Ludwig-Hofacker-Jahrestagung
01.02.2003
Lust auf Bibel? Woran hat sich das bei mir entzündet? Ich denke,
zweierlei wirkte da mit, dass es von Anfang an nicht eine Last sondern Lust
war, die Bibel zu lesen.
Das Aha-Erlebnis lag in meiner ersten morgendlichen "Stillen Zeit".
Am Abend zuvor war mir aufgegangen, wer Jesus Christus ist, so hatte ich Ihm
mit Willen und Verstand mein Leben anvertraut. Der erste Gedanke beim frühen
Aufwachen war: jetzt ist die Bibel dran, das gehört zum Leben eines Christen.
Ich stand auf, las und das Wunder geschah: ich verstand, was ich las. Ich
merkte, jetzt und hier redet Jesus Christus persönlich mit mir. In dieser
Morgenstunde packte mich eine unbändige Freude. Auch wusste ich nun: der Herr
hat mein abendliches Gebet angenommen.
Die zweite Hilfe lag im Vorbild unserer Mutter. Irgendwann checkten wir Kinder,
dass die Mutter nicht einfach nur früher aufstand um uns zu wecken, das
Frühstück zu bereiten und zur Schule zu schicken, sondern dass sie sehr viel
früher aufstand und las! Und abends las sie wieder! Wir begriffen, dass sie die
Bibel las. Das gehörte einfach zu ihrem Christsein. - Darum wohl griff auch ich
an jenem Morgen so selbstverständlich zur Bibel, ohne dass jemand mit mir
darüber gesprochen hatte. Nun, das habe ich seit damals festgehalten! Heute
frage ich mich, ob irgend ein anderes Buch mich und Millionen von Menschen
dieser Erde Tag um Tag zu Frühaufstehern machen würde? Das ist auch so ein
Wunder, dass uns die Bibel aus den Federn holt!
Neulich las ich in dem empfehlenswerten Buch: "Meine Bibel - eine
Liebesgeschichte" von Hans Steinacker etwas, was ich nur dick
unterstreichen kann, weil es mir genau so geht. Er schreibt: "Stille Zeit
ist ein kostbares Gut und sollte vor jedem Tageslauf mit seinen banalen
Anforderungen und Aufgeregtheiten erkämpft und mit Krallen und Klauen
festgehalten werden." (S. 65f),
Aber - wird die Bibel nicht allmählich langweilig - so wie Kinder rufen können:
"Kenn' ich schon!" Wie kommt das eigentlich, dass Sie und ich sagen
können: Ich habe immer noch Lust darauf, ja sogar "je länger, je
lieber?" Ziemlich am Anfang meines Glaubenslebens wurden zwei Fragen des
Paulus wegweisend für mich, sie haben sich gleichsam bei mir eingegraben:
Paulus fragte Jesus vor Damaskus: "Herr, wer bist du?" und
"Herr, was willst du, dass ich tun soll?"
Mit dieser Frage kann man auch im AT auf Spurensuche gehen. Es ist faszinierend
zu erkennen, wie unser Herr Jesus dort in allen Stücken vorgebildet ist. Als
Aidlinger Schwester lese ich mit Freuden den sogenannten Bibellesezettel mit
seiner seelsorgerlichen und auf die Lebensheiligung zielenden Auslegung. Aber
ich lese auch konsequent die Bibel fortlaufend, um den großen Zusammenhang zu
behalten, und zum AT und NT parallel. So las ich Anfang Januar wieder diese
seltsam-geheimnisvolle Begegnung des Abram mit Melchisedek: "Melchisedek,
der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes
des Höchsten und segnete Abram...." (1. Mose 14, 18 ff)
Ich kann mich nicht erinnern, es früher schon so gemerkt zu haben, dass hier
zum ersten Mal die Formulierung Brot und Wein gebraucht wird. Jesus stand mir
vor Augen, unser König und Priester, der uns nicht nur so etwas anbietet,
sondern selbst das gebrochene Brot und der vergossene Wein für uns geworden
ist, der sich uns selbst gibt.
Ich schlug daraufhin Johannes 6 auf, wo Jesus davon spricht - aber die
erschreckende Folge war, dass Nachfolger davonliefen. Einen starken,
wundertuenden, Brot schaffenden Jesus? Ja! Da springt Wohlstand,
Lebensbewältigung und ein wenig Glanz für einen selber raus.
Aber Jesus, der für mich leidet - habe ich das nötig? Zieht Er meine Nachfolge
auf diese Spur? Meine ich mit meinem Leben und Dienst wirklich IHN, ist Er
Selbst mir genug - oder hat sich doch klammheimlich etwas verschoben in
Richtung dessen, was Er zu geben hat, was er mir tun müsste? - Darüber konnte
ich im Gebet mit Jesus reden. "Herr, was willst du das ich tun soll?"
Die Melchisedek-Abram-Geschichte ging ja noch weiter. Als nächstes machte der
König von Sodom seine Aufwartung: "Abram, die zurückerbeuteten Güter
behalte, nur die Leute gib mir." Doch, gesegnet von Gott dem
Allerhöchsten, gestärkt mit Brot und Wein durch Gottes Priesterkönig, konnte
Abram dieser Versuchung widerstehen: "Nicht einen Faden, noch einen
Schuhriemen will ich nehmen!" Sehen Sie, wenn wir durch Jesus leben, haben
wir es nicht nötig, haben es Reichs-Gottes-Werke nicht nötig, mit
undurchsichtigen, zweifelhaften Geldern und Gütern oder Gebern aus Sodom ihr
Werk zu treiben.
Vor Abraham war ja Noah dran. Ich las, wie er nach der Flut Weinberge
anlegte, erntete und den ersten Wein trank, der ihn aber betrunken machte. Ham,
der Sohn, sah seinen Vater entblößt im Innern des Zeltes liegen und hatte
nichts besseres zu tun, als das seinen Brüdern mitzuteilen und sich darüber
lustig zu machen. Die aber nahmen ein Obergewand, gingen rückwärts ins Zelt und
bedeckten ihren Vater. Auch dieses Mal griff mir das Ereignis ins Gewissen: Wie
gehe ich mit dem anderen um, gerade dann, wenn er sich eine Blöße gibt, wenn er
schuldig wird? Benutze ich es zu Klatsch und Tratsch, wo man höhnisch mit dem
Finger zeigt? Wo man sich auf Kosten des andern lustig macht? Und dabei
begegnet mir doch schon im AT auf Schritt und Tritt, wie ernst, ja wie heilig
mit der Sünde umgegangen werden soll, bis dahin, dass Jesus selbst sie auf sich
zieht und sühnt. - Wie gehe ich mit Versagen und Schuld des Nächsten um?
Und dann - vorgestern Abend - ich selbst verhalte mich falsch, zu stur, zu
unfreundlich. Das geht mit mir in die Nacht. Da erinnere ich mich an das, was
ich ein paar Tage zuvor in einer Predigt las von der Bundeslade im
Allerheiligsten mit der Deckplatte ganz aus Gold. Da hieß es: "Sie deckt
die Gesetzestafeln zu. Die Gesetzestafeln verklagen uns: "Du sollst... du
hast versagt!" Aber das wird golden zugedeckt. Und beim großen
Versöhnungstag wird darauf das sühnende Blut gespritzt. Jesus Christus ist derjenige,
der Versagen zudeckt und uns Deckung gibt..." so weit einmal. (Siegfried
Kettling, Fest- und Abschiedspredigt in Unterweissach am 23.06.2002).
Ich las, die mir sonst spröde vorkommenden Texte im 2. Buch Mose nach und
dankte für die Bedeckung meiner Schuld. Das gab mir die Freiheit, am anderen
Tag auch den Nächsten um Vergebung zu bitten.
Es ist immer wieder neu verlockend, diesem Thema in den Evangelien
nachzugehen. Übrigens, Lust auf Bibel? Ist sie wirklich da? Wann haben wir uns
zum letzten Mal außerhalb der Stillen Zeit, aber in unserer uns frei zur
Verfügung stehenden Zeit der Bibel gewidmet, z.B. mit Hilfe der Konkordanz
etwas erforscht oder anhand eines Kommentars einen schwierigen Abschnitt
bearbeitet? Wann haben wir das zum letzten Mal getan?
Doch zurück zur Bibel, zu den Evangelien. Ich las es im letzten Herbst und
studiere bis heute daran, es im Alltag umzusetzen, diese Worte aus Matthäus 9,
9: "Als Jesus von Kapernaum wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen,
der hieß Matthäus..." Das hat mich nicht losgelassen: Jesus sah nicht
einfach den Zöllner - und damit alles, was dieses Wort eben aussagte. Jesus sah
einen Menschen - und wenn Er einen Menschen sieht, dann sieht er das Edelste
und Schönste, was je aus seiner Schöpferhand gekommen ist. Und wenn Er einen
Menschen sieht, dann sieht er, dass sein wunderschönes Ebenbild versudelt ist -
so wie die Bronzefiguren auf dem kleinen Platz vor unserem Hause eines nachts
mit Farbe verunstaltet wurden. Das muss doch einem Künstler einen Stich ins
Herz geben, wenn sein Werk verschandelt wurde.
Und noch etwas sieht Jesus, wenn er einen Menschen sieht: Er weiß, wie er
selbst sein zerstörtes Ebenbild wieder heil machen kann. Darum spricht er
diesen Menschen am Zoll mit Namen an: Matthäus, und ruft ihn zu sich. Seitdem
mir die, ach so bekannte Geschichte, in dieser Weise begegnete, möchte ich
gerne so sehen lernen wie Jesus, - das passt ja auch zu unserer Jahreslosung.
Das waren gleichsam kurz aufleuchtende Blitzlichter aus meinem Bibellesen. Ich
freue mich täglich darauf, um ganz zu verwurzeln in Gottes Wort, das mir
Durchblick gibt für unsere Welt und Zeit, - las ich da doch tatsächlich neulich
beim weisen Salomo: "Ein König richtet das Land auf durchs Recht; wer aber
viel Steuern erhebt, richtet es zugrunde." (Sprüche 29, 4)
Vor allem aber macht mir das Wort Gottes den Blick frei für Jesus, für seine
Sache und sein Kommen.