15.04.2006 - 02:00 Uhr INTERVIEW Glaube und leichte Muse sind für ihn kein Gegensatz: Gerhard Schnitter hat sein fünftes Musical komponiert Christliche Kunst für alle Sinne GOMARINGEN-STOCKACH. »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an«, hat Udo Jürgens einmal gesungen. mag sein. Bei manchen Menschen hat das Leben aber schon früher angefangen und sie sind mit 66 noch mittendrin. Oder nah dran am Leben wie der Musiker, Komponist, Chorleiter, Produzent und Musiklektor Gerhard Schnitter. 66 Jahre ist er jetzt, und »Nah dran« heißt sein »Musical zum Abheben«, das am Ostersonntag in der evangelischen Kirche in Gomaringen aufgeführt wird. Einschließlich Technik-Team sind insgesamt etwa 40 Mitwirkende dabei - Ehefrau Elisabeth, Tochter Rahel und Sohn David inbegriffen. Es ist das fünfte Musical, das der Stockacher geschrieben hat, alle mit christlichen Inhalten. Über die künstlerische Arbeit, die christliche Botschaft und die Kunstform Musical in der Kirche sprach Philipp Förder mit Gerhard Schnitter. GEA: Ihr neues Musical heißt »Nah dran«. Wo dran? Oder an wem? Gerhard Schnitter: Nah dran an der Wiederkunft Jesu. Ich habe das provozierend so genannt, weil das ja ein Ereignis ist, das auf die Menschheit zukommt. Wir Menschen planen aber nicht dafür. Wir denken höchstens an die Altersversorgung, aber nicht daran, was danach kommt. Können Sie den Inhalt des Stücks kurz skizzieren? Schnitter: Die Hauptprotagonisten sind zwei Geschwister im Teenager-Alter aus einer Patchwork-Familie. Als die Eltern im Urlaub sind, wollen die Kinder auch etwas unternehmen und gehen zum Flughafen, um die Last-Minute-Angebote zu studieren. Von da an dreht sich alles um Reise und Reise-Verführung. Das ist doppeldeutig und hintergründig, denn es geht immer auch um die Frage: Wo führt die Reise des Lebens hin? Die ganze Zeit steht das Geschwisterpaar in der Spannung, wo es hingeht mit der Paradies-Fluglinie oder Hell's Airline. Da gibt es auch sarkastisch-kabarettistische Elemente. Sie haben Melodien und Texte selbst geschrieben. Wie lang arbeiten Sie an einem Musical? Schnitter: Mit diesem Thema habe ich mich zuerst etwas schwer getan. Ich habe die Arbeit daran immer mal wieder weggelegt, und dann mal wieder weitergemacht. Insgesamt waren das mehr als zwei Jahre. Einige Melodien hat mein Sohn David geschrieben, der in der Band mitspielt. Ich hatte zum Beispiel einmal einen Text fertig, ließ ihn auf dem Flügel liegen und habe zu David gesagt: versuch mal eine Melodie dazu. Als ich abends nach Hause kam, war die Melodie fertig. Eine sehr schöne Melodie übrigens. Sie trägt eine etwas andere Handschrift, das hört man. Wenn Sie arbeiten, haben Sie einen Lieblingsplatz, an dem Sie sitzen und sich inspirieren lassen? Schnitter: Schreibtisch oder Alb. Mir kommen viele Gedanken beim Spazierengehen. Oder morgens zwischen aufwachen und wach werden. Auch da kommen oft gute Impulse. Da sehe ich dann plötzlich: So muss das Bühnenbild sein. So kam mir etwa die Idee, die Handlung auf einen Flughafen zu verlegen. Im Titelsong heißt es: Wir sind nah dran am Ende der Zeiten, Wir sind nah dran am Ende der Welt. Sehen Sie die Welt so pessimistisch? Schnitter: So, wie die Welt sich entwickelt, kann es ja nicht weitergehen. Das Ende der Welt aus biblischer Sicht ist aber als Anfang der neuen Welt zu begreifen. So ist es eine schöne Hoffnung, die wir vermitteln. In der Geschichte hat sich gezeigt: Wo Menschen diese Zukunftserwartung haben, da haben sie sich immer besonders stark engagiert. Alles, was Christen im Sozialen bewegt haben, von den Wernerschen Anstalten in Reutlingen bis zur Krankenversicherung, kommt aus dieser Hoffnung: Wir wollen Gerechtigkeit, weil wir eine Zukunft haben. Ihre Musicals beschäftigen sich mit christlichen Inhalten. Das Musical ist aber eine Kunstform, die der leichten Muse zugerechnet wird. Passt das zusammen? Schnitter: Das Musical hat als Form etwas sehr Wohltuendes, weil es viele Sinne anspricht. Eine Geschichte zu erzählen, ist zudem eine originär christliche Ausdrucksform: Jesus hat immer Geschichten erzählt. Die Geschichte, die wir in »Nah dran« erzählen, ist eine heitere, phantastische Botschaft. Deshalb passt das gut zusammen. Außerdem spielt der Tanz bei uns eine ganz wichtige Rolle. Sie führen ihre Musicals, wie jetzt in Gomaringen, immer wieder in Kirchen auf. Gibt es da keine Schwierigkeiten? Schnitter: Bei mir ist es immer akzeptiert worden, vielleicht, weil ich auch ernste Kirchenmusik mache. Ich habe noch nie Probleme gehabt. Sie haben vier Kinder. Können Sie mit ihnen auch in Sachen Popmusik mitreden? Schnitter: Ohne meine Kinder wäre ich sicher weiter weg. Über sie kriege ich die modernen Musikströmungen mit. Das hilft mir sehr.