63. Bibelkurs                                                                                                                            BK 63

 

          Heiligkeit - bei Gott und bei den Menschen

 

            Heilig ist ein zentraler Begriff in der Bibel – und in allen Religionen, aber im Volk sind irreführende Vorstellungen gängig. Bei den Heiligen denken die meisten an eine vollkommene Frömmigkeit, an fast sündlose Menschen. Diese falschen Vorstellungen sind im Lauf der Jahrhunderte vor allem durch die Heiligenverehrung und durch die Unkenntnis der Heiligen Schrift entstanden. Deshalb haben sich auch manche Wörter eingebürgert mit einem negativen Beiklang, wie z.B. „Scheinheilige“ oder „ein komischer Heiliger“. Aus diesem Grund ist es wichtig, zu erfahren, was die Bibel wirklich mit Heiligkeit meint. Die Lehre der Bibel ist ganz anders. Heilige sind in der Bibel Menschen, die Gott beschlagnahmt hat, - die IHM gehören, - die ER zu Seinem Eigentum gemacht hat. – Als P. Johannes Busch 1955 bei der 10. Pfingsttagung in Bobengrün sprach (ein Jahr vor seinem Tod), war sein erster Satz an die Festversammlung: „Ihr Heiligen vom Frankenwald, ich grüße euch in Jesu Namen!“ Und in seiner Ansprache hat er dann die biblische Auffassung von „heilig“ erklärt. Als Mose vor dem brennenden Dornbusch stand, hörte er die Stimme Gottes: „Zieh deine Schuhe aus, denn der Ort darauf du stehst, ist heiliges Land!“ Der Platz, auf dem der Dornbusch stand, war ganz normale sandige Erde, wie ringsherum, - aber er war heilig, weil Gott ihn beschlagnahmt hatte, weil ER hier gegenwärtig war. Ein Heiliger ist ein Mensch wie jeder andere, aber Gott hat Besitz von ihm ergriffen, - Christus wohnt in ihm, deshalb ist er ein Heiliger. Dass er dann von Christus nach und nach umgestaltet wird, das ist die normale Folge, - das ist die Arbeit des Heiligen Geistes in ihm – denn, so sagt Paulus: Der Christ ist ein Mensch, „der dem Bild Christi gleich sein soll“ (Römer 8, 29). Fast in allen Apostelbriefen grüßt Paulus am Anfang seine Adressaten mit dieser Anrede – z.B. „An die Heiligen in Kolossä...“. Sogar die Korinther grüßt er pauschal so, obwohl gerade in dieser Gemeinde (die er gut kannte, weil er selbst sie gegründet hatte) massive moralische Entgleisungen geschehen waren.

            Heilig ist ein Christ, weil er Christus gehört, - heilig ist der Tempel, weil er Gott gehört. Und das Allerheiligste ist der Tempelbereich, in dem Jahwe selbst wohnt. Israel ist ein heiliges Volk, weil es Gott zu Seinem Eigentum erwählt hat. In Psalm vier steht der bekannte Vers: „Erkennet doch, dass der HERR Seine Heiligen wunderbar führt.“

            Heilig ist deshalb ein so wichtiges Wort in der Bibel, weil Gott vorrangig als heilig bezeichnet wird, erst dann folgt die Bezeichnung „allmächtig“. Niemals finden wir in der Bibel die Bezeichnung Sein „mächtiger Name“ – aber häufig lesen wir von Seinem „heiligen Namen“. Gottes Heiligkeit ragt über alle Seine anderen Eigenschaften hinaus. Wir lesen von Seiner „heiligen Gerechtigkeit“, von Seinem „heiligen Arm“, seinem „heiligen Wort“. – Wir finden in den Evangelien oft, dass Jesus wichtige Wahrheiten einleitete mit den Worten: „Wahrlich, wahrlich...“, - also eine doppelte Betonung! Aber dreifach genannt wird in der Bibel nur das Wort heilig, - und zwar an zwei entscheidenden Stellen, - in Jesaja 6 „Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth...“ bei der Berufung des großen Propheten Jesaja im Tempel – und in der Offenbarung (Kap.4) bei der ersten Anbetung vor dem Thron Gottes, die beginnt mit den Worten: „Vier himmlische Gestalten hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der HERR, der Allmächtige...“ Mit dieser gewaltigen Vision startet die Entfaltung des göttlichen Plans für die Zukunft des Universums. Zuallererst wird der Himmel auf die Heiligkeit des Allmächtigen aufmerksam gemacht - mit einem machtvollen Lobgesang – gleichsam wie in einer Ouvertüre.

            Aus diesen Fakten merken wir, dass Heiligkeit ein Thema von großer Bedeutung ist!

 

I. Heiligkeit in den Religionen. Es ist auffällig, dass Heiligkeit in allen Religionen der Menschheit eine wichtige Rolle spielt. Wenn es also heutzutage immer mehr Leute gibt, „denen nichts mehr heilig ist“, dann wissen sie gar nicht, dass sie abseits der ganzen Menschheit stehen. Der deutsche Theologe Rudolf Otto hat 1917 ein Buch zu diesem Thema geschrieben, das heute noch als Standardwerk anerkannt ist – mit dem Titel: „Das Heilige“. Darin findet sich seine klassische Definition: „Heilig ist das, was uns erzittern lässt – aber auch anzieht und fasziniert“ (lateinisch: das „numen tremendum et fascinosum“). Das gilt für alle Religionen. Viele haben für „heilig“ noch ein anderes Wort: tabu, das aus Polynesien (die Inseln im Indischen Ozean) stammt. Wir kennen es als Fremdwort – in dem Sinn, dass über ein Thema nicht gesprochen werden darf, - dass etwas nicht berührt werden darf. Dafür gibt es bei vielen Religionen sogar sehr strenge Regeln, deren Nichteinhaltung mit dem Tod geahndet wird. Wenn in unserer Zeit immer mehr Tabus gebrochen werden – vor allem in den Medien – dann ist das ein Hinweis auf zunehmende Unmenschlichkeit. Es ist nötig, dass das Heilige unter uns wieder mehr Platz bekommt. Tabu – das bedeutet: es gibt für den Menschen eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Darauf hat wiederholt – wie „ein Rufer in der Wüste“ – ein bedeutender Wissenschaftler unserer Zeit hingewiesen: Erwin Chargaff, der zu den Begründern der Gentechnik zählt und die Vorarbeiten leistete für die Entschlüsselung der DNS-Doppelhelix (Watson & Crick haben dann 1962 den Nobelpreis dafür bekommen!). Er lehrte als Prof. in New York, stammte aus Wien und war gläubiger Jude (Er starb mit 97 Jahren im Jahre 2002). Er schreibt: „Ich bin der Meinung, dass Menschen Grenzen gesetzt sind. – Es geht um die Misshandlung eines Kerns: des Atomkerns und des Zellkerns. In beiden Fällen habe ich das Gefühl, dass die Wissenschaft eine Schranke überschritten hat, die sie hätte scheuen sollen. <Gott kann das nicht gewollt haben!> soll Otto Hahn nach der Kernspaltung ausgerufen haben. Hat er Ihn vorher gefragt?“ Hier scheint sich bemerkbar zu machen, dass ein gottesfürchtiger Jude mehr Gespür hat für das, was heilig und unantastbar ist.

            Tabu bedeutet auch: man darf die Gottheit nicht kritisieren. Wie schnell kommen Kritik und Anklagen über unsere Lippen, wenn uns ein Missgeschick oder ein Schicksalsschlag trifft. Wenn Gott heilig ist, dann ist auch all Sein Handeln heilig, das heißt: ER handelt immer richtig. Bei Diskussionen und Kommentaren zu diesen Themen (bei Erdbeben, Katastrophen) ist heutzutage wenig von der Heiligkeit Gottes zu spüren.

            In den Religionen gibt es vieles, das als „heilig“ erklärt wird: Orte, Personen, Quellen, Geräte, Bücher ... Es besteht immer ein deutlicher Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Profanen (= Weltlichen). Das Heilige ist auch grundsätzlich etwas, das mit Kraft (= Mana) gefüllt ist, -weshalb es lebensgefährlich ist, das Heilige nicht zu beachten. Subjektiv bedeutet das, dass die Menschen vor dem Heiligen sich fürchten – aber in einer positiven Weise, - in Ehrfurcht (nicht in Angst!). – Dieses Phänomen begegnet uns auch im Alten Testament, wo in den Psalmen durchgängig die Gläubigen bezeichnet werden als die, „die den HERRN fürchten“. Als Jakob von zuhause flüchten musste, sah er in der ersten Nacht im Traum in einer Vision die Himmelsleiter und hörte die Stimme Gottes. Als er erwachte, sagte er: „Wie furchtbar (Luther: wie heilig) ist diese Stätte! Hier ist die Pforte des Himmels!“ (1. Mose 28) Biblischer Glaube ist im Kern Gottesfurcht, d.h. der Gläubige ist überzeugt von der überirdischen, gewaltigen Kraft seines Gottes. Dieselbe Reaktion finden wir auch bei Mose, als er am feurigen Dornbusch Gott begegnete. Gott rief: „Mose, Mose, tritt nicht herzu; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“ – „Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.“ (2. Mose 3) Diese beiden Gottesbegegnungen sind grundlegend für hebräisches Denken! – Verstärkt begegnet uns diese Vorstellung, als David die Bundeslade nach Jerusalem holte. Weil das Gefährt zu kippen drohte, hielt Usa die Lade mit der Hand fest – und starb auf der Stelle. (2. Samuel 6).

            In allen Religionen wird bei der Begegnung mit dem Heiligtum auch immer großer Wert auf Reinheit gelegt. – Wer als Tourist eine Moschee betreten will, muss vorher zuerst seine Schuhe ablegen. Für die Gläubigen sind besondere Waschungen nötig, erst dann dürfen sie sich dem Heiligtum nähern. Heiligkeit und Reinheit hängen im Alten Testament eng zusammen. Im Psalm 51, dem Bußpsalm, den David nach seinem Ehebruch mit Bathseba betete (wohl der ergreifendste der 7 Bußpsalmen), stehen 7 Ausdrücke für Reinheit. Das bedeutet: Wer sich dem heiligen Gott nähert, wird sich seiner Sünde stark bewusst (wie auch Jesaja im Tempel: „Weh mir, ich vergehe!“ Wer mit dem heiligen Gott Gemeinschaft haben will, braucht unbedingt Vergebung seiner Sünden. Im Bereich Heiligkeit hat also Sünde, Beichte, Vergebung eine große Bedeutung. Das zeigt auch die Seligpreisung: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5) Deshalb erinnert auch das Lamm Gottes in der Offenbarung (26 mal erwähnt) so oft an das Wunder der Sündenvergebung durch das Blut Christi. Allein dadurch ist eine „Bürgerschaft“ im Himmel, dem heiligen Ort der ewigen Reinheit, möglich.

 

II. Gottes Heiligkeit. Was die Heiligkeit Gottes bedeutet, wird deutlich offenbar in der Vision Jesajas im Tempel (Jesaja 6). Heiligkeit ist das herausragende Kennzeichen, das das Göttliche prägt. Jesaja hatte den Eindruck: hier erlebt er etwas Einmaliges, Außergewöhnliches, Besonderes. Das ist das Heilige. Wenn wir von der Liebe Gottes sprechen, dann nennen wir sie eine heilige Liebe. Wenn wir sie vom Gedanken der Heiligkeit trennen, landen wir schnell bei Sentimentalität. Gottes Heiligkeit will uns sagen: alle Eigenschaften Gottes sind absolut richtig: Seine Zusagen und Verheißungen sind „heilige Worte“. Man kann sich absolut auf sie verlassen. Seine Treue ist eine heilige Treue, sie wird uns niemals aufgeben. Seine Gerechtigkeit ist eine heilige Gerechtigkeit, ER macht niemals einen Fehler. Die Heiligkeit Gottes will uns also Gewissheit vermitteln. Gott ist heilig, das heißt: alles, was ER tut, ist total zuverlässig. Niemand kann es besser machen. Heiligkeit bedeutet Vollkommenheit. David sagt in seinem großen Psalm 18: „Gottes Wege sind vollkommen. ER ist ein Schild allen, die IHM vertrauen.“ – und im Psalm 77 heißt es: „Gott, Dein Weg ist heilig. Wo ist so ein mächtiger Gott, wie Du, Gott, bist?“ Gottes Macht ist so groß, dass ER nur die besten und sichersten Wege mit uns gehen wird, weil ER eben ein heiliger Gott ist. – Folgende Texte zeigen uns, wie Heiligkeit in der Bibel zu verstehen ist:

  „Wer sollte Dich, HERR, ... nicht rühmen und ehren? Nur Du allein bist heilig!“ Offenbarung 15, 4

  „HERR, wer unter allen Göttern ist Dir gleich? Wer ist wie Du, herrlich und heilig? Wer vollbringt so große furchterregende Taten? Wer tut Wunder so wie Du?“ (Mose in seinem Siegeslied nach der Durchquerung des Roten Meeres, in dem die Ägypter untergingen. 2. Mose 15)
„Israel, du kleines Volk, hab keine Angst ... ICH helfe dir; ICH, der heilige Gott Israels, bin
dein Befreier.“ (Jesaja 41, 14).

ICH bin der Heilige, der bei euch wohnt.“ (Hosea 11, 9)

Beim Propheten Jesaja begegnet uns am häufigsten (31 mal) die Wendung: „Gott, der Heilige Israels“, - gerade in dem Buch, in dem Gott Seinem Volk in der Verbannung Trost und Ermutigung sendet – aber auch Seine Heiligkeit an Babylon zeigt, das ein schweres Gericht Jahwes treffen wird. – Am Sinai offenbart Jahwe Seine Heiligkeit auf dramatische Weise: das Volk muss sich „heiligen“, bevor Gott sich ihm offenbart. Gottes Erscheinung wird durch Donner, Blitze und Erdbeben angekündigt. – Später verkündet Mose dem Volk das „Heiligkeitsgesetz“, das zehn Kapitel umfasst (3. Mose 17-26), in dessen Mitte der berühmte Satz steht: „Ihr sollt heilig sein, denn ICH bin heilig, Jahwe, euer Gott.“ (3. Mose 19). – Der Sabbat gilt als „heiliger Tag“, – und wird bei den frommen Juden mit großer Strenge eingehalten, weil ihn Gott als erstes in der Schöpfung heiligte. (1. Mose 2)

 

III. Heiligung bei den Christen. Wenn die Apostel in ihren Briefen die Christen durchgängig als „Heilige“ bezeichnen, dann heißt das nicht nur, dass sie Gottes Eigentum sind (weil sie Gott beschlagnahmt hat), sondern dann gilt für sie auch das, was die Heilige Schrift unter „heilig“ versteht. Heilig heißt: abgesondert sein, rein sein, für Gott zur Verfügung stehen (wie die heiligen Geräte im Tempel!). – Gott möchte, dass wir heilig sind. Wir werden nicht angeleitet, allmächtig zu sein oder allwissend, wie Gott es ist, sondern wir sollen heilig sein. Deshalb zitiert der Apostel Petrus gleich am Anfang seines Briefes den Zentralvers des „Heiligkeitsgesetzes“ aus 3. Mose 19, 2: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel, denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ICH bin heilig.“ (1. Petrus 1, 15+16) – Auch Jesus hatte dasselbe Ziel bei Seinen Jüngern. Das sieht man in der Bergpredigt, die ein Spiegel für die Gläubigen sein soll, - eine Beschreibung ihres Lebensstils. (Matthäus 5-7) Sie gipfelt in der Nächsten- und Feindesliebe, mit der Begründung: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Matthäus 5, 48) Die Bergpredigt hat die Menschen schon immer fasziniert. Sie ist für viele so etwas wie die Vision von einem Paradies: „So sollte es in der Welt sein, dann wäre es schön!“ Mahatma Gandhi in Indien zitierte sie oft, Tolstoi in Russland meinte, mit ihr eine neue Weltordnung aufzustellen zu können. Aber sie ist das nicht, sondern sie ist die Grundordnung für das Reich Gottes, - für die Gläubigen. Sie ist auch nur möglich, wenn Christus in den Herzen von Menschen wohnt. ER allein gibt die Kraft, die zur Realisierung der Bergpredigt nötig ist. Aus eigener Kraft schafft es niemand, auch wenn der gute Wille da ist. Hierher passt das bekannte Wort Jesu: „Wer in Mir bleibt und ICH in ihm, der bringt viel Frucht (er lebt heilig!). Denn ohne Mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15, 5)
            Heiligung ist ein Thema, das auch unter Christen viel diskutiert wird. Viele versuchen aus eigener Kraft (wenigstens nach außen hin!), heilig zu sein. Das ergibt dann die wenig beliebten sog. „Scheinheiligen“ (oder „Pharisäer“). Bei dieser Frömmigkeit fehlt die Kraft Christi im Menschen. Das Ziel des Apostels Paulus bei den Gemeinden in Galatien war, „dass Christus in ihnen Gestalt gewinnen möchte“ (Galater 4, 19). Besonders die Christen in Galatien neigten sehr zu einem „gesetzlichen Christentum“, weshalb sie Paulus auch scharf kritisierte. Aber eben deshalb gab er ihnen den dringenden Rat: „Christus muss in euren Herzen mehr Platz bekommen – dann wird es anders!“ - Heiligung ist für jeden Christen sehr notwendig. Der Apostel im Hebräerbrief schreibt: „Jagt nach dem Frieden ... und der Heiligung, ohne die niemand den HERRN sehen wird.“ (Hebräer 12, 14) Und Paulus schreibt an die Thessalonicher: „Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung.“ (1. Thessalonicher 4, 3)
            Was hilft uns, dass Christus wirklich in uns wirkt? Das Sprichwort sagt: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Da steckt eine große biblische Wahrheit drin: Wir brauchen viel Umgang mit Christus – zunächst einmal im Zwiegespräch mit Ihm, also im Gebet. Es macht sehr nachdenklich, zu erfahren, dass der Apostel Paulus in seinen Briefen 20 mal vom „unablässigen Beten“ spricht (siehe die Stellen im Bibelkurs Nr. 35). Daraus kann man schließen, dass es für Paulus selbstverständlich war, ständig in Gebetsverbindung mit Jesus zu sein – und das färbt natürlich ab! Hören wir, wie das der König David praktizierte: „Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an Dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.“ (Psalm 63) „Ich habe den HERRN allezeit vor Augen...“ (Psalm 16) – Und weil Christus nach der Schrift das WORT Gottes ist (Offenbarung 19, 13), bedeutet das natürlich auch, dass wir viel Umgang mit der Heiligen Schrift brauchen, - also die Bibel nicht bloß lesen, sondern fleißig lesen und studieren. Wer die Bibel gründlich studiert, erhält dadurch nicht nur Kraft – sondern er wird auch vom WORT her (= von Christus) geformt und korrigiert. Diese Korrekturen bewirken geistliches Wachstum und bringen uns dem Bild Christi näher. – Ein Theologe formuliert es so: „Wir sollen nicht nur über die Vielschichtigkeit eines Problems nachdenken (das ist auch nötig!), sondern sollen viel mehr über die verschiedenen Eigenschaften Gottes nachdenken (über Seine Treue, Kraft, Liebe, Weisheit, Geduld, Gerechtigkeit, Macht). Das wird uns göttliche Kräfte zukommen lassen.“ Gott wird uns dadurch größer – und die Probleme werden kleiner.

 

IV. Heiligung – im Blick auf die Wiederkunft Christi. Für die Apostel und die Christen im
  ersten Jahrhundert gehörte es zum alltäglichen Glauben, mit der baldigen Rückkehr von Christus zu rechnen. Das kann man in allen Apostelbriefen feststellen. Die ersten Christen schlossen jeden Gottesdienst mit dem Ruf: „Maranatha“ (= „unser HERR kommt wieder!“) – auch in der Offenbarung ist es das letzte Wort. Dieses Faktum hat sie viel mehr bewegt als uns heute. Christus zu begegnen, als Abschluss der Weltgeschichte und als Beginn des glorreichen Gottesreiches – dieses bevorstehende grandiose Ereignis haben sie in ihren Gedanken bewegt. „Wie wird das sein? Wir werden IHN sehen, wie ER ist – den König und HERRN des Universums.“ Davon waren ihre Herzen erfüllt. Und damit auch die Frage: „Werden wir IHM denn recht begegnen? Sind wir in der richtigen Verfassung?“ – Es wundert einen nicht, wenn wir in den Apostelbriefen zehn Stellen finden, wo sich Paulus und Petrus darum sorgen, ob sie wohl wirklich „untadelig und makellos“ sind, um dem HERRN zu begegnen.
            Die Sorge um die Makellosigkeit ist berechtigt, denn an vielen anderen Stellen – vor allem in der Offenbarung – wird auf diesen Punkt großer Wert gelegt. Die dominierende Farbe in der Apokalypse ist das Weiß (neben Gold!). Weiß ist die Farbe der Reinheit – und der Himmel ist der Ort vollkommener Reinheit. Alle Bürger des himmlischen Jerusalems sind reingewaschen von ihrer Sünde durch das Blut des Lammes – und tragen deshalb weiße Gewänder. Die „heilige Stadt“ (die Gemeinde Jesu) erscheint „wie eine geschmückte Braut“ (und die Braut ist immer erkenntlich am weißen Schleier) (Kap.21). Christus erscheint - mit vielen Kronen auf dem Haupt - als der „König aller Könige“ auf einem weißen Pferd, gefolgt „vom Heer des Himmels auf weißen Pferden, angetan mit weißem, reinem Leinen.“ (Kap.19), - und das Weltgericht findet statt vor dem „großen weißen Thron“ (Kap.20). – Es ist nicht schwer zu verstehen, dass die ersten Christen sich sehr bemühen wollten, um in diese festliche Atmosphäre zu passen. Die folgenden 10 Apostelworte zeigen uns das deutlich:
  ° „Euch lasse der HERR wachsen in der Liebe, damit eure Herzen untadelig seien in Heiligkeit vor Gott, wenn unser HERR Jesus kommt mit allen Seinen Heiligen.“1. Thessalonicher 3, 13
  ° „Gott heilige euch durch und durch und bewahre euch unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres HERRN Jesus Christus.“ 1. Thessalonicher 5, 23
  ° „Ich bete darum, dass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi.“ Philipper 1, 10
  ° „ER hat uns in Christus erwählt, dass wir heilig und untadelig vor Ihm sein sollten.“ Epheser 1, 4
   „ER hat euch versöhnt, damit Er euch heilig und untadelig und makellos vor Sein Angesicht stelle.“ Kolosser 1, 22
  ° „Ich (Paulus) gebiete dir vor Gott und vor Christus, dass du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung unseres HERRN Jesus Christus.“ 1. Timotheus 6, 14
  ° „Christus wird euch fest erhalten bis ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres
   HERRN Jesus Christus.“ 1. Korinther 1, 8
  ° „Wenn das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann da stehen in heiligem Wandel und
   frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt.“ 2. Petrus 3, 11
  ° „Während ihr darauf wartet, seid bemüht, dass ihr vor IHM unbefleckt und untadelig im
   Frieden befunden werdet.“ 2. Petrus 3, 14
  ° „Dem aber, der euch vor dem Straucheln behüten kann und euch untadelig stellen kann vor 

   das Angesicht Seiner Herrlichkeit, dem sei Ehre und Majestät und Gewalt ...“Judas 1, 24

 

Diese Verse zeigen uns sehr deutlich, wie wichtig Heiligung ist im Blick auf das Ende der Welt und auf das Wiederkommen Jesu in Herrlichkeit.

 

V. Abschließende Bemerkungen zum Thema „Heiligkeit“

Die Heiligenverehrung entstand schon um 150 n.Chr. Anstoß dazu gaben die Märtyrer, deren

 Todestag als „himmlischer Geburtstag“ gefeiert wurde und der mit einem Gottesdienst begangen

 wurde. Im Mittelalter ist noch einiges dazugekommen, so dass dann dazu auch die Reformatoren

 ihre Stimme erhoben. Sie haben die biblische Botschaft wieder hervorgeholt. Im Augsburgischen

Bekenntnis (aus dem Jahr 1530) haben sie es klar formuliert:

„Es wird gelehrt, dass wir der Heiligen gedenken sollen, auf dass wir unseren Glaubenstärken, - wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren ist und wie ihnen durch Glauben geholfen wurde. Durch die Schrift aber kann man nicht beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. (und nun folgt nach reformatorischer Art der „Schriftbeweis“) „Denn es ist e i n Gott und e i n Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus (1. Timotheus 2, 5), welcher ist der einzige Heiland, der einzige Hohepriester und Fürsprecher vor Gott („...der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt“ – Römer 8, 34). Und ER hat allein zugesagt, dass ER unser Gebet erhören wolle. 1. Johannes 2, 1: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist“ (= der es richtig macht!).     (Confessio Augustana Artikel XXI)

Jemand hat es ganz einfach gesagt: “Ich glaube, dass mein Leben Gott gehört, und alles, was Gott gehört, ist heilig.“
Der Schwerpunkt muss immer bei Christus liegen. „In IHM ist die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kolosser 2, 9) Paulus hat es kurz zusammengefasst in folgendem Vers: „Jesus Christus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und

zur Erlösung.“ (1. Korinther 1, 30) Damit bringt der Apostel zum Ausdruck, dass unsere Erlösung durch Christus geschieht und auch bei der Heiligung ist Christus die ausschlaggebende Kraft. Ohne IHN sind alle Frömmigkeitsbemühungen nur eine „verkrampfte“ Anstrengung, die auch das Ziel nicht erreicht. „Ich vermag alles“ sagt Paulus „durch Christus, der mir dazu die Kraft gibt.“

                                                                                                                                 (Philipper 4, 13)

▪  Im Judentum ist es nicht erlaubt, den Namen Gottes, Jahwe, auszusprechen. Stattdessen

spricht man von Gott meistens als dem „Heiligen, gepriesen sei ER“. Wichtig ist die Heiligung

Seines Namens. Das entspricht ganz der 1. Bitte im Vaterunser: „Geheiligt werde Dein Name.“

Aber auch die Heiligung des Tages geschieht durch das Gebet. Am Schluss des Abendgottesdienstes an den Werktagen und am Sabbat wird immer das Kaddisch-Gebet (das „heilige Gebet“) gesprochen: „Gepriesen und geheiligt sei Dein großer Name!“ Die Heiligung des Gottesnamens ist so tief im jüdischen Denken verankert, dass z.B. der Literatur-Nobelpreisträger Isaak B. Singer (der in Jiddisch schrieb und 1991 starb) in seinen Büchern, wenn er den Gottesnamen verwendet, immer einen Lobpreis einfügt, z.B.: „...das möge der Allmächtige – gepriesen sei Sein Name! – verhüten!“ Diese Wendungen sind in seinen Büchern gar nicht so selten. – Im Judentum wird auch die Heirat als „Heiligung“ bezeichnet, weil Gott Seinen heiligen Bund mit Israel mit einer Eheschließung vergleichen konnte (Hosea 2; Hesekiel16). Von daher versteht man auch den Apostel Paulus, wenn er sagt, dass „der heidnische Ehepartner durch den gläubigen geheiligt sei.“ (1. Korinther 7, 14), weil die Liebe Christi zur Gemeinde mit einer Ehe verglichen werden kann. Von Christus gehen heiligende Kräfte in einer Ehe aus, - auch auf die Kinder, die Gott zugehörig sind.

 

Heilig heißt im Hebräischen „kaddosch“, das bedeutet: „ausgesondert, abgegrenzt“. Israel ist

 heilig, weil das Volk von den anderen Völkern ausgesondert ist; der Tempel ist heilig und um-

 fasst ein deutlich abgegrenztes Gebiet. Auch die Gemeinde der Christen ist heilig, weil sie Gott

 gehört und von der Welt abgesondert ist. – Der Kontrast dagegen ist die „Gesetzlosigkeit“ und

 die „Unreinheit“ (Römer 6, 19; 1. Thessalonicher 4, 7) Von daher wird deutlich, dass für Christen die Beachtung der göttlichen Gebote und die Einhaltung der Reinheit große Bedeutung hat: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5) „Das ist die Liebe zu Gott, dass wir Seine Gebote halten, - und Seine Gebote sind nicht schwer.“ (1. Johannes 5)

 

 

22. Januar 2005                                                                  Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün