97. Bibelkurs                                                                                                                               BK 97

 

Von den Gebeten Jesu lernen - 2. Teil

III. In Erwartung des Todes; IV. Fürbitte (Johannes 17); V. Gethsemane; VI. Die 7 Worte am Kreuz

 

III. Jesus in Erwartung Seines Todes. (Johannes 12, 28)

In der Mitte des Johannesevangeliums steht ein kurzes Gebet von Jesus mit nur vier Wörtern: „Vater, verherrliche Deinen Namen!“ (Johannes 12, 28). Damit beginnt der Bericht über das Leiden und Sterben Jesu, über Seine Passion. Das füllt die zweite Hälfte des Evangeliums von Johannes aus. Es folgen die Fußwaschung (Kap.13), die Abschiedsreden Jesu (Kap.14-16), das lange Gebet Jesu für Seine Jünger (Johannes 17) und dann die Passion und Auferstehung Jesu. Der Bericht über die letzte Woche des Lebens Jesu ist der Bericht über Seinen Tod.

            Das Volk hatte Jesus nicht verstanden. Nach der Speisung der 5000 wollten sie Ihn zum (politischen) König machen. Aber „ER entwich auf einen Berg, ER selbst allein.“ (Johannes 6, 15). Beim Einzug in Jerusalem wurde ER wie ein König bejubelt. Jesus ist ein König. ER sagte es Pontius Pilatus. Das INRI oben am Kreuz hat es bestätigt. ER ist ein König – aber ganz anders als das Volk es sich vorstellt. Auch in unserer Gesellschaft herrschen verkehrte Vorstellungen von Jesus. Wer die Kreuzigung Jesu an den Rand schiebt, hat Jesus nicht verstanden. Auf Golgatha geschieht die Hauptsache. Alles andere ist Vorbereitung für dieses Ziel. Jesus nimmt sich viel Zeit, Seine Jünger auf Seinen Tod vorzubereiten. Drei Mal hat ER Sein Leiden und Sterben – und Auferstehen! – Seinen Nachfolgern vorausgesagt (Markus 8, 31; Markus 9, 31; Markus 10, 33). Jetzt versammelt ER Seine Jünger, um sie für die letzten Stunden zuzurüsten. Dann betet ER noch lange mit ihnen.  Am nächsten Tag wird ER gekreuzigt.

            Das Gebet ist wichtig im ganzen Leben Jesu – und erst recht bei Seiner Passion: ER betet für die Jünger, ER betet im Garten Gethsemane, ER betet am Kreuz. Das Gebet ist die lebensnotwendige Verbindung mit Gott. Das Gebet ist das Atmen der Seele. Man sagt niemals, dass jemand „ein großer Atmer“ sei. Atmen gehört einfach zum Leben. Wer nicht atmet, lebt nicht mehr. So gehört die ständige Gebetsverbindung mit Gott zum normalen Christenleben. Ohne das Gespräch mit Gott erstirbt das geistliche Leben. Deshalb heißt es in den Briefen des Apostels Paulus so oft: „Betet allezeit!“ „Betet ohne Unterlass!“ (Epheser 6, 18; 1. Thessalonicher 5, 17; Römer 12, 12; Kolosser 4, 2+12 u.a.)

            Jesus beginnt die Vorbereitung Seiner Jünger für Sein Leiden mit dem Gebet: „Vater, verherrliche Deinen Namen!“ Die Jünger haben bei diesem Gebet wohl kaum an das Leiden und Sterben Jesu gedacht. Die Passion soll eine Verherrlichung sein? – das zu verstehen, fällt auch uns heute schwer. Jesus hat den Tod vor Augen – und spricht von „Verherrlichung“. Wer denkt schon beim Sterben an „Verherrlichung“? Jesus hat es verdeutlicht, wenn ER vorher sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“(Johannes 12, 24). Alle Gärtner kennen dieses Naturgesetz. Die Frucht ist das, was am Schluss sichtbar wird und Freude bereitet. Bei Gott fängt vieles ganz klein an – und endet dann großartig. Die meisten Leute wollen immer gleich etwas Großes erleben. Bei Gott hat das Kleine und Unbedeutende viel mehr Gewicht als bei den Menschen. Jesus sagt in der ersten Seligpreisung: „Gesegnet sind die Menschen, die mit ihrem Latein am Ende sind. Sie gelangen in den Bereich der Gottesherrschaft.“ (Matthäus 5, 3) Wir brauchen nicht bis zu unserer Beerdigung zu warten, um Herrlichkeit zu erleben. Jesus sagt: „Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“ (Matthäus 23, 12). „Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden“ (Matthäus 16, 25). „ICH habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die Du Mir gegeben hast“ (Johannes 17, 22).

Jesus überlegt: „Was soll Ich sagen? Vater, hilf Mir aus dieser Stunde!“ (Johannes 12, 27). Aber dieses Gebet hat Jesus nicht gebetet. ER wollte nicht Seinen Wunsch durchsetzen, ER wollte nicht die Erniedrigung vermeiden. ER will nichts anderes als den Willen Seines Vaters tun, - auch wenn es durch Dunkelheiten geht. Er schaut auf das Ende, das bei Gott immer größer ist als wir denken. Deshalb betet ER: „Vater, verherrliche Deinen Namen.“ Das bedeutet: Wenn ich den Weg Gottes gehe (auch wenn ich ihn schwer finde und oft auch nicht verstehe), dann endet das mit Herrlichkeit. Die Passion endet mit der Auferstehung. - Hier ist das einzige Gebet Jesu, bei dem wir den Vater sprechen hören und Er antwortet: „ICH habe Ihn verherrlicht und will Ihn abermals verherrlichen.“ (Johannes 12, 28) Das bedeutet: Gott hat nichts anderes im Sinn als die Verherrlichung. Paulus meint das auch: „... es muss uns alles zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28). Wenn wir uns von Gott führen lassen – dann enden Seine Wege immer positiv, nicht im Dunkel, sondern im hellen Licht der Herrlichkeit. – Davon war Jesus fest überzeugt. Die Jünger verstanden es erst nach der Auferstehung. Wir brauchen den Heiligen Geist als Helfer, damit wir vom negativen Sehen loskommen und Gottes Macht vertrauen, die für Gottesmenschen immer Großes wirkt.

Gott will Seinen Leuten nur das Beste geben, - weil ER sie lieb hat. Alle anderen Gedanken werden uns von Satan eingeflüstert. Ihnen dürfen wir nicht folgen. „Weltliches Denken bringt uns den Tod, göttliches Denken bringt Leben und Frieden.“ (Römer 8, 6)

 

IV. Jesus betet für uns. (Johannes 17)

 

            Jesus wollte am letzten Tag vor Seinem Tod mit Seinen Jüngern zusammen sein. ER hatte viel mit ihnen zu bereden (die „Abschiedsreden“ – Johannes 14-16). Diese Gespräche enden mit einem langen Gebet, - das ist das längste Gebet, das wir von Jesus haben. Es ist ein Gebet für die Seinen. Bei diesem letzten Gespräch richten die Jünger sieben Fragen an Jesus. Sie alle zeigen, dass wir Jesus nicht immer gleich verstehen. ER selbst sagt erklärend: „... dass der Heilige Geist kommen wird und sie alles lehren und in alle Wahrheit leiten wird.“ (Johannes 14, 16.17.26+16, 13). Jesus gibt nicht immer Antworten, die Seine Jünger verstehen. Jesus gibt nur Andeutungen und verweist sie an den Heiligen Geist, der ihnen Hilfe geben wird. à Frage-und-Antwort-Stunden mit Jesus führen nicht immer zum Ziel. Wir wissen oft zu wenig, um die richtigen Fragen zu stellen. Es ist wichtig, dass wir einfach in Verbindung mit Jesus bleiben. ER gibt manchmal erst später die passenden Antworten. Die Gespräche Jesu münden ein ins Gebet. Seine Nachfolger hören zu, wie ER betet. Das war auch der Anlass, dass Jesus ihnen das Vaterunser gab („Als ER aufgehört hatte zu beten, sagte ein Jünger zu Ihm: <HERR, lehre uns beten>“ Lukas 11, 1 - dann folgt das Vaterunser).

            Jesus befindet sich mit Seinen Nachfolgern noch im selben Raum. Das Waschbecken und das Handtuch (für die Fußwaschung) sind beiseite gelegt. Judas ist nicht mehr unter ihnen. Jetzt spricht ER nicht mehr mit den elf Jüngern, ER spricht mit Seinem Vater. ER betet eine lange Zeit – und wir hören zu. Das Stillesein und Zuhören fällt uns nicht leicht. Wir reden meistens – und haben viele Fragen und Sorgen im Herzen und auf den Lippen. Jesus betet für uns, das ist der größte Teil dieses Gebets. Die Apostel schreiben, dass das Jesus auf dem Thron im Himmel auch weiterhin für uns ständig tut (Hebräer 7, 25).

Wir hören, w i e Jesus für uns betet und w a s ER für uns betet. Unsere Fragen sind auf einmal nicht mehr wichtig. Jesus beim Beten zuhören, das bringt uns viel (ähnlich wie es Maria in Bethanien tat: Lukas 10, 39). Jesus beginnt das Gebet mit den Worten: „Vater, die Stunde (Seines Todes) ist da: verherrliche Deinen Sohn, damit der Sohn Dich verherrliche!“ (Johannes 17, 1) Jesus wählt dasselbe Thema wie beim Gespräch mit Seinen Jüngern: „Verherrlichung“. – Tod und Verherrlichung, das passt für uns nicht gut zusammen. Aber „Verherrlichung“ ist für Johannes in seinem Evangelium ein General-Thema vom Anfang bis zum Schluss – und der Tod gehört mit zur Verherrlichung. Schon im 1. Kapitel sagt der Apostel summarisch über das dreijährige Zusammensein mit Jesus: „... wir sahen Seine Herrlichkeit“ (Johannes 1, 14). 14 mal erwähnt Johannes das Wort „Herrlichkeit“ in der ersten Hälfte seines Evangeliums – und 19 mal bringt er es in den 5 Kapiteln über die Passion Jesu. Das Wort „Herrlichkeit“ dominiert also im Denken Jesu vom Beginn Seines Leidens an. Wenn wir Jesus in „Johannes17“ zuhören, erkennen wir, dass ER „Herrlichkeit“ in einem tieferen Sinn versteht. Für uns ist „Herrlichkeit“ meistens etwas, was das Auge fasziniert. Aber bei Jesus wird das Herz innerlich stark von „Herrlichkeit“ bewegt. „Es geht alles gut aus! Am Ende strahlt die Sonne!“ So sieht das Herz die „Herrlichkeit“. Die Auferstehung mit ihrem hellen Licht hat die Jünger alle Dunkelheiten ihres Lebens vergessen lassen. Kierkegaard hat recht: „Es muss ja alles gut werden, weil Christus auferstanden ist.“ Johannes hat von Anfang an viel von Herrlichkeit geredet – und erst recht beim Leiden und Sterben Jesu, weil er wusste: wenn Jesus da ist, dann ist der ganze Himmel da. Die Probleme und Sorgen verblassen, weil ER da ist. Alles Irdische wird klein, weil Jesus auferstanden ist. Der Auferstandene ist gegenwärtig, das bedeutet: es ist viel Kraft da, - so viel Kraft, wie sie bei der Erschaffung der Welt am Werk war. 

Paulus hat das begriffen, wenn er sagt: „Jesus fasziniert mich so sehr, dass ich alles andere in der Welt für Dreck halte.“ (Philipper 3, 8) Göttliche „Herrlichkeit“ schaut nicht wie normale Herrlichkeit aus. Gott denkt anders als wir Menschen denken. Einige Stunden nach diesem Gebet war Jesus tot und beerdigt. – 10 mal kommt „Herrlichkeit“ und „verherrlichen“ in diesem Gebet vor (Johannes 17). Tod und Herrlichkeit gehören in Johannes 17 eng zusammen. Die Vernunft kann das nie begreifen. Bei Jesus ist es eine Einheit. – Der Tod Jesu bewirkt die Erlösung der Welt: wir bekommen dadurch Tilgung unserer schlimmen Vergangenheit, Befreiung von der Macht des Bösen, göttliche Kraft für den Alltag, neues Leben für immer. Das ist „Herrlichkeit“ in göttlicher Perspektive. Alle irdischen Positiv-Posten bedeuten dagegen nichts, sie sind auch alle vergänglich, sie erscheinen nur „herrlich“ und sind es in Wirklichkeit nicht. Jesus hat eine neue Weltzeit gebracht, ein „ewiges Leben“. Die Jahreszahlen wollen uns jeden Tag an diese große Wende erinnern. Mit Jesus beginnt die „Herrlichkeit“.

            In diesem Gebet (Johannes 17) sind noch andere Punkte wichtig: 49 mal spricht Jesus vom „Vater“, von „Dir“- „Dein“ und 57 mal von „Ich“ – „Mein“ – „Mir“. 45 mal spricht Jesus über Seine Nachfolger. Das bedeutet: Gebet ist ein sehr persönliches Gespräch mit einem DU, - nicht eine abstrakte, geistreiche, religiöse Unterhaltung oder ein mystisches Erlebnis. Das wird noch unterstrichen dadurch, dass Jesus 19 mal das „in“ bringt (wie Paulus auch sehr oft mit „in Christus“ die innige Christusgemeinschaft betont). Das bedeutet: Das Gebet bringt uns in enge Verbindung mit dem Tun Gottes. Jesus schließt das Gebet mit den Worten: „... die Liebe, mit der Du mich liebst, sei in ihnen und ICH in ihnen.“ So stark ist die Gemeinschaft mit Jesus, dass ER und mit IHM die Liebe Gottes in uns wohnen. Das hat natürlich Folgen, - wie Verliebtsein immer Folgen hat!

            Jesus betet viele Dinge für uns: ewiges Leben (Johannes 17, 2+3), vollkommene Freude (V.13), Bewahrung vor dem Bösen (Johannes 17, 6-15), Heiligung in der Wahrheit (Johannes 17, 17-19). Auffallend ist, dass Jesus  6 mal die Bitte ausspricht: „... dass sie alle eins seien.“ (21.10.23), wie auch Gott-Vater, der Sohn und der Heilige Geist eins sind. Zu dieser Dreieinigkeit gehören die Gläubigen und bilden die „Gemeinde der Heiligen“. Daraus folgt auch, dass Jesus nicht nur in Johannes 17 sondern auch im Himmel für uns betet, weil die „Heiligen“ mit der Trinität verbunden sind (Hebräer 7, 25). Dieses Einssein unter den Christen ist seit fast zweitausend Jahren ein großes Problem bis heute. Jesus betet dafür im Gebet zu Seinem Vater, - ER erteilt keine Ermahnung „eins zu sein“. Das Gebet ist stärker als Ermahnungen. – Die erste Frucht des Johannes 17-Gebets Jesu zeigt sich in Jerusalem, wo die elf Apostel „stets einmütig beieinander waren im Gebet zusammen mit den Frauen, der Mutter Jesu und Seinen Brüdern“ und den Heiligen Geist erwarteten, den Jesus ihnen versprochen hatte (Apostelschichte 1, 14). Gott hat ihn in Jerusalem sieben Wochen nach der Auferstehung Jesu gesandt, mit gewaltigen Begleiterscheinungen (Sturm, Feuerflammen und Sprachenwunder: Apostelgeschichte 2).

 

V. Jesus betet im Garten Gethsemane. (Matthäus 26, 39+42)

Jesus betet: „Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch an Mir vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe Dein Wille.“ Der Kelch, von dem Jesus spricht, ist Gottes Wille: durch Jesu Tod will Gott die Welt retten. Jesus nimmt freiwillig die Sünden der Menschen auf sich, um sie zu retten. Der Name Jesus kommt vom hebräischen „Jeschua“, das bedeutet: „Gott rettet.“ Die letzten Gebete Jesu bis zu Seinem Tod korrigieren die weitverbreitete Ansicht, die nichts anderes ist als eine satanische Täuschung, als ob das Leben mit Jesus frei von Sorgen, Schmerzen, Leiden, Angst und Langeweile sei (modern gesagt: ein „Wellness-Leben“). Jesus nachfolgen bedeutet: IHM gehorsam folgen Schritt für Schritt auf dem Weg zum Kreuz durch das dunkle Tal der Schmerzen und des Todes – in der Gewissheit, dass „Herrlichkeit“ folgt (Matthäus 16, 24+25). Das ist etwas anderes als das, was man allgemein Schicksal nennt, dem man sich ergeben muss (die Römer nennen es „fatum“, die Griechen „moira“, in Indien heißt es „karma“, im Islam „kismet“). „Schicksal“ ist unpersönlich. Aber wer Jesus folgt, wird von IHM persönlich geführt – wie es klassisch im 23. Psalm heißt: „Du führst mich auf dem rechten Weg – auch wenn ich durch das dunkle Tal (das Todestal) gehe, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir – Du tröstest mich ...“ Beim „Schicksal“ bin ich anonym, bei Jesus bin ich eine geliebte Person: ER begleitet mich, - ER hilft mir, - ER stärkt mich und bringt mich sicher an ein großes Ziel. Das Gethsemane-Gebet Jesu beginnt bei Markus mit den Worten: „Abba, mein Vater, alles ist Dir möglich...“ (Markus 14, 36). Jesus redet Gott mit „Vater“ an und weiß, dass der Vater Seinen Sohn mit Macht, Weisheit und Liebe richtig führen wird (das gilt genau so für alle, die zu „Seinen Söhnen und Töchtern“ gehören).

Gebet ist ein wichtiger Teil der Passion. Gebet ist die letzte Etappe, bevor Jesus dann im Garten Gethsemane gefangen genommen wird. Im Gebet erhält Jesus von Gott die Gewissheit, dass jetzt alles nach dem guten Plan Seines Vaters verlaufen wird. Deshalb handelt ER auch so souverän bei der Gefangennahme, dass ER zu den Soldaten sagt: „ICH bin’s, nehmt Mich gefangen, lasst diese (die Jünger) gehen!“ (Johannes 18, 4-9). Das Gebet war für Jesus die beste Vorbereitung für die bevorstehenden entscheidenden Stunden. Hudson Taylor, der bedeutende China-Missionar (1832-1905), schreibt: „Gebet ist in jeder großen Krisis des Reiches Gottes ausschlaggebend gewesen.“ Dieser Ton ist auch in der Ermahnung enthalten, die Jesus an die drei auserwählten Jünger Petrus, Johannes und Jakobus richtet: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Matthäus 26, 41). Jesus war vorbereitet für die Kreuzigung. Die Jünger waren nicht vorbereitet (sie schliefen). Schon nach einer Stunde heißt es: „Da verließen Ihn alle Jünger und flohen.“ (Matthäus 26, 56). - Wenn wir wie Jesus beten, nehmen wir teil am Plan Gottes, - werden von IHM geführt, ohne genau zu wissen, w a s Gott tun wird, w i e oder w a n n ER handeln wird. Wir wissen nur eines: Gott macht keine Fehler. ER führt immer richtig (weil in IHM höchste Kraft und Liebe und Weisheit vereint sind).

 

VI. Die sieben Worte Jesu am Kreuz.

            Das Sterben Jesu am Kreuz dauerte drei Stunden (von Mittag 12 Uhr bis 3 Uhr nachmittags).

Während ER starb, betete er sieben Worte – jeweils nur 1 Satz: Matthäus 27, 46; Markus 15, 33; Lukas 23, 34.43. 46; Johannes 19, 26-27.28.30. (Ein Streichquartett von Joseph Haydn hat den Titel „Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz“). Der Tod von Jesus war ein wirklicher Tod – deshalb folgte auch die Beerdigung. Im Glaubensbekenntnis steht: „gestorben und begraben“. Nichts im Leben Jesu ist so präzise dokumentiert wie Sein Sterben. Sein Sterben hatte Bedeutung für das ganze Universum – und wurde von kosmischen Ereignissen begleitet: eine Sonnenfinsternis dauerte 3 Stunden (von 12 bis 15 Uhr, während Seiner letzten Stunden). Im Moment Seines Todes zerreißt der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel, es folgt ein Erdbeben, Gräber taten sich auf in Jerusalem. Die Erlösung (für die Menschen und für den Kosmos – Römer 8, 19-23) ist vollbracht. Das alles ist ein großes Geheimnis: Christus stirbt stellvertretend den Opfertod (als Strafe für die Sünden der Menschheit – Jesaja 53, Vers 5). Durch den Kreuzestod von Christus gibt es Vergebung der Sünden, Befreiung von der Macht des Teufels, - ein neues Leben, das ewig währt (neu geschaffen! – 2. Korinther 5, 17).

 

·         „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“  (Matthäus 27, 46 und Markus 15, 34)

Das erste Gebet vom Kreuz offenbart das Schlimmste, das uns im Leben widerfahren kann:

dass man sich von Gott total verlassen fühlt. Auch Jesus hat das erfahren. Wie oft ist schon durch die Jahrtausende – bis heute - das „Warum?“ zum Himmel gestiegen – und es kam nie eine Antwort. Auch Jesus fragt „warum?“ und bekommt keine Antwort. Das kann uns eine Hilfe sein. ER betet: „Mein Gott“ und nicht „Du Gott!“. Die Verbindung zu Seinem Vater ist nicht unterbrochen. ER betet den 22. Psalm, in dem später ganz andere Verse kommen: „Gott hat nicht verachtet das Elend des Armen ... und als er zu Ihm schrie, erhörte Er es“ (V.25). „Dich will ich preisen in der großen Gemeinde“ (V.27). Das Ende des Psalms klingt ganz anders als der Anfang. – Das ist das erste Gebet vom Kreuz – aber nicht das letzte. Jesus hört nicht auf mit dem Beten. Jesus betet weiter – auch wenn die Schmerzen noch größer werden.

 

·         „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“  (Lukas 23, 34)

Wem vergibt Jesus? Es sind Menschen, die sich an Ihm (dem Unschuldigen) grausam vergangen haben: der Hohepriester Kaiphas und Pilatus (die beide in ihrem Prozess das Todesurteil sprachen), Judas, der Ihn verriet, - die elf Jünger, die Ihn verließen, Petrus, die Soldaten, der Verbrecher zur Linken. ER spricht sie frei von Schuld. Jesus geht es nicht um Gerechtigkeit sondern um Vergebung. – Vergebung ist das Höchste – nicht Gerechtigkeit. Wenn uns jemand verletzt, beleidigt oder uns sogar das Leben nimmt – und wir dann vergeben: das ist Christus-Art, dann handeln wir wie Christus ( - wir sollen ja Ihm gleichgestaltet werden! Römer 8, 29 – und ER lebt in uns und gibt uns die Kraft zum Vergeben – Philipper 4, 13). Wir sollen für Gerechtigkeit eintreten – aber Vergebung ist wichtiger! Vergeben ist ein Zeugnis für Christus und für die Auferstehung. „Sie wissen nicht, was sie tun“ à sie wissen nicht, dass sie ein Ebenbild Gottes zerstören.

 

·          „Wahrlich, Ich sage dir: Heute wirst du mit Mir im Paradies sein.“ (Lukas 23, 43)

Das antwortet Jesus dem Verbrecher neben Ihm, der Ihn bat: „HERR, gedenke an mich, wenn

Du in Dein Reich kommst.“ Dieser Kriminelle hatte eben gehört, wie Jesus allen vergeben hat und das hat ihn überwältigt à wer vergeben kann, - dem kann man sich anvertrauen! – Wie oft hört man: „Nach dem Tod ist alles aus!“ Der Verbrecher denkt anders, - auch die Ägypter mit ihren Pyramiden (die Grabmäler enthalten Beigaben für die Reise ins Jenseits) und die vielen Religionen. Alle, die bei uns gedankenlos oder sogar als Intellektuelle (in Talkshows über Sterbehilfe) diese These vertreten, bedenken nicht, dass sie zu einer verschwindend kleinen Minderheit der Menschheit gehören. Die meisten Menschen auf dieser Erde denken anders: es gibt ein Jenseits! – Jesus beantwortet die Frage nach dem Jenseits ganz einfach: „Du wirst mit Mir – heute – im Paradies sein!“ Mit Jesus im Jenseits sein – das ich das Höchste, mehr braucht es nicht – und mehr gibt es nicht. Paulus sagt: „Ich werde gerne von dieser Welt Abschied nehmen – und dann bei Christus sein.“ (Philipper 1, 23). Wo Christus ist, da ist der Himmel. Mehr als Christus gibt es nirgends im Universum. Darum heißt es in einem bekannten Lied ganz mit Recht: die goldenen Straßen, das Wiedersehen mit den Freunden und Verwandten, das himmlische Jerusalem mit seinem Glanz, - das ist alles wunderbar, aber „dennoch wird Jesus und Jesus allein Grund meiner Freude und Anbetung sein“ (aus dem Lied: „Wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein ich in die goldenen Gassen zieh ein... “ von Hedwig von Redern).

 

·         „Vater, Ich befehle Meinen Geist in Deine Hände.“ (Lukas 23, 46)

Das ist ein sehr schlichtes Gebet (aus Psalm 31), - fast wie ein Kindergebet. Es ist kindliches Vertrauen, das sich an den gütigen Vater wendet, der für alles sorgt. Aus diesem Gebet – und aus dem ganzen Psalm 31 - spricht die Gewissheit, dass wir bei Gott geborgen sind, - mag kommen, was da will. Der Anfang des Psalms lautet: „HERR, ich traue auf dich, lass mich nicht zuschanden werden, denn Du bist mein Fels und meine Burg.“ – und später: „Meine Zeit steht in Deinen Händen.“

·         Jesus spricht zu Maria: „Frau, siehe, das ist dein Sohn!“ – und zu Johannes: „Siehe, das 

   ist deine Mutter!“ (Johannes 19, 26+27).  Vier Soldaten würfeln unter dem Kreuz um das Gewand Jesu. Aber Jesus wendet sich vier sorgenvollen Frauen zu, unter ihnen Maria, die Mutter Jesu, und Maria Magdalena. Jesus spricht mit seiner Mutter und Johannes. ER geht auf das Alltägliche ein – obwohl ringsherum Gewaltiges geschieht, als wollte ER sagen: „Gib acht auf deinen Nächsten – und kümmere dich mit um seine Sorgen und Nöte! Vergiss nicht die alltäglichen Kleinigkeiten, mit denen jeder in deiner Nähe zu kämpfen hat und hilf mit!“ Wie oft hat Jesus darauf hingewiesen, dass das Kleine und Unbedeutende nicht übersehen werden darf, denn „Gott wohnt bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind.“ (Jesaja 55, 15)

·         „Mich dürstet.“ (Johannes 19, 28)

Es ist das einzige Gebet, das die körperliche Schwäche von Jesus am Kreuz zum Ausdruck bringt. Beim Sterben geht es nicht nur um Gottverlassenheit, Einsamkeit, Sorge um die Angehörigen – sondern auch um den Körper. Auch unser Leib mit all seinen Gebrechen soll mit in die Gebete eingeschlossen werden. Es hat in der Kirchengeschichte immer wieder Gruppen gegeben, die nur auf das Geistige und das Geistliche Wert gelegt haben und die irdischen Bedürfnisse vernachlässigten. So denkt die Bibel nicht. Paulus schreibt: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre!“ (1. Korinther 10, 31). Wir können alle unsere Nöte und Probleme, die kleinsten Dinge des Alltags und die große Politik, in unseren Gebeten vor den himmlischen Vater bringen – wie die Kinder oft auch mit Kleinigkeiten hilflos sich einfach an die Mutter oder an den Vater wenden und bitten: „Hilf mir doch! Ich weiß nicht mehr weiter!“

·         „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19, 30)

Das große Erlösungswerk ist nun vollendet und abgeschlossen. Es ist nichts mehr zu tun.

Jesus hat am Kreuz alles für uns getan, was zur ewigen Seligkeit notwendig ist. Die Menschen meinten oft, dass wir noch etwas tun müssten, aber das ist ein Irrtum. – Es ist ähnlich wie bei der Erschaffung der Welt: „Gott sah an alles, was ER gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. So wurde vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tag Seine Werke.“ (1. Mose 1, 31+ 2, 1+2). Es ist wie bei unseren Gebeten, wenn wir am Schluss das AMEN beten, - das bedeutet: „Nun habe ich alles meinem himmlischen Vater gesagt. ER wird nun arbeiten und für alles sorgen, was ich Ihm ausgebreitet habe. ER hat versprochen, es sehr gut zu machen – wie beim Anfang der Welt (Gott ändert Seine Handlungsweisen nicht!).

 

       Anhang: „In Jesu Namen beten.“

Viele Christen kennen die bekannte Wendung im Johannes-Evangelium, wo Jesus in Seinen Abschiedsreden fünf mal sagt: „Was ihr Mich bitten werdet in Meinem Namen, das will ICH tun.“ (Johannes 14, 13+14; Johannes 15, 16; Johannes 16, 23+26.). Man hört es auch oft am Schluss von Gebeten. Das ist richtig; nur ist es wichtig, dass wir diese Worte Jesu nicht wie eine Formel am Schluss unserer Gebete sprechen und dann damit rechnen, dass wir Erhörung erfahren. Der Grund liegt tiefer. Wir müssen lernen, im Geist von Jesus zu beten. Vor einer großen Menge sagte Jesus: „... lernt von Mir, denn Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ (Matthäus 11, 29). Sanftmut und Demut kennzeichnen auch einen Christen (weil wir Christus gleichgestaltet werden sollen! - Römer 8, 29). An der Demut kann man leicht echte Christen erkennen. Streitlustig sein, immer herrschen und nicht dienen wollen – wer so geprägt ist, der hat nicht den Geist Jesu in sich.   —  Vor den Abschiedsreden wusch Jesus Seinen Jüngern die Füße (das ist Sklavenarbeit! – die letzte Symbol-Handlung Jesu vor Seinem Tod!).

—  Im großen Christus-Hymnus (Philipper 2, 5-11) wird vor allem die Demut Jesu gerühmt: „ER nahm Sklavengestalt an und erniedrigte sich selbst ... darum hat Ihn auch Gott erhöht“).

—  Paulus bekam von Gott den „Pfahl im Fleisch“, damit er sich wegen besonderer göttlicher Offenbarungen „nicht überhebe“ und demütig bleibe (2. Korinther 12).

Demut ist eine Christus-Tugend. Wer im Geist Jesu betet, kann Großes erwarten. Christus hat diesen Betern fünf mal versprochen: „Was ihr bitten werdet in Meinem Namen, das will ICH tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn.“ (Johannes 14, 13).

 

Benützte Literatur: Eugene Peterson „The Word made Flesh – Jesus in His Stories and Prayers.” 2008

 

25. April 2009                                                                                      Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün