er stammt nicht von der Französischen Revolution (1789), nicht von den alten Griechen, nicht von Sigmund Freud oder Karl Marx - sondern aus der Bibel. Deshalb sind auf dem Boden des Christentums die Wissenschaften (Freiheit des Denkens) und die Demokratien (Freiheit der Wahl) entstanden. Im Bereich des Islam gibt es deshalb bis heute nur einen einzigen Nobelpreisträger, - gibt es bis heute kaum Demokratie. Im Islam ist die Freiheit des Einzelnen sehr eingeschränkt. - Wo das Evangelium von Christus hinkommt, bringt es den Geist der Freiheit. Durch Christus werden Menschen frei von Sünde, Schuld, Leidenschaften, Krankheiten, Lasten. „Wenn euch der Sohn frei macht, dann seid ihr recht frei.“ (Johannes 8, 36) „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ (Galater 5, 1) Dieser große Gedanke der Freiheit wurde also schon bei der Schöpfung geboren und gehört von Anfang an in die Planung Gottes.      

 

III.  Gott ist unsichtbar.

 

Das ist wieder ein Gegensatz zu den Religionen. Die heidnischen Völker um Israel herum machten sich Statuen von ihren Göttern und konnten viel von „Gotteserscheinungen“ (= Theophanien) erzählen. In Psalm 115 und 135 werden die Götzen beschrieben: sie reden nicht, sie hören nicht, sie sehen nicht... Im Tempel von Jerusalem (und in der Stiftshütte) konnte man kein Bild von Jahwe sehen. Für die Juden galt das Bilderverbot (das 2. Gebot): „Du sollst dir kein Bildnis machen von dem, was im Himmel ist.“ (2. Mose 20, 4) Das Allerheiligste war die „Wohnung Gottes“. Dort war es völlig dunkel, weil in dem Raum keine Fenster waren. Nur der Hohepriester durfte einmal im Jahr hineingehen, am Großen Versöhnungstag - sonst niemand. Im Allerheiligsten befand sich nur die Bundeslade mit den zwei Cherubim darauf. - Gott ist in der Regel durch eine Wolke verhüllt. Wenn uns Gott in der Bibel begegnet, wird Seine Person nicht beschrieben. Das erkennen wir deutlich bei einigen bekannten Stellen:

·      In 1. Mose 1 begegnet uns Gott als Handelnder, aber wir erfahren nichts über Sein Aussehen.

·      Die Begegnung Moses mit Jahwe am feurigen Dornbusch wird ausführlich berichtet, aber Mose sieht nichts als einen brennenden Busch. Das Entscheidende in der Geschichte ist nicht der brennende Busch sondern die WORTE, die Gott spricht. (2. Mose 3)

·      Der Berg Sinai, auf dem Mose Gott begegnete, war umgeben von Wolken und Rauch. Mose hat Gott nicht gesehen, - es wird nur berichtet, dass Gott zu Mose gesprochen hat.

·      In Jesaja 6 heißt es: „Jesaja sah Jahwe sitzen auf einem hohen Thron...“ Aber der Prophet schreibt nichts vom Aussehen Gottes, Er berichtet ausführlich, was Gott zu ihm geredet hat. Diese Gotteserscheinung bewirkte, dass Jesaja - nach der Reinigung seiner Lippen - von Gott beauftragt wurde, das WORT Gottes an Israel weiterzugeben.

Vom Sehen im Neuen Testament.

·      Am häufigsten begegnet uns das Wort „sehen“ im Johannes-Evangelium, - über 100 mal. Aber der Apostel stellt auch den Gegensatz zwischen Glauben und Sehen heraus. Das sehen wir klar in der Geschichte von Thomas. Dieser Apostel wollte die Wundmale Jesu nicht nur sehen sondern auch betasten. Erst dann wollte er glauben. Aber seine Einstellung       brachte ihn vom Glauben weg. Sehen stärkt nicht unseren Glauben sondern bringt uns von Jesus weg. Dem WORT vertrauen, das hilft uns mehr. Klipp und klar sagt ihm Jesus: „Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben!“ - weil ihnen das WORT genügt. (Johannes 20) Paulus sagt:        „Der Glaube kommt aus dem Hören.“ (Römer 10, 17) Das Johannes-Evangelium berichtet viel vom Sehen - aber auch von vielen Missverständnissen über Jesus (z.B. Johannes 6), weil eben alles, was wir sehen, verschieden gedeutet werden kann. „Wer Mich sieht, der sieht den Vater“ sagte Jesus (Johannes 14, 8), aber um Jesus wirklich als Gottessohn zu erkennen, musste man gut auf Seine Botschaft hören. Der Kirchenvater Origenes sagt: „Nicht alle, die Jesus bei Seinen Handlungen und Wundern beobachteten, haben sogleich ihre Bedeutung verstanden.“                                 

·      Nikodemus kam in der Nacht zu Jesus und sagte: „Wir haben Deine Zeichen und Wunder gesehen...“ - aber er war trotzdem innerlich noch unruhig und unsicher. Jesus antwortete ihm: „Du musst von neuem geboren werden, dann kannst du richtig sehen.“ (Johannes 3, 3) Was wir mit unseren Augen sehen, reicht nicht, die Wahrheit zu erkennen. - Nach der Auferstehung Jesu eilten Petrus und Johannes beide ans Grab. Petrus geht sofort ins leere Grab hinein, sieht die Leichentücher - aber es kommt ihm keine Erleuchtung - es fehlte ihm der Glaube.  Johannes blieb zunächst am Grab stehen - aber dann „sah er und glaubte“. (Johannes 20) - Ähnlich war es bei der Auferweckung des Lazarus. Am Grab sagt Jesus zu Maria, der Schwester des Lazarus: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ (Johannes 11) Die Göttlichkeit Jesu, Seine Herrlichkeit sehen - das gibt es nur auf der Basis des Glaubens. Der Glaube entsteht durch das Hören auf das WORT. Erst dadurch werden die Augen geöffnet, so dass wir die göttlichen Wege richtig sehen können. Wenn der Glaube fehlt, dann bleibt auch das Auge blind.

·      Das große Sehen am Ende der Zeiten.

     Das, was sich viele ersehnen, - die große Schau der himmlischen Herrlichkeit -, das bleibt nicht aus. Es kommt - aber erst am Schluss, - und dann in einer gewaltigen Dimension, wie sie noch nie da gewesen ist. Jesus hat das ganz am Anfang schon seinen Jüngern angedeutet: „Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren.“ (Johannes 1.) Das heißt: der Himmel steht offen, wir haben durch Christus direkten Zugang zum Vater. - Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, ist voll von Bildern, - da gibt es Großartiges zu sehen, - vor allem am Schluss das Himmlische Jerusalem mit seinen goldenen Straßen, den vielen leuchtenden Edelsteinen, den Toren aus strahlenden Perlen. Da kann sich das Auge nicht satt sehen. Die Hörenden und Glaubenden gelangen zum Schauen. Aber alles zu seiner Zeit, wie es Gott geordnet hat. Solange wir noch auf Erden sind, „leben wir im Glauben und nicht im Schauen“ sagt der Apostel (2. Korinther 5, 17). Die Glaubenden sind aber - weil sie das alles noch nicht sehen - nicht benachteiligt. Sie wissen: die Welt Gottes, die Engel als Seine Diener, der auferstandene Christus als Sieger über den Satan, der Allmächtige als unser Vater, der uns liebt und für uns sorgt - davon sind wir umgeben. Es ist zwar unsichtbar, aber es ist Tatsache und Wirklichkeit. Wir haben es gehört, wir glauben es und sind uns dessen gewiss. Diese Glaubenszuversicht - mitten im irdischen Leben mit all seinen Nöten und Ängsten - formuliert Paulus in einem kühnen Satz: „In allen Situationen (auch den bedrückendsten) erringen wir die glänzendsten Siege durch Christus, der uns Seine Liebe geschenkt hat“ - die sich darin ausdrückt, dass ER mit Seiner himmlischen Kraft in uns lebt, uns jeden Augenblick zur Seite steht als der große Überwinder und uns bei der Hand nimmt und führt. (Römer 8, 37)

 

III. Welche Folgerungen ziehen wir aus dem allen?

 

     Die Kraft des WORTES Gottes ist weit größer als wir denken. Deshalb ist das WORT uns die beste Hilfe,

·      ... wenn wir Trost brauchen.

  Als Bischof Theo Sorg einmal wegen einer schweren Krankheit in der Klinik lag, besuchte ihn ein Freund und gab ihm ein ganz kurzes Psalmwort: „Der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis licht.“ (Psalm 18) Sorg schreibt: Diese kleine Botschaft hat mich unge-heuer gestärkt. Der Kranke hat erfahren, was für eine große Kraft in einem schlichten Gotteswort ist. Mit Losungsworten aus den Herrnhuter Losungen haben viele ähnliche Er-fahrungen gemacht.

·      ... wenn wir Wegweisung suchen.

     Jesus sagte: ICH bin der Weg. ICH bin der Gute Hirte - „ER führt mich auf rechter Straße“.

     Wenn wir betend das WORT lesen und studieren und den Verheißungen Gottes trauen, wird Gott uns führen. „Befiehl dem HERRN deine Wege und vertraue auf IHN, so wird ER handeln.“ (Psalm 37, 5)

·      ... wenn wir inneren Frieden suchen:

          „Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben, sie werden nicht straucheln.“ Psalm 119, 176

          Die Vergebung der Sünden schenkt einen tiefen Frieden. (Jesaja 53, 5)

·      ... wenn wir Kraft brauchen:

  „Das WORT vom Kreuz ist eine Gotteskraft“ 1. Korinther 1, 18

Weil das WORT eine so große Kraft besitzt, sollten wir es gerne lesen und hören und fleißig studieren. Für die Verkündiger gilt: das WORT „rein und lauter“ verkündigen, „nichts weglassen und nichts dazufügen“. (Offenbarung 22)

 

 

5. April 2003                                                                                         Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün

 

 

Nähere Ausführungen zu diesen Gedanken findet man in dem Buch von Jacques Ellul: „The Humiliation of the Word“ (Eerdmans USA 1985). J. Ellul (1912 - 1994), Franzose, war ein bedeutender Professor für Soziologie. Sein Vater war Atheist, der seiner Frau das Versprechen abnahm, niemals mit dem Sohn zu beten oder über Gott zu sprechen. Sie hielt sich daran. Mit 17 Jahren gelangte der Sohn an eine Bibel, die er mit Heißhunger verschlingt. Von einer langen Radtour zurückgekehrt sagt er zu seiner Mutter: „Ich glaube, ich bin bekehrt.“ Die Antwort seiner Mutter: „Das wundert mich nicht, dafür habe ich 18 Jahre lang gebetet.“