Ohne mich könnt ihr nichts tun - ist das wirklich so?

Hermann Hofsäß

Gehalten am 28.10.2007 in Neulußheim

Johannes 15, 5

 

 

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, dass wir auch eingeladen wurden, dass wir hier sein dürfen, dass ihr uns wertgeachtet habt, hier zu sein. Ich möchte mich vielleicht kurz vorstellen. Ich bin 1943 geboren, mitten in diesem furchtbaren Lösungskrieg, wo die Endlösung geschaffen werden sollte, und doch keine Lösung, wo furchtbare Verbrechen geschahen. Ich bin ein Einzelkind. Ich hatte eine sehr dominante Mama. Mein Vater war im Krieg, sie hat mich allein auf die Welt gebracht. Und ich war sehr sensibel. Ich wollte sie immer um Verzeihung bitten, wollte, dass alles gut ist, wollte gut sein, wurde aber immer verhasster auf sie, einfach weil ich unter dem Druck fast zusammengebrochen bin. Ich habe dann bei uns in der Küche mal eine psychologische Abhandlung hingehängt, die hieß: kindliche Fehlentwicklung durch Überbemutterung. Ich hab es zwar begriffen, aber meine Mama nicht.

 

Ich selbst bin jetzt Papa und Opa und habe auch noch meine Mama und noch meinen Papa. Und es ist noch nicht lang her, da hat meine Mama gesagt: - sie wohnt gegenüber - „Komm mal her!“ „Ich komm gleich, Mutti“, sag ich, „einen kleinen Moment.“ „Ich hab gesagt, du sollst jetzt kommen!“ „Ich komm gleich.“ Und dann bin ich reingegangen und hatte schon wieder ein schlechtes Gewissen. Und das sind so Spannungsfelder, in denen man lebt, in denen man groß wird. Und dann habe ich früh Gott gesucht. Ich habe gewusst durch Hitler, durch die Judenfrage, durch die Evolution, dass ich und das Schwache geschützt gewesen sein müssen, sonst hätte in den evolutionären Schritten der Starken, das Schwache nie überleben können. Es gäbe somit heute keine Schafe. Und da habe ich gewusst, dass es etwas geben muss, das das Schwache schützt. Denn nie hätte das Schwache überleben können. All die Schwachen heute auf der Erde wären nicht da. Sie wären aufgefressen von den Wölfen und die Wölfe hätten sich dann auch noch aufgefressen. Und so habe ich dann gewusst, irgendjemand muss Schwaches schützen. Und dann muss es einen Gott geben, einen Gott der Liebe.

 

Und dann habe ich von da an acht Jahre lang Gott gesucht, ohne dass ich irgendwo war. Es ist mir so wichtig, dass ich frei werden konnte. Ich durfte 1966 zum Glauben kommen und hatte gleich auch eine brennende Liebe, so dass ich im Dorf, wo ich geklaut hatte, – Wir sind zwar eine gute Familie, wo so etwas nicht vorkommt, aber meine Mutter hat das nicht gewusst, was ich alles getrieben habe. – wollte ich alles wieder gutmachen und bin rumgerannt. Und die Leute haben gedacht, der ist jetzt verrückt. Die freiwillige Feuerwehr hat mich dann sofort unehrenhaft entlassen, obwohl – ich konnte ihnen gar kein Zeugnis geben, so schnell, die waren schneller wie ich. Dann haben sie mich halt überall rausgeworfen. Da war ich so etwas . . , auch in der Familie. Und dann habe ich auch noch eine Frau geheiratet, Flüchtling. Ich bin Bauer von Beruf. Wir haben zwei Kinder, zwölf Enkelkinder. Und dann hab ich so eine Frau geheiratet, die hat nichts, ist nur Flüchtling. Ein Polacke hat es geheißen im Dorf. Da war ich deswegen auch noch mal unten. Sie hat dann als eine, die aufs Gymnasium ging und eine Beamtenkarriere vor sich hat, einen Bauer geheiratet - und dann auch noch gläubig. Das war natürlich . . Wenn sie sich getroffen hat mit ihren ehemaligen Schülern vom Gymnasium, - Schülerinnen, des war ein Mädchengymnasium-. Was ist dein Mann? Das ist etwas ganz unten, Bauer und gläubig. Und inzwischen sind ihre Mitschülerinnen alle geschieden oder krank, kaputt. Wir haben viel Not durchlebt. Und trotzdem: Not hält jung. Immer nur Sonnenschein gibt Wüste. So wollte ich mich kurz ein bisschen vorstellen, dass ihr wisst, wer ich bin, wenn noch welche hier sind, die mich noch nicht kannten.

 

Ich wollte vielleicht noch beten mit uns. Wollen wir dazu aufstehen, wenn ihr wollt:

Lieber Herr Jesu, ich bin jetzt voll bange. Ich stehe jetzt in der Verantwortung vor dir und ich kann das gar nicht tragen, Herr. Dass ich jetzt dein Wort sage als dein Botschafter, nicht mit hohen Worten und Wichtigtuerei Herr, sondern in Einfalt, in deiner Gesinnung, Herr. Aber dass ich es doch sagen könnte, was wichtig ist für mein Herz, für unsere Herzen. Dass wir doch jetzt vor dir, dem Auferstandenen stehen könnten, Herr, als solche, die Bettler sind, die nichts haben und sich sehnen nach dieser Ewigkeit, nach diesen ewigen Dingen, die wissen, ohne dich können wir nichts tun. Herr, und genau ich bin jetzt so Einer, der so ist. Obwohl ich in meinem Leben so viel ohne dich gemacht habe, muss ich doch sagen, es war nie ohne dich. Wenn du nicht im Hintergrund gewesen wärst, wäre alles Wahnsinn gewesen, alles nur Irren, alles nur Trieb- und Traumwelt, alles nur böse. Aber du machst es gut. Und so danke ich dir, dass ich jetzt hier sein darf und darf alle Verantwortung dir übergeben. Herr, es ist doch deine Sache jetzt, nicht meine, nicht unsere. Trag doch du jetzt die Verantwortung, dass unsere Herzen etwas von dieser Ewigkeit schauen dürfen, von Dir. Amen.

 

Wir haben ja das provozierende Wort „ohne mich könnt ihr nichts tun – ist das wirklich so?“ Dies Wort kommt vor im Johannesevangelium, wo der Herr Jesus sagt: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Und dann sagt er in Johannes 15, die lesen wir mal im Zusammenhang, im 4. und im 5. Vers: „Bleibet in mir und ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von sich selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Das sind so Powersätze vom Herrn Jesus. Das ist ja eine Anmaßung, so etwas zu sagen: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer mich sieht, der sieht den Vater. Was für eine Anmaßung. Keiner hat das je sagen können, kein Stalin, kein Mao, kein Papst, keiner: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Sie wollten es zwar erreichen in ihrer Tyrannenart, dass der Mensch eingeknechtet ist. Aber hier sagt einer Worte, die könnten als Überheblichkeit gedeutet werden, die könnten fast als religiös größenwahnsinnig gedeutet werden. Und doch sagt der Herr Jesus diese Worte in einer absoluten Demut. Hier ist kein Flair von Hochmut. Hier ist keine Atmosphäre, wo man denkt, das ist ein Hochstapler, da ist einer, der gibt an und da ist nichts dahinter.

 

Denn gleichzeitig sagt er: Ich bin nichts, der Vater ist alles. Dieses Spannungsfeld. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer mich sieht, der sieht den Vater. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Diese Powersätze. Diese Anmaßung. Wir könnten doch sagen: guck in die Welt: Es werden doch Häuser gebaut ohne Jesus; es wurde Politik gemacht ohne Jesus; es wird geheiratet ohne Jesus; es wird geliebt ohne Jesus; es wird gehasst ohne Jesus; es wird gemordet ohne Jesus; es wird Politik und Weltwirtschaft gemacht ohne Jesus; es werden Kirchen gebaut ohne Jesus; es werden Gottesdienste gemacht ohne Jesus; es werden soziale Programme gemacht ohne Jesus. Und doch sehen wir, wo das alles hinführt. Kommt der Mensch, in seinem autonomen Verhalten, in seinem selbstherrlichen Verhalten, auf den Punkt, wo er das Ziel erreichen könnte? Ein Großer dieser Welt hat gesagt bevor er starb: Ich war ein Narr! Ohne mich könnt ihr nichts tun. Sie gehen alle irgendwo in die Irre. Irgendwo sind sie am Ende alle hilflos. Goethe hat gesagt: Ich war keinen einzigen Tag in meinem Leben glücklich. Er hat eine Frau gehabt, er hat wie keiner in seiner Zeit das Leben genossen, durchgekostet in allen Variationen. Ich war keinen Tag in meinem Leben glücklich, hat er gesagt. Das sagt der Mensch in seinem Jammer. Ohne mich könnt ihr nichts tun.

 

Und doch hat der Mensch die Illusion, er könnte was tun. Wir glauben an die Ärzte. Natürlich heilen die Ärzte, aber die Ärzte sind nur so weit, dass sie die Menschen nicht mehr sterben lassen, gesund können sie sie aber auch nicht machen. Sie kommen auf keinen Punkt, sie kommen einfach an kein Ziel. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Und dann sagt der Herr Jesus: Ich bin nichts, der Vater ist alles. Dieses Spannungsfeld, so konnte kein Mensch reden. Wenn man sich noch vorstellt: ein Tyrann oder ein ganz Großer! Es hat ein großer Evangelist gesagt: Wir plündern die Hölle und füllen den Himmel. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Vielleicht macht er es genau umgekehrt, dieser Evangelist, plündert den Himmel und füllt die Hölle. Wer weiß. Was weißt du? Was wissen wir? Wie können wir überhaupt die letzten Dinge unseres Seins einschätzen, unsere Traum- und Triebwelt, unser Leben? Wer weiß, was morgen sein wird? Wenn der morgige Tag um ist, dann sagen wir, wir haben ihn im Griff gehabt. Aber wer kann ihn heute für morgen bestimmen? Ohne mich könnt ihr nichts tun.

 

Dann sagt der Herr Jesus, ich bin nicht von mir selbst gekommen, der Vater hat mich gesandt. Diese absolute Demut. Selbst nach der Auferstehung tut er nicht groß. Er hätte in Jerusalem rumgehen können, in die Häuser, durch die Türen und hätte sagen können: Hier bin ich!, vor seinen Mördern, vor dem Hohenpriester. Er blieb in dieser absoluten Größe und dieser absoluten Demut. Das kann kein Mensch. Und hier haben wir einen Maßstab, der ist einfach vorgegeben. Kommet her zu mir alle, sagt er, die ihr mühselig und beladen seid und lernet von mir, ich bin von Herzen demütig. Lernet von mir. Was sollen wir lernen? Diese Demut. Wo Demut ist, gibt es Vollmacht, Vollmacht in der Armut. Der Mensch denkt genau umgekehrt. Er denkt, wenn ich groß tue, wenn ich was darstelle, wenn ich … Ich habe überlegt: soll ich einen Kittel anziehen, so ein schönes Theaterjacket? Und dann habe ich das angehabt und dann hab ich gedacht, ich will doch ein bisschen legerer kommen. Und dann denk ich: wenn ich aber schlecht bin in der Predigt, dann hab ich wenigstens eine würdevolle Kleidung. Irgendwas muss ich ja darstellen. Und wenn ich innen nichts hab, muss ich was außen machen. Das ist der Mensch, der sich äußerlich verzehrt. Je weniger wir innen haben, je mehr brauchen wir außen, um etwas darstellen zu können.

 

Ohne mich könnt ihr nichts tun. Aber wir können doch was tun, ohne ihn: Wir können hassen, wir können Ehen scheiden, wir können schmutzige Gedanken haben, ohne dass wir sie kontrollieren. Ich habe hier fünfzig Punkte, was der Mensch alles tun kann ohne Jesus: Ehrsucht, Unwahrhaftigkeit, Unversöhnlichkeit, Geiz, Neid, Hochmut, Sorgengeist, Weltlust, Selbstgerechtigkeit, Sündenliebe, Unkenntnis über Gott, Lauheit, Eigenliebe, Halbheit, geteiltes Herz, Unentschiedenheit (das war ich immer, ich hatte immer Komplexe), Lieblosigkeit, Oberflächlichkeit, Habsucht, Fleischeslust, Gier, Gewalttat, mangelndes Rechtsempfinden, seelisches Wesen, Gefühlsduselei, Schwarmgeist, Verlogenheit, Meineidigkeit, falsches Zeugnis, Hass, Mord, Verharrenwollen in Hurerei und Ehebruch, Enttäuschung, Angst, Verbitterung, Ungehorsam, Eigenwille, Ehrfurchtslosigkeit, Widerspenstigkeit, Feigheit, Lügengeist, Treulosigkeit, Zauberei, Augenlust, Besessenheit, Umgang mit Gottesfeinden, Heuchelei, Fluchen, Übermäßigkeit in Essen und Trinken, Menschengefälligkeit, Murren, Undank. Das können wir alles ohne Jesus. So ist der Charakter des Menschen.

 

Der erste Gottesdienst, das erste Opfer, das zwei gemacht haben, führte zum Mord. Da wurde nicht irgendwas Weltliches, Sündiges getan. Da wurde ein Opferdienst gemacht. Und da war schon Konkurrenz da, weil Gott einen bevorzugt hat, den Schwächeren. Sartre sagt, wir sind verdammt zur Freiheit. Das ist der Kain, in das Land Nod zu gehen, verdammt zur Freiheit. Das wird heute gelebt. Der verlorene Sohn ist verdammt zur Freiheit, indem ihn der Vater gehen lässt. Aber in dieser Verdammnis darf er heim kommen irgendwann einmal. Und dann kann er sagen: Ohne dich kann ich nichts tun. Aber da hat er gemeint, er könnte etwas tun. Hätte ja auch sein können, dass der verlorene Sohn Karriere macht mit dem Geld. Ich denke, ihr kennt alle die Geschichte vom verlorenen Sohn. Die steht in der Bibel. Da hat ein Vater zwei Söhne und der eine von ihnen hat dann das Geld gefordert: Gib mir mein Erbteil, ich will gehen. Papa, du bist gestorben für mich. Wenn man erben will, muss ja der Erblasser sterben. Papa du bist gestorben. Gib mir mein Erbteil. Und der Papa gibt’s wider die Natur. Das würde ja normal niemand machen. Ich verstehe Gott nicht. Logisch ist das nicht.

 

Aber so muss Gott laufen lassen in die Freiheit, auf dass wir unsere Gebundenheit erkennen und unser Herz erkennen. Aber es hätte doch auch passieren können, dass der verlorene Sohn mit dem Erbe loszieht und es nicht mit Freunden durchbringt, verprasst, so dass er am Ende bettelarm wird. Hätte doch auch sein können, er macht Karriere mit dem Geld, er legt es an, er macht große Dinge, vielleicht gründet er sogar eine Bibelschule oder große Missionswerke, baut Kirchen, finanziert große Evangelisationen und wäre dann heimgekommen zum Papa. Wir sehen doch, es kommen auch zum Herrn Jesus Menschen die sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, Wunder getan, Dämonen ausgetrieben und der Herr Jesus sagt: Weicht von mir ihr Übeltäter. Ohne mich könnt ihr nichts tun, weil alles in Hochmut endet. Lernet von mir, ich bin demütig. Das kann niemand in sich selbst. Diese bescheidene Art, diese Einfaltsart, das kann keiner. Der Herr Jesus sagt, ich bin. Oder Gott stellt sich ja auch vor Mose und sagt, ich bin, der ich bin, der Ewigseiende, der Unveränderliche. Ich muss mir das „bin“ nicht mehr aneignen. Der Herr Jesus sagt, ich bin Liebe. Die ist sein Wesen. Das ist seine Charakterart, das muss nicht erst anerzogen werden.

 

Wir müssen ja erzogen werden. Die Eltern ziehen ja die Kinder groß – Gott zieht sie klein. Das ist ein ganz anderer Weg. Das ist eine ganz andere Dimension. Großgezogene Kinder, diese angeberische, affige Art. Da denkt man manchmal, man stammt wirklich davon ab. Aber so affig sind die Affen nicht. Ich wollte nur klarmachen, der Mensch, der autonome Mensch, demütig, klein, schlicht wie der Herr Jesus; die größte Fülle und die größte Armut, Schlichtheit. Lernet von mir, ich bin von Herzen demütig. Wer kann das lernen? Die mühselig und beladenen. Andere lädt er nicht ein. Wir haben eben die Punkte vorgelesen. Wenn ich die Punkte auf mich wirken lassen, dann bin ich nur noch mühselig und beladen. Da kann ich nur noch sagen wie Paulus: Ich elender Mensch! Aber das ganze Unkraut kann nur einer herausholen aus unserem Herzen. Nur einer kann uns frei machen, nur einer uns so recht frei machen. Dostojewski sagte: „Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt.“ Das hat Sartre übernommen und gesagt: „Dann müssen wir neue Werte erfinden.“ Dann sagt Sartre sogar: „Dann müssen wir einen Gott erfinden.“ Wir schaffen Gott ab, aber ohne Gott geht’s nicht, weil es dann keine Werte mehr gibt. Denn mit Gott schaffen wir Barmherzigkeit ab, Liebe, Treue. Die anderen Begriffe, die fünfzig gegenüber, wie Ehrsucht, frei gelebt. Und dann sagt der Religionsphilosoph Martin Buber: „Nein, Sartre, Gott kann man nicht erfinden. Den kann man nur finden.“

 

Die meinen, sie könnten Gott erfinden und können den ewigen Gott abschaffen, - wir haben heute das Resultat - die Menschen werden verrückt. Die Menschen können sich selbst in dieser Freiheit nicht mehr verkraften. Mir hat ein Mädchen gesagt, die als Single wohnt: Hermann, ich werde verrückt in meiner Wohnung. Die Wände reden mit mir oder schweigen mit mir. Ich werde verrückt. Und heute haben wir es einfacher. Heute können wir die ganze Welt reinholen in unsere Einsamkeit. Ich hab manchmal gedacht, wenn wir alle Handys jetzt abschaffen würden, Fernsehen, Computer, alles was nach draußen möglich ist, abschaffen würden – in Deutschland vielleicht sogar noch den Strom – das wäre eine Katastrophe, die Menschen würden das nicht aushalten. Die würden innerhalb weniger Tage so die Psychiatrien überfluten, dass die Plätze nicht ausreichen würden. Wir haben hier in Rheinland-Pfalz vor zehn Jahren drei Psychiatrien gehabt. Ende letzen Jahres wurde die 43. eingeweiht, eine Kinderpsychiatrie. Der Andreas Wetzstein ist Rettungssanitäter. Er sagt, in der Woche holt er ein Mal ein Kind aus der Schule in die Psychiatrie ab. Die Kinder werden schon krank.

 

Heute haben wir mehr einen evangelistischen Gottesdienst und da haben wir gedacht, wir wollen das einfach mal ein bisschen aufzeichnen, unsere Position. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Natürlich können wir ohne Gott – verzweifeln, irregehen, das Spannungsfeld nicht mehr aushalten. Verdammt zur Freiheit, verlorener Sohn. Er wäre auch verdammt gewesen, wenn er Karriere gemacht hätte ohne den Papa. Auch dann hätte es ihm nichts genützt: Weichet von mir ihr Übeltäter, ich habe euch nie erkannt. Alles, was nicht in Demut geschieht, ist Sünde, weil es in Konkurrenz geschieht. Wir sehen das bei Kain und Abel, da ist immer Konkurrenz.

 

Wenn einer Erfolg hat, dann gibt der an und der andere wird krank daran. Kierkegaard hat gesagt, die größte Katastrophe ist, dass der Mensch vergleicht. Wird ein Mädchen mehr beachtet von den Jungs, so von den Augen, das merken die anderen ja. Und die sagen sich, da muss ich auch was machen, damit ich beachtet werde, ich stehe im Abseits. Ständig laufen Konkurrenzkämpfe ab. Wir waren mal auf einer Hochzeit. Das Brautpaar dort war schon sehr glücklich und dann haben sie auch mal Händchen gehalten. Und da war auch ein wunderbarer Chor, mit lauter hübschen Mädchen. Und der Andreas war mit und er hatte so einen Fotoapparat, da kann man die Bilder beiholen. Ich sag: Andreas, schau mal, da läuft ein Film ab. Was? Schau doch mal die Augen von diesen Schwestern da im Chor, wie die da voll Gier auf die Braut gucken. Und da hat er gesagt: Hermann! Und dann haben wir angefangen sie zu fotografieren. Ich habe die Bilder leider nicht dabei. Das könnt ihr euch nicht vorstellen, was da ein Neid, eine Gier, eine Missgunst war – hier könnte man alle Worte benutzen. Ohne Jesus, ohne Jesus sind wir nicht zufrieden, wünschen wir uns ständig etwas anderes. Wir trinken Kaffee und denken ans Mittagessen; wir sind bei der Arbeit und denken an den Urlaub; wir sind im Urlaub und denken an die Arbeit; wir sind bei unserer Frau und denken an eine andere. Wir können gar nicht mehr ruhen. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Aber es ist doch eine Ruhe Gottes vorhanden. Es muss doch was vorhanden sein, etwas, dass uns rausreißt aus diesem Machtbereich der Finsternis.

 

Ich war sehr verzweifelt im 15. Lebensjahr und ich hab sehr gern getanzt. Ich konnte acht Tage durchtanzen. Das war zu meinem Vorteil, so kann ich heute auch acht Tage durchevangelisieren. Wir haben es ja erlebt in Moldawien. Wir sollen ja unsere Leiber darbringen. Und viele Christen waren früher fit als Weltliche und dann bekehren sie sich und sind plötzlich lahme Enten. So etwas geht nicht. Seid so fit für Jesus wie ihr es in der Welt auch wart. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Ich sehe heute gar nicht so sehr die äußere Sünde, das Anziehen, oder das Benehmen, also das, was nach draußen dringt, sondern einfach die Herzensdinge, unsere Charaktereigenschaften, unsere innere Welt. Ich hab immer die beneidet, die kalt und hart sind. Ich habe mir gewünscht, dass ich endlich, wenn meine Mutter mich gepackt hat und hat mir so ins Gewissen gestochen und mir ständig ein schlechtes Gewissen gemacht, das nicht mehr wahrnehmen würde. Aber dann habe ich gedacht: Nein, dann nehme ich ja auch das Schöne nicht wahr. Dann kann ich mich auch nicht über einen Schmetterling freuen, dann werde ich irgendwie tot. Wenn ich das, was mich provoziert, nicht wahrnehme, nehme ich auch das nicht wahr, was mich heilt, was mir Schönes gibt. Das ist der neutrale Mensch heute. Sie können sich ja nur noch freuen, wenn sie getrunken haben. Geht einmal in eine Arztpraxis, in ein Büro. Irgendwo in diesen Räumen sitzen diese souveränen, lächelnden Menschen da. Immer souverän und strahlend. Das sind Menschen, die stehen oft vor dem Selbstmord. Immer dieses Flair der Souveränität, des Happyseins. Wenn man da ins Herz gucken könnte.

 

Und jetzt sagt aber der Herr Jesus: Er nimmt an, er befreit, er begnadigt, er beruft. Das sind alles Worte, die stehen gerade im Kolosserbrief. Und weiter: er beschenkt, bestärkt, erkauft, erlöst, ermutigt, erneuert, heiligt, reinigt, segnet, rettet, trägt, tröstet, macht würdig, versöhnt. Das sind Dinge – hier ist es fast befreiend, dass wir ohne ihn nichts tun können, sondern dass er was tut, dass er ein kaputtes Leben schön macht, dass er es wertvoll macht. Ein Objekt bekommt seinen Wert durch den, der es liebt. Egal wie das Objekt aussieht. Hat ein junges Mädchen einen Mann geheiratet, der ist querschnittsgelähmt, aber sie liebt ihn. Das sind ganz liebe Geschwister. Er ist für sie der Schönste, im Rollstuhl. Andere haben die schönsten Playboys, aber sie können gar nicht lieben. Da hat das Objekt keine Schönheit. Aber bei uns Menschen läuft es heute – wie Paulus im Korintherbrief sagt: je mehr der äußere Mensch verdirbt, je mehr wird der innere erneuert – bei uns läuft es heute genau umgekehrt. Wir machen den äußeren Menschen ständig schön, erneuern ihn, aber der innere verdirbt. Das sind einfach Fakten. Ich will nicht irgendwie ein Chaos erzeugen, oder Depressionen schaffen, indem ich hier diese Dinge aufzähle, aber es ist einfach de facto so.

 

Aber wie kann ich zum Licht kommen, wenn ich nicht weiß, dass ich in der Finsternis bin? Ich stehe vorm Abgrund und morgen stürze ich ab. Heute ist ja eine Zeit wo man Menschen anspricht, zur Evangelisation oder sonst irgendwie ein Gespräch mit ihnen führt, und sie stehen vor dem Abgrund und man fasst sie deshalb ein bisschen stärker an und sagt: Horch! Nicht! Keinen Schritt weiter, sonst stürzt du ab! Dann ist er böse mit dir. Er sagt: Es ist nebelig, ich sehe keinen Abgrund. Dann sind sie böse mit dir. Du hast ihn zu hart angefasst. Das ist das Problem. Aber nicht das Abstürzen im nächsten Augenblick. Ohne mich könnt ihr nichts tun. Der befreit, nimmt an, begnadigt, beruft, reinigt, heiligt, rettet, segnet, trägt, tröstet, macht würdig, versöhnt. Ach, sind das Worte. Hat jetzt ein Deutscher, Hans-Christian Neuert, ich kenne ihn nicht, ich habe mir das aus der Zeitung abgeschrieben, ein deutscher Dichter, geschrieben: Man ist erwachsen, wenn man sich hinter sich hat. Die Leute wissen ja alle, was läuft. Es ist ja nicht so, dass die Leute nicht Bescheid wissen, die denkenden Leute. Ich bin frei, wenn ich mich verlassen habe. Da geht es heute drum. Und auch das geht nur mit Jesus: Ohne mich könnt ihr das nicht vollziehen.

 

Freiheit schaffen, wo Gebundenheit ist, endet wieder in der Gebundenheit. Ich mache nur einen Rollenwechsel. Ich tausche nur. Ich habe hier so ein schönes Gedicht:

 

Je heller die Städte, je dunkler die Herzen,

trotz allem Geflimmer der Sterne und Kerzen;

noch nie hat der Flitter und Tand dieser Welt,

die Finsternis seufzender Seelen erhellt.

 

Der Friede, die Stille sind völlig entschwunden;

die Menschen verbluten an heimlichen Wunden,

und nirgends ein Helfer, der Seele und Geist

dem Sog des Verderbens der Erde entreißt.

 

Und doch winkt ein einsamer, heiliger Rufer,

herübergekommen vom anderen Ufer,

der liebend den Ärmsten sich naht voller Huld

als Retter und Löser aus Sünde und Schuld.

 

Der Schöpfer ist selber im Sohne gekommen,

hat alles Verderben ans Fluchholz genommen

und wirbt jetzt um jeden, dass Sühnung und Heil

und Friede und Freude ihm werde zuteil.

 

Knie nieder und rufe den heiligen Namen,

in Ihm ist das Ja, und in Ihm ist das Amen;

Sein Kreuz ist die Rettung aus jedem Gericht,

denn Jesus ist Liebe und Leben und Licht!

 

Die Hölle ist kein Gericht Gottes, sondern es ist die logische Fortsetzung. Das Gericht Gottes ist auf Golgatha geschehen. Gott braucht uns in der Hölle nicht zu richten. Wenn wir an Golgatha vorbeilaufen, laufen wir automatisch, in der logischen Fortsetzung, auch vorbei an dem „Ich bin das Leben, die Wahrheit und die Auferstehung“. Auch hier gibt es einen Weg und wir kommen automatisch dorthin. Hier braucht Gott nichts zu machen. Hier steht er nur, wie ein Bettler könnte man fast sagen, am Weg: Kommt doch! Manche legen das so aus, als wenn Gott ein Bettler ist. Aber man muss auch wissen, was für ein Bettler. Die höchste Autorität. Der Herr Jesus, der sagen konnte, ohne mich könnt ihr nichts tun, der gleichzeitig sagen konnte, ich bin gar nichts. Die höchste Autorität macht sich zum Bettler. Er könnte sogar an deinem Weg stehen, an deiner Tür, und um Einlass bitten, wie im Hohelied: Mach doch auf, Sulamith! Er könnte auch reingehen in die Tür und wenn du nein sagst dich mit dem Hauch seines Mundes vernichten. Er hat die Machtfülle, aber er tut’s nicht. Er erniedrigt sich zum Bettler für seine Geschöpfe. Der Schöpfer wird Bettler. Der ewige Richter wird gerichtet. Das Leben geht in den Tod. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Aber zuerst ist er für dich in den Tod gegangen, auf dass du leben kannst, und zwar in der Fülle, unausschöpflich. Keine Religion hat diese Gedanken. Kein Buddha, niemand hat sagen können – ich hab das Zitat von Buddha hier, was er gesagt hat am Schluss: „Ich hab es nicht geschafft.“ Sartre: „Ich bin gescheitert.“ Kaiser Augustin: „Hab ich meine Rolle gut gespielt? Nun, so klatscht Beifall, denn die Komödie ist zu Ende.“

 

Die Lebenskomödie ist zu Ende irgendwann. Das ist nicht mit dem Tod getan. Ich habe für meine Mama immer so einen guten Bub gespielt. Ich musste ständig gut sein, ständig der Druck. Man ist ja ein Lausbub, das ist ja was ganz normales, dass man mal ausbrechen muss. Wir sind doch so. Der Vater lässt doch auch seinen Sohn jetzt mal raus. Unsere Enkelchen tue ich generell so führen, dass ich sie fordere. Oder wenn ich sehe, unser kleiner Boas, der hat gerade laufen können und ist auf dem Hof rumgelaufen bei uns. - Wir haben noch Tiere, ein Pferd, Olga heißt sie. Jetzt haben wir noch eine Ziegenfamilie gekauft, zur Freude der einen, auch einen Ziegenbock. Aber, na ja gut, wir sind am diskutieren über den Geruch. Aber plötzlich, ist doch schön, plötzlich sehen die Menschen einen Ziegenbock nicht nur im Fernsehen, sondern live. Da haben sie viel mehr von ihm. Im Fernsehen hat man kein Geruch vom Ziegenbock. – Und da haben wir einen Misthaufen und da läuft der kleine Boas, kann kaum laufen, und ist am Rand und da ist ja das Stroh und der Mist da drin, da passiert ja nichts. Ich hab mich schon gefreut, der fällt jetzt rein. Kinder müssen früh fallen lernen, dass sie erleben können, sie werden von den Eltern aufgehoben. Ich stand also da und habe gewartet, der fällt jetzt ins Stroh und der Opa kann ihn aufheben. Er kann ihn rausziehen aus der Grube. - Die Kinder können sich ja gar nicht mehr bekehren. Sie wissen ja gar nicht, dass Gott uns aus der Grube reißt, weil sie so überbewahrt sind. Lausbub unter Denkmalschutz. Von Zarewitsch wird gesagt in der Operette: Im goldenen Käfig sitz ich hier. Der ist eingesperrt im goldenen Käfig. Dem passiert nichts, der wird aber verrückt da drin. Überbehütet, überbewahrt, krank gemacht. - Und da kommt dann meine Frau raus, und Frauen sind halt so, dass sie Angst haben, und schreit und nimmt mir den Bub weg. Das schönste Erlebnis hat sie mir genommen und dem Bub. Vielleicht könnt er einmal sagen: Opa, dort hast du mich rausgeholt und so hab ich mich jetzt bekehren dürfen. Gott hat mich jetzt aus dem Misthaufen meiner Sünden geholt. Unsere Gesellschaft macht krank, unfähig zum Glauben. Man kann die Dinge, es wird gar nicht mehr so gelebt, dass der Mensch auf den Punkt kommt. Komödie.

 

Und so hab ich meiner Mama immer einen guten Bub gespielt. Immer ein schlechtes Gewissen. Gut, es hat mich zu Gott getrieben. Aber ich bin jede Nacht, wenn bei uns Tanz war, immer so um elfe oder zwölfe, wenn die Eltern geschlafen haben, bin ich runter, - da gab es eine Treppe, und zwei drei Stufen haben geknarrt, aber ich hab nie was gehört, – bin raus und fort. Aber ich hab gewusst, so wie es Gott gab, ihm kann ich nicht ein Leben lang einen Frommen vorspielen. Das geht nicht, diese Komödie. Ich kann nicht dieses fromme Theater spielen. Und wir spielen es ja alle. Ob hier drin, ob in Kirchen oder überall, dieses fromme Theater.

 

Ich war jetzt in einer großen Russlanddeutschen-Gemeinde und dort habe ich einen jungen Mann beobachtet. Es war Jugendstunde und er war mir so aufs Herz gelegt. Und dann am Sonntag nach dem Gottesdienst sagte ich ihm: „Du, ich möchte einfach mit dir sprechen. Ich hab Angst du bist krank im Kopf. Was machst du?“ „Ich studiere theoretische Physik. Weißt du, Hermann, kann ich reden?“ „Ja.“ „Aber es ist schon schlimm, was ich zu reden habe. Wenn man einen Kochtopf nimmt, der unter Druck steht, und man macht den Deckel auf und es kommt alles auf einmal raus, da gibt es viel Dampf und man kann selbst dabei verbrennen. Weißt du, Hermann, ich habe im Internet schmutzige Sexfilme geguckt, aber es hat mich angeekelt, will ich nicht. Ich gehe eigentlich nur noch in die Gemeinde wegen der Sittlichkeit, der Moral, wegen den wunderbaren Dingen da, die in der Bibel gesagt werden. Aber ich glaube nicht mehr an Gott.“ „Warum?“ „Wenn es einen Gott gäbe, der kann doch das nicht aushalten, dies fromme Theater der Frommen. Aber der ist doch überall. Der müsste doch hier dreinschlagen.“

 

Gut das ist keine Begründung, aber trotzdem hat mir das viel zu sagen. Ich gehe in die Gemeinde, aber ich kann nicht an Gott glauben. Aber das soll doch uns nachdenklich machen. Gott hält es aus, unseren Irrweg. Der Vater von dem verlorenen Sohn hält es aus zu warten. Das ist doch wunderbar. Wir brauchen damit ja keinen Mutwillen zu treiben und dann einfach nur sagen, na ja, er hält es ja aus. Dann kann es ja so weiter gehen. Aber irgendwann muss man doch sagen . . . Manchmal denk ich, ach, ich wünsch mir so, dass ich wertvoll sein kann. Nicht stolz. Und dann denk ich, ach du bist so ein erbärmlicher Wurm. Aber genau in dieser Stellung spricht auch Gott zu uns: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Ich wünsche mir jetzt so sehr, dass wir das alles erkennen können, dass wir mühselig und beladen sind und ohne ihn nichts verändern können. Dass wir jetzt zu ihm kommen. Aber jetzt bringt er dir keine Kraft. Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. In der Demut können all die Dinge überwindbar gemacht werden, nur in der Demut. Er gibt den Müden Kraft, nicht dass sie dann stark sind und Gott nicht mehr brauchen, sondern er gibt den Müden Kraft, damit sie es im Lebenskampf des Müdeseins aushalten. Der Herr Jesus hat Kraft bekommen, nicht dass er herunterstieg vom Kreuz auf Golgatha, sondern dass er es ausgehalten hat. Und wenn er in Jesaja sagt, dass die, die auf den Herrn harren, neue Kraft bekommen, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dann soll das nicht in den Hochmut treiben, sondern er gibt ihnen Kraft, dass sie im Aufstehen in der Demut bleiben können. Das ist Leben. Wer das mal erlebt hat, das ist so etwas Befreiendes. Wer das erlebt hat.

 

Manche spotten ja heute und sagen, ach das immer nur schwache Christentum, das kann ja gar nichts. Aber keiner hat die Kraft es im Leiden auszuhalten. Keiner hat die Kraft, wenn man vielleicht zwanzig Jahre gemobbt wird, zu segnen. Keiner hat die Kraft, seine Feinde zu lieben. In Hosea heißt es so wunderbar, Hosea 13, 14: „Aber ich will sie erlösen aus der Hölle.“ Also hier fängt die Hölle an. Wenn hier keine Erlösung ist, ist die Fortsetzung die Hölle. Die fängt doch hier schon an. „Aber ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erretten. Tod, ich will dir ein Gift sein; Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein! Doch ist der Trost vor meinen Augen verborgen.“ Ich möchte euch jetzt so sehr bitten, oder den Herrn bitten, dass er uns das offenbart, dass dieser Trost, ohne mich könnt ihr nichts tun, uns trösten kann. Dass du errettet werden kannst aus Hölle und Tod. Dass du hier einen Freiraum bekommst.

 

Wir wollen jetzt eine Bibelarbeit machen, eine Gegenüberstellung vom Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Ist es gut, auf dem Baum zu sein, wo das Böse in Partnerschaft mit dem Guten ist, das wir anstreben, oder müssen wir einen Baumwechsel machen? Manchmal denke ich, wir sitzen alle auf dem Baum und nehmen ständig das Gute vom Baum des Guten und des Bösen und meinen, jetzt haben wir das menschlich Gute, Humanismus, Ethik, Moral, Sittlichkeit. Und Paulus sagt: Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Das ist alles Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Hier sitzen wir und wollen ständig konkurrieren und feststellen, wer ist auf dem Baum der Bessere. Wir sitzen doch alle dort. Oder, ich habe jetzt angefangen zu beten, dass ich herunterstürze, um zum Baum des Lebens zu kommen, dass dort ein Rollentausch geschieht, etwas Neues geschieht. Das ist keine Utopie. Und da habe ich mich jemandem mitgeteilt. Da sagt der: Das wird langweilig. Nur noch Liebe, nur gut? Kein Hass mehr? Das ist doch Spannungsfeld, Hass und Liebe. Aber am Schluss ist ja dort auch nur noch ein Baum, nur noch Hass. Es bleibt ja nicht im Spannungsfeld, sondern es bleibt ja nur noch das bloße Verderben übrig.

 

Unserer Tochter hat ein Mädchen gesagt, eine Freundin bei der Ausbildung, die hat dann vier Freunde hinter sich gehabt und der fünfte hat sie verlassen. Die hat dann geweint und dann hat sie einen neuen bekommen. Und dann hat sie unsere Tochter Mirijam gefragt: „Mirijam, wie kann ich jetzt feststellen, ob der es jetzt ehrlich mit mir meint?“ Das ist doch die Frage. Wo kann ich noch Ehrlichkeit bekommen? Wo ist etwas Verbindliches? Wo ist Treue? Wo ist Reinheit? Wo ist Schönheit? Ohne mich könnt ihr nichts tun. Nur bei Jesus. Nur bei Jesus werden all diese Dinge gestillt. Da werden Werte geschaffen, Herzenswerte. Äußerlich können wir uns schon schön machen. Ich hab jetzt in Kasachstan etwas gesehen, das hab ich ja noch nie gesehen. Dort in Kasachstan waren wir auf einem riesigen Markt und da werden so was wie Kontaktlinsen verkauft, also Linsen, dass man die Augenfarbe ändern kann. Jetzt fangen sie schon an, die Augen schön zu machen, weil ich hab immer gepredigt, die Frauen können sich schön machen, und schön machen und schön machen, aber wenn man in die Augen guckt, sieht man, was im Herzen los ist. Und jetzt machen sie schon in die Augen Kontaktlinsen rein, dass es aussieht, als wären sie glücklich. Jetzt kann man die Augen schminken. Ich hab immer gedacht, die Augen kann man nicht schminken.

 

Wir haben einmal evangelisiert und da haben wir davor eingeladen und sind durch die Straßen gelaufen und da haben wir auch ein Mädchen angesprochen. Da hab ich gesagt: „Komm doch, heute ist eine Evangelisation.“ „Danke, ich komm.“ Dann geht sie weg. Sie kam von der Arbeit, schön zurecht gemacht, so mit Sonderlackierung und Spoiler und Pastellfarben und alles, was heute dazugehört. Und dann renn ich ihr nach und sag: „Horch, du musst kommen. Ich hab deine Augen gesehen, du bist so schön, du bist so schön geschmackvoll zurechtgemacht, noch schöner, als Gott dich haben wollte, aber du hast Not in deinem Herzen. Was ist denn los? Du musst kommen. Deine Augen verraten dich. Deine äußere Schönheit ist nicht deine Innere.“ Da sagt sie: „Ich bin jetzt ein halbes Jahr verheiratet. Jetzt suche ich Gott. Ich komme vielleicht.“ Ein halbes Jahr Glück und dann sucht man Gott, weil es kein Glück war. So könnte man das alles fortführen. Ich weiß nicht, ist es schon zwölf? Es ist schon zwölf.

 

Ich möchte noch kurz vom Goethe zitieren. Goethe, dem es vergönnt war, in einem langen Leben alles zu genießen, was die Erde zu bieten hat, lässt uns in sein Herz hineinschauen, indem er in Faust bekennt: Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne und von der Erde jede höchste Lust, und alle Näh’ und Ferne befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. Der mehr als 80 Jahre Altgewordene schreibt die ergreifenden Worte: Ich muss gestehen, dass ich in meinem ganzen langen Leben nicht einen einzigen Tag wahrhaftig glücklich gewesen bin. Und welcher Schmerz und welche Enttäuschung sprechen aus dem Gedicht:

 

Der du vom Himmel bist,

alles Leid und Schmerzen stillest,

den, der doppelt elend ist,

doppelt mit Erquickung füllest,

ach, ich bin des Treibens müde!

Was soll all der Schmerz und Lust?

Süßer Friede,

komm, ach komm in meine Brust!

 

Ein anderer sagt: Schau ich in Kinderaugen, frage ich mich, ob es das Wert war . . .  erwachsen zu werden. (Damaris Wieser). Wenn du in Jesus Augen schaust, dann schaust du in Kinderaugen. Du siehst dort Kinderaugen und trotzdem ist es die höchste Autorität. Einer, der mit Kinderaugen im Imperativ über dein Leben sprechen kann: Werde frei! Er kann dich frei machen. Er ist nicht einer der im Imperativ sagt: Tu, mach! und wird nicht dahinter stehen. Er kommt in kindlicher Einfalt und sagt zu der verdorrten Hand: Strecke dich aus! So spricht er jetzt zu dir, zu uns: Strecke dich aus zu mir! Komm zu mir! Ich bin demütig, von Herzen demütig. Lernt von mir! Ich gebe dir Freiheit, ich mache dich frei von deinem Egoismus, von deiner Geltungssucht, von deiner Fleischeslust, von deinem hoffärtigen Leben. Ich bin der „Ich bin“, der Ewigseiende. Du kannst mich nicht provozieren mit deiner Sünde.

 

Sartre schrieb ja, ich weiß nicht, ob ihr das kennt, die Ballade oder was es ist, „Die geschlossene Gesellschaft“. Sartre hat ja das Volk erreicht, wie kein anderer in Frankreich und hat die Menschen wirklich dort auch vom wahren Glauben abgebracht. Und trotzdem musste er die Hölle beschreiben, der Sartre. Und die hat er folgendermaßen beschrieben. Da sind drei Menschen in einem hell erleuchteten Hotelzimmer. Und da gibt es keinen Spiegel, das ist ja eine Katastrophe für Frauen. Ich kann mich ja selbst nicht sehen. Wenn ich jetzt zum Wolfgang sage, du bist ein ganz hässlicher Mensch, dann kann er das ja nicht kontrollieren. Der kriegt einen Komplex. Ohne Spiegel kann man den anderen mobben. Ach, das ist eine Dimension. Da kannst du ja deinen Wert nicht erkennen, ohne Spiegel. Jetzt sind also diese drei gestorbenen Menschen dort im Hotelzimmer. Grelles Licht, Tag und Nacht. Dort gibt es eine schöne Frau, eine hässliche Frau und einen Mann. Der Mann will die schöne Frau, die schöne Frau will die hässliche Frau und die hässliche Frau will den Mann. Der Mann will die hässliche Frau nicht. Jeder begehrt etwas anderes und jeder mobbt den anderen, jeder rächt sich am anderen. Und so kämpfen sie miteinander, mit Worten, mit Gesten, mit Diffamierungen, mit Entwertungen. Dann sagt die schöne Frau: Du warst ein Feigling, so einen will ich nicht. Darum bin ich zu Frauen gegangen. Ihr Männer, ihr seid nichts. Du warst schon auf der Erde immer ein Feigling. Darum wurde ich so enttäuscht von Männern. Und so kämpfen sie miteinander. Und auf einmal schreien sie auf: Kommt, lasst uns sterben! Und dann sagt der Mann: Wir sind gestorben. Das ist jetzt die Ewigkeit.

 

Da ist keine Veränderung mehr. Das schreibt Sartre. Welch eine Einsicht in Ewigkeitsdenken. Da haben sogar wir Menschen, wir Gläubigen, Probleme damit uns da reinzudenken. Die Hölle ist nicht die Strafe, sondern eine logische Fortsetzung. Ich will sie erlösen – aus der Hölle. Die ist ja hier. Wir werden nicht in der Ewigkeit aus der Hölle erlöst. Das ist nicht möglich, sondern hier, jetzt ist die Hölle bei dir, bei uns allen. Und ich kann euch eins sagen, ich bin kein Mensch, der hier vorne steht und ein Ochse ist, der nicht selbst das braucht, was ich sage. Ich muss als erstes dies alles essen. Ich erlebe jeden Tag diesen Kampf um Reinheit, um Liebe, um Ehrerbietung für meine Frau. Wir waren jetzt drei Tage weg, von Freitag bis Sonntag, und am Montag sagt die Inge beim Frühstück: Heute waren wir 41 Jahre verheiratet. Wir Männer sind halt so, oder ich bin halt so. Als Bauer hängt man mehr an seinen Stoppeläckern und an seinem Land und an seine Tiere oder was man da hat. Da ist mir das wieder bewusst geworden. Na ja und dann war ich im Globus. Und ich gehe, wenn ich ein bisschen Zeit hab, halt gerne ein bisschen an den Blumenstand und guck mir die gezüchteten Blumen an, die Rosen ohne Dornen. Und dann denk ich, so sind die Gläubigen, alles so gezüchtet und doch nicht echt. Und dann fiel mir wieder meine Frau ein und dann hab ich doch Rosen gekauft. Und dann hab ich überlegt: Was soll ich denn kaufen? Und dann hab ich gedacht, also so, wie ich zu ihr war, da kaufe ich dann fünf rote Rosen, für die Trübsal, die ich ihr bereitet hab. Aber ein bisschen war ich ja auch gut. Und da hab ich dann noch drei weiße Rosen genommen. Also fünf zu drei habe ich mich eingeschätzt. Aber ich glaube, sie hätten alle rot sein müssen. Also es gibt keinen, der nicht von Jesus jeden Tag erfahren darf: Ohne mich kannst du nichts tun. Du kannst nicht einmal einen ganzen Tag lang deine Frau lieben. Ohne ihn können wir nichts tun.

 

Zum Beispiel unsere Kinder erziehen. Meine Mutter hat alles gut gemeint, es war alles Liebe. Aber aus Liebe kann man zerstören. Man kann aus Liebe dem anderen die Freiheit rauben. Man kann in Liebe einen anderen zum Knecht machen. Sag ich noch kurz was; Inge, darf ich? Sie ist ja ruhig und wenn ich mit ihr streite, bin ich immer der, wo streitet. Mit ihr kann man nicht streiten. Sie wollte noch einen Schrank haben. „Hermann, wir brauchen noch einen Schrank.“ „Inge, keinen Schrank.“ „Gut, Hermann, ich akzeptier’s.“ Sie gibt ja immer nach. Dann nach acht Tagen: „Hermann, wir bräuchten doch einen Schrank.“ „Inge, wir fahren das Zeug nach Rumänien, was wir zuviel haben.“ „Gut.“ Dann nach einem Monat: „Hermann, einen Schrank.“ Ala, da war ich in Moldawien und kam heim und da war der Schrank da. Könnt ihr euch vorstellen, was mit mir los war? Der arme Schrank. Auf der anderen Seite ist es ja auch gut, wenn man sportlich ist, wenn in uns Dynamik ist: Das ist ja da zum Guten und zum Bösen. Ein Mensch, der nicht mehr reagiert, auch in Aggressionen, der reagiert auch nicht mehr in der Botschaft für Jesus. Der ist ein langweiliger Mensch. Ich entschuldige das nicht, aber wir dürfen auch zu unseren individuellen Charaktereigenschaften stehen. Und es ist gut so, dass wir darin immer wieder gedemütigt werden, dass wir auf ein Level kommen mit Gott. Dass wir zu Jesus kommen und sagen: Guck einmal, nimm doch mein Temperament in deine Hände. Sonst mache ich Chaos. Nimm’s doch in deine Hände, dass ich hinauslaufen kann wie Paulus und sagen: Die Liebe Christi treibt mich! Dass ich auf die Leute losgehe, anstatt auf meine Kinder und meine Frau oder meine Eltern. Dass Gott dieses: Ohne mich könnt ihr nichts tun, in mein Herz schreibt, dass ich es begreife. Und das ist so schön. Ich will sie erlösen. Ich will, aber ich, aber ich, aber ich will sie erlösen.

 

Jetzt wollen wir zum Schluss noch kurz zurückkommen auf Johannes 15. Und da möchte ich grad noch sagen: „Bleibet in mir.“ Wir legen den Wert aufs Bleiben, wir betonen das Bleiben. Aber er sagt: in mir! In mir, das ist das Zentrum. Wenn ich kein Objekt habe, wo ich drinbleiben kann, ist mein Bleiben eine Wunschvorstellung, wertlos. Ich brauche ein Gegenüber, wo ich bleiben kann. Und dann sehen wir wieder: Ich muss bleiben. Aber er sagt auch: Und ich in euch. Wenn er dann nicht die Wechselwirkung bringt, dies ich in euch, dann können wir das gar nicht. Das ist auch eine Eigenart von uns Endzeitmenschen, dass wir sehr stark diese Ich-, diese Michart, entwickelt haben. Früher, wenn die Menschen eine Arbeit bekommen haben, dann sind sie heimgekommen und haben zur Frau gesagt: „Ach Frau, wir können doch Gott danken.“ - Selbst nichtgläubige Leute haben das gesagt. – „Komm, wir wollen Gott danken. Ich habe eine Arbeit bekommen.“ Heute gehen sie heim – gut jetzt ist schon wieder ein bisschen anders, aber generell – und sagen: Ich habe eine Arbeit angenommen. Wir betrügen uns alle sprachlich. Wenn einer im Dorf hier stirbt, dann heißt es: Der und der ist gestorben. Aber der ist nicht gestorben. Der wurde gestorben. Wir übersetzen alles in die Aktivform, aber das ist falsch. Bleibet in mir und ich in euch. Gleich wie die Rebe kann keine Frucht bringen von sich selber. Ohne mich könnt ihr nichts tun.

 

Vers 16: „Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr hingehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe, auf dass, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, er es euch gibt.“ Jetzt hat ein junger Mann zu mir gesagt: Hermann, ich bitte und bitte und Gott gibt mir nichts. Sage ich: Du bittest ja nicht nach Bedürftigkeit, sondern nach Überfluss. Wenn ein Kind rotzig ist und schreit, das ist ja auch so etwas wie eine Bitte, da wird der Vater ihm noch eine hinten drauf geben. Wenn es aber hinfällt und blutet aus der Nase, dann wird das Gebet erhört, wenn das Kind schreit. Wir beten ja schon lange um Dinge, wie Wohlfahrt und Sicherheit. Aber bitten wir um Demut? Bitten wir um diese Einfalt des Christus? Bitten wir drum, dass wir den Tag auch nur mit dir leben können. Du musst uns heute halten, denn mein Bemühen ist nichts wert. Ich hatte solche Angst heute vor dem Tag. Ich bin auch jetzt unsicher, aber der Herr möchte alles segnen. Ich habe jetzt am Schluss noch ein Gedicht. Ich kann es jetzt nicht finden. Dann das nächste Mal, da habt ihr dann einen Grund, mich wieder einzuladen.

 

Gott möchte uns Gnade schenken, dass wir begreifen, in einer Welt, wo wir autonom leben können, - wenn wir sagen können, wir fahren nach Neulußheim und wissen, wir haben daheim was zu Essen, wenn wir sagen können, wir fahren jetzt wieder heim - und doch wissen: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Auf dieser Welt gibt es viele, viele Geschwister, die wissen nicht, was sie heute essen. Die sitzen z. B. in Nordkorea im Konzentrationslager. Es gibt Geschwister in Pakistan, das ist da die Eigenart von den Gläubigen, Männer, die fahren mit Bussen über Land und verteilen Traktate. Das ist ihr Todesurteil, in diesem islamischen Land. Das geschieht dort, das wissen wir. Gläubige in Pakistan bekommen nur noch einen Arbeitsplatz, und zwar als Kloputzer. Und dort singen sie und missionieren auf den Klo’s, während die anderen dort ihr Geschäft verrichten. Das ist die Welt. Da ist eine ganz andere Dimension. Die geringsten Arbeiter, haben die höchste Botschaft. Das ist unsere Christenarbeit. Es ist ja eine Christenarbeit, Heiden zu bekehren, aber es ist manchmal auch eine Heidenarbeit, Christen zu bekehren. Aber möchte Gott uns in dem allen doch Gnade schenken, dass wir uns heute hier nicht vornehmen besser zu werden, sondern dass Jesus bei uns bleibt – und dann wird es gut. Jeden Sonntag nehmen tausende Gläubige sich vor: Jetzt werde ich besser, jetzt gebe ich einen guten Christen ab. Das Theater wird wieder gespielt. Lasst uns aufhören mit diesem Theater. Dass wir einfach mal sagen im Gebet: Herr Jesus, ohne dich kann ich wirklich nichts. Das sagt die Bibel. Nicht ich habe das gesagt. Und dass wir das im Herzen behalten als einen Wert. Dass Keuschheit in unsere Herzen kommt, in unser Wesen. Dass diese Worte wieder Leben werden: Keuschheit, Reinheit, Sittlichkeit. Dass wir uns danach sehnen.

Ich habe das Gedicht gefunden: (Emanuel von Geibel)

 

O du, vor dem die Stürme schweigen,

vor dem das Meer versinkt in Ruh’,

dies wilde Herz nimm hin zu eigen

und führ’ es deinem Frieden zu:

Dies Herz, das, ewig umgetrieben,

entlodert allzu rasch entfacht

und, ach, mit seinem irren Lieben

sich selbst und andre elend macht.

 

Entreiß es, Herr, dem Sturm der Sinne,

der Wünsche treulos schwankem Spiel;

Dem dunkeln Drange seiner Minne,

gib ihm ein unvergänglich Ziel;

Auf dass es, los vom Augenblicke,

von Zweifel, Angst und Reue frei

sich einmal ganz und voll erquicket

und endlich, endlich stille sei.

 

Wir wollen miteinander beten:

Lieber Herr Jesu, ich bin dir so dankbar für diese wunderbare Hoffnung, dass du in der größten Armut reich machen kannst. Dass du mit deinem größten Opfer uns würdigst, bei dir sein zu dürfen, beim Vater. Denn um unserer Sünde willen bist du dahingegeben worden, um unserer Rechtfertigung willen wurdest du auferweckt. Der Vater hat nicht zugelassen, dass sein Heiliger in der Verwesung blieb. Du bist der Einzige, der nicht in die Verwesung ging, weil du der Einzige warst ohne Stolz. Wir verwesen, weil alles in uns Stolz ist, Herr. Das ist das Verwesungsmoment in uns, ihr werdet sein wie Gott, dieses Gift der Schlange. Bitte lieber Herr, laß uns in dir die Unverweslichkeit schauen, die Ewigkeit. Verdammnis ist ja über alle Menschen ausgesprochen, aber in Christus Jesus gibt es keine Verdammnis mehr. Ach, sind das Worte, Herr. Wir wollen sie glauben, nehmen, auch wenn wir morgen im Alltag wieder versagen, Herr. Und wenn es uns Angst wird, diese Werte leben zu können, Feindesliebe, Keuschheit, Reinheit, Treue, Sittlichkeit. Nicht in äußerlicher, menschlicher Form auf dem Baum der Erkenntnis, in Partnerschaft mit dem Bösen, sondern in Reinheit bei dir Herr. Denn wir können es nicht ohne dich. Aber, Herr, geh du mit uns und laß uns doch in dieser Endzeit noch ein Licht sein, unsere Häupter erheben, denn deine Erlösung naht so schnell, Herr. Die Weltereignisse zeigen uns, dass du nahe vor der Tür stehst, dass du bald kommst, Herr. Laß uns doch bereit sein, uns auf dein Kommen zu freuen. Freude auf den Himmel, nicht auf ein neues Auto, ein neues Haus, neue Teppiche, neues Essen, neue Frauen, sondern auf dich, lieber Herr. Wir dürfen alles besitzen, aber bitte schenke uns Kraft, dass wir unser Herz nicht daran hängen. Ich bitte es alles auch für mich Herr. Danke für meine Geschwister hier. Segne auch die, die das erste Mal hier waren oder die vielleicht das erste Mal dich von Herzen hören konnten. O Herr, gib, dass wenn wir heimgehen, unser Gewissen arbeiten könnte. Dass wir unser Gewissen nicht tot machen jetzt, wenn unser Gewissen uns anklagt: Geh doch zu Jesus. Dass wir es nicht ersticken mit unserer Vernunft und sagen: Nein, ich will nicht so ein frommer Wicht werden. Sondern dass wir uns - verklagt durch unser Gewissen - dir, der das Gewissen rein macht, ausliefern könnten. Danke für deine Liebe. Segne uns jetzt auch unseren Ausgang, unseren Eingang und unseren Ausgang in dir, für immer, Herr. Amen